LOCKDOWN UND LEBENSBÜHNEN DIE VERÄNDERUNG DER LEBENSWELT VON KINDERN UND JUGENDLICHEN IM ALTER VON 12-16 JAHREN DURCH DEN LOCKDOWN

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LOCKDOWN UND LEBENSBÜHNEN

DIE VERÄNDERUNG DER LEBENSWELT VON
KINDERN UND JUGENDLICHEN IM ALTER VON
  12-16 JAHREN DURCH DEN LOCKDOWN
Lockdown und Lebensbühnen

Die Veränderung der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen im
Alter von 12-16 Jahren durch den Lockdown

Verfasser:
Joel Arnet

Studienbeginn:
Herbst 2019

Master in Sozialer Arbeit, Bern│Luzern│St. Gallen

Fachbegleitung:
Dr. Rebekka Ehret

Eingereicht am 12. Januar 2022
Abstract
Die vorliegende Arbeit deutet die Veränderung der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen
im Alter von 12-16 Jahren durch den Lockdown vom Frühling 2020 anhand des
Theorienkonzepts der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit von Hans Thiersch (2020).
Daraus resultieren Handlungsmöglichkeiten für Professionelle der Sozialen Arbeit.

Dazu werden in einem ersten Schritt die Situation um den Lockdown und das Theorienkonzept
der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit nach Hans Thiersch (2020) verständlich dargelegt,
um daraufhin die Lebenswelten mit den Veränderungen des Lockdowns zu deuten. Dazu
werden Studien, weitere Literatur und Protokolle der teilnehmenden Beobachtung aus der
Offenen Kinder- und Jugendarbeit verwendet. Zu den wichtigsten Ergebnissen zählen, dass
der Alltag der Jugendlichen im Lockdown stark durch den der Erziehungsberechtigten
beeinflusst wurde, dass die virtuellen Welten im Lockdown sowohl Chancen als auch Risiken
geborgen haben und dass Kinder und Jugendliche im Lockdown besonders vulnerabel waren.
Die Soziale Arbeit muss sich deshalb im Falle eines erneuten Lockdowns insbesondere auch
auf die Hinterbühne der Lebensweltorientierung (Thiersch, S. 48) fokussieren, um durch
gezieltes Lobbying die Massnahmen für Kinder und Jugendliche zu mildern. Weiter muss sie
sich die virtuellen Welten strategisch aneignen, sich den Krisen der Erziehungsberechtigten
annehmen und die tertiäre Prävention gezielt ausführen.
Inhaltsverzeichnis

1     Einleitung ....................................................................................................................... 1
    1.1     Motivation................................................................................................................ 1
    1.2     Ausgangslage ......................................................................................................... 2
    1.3     Ziel .......................................................................................................................... 3
    1.4     Fragestellung .......................................................................................................... 3
    1.5     Aufbau der Arbeit .................................................................................................... 4
    1.6     Adressatenschaft .................................................................................................... 5
    1.7     Glossar.................................................................................................................... 5
2     Methodisches Vorgehen ................................................................................................. 6
    2.1     Vorgehen bei der Datenrecherche........................................................................... 6
3     Aktueller Wissensstand .................................................................................................. 7
    3.1     Studien und Literatur ............................................................................................... 7
      3.1.1        Die Schweizer Jugend in der Pandemie ........................................................... 7
      3.1.2   Der Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit der
      Schweizer Bevölkerung und die psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung in der
      Schweiz 7
      3.1.3        Kindsein in Zeiten von Corona ......................................................................... 8
      3.1.4        Wir werden gemeinsam mit unseren Träumen eingesperrt............................... 9
      3.1.5        Das Leben von Jungen Menschen in der Coronapandemie ............................. 9
      3.1.6        Dachverband Offene Kinder- und Jugendarbeit Schweiz ................................10
      3.1.7        COPSY ...........................................................................................................10
      3.1.8   Einblick in die Lebenswelt sozial belasteter Familien während des Lockdowns/
      Auswirkungen, Herausforderungen, Erkenntnisse .........................................................11
      3.1.9        Generation Corona? ........................................................................................12
      3.1.10 Zwischenfazit......................................................................................................12
    3.2     Teilnehmende Beobachtung mit Erinnerungsprotokollen ........................................13
4     Erkenntnisse .................................................................................................................15
5     Covid-19 und der Lockdown vom Frühling 2020 ............................................................16
6     Lebensweltorientierte Soziale Arbeit..............................................................................18
    6.1     Die Vorder- und Hinterbühne ..................................................................................19
    6.2     Diskurs über den Alltag ..........................................................................................20
7     Lebensweltorientierung und der Lockdown vom Frühling 2020 .....................................23
    7.1     Alphabet der Alltäglichkeit ......................................................................................23
      7.1.1        Erfahrung, Deutung, Gefühle...........................................................................23
      7.1.2        Leib, Raum, Zeit, Beziehungen .......................................................................24
      7.1.3        Sorge, Erledigung, Selbstzuständigkeit ...........................................................30
7.1.4         Routinen und Pragmatik ..................................................................................31
      7.1.5         Selbstdarstellung und Stolz, Anerkennung und Zugehörigkeit .........................32
    7.2       Die Ambivalenz der Alltäglichkeit und das Ringen um einen gelingenderen Alltag .33
    7.3       Struktur- und Handlungsmaximen ..........................................................................35
8     Herausgearbeitete Handlungsmöglichkeiten für die Soziale Arbeit ................................39
    8.1       Hinterbühne............................................................................................................39
    8.2       Wirkungsmächtig bleiben .......................................................................................39
    8.3       Der Alltag der Erziehungsberechtigten ...................................................................40
    8.4       Tertiäre Prävention .................................................................................................40
    8.5       Digitale Medien ......................................................................................................40
    8.6       Kommunikation der Massnahmen ..........................................................................41
9     Kritische Diskussion ......................................................................................................43
    9.1       Methodisches Vorgehen und Daten .......................................................................43
      9.1.1         Verwendete Studien ........................................................................................43
      9.1.2         Teilnehmende Beobachtung/Erinnerungsprotokolle ........................................44
      9.1.3         Wahl der Literatur zur Lebensweltorientierung ................................................44
      9.1.4         Mangel an Daten .............................................................................................44
      9.1.5         Quelle vom Tourismusverband ........................................................................45
      9.1.6         Methodisches Vorgehen..................................................................................45
    9.2       Diskussion der Ergebnisse .....................................................................................45
      9.2.1         Alltag der Erziehungsberechtigten ...................................................................45
      9.2.2         Die Soziale Arbeit bewegt sich vorwiegend auf der Vorderbühne ....................46
      9.2.3         Datenschutz in der tertiären Prävention...........................................................46
10         Zusammenfassung der Ergebnisse............................................................................47
    10.1      Zentrale Erkenntnisse ............................................................................................47
      10.1.1        Lebensweltorientierung und Lockdown............................................................47
      10.1.2        Herausgearbeitete Handlungsmöglichkeiten ...................................................47
    10.2      Schlussbetrachtung/Persönliches Fazit ..................................................................47
    10.3      Reflexion ................................................................................................................48
    10.4      Ausblick..................................................................................................................48
11         Quellenverzeichnis ....................................................................................................51
12         Anhangsverzeichnis ...................................................................................................55
1 Einleitung
Diese Masterarbeit setzt sich mit den Auswirkungen des Lockdowns vom Frühling 2020 auf
die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen auseinander. Dazu nimmt sie vorhandene
Studien und Beiträge zum Leben im Lockdown auf und stellt diese dar. Weitere Daten
erschliessen sich aus der Teilnehmenden Beobachtung (TB) durch Erinnerungsprotokolle.
Schliesslich werden die Daten anhand der Lebensweltorientierung gedeutet. Daraus werden
Handlungsmöglichkeiten für die Soziale Arbeit, insbesondere für die Offene Kinder- und
Jugendarbeit (OKJA), abgeleitet.

In einem ersten Schritt wird die Situation um den Lockdown vom Frühling 2020 dargelegt. Um
die Verhältnisse zu veranschaulichen, werden Nachrichten, Beschlüsse und Verordnungen
aufgenommen und die geforderten Verhaltensweisen erklärt. In einem weiteren Schritt wird
das Theorienkonzept der Lebensweltorientierung aufgenommen und kurz erläutert. Die
Forschungslücke besteht bei der darauffolgenden Deutung der aufgearbeiteten Daten aus
Studien, Beiträgen und Beobachtungen mit dem Theorienkonzept der Lebensweltorientierung.

1.1 Motivation
Seit etwas mehr als zwei Jahren bin ich als Soziokultureller Animator (SKA) in der OKJA in
drei Gemeinden tätig. Davor war ich mehrere Jahre im Leitungsteam eines örtlichen Vereines,
welcher in der Freizeitgestaltung der Kinder und Jugendlichen tätig ist. Auch absolvierte ich
während des Bachelorstudiums ein Praktikum auf einer kantonalen Stelle, wo ich daraufhin
während einer Mutterschaftsvertretung den Bereich Jugend und junge Erwachsene leiten
durfte. Weiter bin ich seit einigen Monaten Co-Präsident des Netzwerkes Offene Kinder und
Jugendarbeit Zentralschweiz (NOJZ), bei dem ich zuvor bereits aktives Mitglied war.

In der OKJA wird auf die Würde jedes Individuums geachtet, wie dies auch vom Berufskodex
der Soziale Arbeit (Beck, Diethelm, Kerssies, Grand & Schmocker, 2010, S. 9) gefordert wird.
Dabei ist insbesondere von den Grundwerten Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit jedes
Individuums die Rede (S. 9). Die Charta der SKA lehnt sich dem Berufskodex der Sozialen
Arbeit an (2017, S. 2). Die Charta der SKA will, dass Meschen die Gesellschaft als
Gemeinschaft erfahren und sich als Mitglied dieser fühlen. Die SKA baut soziale Netzwerke
auf, lässt Menschen partizipieren und schafft Begegnungen (S. 2). Doch durch das Covid-19
Virus und die damit verbundenen Massnahmen des Staates hat sich meine Arbeit in der OKJA
stark verändert. Insbesondere der Lockdown vom Frühling 2020 hat grosse Veränderungen
gebracht, weil der Offene Treff der OKJA schliessen musste und uns die Massnahmen
zwangen, alle Arbeiten neu zu überdenken. Durch den digitalen Kontakt sowie den Kontakt
vor Ort mit den Kindern und Jugendlichen während und nach dem Lockdown habe ich erkannt,
dass sich das Leben und die damit verbundenen Herausforderungen der jungen Menschen
betreffend soziale Integration stark verändert haben. Es war plötzlich nicht mehr möglich,

                                                                                           1
Begegnungen zu schaffen, Teilhabe zu fördern oder Partizipation zu leben, wie dies die Charta
der SKA nennt. Diese Veränderungen mit Daten anhand des Theorienkonzepts der
lebensweltorientierten Sozialen Arbeit aufzuarbeiten, erscheint äusserst gewinnbringend, weil
damit der Alltag der jugendlichen methodisch und für Dritte nachvollziehbar beleuchtet werden
kann. Dadurch kann aufgezeigt werden, inwiefern sich der Alltag und die damit verknüpfte
«Vorder- und Hinterbühne» (Thiersch, 2020, S. 48) der Kinder und Jugendlichen im Lockdown
verändert haben. Dies wiederum macht Handlungsmöglichkeiten für die Soziale Arbeit,
insbesondere für das Berufsfeld der OKJA, sichtbar.

Aufgrund meiner Interessen und den Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen,
der Intensivität der Veränderungen, wie ich sie aus nächster Nähe erlebt habe und aufgrund
der Notwendigkeit der Aufarbeitung des Geschehenen habe ich die vorliegende Arbeit
geschrieben.

1.2 Ausgangslage
Anfang Dezember 2019 traten in China erste Fälle einer neuen infektiösen Lungenkrankheit
auf. Das Covid-19 Virus verbreitete sich innert Kürze weltweit. Wie das Schweizer Radio und
Fernsehen (SRF) berichtete, tritt in der Schweiz der erste bestätigte Covid-19 Fall am 25.
Februar 2020 auf (2020). Am 16. März 2020 verkündete die Regierung den Lockdown, welcher
später bis zum 26. April 2020 verlängert wurde (Schweizer Tourismus-Verband, o.J.). In
diesen Monaten sind unzählige Medienartikel zur Thematik Lockdown und Kinder und
Jugendliche erschienen. Expert*innen berichten, dass nach den Lockerungen die Angebote
der Kinder und Jugendpsychiatrien insbesondere bei Notfällen als intensiviert wahrgenommen
werden (Stocker et al., 2020, S. VI). Das Leben hatte sich schlagartig verändert – der Alltag
musste neu organisiert werden.
In der Zwischenzeit wurden bis zum Verfassen der vorliegenden Arbeit diverse Studien und
einen Grundstock an Literatur zur Thematik Corona und Kinder sowie Jugendliche
veröffentlicht. In Ergänzung dazu wurden Daten aus der TB in Erinnerungsprotokollen
festgehalten. Mit dem Konzept der Lebensweltorientierung können diese Daten gedeutet
werden. So können der Alltag und die damit verknüpfte Vorder- und Hinterbühne der Kinder
und Jugendlichen im Lockdown verstanden und aufgearbeitet werden. Dies ist zentral, um das
Geschehene zu verstehen und um Schlüsse daraus ziehen zu können. Gegenwärtig gibt es
keine Veröffentlichungen, welche Daten von Kindern und Jugendlichen vom Lockdown anhand
dieses Konzeptes deuten. Das Praxisinteresse, insbesondere von der OKJA, ist vorhanden.
Der   Lockdown    hat   gezeigt,   dass   den   Professionellen   der   SKA   entsprechende
Handlungsmöglichkeiten fehlen, welche in der vorliegenden Arbeit aus in Kapitel 8 dargestellt
werden.
In der Schweiz ist die OKJA sehr divers. Es gibt unzählige Organisationen in verschiedenen
juristischen Personen. Es gibt den Dachverband der Offenen Kinder- und Jugendarbeit
                                                                                 2
Schweiz (DOJ). Diesem Dachverband sind verschiedene Netzwerke angehörig, bestehend
aus den einzelnen OKJA-Stellen. Ein Beispiel für ein Netzwerk ist das NOJZ, in welchem
zurzeit 55 OKJA-Stellen Mitglied sind. Darunter sind grosse städtische wie auch kleine
ländliche Gemeinden, in denen sich die OKJA aufgrund der verschiedenen Bedürfnisse
teilweise stark unterscheiden können.

1.3 Ziel
Der Lockdown vom Frühling 2020 hat die Angebote und Grundprinzipien der SKA und dabei
im Besonderen der OKJA stark eingeschränkt und beschnitten. Angebote mussten schliessen
und Menschen durften sich nicht mehr treffen. Die Handungsmöglichkeiten für Professionelle
der SKA wurden stark minimiert. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die
Situation um das Covid-19-Virus neu war und viele Professionelle der Sozialen Arbeit genau
wie die Politik und Gesellschaft unvorbereitet traf. Mit der Aufarbeitung des Alltags der Kinder
und Jugendlichen sollen daher einerseits Handlungsmöglichkeiten für Professionelle der
Sozialen Arbeit gefunden werden. Andererseits sollen Professionelle der Sozialen Arbeit
vertieftere Einblicke in das Geschehene aus der Perspektive der Kinder und Jugendlichen
erhalten, um im Berufsalltag optimal auf sie eingehen zu können.

1.4 Fragestellung
In dieser Masterarbeit wird der Alltag von Kindern und Jugendlichen nach dem Konzept der
Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit nach Thiersch im Lockdown vom Frühling 2020
untersucht. Durch die Beleuchtung der Lebenswelten kann gedeutet werden, inwiefern sich
der Alltag der Kinder und Jugendlichen im Lockdown verhalten hat. Daraus wiederum
resultieren Handlungsmöglichkeiten für Professionelle der Sozialen Arbeit.
Aus der Ausgangslage, der Motivation und dem Ziel ergeben sich folgende Fragestellungen:

   1. Wie sind die Veränderungen der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen im Alter
       von 12-16 Jahren durch den Lockdown im Frühling 2020 aus der Perspektive der
       Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit nach Thiersch zu deuten?
   2. Welche Handlungsmöglichkeiten für Professionelle der Sozialen Arbeit, insbesondere
       für die Offene Kinder- und Jugendarbeit, resultieren daraus?

Diese Fragestellungen wurden gewählt, weil im Lockdown vom Frühling 2020 die Arbeit mit
den   Kindern und     Jugendlichen      nicht   mehr   wahrgenommen     werden    konnte    und
Handlungsmöglichkeiten aus der Situation fehlten. Die Fragestellung hat Kinder und
Jugendliche im Schulalter der ersten bis zur dritten Sekundarschule im Fokus, welche im
Lebensalter der Adoleszenz sind. Kontakte zu Gleichaltrigen spielen im Jugendalter für die
persönliche Entwicklung eine zentrale Rolle (Stocker et al., 2020, S. VI). Weil Beziehungen zu
gleichaltrigen (Peers) im Jugendalter an Gewicht zunehmen scheint insbesondere für diese

                                                                                              3
Altersgruppe der Lockdown grosse Veränderungen verursacht zu haben, da eben diese
Beziehungen durch die Massnahmen massiv gestört wurden.

Das Konzept der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit wird in ihrer Tradition immer
spezifisch auf eine Person angewendet. In der hier vorliegenden Arbeit wird von einer 12-16-
jährigen Person ausgegangen, welche in der Schweiz wohnhaft und schulpflichtig ist und
welche bei ihren Erziehungsberechtigten wohnt. Die Zielgruppe der 12-16-Jährigen richtet sich
nach dem Angebot der OKJA, in welcher der Autor tätig ist. Es wird nicht auf die Unterschiede
im Alter und den Geschlechtern der Kinder und Jugendlichen eingegangen, weil dies den
Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Die Arbeit enthält bewusst keinen Diskurs zum
Theorienkonzept, weil sie sich auf die systematische Deutung des Alltags und somit auf das
Anwenden     der    Theorie     fokussiert.     Es     dient   deshalb    beim     Theorienkonzept   der
Lebensweltorientierung        immer     die          neueste    Ausgabe      von     Thiersch   (2020),
Lebensweltorientierte Soziale Arbeit – revisited, als Literatur. Der Grund, weshalb in dieser
Arbeit der Zeitraum des Lockdowns verwendet wird, ist, weil es über einen Zeitraum konstante
Massnahmen braucht, um die Auswirkungen auf den Alltag der Kinder und Jugendlichen
deuten zu können. Weil die Massnahmen mit dem Voranschreiten der Pandemie wandelten,
sind Deutungen auf einen längeren Zeitraum weniger geeignet. Denn es ist anzunehmen, dass
sich mit den sich ändernden Massnahmen auch der Alltag der Kinder und Jugendlichen ändert.
Daten sind für Kinder und Jugendliche dieser Altersspanne wenige vorhanden. Die in dieser
Arbeit verwendeten Daten treffen die Zielgruppe im Alter daher nicht immer vollkommen.
Wegen dem Mangel an verfügbaren Daten der exakten Zielgruppe und dank den Ergänzungen
aus der TB ist die Adaption auf die Zielgruppe dennoch sinnvoll.

1.5 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit ist in zehn Kapitel gegliedert. Auf die «Einleitung» folgt das Kapitel
«Methodisches Vorgehen». Darauf folgt das Kapitel «Aktueller Wissensstand», in welchem in
die vorhandenen und neu gewonnenen Daten eingeleitet wird. Daraufhin werden die
wichtigsten Ergebnisse erläutert, bevor im nächsten Kapitel (5.0) der Lockdown vom Frühling
2020 und die Situation um das Covid-19 Virus erläutert wird. Im darauffolgenden Kapitel 6 wird
das Konzept der Lebensweltorientierung nach Thiersch (2020) erklärt, welches essenziell für
das   Verständnis    des      Kapitel   7     ist.    In   diesem   werden    die    Ausführungen    zur
Lebensweltorientierung, mit Fokus auf den Alltag, mit dem Lockdown verknüpft und dabei die
erste Fragestellung beantwortet. Daraus resultieren in Kapitel 8 Handlungsmöglichkeiten für
die professionellen der Sozialen Arbeit, wo die zweite Fragestellung beantwortet wird. Das
Kapitel 9 dient dazu, diese Masterarbeit, die Literatur und die Vorgehensweisen kritisch zu
hinterfragen. Die wichtigsten Ergebnisse werden im Kapitel 10 zusammengetragen und in
einem Ausblick Themen für mögliche, weiterführende Arbeiten präsentiert.

                                                                                                       4
1.6 Adressatenschaft
Wie aus Kapitel 1.4 ersichtlich wird, richtet sich diese Masterarbeit an Professionelle der
Sozialen Arbeit, insbesondere an solche der OKJA. Weiter richtet sie sich an alle freiwillig
tätigen, welche mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.
1.7 Glossar
BAG           Bundesamt für Gesundheit

DOJ           Dachverband Offene Kinder- und Jugendarbeit Schweiz

NOJZ          Netzwerk Offene Kinder- und Jugendarbeit Zentralschweiz

OKJA          Offene Kinder- und Jugendarbeit

SARS-CoV-2 Severe acute respiratory syndrome coronavirus 2

SKA           Soziokulturelle Animation

SRF           Schweizer Radio und Fernsehen

SSA           Schulsozialarbeit

TB            Teilnehmende Beobachtung

                                                                                          5
2 Methodisches Vorgehen
In diesem Kapitel wird das methodische Vorgehen dargelegt. Aufgrund der Fragestellungen
und der zur Verfügung stehenden Daten wird eine Literaturrecherche gewählt. Dazu werden
alle verfügbaren und passenden Daten aufgenommen und verarbeitet. Aufgrund der kleinen
Menge an verfügbaren empirischen Daten werden Daten aus Österreich, Deutschland und der
Schweiz verwendet. Weiter dienen Beobachtungsprotokolle aus der TB aus der OKJA als
Ergänzungen zu den bereits vorhandenen Daten. Die Daten werden zuerst aufgearbeitet,
ebenso wie das Theorienkonzept der Lebensweltorientierung von Hans Thiersch. Daraufhin
werden die Daten anhand des Theorienkonzeptes, insbesondere dem darin enthaltenen Alltag
und der Vorder- und Hinterbühne, gedeutet. Dazu wird stets die aktuelle Ausgabe von Thiersch
(2020) – Lebensweltorientierte Soziale Arbeit – revisitet – verwendet.

2.1 Vorgehen bei der Datenrecherche
Die in dieser Arbeit verwendete Literatur wird aus verschiedenen Suchmaschinen
zusammengetragen. Um diese richtig zu bedienen, wurde eine Kurzschulung absolviert. Es
wurden folgende Suchmaschinen verwendet:

      Swisscovery Zentralschweiz
      Google Schollar
      Fachportal Pädagogik
      Google.

Die Suchbegriffe dabei waren sehr divers, um vorweg einen Überblick zu erlangen und um die
wenigen, verfügbaren Studien zu finden. Einige Begriffe sind hier genannt, welche in
verschiedenen Konstellationen gesucht worden sind: Covid, Covid-19, SARS-CoV, SARS-
CoV-2, Corona, Jugend, Jugendliche, Kind, Kinder, junge Erwachsene, Adoleszenz, Thiersch,
Hans, Hans Thiersch, Alltag, Lebenswelt, Lebensweltorientierte Soziale Arbeit, Soziale Arbeit,
Soziokultur, Offener Treff, Treff, Aufsuchende Kinder- und Jugendarbeit, Sozialraum,
Soziokulturelle Animation, Schule, Schulsozialarbeit, Schulpädagogik.

Um an weitere Daten zu gelangen, wurden unzählige Personen und Institutionen kontaktiert.
Damit sind     SSA,    Lehrpersonen, Vertretende       des   BAG, professionelle   der SKA,
Vorstandsmitglieder des NOJZ, Dozierende, der DOJ und weitere gemeint.

Am 23.11.2021 fand in Basel die Podiumsdiskussion statt zum Thema «Generation Corona»,
an welcher weitere, verfügbare Informationen abgeholt wurden.

Diese Arbeit enthält Literatur, welche bis spätestens am 15.11.2021 zugänglich war. Später
veröffentlichte Literatur ist im Ausblick untergebracht.

                                                                                            6
3 Aktueller Wissensstand
Es wurden in den letzten Monaten diverse Studien veröffentlicht, welche in Deutschland, der
Schweiz oder Österreich durchgefüht worden sind. Dabei deckt sich die Zielgruppe der Studien
nicht umfassend mit der in dieser vorliegenden Arbeit verwendeten Zielgruppe. Aufgrund der
Ergebnisse der in dieser Arbeit verwendeten Studien und den Ergänzungen aus der TB ist es
dennoch von Interesse, sie zu integrieren. Dies nebst den ausgewiesenen Daten insbesondere
auch deshalb, weil aufgrund der Aktualität und des Alters der Thematik erst wenige Studien
verfügbar sind. Schweizer Studien, welche vom BAG geprüft worden sind und empfohlen
werden, gibt es laut persönlicher Auskunft vom BAG vom 28.10.2021 erst zwei. Dabei
beschäftigen sich die Studien nicht ausschliesslich mit dem Lockdown vom Frühling 2020,
sondern mit einer längeren Zeitspanne.

3.1 Studien und Literatur
Nachfolgend wird in die für diese Arbeit bedeutsamen Studien und weitere Literatur eingeleitet.
Die einzelnen Beiträge sind mit dem Titel der Veröffentlichungen versehen.

3.1.1 Die Schweizer Jugend in der Pandemie
Für die Sotomo-Studie «Die Schweizer Jugend in der Pandemie» wurden zwischen März 2020
und Juli 2021 in acht Befragungswellen die Situation der Jugendlichen in der Schweiz
ausgewertet. Pro Welle nahmen jeweils zwischen 30’000-50'000 Personen ab 15 Jahren teil.
Zwischen fünf und zehn Prozent der Teilnehmenden waren unter 25 Jahre alt. Dabei ist der
Fokus der Auswertungen auf die Zeit, «…als in der Schweiz weitreichende Massnahen zur
Pandemiebekämpfung in Kraft waren, welche vor allem der jungen Bevölkerung stark aufs
Gemüt schlugen» (Bosshard, Bütikofer, Hermann, Krähenbühl & Wenger, 2021, S. 6.). Die
Haupterkenntnisse sind, dass die junge Generation weniger gut mit der Pandemie zurecht
kommt als der Durchschnitt und viel weniger gut als die ältere Generation. Auch fühlte sich die
junge Generation mehr durch die Massnahmen eingeschränkt als die ältere Genertation.
Weiter fürchtet sich die ältere Generation mehr von den Folgen einer Ansteckung, während
die Sorgen der jungen Generation verstärkt die soziale Isolation, eingeschränkten Freiheiten
sowie privaten Konflikte als Folge der Pandemie sind. Die jüngsten Befragten befürchten,
wichtige Erfahrungen der Jugendjahre verpasst zu haben oder zu verpassen (Bosshard et al.,
S. 11-12).

3.1.2 Der Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit der
      Schweizer Bevölkerung und die psychiatrisch-psychotherapeutische
      Versorgung in der Schweiz
Die zweite, vom BAG empfohlene Studie wurde vom Büro für Arbeits- und Sozialpolitische
Studien durchgeführt. Sie trägt den Titel «Der Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die
psychische    Gesundheit      der   Schweizer     Bevölkerung      und    die   psychiatrisch-
psychotherapeutische Versorgung in der Schweiz». Sie untersucht die Auswirkungen auf die

                                                                                             7
psychische Gesundheit der Allgemeinbevölkerung sowie auf Risikogruppen und die
Versorgungssituation während der Krise. Eine der vertieft analysierten Gruppen sind Kinder
und Jugendliche. Es ist ein erster Teilbericht, welcher der Stand der Ergebnisse von Mitte
Oktober 2020 darstellt (Stocker et al., 2020, S. V.). Bis zum 24. November 2021 wurde kein
neuer Teilbericht veröffentlicht, weshalb in dieser Arbeit der erste Teilbericht verwendet wird.
Für die Studie wurden Expert*innen interviewt aus den Bereichen Forschung, Beratung und
Versorgung. Weiter wurden Daten aus der Schweiz und dem Ausland aus einer
Literaturrecherche gewonnen. Aufgrund der Aktualität der Thematik, des zeitlichen Horizonts
und der methodischen Limitation «… gehen aus dem Forschungsstand noch wenig empirisch
gesicherte Fakten zum Ausmass der psychischen Folgen in der Gesamtbevölkerung hervor»,
erklärt Stocker et al. (S. V). «Einschätzungen von Expert/innen zufolge kann die Corona-Krise
als «Katalysator» bezeichnet werden, weil bestehende Tendenzen von Ungleichheit und
Vorbelastung durch die Krise verstärkt werden», so Stocker et al. (2020) weiter (S. VI). Eine
andere Erkenntnis der Studie ist, dass die höhere Belastung der jüngeren Generation
möglicherweise im Zusammenhang steht mit der persönlichen Entwicklung. Denn Kontakte zu
Gleichaltrigen spielen im Jugendalter für die persönliche Entwicklung eine zentrale Rolle.
Expert*innen berichten, dass nach den Lockerungen die Angebote der Kinder und
Jugendpsychiatrien insbesondere bei Notfällen als intensiviert wahrgenommen werden
(Stocker et al., S. VI). Der Schutz der öffentlichen Gesundheit ist mit tiefgreifenden
Veränderungen des Alltags sowie des gesellschaftlichen Zusammenlebens verbunden
(Stocker et al., S. V).

3.1.3 Kindsein in Zeiten von Corona
«Deutsches Jugendinstitut» veröffentlichte im Dezember 2020 den Ergebnisbericht «Kindsein
in Zeiten von Corona» mit dem Untertitel «Ergebnisbericht zur Situation von Kindern während
des Lockdowns im Frühjahr 2020». Einerseits möchte die Studie den Kindern Platz und Gehör
verschaffen, da diese bis anhin ihre Stimmen selten einbringen konnten (Langmeyer, Guglhör-
Rudan, Naab, Urlen & Winklhofer, 2020, S. 6). Diese Annahme wird auch durch die vom BAG
empfohlenen Literatur gestärkt, denn die Daten der Literatur wurden nur zu einem sehr
geringen Prozent durch Kinder und Jugendliche gewonnen (Sotomo, 2021, S. 5). Andererseits
will die Studie von Langmeyer et al. (2020) die Auswirkungen der Coronakrise auf die Kinder
aufzeigen. Diese sind stark von den Auswirkungen der Coronapandemie betroffen. Es treffen
sie zum einen die Massnahmen, welche für alle gelten. Zum anderen sind es aber gerade
Kinder, die wenig eigene Möglichkeiten haben, um ihre grundlegendsten Bedürfnisse zu
decken (Langmeyer et al., S. 6). Die Studie betrachtet die Lebenssituation und den Alltag von
Kindern während der ersten Welle der Corona Pandemie (Langmeyer et al., S. 8). 12'628
Personen haben an der Studie teilgenommen. Zu 89% waren die Befragten Mütter. 90% der
Befragten waren zwischen 30 und 49 Jahre alt, wobei 100% der Anworten durch

                                                                                              8
Auskunftspersonen und nicht von Kindern selbst gegeben wurden (Langmeyer et al., S. 9). Es
sind überwiegend Familien mit mittlerem und höherem Bildungsabschluss vertreten
(Langmeyer et al., S.10). 44% der Kinder der Befragten sind drei bis sechs Jahre alt, 31%
sieben bis zehn Jahre und 25% zwischen 11 und 15 Jahren. Dabei sind rund die Hälfte
männlich und die andere Hälfte weiblich (Langmeyer et al., S. 13). Für die Studie wurde aus
Zeitgründen auf eine repräsentative Zufallsstichprobe verzichtet. Für die Studienteilnahme
wurde über Soziale Netzwerke, E-Mailverteiler aber auch über die Kontakte und Netzwerke
von Sozialverbänden, Jugendämtern und Trägern von Kindertageseinrichtungen geworben
(Langmeyer et al., S. 8). Auf Basis dieser Convenience-Stichprobe sind daher keine
generalisierenden Aussagen über die Bevölkerung in Deutschland möglich. Langmeyer et al.
(2020) führen aus: «Die gewonnenen Daten erlauben es uns jedoch, Tendenzen aufzuzeigen
und das Wohlbefinden von Kindern in unterschiedlichen Lebenssituationen miteinander zu
vergleichen» (S. 9).

3.1.4 Wir werden gemeinsam mit unseren Träumen eingesperrt
Eine weitere Umfrage wurde vom Koordinationsbüro für Offene Jugendarbeit und Entwicklung
(koje), dem Dachverband für Offenen Jugendarbeit in Vorarlberg, im November 2020
durchgeführt. Sie heisst «Wir werden gemeinsam mit unseren Träumen eingesperrt». Sie hat
zum Ziel, dass die Kinder und Jugendlichen gehört werden, damit die Jugend in die
Entscheidungsprozesse eingebunden wird (Sams, Simma & Zinkel-Camp, 2020, S. 4). Rund
1200 Kinder und Jugendliche haben den Fragebogen ganz ausgefüllt. Die Umfrage hat keinen
Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Sie soll ein Stimmungsbild der jungen Menschen in
Vorarlberg aufzeigen (Sams et al., S. 6). Insgesamt waren etwas mehr als die Hälfte weiblich
und etwas weniger als die Hälfte männliche Teilnehmende. 59.9% der Befragten waren
zwischen 12 und 16 Jahre alt (Sams et al., S. 7).

3.1.5 Das Leben von Jungen Menschen in der Coronapandemie
Die Studie «Das Leben von Jungen Menschen in der Coronapandemie» mit dem Untertitel
«Erfahrungen, Sorgen, Bedarfe» ist am 23.03.2021 von der Bertelsmann Stiftung in
Deutschland    veröffentlicht   worden.   Sie   wurde    durch   Wissenschaftler*innen     des
Forschungsverbundes der Universitäten Hildesheim und Frankfurt erstellt. Die Daten wurden
im April/Mai und November 2020 in zwei Onlinebefragungen erhoben. Die Forschenden
wollten herausfinden, wie es den jungen Menschen gerade geht, «…was sie brauchen und
welche Ideen sie hätten um besser durch die Krise zu kommen», so Andersen et al. (2021, S.
6). An der ersten Umfrage nahmen 5520 Personen teil. An der zweiten 7038. Beide Male
waren etwas mehr als zwei Drittel der Teilnehmenden weiblich, knapp ein Drittel männlich und
1.5% divers. Das Durchschnittsalter beträgt 19,04 und 19.61 Jahre, wovon in der ersten
Umfrage knapp die Hälfte und in der zweiten Umfrage gut einen Drittel zwischen 15 und 17
Jahren war. In der ältesten Kategorie, der 25- bis 30-Jährigen, war zweimal nur gut ein Zehntel
                                                                                             9
der Befragten vertreten (Andresen et al., S. 26). Die Studie kommt zum Schluss, dass das
Alltagsleben aller Altersgruppen durch die Massnahmen erheblich eingeschränkt wurde.
Spezifisch hatten diese aber auf die jungen Menschen zusätzliche Auswirkungen, «…weil sich
das Jugendleben oftmals im öffentlichen Raum, in institutionellen Settings und mit einer
sozialen Veränderungsdynamik abspielt und somit nicht allein in das Bild der Regulierung von
Familienhaushalten und Homeschooling passt», so Andresen et al. (2021, S. 28). Durch die
Massnahmen konnte Hobbies und Freizeitaktivitäten nicht mehr nachgegangen werden. Nur
noch rund die Hälfte derjenigen, welche zuvor Angebote der OKJA genutzt hatten, konnten
diese im November 2020 noch nutzen (Andresen et al., S. 29). Es schlug den jungen
Menschen auf die Psyche, dass sie ihren Hobbies nicht mehr nachgehen konnten und für sie
zuvor offene Räume unzugänglich wurden (Andresen et al., S. 31). Weiter kommt die Studie
zum Schluss, dass die Krise die soziale Ungleichheit fördert (Andresen et al., S. 34). Auch
belegen die viele Kommentare in den offenen Feldern der Umfragen, dass die Kinder und
Jugendlichen etwas mitzuteilen haben und ernstgenommen werden möchten. Gleichzeitig hat
sich das Gefühl, gehört zu werden, im Laufe der Pandemie weiter verschlechtert (Andresen et
al., S. 15). Die Studie ist für diese Arbeit von grossem Wert, weil sie auf den Alltag der Kinder
und Jugendlichen in der Pandemie eingeht.

3.1.6 Dachverband Offene Kinder- und Jugendarbeit Schweiz
Der DOJ hat im Juni 2020 Fachstellen der Kinder und Jugendföderung (KFJ) und der OKJA
zu ihrer Situation in der Coronakrise befragt (Info Animation N. 51, 2020, S. 4). Die Befragung
hat keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Die pubilzierten Zahlen sind als grobe
Richtwerte zu verstehen. Die Daten zeigen, welche Schwierigkeiten und Herausforderungen
die Professionellen im Lockdown vom Frühling 2020 hatten. Für diese Arbeit sind diese Daten
interessant, da sie ein breites Bild von über 163 Organisationen bereitstellen (Info Animation
N. 51, S. 4). Es resultiert, dass sich die Angebote der OKJA stark verändert hatten. Einige
Angebote sind weggefallen, andere Angebote ausgebaut oder gar neu aufgebaut worden (Info
Animation N. 51, S. 5).

3.1.7 COPSY
«COPSY» (Corona und Psyche) ist eine Studie, welche von Ravens-Sieberer 2020
durchgeführt worden ist und die Auswirkungen der Pandemie auf die Psyche von Kindern und
Jugendlichen untersucht hat. Die Studie wurde in Deutschland durchgeführt, mit Daten aus
Deutschland. Die Teilnehmenden der Kinder- und Jugendstichprobe waren im Durchschnitt
14.3 Jahre, die Teilnehmenden der Elternstichprobe im Durschnitt 43.9 Jahre alt. In beiden
Gruppen waren rund 50% männlich und 50% weiblich (Ravens-Sieberer, 2021, S. 251). Die
Studie bringt zum Vorschein, dass 71% der Kinder und Jugendlichen sich durch die
Kontaktbeschränkungen und die damit einhergehenden Veränderungen belastet fühlen. 65%
der Kinder und Jugendlichen empfinden die Schule als anstrengender und belastender als vor
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der Corona-Krise. Insbesondere der eingeschränkte persönliche Kontakt zu Freunden belastet
fast alle Befragten (Ravens-Sieberer, S. 252). Die Studie bringt zum Vorschein, dass sich die
Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen durch die COVID-19-Pandemie deutlich
verschlechtert hat (Ravens-Sieberer, S. 253).

3.1.8  Einblick in die Lebenswelt sozial belasteter Familien während des Lockdowns/
       Auswirkungen, Herausforderungen, Erkenntnisse
Für den veröffentlichten Bericht von den beiden Vereinen a:primo und Femmes-/Männertische
«Einblick in die Lebenswelt sozial belasteter Familien während des Lockdowns» /
«Auswirkungen, Herausforderungen, Erkenntnisse» wurden Daten verwendet, welche
zwischen Juni und September 2020 erhoben wurden. Der Bericht wurde im November 2020
veröffentlicht.

Femmes-/Männertische sind Angebote zur Förderung der Integration. Es sind moderierte
Gesprächsrunden, in welchen die Teilnehmenden in ihren Landessprachen über Themen wie
Familie, Gesundheit und Integration sprechen können. Die Moderierenden laden zudem
regelmässig Freunde, Bekannte und interessierte Nachbarn ein. Das Angebot spricht
insbesondere sozial Benachteiligte und vulnerable Menschen an und richtet sich an Personen
ab 20 Jahren (Moors, Meile & Uehlinger, 2020, S. 2).

Das Angebot Schritt:weise vom Verein a:primo richten sich an sozial belastete oder
bildungsferne Familien mit Kindern zwischen ein und fünf Jahren. Das Programm ist so
konzipiert,   dass   auch   Erziehungsberechtigte    mit   wenig   Kenntnissen    der   lokalen
Landessprache davon profitieren können. Im Zentrum stehen das Vermitteln von
Erziehungskompetenzen und das spielerische Lernen. Das zweite Angebot vom Verein
a:primo, das Angebot ping:pong, hat zum Ziel, den Kindern einen guten Start in den
Kindergarten zu ermöglichen. Die Erziehungsberechtigten lernen den Kindergarten, die
Lehrperson und andere Erziehungsberechtigte kennen. Es soll ermöglichen, dass
gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden kann. Das Angebot richtet sich an sozial
benachteiligte Familien, welche Kinder im Vorschulalter zwischen drei und sechs Jahren
haben (Moors et al., 2020, S. 1).

Es wurden fünf Befragungen durchgeführt. Je eine davon wurde von den an einem der drei
Angeboten teilnehmenden Erziehungsberechtigten ausgefüllt. Die vierte richtete sich an die
Leitenden des Angebots Schritt:weise in der Deutschschweiz und der Romandie. Die fünfte
richtete sich an die Standortleitungen der Femmes-/Männertische. Alle Umfragen fanden
online statt (Moors et al., 2020, S. 4). Der Bericht legt offen, dass viele Familien, welche die
Angebote von a:primo nutzten, die Massnahmen nicht verstanden haben und verunsichert
waren. Auch fehlte vielen die Unterstützung durch vertraute Personen sowie durch
Fachpersonen (Moors et al., S. 19). Doch der veränderte Tagesablauf brachte auch Positives

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hervor. Das Mehr an Zeit mit der Familie wurde als sehr positiv beurteilt. Auch die vermehrte
Zeit zum Spielen mit den Kindern wurde sehr geschätzt (Moors et al., S. 23). Auch bei den
Familien, welche das Angebot der Femmes-/Männertische nutzten, war die Unverständlichkeit
der Informationen die grösste Schwierigkeit. Auch die Unterstützung durch vertraute Personen
hat ihnen stark gefehlt (Moors et al., S. 28). Positiv fanden diese Familien insbesondere, dass
sie weniger Termine hatten (69%) und mehr Zeit für die Familie verfügbar wurde (66%). Weiter
als positiv (51%) wurde empfunden, dass weniger Druck von aussen auf ihnen lastete (Moors
et al., S. 31).

Obschon die Zielgruppe dieser Arbeit deutlich älter ist als die Zielgruppe der Angebote der
beiden Vereine, hat diese jüngere Zielgruppe auch ihre Auswirkungen auf die in der Arbeit
gewählte Zielgruppe. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass Kinder und
Jugendliche in der Zielgruppe dieser Arbeit Geschwister im Alter der Zielgruppe der Angebote
der Vereine haben.

3.1.9 Generation Corona?
Eine Publikation, welche in dieser Arbeit oft verwendet wird, ist der Sammelband «Generation
Corona? Wie Jugendliche durch die Pandemie benachteiligt werden» von Dohmen und
Hurrelmann (2021). Sie haben verschiedene Forschende angesprochen, welche sich mit
empirischen Untersuchungen bezüglich der Thematik Corona und den damit verbundenen
Herausforderungen und Belastungen für die junge Generation auseinandergesetzt haben und
haben sie gebeten, ihre Forschungsberichte in einer überarbeiteten und aktualisierten
Fassung für den Sammelband zur Verfügung zu stellen (Dohmen & Kurrelmann, S. 8). Der
Grund, weshalb es oft Verwendung findet, liegt darin, dass es für diese Arbeit gewinnbringende
Beiträge zum Leben der jungen Menschen in der Pandemie enthält. Es dient
dementsprechend als weitere Informationsquelle zum Alltag der Kinder und Jugendlichen in
der Pandemie. Es geht auf die Lage in Deutschlang ein. Daher wird bei der Verwendung dieser
Quelle stets darauf geachtet, dass die Beiträge (beispielsweise in Bezug auf die Massnahmen)
vergleichbar sind mit denen in der Schweiz. Weil die Beiträge im Sammelband aktualisiert sind
(Dohmen & Kurrelmann, S. 8), wird das Sammelband vom 2021 als Quelle verwendet, um den
aktuellen Stand der Auswertungen zu verwenden.

3.1.10 Zwischenfazit
Abschliessend bleibt festzuhalten, dass in den letzten Wochen und Monaten vermehrt Daten
zu Kindern- und Jugendlichen in der Coronakrise publiziert worden sind. Diese Daten haben
teils keinen Anspruch an Wissenschaftlichkeit. Weiter ist festzuhalten, dass keine Daten auf
das Konzept der Lebensweltorientierung angewendet worden sind oder der Alltag darin
systematisch gedeutet worden ist. Die vorliegende Arbeit leistet einen Beitrag, um diese Lücke
zu schliessen.

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3.2 Teilnehmende Beobachtung mit Erinnerungsprotokollen
Wie erläutert, fliessen in diese Arbeit auch Daten aus der TB ein. Schönhagen (2009) erklärt,
dass bei einer TB, man spricht auch von Feldforschung oder Ethnographie, typischerweise die
forschende Person direkt teilnimmt und die Lebenssituation der Beobachteten teilt (S. 307).
Gleichzeitig sei es anzustreben, an der zu beobachtenden Alltagspraxis über einen längeren
Zeitraum teilzunehmen, um möglichst authentisch und aus einer Innenperspektive beobachten
zu können (Schönhagen, S. 307). Im folgenden Abschnitt wird die Situation um die TB
nachvollziehbar erläutert. Dabei wird die «Ich-Perspektive» verwendet, damit die Situation aus
Sicht des Autors authentisch wiedergegeben werden kann. Darauf folgt ein Abschnitt mit den
Erkenntnissen aus der TB.

Als Soziokultureller Animator habe ich die Situation der Kinder und Jugendlichen nur bedingt
geteilt, weil ich nur zu Arbeitszwecken in den Gemeinden war und älter bin als die
Beobachteten. Darüber hinaus verfüge ich über andere Ressourcen, beispielsweise
regelmässiges Gehalt oder eigenen Wohnraum. Die Pandemie und die Massnahmen des
Lockdowns haben aber nicht nur mein Arbeits-, sondern auch mein Privatleben eingenommen,
was die Authentizität der Beobachtungen förderte. Darüber hinaus war ich bereits zuvor seit
einigen Monaten mit den Kindern und Jugendlichen der Gemeinden bis zweimal wöchentlich
in Kontakt durch Soziale Medien, den Offenen Treff und das Jugendbüro. Durch das
niederschwellige Angebot der OKJA vor der Pandemie, fanden sehr viele Gespräche zwischen
mir und Teilnehmenden der OKJA statt. So wurde der authentische Zugang gesichert.
Dadurch konnten durch die Aufrechterhaltung der Kommunikation über Soziale Medien und
durch die Aufsuchende Kinder- und Jugendarbeit auch während des Lockdowns
Innenperspektiven gewonnen werden. Üblich für eine TB ist zudem, dass vor den
Beobachtungen ein Beobachtungsleitfaden erstellt wird. Dieser dient dazu, die Situationen
nach System zu beobachten und den Fokus auf das für die Fragestellung Relevante zu richten
(Schönhagen, 2009, S. 315). Bei qualitativen Erinnerungsprotokollen ist es aber
situationsabhängig auch möglich, ohne einen solchen Leitfaden zu arbeiten. Es wird dann frei
protokolliert. Erinnerungsprotokolle werden üblicherweise dann verfasst, wenn die TB verdeckt
geschieht (Schönhagen, S. 315). Im vorliegenden Fall war die Tragweite der Pandemie noch
nicht klar und das Verfassen und die Themenwahl dieser Arbeit in ferner Zukunft. Aufgrund
dessen existierte kein Beobachtungsleitfaden. Ein solcher war aber im Beobachten des Alltags
der Kinder und Jugendlichen auch nicht nötig. Dazu eignete sich ein freies Protokoll für diese
Thematik, weil nach Thiersch (2020) «…Menschen nicht anders als in ihrer Lebenswelt
gesehen und verstanden werden können» (S. 9), weshalb alle notierten Informationen aus den
Beobachtungen hilfreich für das Verständnis des Alltags waren. Ein Beobachtungsraster birgt
nach Schönhagen (2009) schliesslich auch die Gefahr, dass Beobachtungen durch ein Raster
fallen (S. 316).
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Aus den Protokollen der TB geht hervor, dass die Kinder und Jugendlichen die Situation um
den Lockdown unterschiedlich betroffen hat. So konnten einige den erlaubten physischen
Kontakt von maximal 5 Personen nicht pflegen, weil dies die Erziehungsberechtigten verboten
hatten (Arnet, 2020, B). Auch spielten die Wohnverhältnisse eine Rolle, wobei Einzelzimmer
bevorzugt wurden. Weiter hat sich ein Einzelkind Geschwister gewünscht (Arnet, B). Weiter
wurde der Kontakt auf Online-Medien ausgebaut. Die Kinder und Jugendlichen nutzten diese,
um sich weniger allein zu fühlen und um sich gegenseitig bei den Schulaufgaben zu
unterstützen (Arnet, 2020, C).

Die Erinnerungsprotokolle wurden erst im Nachhinein verfasst. Dazu wurden Chatnachrichten,
Erinnerungen der Situationen und Notizen aus einem regelmässig pro Arbeitstag geführten
Kurzprotokoll verwendet. Diese Kurzprotokolle wurden erstellt, um den Inhalt jedes
Arbeitstages den Kommissionsmitgliedern der Institution der OKJA knapp und einfach zu
vermitteln und die eigene Arbeit zu reflektieren. Die verwendeten Daten werden in jedem
Erinnerungsprotokoll angegeben. Alle Erinnerungsprotokolle sind im Anhang dieser Arbeit zu
finden.

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4 Erkenntnisse
Zusammengefasst hat die Pandemie und die damit einhergehenden Massnahmen die soziale
Ungleichheit vergrösserte und sozialen Problemlagen verstärkt. Dabei ist festzuhalten, dass
es grosse Variabilität gibt. Je nach dem, wie die Lebensweltdeterminanten vor der Pandemie
waren, wirkte sich die Pandemie unterschiedlich auf die Kinder und Jugendlichen aus. Aus
dieser Arbeit resultieren drei hervorzuhebende Erkenntnisse:

   1. Wissen, dass grosse Variabilität besteht in Abhängigkeit der Lebensweltdeterminanten
       in welchen die Jugendlichen sind.
   2. Durch die Pandemie, insbesondere den Lockdown, wurde diese Variabilität und die
       damit einhergehende Ungleichheit nochmals verstärkt.
   3. Die TB hat dieses Wissen bestätigt.

Um die Situation rund um den Lockdown vom Frühling 2020 nachvollziehen zu können, folgt
im kommenden Kapitel die Darlegung der Geschehnisse.

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5 Covid-19 und der Lockdown vom Frühling 2020
In der chinesischen Stadt Wuhan traten Anfang Dezember 2019 Fälle einer neuen infektiösen
Lungenkrankheit auf, welche die World Health Organization (WHO) später als Covid-19
benannte (SRF, 2020). Die teils tödliche Viruserkrankung verbreitete sich innert weniger
Wochen weltweit. Am 25. Februar 2020 tritt in der Schweiz der erste bestätigte Covid-19 Fall
auf (SRF). Nur drei Tage später, am 28. Februar 2020, erklärte der Bundesrat die besondere
Lage nach Epidemiengesetz. Mit der Covid-19-Verordnung 1 erliess er ein Verbot von
Veranstaltungen mit über 1000 Personen (Schweizer Eidgenossenschaft, 2020a). Bereits am
27. Februar 2020 lancierte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine Informationskampagne
zum Schutz der Bevölkerung gegen das Virus (Schweizer Tourismus-Verband, o.J.). Am 05.
März 2020 verstirbt die erste Person in der Schweiz in Zusammenhang mit dem Virus (SRF,
2020). Am 6. März waren es bereits 214 bestätigte Fälle. So forderten verschiedene Kantone,
allen voran der Kanton Tessin, dass der Bund die Massnahmen verschärfen soll. Der Druck
auf den Bund wurde erhöht (Neue Zürcher Zeitung, 2020). Am 11. März erklärte die WHO die
Viruserkrankung als Pandemie (WHO, 2020). Am 12. März 2020 wurden in der Schweiz bereits
645 Fälle nachgewiesen (Schweizer Tourismus-Verband, o.J.). Darauf beschloss der
Bundesrat am 13. März 2020 mit der Covid-19-Verordnung 2 weitere Massnahmen (Schweizer
Eidgenossenschaft, 2020b). Die Schulen mussten per 16. März 2020 schliessen und
Veranstaltungen mit über 100 Personen wurden verboten (Schweizer Eidgenossenschaft,
2020b). Zudem gab der Bundesrat am 13. März 2020 die Empfehlung, wenn immer möglich,
Homeoffice zu betreiben (Schweizer Eidgenossenschaft, 2020c).
Gleichzeitig entwickelte sich die Pandemie in Italien weltweit am dramatischsten. In der
Schweiz     herrschte    daher     eine    dynamische      Bedrohungslage.      Weil    die
Entscheidungsträger*innen in der Schweiz damit rechnen mussten, dass sich die Lage in der
Schweiz noch verschlechtern würde, erklärte der Bundesrat am 16. März 2020 die
ausserordentliche Lage (Schweizer Eidgenossenschaft, 2020d). Dies war ein Novum für die
Schweiz. Gleichzeitung wurden am 16. März 2020 die Massnahmen verschärft (Schweizer
Eidgenossenschaft, 2020d). Der Bundesrat liess alle Läden, Märkte, Restaurants, Bars sowie
Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe wie Museen, Bibliotheken, Kinos, Konzert- und
Theaterhäuser, Schwimmbäder und Sportzentren schliessen. Ausgewählte Einrichtungen wie
Lebensmittelläden,   Gesundheitsversorgungszentren,     Tankstellen,   Bahnhöfe,   Banken,
Poststellen oder die öffentliche Verwaltung durften unter strengen Massnahmen geöffnet
bleiben. Der Bundesrat hat die Bevölkerung dazu aufgerufen, zuhause zu bleiben, alle
unnötigen sozialen Kontakte zu vermeiden und die Hygienemassnahmen strikte zu befolgen
(Schweizer Eidgenossenschaft, 2020d). Im Zentrum der Hygienemassnahmen stand, keiner
Person näher als 2 Meter zu kommen (Schweizer Eidgenossenschaft, 2020e). Am 20. März
beschloss der Bundesrat Versammlungen von mehr als fünf Personen zu verbieten. Den
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Kontakt mit anderen Menschen zu vermeiden und zuhause zu bleiben, wurde erneut dringend
empfohlen (Schweizer Eidgenossenschaft, 2020f). Die Schweiz war nun endgültig im
Lockdown.
Der Öffnungsprozess des öffentlichen Lebens entschied der Bundesrat am 16. April 2020.
Etappenweise konnten Lockerungen der Massnahmen umgesetzt werden (Schweizer
Eidgenossenschaft, 2020g). Zuvor war geplant, dass die Schulen am 04. April 2020 wieder
öffnen können (Schweizer Eidgenossenschaft, 2020b). Erst am 27. April 2020 durften die
obligatorischen Schulen dann tatsächlich wieder öffnen (Schweizer Tourismus-Verband, o.J.).
Schrittweise wurden weitere Lockerungen beschlossen. Erst ab dem 06. Juni 2020 war es
wieder erlaubt, dass sich mehr als fünf Personen treffen. Gleichzeitig öffneten Freizeitbetriebe,
sowie touristische Angebote (Schweizer Tourismus-Verband, o.J.). Der Bund erklärte die
ausserordentliche Lage am 19. Juni 2020 für beendet (Schweizer Eidgenossenschaft, 2020h).
Die Reaktionen der Politik auf das Covid-19 Virus veränderten das Zusammenleben in der
Schweiz. Bereiche der Sozialen Arbeit, insbesondere Institutionen der OKJA, durften und
konnten ihrer Arbeit nicht mehr wie gewohnt nachgehen. Die Institutionen wurden auf
unbestimmte Zeit geschlossen. Damit der Alltag der Kinder und Jugendlichen im Lockdown
gedeutet werden kann, wird nachfolgend das Konzept der Lebensweltorientierung
aufgenommen.

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6 Lebensweltorientierte Soziale Arbeit
Die    Lebensweltorientierte    Soziale    Arbeit    will    Menschen   in    unzulänglichen   und
verunsichernden Konstellationen ihres Alltags Möglichkeiten eines gelingenderen Alltags
aufzeigen und sie auf dem Weg zu einer Realisierung unterstützen (Thiersch, 2020, S. 88).
Ausgang der Überlegungen sind nach Thiersch (2020) „… die Annahme, dass die Erfahrungen
der Menschen in ihrer Lebenswelt anthropologisch elementar sind und dass Menschen nicht
anders als in ihrer Lebenswelt gesehen und verstanden werden können“ (S. 9). Die
Lebensweltorientierte Soziale Arbeit will Verhältnisse verstehen, um sie in ihrem
Zusammenhang zu begreifen (Thiersch, S. 30). Das Konzept richtet sich zunächst nicht auf
das Individuum in seiner Geschichte. Vielmehr steht das Gefüge des Alltags im Zentrum
(Thiersch, S. 28). Dabei setzt das Konzept nicht bei Belastungen, Überforderungen oder bei
den Tätigkeiten der Professionellen und den Strukturen professioneller Tätigkeiten an,
sondern im gewöhnlichen Alltag der Menschen (Thiersch, S. 88). Aus dem Blick auf diese
Alltäglichkeiten in ihren Verhältnissen folgt die Biografie einer Person, welche sich als Leben
in diesen Lebenswelten ergeben (Thiersch, S. 28). Thiersch (2020) erklärt: „Alltag ist das
Medium, in dem Menschen ihr Leben erfahren und gestalten“ (S. 34).

Die Lebensweltorientierte Soziale Arbeit sieht Menschen als Menschen mit unterschiedlichen
Bedingungen in den Bewältigungsmustern des allgemeinen menschlichen Lebens (Thiersch,
2020, S. 88). Sie sieht in ihnen keine anderen Menschen, sie sieht sie nicht als stigmatisierte
Menschen. Die Menschen werden in den weiteren Horizont der allgemeinen menschlichen
Situation gesetzt und somit in den Kontext der allgemeinen Aufgaben, Ressourcen und
Interessen (Thiersch, S. 89). Thiersch (2020) führt aus: „In der Unzulänglichkeit von
Ressourcen, in sozialen und genderbestimmten Macht- und Unterdrückungsverhältnissen und
in    den   gegensätzlichen     und   in   sich     selbst    widersprüchlichen    und   verengten
Bewältigungsmustern     ihrer   Lebenswelten        geraten    Menschen      in   Spannungen   und
Orientierungsprobleme“ (S. 89). In den Übergängen und Entgrenzungen zwischen den
Alltagswelten verlieren die Menschen die Sicherheit und die Orientierung in Raum und Zeit.
Ihre Bewältigungsmuster werden kontraproduktiv, sie verbarrikadieren sich in Routinen und
verheddern sich in Pragmatismen. Sie können wegen diesen Verhaltensmustern ihren eigenen
Potenzialen nicht mehr entsprechen (Thiersch, S. 89). Professionelle Sozialarbeiter*innen
versuchen, die komplexen Verhältnisse und Erfahrungen der Adressat*innen zu entwirren und
eine neue Sicht auf sie zu ermöglichen. Dabei erschliessen sie neue Ressourcen, welche sie
im Horizont sozialer Gerechtigkeit erreichbar machen (Thiersch, S. 110). Sie haben also Teil
im Alltag der Adressat*innen und transzendieren ihn zugleich. Dabei anerkennen sie zum
einen die Gegebenheiten des Alltags und zum anderen die darin liegenden Potenziale und
Repräsentationen der Möglichkeiten eines gelingenderen Alltags (Thiersch, S. 113).
Lebensschwierigkeiten sieht das Konzept der Lebensweltorientierung als besondere
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