Manager handbuch 2018 / 2019 - Berlin Consulting

 
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Manager handbuch 2018 / 2019 - Berlin Consulting
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manager
handbuch
2018 / 2019
Inhalt

Vorwort .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .......................................................     7
Die Wirtschaft floriert – doch die Herausforderungen sind gross ........................................                                                                                9
Prof. Dr. Rudolf Minsch

Strategie und Führung
Change Management – Veränderung in dynamischen Zeiten agil bewältigen .........................                                                                                         21
Dr. Marco Olavarria, Maren Borggräfe
«Wandel gehört zum Selbstverständnis dieser Firma» .....................................................                                                                               33
Interview mit Marco Gadola
Rezepte und Anmerkungen zur Kunst der Kommunikation ................................................                                                                                   39
Dr. Mirjam Teitler, Peter Hartmeier
Was Unternehmen beim Einkauf von Rechtsrat beachten müssen .......................................                                                                                     45
Dr. Bruno Mascello

Corporate Governance
Interessenkonflikte – wie hat sich ein Verwaltungsratsmitglied zu verhalten? . .....................                                                                                   55
Prof. Dr. Rolf Watter, Annina Hammer
Management-Vergütungen in börsenkotierten Aktiengesellschaften . .................................                                                                                     65
Dr. Frank Gerhard
Risiken im Organisationsreglement des Verwaltungsrats . ................................................                                                                                73
Arlette Pfister
Nonprofit Governance – Gutes besser tun . . . . . . . . . . . . . ........................................................                                                              79
Prof. Dr. Georg von Schnurbein

Compliance
Compliance: Was heisst das konkret für die Unternehmensführung? ...................................                                                                                    89
Dr. Christian Wind
Compliance zwischen Überregulierung und Übervorsicht . ................................................                                                                                95
Philipp Abegg
Exportkontrolle und Digitalisierung durch Blockchain und Smart Contracts . ........................                                                                                    105
Prof. Dr. Andreas Furrer, Peter Henschel
Schweizer Unternehmen im Lichte der europäischen Datenschutzgrundverordnung ..............                                                                                             113
Claudia Keller

                                                                                                                    schulthess manager handbuch 2018/2019                               3
Inhalt

Kartellrecht
Leitplanken im B2B-Kontakt: So schützt man sich vor der WEKO ........................................                                     121
Prof. Dr. Patrick L. Krauskopf, Dr. Felix Schraner

Finanzierung und Aktien
Aktuelle Alternativen zur klassischen Bankenfinanzierung . ..............................................                                 133
Anita Schläpfer, Fabio Elsener
GAFI-Meldungen der wirtschaftlich berechtigten Person . .................................................                                 141
Phyllis Scholl, Prof. Dr. Rashid Bahar

Steuern
Schweizer Steuerrecht 2018: Unternehmenssteuerreform «reloaded» ................................                                          149
Prof. Dr. Pascal Hinny
Besteuerung der digitalen Wirtschaft .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ...................................................   155
Dr. Alberto Lissi, Oliver Jäggi
Mitarbeiterbeteiligungspläne im Wandel der Zeit . . . . . . . . ...................................................                       163
Dr. Natalie Peter
Hausbesuche der unfreundlichen Art – Steuerfahndungen in der D-A-CH-Region . .................                                            171
Daniel Holenstein

Wirtschaftsdelikte
Selbstanzeige von Unternehmen in internationalen Wirtschaftsstraffällen . .........................                                       179
Daniel Bühr
Geldwäscherei: Grundlagen, Risiken, Vorkehrungen . . . . . ...................................................                            187
Dr. Omar Abo Youssef

Versicherungen
Der Umgang mit Unternehmensrisiken und ihre Versicherungsdeckung ...............................                                          199
Peter Haas, Barbara Klett

Digitalisierung
Die Entwicklung der Arbeit in Zeiten der Digitalisierung ...................................................                              209
Prof. Michael Beckmann, Elisa Gerten
«Weniger in Wettbewerb und mehr in Systemen denken» . ...............................................                                     219
Interview mit Dirk Sebald
Legal Tech – vom Hype zur digitalen Transformation in der Rechtsberatung .........................                                        225
Markus Hartung
Blockchain und Initial Coin Offerings (ICOs) – eine neue Ära? .............................................                               231
Dr. Yves Mauchle

4    schulthess manager handbuch 2018/2019
Inhalt

Personal
Auswahl von Führungskräften in Zeiten von Transformation ..............................................                                                                 241
Doris Aebi
Aufhebungsvereinbarungen – Tücken der friedlichen Trennung . ........................................                                                                  249
Romina Carcagni Roesler
Umgang mit Arbeitsunfähigkeit und Invalidität Arbeitnehmender ......................................                                                                    257
Prof. Dr. Thomas Gächter, Petra Koller
Haften Arbeitgeber für Belästigungshandlungen ihrer Arbeitnehmenden? ...........................                                                                        267
Prof. Dr. Roger Rudolph, Dr. Anina Kuoni

Weiterbildung für Führungskräfte.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................................                               275
Beratungsunternehmen im Profil.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................................                               287
Verzeichnis Beratungsunternehmen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................................                                    303
Autorenverzeichnis.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .......................................................     305

                                                                                                        schulthess manager handbuch 2018/2019                            5
Strategie und Führung

      Change Management – Veränderung in
        dynamischen Zeiten agil bewältigen

                                                           änderungen darstellen? Und welche Antworten
                         Dr. Marco Olavarria               gibt es für die beständige Veränderung im Klei-
                         BC Berlin Consulting              nen? Wie können Manager die kontinuierliche
                          Marco Olavarria berät seit       Adaption an Veränderungen im Umfeld sowie die
                          über 20 Jahren Unternehmen       Wirksamkeit der eigenen Lern- und Erkenntnis-
                          im Umbruch. Er hat in vielen
                                                           fortschritte in ihrem Unternehmen fördern? Ant-
                          Unternehmen agile Methoden
                          eingeführt und gemeinsam mit
                                                           worten gibt dieser Beitrag, der die Brücke vom
                          seinen Kunden neue, erfolgrei-   klassischen, auf grosse Veränderungsprojekte
                          che Organisationsdesigns ent-    angelegten Change Management hin zu agilen
                          wickelt und implementiert. Er    Ansätzen für beständige Veränderung im Kleinen
                          ist Geschäftsführender Gesell-
                                                           schlägt.
schafter der BC Berlin Consulting, Buchautor und Spre-
cher auf Kongressen.
                                                           Key Success Factors für erfolgreiches Change
                         Maren Borggräfe                   Management
                         autenticon – consulting in        Werfen wir zunächst einen Blick auf das klas-
                         context; Flourister GmbH
                                                           sische Change Management, das auf Kurt Le-
                         Maren Borggräfe begleitet seit    wins Forschung zur Organisationsentwicklung
                         über 13 Jahren organisatio-       in den 1940er-Jahren zurückgeht. Lewin beob-
                         nale und persönliche Verän-
                                                           achtete als Erster verschiedene Phasen der Ver-
                         derungsprozesse als Beraterin,
                         Trainerin und Coach. Beson-
                                                           änderung. Auf sein Modell des Unfreezing, Mo-
                         dere Expertise besitzt sie in     ving und Refreezing bauen zahlreiche Theorien
                         den Bereichen Kulturwan-          und Methoden des Change Management auf. In
                         del, Potenzialentfaltung sowie    der Hochphase des Reengineering Ende des 20.
agile und authentische Führung. Sie hat zu Unterneh-
                                                           Jahrhunderts gewann das Change Management
menskultur und -werten geforscht und publiziert.
                                                           an Bedeutung. Ganze Organisationen mussten
                                                           in Bewegung gebracht werden, um Restrukturie-
                                                           rungs- und Strategiewandelprozesse zum Erfolg
                                                           zu führen.
Change Management in Zeiten der digitalen
Transformation                                             Basis jeden gelingenden Change Management
Change Manager proklamieren gern «panta rhei –             ist abgesehen von einem der Herausforderung
alles fliesst». In den dynamischen Zeiten der di-          angemessenen und konsequenten Projektma-
gitalen Transformation fällt es schwer dagegen             nagement ein Grundverständnis für die Pha-
zu argumentieren. Aber wie verändert sich das              sen der kognitiven und emotionalen Verarbei-
Change Management selbst? Welche Grundlagen                tung von Veränderung. Unabhängig von den
werden auch in vielen Jahren noch den Grund-               Ausmassen des Wandels kann nach Richard E.
stock für die erfolgreiche Bewältigung von Ver-            Streich bei den Beteiligten in Veränderungs-

                                                                  schulthess manager handbuch 2018/2019   21
Strategie und Führung

prozessen ein Schwanken in der Wahrneh-                     Die Vermittlung des neuen, für die Verände-
mung der eigenen empfundenen Kompetenz                      rung förderlichen Mindset ist das kritische
beobachtet werden. Wie kompetent sich eine                  Momentum in all jenen Veränderungsprozes-
Person fühlt, hat wiederum direkte Auswir-                  sen, in denen eine grundlegende Transforma-
kungen auf ihr Verhalten. Gleichzeitig vollzieht            tion nicht nur einzelner Prozesse oder Struk-
sich ein emotionaler Prozess der Verarbeitung               turen erforderlich ist, sondern ein Umdenken
und Trauer, der notwendig ist, um Altes, Be-                bezüglich der persönlichen Haltungen, Einstel-
währtes loszulassen und sich für Neues zu öff-              lungen und Werte. Erschwerend kommt hinzu,
nen. Diese Kurve wird unterschiedlich inten-                dass sich in vielen Organisationen durch häu-
siv erlebt, je nach Persönlichkeit, Erfahrung,              fige Veränderungen, die oftmals nicht konse-
Prägung, Situation und Herausforderung. Ent-                quent zu Ende geführt oder sinnvoll in eine
scheidend für das Gelingen des Change Ma-                   Veränderung der Veränderung überführt wur-
nagement ist, dass die Beteiligten im Prozess               den, eine grosse Transformationsmüdigkeit
ihrem empfundenen Kompetenzniveau und                       breitgemacht hat.
emotionalen Zustand adäquat angesprochen
und begleitet werden.                                                Essenziell für die Entwicklung von Commitment
                                                                     auf allen Ebenen der Organisation sind daher:
Das sagt sich so leicht – und doch sind schon 1. die Nachvollziehbarkeit des Sinns der Verän-
viele ehrgeizige Change-Projekte genau da-                              derung und die klare, kohärente Kommuni-
ran gescheitert. Eine aktuelle Studie zeigt, dass                       kation auf Basis einer konsistenten Change
46% der Veränderungsprozesse am fehlenden                               Story, die Orientierung gibt;
Kulturwandel und mangelnder Anpassung von 2. die zieldienliche Haltungs- und Kulturver-
Strukturen, Prozessen und Werten scheitern (H.                          änderung durch Interventionen innerhalb
Weckmüller, Agilitätsbarometer 2017: So agil                            eines sicheren Rahmens, der gleichzeitig
sind Unternehmen in DACH, Freiburg: Haufe,                              Handlungsspielräume eröffnet, als Basis
2017).                                                                  für das Experimentieren mit neuem Verhal-
                                                                        ten;
             Woran scheitert der Wandel in                           3. die frühe Mobilisierung mindestens eines
                        Unternehmen?                                    Drittels der Organisation (Change Agents);
                                                                     4. die rechtzeitige Anpassung von Prozessen
                                                                        und Strukturen;
                         5%
                                                                     5. die frühe Einbindung aller Beteiligten
                 10%          Keine
                              Angabe                                    durch ebenen- und bereichsübergreifen-
        Technologie:                                                    den Dialog sowie konsequente Feedback-
              fehlende
                  Tools             46%                                 schleifen;
                                                                     6. die Erhaltung der Glaubwürdigkeit der (Top-)
                                      Organisation:
                                                                        Führungskräfte durch Übernahme von Ver-
        39%                           entsprechende
                                      Strukturen und                    antwortung für den Wandel, das Einlösen von
            Menschen:                 Prozesse bzw. Werte               Versprechen und die sichtbare Umsetzung
            tragen den                und Kultur sind nicht
                                                                        von Feedback;
            Wandel nicht              vorhanden
            mit                                                      7. begleitender   zielgerichteter und stärkenori-
                                                                        entierter Kompetenzaufbau bei den Beteilig-
                                                                        ten;
                                                                     8. ein ressourcenorientierter Umgang mit be-
                                                                        wahrenden Kräften (Bewahrer des Bewähr-
 Quelle: H. WECKMÜLLER, Agilitätsbarometer 2017: So agil sind Unter-
                                                                        ten würdigen – zuhören und aktiv einbin-
 nehmen in DACH, Freiburg: Haufe, 2017 (Antworten Führungskräfte)
                                                                        den).

22   schulthess manager handbuch 2018/2019
Strategie und Führung

Als besonders wirkungsvoll bei komplexen kul-      gleiterscheinungen und setzen auf schlanke Pro-
turellen Transformationen hat sich die systemi-    zesse und Methoden sowie andere Denkweisen:
sche Veränderungsbegleitung erwiesen, die auf      Statt Lösungen für den Markt im eigenen Unter-
die selbstorganisierenden Kräfte der Organisa-     nehmen möglichst weit vorzudenken und vo-
tion setzt und für die Integration aller Ebenen    ranzutreiben – schliesslich möchte man ein
des Systems sorgt. Indem sie die Organisation      möglichst ausgereiftes, ja «perfektes» Produkt
als Ganzes, ihr Umfeld, einzelne Teams und auch    bieten –, gestalten sie das kleinste überlebens-
die im Prozess beteiligten Individuen berück-      fähige Produkt. Es werden so schnell wie mög-
sichtigt und verbindet, kann nicht nur weitrei-    lich Prototypen designt und getestet, um das
chendes Commitment auf allen Ebenen geschaf-       neue Angebot von Anbeginn gemeinsam mit dem
fen, sondern das gesamte Potenzial und Wissen      Kunden zu entwickeln. Sowohl die Prototypen als
des Systems ausgeschöpft werden.                   auch das Geschäftsmodell werden in vielen Ite-
                                                   rationen verfeinert und ausgebaut, Rückschläge
Aktuelle Entwicklungen und                         werden als Lernkurve verstanden und gern in
Herausforderungen                                  Kauf genommen.
Grosse Transformationen bleiben weiterhin
eine Herausforderung, doch längst ist nach der     Aus dieser Denkweise des «Fail Forward» entste-
Transformation vor der Transformation. Viele       hen auch jenseits der Produktentwicklung An-
Unternehmen müssen eine weiter steigende           sätze, die in klassisch hierarchischen Strukturen
Veränderungsgeschwindigkeit und die Gleich-        in der Regel nicht ausgeprägt sind: Statt grosser
zeitigkeit verschiedener Veränderungsprozesse      Reorganisationen alle paar Jahre entwickelt sich
bewältigen. Neben Megatrends wie dem demo-         das Organisationsdesign dank evolutionärer Ent-
grafischen Wandel wirken viele kurz- und mit-      wicklung kontinuierlich in kleinen Schritten wei-
telfristige Veränderungen auf Unternehmen ein.     ter. Statt eines grossen Relaunchs von Websites
Besonders die technologische Entwicklung, also     und Portalen werden diese dank Atomic Design
die digitale Transformation ganzer Branchen,       und vieler Optimierungstests und -massnahmen
sorgt für eine höhere Innovationsintensität. So    beständig verbessert und weiterentwickelt. Statt
werden technologiebasierte Neuerungen an be-       grosser und langwieriger Software- oder sons-
stehenden Geschäftsmodellen, Produkten und         tiger Produktentwicklungsprojekte nach dem
Services vorgenommen sowie gänzlich neue Ge-       Schema Lastenheft – Pflichtenheft – Umsetzung
schäftsmodelle und Angebote entwickelt, die        werden Produkte in kurzen Planungs- und Um-
die Kundenbedürfnisse besser bedienen als die      setzungszyklen von zum Beispiel zwei Wochen
tradierten. Dies erfordert eine angemessene in-    inkrementell erarbeitet.
terne Innovationsrate, wie die Einführung neuer
IT-Systeme zum Beispiel in Bereichen wie dem     Mit diesem agilen Denkansatz der beständigen
Customer Relationship Management (CRM) oder      Veränderung ändern sich aber auch die Anforde-
der Marketing Automation, sowie die techno-      rungen an das Change Management. «Change» ist
logiebasierte Umgestaltung und Optimierung       kein in Intervallen auftretendes, «grosses» Phä-
interner Prozesse. In dieser Situation müs-      nomen, das entsprechend sporadisch gemanagt
sen neue Kompetenzen aufgebaut und die Ge-       werden muss. Change erfolgt in kleinen Schritten,
schwindigkeit, in der das ­eigene Unternehmen    Monat für Monat oder Woche für Woche oder letzt-
Neues konzipiert und realisiert, gesteigert wer- lich «jeden Tag» und wird zum selbstverständli-
den.                                             chen ständigen Begleiter aller Führungskräfte und
                                                 Mitarbeitenden. Und so stellt sich die Frage, wie
Als Vorbild dienen hier häufig die Vorreiter der ein  beständiges Change Management für hohe
digitalen Entwicklung. Sie agieren ohne den Bal- Agilität und Veränderung in kleinen Schritten und
last jahrzehntelangen Erfolgs mit all seinen Be- Inkrementen gestaltet werden kann.

                                                          schulthess manager handbuch 2018/2019   23
Strategie und Führung

Agiles Vorgehen zur kontinuierlichen               «We are uncovering better ways of developing
Veränderung «jeden Tag»                            software by doing it and helping others do it.
Agile Ansätze stellen keinen in sich geschlosse-   Through   this work we have come to value:
nen Managementansatz dar. Vielmehr werden un- ■■ Individuals and interactions over processes
ter dem Stichwort «agil» Ansätze aus unterschied-      and tools
lichen Denkrichtungen vereint – zum Beispiel in ■■ Working software over comprehensive docu-
der Unternehmenspraxis entwickelte Vorgehens-          mentation
weisen ebenso wie Praktiken aus dem Lean Ma- ■■ Customer collaboration over contract nego­
nagement oder systemische Methoden. Gemein-            tiation
sam ist agilen Ansätzen, dass sie darauf abzielen, ■■ Responding to change over following a plan
eine positive Haltung zu ständiger Veränderung
bei Mitarbeitenden zu fördern (agiles Mindset) That is, while there is value in the items on the
und alle Beteiligten zu befähigen, dauerhaft mög- right, we value the items on the left more» (Quelle:
lichst gut mit permanentem Wandel umzugehen.       agilemanifesto.org; hier wird bewusst der engli­
                                                   sche Originaltext zitiert, da die deutsche Über-
Agile Ansätze ermöglichen Menschen, intrin- setzung zum Teil fehlerhaft ist).
sische Motivation und ihre Leistungsfähigkeit
bestmöglich in Unternehmen einzubringen. Sie Im agilen Manifest werden zudem zwölf Prinzi-
fordern und fördern entsprechend die Umset- pien für eine agile Softwareentwicklung formu-
zung von Erkenntnissen, wie Menschen in Unter- liert, wie zum Beispiel:
nehmen arbeiten möchten, und die Abkehr von ■■ «Build projects around motivated individuals.
weitverbreiteten Management-Fehlpraktiken. Sie         Give them the environment and support they
wirken einer fehlenden Nutzenorientierung ent-         need, and trust them to get the job done.»
gegen, da diese zu letztlich sinnlosen Aktivitäten ■■ «The most efficient and effective method of
und Frustration führt, und fordern eine konse-         conveying information to and within a devel-
quente Priorisierung. So wird zudem vermieden,         opment team is face-to-face conversation.»
dass einzelne Mitarbeitende oder Teams zu viele ■■ «At regular intervals, the team reflects on
Themen parallel bearbeiten und ihre Zeit und           how to become more effective, then tunes
Energie für das beständige Hin- und Herspringen        and adjusts its behavior accordingly.»
zwischen den Themen aufwenden müssen. Aus-
serdem unterstützten agile Ansätze die schnellst- Mit den Prinzipien des agilen Manifests beste-
mögliche Beseitigung von Hindernissen, die der hen Grundlagen zur Steigerung der Agilität in
Erzielung bestmöglicher Ergebnisse im Wege ste- der Softwareentwicklung, die sich mittlerweile
hen. Damit fördern sie Grundtugenden eines im in vielen Fällen bewährt haben. Aber was tun,
Wettbewerb stehenden Unternehmens: grosse wenn im ­eigenen Unternehmen insgesamt ein
Beweglichkeit, Regsamkeit und Wendigkeit (agil Mangel an Agilität und Veränderungsbereit-
bedeutet laut Duden genau dieses: «von gros- schaft bzw. -­fähigkeit vorherrscht? Welche An-
ser Beweglichkeit zeugend; regsam und wendig»). satzpunkte für Veränderung hin zu grösserer
                                                   Agilität und kontinuierlichem Change Manage-
Die Fokussierung auf bestmögliche Rahmen- ment gibt es, auf welchen Ebenen kann ich an-
bedingungen für sinnstiftende und erfüllende setzen?
Zusammenarbeit zwischen Menschen wurde
bereits im Startpunkt der zunehmenden Ver- Um die Umsetzung agiler Prinzipien im be-
breitung und Popularität agilen Denkens, dem trieblichen Alltag zu ermöglichen bzw. zu er-
«Agilen Manifest», zum Ausdruck gebracht. Es leichtern, wurden konkrete Praktiken und Me-
wurde 2001 von einer Gruppe Softwareentwick- thoden entwickelt oder, wie oben bereits
lern wie folgt formuliert:                         angeführt, aus anderen Denkrichtungen über-

24   schulthess manager handbuch 2018/2019
Strategie und Führung

nommen. Entsprechend ist die Unterscheidung                                Durchführung ganzer Prozesse oder Projekte
zwischen agilen Prinzipien, Praktiken und Me-                              nach agilen Prinzipien unterstützt. Sie bie-
thoden für den Einsatz agiler Ansätze als Inst-                            ten einen Werkzeugkasten für beständiges
rument des beständigen Change Management                                   Change Management.
wichtig:
■■ Agile Prinzipien: Mithilfe von agilen Prinzi-                      Zunächst betrachten wir die agilen Prinzipien, da
   pien legen agil agierende Organisationen                           sie uns den Weg weisen, wie agile Ansätze ein
   und Teams die aus ihrer Sicht wichtigsten                          beständiges Change Management unterstützen
   Handlungsmaximen für alle Beteiligten fest.                        können.
   Sie sind die Leitplanken für den Einsatz von
   agilen Praktiken und Methoden als Change-                          Agile Prinzipien
   Förderer.                                                          In der Literatur finden sich verschiedenste, zum
■■ Agile Praktiken werden eingesetzt, um die                          Teil sehr umfängliche Übersichten möglicher agi-
   Umsetzung agiler Prinzipien im Rahmen ein-                         ler Prinzipien, die mehr oder weniger stark auf
   zelner Aktivitäten wie zum Beispiel eines                          den im agilen Manifest formulierten Prinzipien
   Meetings zu ermöglichen bzw. zu fördern                            fussen. Sie lassen sich in fünf Kategorien zusam-
   (zum Beispiel sog. Daily Stand-ups, siehe                          menfassen (siehe Abbildung «Agile Prinzipien»)
   unten). Sie sind die Werkzeuge eines bestän-                       als Prinzipien, die
   digen Change Management.                                           1. auf die ständige Adaption an Umwelt und
■■ Agile Methoden vereinen verschiedene agile                             ­eigenen Erkenntnisstand abzielen,
   Praktiken zu einem Framework, das die                              2. den Workflow optimal unterstützen,

                                                        Agile Prinzipien

  Adaption                   Workflow                   Kommunikation               Organisation               Entwicklung

  Wir agieren nach dem       Wir agieren nach dem       Wir agieren nach dem        Wir agieren nach dem       Wir agieren nach dem
  Prinzip der fortlaufen-    Prinzip, aktiv die bes-    Prinzip der grösst-         Prinzip der selbst-        Prinzip der Förderung
  den Anpassung unse-        ten Rahmenbedingun-        möglichen Transpa-          organisierten Teams.       der intrinsischen
  rer Planung und Vor-       gen für wertschöp-         renz und Lösungskom-                                   Motivation aller
  gehensweise an             fende Prozesse zu          petenz durch direkte,                                  Beteiligten.
  äussere Einflüsse und      schaffen.                  dialogische Kommuni-
  eigene Erkenntnisse.                                  kation.

  n   Wir streben nach       n   Wir schaffen Ein-      n   Wir schaffen Trans-     n   Wir bilden wo          n   Wir streben danach,
      kontinuierlicher           fachheit durch eine        parenz durch stän-          immer sinnvoll             das Lernen in unse-
      Verbesserung.              konsequente und            dige Vermittlung            funktionsübergrei-         rer Organisation zu
  n   Wir beobachten             nutzenorientierte          des Kontexts und            fende Teams zur            verstärken und zu
      fortlaufend unser          Priorisierung.             der Ziele.                  Betrachtung des            verstetigen (bestän-
      Umfeld und reflek-     n   Wir streben nach       n   Wir schaffen Trans-         Ganzen.                    diges Lernen).
      tieren vor diesem          Leistung und Quali-        parenz durch die        n   Wir bilden bevoll-     n   Wir gestalten Pro-
      Hintergrund unser          tät durch aus Limi-        Sichtbarmachung             mächtigte Teams,           zesse so, dass wir
      eigenes Vorgehen           tierung entspringen-       von Aufgaben.               die entscheiden,           mit dem Kunden
      und Verhalten              der Fokuss­ierung.     n   Wir überwinden              wer was wann wie           ­lernen.
      regelmässig.           n   Wir schaffen eine          Hindernisse aktiv           durchführt.            n   Wir führen entwick-
  n   Wir gehen iterativ,        nachhaltig hohe            und schnellstmög-       n   Wir arbeiten auf           lungsorientiert und
      Schritt für Schritt,       Leistung durch Eli-        lich durch direkte          Basis einer akzep-         schaffen die best-
      vor und entwickeln         minierung von Ver-         Kommunikation               tierten, nicht einer       möglichen Rahmen-
      unsere Outputs für         schwendung und             zwischen den Betei-         zugewiesenen Ver-          bedingungen für die
      interne und externe        einen stetigen             ligten.                     antwortung.                intrinsische Motiva-
      Kunden inkremen-           Arbeitsfluss.                                                                     tion aller Mitarbei-
      tell (inkrementelle                                                                                          tenden.
      Auslieferung).

                                                                                        Quelle: Marco Olavarria / Maren Borggräfe

                                                                                  schulthess manager handbuch 2018/2019                 25
Strategie und Führung

3. grösstmögliche Transparenz durch direkte, und letztlich Wege zu mehr Agilität zu finden. So
    dialogische Kommunikation ermöglichen,         wird eine einseitige Fokussierung auf die Verän-
4. Formen der Organisation etablieren, die die derungsfähigkeit vermieden und eine ausgewo-
    Voraussetzungen für selbstorganisiertes Ar- gene Einschätzung der eigenen Situation entlang
    beiten schaffen,                               aller überlebenswichtigen Faktoren sicherge-
5. die Entwicklung jeder und jedes Einzelnen stellt:
    fördern, so dass diese bzw. dieser sich opti-
    mal entfalten kann und intrinsisch motiviert Adaption
    ist.                                           ■■ Sollten oder müssen wir unsere Anpassungs-
                                                       fähigkeit an Entwicklungen im Umfeld erhö-
Bereits die Vielzahl der agilen Prinzipien kann        hen?
verwirrend wirken: Welche Prinzipien sind für ■■ Welche Prinzipien, die unsere Anpassungs-
unsere Organisation relevant? Welche helfen uns        fähigkeit mindern, leiten heute unser Han-
auf dem Weg zu einem Management der kontinu-           deln?
ierlichen Veränderung?                             ■■ Durch welche Prinzipien sollten wir diese
                                                       ersetzen, um unsere Anpassungsfähigkeit zu
Wer einen Weg hin zu mehr Agilität finden              steigern?
möchte, sollte daher zunächst seine Ziele und
seinen Veränderungsbedarf klären. Hierbei Goal Attainment
hilft ein Schema, das der amerikanische Sozio- ■■ Welche Prinzipien, die heute unser Handeln
loge Talcott Parsons bereits in den 1950er-Jah-        leiten, hindern uns an der bestmöglichen
ren formulierte. Es benennt die Funktionen, die        Zielerreichung?
ein soziales System wie ein Unternehmen erfül- ■■ Durch welche Prinzipien sollten wir diese
len muss, um seine Existenz dauerhaft zu erhal-        ersetzen, um unseren Zielerreichungsgrad zu
ten. Überraschenderweise hat Parsons schon             steigern?
damals einige wesentliche agile Prinzipien auf-
gerufen und sein Modell passend zur aktuellen Integration
Agilitäts-Diskussion nach den Anfangsbuchsta- ■■ Welche Prinzipien, die heute unser Handeln
ben der existenzsichernden Funktionen «AGIL-           leiten, hindern uns an einem angemessenen
Schema» genannt:                                       Zusammenhalt?
■■ Adaption = Anpassungsfähigkeit,                 ■■ Welche alternativen Prinzipien würden unse-
■■ Goal Attainment = Zielerreichung,                   ren Zusammenhalt besser fördern?
■■ Integration = Zusammenhalt schaffen und
■■ Latency = ständige Aufrechterhaltung und Erneu- Latency
    erung von Grundstrukturen und Wertmustern.     ■■ Welches Mass an Erneuerung unserer grund-
                                                       legenden Strukturen und Wertmuster wäre
Wie das AGIL-Schema aufzeigt, reichen Beweglich-       erforderlich, um ein aus unserer Sicht ange-
keit, Regsamkeit und Wendigkeit für das Überle-        messenes Niveau der Agilität zu erreichen?
ben eines Unternehmens in intensivem Wettbe- ■■ Welches Mass an Erneuerung unserer grund-
werb allein nicht aus. Beweglichkeit, ohne Ziele       legenden Strukturen und Wertmuster ist
zu erreichen? Sinnlos. Regsamkeit ohne ausrei-         angemessen?
chenden Zusammenhalt? Energieverschwendung. ■■ Inwiefern können wir neue Prinzipien imple-
Wendigkeit ohne Wertmuster? Im besten Falle ver-       mentieren, ohne unsere grundlegenden
wirrend.                                               Wertmuster zu stark aufzubrechen?

Wir nutzen daher nachfolgend das AGIL-Schema,     Indem Manager diese Fragen für ihr Unter-
um die Relevanz agiler Prinzipien zu bestimmen    nehmen oder ihren Bereich beantworten, ent-

26   schulthess manager handbuch 2018/2019
Strategie und Führung

wickeln sie Thesen, welche agilen Prinzipien       Teammitglieder in ständigem, unmittelbarem
in ihrem Fall relevant sind. Dies ist eine wich-   Kontakt, um gemeinsam das Ziel zu erreichen.
tige Basis, um sich auf den Weg zu machen und      Die Methode basiert auf der Arbeit in drei Rol-
ausgewählte agile Prinzipien stärker im Un-        len, die klar abgegrenzte Verantwortlichkeiten
ternehmen zu verankern sowie ein beständi-         übernehmen.
ges Change Management zu implementieren.           1. Der Product Owner verantwortet die Produkt-
Gleichzeitig gilt es zu prüfen, ob eine ausrei-       konzeption;
chende Basis für die Entwicklung hin zu einem      2. das interdisziplinär besetzte Scrum Team
beständigen Change Management gegeben ist.            agiert selbstorganisiert und verantwortet die
Sofern ihre Organisation aktuell keine oder nur       Implementierung;
eine sehr geringe Veränderungsbereitschaft         3. der Scrum Master zeichnet verantwortlich für
und -fähigkeit aufweist bzw. ihre Führung einen       die Einhaltung der Scrum-Regeln und das
geringen Reifegrad im Hinblick auf vertrauens-        Ausräumen von Hindernissen, die das Scrum
basierte Führungsansätze aufweist, könnte der         Team am Erreichen des bestmöglichen Ergeb-
Schritt hin zu agilen Ansätzen eines beständi-        nisses hindern.
gen Change Management zu gross sein. In die-
sem Fall empfiehlt es sich, zunächst nur wenigeBereits diese Rollenaufteilung ist förderlich für
Elemente agilen Arbeitens einzuführen und      ein beständiges Change Management: Gemein-
die für die erfolgreiche Integration erforderli-
                                               sam mit dem Kunden entwickeln Product Ow-
che kulturelle Transformation eng zu begleiten ner und Scrum Team zu Beginn des Projekts eine
(siehe oben). Auch kann die Veränderung des    Product Vision, die sicherstellt, dass sich alle
Organisationsdesigns erforderlich sein (siehe  auf dasselbe Ziel ausrichten, gleichzeitig jedoch
hierzu M. Olavarria, Orgazign – Organisatio-   genug Spielraum für etwa nötige Anpassungen
nen lebenswert gestalten, Düsseldorf: Handels- lässt. Das Scrum Team pflegt einen beständigen
blatt Fachmedien, 2018). Weiterhin stellt sich Austausch mit dem Scrum Master über erforder-
auf dem Weg zu beständigem Change Manage-      liche und sinnvolle Veränderungen des Vorge-
ment die folgende Frage: Mit Hilfe welcher agi-hens bei der Umsetzung und ist entsprechend
len Praktiken und/oder Methoden können agile   eingespielt. Zudem sind die Kompetenzberei-
Prinzipien in unserem Unternehmen verankert    che «Planung», «Umsetzung» und «Schaffung
werden?                                        förderlicher Rahmenbedingungen» verschiede-
                                               nen Beteiligten zugeordnet, sodass sich Verän-
Agile Praktiken und Methoden                   derungen in einem geringeren Ausmass auf das
Leichter verständlich werden die agilen Prin- wahrgenommene Kompetenzniveau einzelner
zipien, wenn wir uns exemplarisch eine der Beteiligter auswirken als bei anderen Organisa-
agilen Methoden anschauen und in deren Re- tionsformen.
gelwerk die agilen Prinzipien identifizieren.
Deshalb geben wir im Folgenden eine kurze Weiterhin wird eine Vielzahl agiler Praktiken
Einführung in Scrum, eine der bereits am wei- eingesetzt, die jeweils spezifische agile Prinzi-
testen verbreiteten agilen Methoden. Scrum pien und ein beständiges Change Management
wird zum Beispiel für die agile Software- oder fördern. Um zu zeigen, wie die in der Abbildung
Produktentwicklung, aber auch in Manage- «Agile Prinzipien» genannten agilen Prinzipien
ment- und anderen Teams angewendet. Die in den verschiedenen Praktiken wirksam wer-
Idee des Scrum (von engl. ­s crum, «das Ge- den und wie dies wiederum das beständige
dränge») kommt ursprünglich aus dem Rugby: Change Management fördert, haben wir die-
Wie sich beim Rugby die acht Stürmer eng um sen Zusammenhang exemplarisch für Scrum in
den Ball drängen, um ihn nach vorne zu trei- der nachfolgenden Tabelle übersichtlich darge-
ben, so stehen bei dieser agilen Methode die stellt.

                                                          schulthess manager handbuch 2018/2019   27
Strategie und Führung

         Tabelle: Wie Scrum agile Prinzipien und beständiges Change Management fördert

 Vorgehen bei Scrum                Zusammenhang agile                Förderung des beständigen
                                   ­Praktiken – agile Prinzipien     Change Management

 Bei Scrum wird ein Projekt        Sprints fördern die Prinzipien    Veränderungen sind integraler
 nicht von Anfang bis Ende         Adaption/Iteration.               Bestandteil des Vorgehens und
 durchgeplant, sondern iterativ                                      können kurzfristig geordnet
 in kurzen Schleifen, zumeist                                        aufgenommen werden.
 14-tägigen sogenannten
 Sprints entwickelt.

 Der Product Owner bereitet        Die Rolle des Product Owner       Das Scrum Team kann sich auf
 die einzelnen Sprints vor,        und seine Priorisierungsleis-     seine Entwicklungs- bzw.
 indem er die zu bearbeitenden     tung setzen das agile Prinzip     Umsetzungsaufgaben konzen­
 Anwendungsfälle priorisiert       der nutzenorientierten Fokus-     trieren, Veränderungen schla-
 und das Product Backlog1          sierung (Workflow) um.            gen weniger stark auf die
 erstellt.                                                           wahrgenommene eigene Kom-
                                                                     petenz durch.

 Im Sprint Planning wird der       Das Sprint Planning setzt das     Mehraufwände aus übergeord-
 Umfang eines Sprints gemein-      Prinzip des stetigen Workflows,   neten Veränderungen können
 sam vom Produkt Owner und         das Prinzip der dialogischen      beim Sprint Planning berück-
 dem funktionsübergreifend         Kommunikation und das Prin-       sichtigt, die Arbeitslast ent-
 besetzten Scrum Team festge-      zip der akzeptierten Verant-      sprechend zeitnah angepasst
 legt.                             wortung (Organisation) um;        werden; so kann kurzfristig
                                   das funktionsübergreifende        Raum für erforderliche
                                   Team ermöglicht die Umset-        Change-Arbeit geschaffen
                                   zung des Prinzips der Selbst­     ­werden.
                                   organisation, da hierin alle
                                   Kompetenzen für eigene Ent-
                                   scheidungen vertreten sind.

 Die Ergebnisse des Sprint         Das Scrum Team plant die          Selbstorganisation und funkti-
 Review werden vom Scrum           Umsetzung eigenständig; dies      onsübergreifende Zusammen-
 Team in konkrete Aufgaben         setzt das Prinzip der Selbstor-   setzung des Teams fördern die
 überführt und im Sprint Back-     ganisation um und fördert die     Veränderungskompetenz, Auf-
 log2 festgehalten.                akzeptierte Verantwortung; die    gaben aus Veränderungsvorha-
                                   auf einem Task Board mit ein-     ben fliessen «organisch» in
                                   zelnen Tickets dargestellten      den Arbeitsalltag ein.
                                   Aufgaben sorgen für die
                                   Umsetzung des Prinzips Trans-
                                   parenz (Kommunikation).

 Die Mitglieder des Scrum Team     Die Aufgaben werden im Pull-      Selbstorganisation fördert die
 ziehen sich das jeweils           Verfahren von den Mitarbei-       Veränderungskompetenz und
 nächste von ihnen bearbeitete     tenden eigenständig gewählt,      stärkt die Selbstwirksamkeits-
 Ticket (= Aufgabe) vom Task       dies fördert wiederum das         überzeugung, die ein wichtiger
 Board.                            Prinzip der akzeptierten Ver-     Faktor von Resilienz ist.
                                   antwortung sowie der bevoll-
                                   mächtigten Teams.

28   schulthess manager handbuch 2018/2019
Strategie und Führung

          Tabelle: Wie Scrum agile Prinzipien und beständiges Change Management fördert

Vorgehen bei Scrum                  Zusammenhang agile                 Förderung des beständigen
                                    ­Praktiken – agile Prinzipien      Change Management
Daily Stand-up: Die Mitglieder      Die Dailiy Stand-up setzen die     Das Team lebt ständige Verän-
des Scrum Team tauschen sich        Prinzipien der direkten Kom-       derung und wird hierbei durch
täglich in einem 15-minütigen       munikation und der Transpa-        eine dezidierte Rolle, den
Meeting aus. Jedes Team-Mit-        renz um, der Austausch der         Scrum Master, fortlaufend
glied beantwortet die drei Fra-     Hindernisse ermöglicht die         unterstützt. Durch die transpa-
gen: «Was habe ich seit dem         Umsetzung des Prinzips der         rente tägliche Kommunikation
letzten Daily Stand-up getan?»,     aktiven und schnellstmögli-        wird Vertrauen aufgebaut.
«Was plane ich bis zum nächs-       chen Überwindung von Hinder-       Spannungen können schnell
ten Dailiy Stand-up zu tun?»,       nissen (Kommunikation) durch       aufgedeckt und bearbeitet
und «Welche Hindernisse hin-        den Scrum Master.                  werden.
dern mich in meiner Tätig-
keit?»

Die so entstandenen Produkt­        Die Sprint Reviews setzen das      Feedback zur erbrachten Leis-
inkremente werden im Rah-           agile Prinzip der inkrementel-     tung ist selbstverständliches
men von sog. Sprint Reviews3        len Auslieferung (Adaption)        Element der Arbeit, Verände-
gesichtet; hieran beteiligt sind    und das Prinzip des beständi-      rungsbedarf wird frühzeitig
der Product Owner und ggf.          gen Lernens und Optimierens        erkannt und fliesst in die wei-
weitere Stakeholder. Es wird        (Entwicklung) um.                  tere Planung ein. Die Teammit-
das «Was» bewertet.                                                    glieder unterstützen sich
                                                                       gegenseitig.

Zudem führt das Scrum Team          Die Retrospektiven setzen das      Neben der Ergebnisqualität
regelmässig Retrospektiven          Prinzip des beständigen Ler-       wird auch die Prozessqualität
durch, in denen das «Wie»           nens und Optimierens (Ent-         regelmässig gemeinsam auf
bewertet wird und Verbesse-         wicklung) um und sorgen für        den Prüfstand gestellt, Verän-
rungsansätze erarbeitet wer-        eine geklärte Beziehungs-          derungsbedarf wird frühzeitig
den («Wie verlief unsere            ebene, die Grundlage für dia-      erkannt und fliesst in die wei-
Zusammenarbeit?»).                  logische Kommunikation ist.        tere Planung ein. Die Koopera-
                                                                       tionsfähigkeit wird weiter ver-
                                                                       bessert.
1   Im Product Backlog werden in Scrum die aus Sicht des Product Owner wichtigsten Features, also
     Produkt­eigenschaften oder Anwendungsfälle, aufgeführt.
2   Im Sprint Backlog werden alle im jeweiligen Sprint zu bearbeitenden Features aufgeführt, das
    Task Board zeigt alle hierzu zu bearbeitenden Aufgaben an.
3   Im Sprint Review Meeting am Ende eines jeden Sprints nehmen der Product Owner, das Scrum
    Team und optional weitere Stakeholder sowie der Scrum Master teil. Das Team präsentiert die
     umgesetzten Features. Der Product Owner nimmt diese dann als erledigt ab oder weist ggf. Arbeit
     zurück. Alle Beteiligten können Feedback geben, das in das nächste Sprint Planning einfliesst.

                                                                Quelle: Marco Olavarria / Maren Borggräfe

                                                             schulthess manager handbuch 2018/2019       29
Strategie und Führung

Mit Scrum können die Projektbeteiligten die                    möglichst alle erforderlichen Kompetenzen
entwickelten Produktinkremente und das wäh-                    verfügt, sowie die regelmässige Einbindung
rend der Entwicklung Gelernte kontinuierlich                   der Stakeholder;
bei ihren nächsten Schritten berücksichtigen                ■■ Latency, zum Beispiel durch klare Strukturen
und so die weitere Entwicklung systematisch                    der Planung, der Meetings und eine klare Rol-
am gestifteten Nutzen ausrichten; weiterhin                    lenverteilung zwischen den Beteiligten sowie
können sie schnell auf Probleme reagieren und                  eindeutige, im Team beschlossene Entschei-
ggf. den Kunden im Rahmen der Sprint Reviews                   dungsbefugnisse.
direkt in den Entwicklungsprozess einbinden
(Co-Creation). So erfolgt das Change Manage-                Das agile Mindset fördern in einer lernenden
ment direkt und fortlaufend im Prozess einge-               Organisation
bunden und erfüllt die Anforderungen des AGIL-              Die Einführung agiler Prinzipien, Praktiken und
Schemas deutlich besser (siehe auch Abbildung               Methoden fördert ein agiles Mindset, stellt die-
«Agile Landscape»):                                         ses jedoch nicht sicher. Ebenso wie das Change
■■ Adaption, zum Beispiel durch sehr kurze Ent-             Mindset für Transformationen ist ein agiles
    wicklungszyklen, den täglichen Austausch im             Mindset einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren
    Team und die Rolle des Scrum Master, des-               für die Einführung agiler Methoden. Agiles Ar-
    sen Aufgabe es ist, Hindernisse aus dem Weg             beiten fordert ungewohnte Verhaltensweisen
    zu räumen;                                              sowohl von den Mitarbeitenden, von denen eine
■■ Goal Attainment, unter anderem durch eine                hohe Eigenverantwortung, offene Kommunika-
    nutzenorientierte Priorisierung, die bestän-            tion über Fehler und Verbesserungsideen sowie
    dige Prüfung des bereits erreichten Entwick-            schneller und steter Kompetenzerwerb erwartet
    lungsstands und die kontinuierliche Leis-               wird, als auch von den Führungskräften, die Ver-
    tungssteigerung des Teams;                              antwortung abgeben, kurzfristiger planen und
■■ Integration, insbesondere durch die Arbeit               Entscheidungen gemeinsam mit ihren Mitarbei-
    in einem interdisziplinären Team, das über              tenden treffen sollen. Selbst in jungen, experi-

                                                    Agile Landscape

       Sprints           Beständiger        Co-Creation       Nutzenorientierte
                         dialogischer                           Priorisierung
                          Austausch                                                Fortlaufende
                                                                                     Reviews
     Regelmässige                                                                                      Akzeptierte
     Retrospektiven                                                                                   Verantwortung

              Aktives Hindernis-                                                          Kontinuierliche
                management                 Adaption           Goal Attainment              Verbesserung

      Product Vision                     Integration               Latency
                                                                  Latency
                                                                                              Meeting
                                                                                            Framework
          Sprint Planning
                                                               Rollenverteilung
                              Sprint Backlogs                                               Selbstorganisation

        Funktionsüber-
       greifende Teams                      Stakeholder-                      Regelwerk                Planungs- und
                                             Integration                                               Reviewstruktur

                                                                              Quelle: Marco Olavarria / Maren Borggräfe

30   schulthess manager handbuch 2018/2019
Strategie und Führung

mentierfreudigen Start-ups und IT-Firmen ist          Unsere Gesellschaft fördert bislang eher ein
die Herausbildung einer geeigneten Kultur oft         Fixed Mindset; entsprechend finden sich in Or-
eine Herausforderung, das zeigen aktuelle Stu-        ganisationen mehr oder weniger viele Menschen
dien wie die State of Agile Survey von Versio-        mit einem Fixed Mindset. Wie kann unter diesen
none aus dem Jahr 2016: 63% der befragten Soft-       Voraussetzungen eine agile Transformation her-
wareentwickler aus verschiedenen Ländern und          beigeführt werden? Der Weg geht über konse-
Branchen hielten es für die grösste Schwierig-        quente Wertschätzung der Person – unabhängig
keit, wenn Unternehmenskultur und agile Werte         davon, wie sie ist und sich selbst sieht, und über
sich widersprechen (Harvard Business Manager          das Fördern und Fordern von persönlicher Ent-
07, 2018, S. 31). Denn Menschen sind, wie sie sind.   wicklung.
Und sie kommen nicht blanko zur Arbeit, son-
dern tragen bereits ein Paket voller Erfahrungen, Das bedeutet, dass Change Manager näher an die
Prägungen und eingeübter Verhaltensmuster mit     Menschen heranrücken und sie im Alltag beglei-
sich herum. Ebenso wie Organisationen ihr Cul-    ten müssen. Der Change Manager wird zum Agile
tural Imprint besitzen und mehr oder weniger      Coach. Dieser begleitet die Mitarbeitenden und
starke Muster etabliert haben.                    Führungskräfte bei ihrer persönlichen Growth Ex-
                                                  perience auf ihrer Learning Journey und schafft
Deshalb sollte in Organisationen, die agile Me- im ständigen Wandel die nötigen Räume für Re-
thoden einsetzen möchten, nicht nur vorher ein- flexion und Kreativität.
gehend geprüft werden, inwiefern die kulturel-
len Parameter hierfür geeignet sind, sondern die Die Aufgabe der Führungskräfte in agilen Orga-
Einführung eng begleitet werden.                  nisationen ist es, dafür zu sorgen, dass sich für
                                                  Individuen und Teams gemeinsame Lernräume
Doch was genau macht ein agiles Mindset aus? eröffnen, die Handlungsspielräume bieten und
Agiles Verhalten erfordert ein Selbstbild, das in denen sie sich gleichzeitig sicher genug füh-
die Möglichkeit der Veränderlichkeit der eige- len, um sich zu öffnen und zu experimentieren.
nen Person mitdenkt. Menschen mit einem sog. Dazu gehört neben einer ausgeprägten Fehler-
Growth Mindset verfügen über eine wachstums- kultur und dem bewussten Loslassen von Kont-
orientierte Denk- und Handlungslogik im Gegen- rollbedürfnissen das Zur-Verfügung-Stellen sinn-
satz zu Personen mit einem Fixed Mindset, die stiftender Herausforderungen auf Organisations-,
von sich selbst als fertige, unveränderliche Per- Team- und personaler Ebene. Entwicklungsför-
sönlichkeit ausgehen. Glauben Menschen daran, derliches Feedback und Feedforward in kurzen
dass sie ihr Leben, ihre persönliche Entwicklung, Zyklen, nicht nur von der Führungskraft, sondern
ihren Kompetenzerwerb, die Steuerung und Ver- auch innerhalb der Peer Group werden eine im-
feinerung ihres Intellekts, die Hoheit über ihre mer wichtigere Rolle spielen. Hinzu sollten Mi-
eigenen Werte und Überzeugungen usw. selbst krolernimpulse kommen, die flexibel auf die je-
in der Hand halten, gehen sie anders, resilienter weilige Lernsituation zugeschnitten sind, von
mit Veränderungen um und sind insgesamt be- den Lernenden individuell zeit- und ortsunab-
weglicher. Typische Eigenschaften und Haltungs- hängig genutzt werden können und diese beim
merkmale des agilen Mindset sind z.B.:            Erlernen neuer Inhalte und Verhaltensweisen in-
■■ Eine positive Einstellung                      spirieren und unterstützen.
■■ Offenheit
■■ Neugier und Wissensdurst                       Entscheidend für den Erfolg jeder Learning Jour-
■■ Lösungsorientierung                            ney – egal ob auf organisationaler oder perso-
■■ Orientierung am Teamerfolg                     naler Ebene – wird sein, wie die verschiedenen
■■ Pragmatismus                                   Lern­ebenen miteinander verzahnt sind, sodass
■■ Fehlertoleranz                                 Erfahrungslernen, soziales Lernen und Mikroler-

                                                             schulthess manager handbuch 2018/2019   31
Strategie und Führung

nen gut ineinandergreifen. Sind Organisationen
fluide und die in ihnen arbeitenden Individuen
am Wachsen, also im Fluss im Sinne des panta
rhei, dann sind sie bereit für die Herausforde-
rungen einer unvorhersehbaren Zukunft, die uns
mehr und mehr dazu zwingt, in der Gegenwart
zu bleiben, schnell gemeinsame Entscheidungen
zu treffen und in akzelerierenden Iterationen zu
lernen.

Kernaussagen
■■ Change Management ist für grosse Transfor-
     mationsprozesse geeignet, die kulturellen
     Wandel erfordern.

■■ Die    Herausforderungen einer digitalisier-
     ten und globalisierten Welt erfordern per-
     manente Adaption; daher muss sich auch
     das Change Management entwickeln – hin zu
     einem beständigen Change Management zur
     Förderung und Befähigung kontinuierlicher
     Veränderung in kleinen Schritten.
■■ Agile Ansätze bieten eine Fülle von Möglich-
     keiten zur Entwicklung eines fest in der Orga-
     nisation verankerten, beständigen Change
     Management.

■■ Erfolgsfaktor ist ein agiles Mindset und somit
     kontinuierliches Lernen auf verschiedenen
     Lernebenen.

32    schulthess manager handbuch 2018/2019
Das Handbuch für
erfolgreiche Manager.
Mit Experten-Wissen zu brisanten Themen wie Strategie und
Führung, Steuern, Compliance, Wirtschaftsdelikte und Arbeitsrecht

                                                                      aktueller Überblick zu den
                                                                      laufenden Entwicklungen
                                                                      mit Checklisten, Übersichten
                                                                      und Ergänzungen
                                                                      Kernaussagen für die schnelle
                                                                      Informationsaufnahme

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schulthess manager handbuch 2018 / 2019
308 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-7255-7835-1, CHF 79.--                         MANAGEMENT
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