Manager handbuch 2018 / 2019 - Berlin Consulting
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Inhalt Vorwort .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ....................................................... 7 Die Wirtschaft floriert – doch die Herausforderungen sind gross ........................................ 9 Prof. Dr. Rudolf Minsch Strategie und Führung Change Management – Veränderung in dynamischen Zeiten agil bewältigen ......................... 21 Dr. Marco Olavarria, Maren Borggräfe «Wandel gehört zum Selbstverständnis dieser Firma» ..................................................... 33 Interview mit Marco Gadola Rezepte und Anmerkungen zur Kunst der Kommunikation ................................................ 39 Dr. Mirjam Teitler, Peter Hartmeier Was Unternehmen beim Einkauf von Rechtsrat beachten müssen ....................................... 45 Dr. Bruno Mascello Corporate Governance Interessenkonflikte – wie hat sich ein Verwaltungsratsmitglied zu verhalten? . ..................... 55 Prof. Dr. Rolf Watter, Annina Hammer Management-Vergütungen in börsenkotierten Aktiengesellschaften . ................................. 65 Dr. Frank Gerhard Risiken im Organisationsreglement des Verwaltungsrats . ................................................ 73 Arlette Pfister Nonprofit Governance – Gutes besser tun . . . . . . . . . . . . . ........................................................ 79 Prof. Dr. Georg von Schnurbein Compliance Compliance: Was heisst das konkret für die Unternehmensführung? ................................... 89 Dr. Christian Wind Compliance zwischen Überregulierung und Übervorsicht . ................................................ 95 Philipp Abegg Exportkontrolle und Digitalisierung durch Blockchain und Smart Contracts . ........................ 105 Prof. Dr. Andreas Furrer, Peter Henschel Schweizer Unternehmen im Lichte der europäischen Datenschutzgrundverordnung .............. 113 Claudia Keller schulthess manager handbuch 2018/2019 3
Inhalt Kartellrecht Leitplanken im B2B-Kontakt: So schützt man sich vor der WEKO ........................................ 121 Prof. Dr. Patrick L. Krauskopf, Dr. Felix Schraner Finanzierung und Aktien Aktuelle Alternativen zur klassischen Bankenfinanzierung . .............................................. 133 Anita Schläpfer, Fabio Elsener GAFI-Meldungen der wirtschaftlich berechtigten Person . ................................................. 141 Phyllis Scholl, Prof. Dr. Rashid Bahar Steuern Schweizer Steuerrecht 2018: Unternehmenssteuerreform «reloaded» ................................ 149 Prof. Dr. Pascal Hinny Besteuerung der digitalen Wirtschaft .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ................................................... 155 Dr. Alberto Lissi, Oliver Jäggi Mitarbeiterbeteiligungspläne im Wandel der Zeit . . . . . . . . ................................................... 163 Dr. Natalie Peter Hausbesuche der unfreundlichen Art – Steuerfahndungen in der D-A-CH-Region . ................. 171 Daniel Holenstein Wirtschaftsdelikte Selbstanzeige von Unternehmen in internationalen Wirtschaftsstraffällen . ......................... 179 Daniel Bühr Geldwäscherei: Grundlagen, Risiken, Vorkehrungen . . . . . ................................................... 187 Dr. Omar Abo Youssef Versicherungen Der Umgang mit Unternehmensrisiken und ihre Versicherungsdeckung ............................... 199 Peter Haas, Barbara Klett Digitalisierung Die Entwicklung der Arbeit in Zeiten der Digitalisierung ................................................... 209 Prof. Michael Beckmann, Elisa Gerten «Weniger in Wettbewerb und mehr in Systemen denken» . ............................................... 219 Interview mit Dirk Sebald Legal Tech – vom Hype zur digitalen Transformation in der Rechtsberatung ......................... 225 Markus Hartung Blockchain und Initial Coin Offerings (ICOs) – eine neue Ära? ............................................. 231 Dr. Yves Mauchle 4 schulthess manager handbuch 2018/2019
Inhalt Personal Auswahl von Führungskräften in Zeiten von Transformation .............................................. 241 Doris Aebi Aufhebungsvereinbarungen – Tücken der friedlichen Trennung . ........................................ 249 Romina Carcagni Roesler Umgang mit Arbeitsunfähigkeit und Invalidität Arbeitnehmender ...................................... 257 Prof. Dr. Thomas Gächter, Petra Koller Haften Arbeitgeber für Belästigungshandlungen ihrer Arbeitnehmenden? ........................... 267 Prof. Dr. Roger Rudolph, Dr. Anina Kuoni Weiterbildung für Führungskräfte.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................................ 275 Beratungsunternehmen im Profil.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................................ 287 Verzeichnis Beratungsunternehmen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................................ 303 Autorenverzeichnis.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ....................................................... 305 schulthess manager handbuch 2018/2019 5
Strategie und Führung Change Management – Veränderung in dynamischen Zeiten agil bewältigen änderungen darstellen? Und welche Antworten Dr. Marco Olavarria gibt es für die beständige Veränderung im Klei- BC Berlin Consulting nen? Wie können Manager die kontinuierliche Marco Olavarria berät seit Adaption an Veränderungen im Umfeld sowie die über 20 Jahren Unternehmen Wirksamkeit der eigenen Lern- und Erkenntnis- im Umbruch. Er hat in vielen fortschritte in ihrem Unternehmen fördern? Ant- Unternehmen agile Methoden eingeführt und gemeinsam mit worten gibt dieser Beitrag, der die Brücke vom seinen Kunden neue, erfolgrei- klassischen, auf grosse Veränderungsprojekte che Organisationsdesigns ent- angelegten Change Management hin zu agilen wickelt und implementiert. Er Ansätzen für beständige Veränderung im Kleinen ist Geschäftsführender Gesell- schlägt. schafter der BC Berlin Consulting, Buchautor und Spre- cher auf Kongressen. Key Success Factors für erfolgreiches Change Maren Borggräfe Management autenticon – consulting in Werfen wir zunächst einen Blick auf das klas- context; Flourister GmbH sische Change Management, das auf Kurt Le- Maren Borggräfe begleitet seit wins Forschung zur Organisationsentwicklung über 13 Jahren organisatio- in den 1940er-Jahren zurückgeht. Lewin beob- nale und persönliche Verän- achtete als Erster verschiedene Phasen der Ver- derungsprozesse als Beraterin, Trainerin und Coach. Beson- änderung. Auf sein Modell des Unfreezing, Mo- dere Expertise besitzt sie in ving und Refreezing bauen zahlreiche Theorien den Bereichen Kulturwan- und Methoden des Change Management auf. In del, Potenzialentfaltung sowie der Hochphase des Reengineering Ende des 20. agile und authentische Führung. Sie hat zu Unterneh- Jahrhunderts gewann das Change Management menskultur und -werten geforscht und publiziert. an Bedeutung. Ganze Organisationen mussten in Bewegung gebracht werden, um Restrukturie- rungs- und Strategiewandelprozesse zum Erfolg zu führen. Change Management in Zeiten der digitalen Transformation Basis jeden gelingenden Change Management Change Manager proklamieren gern «panta rhei – ist abgesehen von einem der Herausforderung alles fliesst». In den dynamischen Zeiten der di- angemessenen und konsequenten Projektma- gitalen Transformation fällt es schwer dagegen nagement ein Grundverständnis für die Pha- zu argumentieren. Aber wie verändert sich das sen der kognitiven und emotionalen Verarbei- Change Management selbst? Welche Grundlagen tung von Veränderung. Unabhängig von den werden auch in vielen Jahren noch den Grund- Ausmassen des Wandels kann nach Richard E. stock für die erfolgreiche Bewältigung von Ver- Streich bei den Beteiligten in Veränderungs- schulthess manager handbuch 2018/2019 21
Strategie und Führung prozessen ein Schwanken in der Wahrneh- Die Vermittlung des neuen, für die Verände- mung der eigenen empfundenen Kompetenz rung förderlichen Mindset ist das kritische beobachtet werden. Wie kompetent sich eine Momentum in all jenen Veränderungsprozes- Person fühlt, hat wiederum direkte Auswir- sen, in denen eine grundlegende Transforma- kungen auf ihr Verhalten. Gleichzeitig vollzieht tion nicht nur einzelner Prozesse oder Struk- sich ein emotionaler Prozess der Verarbeitung turen erforderlich ist, sondern ein Umdenken und Trauer, der notwendig ist, um Altes, Be- bezüglich der persönlichen Haltungen, Einstel- währtes loszulassen und sich für Neues zu öff- lungen und Werte. Erschwerend kommt hinzu, nen. Diese Kurve wird unterschiedlich inten- dass sich in vielen Organisationen durch häu- siv erlebt, je nach Persönlichkeit, Erfahrung, fige Veränderungen, die oftmals nicht konse- Prägung, Situation und Herausforderung. Ent- quent zu Ende geführt oder sinnvoll in eine scheidend für das Gelingen des Change Ma- Veränderung der Veränderung überführt wur- nagement ist, dass die Beteiligten im Prozess den, eine grosse Transformationsmüdigkeit ihrem empfundenen Kompetenzniveau und breitgemacht hat. emotionalen Zustand adäquat angesprochen und begleitet werden. Essenziell für die Entwicklung von Commitment auf allen Ebenen der Organisation sind daher: Das sagt sich so leicht – und doch sind schon 1. die Nachvollziehbarkeit des Sinns der Verän- viele ehrgeizige Change-Projekte genau da- derung und die klare, kohärente Kommuni- ran gescheitert. Eine aktuelle Studie zeigt, dass kation auf Basis einer konsistenten Change 46% der Veränderungsprozesse am fehlenden Story, die Orientierung gibt; Kulturwandel und mangelnder Anpassung von 2. die zieldienliche Haltungs- und Kulturver- Strukturen, Prozessen und Werten scheitern (H. änderung durch Interventionen innerhalb Weckmüller, Agilitätsbarometer 2017: So agil eines sicheren Rahmens, der gleichzeitig sind Unternehmen in DACH, Freiburg: Haufe, Handlungsspielräume eröffnet, als Basis 2017). für das Experimentieren mit neuem Verhal- ten; Woran scheitert der Wandel in 3. die frühe Mobilisierung mindestens eines Unternehmen? Drittels der Organisation (Change Agents); 4. die rechtzeitige Anpassung von Prozessen und Strukturen; 5% 5. die frühe Einbindung aller Beteiligten 10% Keine Angabe durch ebenen- und bereichsübergreifen- Technologie: den Dialog sowie konsequente Feedback- fehlende Tools 46% schleifen; 6. die Erhaltung der Glaubwürdigkeit der (Top-) Organisation: Führungskräfte durch Übernahme von Ver- 39% entsprechende Strukturen und antwortung für den Wandel, das Einlösen von Menschen: Prozesse bzw. Werte Versprechen und die sichtbare Umsetzung tragen den und Kultur sind nicht von Feedback; Wandel nicht vorhanden mit 7. begleitender zielgerichteter und stärkenori- entierter Kompetenzaufbau bei den Beteilig- ten; 8. ein ressourcenorientierter Umgang mit be- wahrenden Kräften (Bewahrer des Bewähr- Quelle: H. WECKMÜLLER, Agilitätsbarometer 2017: So agil sind Unter- ten würdigen – zuhören und aktiv einbin- nehmen in DACH, Freiburg: Haufe, 2017 (Antworten Führungskräfte) den). 22 schulthess manager handbuch 2018/2019
Strategie und Führung Als besonders wirkungsvoll bei komplexen kul- gleiterscheinungen und setzen auf schlanke Pro- turellen Transformationen hat sich die systemi- zesse und Methoden sowie andere Denkweisen: sche Veränderungsbegleitung erwiesen, die auf Statt Lösungen für den Markt im eigenen Unter- die selbstorganisierenden Kräfte der Organisa- nehmen möglichst weit vorzudenken und vo- tion setzt und für die Integration aller Ebenen ranzutreiben – schliesslich möchte man ein des Systems sorgt. Indem sie die Organisation möglichst ausgereiftes, ja «perfektes» Produkt als Ganzes, ihr Umfeld, einzelne Teams und auch bieten –, gestalten sie das kleinste überlebens- die im Prozess beteiligten Individuen berück- fähige Produkt. Es werden so schnell wie mög- sichtigt und verbindet, kann nicht nur weitrei- lich Prototypen designt und getestet, um das chendes Commitment auf allen Ebenen geschaf- neue Angebot von Anbeginn gemeinsam mit dem fen, sondern das gesamte Potenzial und Wissen Kunden zu entwickeln. Sowohl die Prototypen als des Systems ausgeschöpft werden. auch das Geschäftsmodell werden in vielen Ite- rationen verfeinert und ausgebaut, Rückschläge Aktuelle Entwicklungen und werden als Lernkurve verstanden und gern in Herausforderungen Kauf genommen. Grosse Transformationen bleiben weiterhin eine Herausforderung, doch längst ist nach der Aus dieser Denkweise des «Fail Forward» entste- Transformation vor der Transformation. Viele hen auch jenseits der Produktentwicklung An- Unternehmen müssen eine weiter steigende sätze, die in klassisch hierarchischen Strukturen Veränderungsgeschwindigkeit und die Gleich- in der Regel nicht ausgeprägt sind: Statt grosser zeitigkeit verschiedener Veränderungsprozesse Reorganisationen alle paar Jahre entwickelt sich bewältigen. Neben Megatrends wie dem demo- das Organisationsdesign dank evolutionärer Ent- grafischen Wandel wirken viele kurz- und mit- wicklung kontinuierlich in kleinen Schritten wei- telfristige Veränderungen auf Unternehmen ein. ter. Statt eines grossen Relaunchs von Websites Besonders die technologische Entwicklung, also und Portalen werden diese dank Atomic Design die digitale Transformation ganzer Branchen, und vieler Optimierungstests und -massnahmen sorgt für eine höhere Innovationsintensität. So beständig verbessert und weiterentwickelt. Statt werden technologiebasierte Neuerungen an be- grosser und langwieriger Software- oder sons- stehenden Geschäftsmodellen, Produkten und tiger Produktentwicklungsprojekte nach dem Services vorgenommen sowie gänzlich neue Ge- Schema Lastenheft – Pflichtenheft – Umsetzung schäftsmodelle und Angebote entwickelt, die werden Produkte in kurzen Planungs- und Um- die Kundenbedürfnisse besser bedienen als die setzungszyklen von zum Beispiel zwei Wochen tradierten. Dies erfordert eine angemessene in- inkrementell erarbeitet. terne Innovationsrate, wie die Einführung neuer IT-Systeme zum Beispiel in Bereichen wie dem Mit diesem agilen Denkansatz der beständigen Customer Relationship Management (CRM) oder Veränderung ändern sich aber auch die Anforde- der Marketing Automation, sowie die techno- rungen an das Change Management. «Change» ist logiebasierte Umgestaltung und Optimierung kein in Intervallen auftretendes, «grosses» Phä- interner Prozesse. In dieser Situation müs- nomen, das entsprechend sporadisch gemanagt sen neue Kompetenzen aufgebaut und die Ge- werden muss. Change erfolgt in kleinen Schritten, schwindigkeit, in der das eigene Unternehmen Monat für Monat oder Woche für Woche oder letzt- Neues konzipiert und realisiert, gesteigert wer- lich «jeden Tag» und wird zum selbstverständli- den. chen ständigen Begleiter aller Führungskräfte und Mitarbeitenden. Und so stellt sich die Frage, wie Als Vorbild dienen hier häufig die Vorreiter der ein beständiges Change Management für hohe digitalen Entwicklung. Sie agieren ohne den Bal- Agilität und Veränderung in kleinen Schritten und last jahrzehntelangen Erfolgs mit all seinen Be- Inkrementen gestaltet werden kann. schulthess manager handbuch 2018/2019 23
Strategie und Führung Agiles Vorgehen zur kontinuierlichen «We are uncovering better ways of developing Veränderung «jeden Tag» software by doing it and helping others do it. Agile Ansätze stellen keinen in sich geschlosse- Through this work we have come to value: nen Managementansatz dar. Vielmehr werden un- ■■ Individuals and interactions over processes ter dem Stichwort «agil» Ansätze aus unterschied- and tools lichen Denkrichtungen vereint – zum Beispiel in ■■ Working software over comprehensive docu- der Unternehmenspraxis entwickelte Vorgehens- mentation weisen ebenso wie Praktiken aus dem Lean Ma- ■■ Customer collaboration over contract nego nagement oder systemische Methoden. Gemein- tiation sam ist agilen Ansätzen, dass sie darauf abzielen, ■■ Responding to change over following a plan eine positive Haltung zu ständiger Veränderung bei Mitarbeitenden zu fördern (agiles Mindset) That is, while there is value in the items on the und alle Beteiligten zu befähigen, dauerhaft mög- right, we value the items on the left more» (Quelle: lichst gut mit permanentem Wandel umzugehen. agilemanifesto.org; hier wird bewusst der engli sche Originaltext zitiert, da die deutsche Über- Agile Ansätze ermöglichen Menschen, intrin- setzung zum Teil fehlerhaft ist). sische Motivation und ihre Leistungsfähigkeit bestmöglich in Unternehmen einzubringen. Sie Im agilen Manifest werden zudem zwölf Prinzi- fordern und fördern entsprechend die Umset- pien für eine agile Softwareentwicklung formu- zung von Erkenntnissen, wie Menschen in Unter- liert, wie zum Beispiel: nehmen arbeiten möchten, und die Abkehr von ■■ «Build projects around motivated individuals. weitverbreiteten Management-Fehlpraktiken. Sie Give them the environment and support they wirken einer fehlenden Nutzenorientierung ent- need, and trust them to get the job done.» gegen, da diese zu letztlich sinnlosen Aktivitäten ■■ «The most efficient and effective method of und Frustration führt, und fordern eine konse- conveying information to and within a devel- quente Priorisierung. So wird zudem vermieden, opment team is face-to-face conversation.» dass einzelne Mitarbeitende oder Teams zu viele ■■ «At regular intervals, the team reflects on Themen parallel bearbeiten und ihre Zeit und how to become more effective, then tunes Energie für das beständige Hin- und Herspringen and adjusts its behavior accordingly.» zwischen den Themen aufwenden müssen. Aus- serdem unterstützten agile Ansätze die schnellst- Mit den Prinzipien des agilen Manifests beste- mögliche Beseitigung von Hindernissen, die der hen Grundlagen zur Steigerung der Agilität in Erzielung bestmöglicher Ergebnisse im Wege ste- der Softwareentwicklung, die sich mittlerweile hen. Damit fördern sie Grundtugenden eines im in vielen Fällen bewährt haben. Aber was tun, Wettbewerb stehenden Unternehmens: grosse wenn im eigenen Unternehmen insgesamt ein Beweglichkeit, Regsamkeit und Wendigkeit (agil Mangel an Agilität und Veränderungsbereit- bedeutet laut Duden genau dieses: «von gros- schaft bzw. -fähigkeit vorherrscht? Welche An- ser Beweglichkeit zeugend; regsam und wendig»). satzpunkte für Veränderung hin zu grösserer Agilität und kontinuierlichem Change Manage- Die Fokussierung auf bestmögliche Rahmen- ment gibt es, auf welchen Ebenen kann ich an- bedingungen für sinnstiftende und erfüllende setzen? Zusammenarbeit zwischen Menschen wurde bereits im Startpunkt der zunehmenden Ver- Um die Umsetzung agiler Prinzipien im be- breitung und Popularität agilen Denkens, dem trieblichen Alltag zu ermöglichen bzw. zu er- «Agilen Manifest», zum Ausdruck gebracht. Es leichtern, wurden konkrete Praktiken und Me- wurde 2001 von einer Gruppe Softwareentwick- thoden entwickelt oder, wie oben bereits lern wie folgt formuliert: angeführt, aus anderen Denkrichtungen über- 24 schulthess manager handbuch 2018/2019
Strategie und Führung nommen. Entsprechend ist die Unterscheidung Durchführung ganzer Prozesse oder Projekte zwischen agilen Prinzipien, Praktiken und Me- nach agilen Prinzipien unterstützt. Sie bie- thoden für den Einsatz agiler Ansätze als Inst- ten einen Werkzeugkasten für beständiges rument des beständigen Change Management Change Management. wichtig: ■■ Agile Prinzipien: Mithilfe von agilen Prinzi- Zunächst betrachten wir die agilen Prinzipien, da pien legen agil agierende Organisationen sie uns den Weg weisen, wie agile Ansätze ein und Teams die aus ihrer Sicht wichtigsten beständiges Change Management unterstützen Handlungsmaximen für alle Beteiligten fest. können. Sie sind die Leitplanken für den Einsatz von agilen Praktiken und Methoden als Change- Agile Prinzipien Förderer. In der Literatur finden sich verschiedenste, zum ■■ Agile Praktiken werden eingesetzt, um die Teil sehr umfängliche Übersichten möglicher agi- Umsetzung agiler Prinzipien im Rahmen ein- ler Prinzipien, die mehr oder weniger stark auf zelner Aktivitäten wie zum Beispiel eines den im agilen Manifest formulierten Prinzipien Meetings zu ermöglichen bzw. zu fördern fussen. Sie lassen sich in fünf Kategorien zusam- (zum Beispiel sog. Daily Stand-ups, siehe menfassen (siehe Abbildung «Agile Prinzipien») unten). Sie sind die Werkzeuge eines bestän- als Prinzipien, die digen Change Management. 1. auf die ständige Adaption an Umwelt und ■■ Agile Methoden vereinen verschiedene agile eigenen Erkenntnisstand abzielen, Praktiken zu einem Framework, das die 2. den Workflow optimal unterstützen, Agile Prinzipien Adaption Workflow Kommunikation Organisation Entwicklung Wir agieren nach dem Wir agieren nach dem Wir agieren nach dem Wir agieren nach dem Wir agieren nach dem Prinzip der fortlaufen- Prinzip, aktiv die bes- Prinzip der grösst- Prinzip der selbst- Prinzip der Förderung den Anpassung unse- ten Rahmenbedingun- möglichen Transpa- organisierten Teams. der intrinsischen rer Planung und Vor- gen für wertschöp- renz und Lösungskom- Motivation aller gehensweise an fende Prozesse zu petenz durch direkte, Beteiligten. äussere Einflüsse und schaffen. dialogische Kommuni- eigene Erkenntnisse. kation. n Wir streben nach n Wir schaffen Ein- n Wir schaffen Trans- n Wir bilden wo n Wir streben danach, kontinuierlicher fachheit durch eine parenz durch stän- immer sinnvoll das Lernen in unse- Verbesserung. konsequente und dige Vermittlung funktionsübergrei- rer Organisation zu n Wir beobachten nutzenorientierte des Kontexts und fende Teams zur verstärken und zu fortlaufend unser Priorisierung. der Ziele. Betrachtung des verstetigen (bestän- Umfeld und reflek- n Wir streben nach n Wir schaffen Trans- Ganzen. diges Lernen). tieren vor diesem Leistung und Quali- parenz durch die n Wir bilden bevoll- n Wir gestalten Pro- Hintergrund unser tät durch aus Limi- Sichtbarmachung mächtigte Teams, zesse so, dass wir eigenes Vorgehen tierung entspringen- von Aufgaben. die entscheiden, mit dem Kunden und Verhalten der Fokussierung. n Wir überwinden wer was wann wie lernen. regelmässig. n Wir schaffen eine Hindernisse aktiv durchführt. n Wir führen entwick- n Wir gehen iterativ, nachhaltig hohe und schnellstmög- n Wir arbeiten auf lungsorientiert und Schritt für Schritt, Leistung durch Eli- lich durch direkte Basis einer akzep- schaffen die best- vor und entwickeln minierung von Ver- Kommunikation tierten, nicht einer möglichen Rahmen- unsere Outputs für schwendung und zwischen den Betei- zugewiesenen Ver- bedingungen für die interne und externe einen stetigen ligten. antwortung. intrinsische Motiva- Kunden inkremen- Arbeitsfluss. tion aller Mitarbei- tell (inkrementelle tenden. Auslieferung). Quelle: Marco Olavarria / Maren Borggräfe schulthess manager handbuch 2018/2019 25
Strategie und Führung 3. grösstmögliche Transparenz durch direkte, und letztlich Wege zu mehr Agilität zu finden. So dialogische Kommunikation ermöglichen, wird eine einseitige Fokussierung auf die Verän- 4. Formen der Organisation etablieren, die die derungsfähigkeit vermieden und eine ausgewo- Voraussetzungen für selbstorganisiertes Ar- gene Einschätzung der eigenen Situation entlang beiten schaffen, aller überlebenswichtigen Faktoren sicherge- 5. die Entwicklung jeder und jedes Einzelnen stellt: fördern, so dass diese bzw. dieser sich opti- mal entfalten kann und intrinsisch motiviert Adaption ist. ■■ Sollten oder müssen wir unsere Anpassungs- fähigkeit an Entwicklungen im Umfeld erhö- Bereits die Vielzahl der agilen Prinzipien kann hen? verwirrend wirken: Welche Prinzipien sind für ■■ Welche Prinzipien, die unsere Anpassungs- unsere Organisation relevant? Welche helfen uns fähigkeit mindern, leiten heute unser Han- auf dem Weg zu einem Management der kontinu- deln? ierlichen Veränderung? ■■ Durch welche Prinzipien sollten wir diese ersetzen, um unsere Anpassungsfähigkeit zu Wer einen Weg hin zu mehr Agilität finden steigern? möchte, sollte daher zunächst seine Ziele und seinen Veränderungsbedarf klären. Hierbei Goal Attainment hilft ein Schema, das der amerikanische Sozio- ■■ Welche Prinzipien, die heute unser Handeln loge Talcott Parsons bereits in den 1950er-Jah- leiten, hindern uns an der bestmöglichen ren formulierte. Es benennt die Funktionen, die Zielerreichung? ein soziales System wie ein Unternehmen erfül- ■■ Durch welche Prinzipien sollten wir diese len muss, um seine Existenz dauerhaft zu erhal- ersetzen, um unseren Zielerreichungsgrad zu ten. Überraschenderweise hat Parsons schon steigern? damals einige wesentliche agile Prinzipien auf- gerufen und sein Modell passend zur aktuellen Integration Agilitäts-Diskussion nach den Anfangsbuchsta- ■■ Welche Prinzipien, die heute unser Handeln ben der existenzsichernden Funktionen «AGIL- leiten, hindern uns an einem angemessenen Schema» genannt: Zusammenhalt? ■■ Adaption = Anpassungsfähigkeit, ■■ Welche alternativen Prinzipien würden unse- ■■ Goal Attainment = Zielerreichung, ren Zusammenhalt besser fördern? ■■ Integration = Zusammenhalt schaffen und ■■ Latency = ständige Aufrechterhaltung und Erneu- Latency erung von Grundstrukturen und Wertmustern. ■■ Welches Mass an Erneuerung unserer grund- legenden Strukturen und Wertmuster wäre Wie das AGIL-Schema aufzeigt, reichen Beweglich- erforderlich, um ein aus unserer Sicht ange- keit, Regsamkeit und Wendigkeit für das Überle- messenes Niveau der Agilität zu erreichen? ben eines Unternehmens in intensivem Wettbe- ■■ Welches Mass an Erneuerung unserer grund- werb allein nicht aus. Beweglichkeit, ohne Ziele legenden Strukturen und Wertmuster ist zu erreichen? Sinnlos. Regsamkeit ohne ausrei- angemessen? chenden Zusammenhalt? Energieverschwendung. ■■ Inwiefern können wir neue Prinzipien imple- Wendigkeit ohne Wertmuster? Im besten Falle ver- mentieren, ohne unsere grundlegenden wirrend. Wertmuster zu stark aufzubrechen? Wir nutzen daher nachfolgend das AGIL-Schema, Indem Manager diese Fragen für ihr Unter- um die Relevanz agiler Prinzipien zu bestimmen nehmen oder ihren Bereich beantworten, ent- 26 schulthess manager handbuch 2018/2019
Strategie und Führung wickeln sie Thesen, welche agilen Prinzipien Teammitglieder in ständigem, unmittelbarem in ihrem Fall relevant sind. Dies ist eine wich- Kontakt, um gemeinsam das Ziel zu erreichen. tige Basis, um sich auf den Weg zu machen und Die Methode basiert auf der Arbeit in drei Rol- ausgewählte agile Prinzipien stärker im Un- len, die klar abgegrenzte Verantwortlichkeiten ternehmen zu verankern sowie ein beständi- übernehmen. ges Change Management zu implementieren. 1. Der Product Owner verantwortet die Produkt- Gleichzeitig gilt es zu prüfen, ob eine ausrei- konzeption; chende Basis für die Entwicklung hin zu einem 2. das interdisziplinär besetzte Scrum Team beständigen Change Management gegeben ist. agiert selbstorganisiert und verantwortet die Sofern ihre Organisation aktuell keine oder nur Implementierung; eine sehr geringe Veränderungsbereitschaft 3. der Scrum Master zeichnet verantwortlich für und -fähigkeit aufweist bzw. ihre Führung einen die Einhaltung der Scrum-Regeln und das geringen Reifegrad im Hinblick auf vertrauens- Ausräumen von Hindernissen, die das Scrum basierte Führungsansätze aufweist, könnte der Team am Erreichen des bestmöglichen Ergeb- Schritt hin zu agilen Ansätzen eines beständi- nisses hindern. gen Change Management zu gross sein. In die- sem Fall empfiehlt es sich, zunächst nur wenigeBereits diese Rollenaufteilung ist förderlich für Elemente agilen Arbeitens einzuführen und ein beständiges Change Management: Gemein- die für die erfolgreiche Integration erforderli- sam mit dem Kunden entwickeln Product Ow- che kulturelle Transformation eng zu begleiten ner und Scrum Team zu Beginn des Projekts eine (siehe oben). Auch kann die Veränderung des Product Vision, die sicherstellt, dass sich alle Organisationsdesigns erforderlich sein (siehe auf dasselbe Ziel ausrichten, gleichzeitig jedoch hierzu M. Olavarria, Orgazign – Organisatio- genug Spielraum für etwa nötige Anpassungen nen lebenswert gestalten, Düsseldorf: Handels- lässt. Das Scrum Team pflegt einen beständigen blatt Fachmedien, 2018). Weiterhin stellt sich Austausch mit dem Scrum Master über erforder- auf dem Weg zu beständigem Change Manage- liche und sinnvolle Veränderungen des Vorge- ment die folgende Frage: Mit Hilfe welcher agi-hens bei der Umsetzung und ist entsprechend len Praktiken und/oder Methoden können agile eingespielt. Zudem sind die Kompetenzberei- Prinzipien in unserem Unternehmen verankert che «Planung», «Umsetzung» und «Schaffung werden? förderlicher Rahmenbedingungen» verschiede- nen Beteiligten zugeordnet, sodass sich Verän- Agile Praktiken und Methoden derungen in einem geringeren Ausmass auf das Leichter verständlich werden die agilen Prin- wahrgenommene Kompetenzniveau einzelner zipien, wenn wir uns exemplarisch eine der Beteiligter auswirken als bei anderen Organisa- agilen Methoden anschauen und in deren Re- tionsformen. gelwerk die agilen Prinzipien identifizieren. Deshalb geben wir im Folgenden eine kurze Weiterhin wird eine Vielzahl agiler Praktiken Einführung in Scrum, eine der bereits am wei- eingesetzt, die jeweils spezifische agile Prinzi- testen verbreiteten agilen Methoden. Scrum pien und ein beständiges Change Management wird zum Beispiel für die agile Software- oder fördern. Um zu zeigen, wie die in der Abbildung Produktentwicklung, aber auch in Manage- «Agile Prinzipien» genannten agilen Prinzipien ment- und anderen Teams angewendet. Die in den verschiedenen Praktiken wirksam wer- Idee des Scrum (von engl. s crum, «das Ge- den und wie dies wiederum das beständige dränge») kommt ursprünglich aus dem Rugby: Change Management fördert, haben wir die- Wie sich beim Rugby die acht Stürmer eng um sen Zusammenhang exemplarisch für Scrum in den Ball drängen, um ihn nach vorne zu trei- der nachfolgenden Tabelle übersichtlich darge- ben, so stehen bei dieser agilen Methode die stellt. schulthess manager handbuch 2018/2019 27
Strategie und Führung Tabelle: Wie Scrum agile Prinzipien und beständiges Change Management fördert Vorgehen bei Scrum Zusammenhang agile Förderung des beständigen Praktiken – agile Prinzipien Change Management Bei Scrum wird ein Projekt Sprints fördern die Prinzipien Veränderungen sind integraler nicht von Anfang bis Ende Adaption/Iteration. Bestandteil des Vorgehens und durchgeplant, sondern iterativ können kurzfristig geordnet in kurzen Schleifen, zumeist aufgenommen werden. 14-tägigen sogenannten Sprints entwickelt. Der Product Owner bereitet Die Rolle des Product Owner Das Scrum Team kann sich auf die einzelnen Sprints vor, und seine Priorisierungsleis- seine Entwicklungs- bzw. indem er die zu bearbeitenden tung setzen das agile Prinzip Umsetzungsaufgaben konzen Anwendungsfälle priorisiert der nutzenorientierten Fokus- trieren, Veränderungen schla- und das Product Backlog1 sierung (Workflow) um. gen weniger stark auf die erstellt. wahrgenommene eigene Kom- petenz durch. Im Sprint Planning wird der Das Sprint Planning setzt das Mehraufwände aus übergeord- Umfang eines Sprints gemein- Prinzip des stetigen Workflows, neten Veränderungen können sam vom Produkt Owner und das Prinzip der dialogischen beim Sprint Planning berück- dem funktionsübergreifend Kommunikation und das Prin- sichtigt, die Arbeitslast ent- besetzten Scrum Team festge- zip der akzeptierten Verant- sprechend zeitnah angepasst legt. wortung (Organisation) um; werden; so kann kurzfristig das funktionsübergreifende Raum für erforderliche Team ermöglicht die Umset- Change-Arbeit geschaffen zung des Prinzips der Selbst werden. organisation, da hierin alle Kompetenzen für eigene Ent- scheidungen vertreten sind. Die Ergebnisse des Sprint Das Scrum Team plant die Selbstorganisation und funkti- Review werden vom Scrum Umsetzung eigenständig; dies onsübergreifende Zusammen- Team in konkrete Aufgaben setzt das Prinzip der Selbstor- setzung des Teams fördern die überführt und im Sprint Back- ganisation um und fördert die Veränderungskompetenz, Auf- log2 festgehalten. akzeptierte Verantwortung; die gaben aus Veränderungsvorha- auf einem Task Board mit ein- ben fliessen «organisch» in zelnen Tickets dargestellten den Arbeitsalltag ein. Aufgaben sorgen für die Umsetzung des Prinzips Trans- parenz (Kommunikation). Die Mitglieder des Scrum Team Die Aufgaben werden im Pull- Selbstorganisation fördert die ziehen sich das jeweils Verfahren von den Mitarbei- Veränderungskompetenz und nächste von ihnen bearbeitete tenden eigenständig gewählt, stärkt die Selbstwirksamkeits- Ticket (= Aufgabe) vom Task dies fördert wiederum das überzeugung, die ein wichtiger Board. Prinzip der akzeptierten Ver- Faktor von Resilienz ist. antwortung sowie der bevoll- mächtigten Teams. 28 schulthess manager handbuch 2018/2019
Strategie und Führung Tabelle: Wie Scrum agile Prinzipien und beständiges Change Management fördert Vorgehen bei Scrum Zusammenhang agile Förderung des beständigen Praktiken – agile Prinzipien Change Management Daily Stand-up: Die Mitglieder Die Dailiy Stand-up setzen die Das Team lebt ständige Verän- des Scrum Team tauschen sich Prinzipien der direkten Kom- derung und wird hierbei durch täglich in einem 15-minütigen munikation und der Transpa- eine dezidierte Rolle, den Meeting aus. Jedes Team-Mit- renz um, der Austausch der Scrum Master, fortlaufend glied beantwortet die drei Fra- Hindernisse ermöglicht die unterstützt. Durch die transpa- gen: «Was habe ich seit dem Umsetzung des Prinzips der rente tägliche Kommunikation letzten Daily Stand-up getan?», aktiven und schnellstmögli- wird Vertrauen aufgebaut. «Was plane ich bis zum nächs- chen Überwindung von Hinder- Spannungen können schnell ten Dailiy Stand-up zu tun?», nissen (Kommunikation) durch aufgedeckt und bearbeitet und «Welche Hindernisse hin- den Scrum Master. werden. dern mich in meiner Tätig- keit?» Die so entstandenen Produkt Die Sprint Reviews setzen das Feedback zur erbrachten Leis- inkremente werden im Rah- agile Prinzip der inkrementel- tung ist selbstverständliches men von sog. Sprint Reviews3 len Auslieferung (Adaption) Element der Arbeit, Verände- gesichtet; hieran beteiligt sind und das Prinzip des beständi- rungsbedarf wird frühzeitig der Product Owner und ggf. gen Lernens und Optimierens erkannt und fliesst in die wei- weitere Stakeholder. Es wird (Entwicklung) um. tere Planung ein. Die Teammit- das «Was» bewertet. glieder unterstützen sich gegenseitig. Zudem führt das Scrum Team Die Retrospektiven setzen das Neben der Ergebnisqualität regelmässig Retrospektiven Prinzip des beständigen Ler- wird auch die Prozessqualität durch, in denen das «Wie» nens und Optimierens (Ent- regelmässig gemeinsam auf bewertet wird und Verbesse- wicklung) um und sorgen für den Prüfstand gestellt, Verän- rungsansätze erarbeitet wer- eine geklärte Beziehungs- derungsbedarf wird frühzeitig den («Wie verlief unsere ebene, die Grundlage für dia- erkannt und fliesst in die wei- Zusammenarbeit?»). logische Kommunikation ist. tere Planung ein. Die Koopera- tionsfähigkeit wird weiter ver- bessert. 1 Im Product Backlog werden in Scrum die aus Sicht des Product Owner wichtigsten Features, also Produkteigenschaften oder Anwendungsfälle, aufgeführt. 2 Im Sprint Backlog werden alle im jeweiligen Sprint zu bearbeitenden Features aufgeführt, das Task Board zeigt alle hierzu zu bearbeitenden Aufgaben an. 3 Im Sprint Review Meeting am Ende eines jeden Sprints nehmen der Product Owner, das Scrum Team und optional weitere Stakeholder sowie der Scrum Master teil. Das Team präsentiert die umgesetzten Features. Der Product Owner nimmt diese dann als erledigt ab oder weist ggf. Arbeit zurück. Alle Beteiligten können Feedback geben, das in das nächste Sprint Planning einfliesst. Quelle: Marco Olavarria / Maren Borggräfe schulthess manager handbuch 2018/2019 29
Strategie und Führung Mit Scrum können die Projektbeteiligten die möglichst alle erforderlichen Kompetenzen entwickelten Produktinkremente und das wäh- verfügt, sowie die regelmässige Einbindung rend der Entwicklung Gelernte kontinuierlich der Stakeholder; bei ihren nächsten Schritten berücksichtigen ■■ Latency, zum Beispiel durch klare Strukturen und so die weitere Entwicklung systematisch der Planung, der Meetings und eine klare Rol- am gestifteten Nutzen ausrichten; weiterhin lenverteilung zwischen den Beteiligten sowie können sie schnell auf Probleme reagieren und eindeutige, im Team beschlossene Entschei- ggf. den Kunden im Rahmen der Sprint Reviews dungsbefugnisse. direkt in den Entwicklungsprozess einbinden (Co-Creation). So erfolgt das Change Manage- Das agile Mindset fördern in einer lernenden ment direkt und fortlaufend im Prozess einge- Organisation bunden und erfüllt die Anforderungen des AGIL- Die Einführung agiler Prinzipien, Praktiken und Schemas deutlich besser (siehe auch Abbildung Methoden fördert ein agiles Mindset, stellt die- «Agile Landscape»): ses jedoch nicht sicher. Ebenso wie das Change ■■ Adaption, zum Beispiel durch sehr kurze Ent- Mindset für Transformationen ist ein agiles wicklungszyklen, den täglichen Austausch im Mindset einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren Team und die Rolle des Scrum Master, des- für die Einführung agiler Methoden. Agiles Ar- sen Aufgabe es ist, Hindernisse aus dem Weg beiten fordert ungewohnte Verhaltensweisen zu räumen; sowohl von den Mitarbeitenden, von denen eine ■■ Goal Attainment, unter anderem durch eine hohe Eigenverantwortung, offene Kommunika- nutzenorientierte Priorisierung, die bestän- tion über Fehler und Verbesserungsideen sowie dige Prüfung des bereits erreichten Entwick- schneller und steter Kompetenzerwerb erwartet lungsstands und die kontinuierliche Leis- wird, als auch von den Führungskräften, die Ver- tungssteigerung des Teams; antwortung abgeben, kurzfristiger planen und ■■ Integration, insbesondere durch die Arbeit Entscheidungen gemeinsam mit ihren Mitarbei- in einem interdisziplinären Team, das über tenden treffen sollen. Selbst in jungen, experi- Agile Landscape Sprints Beständiger Co-Creation Nutzenorientierte dialogischer Priorisierung Austausch Fortlaufende Reviews Regelmässige Akzeptierte Retrospektiven Verantwortung Aktives Hindernis- Kontinuierliche management Adaption Goal Attainment Verbesserung Product Vision Integration Latency Latency Meeting Framework Sprint Planning Rollenverteilung Sprint Backlogs Selbstorganisation Funktionsüber- greifende Teams Stakeholder- Regelwerk Planungs- und Integration Reviewstruktur Quelle: Marco Olavarria / Maren Borggräfe 30 schulthess manager handbuch 2018/2019
Strategie und Führung mentierfreudigen Start-ups und IT-Firmen ist Unsere Gesellschaft fördert bislang eher ein die Herausbildung einer geeigneten Kultur oft Fixed Mindset; entsprechend finden sich in Or- eine Herausforderung, das zeigen aktuelle Stu- ganisationen mehr oder weniger viele Menschen dien wie die State of Agile Survey von Versio- mit einem Fixed Mindset. Wie kann unter diesen none aus dem Jahr 2016: 63% der befragten Soft- Voraussetzungen eine agile Transformation her- wareentwickler aus verschiedenen Ländern und beigeführt werden? Der Weg geht über konse- Branchen hielten es für die grösste Schwierig- quente Wertschätzung der Person – unabhängig keit, wenn Unternehmenskultur und agile Werte davon, wie sie ist und sich selbst sieht, und über sich widersprechen (Harvard Business Manager das Fördern und Fordern von persönlicher Ent- 07, 2018, S. 31). Denn Menschen sind, wie sie sind. wicklung. Und sie kommen nicht blanko zur Arbeit, son- dern tragen bereits ein Paket voller Erfahrungen, Das bedeutet, dass Change Manager näher an die Prägungen und eingeübter Verhaltensmuster mit Menschen heranrücken und sie im Alltag beglei- sich herum. Ebenso wie Organisationen ihr Cul- ten müssen. Der Change Manager wird zum Agile tural Imprint besitzen und mehr oder weniger Coach. Dieser begleitet die Mitarbeitenden und starke Muster etabliert haben. Führungskräfte bei ihrer persönlichen Growth Ex- perience auf ihrer Learning Journey und schafft Deshalb sollte in Organisationen, die agile Me- im ständigen Wandel die nötigen Räume für Re- thoden einsetzen möchten, nicht nur vorher ein- flexion und Kreativität. gehend geprüft werden, inwiefern die kulturel- len Parameter hierfür geeignet sind, sondern die Die Aufgabe der Führungskräfte in agilen Orga- Einführung eng begleitet werden. nisationen ist es, dafür zu sorgen, dass sich für Individuen und Teams gemeinsame Lernräume Doch was genau macht ein agiles Mindset aus? eröffnen, die Handlungsspielräume bieten und Agiles Verhalten erfordert ein Selbstbild, das in denen sie sich gleichzeitig sicher genug füh- die Möglichkeit der Veränderlichkeit der eige- len, um sich zu öffnen und zu experimentieren. nen Person mitdenkt. Menschen mit einem sog. Dazu gehört neben einer ausgeprägten Fehler- Growth Mindset verfügen über eine wachstums- kultur und dem bewussten Loslassen von Kont- orientierte Denk- und Handlungslogik im Gegen- rollbedürfnissen das Zur-Verfügung-Stellen sinn- satz zu Personen mit einem Fixed Mindset, die stiftender Herausforderungen auf Organisations-, von sich selbst als fertige, unveränderliche Per- Team- und personaler Ebene. Entwicklungsför- sönlichkeit ausgehen. Glauben Menschen daran, derliches Feedback und Feedforward in kurzen dass sie ihr Leben, ihre persönliche Entwicklung, Zyklen, nicht nur von der Führungskraft, sondern ihren Kompetenzerwerb, die Steuerung und Ver- auch innerhalb der Peer Group werden eine im- feinerung ihres Intellekts, die Hoheit über ihre mer wichtigere Rolle spielen. Hinzu sollten Mi- eigenen Werte und Überzeugungen usw. selbst krolernimpulse kommen, die flexibel auf die je- in der Hand halten, gehen sie anders, resilienter weilige Lernsituation zugeschnitten sind, von mit Veränderungen um und sind insgesamt be- den Lernenden individuell zeit- und ortsunab- weglicher. Typische Eigenschaften und Haltungs- hängig genutzt werden können und diese beim merkmale des agilen Mindset sind z.B.: Erlernen neuer Inhalte und Verhaltensweisen in- ■■ Eine positive Einstellung spirieren und unterstützen. ■■ Offenheit ■■ Neugier und Wissensdurst Entscheidend für den Erfolg jeder Learning Jour- ■■ Lösungsorientierung ney – egal ob auf organisationaler oder perso- ■■ Orientierung am Teamerfolg naler Ebene – wird sein, wie die verschiedenen ■■ Pragmatismus Lernebenen miteinander verzahnt sind, sodass ■■ Fehlertoleranz Erfahrungslernen, soziales Lernen und Mikroler- schulthess manager handbuch 2018/2019 31
Strategie und Führung nen gut ineinandergreifen. Sind Organisationen fluide und die in ihnen arbeitenden Individuen am Wachsen, also im Fluss im Sinne des panta rhei, dann sind sie bereit für die Herausforde- rungen einer unvorhersehbaren Zukunft, die uns mehr und mehr dazu zwingt, in der Gegenwart zu bleiben, schnell gemeinsame Entscheidungen zu treffen und in akzelerierenden Iterationen zu lernen. Kernaussagen ■■ Change Management ist für grosse Transfor- mationsprozesse geeignet, die kulturellen Wandel erfordern. ■■ Die Herausforderungen einer digitalisier- ten und globalisierten Welt erfordern per- manente Adaption; daher muss sich auch das Change Management entwickeln – hin zu einem beständigen Change Management zur Förderung und Befähigung kontinuierlicher Veränderung in kleinen Schritten. ■■ Agile Ansätze bieten eine Fülle von Möglich- keiten zur Entwicklung eines fest in der Orga- nisation verankerten, beständigen Change Management. ■■ Erfolgsfaktor ist ein agiles Mindset und somit kontinuierliches Lernen auf verschiedenen Lernebenen. 32 schulthess manager handbuch 2018/2019
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