Marktdominanz von Google, Amazon und Co.: Diktieren die Internetfirmen die Regeln?
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Marktdominanz von Google, Amazon und Co.: Diktieren die Internetfirmen die Regeln? Zur Diskussion gestellt 3 Verfügen die Internetfirmen über eine marktbeherrschende Stellung und über einen vom Wettbe- werb nicht mehr zu kontrollierenden Spielraum? Sollte das Kartellamt eingreifen, oder ist die Angst vor den Internetgiganten übertrieben? Stellen Google, Amazon jedoch »eine kartellrechtsähnliche Regu- Facebook & Co. wirklich die lierung von Internetplattformen ins Auge« (Gabriel 2014). marktwirtschaftliche Ordnung zur Disposition? Politökonomisch betrachtet ist durchaus nachvollziehbar, dass deutsche Politiker Ja, lautet die Antwort des Bundeswirt- ernsthaft eine Regulierung von Google schaftsministers, Sigmar Gabriel, nach zugunsten deutscher Medienhäuser er- dessen Worten Google, Amazon und Co. wägen, zumal wenn es um so einfluss- bzw. der »Informationskapitalismus« un- reiche und meinungsbildende Medien- sere marktwirtschaftliche Ordnung zur häuser wie den Axel-Springer-Konzern Disposition stellen (vgl. Gabriel 2014). samt BILD-Zeitung und die Frankfurter Deswegen bräuchten wir – so der Wirt- Allgemeine Zeitung geht. In der vergan- Justus Haucap* schaftsminister – eine »neue Wirtschafts- genen Legislaturperiode war bereits die politik«, um zu verhindern, dass »in neu- ordnungspolitisch völlig fehlgeleitete feudaler Selbstherrlichkeit auftretende Einführung eines sogenannten Leis- Monopolisten sich rechtsstaatlichen Re- tungsschutzrechtes für Presseverlage geln entziehen« und »Gratisangebote ein solcher Versuch. Nach der ursprüng- ganze auf bezahlten Gütern fußende Märkte zerstören« (Gabriel 2014). Und lichen Konzeption des Leistungsschutz- auch Mathias Döpfner, Vorstandsvorsit- rechtes wollten zahlreiche deutsche zender von Axel Springer SE, hat »Angst Presseverlage von Google (und vielen vor Google« (Döpfner 2014). Die Sorge anderen Internetplattformen und an- »vor der wachsenden Fremdbestimmung fangs gar von sämtlichen gewerblichen durch diese eine allesbestimmende Spin- Computernutzern) eine Einspeisevergü- ne im Netz« und die »immer vollständige- tung für sämtliche von den Verlagen ins re Kontrolle durch Google« verlange nach Internet hochgeladenen Artikel haben – einer strikteren Regulierung von Google. angeblich, um so den Qualitätsjourna- Christiane Kehder** Ein Problem sei auch »die Fiktion von der lismus in Deutschland zu sichern (vgl. Gratis-Kultur« im Internet. Döpfner (2014) dazu kritisch Dewenter und Haucap hat Google dazu aufgefordert, »Transpa- 2013). In der letztendlich dann doch renz zu schaffen, nicht nur, indem es stark verwässerten Form wird das 2013 Suchergebnisse nach klaren quantitativen eingeführte Leistungsschutzrecht den Kriterien listet, sondern auch, indem es Verlagen jedoch kein automatisches Ein- alle Algorithmus-Änderungen offen legt.« sammeln von Einspeisevergütungen er- Döpfner (2014) legte Google schließlich möglichen (vgl. z.B. Dworschak und nahe, nicht »zu warten, bis der erste Kersting 2013). ernstzunehmende Politiker die Zerschla- gung Googles fordert.« Vielleicht ermuntert vom Erfolg der Pres- severlage und Shopping-Portal-Betreiber Eine Entflechtung von Google wie bei (vgl. Maier 2014) beklagen sich nunmehr Strom- und Gasnetzen wurde in der Tat auch Buchhändler und Buchverlage über kurz später von Wirtschaftsminister den Strukturwandel in ihrer Branche, der Gabriel ins Spiel gebracht, zumindest sol- vor allem durch Amazon vorangetrieben le diese als Ultima Ratio ernsthaft erwo- und symbolisiert wird. Die ZEIT hat die gen werden. Zuerst fasse der Minister Situation jüngst so zusammengefasst (wenn auch komplett befreit von empiri- * Prof. Dr. Justus Haucap ist Direktor des Düssel- dorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) scher Analyse): »Der Internetversand- an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. händler diktiert der Welt die Regeln, nach ** Dr. Christiane Kehder ist wissenschaftliche Mitar- beiterin an der Helmut-Schmidt-Universität/Uni- denen Bücher gelesen, geschrieben und versität der Bundeswehr Hamburg. publiziert werden« (Radisch 2014). ifo Schnelldienst 16/2014 – 67. Jahrgang – 28. August 2014
4 Zur Diskussion gestellt Das ist zwar wirklich Quatsch, aber unterstützt wird das schreiten, ist theoretisch nicht zu klären und empirisch um- Gejammer über den durch das Internet ausgelösten Struk- stritten. Manne und Wright (2012) z.B. argumentieren, dass turwandel in Medien und Handel durch allerlei intellektuelles Konkurrenten wie Bing, Yahoo! oder auch Facebook heute Geschwurbel über das Ende von Freiheit und Selbstbestim- schon über ähnliche Datenbestände verfügen, um prinzipiell mung und die Zukunft der digitalen Welt voller von amerika- sowohl ähnlich gute Suchergebnisse zu produzieren, als nischen Konzernen fremdbestimmter Menschen. Das Ver- auch Werbeanzeigen ähnlich treffsicher zu platzieren wie hältnis von medialer Hysterie und Erregung zu sachlicher Google. Gleichwohl kann aus unserer Sicht davon ausge- Analyse tendiert in der deutschen Öffentlichkeit in diesen gangen werden, dass sowohl der hohe Anteil an generi- Fragen aktuell gegen unendlich. schen Suchanfragen als auch der hohe Anteil im Markt für Online-Werbung bei Google eine gewisse Marktmacht re- Wie berechtigt aber ist die Angst vor den neuen Internetgi- flektieren, die ihren Kern in der von Google analysierten Da- ganten wirklich? Benötigen wir tatsächlich eine neue Wirt- tenmenge und der Kombination verschiedener Daten hat. schaftspolitik? Wenden wir uns dazu zunächst Google zu, Somit stellt sich durchaus die Frage nach regulatorischem bevor wir kurz auf die Marktstellung von Amazon eingehen. oder wettbewerbspolitischem Handlungsbedarf. Richtig ist zweifelsohne, dass einige – aber nicht alle – Platt- Bei den kartellrechtlichen Verfahren gegen Google in Europa formmärkte im Internet starke Konzentrationstendenzen und den USA lag bisher das Augenmerk vor allem auf der aufweisen (vgl. Evans und Schmalensee 2007; Haucap und Frage, ob Google die sog. Suchneutralität verletzt und Tref- Wenzel 2009; 2011). Konzentrationsfördernd sind insbe- ferlisten bewusst zum eigenen Vorteil gegen das eigentliche sondere hohe Wechselkosten, starke indirekte Netzeffekte Interesse der suchenden Nutzer verzerrt (sog. »Search Bias«). und Kosten bei der Nutzung verschiedener Plattformen Daneben ging und geht es in den diversen Wettbewerbsver- (Multihoming).1 Sind hingegen die Wechselkosten niedrig, fahren gegen Google um (künstliche) Wechselkosten bei On- die indirekten Netzeffekte schwach und die parallele Nut- line-Werbekampagnen, die unentgeltliche Nutzung einiger zung verschiedener Plattformen, also das Multihoming, ein- Inhalte von spezialisierten Suchmaschinen und Vergleichs fach, dann spricht prima facie wenig für eine starke Markt- portalen durch Google und mögliche Verdrängungsstrategi- konzentration. Obwohl letzteres bei Google der Fall ist, hat en und Dumpingpreise bei der Verbreitung des Smartphone- Google aktuell in Europa aber doch einen Anteil von über Betriebssystems Android. Diese Verfahren spielen jedoch in 90% bei generischen Suchanfragen.2 der öffentlichen Diskussion kaum eine Rolle.3 Googles Marktmacht resultiert dabei weniger aus Wechsel- Während die amerikanische Federal Trade Commission kosten und Netzeffekten als vielmehr zum einen aus der (2013) Google einstimmig vom Vorwurf des Search Bias überlegenen Qualität der Dienste von Google (vgl. Manne freigesprochen hat, ist die Verletzung der Suchneutralität und Wright 2011; Argenton und Prüfer 2012), zum anderen Kern des Wettbewerbsverfahrens in der EU. Allerdings ist aus sehr spezifischen Größen- und Verbundvorteilen. So schwierig festzustellen, ob Google wirklich eine künstliche werden Googles Suchalgorithmus und damit Trefferlisten Verzerrung der Trefferlisten vornimmt. Zum einen ist der ge- zum einen immer besser (d.h. den Nutzerwünschen ent- naue Suchalgorithmus naturgemäß das Geschäftsgeheim- sprechend), gerade weil Google die meisten Suchanfragen nis von Google. Zum anderen sind Suchergebnisse perso- hat und so die größten Lerneffekte erzielen kann. Zum an- nalisiert und z.B. von der eigenen Suchhistorie oder dem deren kann Google durch die Vielzahl seiner Dienste exak- Standort abhängig, so dass nicht alle Nutzer dieselben Tref- tere Nutzerprofile anlegen und so mehr und mehr für den ferlisten auf dieselbe Suchanfrage bekommen (vgl. im Detail Nutzer »maßgeschneiderte« Suchergebnisse liefern. Zukünf- Edelman 2011; Edelman und Lockwood 2011). Es ist jedoch tige Entwicklungen wie Google Glass (die Googlebrille) und auch klar, dass Anreize zu einer gewissen Verzerrung der Google Car (das Google-Auto) würden als weitere nutzer- Trefferlisten zugunsten konzerninterner Inhalte (wie Youtube, Google Maps etc.) für Google durchaus bestehen, auch spezifische Datensammelmaschinen (aus Googles Sicht) wenn Manne und Wright (2011) – allerdings wenig überzeu- diesen spezifischen Verbundvorteil noch ausbauen. Ab gend – argumentieren, dass die Nutzer bei suboptimalen wann nun die Grenzkosten der weiteren Datensammlung Trefferlisten sehr schnell die Suchmaschine wechseln wür- und -analyse ihren Grenznutzen aus Googles Sicht über- den. Dies setzt jedoch voraus, dass die Nutzer Verzerrungen 1 Zu den Konzentrationstendenzen bei Google, Facebook und Amazon auch bemerken. vgl. im Detail Haucap und Heimeshoff (2014), für eBay Haucap und Wen- zel (2009). 2 Eine interessante und keineswegs triviale Frage ist nun die, ob diese 90% Aktuell kreist die öffentliche Debatte allerdings auch kaum da- auch mit dem Marktanteil auf dem kartellrechtlich relevanten Markt rum, ob Google die Trefferlisten überhaupt »manipuliert« oder gleichzusetzen sind, da Nutzer im Internet auch bei Amazon, Wikipedia, Twitter, Expedia, RePEc, HRS etc. nach Informationen suchen, es also nicht (da dies auch nur sehr schwer feststellbar ist), sondern durchaus Substitute für Google gibt bzw. der Markt für Suchanfragen durchaus breiter definiert werden kann als nur Google, Bing und Yahoo! 3 Für Details zu diesen Verfahren vgl. Bork und Sidak (2012), Haucap und (vgl. Haucap und Kehder 2013). Kehder (2013) sowie von Engelhardt, Freytag und Köllmann (2013). ifo Schnelldienst 16/2014 – 67. Jahrgang – 28. August 2014
Zur Diskussion gestellt 5 um die Frage, wie einer solchen Gefahr, auch ohne Nachweis mangelnden informationellen Selbstbestimmung zu adres- eines Missbrauchs, am besten begegnet werden kann.4 sieren, sind zwei Dinge denkbar: Zum einen sind die Mög- lichkeiten für Nutzer, ihre Daten löschen zu lassen, zu über- Zahlreiche Wettbewerber Googles wünschen aus offensicht- prüfen, zum anderen ggf. die Transparenz zu erhöhen, damit lichen Gründen eine Entflechtung des Unternehmens. Diese Nutzer wirklich verstehen, in welche Nutzung ihrer Daten sie müsste wohl so aussehen, dass Google selbst keinerlei In- einwilligen. Diese letzten beiden Punkte sind jedoch keine halte mehr selbst produzieren darf. Bei einer hypothetischen wettbewerbsökonomischen Probleme, die durch eine Ent- Suchanfrage »Wetter Berlin« dürfte dann nicht mehr direkt flechtung oder eine behördliche Kontrolle von Suchalgorith- die Wetterprognose für Berlin gezeigt werden, bei »Aktien- men in irgendeiner Form adressiert werden würden. Vor al- kurs BMW« nicht mehr direkt der Aktienkurs und bei Adress lem ist davon auszugehen, dass manche Nutzer durchaus abfragen nicht mehr direkt eine Karte von Google Maps, in die Nutzung ihrer Daten einwilligen, um »maßgeschnei- sondern nur Links zu entsprechenden Websites, auf denen derte« Dienste zu erhalten, während andere Nutzer dies nicht dann gesucht werden kann. Dass die Betreiber diverser Por- tun werden. Angemerkt sei an dieser Stelle zudem, dass tale das gern so hätten, ist klar. Die Nachteile für die Nutzer Facebook viel detailliertere persönliche Daten seiner Nutzer sind jedoch ebenso offensichtlich. einsammelt und zudem durch Wechselkosten und indirekte Netzeffekte besser vor Wettbewerb geschützt ist als Google Ein alternativer Vorschlag besteht darin, dass Google seinen – perspektivisch also die größere Gefahr für einen funktions- Suchalgorithmus bei einer – vermutlich europäischen – Re- fähigen Wettbewerb darstellen könnte. gulierungsbehörde hinterlegt und jede Änderung dort an- meldet. 2012 hat Google allein 665 Änderungen am Suchal- Die der Europäischen Kommission in diesem Jahr – wohl- gorithmus vorgenommen.5 Wenn diese Änderungen zukünf- gemerkt auf Basis des aktuell geltenden Kartellrechts – von tig von einer europäischen Regulierungsbehörde (und ggf. Google angebotenen Zusagen weisen in die richtige Rich- auch einer amerikanischen, chinesischen, indischen, japa- tung. Danach wird Google u. a. konzerninterne Websites nischen, australischen etc.) genehmigt werden müssen, wird farbig anders hinterlegen, so dass Verbraucher sofort erken- die Dynamik der Weiterentwicklung des Suchalgorithmus nen können, dass es sich um Google-Seiten handelt. Sofern völlig erlahmen, Innovation und Fortschritt gebremst. In die- die Nutzer dann den Verdacht hegen, dass hier Suchergeb- sem Kontext sei auch darauf hingewiesen, dass es faktisch nisse zu Googles eigenem Vorteil manipuliert werden, könn- nicht möglich ist, ein objektives Kriterium für Neutralität in ten die Nutzer stattdessen auf andere Suchergebnisse oder Bezug auf Suchergebnisse zu definieren, da die Trefferlisten andere Suchmaschinen zurückgreifen. Auch konkurrieren- eine Einschätzung darüber sind, was der Sucher wohl genau den Shopping-Plattformen wird ein besonderer Platz garan- finden möchte, und somit nach Grimmelmann (2011) »Mei- tiert, wenn auch nicht unentgeltlich. nungen« darstellen, die Listung und ihre Reihenfolge somit von der Meinungsfreiheit gedeckt sind (vgl. auch Ammori Ein paar Worte noch zu Amazon: Dass Amazon derzeit und Pelican 2012, S. 13). Ein staatliches Intervenieren be- »der Welt die Regeln, nach denen Bücher gelesen, ge- rührt also ggf. auch die verfassungsrechtlich geschützte schrieben und publiziert werden,« diktiert, wie Radisch Meinungsfreiheit, welche auch für Unternehmen gilt. (2014) in der ZEIT schreibt, ist kaum haltbar. Amazons Anteil am Online-Buchhandel liegt zwar bei etwa 80% in Dass eine Entflechtung und auch eine sektorspezifische Re- Deutschland, am gesamten Buchmarkt jedoch nur bei et- gulierung keine adäquaten Abhilfen gegen potenzielle Pro- wa 25%. Damit ist Amazon sicher ein bedeutender Spieler bleme darstellen, soll nicht bedeuten, dass Google keinerlei in dem durch die Buchpreisbindung weitgehend vor Preis- Marktmacht hätte und nicht auch Anreize, diese zu nutzen. wettbewerb geschützten deutschen Buchhandel, jedoch Es ist klar, dass das Sammeln und Kombinieren von großen bei weitem kein Monopolist. In der Öffentlichkeit haben Datenbeständen Probleme schaffen kann: zum einen das zuletzt die Verhandlungen zwischen Amazon und einigen der Marktmacht, zum anderen die eher gesellschaftliche Fra- Verlagen für Diskussionen gesorgt. Nüchtern betrachtet ge der (mangelnden) informationellen Selbstbestimmung. sind diese Verhandlungen jedoch kaum anders zu bewer- Um das Problem der Marktmacht zu lösen, haben Wettbe- werber neben einer Entflechtung und behördlichen Regu- ten als etwa Verhandlungen zwischen Lidl und Coca Cola lierung auch vorgeschlagen, dass Googles Datenbestände über die Bezugskonditionen. Autoren und Verlage sind im auch Wettbewerbern zur Verfügung gestellt werden (vgl. z.B. Vergleich zum Lebensmitteleinzelhandel sogar in einer sehr Argenton und Prüfer 2012). Dies würde das Problem der starken Verhandlungsposition. Während die Autoren und womöglich mangelnden informationellen Selbstbestimmung Verlage ein Monopol auf ihr Werk haben und ein bestimm- jedoch sogar noch weiter verschärfen. Um das Problem der tes Buch für viele Leser eben nicht einfach gegen ein an- deres substituiert werden kann, ist Amazon darauf ange- 4 Vgl. dazu auch Bracha und Pasquale (2008), Pollock (2010), Bork und wiesen, möglichst vollständig alle Bücher zu führen, um Sidak (2012), Ammori und Pelican (2012) sowie Haucap und Kehder (2013). 5 http://www.sistrix.de/frag-sistrix/google-algorithmus-aenderungen/ nicht an Reputation zu verlieren. Während die Verlage also wie-haeufig-nimmt-google-algorithmus-aenderungen-vor/. durchaus auf Amazon verzichten könnten, kann Amazon ifo Schnelldienst 16/2014 – 67. Jahrgang – 28. August 2014
6 Zur Diskussion gestellt nur schlecht darauf verzichten, auch alle Bücher liefern zu Edelman, B. und B. Lockwood (2011), »Measuring Bias in ›Organic‹ Search«, online verfügbar unter: http://www.benedelman.org/searchbias/. können, insbesondere nicht bei Bestsellern und großen Verlagen. Kleine Verlage werden durch §20 GWB sogar Evans, D.S. und R. Schmalensee (2007), »The Industrial Organization of Markets with Two-sided Platforms«, Competition Policy International 3(1), noch in ganz besonderer Weise durch das Kartellrecht ge- 151–179. schützt, wenngleich dieser besondere Schutz kleiner und oftmals ineffizienter Strukturen gesamtgesellschaftlich Federal Trade Commission (2013), »Google Agrees to Change Its Business Practices to Resolve FTC Competition Concerns in the Markets for Devices zweifelhafte Wirkungen entfaltet. Der Buchhandel ist zu- Like Smart Phones, Games and Tablets, and in Online Search«, online ver- dem durch die Buchpreisbindung auch noch vor der Preis- fügbar unter: http://ftc.gov/opa/2013/01/google.shtm. konkurrenz durch Amazon geschützt. Gabriel, S. (2014), »Unsere politischen Konsequenzen aus der Google-De- batte«, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Mai, online verfügbar unter: Das Problem für den stationären Buchhandel besteht im www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-digital-debatte/sigmar-gabri- el-konsequenzen-der-google-debatte-12941865.html. Grunde im Strukturwandel, den die Digitalisierung auslöst und der durch Amazon lediglich symbolisiert wird. Viele Kun- Grimmelmann, J. (2011), »Some Skepticism about Search Neutrality«, in: B. Szoka und A. Marcus (Hrsg.), The Next Digital Decade: Essays on the den schätzen bei Amazon offensichtlich die bequemen Ein- Future of the Internet, TechFreedom, Washington DC., 435–459. kaufsmöglichkeiten, verbunden mit den maßgeschneiderten Haucap, J. und U. Heimeshoff (2014), »Google, Facebook, Amazon, eBay: Informationen und Empfehlungen, die Amazon seinen Nut- Is the Internet Driving Competition or Market Monopolization?«, Internatio- zern liefern kann (da Amazon die Historie der persönlichen nal Economics and Economic Policy 11, 49–61. Einkäufe und die »ähnlicher« Nutzer besser kennt als die Haucap, J. und C. Kehder (2013), »Suchmaschinen zwischen Wettbewerb typische stationäre Buchhandlung). Bei vielen Feuilletonisten und Monopol: Der Fall Google«, in: R. Dewenter, J. Haucap und C. Kehder scheint hier jedoch die romantische Verklärung darüber, was (Hrsg.), Wettbewerb und Regulierung in Medien, Politik und Märkten: Festschrift für Jörn Kruse zum 65. Geburtstag, Nomos-Verlag, Baden-Ba- der kleine Buchhändler um die Ecke angeblich leistet, den den, 115–154. Blick auf die Realität zu vernebeln. Amazon setzt sich vor allem deshalb durch, weil die digitale Welt vielen Kunden Haucap, J. und T. Wenzel (2009), »Ist eBay unbestreitbar ein nicht-bestreit- bares Monopol? Monopolisierungsgefahren bei Online-Marktplätzen«, in: R. bequemes Einkaufen und Online-Buchhändler faktisch auch Dewenter und J. Kruse (Hrsg.), Wettbewerbsprobleme im Internet, Nomos eine bessere Beratung sowie ein größeres Sortiment ermög- Verlag, Baden-Baden, 7–34. lichen, als es der stationäre Buchhandel kann. Ein geson- Haucap, J. und T. Wenzel (2011), »Wettbewerb im Internet: Was ist online derter Regulierungsbedarf, etwa um den Strukturwandel im anders als offline?«, Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 60, 200–211. Buchhandel zu bremsen, ist hier nicht erkennbar – es sei Manne, G.A. und J.D. Wright (2011), »Google and the Limits of Antitrust: denn, man möchte gern Leute vom Lesen abhalten. The Case against the Antitrust Case against Google«, Harvard Journal of Law and Public Policy 34(1), 171–244. Maier, R.M. (2014), »Von der Suchmaschine zur Weltmacht: Angst vor Literatur Google«, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. April 2014, online verfügbar unter: www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/weltmacht-google-ist-gefah r-fuer-die-gesellschaft-12877120.html. Ammori, M. und L. Pelican (2012), »Competitors’ Proposed Remedies for Search Bias: Search ›Neutrality‹ and Other Proposals«, Journal of Internet Manne, G.A. und J.D. Wright (2012), »If Search Neutrality is the Answer, Law 15(11), 8–31. What’s the Question?«, Columbia Business Law Review 2, 151–239. Argenton, C. und J. Prüfer (2012), »Search Engine Competition with Net- Pollock, R (2010), »Is Google the Next Microsoft? 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Zur Diskussion gestellt 7 Nutzeranteils Googles im Bereich der Internetsuche und spiegelt eine Vielzahl weiterer, ungleich beurteilungsrele- vanterer Umstände gerade nicht hinreichend wider. Unentgeltliche und doch beherrschbare Märkte? Bedenken gegen eine marktbeherrschende Stellung Googles bestehen im Ausgangspunkt bereits deshalb, weil Google seine Leistungen an Internetnutzer und Websitebetreiber un- entgeltlich erbringt. Einnahmen erzielt Google alleine gegen- über Dritten durch die Schaltung kostenpflichtiger Werbean- Christian Kersting* Sebastian Dworschak** zeigen. In Fällen fehlender entgeltlicher Austauschbeziehun- gen lehnte die Verwaltungspraxis bislang jedoch bereits die Existenz kartellrechtlich relevanter Märkte ab. So haben im Google als Marktbeherrscher? – zur Medienbereich sowohl das Bundeskartellamt als auch die (geringen) Aussagekraft hoher Europäische Kommission die Existenz eines Marktes für un- Nutzerzahlen im Internet1 entgeltlich abgegebene Hörfunk- und Fernsehprogramme sowie Zeitschriften verneint.2 Hohe Nutzeranteile auf diesen Märkten könnten lediglich ein Indiz für eine starke Stellung Google und andere Suchmaschinen fungieren als Vermitt- auf den entsprechenden Werbemärkten sein.3 Die Existenz ler zwischen einer heute unüberschaubaren Fülle an eines Marktes für Suchanfragen im Internet wurde auf dieser Internetangeboten und den Nutzern des Internets. Indem Argumentationslinie auch bereits von einem US-amerikani- Suchmaschinen Angebotsseiten durch Nutzer auffindbar schen Gericht verneint.4 Zwar nehmen Teile der Literatur die machen, fördern sie den Wettbewerb zwischen den Anbie- Existenz kartellrechtlich relevanter Märkte bisweilen auch bei tern und leisten einen wichtigen Beitrag zur Offenhaltung Unentgeltlichkeit an, weil zwischen dem Markt für das un- der Märkte. Kartellrechtlich ist dies in besonderem Maße entgeltliche Produkt und dem entsprechenden Werbemarkt zu begrüßen, sind doch auch die Vorschriften zum Schutz aufgrund der Bedeutung hoher Nutzerzahlen eine enge Ver- des Wettbewerbs primär der Offenhaltung der Märkte ver- knüpfung bestehe (vgl. Kühling und Gauß 2007, S. 752; pflichtet (vgl. Körber 2012, S. 763). Gleichwohl sieht sich Schmidt 1997, S. 474) oder weil die Nutzer stets Aufmerk- Google zunehmend auch kartellrechtlicher Kritik ausge- samkeit oder Zeit investierten (vgl. Höppner 2012, S. 626; setzt. Erst im Mai dieses Jahres verwies Bundeswirtschafts- Kühling und Gauß 2007, S. 752).5 Der Bedeutung der Nut- minister Sigmar Gabriel in einem Beitrag in der Frankfurter zerzahlen für den Werbemarkt lässt sich richtigerweise je- Allgemeinen Zeitung (16. Mai 2014) darauf, derzeit werde doch – so wie es auch praktiziert wird – auf dem Werbemarkt geprüft, ob Google seine marktbeherrschende Stellung selbst Rechnung tragen. Zudem vermag auch der Umstand, missbrauche, um »Wettbewerber systematisch zu verdrän- dass der Nutzer tatsächlich Aufmerksamkeit und Zeit auf- gen«. Eine Gefahr für die »Zukunft der Demokratie« vor wendet, nichts daran zu ändern, dass beide Seiten des ver- Augen, stellte er, eingebettet in die Forderung nach einer meintlichen Marktes den Bereich der Unverbindlichkeit nicht »Bändigung des Datenkapitalismus«, gar eine – rechtlich verlassen. Weder verpflichten sich Suchmaschinenbetreiber wohl nicht mögliche und international auch nicht durchsetz- gegenüber Nutzern zur Ermöglichung der Suche noch ver- bare – Entflechtung Googles als Ultima Ratio in Aussicht. 2 Kommission, Entsch. vom 25. Juni 2008, Comp/M.5121 – »News Corp Auch der Bundeswirtschaftsminister teilt damit offensicht- Premiere«, Rn. 15; BKartA, Beschl. vom 12. April 2000, B6-20/00 – lich das weit verbreitete Bild des marktbeherrschenden Un- »Holtzbrinck Akzent«, Rn. 8; BKartA, Beschl. vom 19. Januar 2006, ternehmens Google. Dieses Bild erweist sich bei näherer B6-103/05 – »Springer Pro7«, S. 23; BKartA, Beschl. vom 29. April 2009, B6-09/09 – »Bertelsmann Brockhaus«, Rn. 63 [im Ergebnis offengelas- kartellrechtlicher Betrachtung freilich als trügerisch (vgl. so sen, Rn. 65]; so auch die französische Wettbewerbsbehörde: Autorité de bereits Kersting und Dworschak 2013, S. 47 f.). Es beruht la Concurrence, Entsch. vom 26. Januar 2010, 10-DCC-11 – »TF1 NT1 Monte-Carlo Participations«, Rn. 33; Kommission, Entsch. vom 18. nämlich auf einer einseitigen Überbewertung des hohen Februar 2000, Comp/M.1889 – »CLT-UFA Canal+ Vox«, Rn. 12; BKartA, Beschl. vom 18. Juli 1989, B 6-743100-U-71/88, WuW/E BKartA 2396 * Prof. Dr. Christian Kersting, LL.M. (Yale) ist Inhaber des Lehrstuhls für (2402) – »Radio NRW«; bestätigt durch das KG Berlin, Urt. vom 26. Juni Bürgerliches Recht sowie deutsches und internationales Unterneh- 1991, Kart. 23/89, WuW/E OLG 4811 (4814 u. 4825) – »Radio NRW«. mens-, Wirtschafts- und Kartellrecht an der Juristischen Fakultät der 3 Kommission, Entsch. vom 20. September 1995, Comp/M.553 – »RTL Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Veronica Endemol«, Rn. 17 u. 20 ff. [im Ergebnis offengelassen]; BKartA, ** Sebastian Dworschak ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand Beschl. vom 19. Januar 2006, B6-103/05 – »Springer Pro7«, S. 23; vgl. am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht sowie deutsches und internationales auch Mestmäcker und Veelken in: Immenga/Mestmäcker, GWB4 (2007), Unternehmens-, Wirtschafts- und Kartellrecht an der Juristischen Fakul- Vor § 35 Rn. 89. tät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. 4 District Court for the Northern District of California, Kinderstart.com, LLC 1 Der Beitrag beruht in Teilen auf einem durch den Erstautor für die Google vs. Google Inc., No. C 06-2057 JF, 2007 WL 831806, 16. März 2007. Germany GmbH erstatteten Rechtsgutachten. 5 Nach Körber (2012, S. 764) bezahlen Nutzer mit ihren Daten. ifo Schnelldienst 16/2014 – 67. Jahrgang – 28. August 2014
8 Zur Diskussion gestellt pflichten sich Nutzer, eine Suche durchzuführen und Auf- duktsuche oder Opodo im Bereich der Suche nach Urlaubs- merksamkeit und Zeit aufzuwenden. Ein rein tatsächliches reisen, müssen daher im Rahmen der Marktabgrenzung be- Verhältnis, in dem keiner der Beteiligten eine rechtliche Bin- rücksichtigt werden. Dies führt dazu, dass Google in diesen dung zueinander eingeht, aber als kartellrechtlich relevanten Bereichen, die kommerziell gesehen gerade die bedeu- Markt zu betrachten und einer kartellrechtlichen Regulierung tendsten sind, tatsächlich über einen signifikant niedrigeren zu unterwerfen, erscheint nicht angemessen. Nutzeranteil verfügen dürfte.10 Nicht zuletzt ist der hohe Nutzeranteil Googles aber auch Marktbeherrschende Stellung Googles? flüchtig und stellt damit allenfalls eine Momentaufnahme dar. Er muss von Google täglich neu behauptet werden, da für In der bisherigen Diskussion wurde die These der marktbe- die Nutzer ein Wechsel der Suchmaschine ohne Aufwand herrschenden Stellung Googles überwiegend auf den hohen und kostenlos möglich ist (vgl Haucap und Wenzel 2011, Nutzeranteil Googles im Bereich von Suchanfragen im In- S. 205; Kühling und Gauß 2007, S. 752; Bork und Sidak ternet gestützt.6 Dabei wird zumeist der Eindruck erweckt, 2012, S. 665, 671). Für den Wechsel der Suchmaschine ist es handele sich hierbei um den Marktanteil Googles, dem weder der Download und die Installation einer Software noch bei der Beurteilung marktbeherrschender Stellungen grund- eine Registrierung notwendig. Auch einer Eingewöhnungs- sätzlich eine maßgebliche Indizwirkung zukommt. phase bedarf es nicht, da Suchmaschinen alle nach dem- selben Prinzip funktionieren. Jede andere Suchmaschine ist daher in der Tat »nur einen Mausklick entfernt« (vgl. auch Hohe Nutzeranteile Googles Dakanalis und van Rooijen 2011, S. 30; Körber 2012, S. 762). Auch heute nutzen bereits viele Internetnutzer mehrere Such- Wie die Entscheidung »Microsoft/Skype« der Europäischen maschinen parallel (sog. multi-homing). Ein Suchmaschinen- Kommission bestätigt7, kommt hohen Nutzeranteilen auf un- wechsel wird auch nicht durch Netzwerkeffekte erschwert entgeltlichen Märkten jedoch bereits strukturbedingt nur ei- (so auch Kühling und Gauß 2007, S. 752). Anders als bei ne geringe Indizwirkung zu.8 Wettbewerbliche Verhaltens- sozialen Netzwerken oder Telefonnetzen profitiert der Nutzer spielräume spiegeln sich nämlich zuvörderst in der Fähigkeit von Suchmaschinen von der Zahl der übrigen Nutzer allen- eines Unternehmens wider, die Preise über das wettbewerb- falls indirekt (vgl. auch Haucap und Wenzel 2011, S. 202; liche Niveau anzuheben.9 Über einen Preissetzungsspiel- Höppner 2012, S. 627; auch indirekte Netzwerkeffekte ab- raum verfügt Google aber gerade nicht (vgl. Dakanalis und lehnend Kühling und Gauß 2007, S. 752). Kein Nutzer wird van Rooijen 2011, S. 30). Die Unentgeltlichkeit des Leis- Google deshalb als Suchmaschine wählen oder beibehalten, tungsangebots ist vielmehr fester Bestandteil von Googles weil viele andere Nutzer auf Google zurückgreifen. Geschäftsmodell und zudem derart in der Erwartung der Nutzer verankert, dass jeder Versuch einer Gebührenerhe- bung durch Google in eine signifikante Abwanderung von Wettbewerblich unkontrollierter Nutzern münden würde. Verhaltensspielraum? Überdies basiert der hohe Nutzeranteil Googles auch auf Für die Beurteilung einer marktbeherrschenden Stellung ist einer sehr engen sachlichen Marktabgrenzung, bei der al- im Übrigen nicht alleine der Marktanteil eines Unternehmens leine der Bereich allgemeiner Suchmaschinen, wie Google, entscheidend. In der Sache geht es um die Feststellung ei- Yahoo! oder Microsoft Bing, in die Betrachtung einbezogen nes vom Wettbewerb nicht mehr kontrollierten Verhaltens- wird. Richtigerweise ist indes auch zu berücksichtigen, dass spielraums11, in deren Rahmen eine Gesamtbetrachtung ein Großteil der Nutzer heute im Bereich bestimmter Such- aller relevanten Umstände vorzunehmen ist.12 Über einen kategorien auch alternative und spezialisierte Suchmaschi- solchen Verhaltensspielraum verfügt Google aber bereits nen nutzt. Auch solche spezialisierte Suchmaschinen, wie deshalb nicht, weil Google nicht nur aktuellem, sondern Amazon oder eBay für den Bereich der kommerziellen Pro- auch potentiellem Wettbewerb ausgesetzt ist. Mit Microsoft und Yahoo! hat Google langjährige und finanzstarke Kon- 6 Vgl. Reppesgaard (2010, S. 18): 95%; Ott (2006, S. 195): 69–83%; Ott (2007, S. 378): weit über 80 %; Körber (2012, S. 762): 93,54%; Dakana- kurrenten (vgl. Kühling und Gauß 2007, S. 753; Ott 2007, lis und van Rooijen (2011, S. 29): 90%. 7 Kommission, Entsch. vom 7. Oktober 2011, Comp/M.6281 – »Microsoft 10 Vgl. auch Rosch, Commissioner der FTC, Statement vom 3. Januar Skype«, Rn. 78, 99 u. 121; vgl. auch Kommission, Beschl. vom 16. 2013, S. 2, online verfügbar unter: http://www.ftc.gov/sites/default/files/ Dezember 2009, Comp/C-3/39.530 – »Microsoft (Kopplung)«, Rn. 17 ff. documents/public_statements/concurring-and-dissenting-statem- und Rn. 24 ff., wo ein Markt für unentgeltliche Webbrowser zwar disku- ent-commissioner-j.thomas-rosch-regarding-googles-search-practices/ tiert wurde, im Rahmen der Marktbeherrschungsprüfung aber unberück- 130103googlesearchstmt.pdf, aufgerufen am 6. August 2014. sichtigt blieb. 11 BGH, Beschl. vom 12. Dezember 1978, KVR 6/77 – »Erdgas Schwa- 8 Ott (2007, S. 378): »Indizwirkung nicht so aussagekräftig«; vgl. auch ben«, WuW/E BGH 1533 (1536); Bundesregierung, Regierungsentwurf Kommission, Entsch. vom 5. März 2008, Comp/M.4747 – »IBM/Telelo- 2. GWB Novelle, BT-Drs. VI/2520, S. 21; Bardong, in: Langen/Bunte, gic«, Rn. 151 f. Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 18 Rn. 58; Säcker/Gosse/Wolf, in: 9 Vgl. Emmerich, Kartellrecht12 (2012), § 27 Rn. 39; Zimmer, in: FS Huber MüKo, Kartellrecht, Bd. 2 (2008), § 19 GWB Rn. 2. (2006, S. 1173). 12 Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB4 (2007), § 19 Rn. 48. ifo Schnelldienst 16/2014 – 67. Jahrgang – 28. August 2014
Zur Diskussion gestellt 9 S. 378; Bork und Sidak 2012, S. 679). Aber auch neben Marktanteile ein hohes Maß an Unbeständigkeit aufweisen20. diesen existiert im Bereich allgemeiner Suchmaschinen eine Bereits in den ersten Jahren wechselte die Marktführerschaft Vielzahl von Mitbewerbern13. Daneben ist Google auch dem unter den Suchmaschinen regelmäßig. Auf Altavista folgte Druck potenziellen Wettbewerbs ausgesetzt. Marktzutritte Lycos. Auf Lycos folgte Yahoo!, das wiederum von Google durch neue und innovative Anbieter wie etwa Wolfram Alpha, abgelöst wurde (vgl. Bork und Sidak 2012, S. 666 ff.), wel- Blekko, oder DuckDuckGo belegen dies. Blekko und Duck- che ihrerseits seit 2009 dem verstärkten Wettbewerbsdruck DuckGo machen in den USA gute Fortschritte14. Ähnliches von Microsofts Suchmaschine Bing ausgesetzt ist. Dies gilt für Yandex und Baidu, die derzeit zwar hauptsächlich in macht deutlich, dass eine etwaige Marktführerschaft nur Asien operieren, jedoch Expansionspläne haben15. Nicht zu- erhalten werden kann, wenn das Unternehmen in seiner letzt konkurriert Google aber auch mit zahlreichen speziali- Innovationsbereitschaft nicht nachlässt und die Nutzer auf- sierten Internetplattformen (vgl. Körber 2012, S. 766). Als grund der Qualität seines Angebots an sich bindet. Beispiele seien nur die Suche nach Produkten über Amazon oder Ebay, die Suche nach Flügen über Kayak oder aber die Suche nach Informationen über soziale Netzwerke wie Fazit Facebook genannt. Auch diese Plattformen machen Inhalte für Nutzer auffindbar und zugänglich. Sie sind durch Nutzer Entgegen des bisherigen öffentlichen Meinungsbildes, verfügt direkt ansteuerbar, so dass sie in unmittelbarem Wettbewerb Google nicht über eine marktbeherrschende Stellung. Ange- mit Google stehen16. sichts der Unentgeltlichkeit von Googles Leistungsangebot bestehen bereits ernsthafte Zweifel an der Existenz kartell- Google verfügt auch deshalb nicht über die Fähigkeit zu rechtlich beherrschbarer Märkte. Unabhängig hiervon verfügt unabhängigem Marktverhalten, weil Google einem hohem Google aber ohnehin nicht über einen vom Wettbewerb un- Innovationsdruck ausgesetzt ist17. Google muss damit rech- kontrollierten Verhaltensspielraum. Die hohen Nutzeranteile Googles entfalten hierfür allenfalls eine schwache Indizwir- nen, dass sich ein Nachlassen von Innovationsbereitschaft kung. Im Gegenzug sprechen indes die Vielzahl von Mitbe- oder der Qualität seines Angebots unmittelbar in einer Ab- werbern, das Nichtbestehen direkter Netzwerkeffekte, das wanderung von Nutzern zu diesen Mitbewerbern nieder- gänzliche Fehlen von Wechselkosten für Nutzer sowie der schlägt. Der Wettbewerb auf dem Suchmarkt findet nicht bestehende hohe Innovationsdruck gegen eine marktbeherr- über die Gestaltung von Preisen, sondern über die Qualität schende Stellung Googles. Überdies, auch dies sei an dieser der Suchergebnisse sowie der Benutzeroberfläche statt18. Stelle erwähnt, würde das Bestehen einer marktbeherrschen- Google ändert seinen Suchalgorithmus über 500 Mal im den Stellung an sich noch kein kartellbehördliches Einschrei- Jahr, um das Angebot ständig zu verbessern19. Dieser hohe ten gegenüber Google rechtfertigen. § 19 GWB wendet sich Innovationsgrad deutet stark darauf hin, dass Google sich explizit nicht gegen die Entstehung oder das Bestehen markt- einen Stillstand gerade nicht leisten kann und sich dement- beherrschender Stellungen, sondern missbilligt alleine deren sprechend auch nicht unabhängig verhält bzw. verhalten missbräuchliche Ausnutzung durch Behinderung, Diskrimi- kann. Gerade auch mit Blick auf die unproblematische nierung oder Ausbeutung anderer Marktteilnehmer21. Selbst Wechselmöglichkeit für Nutzer sind Suchmaschinenbetrei- wenn Google insoweit fähig wäre, »Regeln zu diktieren«, han- ber gezwungen, ihr Angebot stets im Hinblick auf die Wün- delte Google nur dann kartellrechtswidrig, wenn sich dieses sche und Bedürfnisse der Nutzer zu optimieren. Ein Blick Diktat auch als missbräuchlich darstellte. auf die bisherige Entwicklung des Suchmaschinensektors belegt, dass es sich hierbei tatsächlich um einen sehr dy- namischen und innovativen Sektor handelt, auf dem die Literatur 13 Vgl. die Übersicht auf http://www.suchmaschinen-datenbank.de, aufge- Bork, R.H. und J.G. Sidak (2012), »What Does the Chicago School Teach rufen am 6. August 2014. about Internet Search and the Antitrust Treatment of Google«, Journal of 14 Vgl. nur http://searchengineland.com/could-duckduckgo-be-the-biggest- Competition Law and Economics 8(4), 663–700. long-term-threat-to-google-118117 oder http://searchengineland.com/ blekkos-traffic-spiking-2012-118728, aufgerufen am 6. August 2014. 15 Vgl. hierzu http://searchengineland.com/yandex-expands-to-turkey-first- Dakanalis, D. und A. van Rooijen (2011), »EU: Google Under Antitrust Scru- shots-fired-in-new-google-baidu-yandex-stand-off-93201 oder »Ambiti- tiny«, Computer Law Review International 12(1), 29–31. on of Baidu Global Expansion«, online verfügbar unter: http://www.sear- chcowboys.com/baidu/1882, aufgerufen am 6. August 2014. Gabriel, S. (2014), »Unsere politischen Konsequenzen aus der Google-De- 16 Aufgrund der direkten Erreichbarkeit der Webseiten von Amazon, Ebay batte«, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Mai. etc. durch die Nutzer fehlt es an einem Abhängigkeitsverhältnis zu Goo- gle. Google stellt insofern keinen »Bottleneck« dar, so dass sich – anders Haucap, J. (2014), »Eine Zerschlagung von Google würde wenig bringen«, als häufig missverständlich dargestellt – auch hieraus kein Indiz für eine Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. April. Marktbeherrschung ableiten lässt. 17 Vgl. auch Kommission, Entsch. vom 18. Februar 2010, Comp/M.5727 Haucap, J. und T. Wenzel (2011), »Wettbewerb im Internet: Was ist online – »Microsoft Yahoo«, Rn. 110, und Körber (2012, S. 772). anders als offline?«, Zeitschrift für Wirtschaftspolitik (ZfW) 60(2), 200–211. 18 Kommission, Entsch. vom 18. Februar 2010, Comp/M.5727 – »Micro- soft Yahoo«, Rn. 101; Höppner (2012, S. 626). 20 So auch Haucap (2014); in diese Richtung auch Kühling und Gauß (2007, 19 Vgl. nur http://googlewebmastercentral.blogspot.co.uk/2011/05/more-gui- S. 753); vgl. auch Körber (2012, S. 765). dance-on-building-high-quality.html, aufgerufen am 6. August 2014. 21 Kommission, Prioritätenmitteilung, 2009/C 45/02, Rn. 1. ifo Schnelldienst 16/2014 – 67. Jahrgang – 28. August 2014
10 Zur Diskussion gestellt Höppner, T. (2012), »Das Verhältnis von Suchmaschinen zu Inhalteanbietern an der Schnittstelle von Urheber- und Kartellrecht«, Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP) 58(7), 625–637. Kersting, Chr. und S. Dworschak (2013), »Leistungsschutzrecht für Presse- vertlage: Müsste Google wirklich zahlen? – Eine kartellrechtliche Analyse«, Neue Zeitschrift für Kartellrecht (NZKart) 1(2), 46–52. Körber, T. (2012), »Google im Fokus des Kartellrechts«, Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP) 58(7), 761 – 770. Kühling, J. und N. Gauß (2007), »Expansionslust von Google als Herausfor- derung für das Kartellrecht«, Multimedia und Recht (MMR) 10(12), 751–757. Monopolkommission (2013), Hauptgutachten XX (2012/2013): Google, Facebook & Co – eine Herausforderung für die Wettbewerbspolitik, 58–73, Bonn. Ott, St. (2006), »Ich will hier rein! Suchmaschinen und das Kartellrecht«, Alexander Skipis* Multimedia und Recht (MMR) 9(4), 195–202. Ott, St. (2007), »Marktbeherrschende und öffentlich-rechtliche Suchmaschi- Komfortzone oder Kultur? Warum es nen«, Kommunikation und Recht (K&R) 10(7/8), 375–380. notwendig ist, für Qualität und Vielfalt Reppesgaard, L. (2010), Das Google-Imperium, 2. Auflage, Murmann-Ver- lag, Hamburg. zu kämpfen Schmidt, K.-E. (1997), »Gibt es einen Fernsehzuschauermarkt im Sinne des Die Wucht der Marktwirtschaft und die Intensität der Glo- Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen?«, Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM) 41, 472–477. balisierung haben nach dem Zerfall des Sowjetischen Rei- ches, nach dem Niedergang der DDR und der Öffnung des politischen Ostens um ein Vielfaches zugenommen. Einen nicht unbeträchtlichen Beitrag hat dabei die Aus- breitung des Internets geleistet, die Schnelligkeit und das wachsende Volumen der Datenübertragungen und die Präsenz der gesamten Welt am Büroschreibtisch oder zu Hause. Heutzutage sind Regierungen, Unternehmen, Geheimdiens- te, die Stromnetze, die Börse – schlicht alle und alles – ab- hängig von den Daten, die fast in Lichtgeschwindigkeit von Ort zu Ort fließen. Gründerunternehmen wie Google oder Amazon haben das sehr früh erkannt, haben daran geglaubt und es von Anfang an in ihre strategischen Überlegungen zu ihrer Weiterentwicklung mit einbezogen. Die Regeln, die unser Zusammenleben, -wirtschaften und -handeln bestimmen, haben sich nicht im gleichen Maße und im selben Tempo angepasst. Sie hinken hinterher. Die neuen Monopole: Kommunikation, Daten, Wissen Die Technik macht es möglich, dass Monopole eine völlig neue Dimension erhalten. Es dreht sich nicht mehr um na- tionale Monopole oder um begrenzte, spezifische Monopo- le, es dreht sich um weltweite Monopole, die unsere zent- ralen Ressourcen der Gegenwart kontrollieren: Es sind Res- sourcen wie Kommunikation, Daten und Wissen. Der ein- zelne Bürger ist in einem Ausmaß sichtbar und berechenbar, wie man es sich nicht vorstellen möchte. * Alexander Skipis ist Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deut- schen Buchhandels e.V. ifo Schnelldienst 16/2014 – 67. Jahrgang – 28. August 2014
Zur Diskussion gestellt 11 Das Beispiel Amazon: Das Unternehmen wurde 1994 klas- für Buchhandlungen eine zunehmend größere Rolle; viel Geld sisch in einer Garage gegründet und hat es innerhalb der wurde investiert in Multi-Channel-Strategien. Mittlerweile ge- letzten 20 Jahre geschafft, zum weltgrößten Online-Händler lingt es dem Buchhandel sehr gut, die Vorzüge des statio- zu werden. Der Kunde stand beim Gründer Jeff Bezos von nären Geschäftes, wie intensive persönliche Beratung, Kul- Anfang an im Mittelpunkt – nicht aus Altruismus, sondern turvermittlung, das Einkaufserlebnis und die sofortige Ver- als Instrument. Durch Ausweitung und Perfektionierung der fügbarkeit der Ware vor Ort zu kombinieren mit den Möglich- Komfortzone des Kunden und durch einen goldenen Käfig keiten des Einkaufs auf der Buchhandels-Website – 24 Stun- wird der Kunde – wie beispielsweise im E-Book-Bereich – den und das sieben Tage lang. Lieferzeiten und Lieferwege an das Unternehmen fest gebunden, durch die steigende entsprechen dem heutigen Anspruch der Kunden, ja sie Marktmacht von Amazon werden Lieferanten in Abhängig- werden zum Teil übertroffen, wenn mit Fahrradkurieren noch keit gebracht und Konkurrenten letztlich eliminiert. So weit am selben Tag unter ökologisch besonders günstigen Be- ist das schlicht Marktwirtschaft. dingungen ausgeliefert wird. Insgesamt ist der Buchhandel damit heute auf dem Wege zum Vorbild für den Einzelhandel. Beispiel Amazon: Weltweite Marktbeherrschung Die Investitionen und das Fokussieren auf den Kunden haben als Ziel sich für den Buchhandel gelohnt. Die Umsatzzahlen sprechen für sich. Der stationäre Buchhandel hat im vergangenen Jahr Doch wenn damit in letzter Instanz die Kontrolle über den bessere Umsätze als die gesamte Branche gemacht – und Literaturmarkt einhergeht, ist das ein Eingriff, der zu weit geht. dieser Trend setzt sich in diesem Jahr fort. Heute beginnen Wenn ein Marktteilnehmer die Macht hat zu bestimmen, wel- viele Verkaufsgespräche im Buchhandel mit dem Satz: »Ich ches Buch sichtbar ist und welches nicht, und damit Han- habe früher bei Amazon gekauft…«. Der Buchhandel über- delspartner erpressen kann, um unverhältnismäßig hohe Ra- zeugt mit sehr guter Leistung, der Kunde denkt zunehmend batte zu erhalten, dann zerstört er auch Strukturen. Er selbst über die Konsequenzen seiner Kaufentscheidung nach. wird potenter, und die Vertragspartner werden ebenso ge- schwächt wie die direkten Konkurrenten, die Buchhandlun- gen vor Ort. Es entsteht eine Schieflage, das Gleichgewicht Kultureller Austausch oder Drohnenlieferung? des Marktes, das in Deutschland die Qualität und Vielfalt der Titel und die Flächendeckung durch den kulturvermittelnden Und Amazon? Noch diktiert es die Regeln. Aber dem On- Buchhandel gewährleistet, wird zerstört. Und weiter: Auch line-Händler fehlt ein großer Teil dessen, was Kunden heute Autoren trifft man, weil ihnen Ertrag wegbricht, wenn ihre – jedenfalls beim Buchkaufen – auch nachfragen und als Titel nicht lieferbar sind. Damit werden auf dem Buchmarkt Dienstleistung erwarten: persönliche Beratung, ein Einkaufs Regeln diktiert, die zerstörerische Wirkung haben. erlebnis, das verbunden ist mit dem kulturellen Austausch und der Kulturvermittlung, und die sofortige Verfügbarkeit Faktisch ist Amazon auf dem Weg, weltweit auf dem im Laden. Dem gegenüber punktet Amazon ausschließlich E-Book-Markt und mittelfristig möglicherweise auch im mit einem Konzept: die Bequemlichkeit für den Kunden aus- deutschen Buchmarkt eine marktbeherrschende Stellung zuweiten und vor allem die Lieferzeiten immer weiter zu re- einzunehmen. Insbesondere im E-Book-Sektor entfaltet sich duzieren. Das treibt Stilblüten wie das Projekt von Amazon, bereits jetzt die Marktmacht von Amazon gegenüber den künftig Ware mit Drohnen ausliefern zu lassen. Also Liefe- Verlagen verheerend. Auch wenn Amazon vielleicht noch rung in Echtzeit. kein Monopol hat, so hat es doch die Macht, den Markt komplett zu verwüsten. Dadurch werden Strukturen zerstört, Doch über die Konsequenzen dieses Geschäftsmodells be- die Qualität und Vielfalt der Kultur gewährleisten. Das ist ginnen nicht nur die Kunden, sondern auch Politik und Ge- dann nicht nur Marktwirtschaft, sondern auch ein kulturkri- sellschaft nachzudenken. tisches Problem. Man liest von katastrophalen Arbeitsbedingungen bei Ama- zon, von einer konsequenten Steuervermeidungspolitik, von Der Buchhandel: Vorbild für den Einzelhandel Datensammlung und Ausspähung des Verhaltens der Kun- den, von einem geschlossenem System »Kindle« aus dem Dabei war die Buchbranche eine der ersten, die sich mit dem der Kunde nicht mehr herauskommt, aber auch von dem Geschäftsmodell Amazon auseinandergesetzt hat. Am An- Ziel Amazon, als Monopolist der einzige Intermediär zwi- fang belächelt, stellte sich schnell heraus, welche kommer- schen Autor und Leser zu werden. Nach Aussagen von Jeff zielle Wucht Amazon aus der Digitalisierung und den Mög- Bezos müsse man Verlage wie Gazellen jagen. lichkeiten des Internets entwickelt. Und die Buchbranche hat schnell gelernt. Die viel stärkere Ausrichtung auf den Kunden, Der deutsche Buchmarkt ist weltweit Vorbild an Qualität und auf seine Wünsche und seinen Anspruch auf Komfort spielen Vielfalt und der zweitgrößte der Welt. Amazon schickt sich ifo Schnelldienst 16/2014 – 67. Jahrgang – 28. August 2014
12 Zur Diskussion gestellt an diesen Buchmarkt zu zerstören. Denn dem Unternehmen fehlt das Verständnis, oder es ist ihm gleichgültig, dass es sich bei dem Buch neben dem Wirtschaftsgut auch um ein Kulturgut handelt. Und dieses Kulturgut muss, will man eine höchstmögliche Qualität und Vielfalt erreichen, neben öko- nomischen auch kulturellen Notwendigkeiten folgen. Kampf um die Deutungshoheit Amazon scheint nervös zu werden. Langsam kann man hin- ter die sympathische Maske des Unternehmens schauen. Mit Erpressungsversuchen, die kartellrechtlich Relevanz er- Ralf Müller-Terpitz* reichen, versucht Amazon, Verlage konditionell in die Knie zu zwingen. Und das ist erst der Beginn. Sobald Amazon eine Monopolstellung innehat, wird es Monopolrenditen ab- Zu Resignation besteht kein Anlass zuschöpfen versuchen. Und das bedeutet, dass auch für den Kunden alles teurer und einfältiger wird. Parallel dazu Das Geschäftsgebaren der Internetfirmen Google, Amazon versucht Amazon die Autoren mit Sirenenklängen zu um- und Co. ist schon seit Längerem Gegenstand öffentlicher werben und an sich zu ziehen. Auch ihnen wird in der Zu- Debatten. Gegen Google etwa steht der Vorwurf im Raum, kunft genau das bevorstehen, was Amazon mit den Verlagen der Konzern benachteilige gezielt bestimmte Inhalteanbieter jetzt versucht. Erpressung zu immer niedriger Vergütung der und Online-Plattformen bei der Darstellung von Suchergeb- Leistung für die Autoren. nissen. Mit deutschen Presseverlagen streitet das Unter- nehmen zudem über die Vergütung des erst vor einem Jahr Die Buchbranche ist sich ihrer Verantwortung bewusst. Sie geschaffenen Leistungsschutzrechts. will die Regeln selbst bestimmen. Auch Amazon steht gegenwärtig heftig in der Kritik: So wird Die Buchbranche weiß, dass sie mit einem Kultur- und einem dem Online-Händler ein rüder Umgang mit Verlagen und Wirtschaftsgut handelt. Die in ihr arbeiteten Menschen sind Unterhaltungskonzernen vorgeworfen, da er höhere Rabat- leidenschaftlich engagiert, die von ihnen für wichtig erach- te für E-Books, DVDs und Blu-rays durchzusetzen gedenkt teten Inhalte zu den Menschen zu bringen. Es dominiert die – zum Wohle der Kunden, wie es bei Amazon heißt. Die Überzeugung, dass eine freie demokratische Gesellschaft Verlagsgruppen Hachette und Bonnier, die sich weiteren nur gelingen kann, wenn das Buch einen wesentlichen Stel- Preisnachlässen auf ihre elektronischen Produkte widerset- lenwert in ihr hat. Und zwar Bücher in ihrer Vielfalt. Nur da- zen, werfen Amazon vor, bei Bestellvorgängen über seine durch können Talente zu großen Autoren der Literaturge- Online-Plattform die Auslieferung ihrer gedruckten Werke schichte werden. Die Geschichte hat etliche Beispiele dafür. bewusst zu verzögern. In den Vereinigten Staaten tragen Kafka ist eines davon. Amazon und seine Kritiker diesen Streit mittlerweile über offene Briefe aus; hierzulande ist eine Beschwerde des Bör- So ist der deutsche Buchmarkt mit seinen engagierten Verle- senvereins des Deutschen Buchhandels beim Bundeskar- gern und Buchhändlern zu einem weltweiten Vorbild für Qua- tellamt anhängig. Auch positioniert sich das Unternehmen lität und Vielfalt, für die Entdeckung von Talenten geworden. im zukunftsträchtigen E-Book-Markt zunehmend selbst als Verleger, indem es Autoren unter Umgehung traditioneller Dem liegt das Verständnis zugrunde, dass es in einem sol- Verlage eine elektronische Publikationsplattform mit einer chen Markt flankierende Schutzmaßnahmen geben muss, Umsatzbeteiligung von bis zu 70% offeriert. Gleich einem in denen diese Qualität und Vielfalt erst entstehen kann. Menetekel ertönt bereits die Warnung, Amazon schicke sich Dazu gehören Maßnahmen wie Preisbindung und reduzier- an, die Verlage überflüssig zu machen. ter Mehrwertsteuersatz. Die Buchbranche findet dafür enor- men Rückhalt: Die Politik erkennt die Notwendigkeit, solche Diese wenigen Beispiele aus jüngerer Vergangenheit schei- Rahmenbedingungen zu schaffen, um wertvolle kulturelle nen die aufgeworfene Frage bereits implizit zu beantworten: Beiträge in der Gesellschaft zu ermöglichen. Es gibt nach Sie erwecken den Eindruck, als könnten Internetkonzerne der ersten Begeisterung wieder viele Verbündete – damit wie Google, Amazon, Facebook und Co. die Regeln ihres die großen Internetfirmen langfristig die Regeln nicht mehr wirtschaftlichen Handelns nach Belieben diktieren – sei es in der Weise diktieren, dass sie damit wertschaffende Struk- gegenüber den Wettbewerbern, den Internetnutzern oder turen zerstören. * Prof. Dr. Ralf Müller-Terpitz ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Recht der Wirtschaftsregulierung und Medien an der Universität Mannheim. ifo Schnelldienst 16/2014 – 67. Jahrgang – 28. August 2014
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