Zur aktuellen Situation europaweit geschützter Schmetterlingsarten (Insecta, Lepidoptera) in Vorarlberg (Österreich). II. Moor-Wiesenvögelchen ...

Die Seite wird erstellt Hortensia-Rosa Jung
 
WEITER LESEN
Zur aktuellen Situation europaweit geschützter Schmetterlingsarten (Insecta, Lepidoptera) in Vorarlberg (Österreich). II. Moor-Wiesenvögelchen ...
Lechner, K. & Ortner, A. (2021): Zur aktuellen Situation europaweit geschützter
Schmetterlingsarten (Insecta, Lepidoptera) in Vorarlberg (Österreich). II.
Moor-Wiesenvögelchen [Coenonympha oedippus (Fabricius, 1787)]
und Gelbringfalter [Lopinga achine (Scopoli, 1763)].
inatura – Forschung online, 86: 19 S.

Zur aktuellen Situation europaweit geschützter                                                                   Nr. 86 - 2021
Schmetterlingsarten (Insecta, Lepidoptera) in
Vorarlberg (Österreich). II. Moor-Wiesenvögelchen
[Coenonympha oedippus (Fabricius, 1787)] und
Gelbringfalter [Lopinga achine (Scopoli, 1763)]
Kurt Lechner1 & Alois Ortner2

1
  Mag. Kurt Lechner, Wiesenhofweg 22, A-6133 Weerberg
  E-Mail: lechner.weerberg@gmail.com
2
  Mag. Alois Ortner, Unterdorf 21, A-6135 Stans
  E-Mail: alois.ortner@aon.at

Abstract

The False Ringlet (Habitats Directive Annexes II and IV) is one of the most endangered European butterflies. In Vorarlberg there
were no records for about 14 years. From 2015 until 2019 as well as in 2009 the authors succeeded in confirming the survival of
the last known population in the Natura 2000 area Bangs-Matschels. In the years 2018 as well as 2019 more than 60 specimens
of both sexes were counted in the preserve. Referring to field observations Coenonympha oedippus occupies an area of about
ten hectars adjoining to the border of Liechtenstein. The habitat is regularly mown, once a year in September. Since 2020 an-
nual changing fallow strips covering only small parts of the colonized area have been established. Basic ecological knowledge
concerning oviposition sites and larval development as well as information about the population size aiming in preserving this
extremely localized butterfly species in Austria is considered necessary. This should happen in cooperation with the neighbouring
Principality of Liechtenstein, harbouring the bigger part of this transnational population (Metapopulation?) of the False Ringlet.
In Vorarlberg the Woodland Brown (Habitats Directive Annex IV) has its center of distribution in the intersection of the Walgau,
the Klostertal and the Montafon. According to current knowledge the most vital population is found in St. Anton im Montafon.
An estimation of the conservation status of populations in Bludenz (Küenberg, Plärsch, Hinterplärsch) and St. Anton im Montafon
revealed good conditions. However, natural succession and the destruction of habitat poses a threat at these sites. The forestry
management at the selected sites in Bludenz (including the nearby surroundings) and St. Anton im Motanfon is considered as
not, resp. not immediately or only sporadically conducive for the Woodland Brown. Concerning the distribution in Vorarlberg,
further investigation is needed to gain a more comprehensive understanding of the present picture. The inhabited area of the
largest recent population in Allma (St. Anton im Montafon) should be protected by law and managed according to the favour of
Lopinga achine.
Key words: Habitats-Directive, Vorarlberg, Coenonympha oedippus, Lopinga achine, Natura-2000-Gebiet Bangs-Matschels

Zusammenfassung                              a­ utochthones Vorkommen im Natura-        und Pfeifengraswiesen, in welchen
                                              2000-Gebiet Bangs-Matschels. Sowohl       die Präimaginalentwicklung stattfin-
Das in den Anhängen II und IV der             2018 als auch 2019 konnten mehr als       den dürfte. Eine Verbesserung des
FFH-Richtlinie gelistete Moor-Wiesen-         60 Imagines im letzten Refugium in        aktuell mageren Kenntnisstands, auch
vögelchen [Coenonympha oedippus               Vorarlberg gezählt werden – darunter      im Hinblick auf sehr wahrscheinliche
(Fabricius, 1787)] ist bundesweit nur         waren mehrfach Weibchen und eine          Interaktionen mit dem Vorkommen
noch von zwei Lokalitäten in Nieder­          Kopula. Der Aktionsradius des Falters     im Ruggeller Riet (Fürstentum Liech-
österreich und Vorarlberg bekannt. Die        erstreckt sich auf eine Fläche von rund   tenstein), wird für den langfristigen
Nachweise von 2009, 2015, 2016, 2018          zehn Hektar und umfasst Pflanzen-         Erhalt als notwendig erachtet. Bei der
und 2019 bestätigen ein aktuelles             gesellschaften der Kleinseggenrieder      Pflege des besiedelten Gebiets sollte

Eingereicht: 18.05.2021; Publiziert: 22.06.2021                                                                                 1
Zur aktuellen Situation europaweit geschützter Schmetterlingsarten (Insecta, Lepidoptera) in Vorarlberg (Österreich). II. Moor-Wiesenvögelchen ...
­ oenonympha oedippus aufgrund ihrer
C
europäischen und besonders österrei-
chischen Brisanz prioritäre Bedeutung
zugemessen werden.
Für den in Anhang IV der FFH-Richt-
linie angeführten Gelbringfalter [Lo-
pinga achine (Scopoli, 1763)] ist der
Schnittpunkt Walgau-Montafon-Klos-
tertal ein Verbreitungszentrum in Vor-
arlberg. Trotz eines momentan guten
Erhaltungszustands von Populationen
bei Bludenz (Küenberg, Plärsch, Hin-
terplärsch) und St. Anton im Montafon
sind ungünstige Entwicklungen in den
von Lopinga achine besiedelten Wald-
gebieten festzustellen. Diese manifes-
tieren sich in Form einer ungehinder-     Abb. 1: Das »vom Aussterben bedrohte« Moor-Wiesenvögelchen [Coenonympha oedip-
ten Sukzession, als Biotopzerstörung      pus (Fabricius, 1787)] kommt in Österreich nur noch an zwei Standorten im äußersten
und forstlichen Praktiken, die keine      Westen und Osten des Landes vor (frisches Weibchen, Bangs, Juli 2016, Foto: Kurt Lech-
resp. keine unmittelbare oder ledig-      ner).
lich punktuell Lebensraum fördernde
Wirkung haben. Am Küenberg sorgen
Windwurfereignisse für die natürliche     (siehe auch Huemer et al. 2021). Da-        bis einzelne Vorkommen vorhanden
Auflichtung des vom Gelbringfalter        mit sind insgesamt 39 Augenfalter-          (z. B. Bräu et al. 2010; Örvössy et al.
bewohnten Habitats. Die aktuelle,         arten aus dem Ländle bestätigt, von         2010; Šašić 2010). Die Situation in der
bekannte Verbreitungssituation ist        welchen vier als verschollen gelten.        Schweiz ist unklar (Dušej et al. 2010).
sicherlich noch lückenhaft und drin-      Unter den 35 rezent vorkommenden            Mehrere bzw. größere Populationen
gend verbesserungswürdig. Das Areal       Taxa befinden sich mit Coenonympha          oder Metapopulationen, verteilt auf
der nach gegenwärtigem Kenntnis-          oedippus (Fabricius, 1787) und Lopinga      einen vergleichsweise größeren (in Be-
stand größten Vorarlberger Populati-      achine (Scopoli, 1763) zwei in Anhang       zug zur jeweiligen Landesfläche i. d. R.
on in St. Anton im Montafon sollte un-    II und/oder IV der FFH-Richtlinie gelis-    aber ebenfalls beschränkten) geogra-
bedingt als Schutzgebiet ausgewiesen      tete Tagfalter.                             fischen Raum existieren in Frankreich,
werden und mit einer an die Bedürf-                                                   Italien, Slowenien, im Grenzbereich
nisse von Lopinga achine angepassten                                                  Polen-Weißrussland-Ukraine und im
Wirtschaftsform genutzt werden.           2 Coenonympha oedippus                      europäischen Teil Russlands (Bonelli et
                                            (Fabricius, 1787) – Moor-                 al. 2010; Caubet et al. 2019; Čelik & Verov-
                                            Wiesenvögelchen                           nik 2010; Höttinger et al. 2005; Kudrna et

1 Einleitung                                                                           al. 2015; Sielezniew et al. 2010).
                                          2.1 Verbreitung                             In der Checkliste Österreichs ist die
Mit 52 Arten (Huemer 2013) stellen die                                                Art zwar für Vorarlberg, Kärnten, die
zu den Edelfaltern (Familie Nympha-       Das Verbreitungsgebiet des Moor-            Steiermark und Niederösterreich an-
lidae) gehörenden Augenfalter (Un-        Wiesenvögelchens erstreckt sich in          geführt (Huemer 2013), kommt aktuell
terfamilie Satyrinae) die artenreichste   einem dünnen Band innerhalb des             aber nur noch an zwei sehr eng be-
Gruppe der österreichischen Tagfal-       gemäßigten klimatischen Gürtels vom         grenzten Lokalitäten in Niederöster-
ter dar. Zu den 38 aus Vorarlberg ge-     Atlantik bis zum Pazifik, wobei sich das    reich – wo lt. Höttinger & Pennerstorfer
meldeten Taxa (Huemer 2013) konnte        Hauptverbreitungsgebiet in Asien be-        (1999) sehr wahrscheinlich zwei ge-
vom Zweitautor im Rahmen der hier         findet (Bozano 2002). In Europa ist die     trennte Teilpopulationen bestehen –
behandelten Erhebungen zum Gelb-          Art nur aus wenigen Ländern bekannt         und Vorarlberg (nur eine Population)
ringfalter in St. Anton im Montafon       und extrem lokal. Hier besiedelt sie        vor, also im äußersten Westen und im
das Weißbindige Wiesenvögelchen           oft nur punktuell weit voneinander          äußersten Osten des Bundesgebiets.
[­Coenonympha arcania (Linnaeus,          entfernte, in der Regel sehr kleinräu-      In Kärnten und in der Steiermark ist
1761)] – bisher als zweifelhaft bzw.      mige Standorte. In den meisten euro-        sie schon lange ausgestorben (­Habeler
als Fehlmeldung betrachtet (Aistleitner   päischen Ländern mit rezenten Nach-         1981; Koschuh & Gepp 2008; Wieser &
1998; Huemer 2001) – ergänzt werden       weisen sind aktuell nur noch wenige         ­Huemer 1999).

inatura – Forschung online 86 (2021)                                                                                            2
Zur aktuellen Situation europaweit geschützter Schmetterlingsarten (Insecta, Lepidoptera) in Vorarlberg (Österreich). II. Moor-Wiesenvögelchen ...
In Vorarlberg besiedelte Coenonym-           Pfeifengraswiese) zu vermuten. Gesell-         relativ feuchter Umgebung gehalten,
pha oedippus einst das Rheintal zwi-         schaften der Verbände des Molinions            diese sogar zeitweise besprüht.
schen Hohenems und Feldkirch. Der            (Pfeifengraswiesen) und des Caricions          Das Moor-Wiesenvögelchen ist ein
Literatur (Aistleitner 1998; Bischof 1968;   (Kleinseggenmoore) werden auch in              Raupenüberwinterer. Wie üblich bei
Gradl 1933) und den Belegstücken der         den anderen, von der Feuchtgebiets-            dieser Strategie ist die Herbstphase
inatura (Dornbirn) sind als Fundstellen      variante des Moor-Wiesenvögelchens             durch langsames, die Frühjahrsphase
Hohenems, Mäder, Götzis, Meiningen           bewohnten europäischen Ländern                 durch schnelles Wachstum gekenn-
und der Raum Feldkirch zu entneh-            besiedelt (z. B. Bräu & Schwibinger 2013;      zeichnet (Gradl 1945; eig. Beob.). Nach
men.                                         Čelik & Verovnik 2010; Sielezniew et al.       Zuchtbeobachtungen fressen die Rau-
                                             2010; Šašić 2010). An den Rändern der          pen (Abb. 2) im Herbst teilweise bis in
2.2 Biologie und Ökologie                    Moorwiesen wie auch der Gehölz-                den Oktober, vereinzelt sogar bis in
                                             bestände zum Teil größere Flächen              den November hinein und setzen ihre
Wie die Talform des Goldenen Sche-           einnehmende Mädesüßfluren spielen              Entwicklung nach den ersten wärme-
ckenfalters      [Euphydryas     aurinia     keine Rolle für Coenonympha oedip-             ren, sonnigen Tagen im März bzw. Ap-
(Rottemburg, 1775)) und das Blaukern-        pus, genauso wie ein kleinerer Schilf-         ril fort (Bräu et al. 2016; Gradl 1945; eig.
auge [Minois dryas (Scopoli, 1763)] tritt    bestand.                                       Beob.). Im Unterried bei Feldkirch fand
das Moor-Wiesenvögelchen in zwei             Gradl (1933: 259) beschreibt die Flug-         Gradl (1945) am 12.05.1934 acht Rau-
Ökovarianten auf. Im europäischen            plätze der damals noch an sechs                pen, die sich ab Mitte Juni verpuppten.
Areal wurden bzw. werden in Nordita-         Standorten in Vorarlberg vorkom-               Leider existieren dazu keine Angaben
lien (Bonelli et al. 2010; Habeler 1972;     menden Art wie folgt: »Die Lokalitäten,        bezüglich der im Freiland genutzten
Kitschelt 1925; Kolar 1919; Sala 1996;       an denen C. oedipus [sic!] hier fliegt,        Pflanzenarten. Nicht uninteressant ist
Wolfsberger 1965) und Slowenien (Čelik       sind Sumpf-, Ried- und Heidewiesen             seine Bemerkung, dass »das Abschüt-
& Verovnik 2010) sowohl trockenwar-          der Rheinniederungen, die in manchen           teln der Pflanzen über dem untergehal-
me als auch feuchte Lebensräume              Jahren durch das steigende Grundwas-           tenen Kätscher nicht zum Erfolg führte,
besiedelt. Alle anderen bekannten            ser sehr nass werden können, vom Süd­          weil der Leinensack durch das zu dieser
Vorkommen des Kontinents sind auf            westen her vom Föhn, von der Gegensei-         Jahreszeit reichlich zwischen den Pflan-
Flachmoore und Pfeifengraswiesen             te her von den frischen Nordostwinden          zen vorhandene Sumpfwasser rasch
beschränkt, so auch die österreichi-         (hier Unterluft genannt) bestrichen            durchtränkt und unbrauchbar war«
schen Restpopulationen (Aistleitner          werden und eine ganz eigentümliche             (Gradl 1945: 15).
1998; Höttinger & Pennerstorfer 1999).       Mischflora aufweisen.« Die kleinklima-         Als Raupennährsubstrat werden in
Die letzte verbliebene Vorarlberger          tischen Bedingungen hat Gradl (1945)           der Literatur verschiedene Gräser ge-
Population lebt in niederen bis etwas        auch in seinen Zuchten berücksichtigt,         nannt. Aus den Lebensräumen durch
höheren, leicht bis mäßig verschilf-         und mit Erfolg Raupen bzw. Puppen in           Funde bestätigt sind Carex davalliana,
ten, meist sehr grasreichen, als Streu-
wiesen genutzten Pfeifengraswiesen
und Kopfbinsenriedern auf feuch-
ten bis nassen Böden, in welchen
Sumpf-Gladiole und Lungenenzian
Charakterpflanzen darstellen. Zum
Lebensraumensemble gehören auch
eingestreute und Teile des Gebiets
umrahmende Gehölzgruppen. Die
für Coenonympha oedippus entschei-
denden Pflanzengesellschaften sind
der Vegetationsbeschreibung von
Grabher (1996) und den aktuellen Fal-
terbeobachtungen zufolge wohl im
Schoenetum ferruginei (Gesellschaft
der Rostroten Kopfbinse) und Scho-
enetum nigricantis (Gesellschaft der
Schwarzen Kopfbinse) sowie im Allio
suaveolentis-Molinietum (Duftlauch-
Pfeifengraswiese) und Selino-Moli-           Abb. 2: Erwachsene Raupe des Moor-Wiesenvögelchens [Coenonympha oedippus
nietum caeruleae (Mitteleuropäische          ­(Fabricius, 1787)] (Bangs, Zuchtfoto, Kurt Lechner).

inatura – Forschung online 86 (2021)                                                                                                  3
Zur aktuellen Situation europaweit geschützter Schmetterlingsarten (Insecta, Lepidoptera) in Vorarlberg (Österreich). II. Moor-Wiesenvögelchen ...
Carex humilis, Carex panicea, Festuca         Wirtspflanzen die entscheidenden              das phänologische Auftreten der Fal-
rupicola und Molinia caerulea (Bräu et        Faktoren für das Überleben der Art            ter von der Frühjahrswitterung ab-
al. 2016; Čelik et al. 2014; Dierks 2006;     sind (Bräu et al. 2016; Čelik et al. 2014).   hängt (Gradl 1933), nur bestätigt wer-
Sielezniew et al. 2010). Die Hirse-Segge,     Bräu & Schwibinger (2013) argumentie-         den. Normalerweise sind die Imagines
Carex panicea, kommt neben anderen            ren, dass über offener Streu schon im         von (Mitte) Ende Juni bis Mitte (Ende)
zur Eiablage genutzten Seggen (s. u.)         zeitigen Frühjahr Temperaturen über           Juli zu finden. Nasskalte Verhältnisse
und dem Pfeifengras auch am Vorarl-           30 °C erreicht werden und in den Ve-          im Frühling führen zu einer Verschie-
berger Standort vor. Weitere in der           getationslücken ein geschütztes Klein-        bung um zwei bis drei Wochen, sodass
Literatur genannte Ried- und Süßgrä-          klima bei gleichzeitig hoher Luftfeuch-       die ersten Falter Anfang Juli, die letz-
ser (z. B. Čelik 2004; Lhonoré 1996; SBN      te herrscht, womit diese Stellen nach         ten noch bis Mitte August beobachtet
1994) sind lediglich Zuchtpflanzen            der Überwinterung für das Überleben           werden können. In warmen Jahren
(vgl. Bräu & Schwibinger 2013; Čelik et al.   der Raupen besonders wichtig sein             schlüpfen die ersten Falter bereits in
2014). Dennoch belegen diese Berich-          dürften. Die Notwendigkeit von per-           der ersten Junidekade (Gradl 1933).
te wie auch eigene Erfahrungen, dass          manent »grünem« Gras hat sich auch
die Raupe von Coenonympha oedippus            in den selbst durchgeführten Zuch-            2.3 Gefährdung
so wie viele andere Satyrinae keine           ten mit Vorarlberger Material gezeigt,
hoch ausgeprägte Spezifität hinsicht-         wo die Raupen nach der kurzen Win-            Das Moor-Wiesenvögelchen bewohnt
lich ihrer Fraßpflanzen aufweist und          terruhe lange vor dem Austrieb von            in Europa nur kleine Flächen in einem
in ihren Lebensräumen neben Molinia           Pfeifengras aktiv wurden. Auch Gradl          insgesamt sehr zersplitterten Areal. In
spp. vor allem diverse Carex-Arten zu         (1945) berichtet von frühzeitiger »Un-        der Slowakei und in Bulgarien ist es
nutzen in der Lage ist.                       ruhe« überwinternder Raupen durch             bereits ausgestorben (Wiemers 2007),
Die Eiablagesubstrate sind durch              anhaltendes Föhnwetter.                       in anderen Ländern durch starke Be-
Freilandbeobachtungen in diversen             Die Imagines wurden nur selten beim           standseinbußen immer mehr im Rück-
Ländern gut abgesichert. Dazu zäh-            Blütenbesuch registriert, auch in indi-       gang begriffen (z. B. Čelik et al. 2014;,
len lebende oder trockene Blätter von         viduenreichen, genauer untersuchten           Lhonoré & Lagarde 1999 zit. in Örvössy
Carex davalliana, Carex gracilis, Carex       Populationen. Für Slowenien wird etwa         et al. 2010; Örvössy et al. 2010; Šašic
hostiana, Carex panicea, Carex tomen-         nur Potentilla erecta als Nektarpflanze       2010). In den Roten Listen gefährdeter
tosa, Gratiola officinalis, Molinia arun-     genannt (Čelik 2004), für Kroatien Di-        Schmetterlinge Vorarlbergs, Nieder-
dinacea, Molinia caerulea, ­     Schoenus     anthus liburnicus, Gratiola officinalis,      österreichs und Österreichs wie auch
nigricans wie auch zusätzliche, defini-       Inula salicina und Potentilla reptans         Deutschlands, der Schweiz, Kroatiens
tiv nicht als Raupennahrung genutzte          (Šašic 2010). Aus Bayern werden Buph-         und Polens ist Coenonympha oedippus
Pflanzenarten, etwa Calluna vulgaris          thalmum salicifolium, Cirsium tubero-         als »Critically endangered« eingestuft
oder Cirsium palustre (Bonelli et al. 2010;   sum, Inula salicina, Potentilla erecta,       (Huemer 2001; Höttinger & Pennerstorfer
Bräu et al. 2016; Čelik & Verovnik 2010;      Valeriana dioica und Frangula alnus           1999, 2005; Reinhardt & Bolz 2012; Wer-
Parde 2014; Sielezniew et al. 2010). Öko-     gemeldet (Bräu & Schwibinger 2013). Die       meille et al. 2014; Šašic & Kučinić 2004;

logische Untersuchungen in mehreren           einzigen bisher in Bangs registrierten        Glowaciński & Nowacki 2004). In der Eu-
europäischen Staaten haben ergeben,           Saugpflanzen sind Inula salicina (ein         ropean Red List of Butterflies wird sie
dass eine an Lücken (nicht Rohboden)          Männchen) und Serratula tinctoria (ein        als »Endangered« geführt (Van Swaay
reiche Vegetationsstruktur, bedingt           Weibchen).                                    et al. 2010). In der Fauna-Flora-Habi-
durch eine hohe Streudeckung, wie             Was die Flugzeit in Vorarlberg betrifft,      tat-Richtlinie ist sie in den Anhängen II
auch die Verfügbarkeit wintergrüner           kann die Behauptung Gradls, wonach            und IV vertreten.

Abb. 3: Aus dem Unterried existieren bis in die Mitte der 1970er Jahre Funde des Moor-Wiesenvögelchens. Austrocknung und damit
verbundene Nährstofffreisetzungen haben den ehemaligen Lebensraum inzwischen stark verändert und zum lokalen Aussterben
von Coenonympha oedippus (Fabricius, 1787) geführt (19.07.2019, Foto: Kurt Lechner).

inatura – Forschung online 86 (2021)                                                                                               4
Zur aktuellen Situation europaweit geschützter Schmetterlingsarten (Insecta, Lepidoptera) in Vorarlberg (Österreich). II. Moor-Wiesenvögelchen ...
2.4 Aktuelle Verbreitung und               die Tiere im Bangser Ried, dem letz-
                                                                                         Datum          ♂        ♀      ges.     Transekt
  Bestandssituation in Vorarl-             ten noch verbliebenen Vorarlberger
                                                                                         10.07.2015      9       1        10       k.Z.
  berg                                     Standort (s. Tabelle). Dort wo Gradl          17.07.2015     26       2        28       k.Z.
                                           am 12. Mai 1934 (Gradl 1945: 15) über         18.07.2016      1       2         3       k.Z.
                                                                                         07.08.2016      1       0         1       k.Z.
Lange Zeit galten die von Huemer           »nassem Grunde« acht Raupen von
                                                                                         04.07.2018   ca. 35   ca. 28     63       16
(1996) publizierten Funde des Moor-        Coenonympha oedippus aus der Vege-            18.07.2018      0       5       k.A.      k.Z.
Wiesenvögelchens von 1994 und 1995         tation schüttelte, ist der Grundwas-          19.07.2019    k.A.     k.A.    ca. 60     k.Z.
                                                                                         01.08.2019      1       9        10       k.Z.
als die letzten Nachweise dieser Art in    serstand durch flussbauliche Maßnah-
Vorarlberg. Trotz mehrmaliger Nach-        men seit den 1960er Jahren z. T. um          Tab. 1: Zusammenfassende Darstellung
suche (vgl. Aistleitner et al. 2006) ge-   rund 1,6 Meter gefallen (Grabher 1996).      der von den Autoren im Auftrag der inatu-
langen keine weiteren Sichtungen bis       Nach Grabher (l. c.) sind die Streuwie-      ra Dornbirn und dem Umweltbundesamt
2009, wo der Falter vom Zweitautor         sen des nordwestlichen Unterrieds            Wien erhobenen Daten im Rahmen der
an der bekannten Stelle »wiederent-        aufgrund der Torfmineralisierung stark       FFH-Kartierung des Moor-Wiesenvögel-
deckt« wurde.                              eutrophiert und gestört.                     chens [Coenonympha oedippus (Fabricius,
                                                                                        1787)] am einzigen verbliebenen Vorarl-
2.5 Befunde aus den Gelände-               Bangser Ried                                 berger Standort in Bangs.
  erhebungen                               Am einzigen noch besiedelten Stand-          (ges = Gesamtzahl der Imagines; Transekt
                                           ort bei Bangs fanden 2015, 2016, 2018        = Individuen im Transekt; k.A. = keine An-
Unterried                                  und 2019 insgesamt acht Begehungen           gabe; k.Z. = keine Zählung)
Für die Beurteilung der aktuellen Situ-    statt (Tab. 1; Abb. 4). In den Jahren 2015
ation fanden Begehungen der beiden         und 2016 wurde vom durch das Ge-
bis in die 1970er bzw. 1990er Jahre        biet verlaufenden Wirtschaftsweg aus
besiedelten Standorte im Natura-           observiert, die Flächen aus Rücksicht        Situation (Letztfunde 2009 und 1995),
2000-Gebiet Bangs-Matschels (Aist-         auf den Naturschutz trotz Forschungs-        jene im kühlen und regnerischen
leitner 1998; Huemer 1996) statt. Das      auftrag nicht betreten. 2018 und 2019        2016 waren lediglich kurze Besuche
Unterried, wo aus den 1960ern und          wurden Zählungen in der Fläche bzw.          im Anschluss an andere Erhebungen
1970ern (bis 1976) mehrfach Belege         entlang eines 500-Meter-Transekts            oder auf andere Ziele ausgerichtet.
vorliegen (Aistleitner 1998), wurde am     durchgeführt, 2019 aber nur »neben-          Die dabei gemachte Beobachtung am
10.07.2015, am 19.07.2019 und am           bei« (daher kein genauer Zahlenwert)         07.08.2016 eines zwar geflogenen,
01.08.2019 unter günstigen Bedin-          im Rahmen einer Kartierung von Phen-         aber für diese Zeit insgesamt noch
gungen aufgesucht (Abb. 3). Falter         garis teleius und Phengaris nausithous.      in recht gutem Zustand befindlichen
des Moor-Wiesenvögelchens wurden           Die Aufnahmen 2015 dienten der ge-           Männchens (!) ist zumindest phänolo-
nicht gefunden. An allen Tagen flogen      nerellen Überprüfung der aktuellen           gisch bemerkenswert.
                                                                                        Mit mehr als bzw. rund 60 Individuen
                                                                                        wurden die höchsten Abundanzen am
                                                                                        04.07.2018 (Ortner & Lechner 2018) und
                                                                                        am 19.07.2019 registriert. Der Maxi­
                                                                                        malwert 2015 lag bei 28 Imagines
                                                                                        (vom Weg aus gezählt!).

                                                                                        2.6 Diskussion

                                                                                        Das 1925 von einem Vorarlberger
                                                                                        Sammler in der Feldkircher Rheinaue
                                                                                        entdeckte (Gradl 1933), bis in die
                                                                                        1930er Jahre aus mehreren Stellen des
                                                                                        Rheintals bekannte Moor-Wiesenvö-
                                                                                        gelchen weist im Ländle aktuell nur
                                                                                        noch ein Restvorkommen im Euro-
                                                                                        paschutzgebiet Bangs-Matschels auf.
Abb. 4: Die letzte Vorarlberger Population des Moor-Wiesenvögelchens [Coenonympha       Die Befürchtung, dass die im europä-
oedippus (Fabricius, 1787)] besiedelt niedere Pfeifengraswiesen und Kopfbinsenrie-      ischen Kontext so brisante Art auch in
der auf stauenden Bodenschichten im unmittelbaren Grenzbereich zu Liechtenstein         diesem letzten Vorarlberger Refugium
(04.07.2018, Foto Kurt Lechner).                                                        verschwunden sein könnte (Aistleitner

inatura – Forschung online 86 (2021)                                                                                                        5
Zur aktuellen Situation europaweit geschützter Schmetterlingsarten (Insecta, Lepidoptera) in Vorarlberg (Österreich). II. Moor-Wiesenvögelchen ...
1998; Aistleitner et al. 2006), kann mit
den Nachweisen von 2009, 2015, 2016,
2018 und 2019 entkräftet werden.
Über die großflächige Zerstörung be-
siedelter Habitate in Feldkirch – wo
Coenonympha oedippus in großer Zahl
vorgekommen sein muss – im Zuge
der 1924 begonnen Entwässerungs-
und Kultivierungsarbeiten der großen
Vorarlberger Moor- und Sumpfgebie-
te berichtet bereits Gradl (1933). An-
gesichts des Verlusts der Feldkircher
Rheinaue und des Unterrieds 1929
bzw. 1930 (paradoxerweise fand er           Abb. 5: Im Laufe dieser Untersuchung festgestellter Aktionsradius von Coenonympha
wenige Jahre später mehrere Raupen          oedippus (Fabricius, 1787) in Bangs/Vorarlberg (Kartengrundlage: VoGIS).
im seiner Beschreibung nach sump-
figen, und damit wohl noch intakten
Unterried) zeichnete der Autor schon
damals eine düstere Zukunft für den
Falter indem er prophezeite: »Leider
wird auch hier [in Vorarlberg, Anm.] der
Schmetterling durch die fortschreitende
Kultivierung des nassen Oedlandes im-
mer mehr verdrängt und wird schließ-
lich, wie dies bereits anderwärts schon
geschehen ist, mit der Trockenlegung
der Sümpfe ganz verschwinden« (Gradl
1933: 259).
Dass 14 Jahre lang trotz gelegentlicher
Nachsuche keine Tiere in Bangs gefun-
den werden konnten, mag mehrere
Gründe haben. Zum einen sind vom
Wirtschaftsweg aus tatsächlich nur          Abb. 6: Kopula des Moor-Wiesenvögelchens [Coenonympha oedippus (Fabricius, 1787)]
wenige Individuen zu beobachten,            in Bangs/Vorarlberg (04.07.2018, Foto: Alois Ortner).
besonders bei nur kurzen Visiten. Zum
anderen spielen Witterungsfaktoren
(Wind, Sonne, Temperatur) eine wich-        Werte jedoch eine Aufnahme in der            100 Meter bei einer Gesamtlänge von
tige Rolle für die Aktivität. Schließlich   Fläche, direkt im Larval- und Imagi-         1050 Metern (Sielezniew et al. 2010). Bei
handelt es sich noch um eine sehr           nalhabitat, unabdingbar. Das zeigt der       Bestandsgrößenschätzungen einer in
standorttreue Art mit geringer Mobili-      Vergleich der Zahlen vom 04.07.2018,         Bayern 1996 wiederentdeckten Po-
tätslust (kurze Flüge) und nur kleinem      wo in der Fläche 63 Falter gezählt           pulation (Flächengröße 1,11 Hektar)
Aktionsradius. In Slowenien erstreck-       wurden, im 500-Meter-Transekt aber           anhand von Transektbegehungen
ten sich nur 21 % der Ortsverlage-          lediglich 16 (ca. 25 %). Im angrenzen-       wurden zwischen 26 (1999) und 129
rungen der Männchen und nur 8 %             den, flächenmäßig vergleichsweise            Imagines (2005) gezählt (Bräu et al.
der Weibchen über 100 Meter. Mehr           sehr großen, mit dem Vorarlberger            2010).
als 200 Meter bewegten sich nur 3 %         Standort eine naturräumliche Einheit         Wie in anderen europäischen Ländern
(Männchen) bzw. 1 % (Weibchen) der          bildenden Ruggeler Riet in Liechten-         (z. B. Bonelli et al. 2010; Šašic 2010; Sie-
Tiere (Čelik & Verovnik 2010). Das ist      stein wurden 2005 bei einer Untersu-         lezniew et al. 2010) ist das Moor-Wiesen-

auch eine wichtige Erkenntnis für die       chung der Coenonympha oedippus-              vögelchen auch in Vorarlberg durch
Überwachung des Bestands. Aus na-           Population 87 Nachweise erbracht             Intensivierungsmaßnahmen und Aus-
turschutzfachlichen Gründen ist eine        (ohne Angabe der Methodik) (Staub &          trocknungstendenzen im Zuge von
Transektzählung entlang des durch           Aistleitner 2006). L­ inientaxierungen in    Flussregulierungen bzw. Drainagie-
das Gebiet führenden Wirtschafts-           Polen (Zawadówka nahe Chelm) erga-           rungen der ehemals bzw. noch besie-
weges geboten, für aussagekräftige          ben durchschnittlich 7 Individuen pro        delten Standorte verschwunden resp.

inatura – Forschung online 86 (2021)                                                                                               6
Zur aktuellen Situation europaweit geschützter Schmetterlingsarten (Insecta, Lepidoptera) in Vorarlberg (Österreich). II. Moor-Wiesenvögelchen ...
bedroht (Gradl 1933; Huemer 1996). Ha-          In über einen längeren Zeitraum hin-        die Reaktion von Coenonympha oedip-
bitatverluste, -fragmentierungen und            weg ungestörten Lebensräumen kann           pus überprüft werden. Zu starker Ver-
-veränderungen als Folge von Mine-              sich eine für die Larvalentwicklung         schilfung neigende Habitatbereiche
ralisierungsprozessen der Torfböden             günstige Streudeckung etablieren.           (Abb. 7) könnten kleinräumig nach
und damit einhergehenden Eutro-                 Darüber hinaus sind die Aussichten          deutschem Vorbild behandelt werden.
phierungen oder anhaltende Sukzes-              für eine erfolgreiche Entwicklung der       Was mindestens geschehen muss, ist
sionsvorgänge mit zunehmender Ver-              nur während weniger Monate im Win-          speziell für das noch bewohnte Gebiet
schilfung bzw. Verbuschung führten              ter inaktiven, aber auch dann noch          eine Rückverlegung des zurzeit ge-
zu immer stärkeren Dezimierungen                teilweise oberhalb der Streuschicht         setzlich vorgeschriebenen Mahdter-
und Isolierungen der nutzbaren Flä-             sitzenden Raupen ohne Störungsein-          mins um vier Wochen.
chen wie auch des besiedelten Raums             flüsse am besten (Čelik et al. 2014; eig.   Das momentan vorhandene Wissen
(z. B. Bischof 1968; Örvössy et al. 2010;       Beob.). Aus diesen Gründen empfeh-          über die das Bangser Ried besiedeln-
Šašic 2010; Sielezniew et al. 2010; Staub &     len Čelik et al. (2014) in den von Coeno-   de Population des Moor-Wiesenvögel-
Aistleitner 2006).                              nympha oedippus besetzten Habitaten         chens ist insgesamt noch sehr lücken-
Über das europäische Areal hinweg               lediglich einem Überwachsen mit Ge-         haft. Populationsgrößenschätzungen
besiedelt die im feuchten Grasland              hölzen oder Schilf entgegenzuwirken.        (wie in vielen anderen europäischen
beheimatete Form des Moor-Wiesen-               Eine Mahd halten sie im Zeitraum von        Ländern schon vor vielen Jahren um-
vögelchens regelmäßig im Herbst                 Dezember bis Februar als am ehesten         gesetzt – z. B. Bonelli et al. 2010; Čelik
gemähte Wiesen (z. B. in Vorarlberg             verträglich. Einer zu starken Verschil-     2004; Čelik & Verovnik 2010; Örvössy et
und Liechtenstein), nur selten oder             fung wirkt man in Deutschland mittels       al. 2010; Šašic 2010), mehrfache jähr-
sporadisch einer Pflegemahd unter-              hohem Schnitt der betroffenen Flä-          liche Transektbegehungen (auch in
worfene Biotope (Bonelli et al. 2010;           chen zur Flugzeit entgegen (Čelik et al.    der Fläche!) und Erhebungen der tat-
Örvössy et al. 2010; Šašic 2010) oder im        2014).                                      sächlich zur Reproduktion genutzten
Extremfall sogar über mehrere Jahr-             Demzufolge ist der von der Schutz-          Habitatteile (Eiablagebeobachtungen,
zehnte hinweg brachliegendes Ge-                gebietsbetreuung im Bangser Ried            Raupensuche) wie auch zur Wirk-
lände (Bräu et al. 2010). Als Standorte         seit kurzem eingeschlagene Weg              samkeit des Pflegeregimes (Brachen)
mit den höchsten Individuendichten              mit der Errichtung von Rotationsbra-        sollten nicht nur in Bangs durchge-
haben sich ältere Sukzessionsstadien            chen (schriftl. Mitt. Petra Häfele) ein     führt werden, sondern das gesamte
mit lichtungsähnlichem Charakter und            Schritt in die richtige Richtung. Eine      (grenzüberschreitende) Vorkommen
einer dominierenden Streuschicht so-            Vergrößerung der Bracheanteile so-          inkludieren. Empfehlungen einer län-
wie wenigen, im Habitat vereinzelt              wie eine zeitliche Verlängerung der         derübergreifenden Kooperation zum
eingesprengten Gehölzen und oftmals             von Pflegeeingriffen ungestörten            Erhalt von Naturschutzwerten im Al-
umrahmenden Hecken herausgestellt               Abschnitte auf mindestens zwei oder         penrheintal wurden bereits von Staub
(Bonelli et al. 2010; Bräu et al. 2016; Čelik   drei Jahre sollte anvisiert, dabei aber     & Aistleitner (2006) formuliert.
et al. 2014; Örvössy et al. 2010).              auch die Vegetationsentwicklung und         In Anbetracht der europaweiten Be-
                                                                                            deutung, der sehr kritischen Situation
                                                                                            in Österreich, aber auch angesichts ei-
                                                                                            ner erfolgversprechenden Ausgangs-
                                                                                            lage sollte Coeonympha oedippus eine
                                                                                            vorrangige Behandlung bei der Abwä-
                                                                                            gung von Naturschutzzielen im Bangs-
                                                                                            er Ried zukommen. Außerdem kann
                                                                                            aus Sicht der Autoren durchaus auch
                                                                                            darüber nachgedacht werden, dieses
                                                                                            Highlight der Landesfauna unter wis-
                                                                                            senschaftlicher Begleitung an anderen
                                                                                            geeigneten Standorten in Vorarlberg
                                                                                            anzusiedeln.

Abb. 7: Zu starke Verschilfung beeinträchtigt die Habitateignung für Coenonympha
oedippus (Fabricius, 1787) (Bangs, Vorarlberg, 19.07.2019, Foto: Kurt Lechner).

inatura – Forschung online 86 (2021)                                                                                                7
Zur aktuellen Situation europaweit geschützter Schmetterlingsarten (Insecta, Lepidoptera) in Vorarlberg (Österreich). II. Moor-Wiesenvögelchen ...
3 Lopinga achine (Scopoli,
  1763) – Gelbringfalter

3.1 Verbreitung

Der Gelbringfalter (Abb. 8) ist von
Frankreich über Mitteleuropa, das süd-
liche Fennoskandien und den in der
gemäßigten Zone Asiens befindlichen
Waldgürtel bis nach Japan, mit isolier-
ten Vorkommen im Nordwesten der
Iberischen Halbinsel verbreitet (Kudrna
et al. 2015).
In Österreich ist er aus allen Bundeslän-
dern bekannt (Huemer 2013). Hinsicht-
lich des aktuellen Verbreitungsbildes
bzw. der Bestandssituation ist die Lage        Abb. 8: Mit seiner auffallend gezeichneten Flügelunterseite gehört der Gelbringfalter
nur in Nordtirol einigermaßen günstig          zu den leicht ansprechbaren heimischen Schmetterlingsarten (21.06.2017, St. Anton im
(vgl. Gros 2004; Höttinger & Pennerstor-       Montafon, Foto: Kurt Lechner, Studioaufnahme).
fer 1999, 2005; Koschuh & Gepp 2008;

Wieser & Huemer 1999). In Vorarlberg ist
Lopinga achine aus dem Leiblachtal,
dem Rheintal, dem Bregenzerwald,
dem Walgau, dem Rätikon, dem Klos-
tertal und dem Montafon gemeldet
(Aistleitner 1998; Aistleitner & Aistleitner
2000; Huemer 2001; Hiermann unveröff.).

3.2 Biologie und Ökologie

Der Gelbringfalter gehört zu den weni-
gen Waldarten unter den heimischen
Tagfaltern. Er besiedelt lichte, gut
strukturierte, luftfeuchte Wälder mit
reichlich Grasunterwuchs und nutzt
dabei alle Strata. Die (in allen Stadi-
en?) nachtaktive, überwinternde Rau-           Abb. 9: Raupe des Gelbringfalters [Lopinga achine (Scopoli, 1763)] vor der Überwinte-
pe (Abb. 9) ernährt sich, wie wohl die         rung (15.10.2017, Foto: Kurt Lechner, Studioaufnahme).
meisten Satyrinae, generell von einem
breiteren Spektrum diverser Gräser, ist        die Hauptnahrungsquelle sein dürf-          Für die präimaginale Entwicklung sind
regional oder lokal aber vermutlich            ten, zeigt ein Fund an Brachypodium         warmfeuchte Bodenverhältnisse von
auf wenige oder gar nur eine einzige           sylvaticum in der Schweiz (SBN 1994),       großer Bedeutung, da bereits bei ei-
Grasart/en beschränkt (vgl. Bergmann           eine Eiablagebeobachtung in Baden-          ner relativen Luftfeuchte von 30 % ein
2000). In Baden-Württemberg, Bayern            Württemberg in einen Brachypodium           Totalausfall der Eier auftritt (Karlsson
bzw. Schweden hat man sie an Carex             pinnatum-Bestand (Ebert & Rennwald          & Wiklund 1985). Im eigenen Zucht-
alba, Carex montana und Carex flacca,          1991) und diverse Zuchterfahrungen          versuch stellen die Raupen nach den
in der Steiermark an Carex brizoides           (Belling 1925; Bergmann 2000; SBN 1994;     ersten Frösten Ende Oktober das Fres-
gefunden (Bergmann 2000; Ebert & Renn-         Weidemann 1988; eigene Zucht des Erst-      sen ein und spinnen sich an Blättern
wald 1991; Geyer & Dolek 2013; Koschuh         autors an Poa annua mit Vorarlberger        fest. Als Energiequellen dienen den
2008). Eiablagen wurden in Ungarn              Material), dass auch Süßgräser zum          Faltern besonders feuchte Wegstellen,
an Carex fritschi, Carex michelii, Carex-      Speiseplan der Raupen gehören. Die          tote Kleintiere und Säugerkot, seltener
Streu und an einer Potentilla-Art inmit-       durchaus naturschutzfachlich relevan-       Blüten. Aus Vorarlberg liegen dazu Be-
ten eines Carex-Bestands beobachtet            te Frage der larvalen Substratnutzung       obachtungen auf Liguster (mehrfach,
(Konvicka et al. 2008). Obwohl Seggen          ist in Vorarlberg noch nicht geklärt.       Aistleitner & Aistleitner 2000), Brom­

inatura – Forschung online 86 (2021)                                                                                              8
Zur aktuellen Situation europaweit geschützter Schmetterlingsarten (Insecta, Lepidoptera) in Vorarlberg (Österreich). II. Moor-Wiesenvögelchen ...
beere und Wasserdost (Lechner & Ortner    3.3 Gefährdung                               handen, dort aber »stark gefährdet«
2017) vor. Die Flugzeit ist witterungs-                                                bzw. sogar »vom Aussterben bedroht«
bedingten Schwankungen unterwor-          Lopinga achine ist in der European Red       (Ebert et al. 2005; Geyer & Dolek 2013;
fen. Im Bezugsraum datiert die frühes-    List of Butterflies wie in der Roten Liste   Reinhardt et al. 2020). In der Schweiz ist
te Meldung vom 29.05.1934 (Aistleitner    gefährdeter Schmetterlinge Vorarl-           Lopinga achine »nur noch durch rest-
1998), die späteste vom 04.08.2016        bergs als »Vulnerable« eingestuft (­Van      riktive Schutzmaßnahmen zu bewah-
(Lechner & Ortner 2017). Im nasskalten    Swaay et al. 2010; Huemer 2001). In der      ren« (SBN 1994: 116). Hier sind viele äl-
2016er Jahr dauerte die Flugzeit in       Roten Liste der Tagfalter Österreichs        tere Vorkommen bereits erloschen, die
Allma (St. Anton im Montafon) vom         ist der Gelbringfalter als »Endange-         Art mit Ausnahme des Tessins überall
letzten Junidrittel (mehr als 60 Falter   red« eingetragen (Höttinger & Penner-        zerstreut und selten (Schiess 2004). In
am 28.06.) bis Anfang August (ein Fal-    storfer 2005). Wesentlich kritischer ist     Südtirol ist sie vermutlich noch vor-
ter noch am 04.08.) und erstreckte sich   die Situation im benachbarten Aus-           handen, wurde aber seit 2002 nicht
damit über einen Zeitraum von mehr        land. So ist die früher aus nahezu allen     mehr nachgewiesen (Huemer 2015). In
als fünf Wochen.                          deutschen Bundesländern bekannte             Tschechien schließlich hat nur eine Po-
                                          Art in Deutschland aktuell nur noch in       pulation bis in die Gegenwart überlebt
                                          Bayern und Baden-Württemberg vor-            (Konvicka et al. 2008).

                                                                                       3.4 Aktuelle Verbreitung und
                                                                                         Bestandssituation in Vorarl-
                                                                                         berg

                                                                                       Von 1997 bis zum Beginn der vorlie-
                                                                                       genden Untersuchung wurde Lopin-
                                                                                       ga achine im Bregenzerwald (Doren-
                                                                                       Rohrhalden – Aistleitner & Aistleitner
                                                                                       2000), im Walgau (Ludescherberg, Lo-
                                                                                       rüns, Bludenz – Aistleitner & Aistleitner
                                                                                       2000; Aistleitner unveröff.; Hiermann
                                                                                       unveröff.), im Rätikon (Bürserberg –
                                                                                       Hiermann unveröff.) und im Montafon
                                                                                       (St. Anton – Huemer 2001; Aistleitner
                                                                                       unveröff.) nachgewiesen (unveröffent-
                                                                                       lichte Funde sind der Datenbank der
                                                                                       inatura entnommen).
                                                                                       Den aktuellen Erkenntnissen zufolge
                                                                                       wird der Schnittpunkt Walgau-Mon-
                                                                                       tafon-Klostertal als landesweites Zent-
                                                                                       rum für den Gelbringfalter angesehen
                                                                                       und den hier vorhandenen Vorkom-
                                                                                       men besondere Bedeutung für den
                                                                                       langfristigen Erhalt der Art in Vorarl-
                                                                                       berg beigemessen.

                                                                                       Abb. 10: Verbreitungskarte von Lopinga
                                                                                       achine (Scopoli, 1763) in Vorarlberg. Dar-
                                                                                       gestellt sind die den Autoren bekannten
                                                                                       rezenten bzw. subrezenten Funde von
                                                                                       1998 bis 2017 (rot) sowie der begange-
                                                                                       ne Standort (ohne Falternachweise) in
                                                                                       Dornbirn-Gütle (weiß). Nicht überprüfte
                                                                                       historische Fundmeldungen sind nicht
                                                                                       berücksichtigt (Kartengrundlage: VoGIS).

inatura – Forschung online 86 (2021)                                                                                           9
Zur aktuellen Situation europaweit geschützter Schmetterlingsarten (Insecta, Lepidoptera) in Vorarlberg (Österreich). II. Moor-Wiesenvögelchen ...
3.5 Befunde aus den Gelände-
  erhebungen der Vorstudie
  (2015-2017)

Auf der Suche nach der Zielart fanden
2016 und 2017 Erhebungen in St. An-
ton im Montafon, Bürs, Bludenz (Küen-
berg, Plärsch, Hinterplärsch), dem
Ludescherberg und Dornbirn (Gütle)
statt.

Montafon
St. Anton im Montafon wurde im Ge-
gensatz zu den übrigen Gebieten im
Laufe der Vorstudie dreimal begangen
(17.06.2016, 28.06.2016, 04.08.2016).
Die erhobenen Daten beziehen sich           Abb. 11: Im Mischwald direkt westlich des Natura-2000-Gebiets Davenna lebt die nach
auf den botanisch artenreichen (Acer        aktuellem Kenntnisstand größte Population des Gelbringfalters [Lopinga achine (Sco-
pseudoplatanus, Corylus avellana, Fa-       poli, 1763)] in Vorarlberg (28.06.2016, Foto: Kurt Lechner).
gus sylvatica, Frangula alnus, Fraxinus
excelsior, Ligustrum vulgare, Lonicera
xylosteum, Picea abies, Pinus sylvestris,   Walgau                                        schutzgebiet Klostertaler Bergwälder
Ulmus sp.,…), vertikal schön struktu-       Neben St. Anton ist der Großraum              gehörende Küenberg, wo der Gelb-
rierten, oft lichten, abschnittsweise       Bludenz als zweites rezentes Kernge-          ringfalter bis ins Jahr 2000 belegt ist.
von Rot-Föhre oder Fichte dominier-         biet des Gelbringfalters in Vorarlberg        Auf dem teilweise zwar recht dichten,
ten, und mit reichlich Gräsern und          anzusehen. Inklusive dem Ludescher-           abschnittsweise aber auch sehr gras-
Sträuchern im Unterwuchs ausge-             berg und Bürs existieren sowohl aus           reichen und lichteren, nadelholzdo-
statteten Mischwald bei Allma, direkt       den nördlich, nordöstlich als auch            minierten, im Unterwuchs vielfach
westlich des Natura-2000-Gebiets            südwestlich an die Bezirkshauptstadt          strauchreichen, botanisch sehr arten-
Davenna (Abb. 11). Während bei der          angrenzenden Hänge der Kalkalpen              reichen Mischwald (mit autochtho-
ersten Exkursion noch keine Falter          historische bzw. aktuelle Funde von           nem Vorkommen der Stechpalme)
der Zielart gefunden wurden, war            Lopinga achine.                               konnten am 19.06.2017 entlang des
der zweite Termin (28.06.2016) sehr         Vorrangiges Ziel der vorliegenden Er-         Waldlehrpfads ca. 15 Imagines von Lo-
günstig. Sowohl Richtung Davenna            hebungen war der noch zum Europa­             pinga achine gezählt werden (Abb. 12).
als auch Richtung St. Anton konnten
entlang der Wege in Summe 60 bis
70 Imagines von Lopinga achine re-
gistriert werden. Alle genauer inspi-
zierten Individuen waren Männchen.
Die Weibchen führen zwar eine ver-
stecktere Lebensweise, sind zu diesem
Zeitpunkt aber höchstens vereinzelt
vorhanden gewesen. Aus dem Zu-
stand der Männchen bei der zweiten,
und dem Fehlen der Art bei der ersten
Begehung am 17.06. kann abgeleitet
werden, dass die Flugzeit 2016 erst im
letzten Juni­drittel begonnen hat. In
diesem kühlen, niederschlagsreichen
Jahr konnte sogar noch am 04.08. ein
abgeflogenes Tier gefunden werden,
das an Wasserdost saugte.                   Abb. 12: Der gras- und strauchreiche, teilweise kieferndominierte, südexponierte Hang
                                            am Küenberg wird durch Naturereignisse (Windwurf) in einem für Lopinga achine (Sco-
                                            poli, 1763) günstigen Zustand gehalten (19.06.2017, Foto: Kurt Lechner).

inatura – Forschung online 86 (2021)                                                                                           10
Der Zustand der Falter als auch das
vermehrte Auftreten von Weibchen
lässt vermuten, dass die Hauptflug-
zeit bereits überschritten war. Es sei
daran erinnert, dass das Frühjahr
2017 außergewöhnlich warm war und
Raupenüberwinterern sicherlich eine
schnelle Entwicklung ermöglichte.
Mit dem Galgentobel und Hinter-
plärsch (Oberdaneu) finden sich in
der Datenbank der inatura weitere
rezente Meldungen des Gelbringfal-
ters aus den östlich an das Stadtgebiet
von Bludenz angrenzenden Waldge-
bieten. Die Überprüfung im Bereich
Hinterplärsch-Plärsch (zwischen dem
Parkplatz der Mutterbergbahn und           Abb. 13: An diesem Waldrand entlang eines Weges direkt oberhalb des Galgentobel-
der Gemeindegrenze zu Nüziders) am         bachs konnten mehrere Imagines von Lopinga achine (Scopoli, 1763) beobachtet wer-
19.06.2017 ergab an Waldrändern und        den (Plärsch, 19.06.2017, Foto: Kurt Lechner).
in lichteren Waldbereichen rund zehn
Imagines von Lopinga achine (Abb. 13).     eines von dort abzweigenden Weges            aus dem Zeitraum von 1926 bis 1964
Ebenfalls auf der Sonnenseite des          durch einen Mischwald, sechs Indi-           mit der Herkunft Dornbirn-Gütle.
Walgaus liegt der Ludescherberg, wo        viduen von Lopinga achine notiert            Die Verfasser haben sich einen Wald-
1996 und 1997 einzelne Falter der Ziel-    werden. Eine Erkundung des Weges             bereich bei Dornbirn-Gütle und einen
art an Ligusterblüten saugend beob-        ergab keine zusätzlichen Nachweise.          nur etwas weiter nordwestlich bei
achtet wurden (Aistleitner & Aistleitner   Die Tiere konzentrierten sich auf den        Boden befindlichen Gehölzbestand
2000 bzw. pers. Mitt. U. Hiermann).        Eingangsbereich des Waldes. An einer         angeschaut. Beide Stellen dürften für
Tatsächlich fanden die Autoren an          weiter nördlich begutachteten Stelle         Lopinga achine zu dichtwüchsig wie
der von U. Hiermann genau beschrie-        an der alten Brandnerstraße konnten          auch zu wenig strauch- und grasreich
benen Stelle, bei der es sich um eine      keine Falter gesichtet werden. Nicht         sein. Aktuelle Nachweise gelangen
sehr kleine, stark verbuschte, ältere      allzu weit entfernt, allerdings auf der      nicht. Andere, von der Landesstraße
Schlagflur mit einzelnen höheren Bäu-      östlichen und damit anderen Seite            aus zu sehende Waldgebiete bei Gütle,
men inmitten von Offenland direkt          der Bürser Schlucht (bei Bürs-Schaß),        Salzmann und Boden werden eben-
am Schellaweg handelt, zwei Falter         wurde der Gelbringfalter im Jahr 1976        falls als ungünstig für den Gelbringfal-
von Lopinga achine. Beide saugten an       gefangen. Lopinga achine hat sich also       ter eingestuft.
im Randgebüsch befindlichen Brom-          auch in Bürs gehalten. Ob es weite-          Die Nachsuche historischer Vorkom-
beeren. Manche Waldbereiche der            re Vorkommen in diesem Raum gibt             men in großen Potentialräumen ge-
näheren Umgebung, v. a. südlich der        (wahrscheinlich) und ob evtl. sogar          stalten sich aufgrund des Fehlens prä-
Fundstelle, weisen durchaus Potenti-       Verbindungen mit den Tieren am Bür-          ziserer Angaben wie die Suche nach
al für den Gelbringfalter aus. Eine aus    serberg (die genauen Fundstellen sind        der »Nadel im Heuhaufen«. Derartige
Zeitgründen leider nur oberflächliche      den Autoren nicht bekannt) bestehen,         Nachforschungen können nur unter
Betrachtung der Umgebung ergab je-         ist im Rahmen dieser Untersuchung            zeitlich eingegrenzten Vorgaben ziel-
doch keine weiteren Nachweise.             nicht zu eruieren, weil die Wälder hier      gerichtet und damit auf kleinem Raum
                                           recht große Flächen einnehmen und            umgesetzt werden (anhand von Vor-
Rätikon                                    deren genauere Erkundung viel Zeit in        bereitungen mittels Luftbildern und
In den südwestlich des Bludenzer           Anspruch nimmt.                              Abstimmung der Situation im Gelän-
Beckens angrenzenden Gemeinden                                                          de), wobei Glück oder Zufall doch im-
wurde der Gelbringfalter historisch        Rheintal                                     mer wieder eine gewisse Rolle spielen.
in Bürs und rezent in Bürserberg ge-       Der dritte, aktuell leider nicht verifi-     In diesem Fall konnte zwar kein Nach-
funden. Im Laufe der vorliegenden          zierbare Bereich mit einer ehemals           weis bzw. keine Bestätigung erbracht
Untersuchung konnten direkt west-          vermutlich großen oder größeren              werden, ein aktuelles Vorkommen des
lich der Landesstraße nach Brand,          Population befindet sich in Dornbirn.        Gelbringfalters irgendwo in diesem
an der Trafostation 160 Peterstein,        In der Sammlung der inatura stecken          Gebiet kann allerdings auch nicht aus-
Gemeinde Bürs, und zwar am Beginn          zahlreiche Belege des Gelbringfalters        geschlossen werden.

inatura – Forschung online 86 (2021)                                                                                         11
3.6 Monitoring (2019)

3.6.1 Standörtliche und methodi-
   sche Rahmenbedingungen
Für das Monitoring wurden Populatio-
nen in Bludenz (Hinterplärsch-Plärsch
und Küenberg) und in St. Anton im
Montafon (Allma) valiert. Als Bege-
hungstermine konnten der 18. und
29.06.2019 realisiert werden. Hinsicht-
lich der Bewertungskriterien haben
sich die Autoren an das für Deutsch-
land ausgearbeitete (Leopold & Pret-      Abb. 14: Lage und Länge der Transekte zur Erfassung von Lopinga achine (Scopoli, 1763)
scher 2006), 2017 aktualisierte Schema    bei Bludenz (Kartengrundlage: VoGIS).
gehalten (Altmoos et al. 2017).
Für die Beurteilung der Habitatqualität
wurden der Überschirmungsgrad und
die Verfügbarkeit der Gräserfazies auf
Bezugsflächen von 0,25 ha geschätzt.
Dies geschah in erster Linie vom Bo-
den aus, also vor Ort, aber auch un-
ter Einbeziehung von Orthofotos. Die
Angaben sind als grobe Richtwerte zu
verstehen.
Habitatbeeinträchtigungen (Nutzung,
Aufforstungs- oder Verbuschungsten-
denzen potentieller Larvalhabitate)
sind mithilfe von Luftbilderverglei-      Abb. 15: Lage und Länge der Transekte zur Erfassung von Lopinga achine (Scopoli, 1763)
chen und den während der Gelände-         bei Allma in St. Anton im Montafon (Kartengrundlage: VoGIS).
begehungen gewonnenen Eindrü-
cken bewertet worden.
Bei der Legung der Transekte wurde        achine nicht nur zwischen den bei-          Raum Bludenz konnte ein mittlerer
danach getrachtet, das Waldwege-          den Probeflächen (Beobachtung von           Wert (20 Imagines) eruiert werden.
netz so gut wie möglich auszunut-         zwei nicht abgesicherten Individu-          Die Habitatschätzung erfolgte in Hin-
zen. Abweichungen davon haben             en), sondern auch in der angrenzen-         terplärsch-Plärsch und am Küenberg
sich als nicht zielführend erwiesen.      den Peripherie vorkommt, was dieses         auf je einer Probefläche, in St. Anton
Nicht planmäßig umsetzten ließ sich       Vorgehen nach Ansicht der Verfasser         im Montafon auf insgesamt drei, die
die Erhebung am Küenberg, wo der          deshalb durchaus rechtfertigt. Genau        so auf das Gebiet verteilt wurden, dass
obere der beiden Wege wegen Wind-         genommen handelt es sich auch im            jedes auf dem Luftbild mehr oder we-
wurf gesperrt werden musste und           Falle von Allma um zwei Wald-Teilbe-        niger einheitliche Waldstück Berück-
die Transektstrecke damit kürzer als      reiche, die größtenteils durch eine mit     sichtigung fand (Abb. 16, 17, 18).
vorgesehen ausfiel. Auf diese Weise       Gehölzaufwuchs bewachsene, im Mit-          Die für die larvale Entwicklung essen-
resultierte für Küenberg und Hinter-      tel etwa 80 m breite Schneise (Strom­       tielle Grasschicht ist laut der vorge-
plärsch-Plärsch eine Transektlänge        trasse) »getrennt« werden.                  nommenen Schätzungen aktuell in
von insgesamt 1678 m, für Allma in                                                    allen Fällen in mehr oder weniger aus-
St. Anton im Montafon von rd. 3000 m      3.6.2 Ergebnisse                            reichendem Maße vorhanden. Beson-
(Abb. 14 u. 15).                          55 gezählte Falter bei Allma (St. Anton     ders günstig wurde die Bodenvegeta-
Die beiden Bludenzer Vorkommen            im Montafon) bestätigen die Einschät-       tion in den Probeflächen am Küenberg
wurden den Empfehlungen aus               zung der Voruntersuchung und lassen         und in Plärsch (beide mit annähernd
Deutschland folgend (Altmoos et al.       darauf schließen, dass die Waldberei-       80 % Gräserfazies) eingeschätzt. Die
2017) zu einer Untersuchungsfläche        che auf dem Schutt- und Schwemm-            Situation in St. Anton im Montafon ist
zusammengefasst, da sie weniger als       kegel am Fuße des Davennastocks             in zwei Probeflächen ebenfalls als gut
400 m voneinander entfernt liegen. Es     von einer großen Population des Gelb-       einzustufen (60 bis 75 % Graserfazies),
ist sehr wahrscheinlich, dass Lopinga     ringfalters besiedelt werden. Für den       in der dritten mit insgesamt nur 40 %

inatura – Forschung online 86 (2021)                                                                                         12
Anteil Grasvegetation (vielfach stark
beschattet) jedoch im untersten Be-
reich der für die Art geeigneten Bedin-
gungen angesiedelt.
Der Überschirmungsgrad liegt meist
im obersten Grenzbereich (je nach
Gebiet bei 65 bis 70 %) bzw. leicht
oder deutlich darüber (90 % in der
dritten Probefläche bei Allma). Die
Lichtverhältnisse werden großteils
dank einer guten Durchmischung des
Baumartenbestands mit mehr oder
weniger hohen Anteilen der Rot-Föhre
und durch das Waldwegenetz (breite,
unasphaltierte Forstraßen sowie Wan-
derwege oder Trampelpfade) günstig
beeinflusst. In Allma konnten in Wald-      Abb. 16: Probefläche zur Bewertung der Habitatqualität am Küenberg (Gem. Bludenz)
stücken mit relativ dichtem Kronen-         (29.06.2019, Foto: Kurt Lechner).
schluss (70 bis 80 %) ähnlich viele oder
sogar mehr Falter registriert werden als
in Abschnitten mit (gerade noch) »op-
timalen« Überschirmungsanteilen (60
bis 70 %). Andererseits waren in den
sehr lichten, parkähnlichen Bereichen
mit Deckungsgraden unter 50 % im
westlichen, straßennahen Abschnitt
dieses Untersuchungsgebiets keine
Falter zu finden. Es sei an dieser Stelle
erwähnt, dass sich nach Untersuchun-
gen im Südlichen Steigerwald (Bayern)
für das Oberholz ein Deckungsgrad
von 40 bis 60 % als optimal heraus-
gestellt hat (Dolek et al. 2009; Geyer et
al. 2008 zit. in Geyer & Dolek 2013). Die
dort (nahe der L 188) durchaus gut          Abb. 17: Probefläche zur Bewertung der Habitatqualität in Plärsch (Gem. Bludenz)
ausgebildete Gräserfazies auf mage-         (29.06.2019, Foto: Alois Ortner).
rem, leicht westexponierten Grund ist
starker Besonnung ausgesetzt, somit
zu trocken und deshalb (noch) nicht
als Larvalhabitat geeignet.
Aufschlüsse über die Waldnutzung
sollten Luftbilder aus früheren Jahren
und Jahrzehnten liefern (VoGIS). Die-
sen ist zu entnehmen, dass am Küen-
berg, allerdings im Grenzbereich bzw.
außerhalb des Untersuchungsraums,
Anfang der 2000er Jahre an mehreren
Stellen Kahlschläge stattfanden. In je-
nem Bereich, in welchen der Transekt
gelegt wurde, führten die Windwurf­
ereignisse von 2018 auf natürliche
Weise zu einer Auflichtung der steile-
ren, südexponierten (und damit ohne-        Abb. 18: Probefläche zur Bewertung der Habitatqualität in Allma (Gem. St. Anton im
hin helleren) Partien des Bergrückens.      Montafon) (29.06.2019, Foto: Alois Ortner).

inatura – Forschung online 86 (2021)                                                                                       13
Im Falle von Hinterplärsch-Plärsch
                                                             Ab Im K Ab Im P Ab Im A Üb% K   Üb% P Üb% A 1 Grf% K    Grf% P Grf% A 1
lässt sich ablesen, dass die Gehölzbe-
                                                18.06.2019     8      1       3
reiche großflächig gesehen seit den
                                                29.06.2019     10     10      55      70       65      70    75-80   75-80   70-75
1970ern generell zunehmend dichter
werden. Nutzungsaktivitäten in Form         Tab. 2: Zusammenfassende Darstellung der im Rahmen des Monitorings 2019 zum
von Kahlschlägen lassen sich ortsnah        Gelbringfalter [Lopinga achine (Scopoli, 1775)] gewonnenen Daten.
auf den Luftbildern in den letzten fünf     Ab = Abundanz, Im = Imagines, Üb% = Überschirmungsgrad in Prozent, Grf% = Gräser-
Jahren ablesen. Eine dieser Schlag-         fazies in Prozent, K = Küenberg, P = Plärsch-Hinterplärsch, A = Allma
flächen wird sich selbst überlassen         1
                                                Wert der besten Probefläche
und kann in Zukunft Potential für den
Gelbringfalter entwickeln (Abb. 19).
An anderer Stelle hingegen wurde
der Wald für anthropogene Zwecke
vollständig entfernt und das Terrain
planiert (aktuelles Satellitenbild aus
dem Jahr 2020). Auf diese Weise ist
zwischen den Beständen entlang des
Galgentobelbachs und des Küenbergs
eine große Lücke entstanden, in der
Lopinga achine vermutlich vorkam
(zwei nur flüchtig gesehene, nicht ab-
gesicherte Falter im Laufe der Vorerhe-
bungen).
Das Waldgebiet bei Allma (St. Anton
im Montafon) war in den 1950er Jah-
ren in größeren Teilen ähnlich dicht
oder sogar dichter bewachsen als heu-       Abb. 19: Diese Schlagflur bei Plärsch wird allem Anschein nach sich selbst überlassen
te. In den 1980ern fanden hier groß-        und könnte zumindest partiell Potential für den Gelbringfalter entwickeln. Zur Habi-
flächige Geländeveränderungen statt         tatoptimierung für Lopinga achine (Scopoli, 1763) sind auflichtende Nutzungsformen
(wahrscheinlich im Zusammenhang             notwendig, dabei aber Eutrophierungen des Bodens zu vermeiden (19.06.2017, Foto:
mit der Stilllegung des Gipsabbaus),        Kurt Lechner).
die eine stark aufgelichtete Waldstruk-
tur mit sich brachten. Seit damals wer-
den die Waldbereiche den Orthofotos         keine Gräser vorhanden. Hier befindet            source für die larvale Entwicklung nur
zufolge forstlich meist nur wenig ge-       sich auch der einzige asphaltierte Weg           schwach bis gar nicht mehr präsent ist.
nutzt. So sind über die letzten zwei        des Untersuchungsgebiets. Von Lopin-             Auf der anderen Seite ist in den Unter-
Jahrzehnte hinweg nur leichte Verän-        ga achine konnten lediglich vier Indivi-         suchungsgebieten erst kürzlich Fläche
derungen festzustellen. In der Regel        duen registriert werden.                         verloren gegangen, eine aus Sicht
handelt es sich dabei um Eingriffe, die     Somit sind jene Gebiete, in denen                von Lopinga achine ungünstige Ent-
Lichtungen geschaffen haben. Ganz           der Gelbringfalter in Vorarlberg nach            wicklung von Kahlschlagflächen nicht
aktuell ist allerdings auch eine rd. 2000   momentanem Kenntnisstand heute                   auszuschließen und Dunkelwaldwirt-
Quadratmeter große, offensichtlich          noch in hohen oder höheren Abun-                 schaft in Form von Fichtenforsten fest-
planierte Kahlschlagfläche nahe dem         danzen vorkommt, großteils wohl nur              zustellen.
Tränenbach auf dem Luftbild zu er-          geringfügig anthropogen beeinflusst              Als habitatprägend wurden deshalb
kennen. Im südöstlichen Viertel des         und durch eine mehr oder weniger                 lediglich die Windwurfereignisse am
Beobachtungsraums (südlich des Trä-         gut (in der Regel aber üppig) ausge-             Küenberg eingestuft. Den Gebieten
nenbachs, ortsnah) ist neben kleine-        bildete Strauchschicht sowie reichlich           Allma und Hinterplärsch-Plärsch hin-
rer Flächenverluste (Lagerplatz und         Oberholz gekennzeichnet. Bedingt                 gegen muss nach obigen Ausfüh-
Haus) in den 1990er Jahren auch eine        durch das geringe Störungsregime                 rungen eine großflächige Aufgabe
deutliche Dominanz der Fichte bis hin       sind teilweise stärker verbuschte bzw.           Lebensraum schaffender Nutzung zu-
zum dichten Fichtenforst festzustellen.     dicht verwaldete Stellen vorhanden               gesprochen werden.
Im Unterwuchs ist vielfach so gut wie       (Abb. 20), in welchen kein Licht mehr            Subsummierend wurden beide Vor-
keine Strauchschicht ausgebildet und        auf den Boden gelangt und/oder die               kommen zwar mit »gutem Erhaltungs-
in der Bodenvegetation sind zum Teil        Grasschicht als entscheidende Res-               zustand« bewertet, allerdings mit dem

inatura – Forschung online 86 (2021)                                                                                                 14
Sie können auch lesen