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Lechner, K. & Ortner, A. (2021): Zur aktuellen Situation europaweit geschützter Schmetterlingsarten (Insecta, Lepidoptera) in Vorarlberg (Österreich). II. Moor-Wiesenvögelchen [Coenonympha oedippus (Fabricius, 1787)] und Gelbringfalter [Lopinga achine (Scopoli, 1763)]. inatura – Forschung online, 86: 19 S. Zur aktuellen Situation europaweit geschützter Nr. 86 - 2021 Schmetterlingsarten (Insecta, Lepidoptera) in Vorarlberg (Österreich). II. Moor-Wiesenvögelchen [Coenonympha oedippus (Fabricius, 1787)] und Gelbringfalter [Lopinga achine (Scopoli, 1763)] Kurt Lechner1 & Alois Ortner2 1 Mag. Kurt Lechner, Wiesenhofweg 22, A-6133 Weerberg E-Mail: lechner.weerberg@gmail.com 2 Mag. Alois Ortner, Unterdorf 21, A-6135 Stans E-Mail: alois.ortner@aon.at Abstract The False Ringlet (Habitats Directive Annexes II and IV) is one of the most endangered European butterflies. In Vorarlberg there were no records for about 14 years. From 2015 until 2019 as well as in 2009 the authors succeeded in confirming the survival of the last known population in the Natura 2000 area Bangs-Matschels. In the years 2018 as well as 2019 more than 60 specimens of both sexes were counted in the preserve. Referring to field observations Coenonympha oedippus occupies an area of about ten hectars adjoining to the border of Liechtenstein. The habitat is regularly mown, once a year in September. Since 2020 an- nual changing fallow strips covering only small parts of the colonized area have been established. Basic ecological knowledge concerning oviposition sites and larval development as well as information about the population size aiming in preserving this extremely localized butterfly species in Austria is considered necessary. This should happen in cooperation with the neighbouring Principality of Liechtenstein, harbouring the bigger part of this transnational population (Metapopulation?) of the False Ringlet. In Vorarlberg the Woodland Brown (Habitats Directive Annex IV) has its center of distribution in the intersection of the Walgau, the Klostertal and the Montafon. According to current knowledge the most vital population is found in St. Anton im Montafon. An estimation of the conservation status of populations in Bludenz (Küenberg, Plärsch, Hinterplärsch) and St. Anton im Montafon revealed good conditions. However, natural succession and the destruction of habitat poses a threat at these sites. The forestry management at the selected sites in Bludenz (including the nearby surroundings) and St. Anton im Motanfon is considered as not, resp. not immediately or only sporadically conducive for the Woodland Brown. Concerning the distribution in Vorarlberg, further investigation is needed to gain a more comprehensive understanding of the present picture. The inhabited area of the largest recent population in Allma (St. Anton im Montafon) should be protected by law and managed according to the favour of Lopinga achine. Key words: Habitats-Directive, Vorarlberg, Coenonympha oedippus, Lopinga achine, Natura-2000-Gebiet Bangs-Matschels Zusammenfassung a utochthones Vorkommen im Natura- und Pfeifengraswiesen, in welchen 2000-Gebiet Bangs-Matschels. Sowohl die Präimaginalentwicklung stattfin- Das in den Anhängen II und IV der 2018 als auch 2019 konnten mehr als den dürfte. Eine Verbesserung des FFH-Richtlinie gelistete Moor-Wiesen- 60 Imagines im letzten Refugium in aktuell mageren Kenntnisstands, auch vögelchen [Coenonympha oedippus Vorarlberg gezählt werden – darunter im Hinblick auf sehr wahrscheinliche (Fabricius, 1787)] ist bundesweit nur waren mehrfach Weibchen und eine Interaktionen mit dem Vorkommen noch von zwei Lokalitäten in Nieder Kopula. Der Aktionsradius des Falters im Ruggeller Riet (Fürstentum Liech- österreich und Vorarlberg bekannt. Die erstreckt sich auf eine Fläche von rund tenstein), wird für den langfristigen Nachweise von 2009, 2015, 2016, 2018 zehn Hektar und umfasst Pflanzen- Erhalt als notwendig erachtet. Bei der und 2019 bestätigen ein aktuelles gesellschaften der Kleinseggenrieder Pflege des besiedelten Gebiets sollte Eingereicht: 18.05.2021; Publiziert: 22.06.2021 1
oenonympha oedippus aufgrund ihrer C europäischen und besonders österrei- chischen Brisanz prioritäre Bedeutung zugemessen werden. Für den in Anhang IV der FFH-Richt- linie angeführten Gelbringfalter [Lo- pinga achine (Scopoli, 1763)] ist der Schnittpunkt Walgau-Montafon-Klos- tertal ein Verbreitungszentrum in Vor- arlberg. Trotz eines momentan guten Erhaltungszustands von Populationen bei Bludenz (Küenberg, Plärsch, Hin- terplärsch) und St. Anton im Montafon sind ungünstige Entwicklungen in den von Lopinga achine besiedelten Wald- gebieten festzustellen. Diese manifes- tieren sich in Form einer ungehinder- Abb. 1: Das »vom Aussterben bedrohte« Moor-Wiesenvögelchen [Coenonympha oedip- ten Sukzession, als Biotopzerstörung pus (Fabricius, 1787)] kommt in Österreich nur noch an zwei Standorten im äußersten und forstlichen Praktiken, die keine Westen und Osten des Landes vor (frisches Weibchen, Bangs, Juli 2016, Foto: Kurt Lech- resp. keine unmittelbare oder ledig- ner). lich punktuell Lebensraum fördernde Wirkung haben. Am Küenberg sorgen Windwurfereignisse für die natürliche (siehe auch Huemer et al. 2021). Da- bis einzelne Vorkommen vorhanden Auflichtung des vom Gelbringfalter mit sind insgesamt 39 Augenfalter- (z. B. Bräu et al. 2010; Örvössy et al. bewohnten Habitats. Die aktuelle, arten aus dem Ländle bestätigt, von 2010; Šašić 2010). Die Situation in der bekannte Verbreitungssituation ist welchen vier als verschollen gelten. Schweiz ist unklar (Dušej et al. 2010). sicherlich noch lückenhaft und drin- Unter den 35 rezent vorkommenden Mehrere bzw. größere Populationen gend verbesserungswürdig. Das Areal Taxa befinden sich mit Coenonympha oder Metapopulationen, verteilt auf der nach gegenwärtigem Kenntnis- oedippus (Fabricius, 1787) und Lopinga einen vergleichsweise größeren (in Be- stand größten Vorarlberger Populati- achine (Scopoli, 1763) zwei in Anhang zug zur jeweiligen Landesfläche i. d. R. on in St. Anton im Montafon sollte un- II und/oder IV der FFH-Richtlinie gelis- aber ebenfalls beschränkten) geogra- bedingt als Schutzgebiet ausgewiesen tete Tagfalter. fischen Raum existieren in Frankreich, werden und mit einer an die Bedürf- Italien, Slowenien, im Grenzbereich nisse von Lopinga achine angepassten Polen-Weißrussland-Ukraine und im Wirtschaftsform genutzt werden. 2 Coenonympha oedippus europäischen Teil Russlands (Bonelli et (Fabricius, 1787) – Moor- al. 2010; Caubet et al. 2019; Čelik & Verov- Wiesenvögelchen nik 2010; Höttinger et al. 2005; Kudrna et 1 Einleitung al. 2015; Sielezniew et al. 2010). 2.1 Verbreitung In der Checkliste Österreichs ist die Mit 52 Arten (Huemer 2013) stellen die Art zwar für Vorarlberg, Kärnten, die zu den Edelfaltern (Familie Nympha- Das Verbreitungsgebiet des Moor- Steiermark und Niederösterreich an- lidae) gehörenden Augenfalter (Un- Wiesenvögelchens erstreckt sich in geführt (Huemer 2013), kommt aktuell terfamilie Satyrinae) die artenreichste einem dünnen Band innerhalb des aber nur noch an zwei sehr eng be- Gruppe der österreichischen Tagfal- gemäßigten klimatischen Gürtels vom grenzten Lokalitäten in Niederöster- ter dar. Zu den 38 aus Vorarlberg ge- Atlantik bis zum Pazifik, wobei sich das reich – wo lt. Höttinger & Pennerstorfer meldeten Taxa (Huemer 2013) konnte Hauptverbreitungsgebiet in Asien be- (1999) sehr wahrscheinlich zwei ge- vom Zweitautor im Rahmen der hier findet (Bozano 2002). In Europa ist die trennte Teilpopulationen bestehen – behandelten Erhebungen zum Gelb- Art nur aus wenigen Ländern bekannt und Vorarlberg (nur eine Population) ringfalter in St. Anton im Montafon und extrem lokal. Hier besiedelt sie vor, also im äußersten Westen und im das Weißbindige Wiesenvögelchen oft nur punktuell weit voneinander äußersten Osten des Bundesgebiets. [Coenonympha arcania (Linnaeus, entfernte, in der Regel sehr kleinräu- In Kärnten und in der Steiermark ist 1761)] – bisher als zweifelhaft bzw. mige Standorte. In den meisten euro- sie schon lange ausgestorben (Habeler als Fehlmeldung betrachtet (Aistleitner päischen Ländern mit rezenten Nach- 1981; Koschuh & Gepp 2008; Wieser & 1998; Huemer 2001) – ergänzt werden weisen sind aktuell nur noch wenige Huemer 1999). inatura – Forschung online 86 (2021) 2
In Vorarlberg besiedelte Coenonym- Pfeifengraswiese) zu vermuten. Gesell- relativ feuchter Umgebung gehalten, pha oedippus einst das Rheintal zwi- schaften der Verbände des Molinions diese sogar zeitweise besprüht. schen Hohenems und Feldkirch. Der (Pfeifengraswiesen) und des Caricions Das Moor-Wiesenvögelchen ist ein Literatur (Aistleitner 1998; Bischof 1968; (Kleinseggenmoore) werden auch in Raupenüberwinterer. Wie üblich bei Gradl 1933) und den Belegstücken der den anderen, von der Feuchtgebiets- dieser Strategie ist die Herbstphase inatura (Dornbirn) sind als Fundstellen variante des Moor-Wiesenvögelchens durch langsames, die Frühjahrsphase Hohenems, Mäder, Götzis, Meiningen bewohnten europäischen Ländern durch schnelles Wachstum gekenn- und der Raum Feldkirch zu entneh- besiedelt (z. B. Bräu & Schwibinger 2013; zeichnet (Gradl 1945; eig. Beob.). Nach men. Čelik & Verovnik 2010; Sielezniew et al. Zuchtbeobachtungen fressen die Rau- 2010; Šašić 2010). An den Rändern der pen (Abb. 2) im Herbst teilweise bis in 2.2 Biologie und Ökologie Moorwiesen wie auch der Gehölz- den Oktober, vereinzelt sogar bis in bestände zum Teil größere Flächen den November hinein und setzen ihre Wie die Talform des Goldenen Sche- einnehmende Mädesüßfluren spielen Entwicklung nach den ersten wärme- ckenfalters [Euphydryas aurinia keine Rolle für Coenonympha oedip- ren, sonnigen Tagen im März bzw. Ap- (Rottemburg, 1775)) und das Blaukern- pus, genauso wie ein kleinerer Schilf- ril fort (Bräu et al. 2016; Gradl 1945; eig. auge [Minois dryas (Scopoli, 1763)] tritt bestand. Beob.). Im Unterried bei Feldkirch fand das Moor-Wiesenvögelchen in zwei Gradl (1933: 259) beschreibt die Flug- Gradl (1945) am 12.05.1934 acht Rau- Ökovarianten auf. Im europäischen plätze der damals noch an sechs pen, die sich ab Mitte Juni verpuppten. Areal wurden bzw. werden in Nordita- Standorten in Vorarlberg vorkom- Leider existieren dazu keine Angaben lien (Bonelli et al. 2010; Habeler 1972; menden Art wie folgt: »Die Lokalitäten, bezüglich der im Freiland genutzten Kitschelt 1925; Kolar 1919; Sala 1996; an denen C. oedipus [sic!] hier fliegt, Pflanzenarten. Nicht uninteressant ist Wolfsberger 1965) und Slowenien (Čelik sind Sumpf-, Ried- und Heidewiesen seine Bemerkung, dass »das Abschüt- & Verovnik 2010) sowohl trockenwar- der Rheinniederungen, die in manchen teln der Pflanzen über dem untergehal- me als auch feuchte Lebensräume Jahren durch das steigende Grundwas- tenen Kätscher nicht zum Erfolg führte, besiedelt. Alle anderen bekannten ser sehr nass werden können, vom Süd weil der Leinensack durch das zu dieser Vorkommen des Kontinents sind auf westen her vom Föhn, von der Gegensei- Jahreszeit reichlich zwischen den Pflan- Flachmoore und Pfeifengraswiesen te her von den frischen Nordostwinden zen vorhandene Sumpfwasser rasch beschränkt, so auch die österreichi- (hier Unterluft genannt) bestrichen durchtränkt und unbrauchbar war« schen Restpopulationen (Aistleitner werden und eine ganz eigentümliche (Gradl 1945: 15). 1998; Höttinger & Pennerstorfer 1999). Mischflora aufweisen.« Die kleinklima- Als Raupennährsubstrat werden in Die letzte verbliebene Vorarlberger tischen Bedingungen hat Gradl (1945) der Literatur verschiedene Gräser ge- Population lebt in niederen bis etwas auch in seinen Zuchten berücksichtigt, nannt. Aus den Lebensräumen durch höheren, leicht bis mäßig verschilf- und mit Erfolg Raupen bzw. Puppen in Funde bestätigt sind Carex davalliana, ten, meist sehr grasreichen, als Streu- wiesen genutzten Pfeifengraswiesen und Kopfbinsenriedern auf feuch- ten bis nassen Böden, in welchen Sumpf-Gladiole und Lungenenzian Charakterpflanzen darstellen. Zum Lebensraumensemble gehören auch eingestreute und Teile des Gebiets umrahmende Gehölzgruppen. Die für Coenonympha oedippus entschei- denden Pflanzengesellschaften sind der Vegetationsbeschreibung von Grabher (1996) und den aktuellen Fal- terbeobachtungen zufolge wohl im Schoenetum ferruginei (Gesellschaft der Rostroten Kopfbinse) und Scho- enetum nigricantis (Gesellschaft der Schwarzen Kopfbinse) sowie im Allio suaveolentis-Molinietum (Duftlauch- Pfeifengraswiese) und Selino-Moli- Abb. 2: Erwachsene Raupe des Moor-Wiesenvögelchens [Coenonympha oedippus nietum caeruleae (Mitteleuropäische (Fabricius, 1787)] (Bangs, Zuchtfoto, Kurt Lechner). inatura – Forschung online 86 (2021) 3
Carex humilis, Carex panicea, Festuca Wirtspflanzen die entscheidenden das phänologische Auftreten der Fal- rupicola und Molinia caerulea (Bräu et Faktoren für das Überleben der Art ter von der Frühjahrswitterung ab- al. 2016; Čelik et al. 2014; Dierks 2006; sind (Bräu et al. 2016; Čelik et al. 2014). hängt (Gradl 1933), nur bestätigt wer- Sielezniew et al. 2010). Die Hirse-Segge, Bräu & Schwibinger (2013) argumentie- den. Normalerweise sind die Imagines Carex panicea, kommt neben anderen ren, dass über offener Streu schon im von (Mitte) Ende Juni bis Mitte (Ende) zur Eiablage genutzten Seggen (s. u.) zeitigen Frühjahr Temperaturen über Juli zu finden. Nasskalte Verhältnisse und dem Pfeifengras auch am Vorarl- 30 °C erreicht werden und in den Ve- im Frühling führen zu einer Verschie- berger Standort vor. Weitere in der getationslücken ein geschütztes Klein- bung um zwei bis drei Wochen, sodass Literatur genannte Ried- und Süßgrä- klima bei gleichzeitig hoher Luftfeuch- die ersten Falter Anfang Juli, die letz- ser (z. B. Čelik 2004; Lhonoré 1996; SBN te herrscht, womit diese Stellen nach ten noch bis Mitte August beobachtet 1994) sind lediglich Zuchtpflanzen der Überwinterung für das Überleben werden können. In warmen Jahren (vgl. Bräu & Schwibinger 2013; Čelik et al. der Raupen besonders wichtig sein schlüpfen die ersten Falter bereits in 2014). Dennoch belegen diese Berich- dürften. Die Notwendigkeit von per- der ersten Junidekade (Gradl 1933). te wie auch eigene Erfahrungen, dass manent »grünem« Gras hat sich auch die Raupe von Coenonympha oedippus in den selbst durchgeführten Zuch- 2.3 Gefährdung so wie viele andere Satyrinae keine ten mit Vorarlberger Material gezeigt, hoch ausgeprägte Spezifität hinsicht- wo die Raupen nach der kurzen Win- Das Moor-Wiesenvögelchen bewohnt lich ihrer Fraßpflanzen aufweist und terruhe lange vor dem Austrieb von in Europa nur kleine Flächen in einem in ihren Lebensräumen neben Molinia Pfeifengras aktiv wurden. Auch Gradl insgesamt sehr zersplitterten Areal. In spp. vor allem diverse Carex-Arten zu (1945) berichtet von frühzeitiger »Un- der Slowakei und in Bulgarien ist es nutzen in der Lage ist. ruhe« überwinternder Raupen durch bereits ausgestorben (Wiemers 2007), Die Eiablagesubstrate sind durch anhaltendes Föhnwetter. in anderen Ländern durch starke Be- Freilandbeobachtungen in diversen Die Imagines wurden nur selten beim standseinbußen immer mehr im Rück- Ländern gut abgesichert. Dazu zäh- Blütenbesuch registriert, auch in indi- gang begriffen (z. B. Čelik et al. 2014;, len lebende oder trockene Blätter von viduenreichen, genauer untersuchten Lhonoré & Lagarde 1999 zit. in Örvössy Carex davalliana, Carex gracilis, Carex Populationen. Für Slowenien wird etwa et al. 2010; Örvössy et al. 2010; Šašic hostiana, Carex panicea, Carex tomen- nur Potentilla erecta als Nektarpflanze 2010). In den Roten Listen gefährdeter tosa, Gratiola officinalis, Molinia arun- genannt (Čelik 2004), für Kroatien Di- Schmetterlinge Vorarlbergs, Nieder- dinacea, Molinia caerulea, Schoenus anthus liburnicus, Gratiola officinalis, österreichs und Österreichs wie auch nigricans wie auch zusätzliche, defini- Inula salicina und Potentilla reptans Deutschlands, der Schweiz, Kroatiens tiv nicht als Raupennahrung genutzte (Šašic 2010). Aus Bayern werden Buph- und Polens ist Coenonympha oedippus Pflanzenarten, etwa Calluna vulgaris thalmum salicifolium, Cirsium tubero- als »Critically endangered« eingestuft oder Cirsium palustre (Bonelli et al. 2010; sum, Inula salicina, Potentilla erecta, (Huemer 2001; Höttinger & Pennerstorfer Bräu et al. 2016; Čelik & Verovnik 2010; Valeriana dioica und Frangula alnus 1999, 2005; Reinhardt & Bolz 2012; Wer- Parde 2014; Sielezniew et al. 2010). Öko- gemeldet (Bräu & Schwibinger 2013). Die meille et al. 2014; Šašic & Kučinić 2004; logische Untersuchungen in mehreren einzigen bisher in Bangs registrierten Glowaciński & Nowacki 2004). In der Eu- europäischen Staaten haben ergeben, Saugpflanzen sind Inula salicina (ein ropean Red List of Butterflies wird sie dass eine an Lücken (nicht Rohboden) Männchen) und Serratula tinctoria (ein als »Endangered« geführt (Van Swaay reiche Vegetationsstruktur, bedingt Weibchen). et al. 2010). In der Fauna-Flora-Habi- durch eine hohe Streudeckung, wie Was die Flugzeit in Vorarlberg betrifft, tat-Richtlinie ist sie in den Anhängen II auch die Verfügbarkeit wintergrüner kann die Behauptung Gradls, wonach und IV vertreten. Abb. 3: Aus dem Unterried existieren bis in die Mitte der 1970er Jahre Funde des Moor-Wiesenvögelchens. Austrocknung und damit verbundene Nährstofffreisetzungen haben den ehemaligen Lebensraum inzwischen stark verändert und zum lokalen Aussterben von Coenonympha oedippus (Fabricius, 1787) geführt (19.07.2019, Foto: Kurt Lechner). inatura – Forschung online 86 (2021) 4
2.4 Aktuelle Verbreitung und die Tiere im Bangser Ried, dem letz- Datum ♂ ♀ ges. Transekt Bestandssituation in Vorarl- ten noch verbliebenen Vorarlberger 10.07.2015 9 1 10 k.Z. berg Standort (s. Tabelle). Dort wo Gradl 17.07.2015 26 2 28 k.Z. am 12. Mai 1934 (Gradl 1945: 15) über 18.07.2016 1 2 3 k.Z. 07.08.2016 1 0 1 k.Z. Lange Zeit galten die von Huemer »nassem Grunde« acht Raupen von 04.07.2018 ca. 35 ca. 28 63 16 (1996) publizierten Funde des Moor- Coenonympha oedippus aus der Vege- 18.07.2018 0 5 k.A. k.Z. Wiesenvögelchens von 1994 und 1995 tation schüttelte, ist der Grundwas- 19.07.2019 k.A. k.A. ca. 60 k.Z. 01.08.2019 1 9 10 k.Z. als die letzten Nachweise dieser Art in serstand durch flussbauliche Maßnah- Vorarlberg. Trotz mehrmaliger Nach- men seit den 1960er Jahren z. T. um Tab. 1: Zusammenfassende Darstellung suche (vgl. Aistleitner et al. 2006) ge- rund 1,6 Meter gefallen (Grabher 1996). der von den Autoren im Auftrag der inatu- langen keine weiteren Sichtungen bis Nach Grabher (l. c.) sind die Streuwie- ra Dornbirn und dem Umweltbundesamt 2009, wo der Falter vom Zweitautor sen des nordwestlichen Unterrieds Wien erhobenen Daten im Rahmen der an der bekannten Stelle »wiederent- aufgrund der Torfmineralisierung stark FFH-Kartierung des Moor-Wiesenvögel- deckt« wurde. eutrophiert und gestört. chens [Coenonympha oedippus (Fabricius, 1787)] am einzigen verbliebenen Vorarl- 2.5 Befunde aus den Gelände- Bangser Ried berger Standort in Bangs. erhebungen Am einzigen noch besiedelten Stand- (ges = Gesamtzahl der Imagines; Transekt ort bei Bangs fanden 2015, 2016, 2018 = Individuen im Transekt; k.A. = keine An- Unterried und 2019 insgesamt acht Begehungen gabe; k.Z. = keine Zählung) Für die Beurteilung der aktuellen Situ- statt (Tab. 1; Abb. 4). In den Jahren 2015 ation fanden Begehungen der beiden und 2016 wurde vom durch das Ge- bis in die 1970er bzw. 1990er Jahre biet verlaufenden Wirtschaftsweg aus besiedelten Standorte im Natura- observiert, die Flächen aus Rücksicht Situation (Letztfunde 2009 und 1995), 2000-Gebiet Bangs-Matschels (Aist- auf den Naturschutz trotz Forschungs- jene im kühlen und regnerischen leitner 1998; Huemer 1996) statt. Das auftrag nicht betreten. 2018 und 2019 2016 waren lediglich kurze Besuche Unterried, wo aus den 1960ern und wurden Zählungen in der Fläche bzw. im Anschluss an andere Erhebungen 1970ern (bis 1976) mehrfach Belege entlang eines 500-Meter-Transekts oder auf andere Ziele ausgerichtet. vorliegen (Aistleitner 1998), wurde am durchgeführt, 2019 aber nur »neben- Die dabei gemachte Beobachtung am 10.07.2015, am 19.07.2019 und am bei« (daher kein genauer Zahlenwert) 07.08.2016 eines zwar geflogenen, 01.08.2019 unter günstigen Bedin- im Rahmen einer Kartierung von Phen- aber für diese Zeit insgesamt noch gungen aufgesucht (Abb. 3). Falter garis teleius und Phengaris nausithous. in recht gutem Zustand befindlichen des Moor-Wiesenvögelchens wurden Die Aufnahmen 2015 dienten der ge- Männchens (!) ist zumindest phänolo- nicht gefunden. An allen Tagen flogen nerellen Überprüfung der aktuellen gisch bemerkenswert. Mit mehr als bzw. rund 60 Individuen wurden die höchsten Abundanzen am 04.07.2018 (Ortner & Lechner 2018) und am 19.07.2019 registriert. Der Maxi malwert 2015 lag bei 28 Imagines (vom Weg aus gezählt!). 2.6 Diskussion Das 1925 von einem Vorarlberger Sammler in der Feldkircher Rheinaue entdeckte (Gradl 1933), bis in die 1930er Jahre aus mehreren Stellen des Rheintals bekannte Moor-Wiesenvö- gelchen weist im Ländle aktuell nur noch ein Restvorkommen im Euro- paschutzgebiet Bangs-Matschels auf. Abb. 4: Die letzte Vorarlberger Population des Moor-Wiesenvögelchens [Coenonympha Die Befürchtung, dass die im europä- oedippus (Fabricius, 1787)] besiedelt niedere Pfeifengraswiesen und Kopfbinsenrie- ischen Kontext so brisante Art auch in der auf stauenden Bodenschichten im unmittelbaren Grenzbereich zu Liechtenstein diesem letzten Vorarlberger Refugium (04.07.2018, Foto Kurt Lechner). verschwunden sein könnte (Aistleitner inatura – Forschung online 86 (2021) 5
1998; Aistleitner et al. 2006), kann mit den Nachweisen von 2009, 2015, 2016, 2018 und 2019 entkräftet werden. Über die großflächige Zerstörung be- siedelter Habitate in Feldkirch – wo Coenonympha oedippus in großer Zahl vorgekommen sein muss – im Zuge der 1924 begonnen Entwässerungs- und Kultivierungsarbeiten der großen Vorarlberger Moor- und Sumpfgebie- te berichtet bereits Gradl (1933). An- gesichts des Verlusts der Feldkircher Rheinaue und des Unterrieds 1929 bzw. 1930 (paradoxerweise fand er Abb. 5: Im Laufe dieser Untersuchung festgestellter Aktionsradius von Coenonympha wenige Jahre später mehrere Raupen oedippus (Fabricius, 1787) in Bangs/Vorarlberg (Kartengrundlage: VoGIS). im seiner Beschreibung nach sump- figen, und damit wohl noch intakten Unterried) zeichnete der Autor schon damals eine düstere Zukunft für den Falter indem er prophezeite: »Leider wird auch hier [in Vorarlberg, Anm.] der Schmetterling durch die fortschreitende Kultivierung des nassen Oedlandes im- mer mehr verdrängt und wird schließ- lich, wie dies bereits anderwärts schon geschehen ist, mit der Trockenlegung der Sümpfe ganz verschwinden« (Gradl 1933: 259). Dass 14 Jahre lang trotz gelegentlicher Nachsuche keine Tiere in Bangs gefun- den werden konnten, mag mehrere Gründe haben. Zum einen sind vom Wirtschaftsweg aus tatsächlich nur Abb. 6: Kopula des Moor-Wiesenvögelchens [Coenonympha oedippus (Fabricius, 1787)] wenige Individuen zu beobachten, in Bangs/Vorarlberg (04.07.2018, Foto: Alois Ortner). besonders bei nur kurzen Visiten. Zum anderen spielen Witterungsfaktoren (Wind, Sonne, Temperatur) eine wich- Werte jedoch eine Aufnahme in der 100 Meter bei einer Gesamtlänge von tige Rolle für die Aktivität. Schließlich Fläche, direkt im Larval- und Imagi- 1050 Metern (Sielezniew et al. 2010). Bei handelt es sich noch um eine sehr nalhabitat, unabdingbar. Das zeigt der Bestandsgrößenschätzungen einer in standorttreue Art mit geringer Mobili- Vergleich der Zahlen vom 04.07.2018, Bayern 1996 wiederentdeckten Po- tätslust (kurze Flüge) und nur kleinem wo in der Fläche 63 Falter gezählt pulation (Flächengröße 1,11 Hektar) Aktionsradius. In Slowenien erstreck- wurden, im 500-Meter-Transekt aber anhand von Transektbegehungen ten sich nur 21 % der Ortsverlage- lediglich 16 (ca. 25 %). Im angrenzen- wurden zwischen 26 (1999) und 129 rungen der Männchen und nur 8 % den, flächenmäßig vergleichsweise Imagines (2005) gezählt (Bräu et al. der Weibchen über 100 Meter. Mehr sehr großen, mit dem Vorarlberger 2010). als 200 Meter bewegten sich nur 3 % Standort eine naturräumliche Einheit Wie in anderen europäischen Ländern (Männchen) bzw. 1 % (Weibchen) der bildenden Ruggeler Riet in Liechten- (z. B. Bonelli et al. 2010; Šašic 2010; Sie- Tiere (Čelik & Verovnik 2010). Das ist stein wurden 2005 bei einer Untersu- lezniew et al. 2010) ist das Moor-Wiesen- auch eine wichtige Erkenntnis für die chung der Coenonympha oedippus- vögelchen auch in Vorarlberg durch Überwachung des Bestands. Aus na- Population 87 Nachweise erbracht Intensivierungsmaßnahmen und Aus- turschutzfachlichen Gründen ist eine (ohne Angabe der Methodik) (Staub & trocknungstendenzen im Zuge von Transektzählung entlang des durch Aistleitner 2006). L inientaxierungen in Flussregulierungen bzw. Drainagie- das Gebiet führenden Wirtschafts- Polen (Zawadówka nahe Chelm) erga- rungen der ehemals bzw. noch besie- weges geboten, für aussagekräftige ben durchschnittlich 7 Individuen pro delten Standorte verschwunden resp. inatura – Forschung online 86 (2021) 6
bedroht (Gradl 1933; Huemer 1996). Ha- In über einen längeren Zeitraum hin- die Reaktion von Coenonympha oedip- bitatverluste, -fragmentierungen und weg ungestörten Lebensräumen kann pus überprüft werden. Zu starker Ver- -veränderungen als Folge von Mine- sich eine für die Larvalentwicklung schilfung neigende Habitatbereiche ralisierungsprozessen der Torfböden günstige Streudeckung etablieren. (Abb. 7) könnten kleinräumig nach und damit einhergehenden Eutro- Darüber hinaus sind die Aussichten deutschem Vorbild behandelt werden. phierungen oder anhaltende Sukzes- für eine erfolgreiche Entwicklung der Was mindestens geschehen muss, ist sionsvorgänge mit zunehmender Ver- nur während weniger Monate im Win- speziell für das noch bewohnte Gebiet schilfung bzw. Verbuschung führten ter inaktiven, aber auch dann noch eine Rückverlegung des zurzeit ge- zu immer stärkeren Dezimierungen teilweise oberhalb der Streuschicht setzlich vorgeschriebenen Mahdter- und Isolierungen der nutzbaren Flä- sitzenden Raupen ohne Störungsein- mins um vier Wochen. chen wie auch des besiedelten Raums flüsse am besten (Čelik et al. 2014; eig. Das momentan vorhandene Wissen (z. B. Bischof 1968; Örvössy et al. 2010; Beob.). Aus diesen Gründen empfeh- über die das Bangser Ried besiedeln- Šašic 2010; Sielezniew et al. 2010; Staub & len Čelik et al. (2014) in den von Coeno- de Population des Moor-Wiesenvögel- Aistleitner 2006). nympha oedippus besetzten Habitaten chens ist insgesamt noch sehr lücken- Über das europäische Areal hinweg lediglich einem Überwachsen mit Ge- haft. Populationsgrößenschätzungen besiedelt die im feuchten Grasland hölzen oder Schilf entgegenzuwirken. (wie in vielen anderen europäischen beheimatete Form des Moor-Wiesen- Eine Mahd halten sie im Zeitraum von Ländern schon vor vielen Jahren um- vögelchens regelmäßig im Herbst Dezember bis Februar als am ehesten gesetzt – z. B. Bonelli et al. 2010; Čelik gemähte Wiesen (z. B. in Vorarlberg verträglich. Einer zu starken Verschil- 2004; Čelik & Verovnik 2010; Örvössy et und Liechtenstein), nur selten oder fung wirkt man in Deutschland mittels al. 2010; Šašic 2010), mehrfache jähr- sporadisch einer Pflegemahd unter- hohem Schnitt der betroffenen Flä- liche Transektbegehungen (auch in worfene Biotope (Bonelli et al. 2010; chen zur Flugzeit entgegen (Čelik et al. der Fläche!) und Erhebungen der tat- Örvössy et al. 2010; Šašic 2010) oder im 2014). sächlich zur Reproduktion genutzten Extremfall sogar über mehrere Jahr- Demzufolge ist der von der Schutz- Habitatteile (Eiablagebeobachtungen, zehnte hinweg brachliegendes Ge- gebietsbetreuung im Bangser Ried Raupensuche) wie auch zur Wirk- lände (Bräu et al. 2010). Als Standorte seit kurzem eingeschlagene Weg samkeit des Pflegeregimes (Brachen) mit den höchsten Individuendichten mit der Errichtung von Rotationsbra- sollten nicht nur in Bangs durchge- haben sich ältere Sukzessionsstadien chen (schriftl. Mitt. Petra Häfele) ein führt werden, sondern das gesamte mit lichtungsähnlichem Charakter und Schritt in die richtige Richtung. Eine (grenzüberschreitende) Vorkommen einer dominierenden Streuschicht so- Vergrößerung der Bracheanteile so- inkludieren. Empfehlungen einer län- wie wenigen, im Habitat vereinzelt wie eine zeitliche Verlängerung der derübergreifenden Kooperation zum eingesprengten Gehölzen und oftmals von Pflegeeingriffen ungestörten Erhalt von Naturschutzwerten im Al- umrahmenden Hecken herausgestellt Abschnitte auf mindestens zwei oder penrheintal wurden bereits von Staub (Bonelli et al. 2010; Bräu et al. 2016; Čelik drei Jahre sollte anvisiert, dabei aber & Aistleitner (2006) formuliert. et al. 2014; Örvössy et al. 2010). auch die Vegetationsentwicklung und In Anbetracht der europaweiten Be- deutung, der sehr kritischen Situation in Österreich, aber auch angesichts ei- ner erfolgversprechenden Ausgangs- lage sollte Coeonympha oedippus eine vorrangige Behandlung bei der Abwä- gung von Naturschutzzielen im Bangs- er Ried zukommen. Außerdem kann aus Sicht der Autoren durchaus auch darüber nachgedacht werden, dieses Highlight der Landesfauna unter wis- senschaftlicher Begleitung an anderen geeigneten Standorten in Vorarlberg anzusiedeln. Abb. 7: Zu starke Verschilfung beeinträchtigt die Habitateignung für Coenonympha oedippus (Fabricius, 1787) (Bangs, Vorarlberg, 19.07.2019, Foto: Kurt Lechner). inatura – Forschung online 86 (2021) 7
3 Lopinga achine (Scopoli, 1763) – Gelbringfalter 3.1 Verbreitung Der Gelbringfalter (Abb. 8) ist von Frankreich über Mitteleuropa, das süd- liche Fennoskandien und den in der gemäßigten Zone Asiens befindlichen Waldgürtel bis nach Japan, mit isolier- ten Vorkommen im Nordwesten der Iberischen Halbinsel verbreitet (Kudrna et al. 2015). In Österreich ist er aus allen Bundeslän- dern bekannt (Huemer 2013). Hinsicht- lich des aktuellen Verbreitungsbildes bzw. der Bestandssituation ist die Lage Abb. 8: Mit seiner auffallend gezeichneten Flügelunterseite gehört der Gelbringfalter nur in Nordtirol einigermaßen günstig zu den leicht ansprechbaren heimischen Schmetterlingsarten (21.06.2017, St. Anton im (vgl. Gros 2004; Höttinger & Pennerstor- Montafon, Foto: Kurt Lechner, Studioaufnahme). fer 1999, 2005; Koschuh & Gepp 2008; Wieser & Huemer 1999). In Vorarlberg ist Lopinga achine aus dem Leiblachtal, dem Rheintal, dem Bregenzerwald, dem Walgau, dem Rätikon, dem Klos- tertal und dem Montafon gemeldet (Aistleitner 1998; Aistleitner & Aistleitner 2000; Huemer 2001; Hiermann unveröff.). 3.2 Biologie und Ökologie Der Gelbringfalter gehört zu den weni- gen Waldarten unter den heimischen Tagfaltern. Er besiedelt lichte, gut strukturierte, luftfeuchte Wälder mit reichlich Grasunterwuchs und nutzt dabei alle Strata. Die (in allen Stadi- en?) nachtaktive, überwinternde Rau- Abb. 9: Raupe des Gelbringfalters [Lopinga achine (Scopoli, 1763)] vor der Überwinte- pe (Abb. 9) ernährt sich, wie wohl die rung (15.10.2017, Foto: Kurt Lechner, Studioaufnahme). meisten Satyrinae, generell von einem breiteren Spektrum diverser Gräser, ist die Hauptnahrungsquelle sein dürf- Für die präimaginale Entwicklung sind regional oder lokal aber vermutlich ten, zeigt ein Fund an Brachypodium warmfeuchte Bodenverhältnisse von auf wenige oder gar nur eine einzige sylvaticum in der Schweiz (SBN 1994), großer Bedeutung, da bereits bei ei- Grasart/en beschränkt (vgl. Bergmann eine Eiablagebeobachtung in Baden- ner relativen Luftfeuchte von 30 % ein 2000). In Baden-Württemberg, Bayern Württemberg in einen Brachypodium Totalausfall der Eier auftritt (Karlsson bzw. Schweden hat man sie an Carex pinnatum-Bestand (Ebert & Rennwald & Wiklund 1985). Im eigenen Zucht- alba, Carex montana und Carex flacca, 1991) und diverse Zuchterfahrungen versuch stellen die Raupen nach den in der Steiermark an Carex brizoides (Belling 1925; Bergmann 2000; SBN 1994; ersten Frösten Ende Oktober das Fres- gefunden (Bergmann 2000; Ebert & Renn- Weidemann 1988; eigene Zucht des Erst- sen ein und spinnen sich an Blättern wald 1991; Geyer & Dolek 2013; Koschuh autors an Poa annua mit Vorarlberger fest. Als Energiequellen dienen den 2008). Eiablagen wurden in Ungarn Material), dass auch Süßgräser zum Faltern besonders feuchte Wegstellen, an Carex fritschi, Carex michelii, Carex- Speiseplan der Raupen gehören. Die tote Kleintiere und Säugerkot, seltener Streu und an einer Potentilla-Art inmit- durchaus naturschutzfachlich relevan- Blüten. Aus Vorarlberg liegen dazu Be- ten eines Carex-Bestands beobachtet te Frage der larvalen Substratnutzung obachtungen auf Liguster (mehrfach, (Konvicka et al. 2008). Obwohl Seggen ist in Vorarlberg noch nicht geklärt. Aistleitner & Aistleitner 2000), Brom inatura – Forschung online 86 (2021) 8
beere und Wasserdost (Lechner & Ortner 3.3 Gefährdung handen, dort aber »stark gefährdet« 2017) vor. Die Flugzeit ist witterungs- bzw. sogar »vom Aussterben bedroht« bedingten Schwankungen unterwor- Lopinga achine ist in der European Red (Ebert et al. 2005; Geyer & Dolek 2013; fen. Im Bezugsraum datiert die frühes- List of Butterflies wie in der Roten Liste Reinhardt et al. 2020). In der Schweiz ist te Meldung vom 29.05.1934 (Aistleitner gefährdeter Schmetterlinge Vorarl- Lopinga achine »nur noch durch rest- 1998), die späteste vom 04.08.2016 bergs als »Vulnerable« eingestuft (Van riktive Schutzmaßnahmen zu bewah- (Lechner & Ortner 2017). Im nasskalten Swaay et al. 2010; Huemer 2001). In der ren« (SBN 1994: 116). Hier sind viele äl- 2016er Jahr dauerte die Flugzeit in Roten Liste der Tagfalter Österreichs tere Vorkommen bereits erloschen, die Allma (St. Anton im Montafon) vom ist der Gelbringfalter als »Endange- Art mit Ausnahme des Tessins überall letzten Junidrittel (mehr als 60 Falter red« eingetragen (Höttinger & Penner- zerstreut und selten (Schiess 2004). In am 28.06.) bis Anfang August (ein Fal- storfer 2005). Wesentlich kritischer ist Südtirol ist sie vermutlich noch vor- ter noch am 04.08.) und erstreckte sich die Situation im benachbarten Aus- handen, wurde aber seit 2002 nicht damit über einen Zeitraum von mehr land. So ist die früher aus nahezu allen mehr nachgewiesen (Huemer 2015). In als fünf Wochen. deutschen Bundesländern bekannte Tschechien schließlich hat nur eine Po- Art in Deutschland aktuell nur noch in pulation bis in die Gegenwart überlebt Bayern und Baden-Württemberg vor- (Konvicka et al. 2008). 3.4 Aktuelle Verbreitung und Bestandssituation in Vorarl- berg Von 1997 bis zum Beginn der vorlie- genden Untersuchung wurde Lopin- ga achine im Bregenzerwald (Doren- Rohrhalden – Aistleitner & Aistleitner 2000), im Walgau (Ludescherberg, Lo- rüns, Bludenz – Aistleitner & Aistleitner 2000; Aistleitner unveröff.; Hiermann unveröff.), im Rätikon (Bürserberg – Hiermann unveröff.) und im Montafon (St. Anton – Huemer 2001; Aistleitner unveröff.) nachgewiesen (unveröffent- lichte Funde sind der Datenbank der inatura entnommen). Den aktuellen Erkenntnissen zufolge wird der Schnittpunkt Walgau-Mon- tafon-Klostertal als landesweites Zent- rum für den Gelbringfalter angesehen und den hier vorhandenen Vorkom- men besondere Bedeutung für den langfristigen Erhalt der Art in Vorarl- berg beigemessen. Abb. 10: Verbreitungskarte von Lopinga achine (Scopoli, 1763) in Vorarlberg. Dar- gestellt sind die den Autoren bekannten rezenten bzw. subrezenten Funde von 1998 bis 2017 (rot) sowie der begange- ne Standort (ohne Falternachweise) in Dornbirn-Gütle (weiß). Nicht überprüfte historische Fundmeldungen sind nicht berücksichtigt (Kartengrundlage: VoGIS). inatura – Forschung online 86 (2021) 9
3.5 Befunde aus den Gelände- erhebungen der Vorstudie (2015-2017) Auf der Suche nach der Zielart fanden 2016 und 2017 Erhebungen in St. An- ton im Montafon, Bürs, Bludenz (Küen- berg, Plärsch, Hinterplärsch), dem Ludescherberg und Dornbirn (Gütle) statt. Montafon St. Anton im Montafon wurde im Ge- gensatz zu den übrigen Gebieten im Laufe der Vorstudie dreimal begangen (17.06.2016, 28.06.2016, 04.08.2016). Die erhobenen Daten beziehen sich Abb. 11: Im Mischwald direkt westlich des Natura-2000-Gebiets Davenna lebt die nach auf den botanisch artenreichen (Acer aktuellem Kenntnisstand größte Population des Gelbringfalters [Lopinga achine (Sco- pseudoplatanus, Corylus avellana, Fa- poli, 1763)] in Vorarlberg (28.06.2016, Foto: Kurt Lechner). gus sylvatica, Frangula alnus, Fraxinus excelsior, Ligustrum vulgare, Lonicera xylosteum, Picea abies, Pinus sylvestris, Walgau schutzgebiet Klostertaler Bergwälder Ulmus sp.,…), vertikal schön struktu- Neben St. Anton ist der Großraum gehörende Küenberg, wo der Gelb- rierten, oft lichten, abschnittsweise Bludenz als zweites rezentes Kernge- ringfalter bis ins Jahr 2000 belegt ist. von Rot-Föhre oder Fichte dominier- biet des Gelbringfalters in Vorarlberg Auf dem teilweise zwar recht dichten, ten, und mit reichlich Gräsern und anzusehen. Inklusive dem Ludescher- abschnittsweise aber auch sehr gras- Sträuchern im Unterwuchs ausge- berg und Bürs existieren sowohl aus reichen und lichteren, nadelholzdo- statteten Mischwald bei Allma, direkt den nördlich, nordöstlich als auch minierten, im Unterwuchs vielfach westlich des Natura-2000-Gebiets südwestlich an die Bezirkshauptstadt strauchreichen, botanisch sehr arten- Davenna (Abb. 11). Während bei der angrenzenden Hänge der Kalkalpen reichen Mischwald (mit autochtho- ersten Exkursion noch keine Falter historische bzw. aktuelle Funde von nem Vorkommen der Stechpalme) der Zielart gefunden wurden, war Lopinga achine. konnten am 19.06.2017 entlang des der zweite Termin (28.06.2016) sehr Vorrangiges Ziel der vorliegenden Er- Waldlehrpfads ca. 15 Imagines von Lo- günstig. Sowohl Richtung Davenna hebungen war der noch zum Europa pinga achine gezählt werden (Abb. 12). als auch Richtung St. Anton konnten entlang der Wege in Summe 60 bis 70 Imagines von Lopinga achine re- gistriert werden. Alle genauer inspi- zierten Individuen waren Männchen. Die Weibchen führen zwar eine ver- stecktere Lebensweise, sind zu diesem Zeitpunkt aber höchstens vereinzelt vorhanden gewesen. Aus dem Zu- stand der Männchen bei der zweiten, und dem Fehlen der Art bei der ersten Begehung am 17.06. kann abgeleitet werden, dass die Flugzeit 2016 erst im letzten Junidrittel begonnen hat. In diesem kühlen, niederschlagsreichen Jahr konnte sogar noch am 04.08. ein abgeflogenes Tier gefunden werden, das an Wasserdost saugte. Abb. 12: Der gras- und strauchreiche, teilweise kieferndominierte, südexponierte Hang am Küenberg wird durch Naturereignisse (Windwurf) in einem für Lopinga achine (Sco- poli, 1763) günstigen Zustand gehalten (19.06.2017, Foto: Kurt Lechner). inatura – Forschung online 86 (2021) 10
Der Zustand der Falter als auch das vermehrte Auftreten von Weibchen lässt vermuten, dass die Hauptflug- zeit bereits überschritten war. Es sei daran erinnert, dass das Frühjahr 2017 außergewöhnlich warm war und Raupenüberwinterern sicherlich eine schnelle Entwicklung ermöglichte. Mit dem Galgentobel und Hinter- plärsch (Oberdaneu) finden sich in der Datenbank der inatura weitere rezente Meldungen des Gelbringfal- ters aus den östlich an das Stadtgebiet von Bludenz angrenzenden Waldge- bieten. Die Überprüfung im Bereich Hinterplärsch-Plärsch (zwischen dem Parkplatz der Mutterbergbahn und Abb. 13: An diesem Waldrand entlang eines Weges direkt oberhalb des Galgentobel- der Gemeindegrenze zu Nüziders) am bachs konnten mehrere Imagines von Lopinga achine (Scopoli, 1763) beobachtet wer- 19.06.2017 ergab an Waldrändern und den (Plärsch, 19.06.2017, Foto: Kurt Lechner). in lichteren Waldbereichen rund zehn Imagines von Lopinga achine (Abb. 13). eines von dort abzweigenden Weges aus dem Zeitraum von 1926 bis 1964 Ebenfalls auf der Sonnenseite des durch einen Mischwald, sechs Indi- mit der Herkunft Dornbirn-Gütle. Walgaus liegt der Ludescherberg, wo viduen von Lopinga achine notiert Die Verfasser haben sich einen Wald- 1996 und 1997 einzelne Falter der Ziel- werden. Eine Erkundung des Weges bereich bei Dornbirn-Gütle und einen art an Ligusterblüten saugend beob- ergab keine zusätzlichen Nachweise. nur etwas weiter nordwestlich bei achtet wurden (Aistleitner & Aistleitner Die Tiere konzentrierten sich auf den Boden befindlichen Gehölzbestand 2000 bzw. pers. Mitt. U. Hiermann). Eingangsbereich des Waldes. An einer angeschaut. Beide Stellen dürften für Tatsächlich fanden die Autoren an weiter nördlich begutachteten Stelle Lopinga achine zu dichtwüchsig wie der von U. Hiermann genau beschrie- an der alten Brandnerstraße konnten auch zu wenig strauch- und grasreich benen Stelle, bei der es sich um eine keine Falter gesichtet werden. Nicht sein. Aktuelle Nachweise gelangen sehr kleine, stark verbuschte, ältere allzu weit entfernt, allerdings auf der nicht. Andere, von der Landesstraße Schlagflur mit einzelnen höheren Bäu- östlichen und damit anderen Seite aus zu sehende Waldgebiete bei Gütle, men inmitten von Offenland direkt der Bürser Schlucht (bei Bürs-Schaß), Salzmann und Boden werden eben- am Schellaweg handelt, zwei Falter wurde der Gelbringfalter im Jahr 1976 falls als ungünstig für den Gelbringfal- von Lopinga achine. Beide saugten an gefangen. Lopinga achine hat sich also ter eingestuft. im Randgebüsch befindlichen Brom- auch in Bürs gehalten. Ob es weite- Die Nachsuche historischer Vorkom- beeren. Manche Waldbereiche der re Vorkommen in diesem Raum gibt men in großen Potentialräumen ge- näheren Umgebung, v. a. südlich der (wahrscheinlich) und ob evtl. sogar stalten sich aufgrund des Fehlens prä- Fundstelle, weisen durchaus Potenti- Verbindungen mit den Tieren am Bür- ziserer Angaben wie die Suche nach al für den Gelbringfalter aus. Eine aus serberg (die genauen Fundstellen sind der »Nadel im Heuhaufen«. Derartige Zeitgründen leider nur oberflächliche den Autoren nicht bekannt) bestehen, Nachforschungen können nur unter Betrachtung der Umgebung ergab je- ist im Rahmen dieser Untersuchung zeitlich eingegrenzten Vorgaben ziel- doch keine weiteren Nachweise. nicht zu eruieren, weil die Wälder hier gerichtet und damit auf kleinem Raum recht große Flächen einnehmen und umgesetzt werden (anhand von Vor- Rätikon deren genauere Erkundung viel Zeit in bereitungen mittels Luftbildern und In den südwestlich des Bludenzer Anspruch nimmt. Abstimmung der Situation im Gelän- Beckens angrenzenden Gemeinden de), wobei Glück oder Zufall doch im- wurde der Gelbringfalter historisch Rheintal mer wieder eine gewisse Rolle spielen. in Bürs und rezent in Bürserberg ge- Der dritte, aktuell leider nicht verifi- In diesem Fall konnte zwar kein Nach- funden. Im Laufe der vorliegenden zierbare Bereich mit einer ehemals weis bzw. keine Bestätigung erbracht Untersuchung konnten direkt west- vermutlich großen oder größeren werden, ein aktuelles Vorkommen des lich der Landesstraße nach Brand, Population befindet sich in Dornbirn. Gelbringfalters irgendwo in diesem an der Trafostation 160 Peterstein, In der Sammlung der inatura stecken Gebiet kann allerdings auch nicht aus- Gemeinde Bürs, und zwar am Beginn zahlreiche Belege des Gelbringfalters geschlossen werden. inatura – Forschung online 86 (2021) 11
3.6 Monitoring (2019) 3.6.1 Standörtliche und methodi- sche Rahmenbedingungen Für das Monitoring wurden Populatio- nen in Bludenz (Hinterplärsch-Plärsch und Küenberg) und in St. Anton im Montafon (Allma) valiert. Als Bege- hungstermine konnten der 18. und 29.06.2019 realisiert werden. Hinsicht- lich der Bewertungskriterien haben sich die Autoren an das für Deutsch- land ausgearbeitete (Leopold & Pret- Abb. 14: Lage und Länge der Transekte zur Erfassung von Lopinga achine (Scopoli, 1763) scher 2006), 2017 aktualisierte Schema bei Bludenz (Kartengrundlage: VoGIS). gehalten (Altmoos et al. 2017). Für die Beurteilung der Habitatqualität wurden der Überschirmungsgrad und die Verfügbarkeit der Gräserfazies auf Bezugsflächen von 0,25 ha geschätzt. Dies geschah in erster Linie vom Bo- den aus, also vor Ort, aber auch un- ter Einbeziehung von Orthofotos. Die Angaben sind als grobe Richtwerte zu verstehen. Habitatbeeinträchtigungen (Nutzung, Aufforstungs- oder Verbuschungsten- denzen potentieller Larvalhabitate) sind mithilfe von Luftbilderverglei- Abb. 15: Lage und Länge der Transekte zur Erfassung von Lopinga achine (Scopoli, 1763) chen und den während der Gelände- bei Allma in St. Anton im Montafon (Kartengrundlage: VoGIS). begehungen gewonnenen Eindrü- cken bewertet worden. Bei der Legung der Transekte wurde achine nicht nur zwischen den bei- Raum Bludenz konnte ein mittlerer danach getrachtet, das Waldwege- den Probeflächen (Beobachtung von Wert (20 Imagines) eruiert werden. netz so gut wie möglich auszunut- zwei nicht abgesicherten Individu- Die Habitatschätzung erfolgte in Hin- zen. Abweichungen davon haben en), sondern auch in der angrenzen- terplärsch-Plärsch und am Küenberg sich als nicht zielführend erwiesen. den Peripherie vorkommt, was dieses auf je einer Probefläche, in St. Anton Nicht planmäßig umsetzten ließ sich Vorgehen nach Ansicht der Verfasser im Montafon auf insgesamt drei, die die Erhebung am Küenberg, wo der deshalb durchaus rechtfertigt. Genau so auf das Gebiet verteilt wurden, dass obere der beiden Wege wegen Wind- genommen handelt es sich auch im jedes auf dem Luftbild mehr oder we- wurf gesperrt werden musste und Falle von Allma um zwei Wald-Teilbe- niger einheitliche Waldstück Berück- die Transektstrecke damit kürzer als reiche, die größtenteils durch eine mit sichtigung fand (Abb. 16, 17, 18). vorgesehen ausfiel. Auf diese Weise Gehölzaufwuchs bewachsene, im Mit- Die für die larvale Entwicklung essen- resultierte für Küenberg und Hinter- tel etwa 80 m breite Schneise (Strom tielle Grasschicht ist laut der vorge- plärsch-Plärsch eine Transektlänge trasse) »getrennt« werden. nommenen Schätzungen aktuell in von insgesamt 1678 m, für Allma in allen Fällen in mehr oder weniger aus- St. Anton im Montafon von rd. 3000 m 3.6.2 Ergebnisse reichendem Maße vorhanden. Beson- (Abb. 14 u. 15). 55 gezählte Falter bei Allma (St. Anton ders günstig wurde die Bodenvegeta- Die beiden Bludenzer Vorkommen im Montafon) bestätigen die Einschät- tion in den Probeflächen am Küenberg wurden den Empfehlungen aus zung der Voruntersuchung und lassen und in Plärsch (beide mit annähernd Deutschland folgend (Altmoos et al. darauf schließen, dass die Waldberei- 80 % Gräserfazies) eingeschätzt. Die 2017) zu einer Untersuchungsfläche che auf dem Schutt- und Schwemm- Situation in St. Anton im Montafon ist zusammengefasst, da sie weniger als kegel am Fuße des Davennastocks in zwei Probeflächen ebenfalls als gut 400 m voneinander entfernt liegen. Es von einer großen Population des Gelb- einzustufen (60 bis 75 % Graserfazies), ist sehr wahrscheinlich, dass Lopinga ringfalters besiedelt werden. Für den in der dritten mit insgesamt nur 40 % inatura – Forschung online 86 (2021) 12
Anteil Grasvegetation (vielfach stark beschattet) jedoch im untersten Be- reich der für die Art geeigneten Bedin- gungen angesiedelt. Der Überschirmungsgrad liegt meist im obersten Grenzbereich (je nach Gebiet bei 65 bis 70 %) bzw. leicht oder deutlich darüber (90 % in der dritten Probefläche bei Allma). Die Lichtverhältnisse werden großteils dank einer guten Durchmischung des Baumartenbestands mit mehr oder weniger hohen Anteilen der Rot-Föhre und durch das Waldwegenetz (breite, unasphaltierte Forstraßen sowie Wan- derwege oder Trampelpfade) günstig beeinflusst. In Allma konnten in Wald- Abb. 16: Probefläche zur Bewertung der Habitatqualität am Küenberg (Gem. Bludenz) stücken mit relativ dichtem Kronen- (29.06.2019, Foto: Kurt Lechner). schluss (70 bis 80 %) ähnlich viele oder sogar mehr Falter registriert werden als in Abschnitten mit (gerade noch) »op- timalen« Überschirmungsanteilen (60 bis 70 %). Andererseits waren in den sehr lichten, parkähnlichen Bereichen mit Deckungsgraden unter 50 % im westlichen, straßennahen Abschnitt dieses Untersuchungsgebiets keine Falter zu finden. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass sich nach Untersuchun- gen im Südlichen Steigerwald (Bayern) für das Oberholz ein Deckungsgrad von 40 bis 60 % als optimal heraus- gestellt hat (Dolek et al. 2009; Geyer et al. 2008 zit. in Geyer & Dolek 2013). Die dort (nahe der L 188) durchaus gut Abb. 17: Probefläche zur Bewertung der Habitatqualität in Plärsch (Gem. Bludenz) ausgebildete Gräserfazies auf mage- (29.06.2019, Foto: Alois Ortner). rem, leicht westexponierten Grund ist starker Besonnung ausgesetzt, somit zu trocken und deshalb (noch) nicht als Larvalhabitat geeignet. Aufschlüsse über die Waldnutzung sollten Luftbilder aus früheren Jahren und Jahrzehnten liefern (VoGIS). Die- sen ist zu entnehmen, dass am Küen- berg, allerdings im Grenzbereich bzw. außerhalb des Untersuchungsraums, Anfang der 2000er Jahre an mehreren Stellen Kahlschläge stattfanden. In je- nem Bereich, in welchen der Transekt gelegt wurde, führten die Windwurf ereignisse von 2018 auf natürliche Weise zu einer Auflichtung der steile- ren, südexponierten (und damit ohne- Abb. 18: Probefläche zur Bewertung der Habitatqualität in Allma (Gem. St. Anton im hin helleren) Partien des Bergrückens. Montafon) (29.06.2019, Foto: Alois Ortner). inatura – Forschung online 86 (2021) 13
Im Falle von Hinterplärsch-Plärsch Ab Im K Ab Im P Ab Im A Üb% K Üb% P Üb% A 1 Grf% K Grf% P Grf% A 1 lässt sich ablesen, dass die Gehölzbe- 18.06.2019 8 1 3 reiche großflächig gesehen seit den 29.06.2019 10 10 55 70 65 70 75-80 75-80 70-75 1970ern generell zunehmend dichter werden. Nutzungsaktivitäten in Form Tab. 2: Zusammenfassende Darstellung der im Rahmen des Monitorings 2019 zum von Kahlschlägen lassen sich ortsnah Gelbringfalter [Lopinga achine (Scopoli, 1775)] gewonnenen Daten. auf den Luftbildern in den letzten fünf Ab = Abundanz, Im = Imagines, Üb% = Überschirmungsgrad in Prozent, Grf% = Gräser- Jahren ablesen. Eine dieser Schlag- fazies in Prozent, K = Küenberg, P = Plärsch-Hinterplärsch, A = Allma flächen wird sich selbst überlassen 1 Wert der besten Probefläche und kann in Zukunft Potential für den Gelbringfalter entwickeln (Abb. 19). An anderer Stelle hingegen wurde der Wald für anthropogene Zwecke vollständig entfernt und das Terrain planiert (aktuelles Satellitenbild aus dem Jahr 2020). Auf diese Weise ist zwischen den Beständen entlang des Galgentobelbachs und des Küenbergs eine große Lücke entstanden, in der Lopinga achine vermutlich vorkam (zwei nur flüchtig gesehene, nicht ab- gesicherte Falter im Laufe der Vorerhe- bungen). Das Waldgebiet bei Allma (St. Anton im Montafon) war in den 1950er Jah- ren in größeren Teilen ähnlich dicht oder sogar dichter bewachsen als heu- Abb. 19: Diese Schlagflur bei Plärsch wird allem Anschein nach sich selbst überlassen te. In den 1980ern fanden hier groß- und könnte zumindest partiell Potential für den Gelbringfalter entwickeln. Zur Habi- flächige Geländeveränderungen statt tatoptimierung für Lopinga achine (Scopoli, 1763) sind auflichtende Nutzungsformen (wahrscheinlich im Zusammenhang notwendig, dabei aber Eutrophierungen des Bodens zu vermeiden (19.06.2017, Foto: mit der Stilllegung des Gipsabbaus), Kurt Lechner). die eine stark aufgelichtete Waldstruk- tur mit sich brachten. Seit damals wer- den die Waldbereiche den Orthofotos keine Gräser vorhanden. Hier befindet source für die larvale Entwicklung nur zufolge forstlich meist nur wenig ge- sich auch der einzige asphaltierte Weg schwach bis gar nicht mehr präsent ist. nutzt. So sind über die letzten zwei des Untersuchungsgebiets. Von Lopin- Auf der anderen Seite ist in den Unter- Jahrzehnte hinweg nur leichte Verän- ga achine konnten lediglich vier Indivi- suchungsgebieten erst kürzlich Fläche derungen festzustellen. In der Regel duen registriert werden. verloren gegangen, eine aus Sicht handelt es sich dabei um Eingriffe, die Somit sind jene Gebiete, in denen von Lopinga achine ungünstige Ent- Lichtungen geschaffen haben. Ganz der Gelbringfalter in Vorarlberg nach wicklung von Kahlschlagflächen nicht aktuell ist allerdings auch eine rd. 2000 momentanem Kenntnisstand heute auszuschließen und Dunkelwaldwirt- Quadratmeter große, offensichtlich noch in hohen oder höheren Abun- schaft in Form von Fichtenforsten fest- planierte Kahlschlagfläche nahe dem danzen vorkommt, großteils wohl nur zustellen. Tränenbach auf dem Luftbild zu er- geringfügig anthropogen beeinflusst Als habitatprägend wurden deshalb kennen. Im südöstlichen Viertel des und durch eine mehr oder weniger lediglich die Windwurfereignisse am Beobachtungsraums (südlich des Trä- gut (in der Regel aber üppig) ausge- Küenberg eingestuft. Den Gebieten nenbachs, ortsnah) ist neben kleine- bildete Strauchschicht sowie reichlich Allma und Hinterplärsch-Plärsch hin- rer Flächenverluste (Lagerplatz und Oberholz gekennzeichnet. Bedingt gegen muss nach obigen Ausfüh- Haus) in den 1990er Jahren auch eine durch das geringe Störungsregime rungen eine großflächige Aufgabe deutliche Dominanz der Fichte bis hin sind teilweise stärker verbuschte bzw. Lebensraum schaffender Nutzung zu- zum dichten Fichtenforst festzustellen. dicht verwaldete Stellen vorhanden gesprochen werden. Im Unterwuchs ist vielfach so gut wie (Abb. 20), in welchen kein Licht mehr Subsummierend wurden beide Vor- keine Strauchschicht ausgebildet und auf den Boden gelangt und/oder die kommen zwar mit »gutem Erhaltungs- in der Bodenvegetation sind zum Teil Grasschicht als entscheidende Res- zustand« bewertet, allerdings mit dem inatura – Forschung online 86 (2021) 14
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