MISSION WO GEHT'S LANG? DIE FRAGE NACH DER ORIENTIERUNG - LIEBENZELLER MISSION

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MISSION WO GEHT'S LANG? DIE FRAGE NACH DER ORIENTIERUNG - LIEBENZELLER MISSION
ausgaBe 5/6 – mai /JuNi 2017

MiSSiOn                                             Mit
                                                       sfest-
                                                Mission r
                                                    Flye

                                     Mit
                                           -
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                                  beitrag h
                                     Ulric
                                           us
                                    Giesek

        Wo geht’s
           lang?
        die Frage
        nach der
       orientierung

                                     Japan:
                                  in der spur
                                    bleiben
                                    Malawi:
                               Was ist die Norm?
                               Papua-neuguinea:
                                lehre statt leere

                                   www.liebenzell.org
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das erwartet mich

                                  6                                               10                                            12
darum geht’s                           ratlos                               die lm im tV
    4 Wo geht's lang? die Frage        16 ratlos vor Afrika                 31 tV-Programm mai/Juni
      nach der Orientierung               Prof. Dr. Volker Gäckle
      Martin Auch                                                           was macht eigentlich …
                                       missionare konkret                   32 … Marliese Harm?
 5 russland: durch gottes wort         17 neue Missionare vorgestellt
   orientierung finden                                                       31 impressum
   Matthias Schindler                  blick in die welt
    6 Papua-neuguinea:                 21 Jubiläum: 75 Jahre
      lehre statt leere                   Liebenzeller Mission USA
      Gerhard Stamm
                                       mit imPact erlebt
                                                                                                     ser
                                                                                        Zum Thema die
    8 Zentralasien:                    22 Wenn Weihnachten und
      das ist keine kuh!                  Ostern zusammenfällt
                                          Annika Schmalzhaf
 10 Malawi: was ist die norm?
    Michael Volz
                                       liebenZeller mission aktuell
12 Japan: in der spur bleiben          25 „Stufen des Lebens“
   Lothar Sommer                          in Bad doberan
                                                                                                    Nachdem ich den Großteil meines
                                       25 dankbar für ein „blaues Auge“
14 Mittlerer Osten:                                                                                 Lebens als Sohn von DIPM-Missio-
   (neu)orientierung durch                                                                          naren bei den Indigenen in der
                                       ihl konkret
   christliches Fernsehen                                                                            Idylle Brasiliens verbracht habe,
                                       26 die Sichtweise des Lichtblicks
   Paulus Hieber                                                                                     gibt es für mich nur einen Weg
                                          Josia Haupt
                                                                                             aus ihrer geistlichen und sozialen Aus-
                                                                                            weglosigkeit: das Evangelium Jesu Christi.
sonderbeitrag                          das emPFehlen wir
                                                                                            david Höfer studiert evangelische
18 kann mir mal einer sagen,           24 buchtipps
                                                                                            theologie an der ihl
   wo ich hin will?                    28 medien der liebenzeller mission
   orientierung finden im leben,
   denken und glauben                  Persönliches                                                   Wenn ich ratlos bin, bete ich um
   Prof. Dr. Ulrich Giesekus           27 missionare unterwegs                                        zwei Dinge: „Herr, lass mich den
                                       28 geburt, Verstorben                                          Weg erkennen, den deine Gebote
klarteXt                                                                                              weisen!“ und „Gib mir Glaube und
 3 kein konsens um jeden Preis         da bin ich willkommen                                          Mut, auf diesem Weg zu gehen!“
   Detlef Krause                       29 tipps und termine                                 Gyöngyvér Luz, verheiratet, vier kinder,
                                                                                            sonderschulpädagogin, aufgewachsen in
                                                                                            ungarn, viele Jahre missionarin in ecuador
Titelbild: die straße nach nomane/Papua-neuguinea
ist in einem sehr schlechten Zustand. Foto: Gerhard Stamm
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                                                                                                                    klartext

                                               kein konsens
                                               um jeden Preis
                                               christen streiten miteinander – bis heute! auseinandersetzungen
                                               ziehen sich quer durch die kirchengeschichte und haben sich

                                      22
                                               an den unterschiedlichsten themen entzündet: an der taufe, dem
                                               abendmahl, geistesgaben, Zungenrede, eschatologie, kleidungs-
                                               fragen, der musik.
                                               Es gibt eine lange Liste von Streitpunkten, die Christen gegeneinander aufgebracht
     aktuelle inFos                            haben. Schon in den römischen Gemeinden gab es Zoff: Welche Rolle spielen die
     O im internet unter:                      jüdischen Speisevorschriften für einen Christen? Welche Feiertage müssen noch
       www.liebenzell.org                      bedacht werden? Die Meinungen prallten aufeinander. Jede Seite hatte ihre Wort­
     O in der wöchentlichen                    führer, die belesen und eloquent theologisch für ihre Sicht eintraten. Und dann
       Gebetsmail (bitte anfordern):           waren da die vielen, die mittendrin standen und nicht wussten, wie sie sich ent­
         www.liebenzell.org/                   scheiden sollten.
       gebetsanliegen                          Theologischer Streit – ist das nicht Schnee von gestern? Ist das, was Paulus in Rö­
     O vom Band abhören:                       mer 14 anspricht, heute noch aktuell? Oder rennt er bei uns offene Türen ein? Wir
       telefon 07052 17-111                    reden von kultureller Vielfalt, von Inklusion, von Antidiskriminierung, Akzeptanz
                                               und Toleranz. Bestätigt uns Paulus in dem, was er schreibt, nur das, was heute
                                               propagiert wird? Lass doch jedem seine Sicht – das Gemeindeleben kann so schön
                                               bunt sein. Plädiert Paulus für ein „anything goes“? Soll bei uns jede Sichtweise
                                               und jeder Lebensstil Platz haben? Will Paulus uns sagen: „Nimm’s mal ein bisschen
     sPenden                                   locker!“ oder „Sei nicht so verspannt!“?
     liebenzeller mission                      Das würde unserem Lebensgefühl naheliegen. Vor 40 Jahren prallten theologisch
     sparkasse Pforzheim calw                  unterschiedliche Meinungen noch heftig aufeinander. Da wurden Pietisten als
     iban: de27 6665 0085 0003 3002 34         Pietkong (statt Vietkong) betitelt, es wurde über Rockmusik, Haarlänge und Ho­
     bic: PZhsde 66                            sen tragende Frauen heftig gestritten. Zum Glück sind wir über diese Zeiten hin­
                                               weg. Wer Paulus aber so versteht, als sei er ein Vertreter einer alles relativieren­
     die liebenzeller mission ist als          den Lebenshaltung, der versteht ihn falsch. Wer andere Texte von Paulus liest, der
     gemeinnützig anerkannt. spenden,          weiß, dass er klare theologische Vorstellungen und ethische Maßstäbe hatte und
     schenkungen und Vermächtnisse             dass er bereit war, sich heftig um die Wahrheitsfrage zu streiten.
     müssen nicht versteuert werden.           Wir streben heute den Konsens an. Das ist für den Zusammenhalt einer Gesell­
                     bitte vermerken sie den   schaft und einer Gemeinde notwendig. Es gehört aber auch dazu, sich für grund­
         n:
     elfe e
                     beim artikel angege-      legende Dinge nötigenfalls zu streiten und nicht alles einfach hinzunehmen. De­
MithdeNcod Mithelfen:
speN
  144
            2
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                -3
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                     benen Spendencode         mokratie lebt nicht nur von der Anpassung an andere Denkweisen, sondern auch
         1440
                     auf ihrer Überweisung,    vom Widerspruch und der Opposition. Wenn die Mehrheit versucht, andersden­
     wenn sie diese arbeit unterstützen        kende Minderheiten zu unterdrücken, zu diffamieren, an den Rand zu drücken
     möchten. herzlichen dank!                 und mundtot zu machen, dann verwandelt sie sich selbst unter dem Deckmantel
                                               der Demokratie und Toleranz in ein totalitäres System.
                                               Wir sind gefordert, Demokratie zu leben – den Mund aufzumachen und für das
                                               einzustehen, was wir als richtig erkannt haben. Demokratie braucht nicht nur eine
                                               Konsens­, sondern auch eine Streitkultur.

                                               Ihr                                                      einladung
                                                                                              Herzliche            fest
                                                                                                        stmissions
                                                                                              zum Pfing
                                                                                                         rtag!
                                                                                              und Luthe        t
                                                                                                           mm is
                                               Pfarrer Detlef Krause                            das Progra
                                                                                                         e t.
     mission weltweit 5–6/2017                 Direktor                                         beigeheft
MISSION WO GEHT'S LANG? DIE FRAGE NACH DER ORIENTIERUNG - LIEBENZELLER MISSION
4   darum geht‘s

                    was ist das ergebnis, wenn missions-               trags bleiben muss. Und so sind wir als Orientie-
                                                                       rungshelfer unterwegs in unserer heute so chao­
                    leute aus verschiedenen ländern
                                                                       tischen Welt – gemeinsam mit Ihnen, den Orien-
                    vor gott stehen und um wegweisung                  tierungsermöglichern.
                    für ihre arbeit bitten? welche strate-             Die Frage nach der Orientierung prägt auch die­
                    gischen schwerpunkte werden sich                   se Ausgabe von „Mission weltweit“. Alle Beiträ­
                                                                       ge geben dieselbe Antwort: Wir müssen Orien-
                    herauskristallisieren, wenn sie ihre
                                                                       tierung in Jesus Christus geben! Lesen Sie, wie un­
                    erfahrungen austauschen, gemein-                   terschiedlich Kontexte, Methoden und Missio­
                    sam reflektieren und auf gott hören?               nare sind:

                                                                       l Lehre weitergeben, Zeit haben, Menschen

    Wo geht’s lang?
                                                                         liebhaben – in Papua­Neuguinea
                                                                       l Den Glauben bezeugen – in Zentralasien
                                                                       l Licht sein, das Orientierung gibt – in Russland
                                                                       l Um Befreiung aus Gebundenheit beten –

    die Frage nach
                                                                         in der TV­Arbeit für den Iran
                                                                       l Im Labyrinth des Lebens mit Jesus
                                                                         bekanntmachen – in Malawi

    der orientierung
                                                                       l Orientierung geben in der Gemeinde – in Japan

                                                                       Was für diese Welt gilt, hat auch für Sie Gültig­
                                                                       keit: Gottes Wort und Gottes Geist wollen uns
                                                                       leiten und zeigen, wo es lang geht.
                                                                       Das Gebet Davids aus Psalm 86,11 wurde mir
                   Diese Situation erlebten wir im vergangenen         durch das gleichnamige Lied von Thomas Eger
                   Sommer. Die Teamleiter der Einsatzländer und        zum jahrzehntelangen Begleiter: „Weise mir,
                   die Direktoren der Zweige der Liebenzeller Mis­     Herr, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahr-
                   sion International trafen sich in Ecuador zu ih­    heit, erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich dei-
                   rer internationalen Tagung. Unsere Gedanken,        nen Namen fürchte.“
                   Gebete und Erfahrungen hatten wir auf einige        Möchten Sie das auch für unsere Missionare
                   Hundert Notizzettel geschrieben. Die Auswer­        und für unsere Welt erbitten? Damit werden Sie
                   tung ergab, dass eine der größten Herausforde­      aktiver und elementarer Teil des großen Auf­
                   rungen unserer Zeit Orientierungslosigkeit heißt.   trags­ und Orientierungshelfers.
                   Wir empfanden das übereinstimmend für jedes
                   der 19 Länder, die wir vertreten.                   Verbunden im größten Unternehmen der Welt­
                                                                       geschichte grüßt Sie herzlich vom Missionsberg
                   Orientierungslosigkeit – betroffen standen wir am   Ihr
                   Morgen des 8. Juni 2016 auf der Veranda unse­
                   res Gästehauses im Amazonasbecken Ecuadors,
                   und wir flehten zu Gott für die Menschen unse­
                                                                       Martin Auch, Missionsdirektor
                   rer Welt. Er bestätigte die bestehende und künf­
                   tige Ausrichtung der Arbeit der Liebenzeller
                   Mission: Wir müssen Orientierunghelfer sein und
                   den Menschen in dieser Welt den wichtigsten
                   Dienst tun: ihnen eine neue Perspektive zeigen,
                   die ein Leben mit dem Herrn und Retter dieser
                   Welt gibt. Deshalb bilden wir Missionare aus,
                   die sich in die Nächte und Nöte der Menschen
                   hineinbegeben, das Leben mit ihnen teilen
                   und zur Zeit und zur Unzeit Jesus,
                   den Orientierungsgeber, bezeugen.

                   Das übereinstimmende Er­
                   gebnis ist für uns weg­
                   weisend. Jesus Christus
                   hat uns deutlich ver­
                   gewissert, dass dies
                   der Fokus unse­
                   res Missionsauf­
MISSION WO GEHT'S LANG? DIE FRAGE NACH DER ORIENTIERUNG - LIEBENZELLER MISSION
russland            darum geht’s         5

                                             Mithelfen:
                                            speNdeNcode
                                             1820-32
                                             russland
Foto: matthias uNd leNa schiNdler

                                         durch gottes wort
                                         orientierung finden                                                                                 Winter im Dorf. Im Ural liegt
                                                                                                                                            der Schnee oft bis in den Mai.

                                    „woher sollen wir wissen, wer die                   fortgerissen. Wir stehen bei Begegnungen und
                                    richtigen evangelischen sind? es gibt               Gesprächen zwischen den beiden Polen, den
                                                                                        Glauben ständig verteidigen zu wollen oder
                                    so viele gruppierungen!“                            einfach zu schweigen. Aber wir wollen Jesus
                                                                                        Christus bezeugen und dann auch Mut machen,
                                    So sagte uns der Mitarbeiter einer Behörde un­      selbst auf die Suche nach der Wahrheit zu ge­
                                    serer Stadt, als wir uns anmeldeten. Er hatte       hen und in der Bibel zu forschen.
                                    recht: So viele verschiedene Gemeinden haben
                                    sich das „evangelisch“ auf die Fahne geschrie­      Hätte ich es nur früher gewusst …
                                    ben, dass Außenstehende nur schwer sagen            Die Orientierungslosigkeit vieler Russen er­        Matthias und Lena Schindler
                                    können, was wir bei so viel „Uneinigkeit“ über­     streckt sich nicht nur auf den Glauben, sondern     leben seit 2006 beziehungs-
                                    haupt glauben. Dazu gibt es hier eine Gruppe,       auf alle Bereiche des Lebens wie Erziehung, Fa­     weise 2008 in russland und
                                    die Jesus nicht als Gott anerkennt. Eine andere     milie, Lebensweise, Umgang mit Geld und Ar­         haben nach dem sprachstu-
                                    lockte junge Mädchen an, um sie mit alten Män­      beit/Arbeitsmoral – und auf die immer wieder­       dium mit dem aufbau einer
                                    nern zwangsweise zu verheiraten ...                 kehrenden Fragen: Wer bin ich? Woher komme          gemeinde in Nischni tagil im
                                    Wir fragen uns, warum sich die Leute nicht          ich? Was ist der Sinn des Lebens? Wohin gehe ich?   ural begonnen. matthias hat
                                    einfach informieren, um beurteilen zu können,                                                           die ausbildung am theologi-
                                    was christlicher Glaube eigentlich ist. Über das    Die Bibel sagt in Psalm 119,104f: „Dein Wort        schen seminar der lieben-
                                    Internet kommt doch heute jeder an die Infor­       macht mich klug … Dein Wort ist meines Fußes        zeller mission absolviert und
                                    mationen, die er möchte. Und warum lesen die        Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.“ Deshalb     zuvor als verpackungsmit-
                                    Leute nicht einfach die Bibel, um zu erfahren,      ist es uns sehr wichtig, die Menschen dazu zu       telmechaniker gearbeitet.
                                    was Gott wirklich will – und was sich Menschen      ermutigen, die Bibel zu lesen. Darin spricht        lena war bis 2007 als hotel-
                                    und Kirchen nur ausgedacht haben?                   Gott selbst zu uns, um uns zu leiten und Ant­       fachfrau in den christlichen
                                    Doch unsere Erfahrung ist, dass die meisten         worten auf unsere Fragen zu geben. Eine Frau        gästehäusern monbachtal
                                    Menschen in Russland das nicht wollen. Sie be­      aus unserer Gemeinde hat es vor Kurzem sehr         beschäftigt.
                                    dienen lieber das alte Klischee: „Alle Evangeli­    schön formuliert: „Seit ich die Bibel lese, hat
                                    schen sind Sektierer!“ Das ist viel einfacher und   sich mein Denken und Handeln verändert. Hätte
                                    fordert nicht heraus, sich mit der Thematik zu      ich früher schon gewusst, was in der Bibel
                                    beschäftigen, was man überhaupt glaubt bzw.         steht, wäre mein Leben ganz anders verlaufen –
                                    glauben will. Dabei suchen hier so viele einen      mit weniger Problemen und Fehlern.“
                                    festen Halt im Leben!                               Als Gemeinde wollen wir wie ein Licht auf ei­        im november 2016 konnten
                                    Das stellt uns immer wieder neu vor die Her­        nem Berg (Matthäus 5,14) und ein Leuchtturm          wir eine bibelausstellung
                                    ausforderung, wie wir den Menschen in ihrer         sein, der Menschen in ihrer Angst und Hilflo­        zum „140-jährigen Jubiläum
                                    Orientierungslosigkeit begegnen können. So          sigkeit Orientierung gibt. Menschen sollen aus       der Übersetzung der gesam-
                                    viele Stimmen und Meinungen strömen auf sie         ihren Abhängigkeiten, ihrer Gebundenheit und         ten bibel in die russische
                                    ein! Wer da nicht in Gottes Wort, der Bibel, ver­   Sünde zu einem Leben mit Jesus Christus befreit      sprache“ in der stadtbib-
                                    ankert ist, wird von den vielen Anschauungen        werden. Das ist unser Wunsch – dafür beten wir.      liothek von nischni tagil
                                                                                                                       Matthias Schindler    veranstalten.

                                    mission weltweit 5–6/2017
MISSION WO GEHT'S LANG? DIE FRAGE NACH DER ORIENTIERUNG - LIEBENZELLER MISSION
6     darum geht’s            PaPua-neuguinea

                                                                                                                         Mithelfen:

lehre statt leere
                                                                                                                         speNdeNcode
                                                                                                                         1200-32
                                                                                                                           papua-
                                                                                                                          Neuguinea

Bibelschullehrer Peter
predigt.                        mittagszeit, der heutige unterricht ist geschafft. ich trage die gewebte tasche mit
                                zwei bibeln und zwei ordnern mit meinen ausarbeitungen – habseligkeiten eines
                                bibelschullehrers „für einfache leute“ – in unser haus. die eindrücke des morgens
                                gehen mir durch den kopf. wie viel meine schüler wohl verstanden haben?

                                Robert schaut mich mit großen Augen treuher­       se der Jugendlichen ausmachen und nicht das
                                zig an. Auf Fragen gibt er drollige Antworten,     Privileg hatten, eine gute Schule in der Stadt
                                die er schon immer parat hatte. Manchmal           zu besuchen. Sie mussten nehmen, was es gab.
                                verblüfft er auch mit guten Einfällen. Er hat
                                in der Schule wenig gelernt. Die Lehrer waren      Lehre gibt Orientierung
                                oft nicht anwesend, betrunken oder ließen die      Was hilft es, von einem idealen Unterricht zu
                                Schüler den Lernstoff wie Papageien nachplap­      träumen, der schlaue und begabte Schüler in
                                pern. Lehrer hierzulande sind oft unmotiviert,     die Lage versetzt, einmal die Kirche und die
                                weil ihnen kein Gehalt gezahlt wird oder auch,     Nation auf den Kopf zu stellen? Wir haben die
Gerhard und Brigitte Stamm      weil sich niemand darum kümmert, was sie tun.      Voraussetzungen dafür nicht! Und so kann man
sind seit fast 29 Jahren in     Und so juckte es niemand, wenn Robert erst gar     als Bibelschullehrer mit „meinen Jungs“ nicht
papua-Neuguinea tätig. sie      nicht zum Unterricht ging. Nach der vierten        glänzen. Aber man kann sie lieb haben – und
unterrichten Blockkurse an      Klasse gab er auf. Dann lernte er falsche Freun­   Veränderung in ihr Leben bringen! Sie lernen
der Bibelschule in popun        de kennen und benebelte sich mit Marihuana.        neben dem Bibelunterricht viel Nützliches, das
im hochland und besuchen        Die Droge hat Spuren hinterlassen.                 ihre Chancen verbessert: wie man sich benimmt,
menschen in abgelegenen         Robert hat erst jetzt in der Bibelschule lesen     spricht, lernt, Dinge abwägt, arbeitet, seinen
gebieten. dort lehren sie       gelernt. Mittlerweile liest er gerne vor, auch     Tag sinnvoll plant. All das ist für sie ein großer
pastoren und gemeindelei-       wenn er manche Worte eher errät. Er bemüht         Schritt nach vorne! Egal, ob sie einmal in der
ter und geben Jung und alt      sich echt und sitzt auch dann noch im Klas­        Kirche vollzeitig arbeiten werden oder nicht.
lebenshilfe. gerhard war        senzimmer und lernt, wenn die anderen längst       Wie ging es eigentlich Jesus mit seinen Jün­
vor seiner ausbildung am        im Gespräch miteinander sind. Geht es an die       gern? Er nahm Fischer, Partisanenkämpfer,
theologischen seminar der       praktische Arbeit, so kommen Roberts kräftige      Zöllner und einfache Leute in seine Mannschaft
liebenzeller mission bei        Muskeln zum Einsatz, und er schafft mehr als       auf. Es waren keine Helden. Sie haben fast bei
der Bundesbahn. Brigitte        die andern. Auch seine Kameraden sind „ein­        jeder Prüfung versagt. Und doch hat der Lehrer
ist hauswirtschafterin und      fach gestrickte“ junge Männer aus der Gegend.      sie nicht fortgejagt, sondern geduldig getragen.
krankenschwester.               Fast alle haben mit Marihuana Bekanntschaft        Er hat sein wertvolles Leben an sie verschwen­
                                gemacht und mehr oder weniger Schaden ge­          det, hat versucht, ihnen beizubringen, warum
                                nommen. Es sind die Jungs, die die große Mas­      er gekommen ist.
MISSION WO GEHT'S LANG? DIE FRAGE NACH DER ORIENTIERUNG - LIEBENZELLER MISSION
PaPua-neuguinea         darum geht’s          7

                         Die Oberschicht hier interessiert sich kaum         nicht nur in abgelegenen Gegenden betrieben,
                         noch für Bibelunterricht. Sie will raus aus dem     wo Sanguma­Zauberei schon früher praktiziert
                         Schlamassel, hinein ins Geschäftsleben oder in      wurde. Nein, jetzt auch in den Städten und
                         die Politik. Da kann man leichter bekommen,         Gebieten, die diese Terrorstruktur bisher nicht
                         was jeder will: Ansehen, Geld, ein scheinbar gu­    kannten. Kulturell bedingt glauben die Men­
                         tes Leben. Und wie ist es in der Kirche? Viele      schen schnell einem Wahrsager und Gerüchten.
                         ältere Pastoren sind für die Jugend nicht gerade    Und sie bedienen sich verkommener Jugendli­
                         werbewirksam, sondern zutiefst von ihrer Wür­       cher, die ihre höllische Freude daran haben, frei
                         de überzeugt. Sie reden oft über dasselbe, inter­   und öffentlich unter den Augen einer stummen,
                         essieren sich kaum für Kinder und Jugendliche,
                         wollen und können nicht abgeben. Wie soll es
                         unter solchen Bedingungen mit der Gemeinde
                         Jesu weitergehen?

                         Lehre kontra Lüge
                         Viele einheimische Leiter denken darüber nicht
                         nach. Sie „wurschteln“ weiter vor sich hin. Nur
                         wenige, wie etwa meinen Lehrerkollegen und
                         Mitarbeiter Peter, bedrückt das sehr: „Wir müs­
                         sen so viele Menschen lehren, wie wir können!“
                         „Sie müssen die Bibel nicht nur besitzen, lesen
                         und zitieren können, sondern verstehen, was                                                                      Robert (rechts) hat
                         geschrieben steht. Sie müssen die Wahrheit von                                                                   erst in der Bibelschule
                         der Lüge unterscheiden können.“                                                                                  lesen gelernt.

                                                                             furchtsamen Masse Menschen mit mittelalterli­
                                                                             chen Methoden zu quälen. Gott sei Dank gibt
                                                                             es Beispiele von mutigen Zeugen Jesu, die dann
                                                                             sagen: „Nur über meine Leiche!“
                                                                             Wir waren uns alle einig, dass wir – egal ob ein­
                                                                             heimischer Pastor, Kirchenleiter oder Missionar
                                                                             aus dem Ausland – unseren Auftrag neu erken­
                                                                             nen und dort dienen müssen, wo es heute be­
                         Seelsorge während der Wartezeit am Flugstreifen     sonders nötig ist. Es braucht biblische Lehre und
                                                                             Menschen, die Gottes Wille dem einfachen Volk
                         Erstaunlich, dass die fantasievollsten Dinge ge­    nahebringen können. Wir müssen junge Leute
                         glaubt werden. Da wird behauptet, vom Stamm         zurüsten, die der Gemeinde dienen können. Wir
                         Benjamin abzustammen, man pilgert ins Heilige       dürfen die abgeschiedenen Gebiete nicht ver­
                         Land und bringt nicht nur „heilendes Jordan­        gessen, wie es die Regierung aus pragmatischen
                         wasser“ mit, sondern verrückteste Theorien.         Gründen tut. Sie lässt das Schulsystem und die
                         Scharlatane, die ein unheiliges Leben führen,       Krankenversorgung einfach schleifen, von einer
                         berufen sich auf den Heiligen Geist, der ihnen      Infrastruktur wie funktionstüchtigen Straßen
                         im Traum Sonderoffenbarungen gegeben habe.          ganz zu schweigen. Hauptsache, man kann das
                         Sehr viele Christen hierzulande fallen auf Träu­    Land nach außen gut vertreten und von seinem
                         mer oder Wahrsager herein.                          Reichtum schamlos absahnen.
                         Peter und ich kamen bei einem Treffen der           „Wir werden uns wieder treffen und sehen, was
                         Evangelischen Allianz in PNG mit Männern zu­        wir in der Zwischenzeit anpacken können“, sag­
                         sammen, denen die Not ihres Landes das Herz         ten wir uns. Peter und ich gingen ermutigt nach
                         zerreißt. Es sind Missionspiloten, Techniker in     Hause. Wir setzen unsere Kraft am richtigen
                         der Radiomission, Kirchenvertreter, bis hin zum     Platz ein. Wir sind dort, wo es das „normale“
                         Bischof der Lutherischen Kirche. Sie alle wollen    Volk juckt, und wir kratzen nicht dort, wo es            ihr habt mich
                         zusammenarbeiten, damit die Gemeinde Jesu           unserer Vorstellung nach passt und nur uns be­           nicht erwählt;
                         Verantwortung und Einfluss auf das Land neh­        friedigt. So wurde mir persönlich neu bestätigt,    sondern ich habe euch
                         men und „Salz der Erde“ sein kann.                  den Dienst der Unterweisung an diesen einfa­
Fotos: gerhard stamm

                                                                                                                                  erwählt und gesetzt,
                         Auch die zunehmende Hexenjagd, die dem              chen und schlecht geschulten jungen Menschen         dass ihr hingeht und
                         Land weltweit einen schäbigen Ruf eingebracht       fortzusetzen.                                          Frucht bringt und
                         hat, war auf der Agenda. Selbstjustiz, vorbei an    Ich fahre nun den Computer herunter und sehe          eure Frucht bleibe.
                         Regierung, Polizei, Recht und leider auch den       nach meinen Jungs, die gerade in ihrer Studi­           JohaNNes 15,16a
                         Kirchen. Dieser neue, barbarische „Sport“ wird      enzeit einige harte Nüsse zu knacken haben ...
                  Pastor Mwathunga (Bildmitte)                                                               Gerhard Stamm l
                  lädt zusammen mit Studenten vom
                  Chisomo-Zentrum Sand auf. Die
                          mission weltweit 5–6/2017
                  Aufnahme entstand vor zwei Jahren.
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8    darum geht’s          Zentralasien

                                              das ist keine kuh!
                                              wir sind in der stadt unterwegs, als wir plötzlich aus unseren gedanken
                                              gerissen werden. dort, gegenüber im Park, diese Frau! sie schlägt auf ein
                                              teenie-mädchen ein. schon liegt es am boden und bekommt die wütenden
                                              tritte der Älteren zu spüren.

                                              Wer ist so rabiat: ihre Mutter, eine Tante? Und     führen oft in ausweglose Situationen. Grenzen-
                       die Jagd nach dem      was hat das Mädchen wohl ausgefressen? Warum        loser Zwang führt zur Ausweglosigkeit.
                      individuellen glück     tut niemand etwas gegen diese Ungerechtig­
                       endet oft in einer     keit? Und weshalb hört die Frau mit den Atta­       kann falsch sein, was glücklich macht?
                                              cken erst dann auf, als ein Polizist – ohne etwas   Aus deutscher Sicht sind solche Denkweisen
                    sackgasse: Wenn alles
                                              zu sagen – vorbeischlendert?                        unvorstellbar. Wir sind dankbar für die Freiheit,
                     unmögliche möglich       In den vergangenen vier Jahren haben wir in ei­     in der wir leben, und dass jeder Mensch sein
                     gemacht wurde und        nem Land gelebt, in dem das Wohl und Ansehen        Recht auf individuelle Lebensgestaltung ausle­
                      alle grenzen über-      der Familie wichtiger ist als das des Einzelnen.    ben kann. Materiell sind wir schon lange nicht
                     schritten sind, bleibt   Wer sich nicht den Normen und Regeln gemäß          mehr auf den Familienverband angewiesen.
                                              verhält oder Anlass gibt, dass die Familie das      Wir sind unabhängig. Das Dogma unserer Zeit
                   eine grenzenlose orien-
                                              Gesicht verliert, kann keine Gnade aus den ei­      ist das Recht, dass jeder auf seine Art glücklich
                       tierungslosigkeit.     genen Reihen erwarten. Oft leben die Menschen       werden soll. Bei uns herrscht „Glückszwang“.
                                              unter einem enormen Druck. Mädchen lassen           Viele sind in diesem Zwang gefangen. Zwang
                                              sich in eine Ehe drängen, weil eine unverhei­       führt zur Ausweglosigkeit.
                                              ratete Tochter eine Schande für die Eltern ist.     In der westlichen Welt werden Grenzen auf­
                                              Familien verschulden sich hoch, um eine Hoch­       gelöst und Tabus gebrochen, um dem Drang
                                              zeit oder Beerdigung gemäß den Erwartungen          nach persönlichem Glück und Individualität
                                              des Umfelds zu gestalten. Bekennt sich ein Fa­      nachzukommen. Jeder muss für sich erkennen,
                                              milienmitglied zu Jesus Christus, ist das für die   was ihn glücklich macht. Und wenn es glücklich
                                              Familie kaum auszuhalten. Sie hat Angst, ihr        macht, kann es doch nicht falsch sein ... Doch
                                              Gesicht in der Gesellschaft und ihre Zugehörig­     die Jagd nach dem individuellen Glück endet
                                              keit in der Gemeinschaft zu verlieren und übt       oft in einer Sackgasse: Wenn alles Unmögli­
                                              Druck aus. Nur wenn „das Ärgernis“ beseitigt        che möglich gemacht wurde und alle Gren­
                                              wird, fühlt sich die Familie wieder sicher und      zen überschritten sind, bleibt eine grenzenlose
                                              kann selbstbewusst auftreten. Diese Zwänge          Orientierungslosigkeit.
Fotos: lm-archiv
MISSION WO GEHT'S LANG? DIE FRAGE NACH DER ORIENTIERUNG - LIEBENZELLER MISSION
Zentralasien            darum geht’s         9

                                                    Schafherde
                                                    in Zentralasien

                                                    Was beeinflusst unser denken,
                                                    Urteilen und Handeln?
                                                    Petrus schreibt im ersten Petrusbrief: „Wenn ihr
                                                    auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr
                                                    doch selig. Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen
                                                    und erschreckt nicht; heiligt aber den Herrn Christus
                                                    in euren Herzen. Seid allezeit bereit zur Verant-
                                                    wortung vor jedermann, der von euch Rechen-
das ist auch kein Ochse!                            schaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist“
In den ersten Wochen unseres Heimataufent­          (1. Petrus 3,14f).                                      die Bibel ermutigt uns,
haltes verbrachten wir einige Urlaubstage bei       Die Bibel ermutigt uns, nicht zu erschrecken,            nicht zu erschrecken,
Freunden im Allgäu. Auf einer Wanderung             wenn wir Gegenwind bekommen, weil wir nicht              wenn wir gegenwind
kamen wir an ein Gehege mit ziemlich urig           nach den Maßstäben unseres Umfelds leben.
                                                                                                             bekommen, weil wir
aussehenden Ziegen. Ein Junge gesellte sich         Wir sind aufgerufen, Christus in unseren Her­
zu uns. Er betrachtete den wilden, zotteligen       zen zu heiligen. Das heißt: Unter allen Dingen,             nicht nach den
Bock, dachte eine Weile nach und sagte schließ­     die unser Leben ausmachen und beeinflussen,               maßstäben unseres
lich mit bedeutungsvollem Blick: „Das ist keine     räumen wir ihm einen Sonderstatus ein. Er ist               umfelds leben.
Kuh!“ (Pause). „Das ist ein Ochse!“ Wir konnten     uns heilig. Er hat erste Priorität und darf un­
uns ein Schmunzeln nicht verkneifen. Der Jun­       ser Denken, Urteilen und Handeln beeinflussen.
ge hatte ja recht: Das war sicherlich keine Kuh.    Wir heiligen ihn, wenn wir täglich nicht zu stolz
Aber mit seiner Schlussfolgerung lag er auch        sind, uns schenken zu lassen, was er am Kreuz
ziemlich daneben. Ihm fehlte Urteilsvermögen        für uns getan hat. Wenn Jesus erste Priorität in
und Wissen.                                         unserem Leben hat, werden wir durch die Bibel
Als Jünger Jesu leben wir nie in einem Vaku­        und vom Heiligen Geist geleitet, mündig und
um. Unser Leben ist immer eingebettet in einen      sprachfähig. Wir bleiben nicht orientierungs­
kulturellen, geschichtlichen, politischen und fa­   los, sondern können Wege finden, in unserem
miliären Kontext. Jeder Ort und jede Zeit haben     Kontext nach Gottes Maßstäben und Willen zu
und hatten ihre Herausforderungen. Aber es ge­      leben. Dann wird es auch nicht ausbleiben, dass
nügt nicht, nur die Missstände zu erkennen und      wir unser Verhalten erklären und begründen
zu benennen: „Das ist keine Kuh!“ Wir brauchen      müssen, ja, sogar dürfen! Solche Momente wer­
auch Urteilsvermögen und Orientierung, richtig      den Chancen sein, von der Hoffnung, die in uns
zu reagieren und die richtige Antwort auf die       ist, zu schwärmen. Das wird Menschen verän­
Herausforderungen zu finden: „Das ist nämlich       dern – in Deutschland und auf der ganzen Welt.
auch kein Ochse, sondern eine Ziege!“               Die Autoren sind der Redaktion bekannt. l

                                                                                                                          Mithelfen:
                                                                                                                         speNdeNcode
                                                                                                                         1840-32
                                                                                                                          Zentralasien

mission weltweit 5–6/2017
MISSION WO GEHT'S LANG? DIE FRAGE NACH DER ORIENTIERUNG - LIEBENZELLER MISSION
10    darum geht’s         malawi

                                                                                                                                                    Foto: gotthilf sturm
                                                                                Das malawische Dorf erschien in
                                                                                der Trockenzeit übersichtlich, die
                                                                                Felder ­waren abgeerntet, man
                                                                                konnte weit sehen, und die Anord-
                                                                                nung der ­Lehmhütten war leicht zu
                                                                                überblicken. Jetzt in der Regenzeit
                                                                                sieht allerdings alles ganz ­anders
                                                                                aus: Von den Trampelpfaden zwi-
                                                                                schen den hohen Maisfeldern lässt
                                                                                sich nichts mehr überblicken, man
                                                                                fühlt sich wie in einem Labyrinth.
Foto: gotthilf sturm

                       TÜV-geprüft oder mit                                                                                                                                Was ist
                                                                                                                                                                           die Norm?
                       Schmiergeld-Plakette?
                                                                                                                           Foto: rainer grossmann

                       Rechts: Frauen unterwegs
                       zur Arbeit auf dem Feld

                       Unten: „Einfamilienhaus“ mit
                       Maisfeld vor einem riesigen
                       Baobab

                                                                                Auch manche Lehmhütte steht nicht mehr da,                          Einfluss der früheren Kolonialmacht England
                                                                                wo sie noch vor zwei Jahren war. Lehmhütten                         kann man in vielen Bereichen, wie zum Beispiel
                                                                                haben eine Lebensdauer von nur wenigen Jah­                         den Maßeinheiten, erkennen. Aber auch die
                                                                                ren. Das bringt es mit sich, dass ständig neue                      Orientierung an Südafrika hinterlässt ihre Spu­
                                                                                „Häuser“ entstehen, während andere sich wie­                        ren. Der Handel wiederum ist seit Generationen
                                                                                der dem Erdboden angleichen. Unter solchen                          stark geprägt von Geschäftsleuten indischer
                                                      Foto: damaris wessinger

                                                                                Bedingungen ist die Orientierung eine Heraus­                       Herkunft. In islamisch dominierten Gegenden
                                                                                forderung. Deshalb ist man am besten beraten,                       ist die Orientierung an der arabischen Welt
                                                                                wenn man mit jemandem unterwegs ist, der                            unverkennbar. Und neuerdings werden immer
                                                                                sich vor Ort auskennt. Aber auch in den besser                      mehr Geschäfte von Chinesen geführt, die da­
                                                                                entwickelten Städten, wo es denkmalgeschütz­                        mit auch eine Prise chinesischer Kultur nach
                                                                                te Gebäude als Orientierungspunkte gibt, lau­                       Malawi bringen.
                                                                                ert manche Stolperfalle, die den Orientierung­                      Weitere Einflüsse kommen durch junge Men­
                                                                                suchenden verwirren kann.                                           schen ins Land, denen im Rahmen der Entwick­
                                                                                                                                                    lungshilfe Auslandsstipendien gewährt wurden.
                                                                                Woran orientiert sich die malawische                                Wenn sie nach Abschluss ihres Studiums in ihre
                                                                                ­Gesellschaft?                                                      Heimat Malawi zurückkehren, bringen sie ein
                                                                                Die malawische Nation wurde in ihrer Geschich­                      Stück Prägung ihres Gastlandes mit – sei es der
                                                                                te von vielen Einflüssen geprägt. Den starken                       Lebensstil der westlichen Welt, der arabischen
malawi      darum geht’s        11

                                                  Dienst in viel Treue und Ausdauer die Insassen
                             Mithelfen:           mehrerer Gefängnisse besucht und ihnen Jesus
                             speNdeNcode
                                                  als Orientierungspunkt für ihr Leben lieb macht.
                             1660-32              Oder an Mary, der es als Finanz­Verantwortli­
                               malawi
                                                  che ihrer Gemeinde wichtig ist, dass die Kasse
                                                  transparent und ehrlich verwaltet wird, auch
                                                  wenn sie sich dadurch manchmal unbeliebt
                                                  macht. – Wenn mir jemand „Erfolg“ für unsere
                                                  Arbeit wünscht, dann denke ich an solche Men­
                                                  schen, die sich auf Jesus fokussieren und ihn als
                                                  Orientierungspunkt für ihr Leben wählen.              Michael und Cornelia Volz
                                                  Womit wir leider immer wieder zu kämpfen              sind seit 1996 im missions-
                                                  haben: wenn sich jemand eher am Missionar             dienst in malawi. ihre beiden
                                                  als an seiner Botschaft orientiert. Viele Christen    söhne leben in deutschland,
                                                  in Malawi hatten kaum Gelegenheit, ihr Dorf           die töchter gehen in mala-
                                                  zu verlassen. Die einzigen weißen Menschen            wi zur schule. Zunächst war
                                                  („Azungu“), die sie kennen, sind Missionare.          michael lehrer und leiter am
                                                  Und so kann schon mal die Frage aufkommen, ob         theologisch-handwerklichen
                                                  denn die Azungu auch sündigen können. Leider          chisomo-Zentrum, dann team-
                                                  ist es in diesem Umfeld unvermeidlich, dass           leiter. inzwischen übernimmt
                                                  Missionare fast als „Übermenschen“ wahrgenom­         er administrative aufgaben
                                                  men werden. Dies führt leicht dazu, dass vor allem    für das malawi-team, bildet
                                                  „Gebetsanliegen“ mit materiellen Wünschen an          einheimische pastoren weiter
                                                  die Missionare herangetragen werden.                  und predigt in gemeinden
                                                  Es ist zu befürchten, dass es vielen Menschen         der partnerkirche. cornelia
In Malawi empfiehlt es sich, mit jemandem          in Malawi so ähnlich geht wie mir in einem            arbeitet in einer sonntags-
unterwegs zu sein, der sich auskennt.             malawischen Dorf in der Regenzeit, wo ich in          schule mit und kümmert sich
                                                  einem Labyrinth von Maisfeldern die wichtigen         um durchreisende gäste. vor
oder einer asiatischen Kultur. Diese Vielzahl von Orientierungspunkte nicht mehr sehen kann             seiner ausbildung am theolo-
Orientierungspunkten führt in vielen Bereichen    und ohne einen einheimischen Kenner orientie­         gischen seminar der lieben-
zu Orientierungslosigkeit und scheint oft das     rungslos bin.                                         zeller mission war michael
Lebensgefühl des Einzelnen wider­                                                                       schreiner, danach prediger im
zuspiegeln: Was gilt eigentlich?         die vielzahl von  Dafür arbeiten und dafür beten               liebenzeller gemeinschafts-
Woran soll man sich orientieren?                           wir, dass Malawier                           verband. cornelia ist industrie-
                                     orientierungspunkten
Welche Religion ist die bessere?                           l Orientierung finden bei dem,               kauffrau von Beruf.
                                        führt in vielen      der sich im Labyrinth ihres
Wie begegnen Missionare der         Bereichen zu orien-      Lebens auskennt,
Orientierungslosigkeit?            tierungslosigkeit und l durch das Wirken des Heiligen
Wir machen in unserer unter­        scheint oft auch das     Geistes nicht auf Missionare
schiedlichen Arbeit Jesus groß und                           fixiert sind,
                                      lebensgefühl des
ermutigen Menschen, sich an ihm                            l von Missionaren nicht er­
zu orientieren: Im Kindergarten      einzelnen widerzu-      warten, was sie nicht geben
und der Grundschule in Ubwenzi        spiegeln: Was gilt     können,
werden Kinder mit den biblischen   eigentlich? Woran soll l sich an Jesus orientieren und
Geschichten vertraut gemacht und   man sich orientieren?     somit zu Orientierungspunkten
sie lernen Jesus kennen. Im Bibel­                           für andere werden, die ihn noch
schulunterricht steht Jesus im Mit­
                                   Welche religion ist die   nicht kennen.     Michael Volz l
telpunkt. Im administrativen Be­              bessere?
reich versuchen wir, Zeichen zu
setzen, indem wir keine Schmiergelder bezah­
len und mit korrekten Angaben arbeiten.                         Orientierungslos in Malawi?
Die Worte Jesu in der Bergpredigt bezüglich Salz                l welche schreibweise gilt? das ablaufdatum (21.02.31) eines seit 2013
und Licht sind mir in Malawi sehr eindrücklich                    ausgestellten deutschen Führerscheins kann von der malawischen
geworden, denn das Land steht auf dem weltwei­                    Verkehrspolizei auch als 31.02.2021 gelesen werden.
ten Korruptionsindex weit oben. Jeder Christ,                   l welcher stecker passt? neue elektrogeräte sind je nach herkunft mit
der sich an Jesus orientiert, wird selbst zum Salz                unterschiedlichen anschlüssen ausgestattet.
in der Suppe, zum Licht in der Welt, ja zum                     l welche maßeinheit gilt? das vom klempner gebogene abdeckblech
Orientierungspunkt für andere. Ich denke an                       war viel zu groß. statt in auf der skizze angegebenen Zentimetern
Justice („Gerechtigkeit“), einen Pastor, der seit                 hatte er es in inch angefertigt.
Jahren ohne viel Aufhebens um sich und seinen                   l welche sicherheitskriterien gelten? der lkw-Fahrer sagte mir, dass
                                                                  er sich die reparatur vor der tÜV-Prüfung nicht leisten könne. lieber
                                                                  zahle er eine „extra gebühr“ und bekomme dann die Plakette auch
                                                                  ohne Fahrzeugprüfung.
mission weltweit 5–6/2017
12   darum geht’s             JaPan

                              „die arme Frau“, denke ich und leide innerlich
                              mit. Vor mir fährt eine Fahrschülerin neben ihrem
                              Fahrlehrer. im schritttempo geht es um kurven und
                              über kreuzungen. ich kann die unsicherheit förm-
                              lich spüren. „bloß nichts falsch machen, bloß in der
                              spur bleiben.“ aus gutem grund steht gut lesbar auf
                              der heckscheibe: „entschuldigen sie bitte die unan-
                              nehmlichkeiten, die wir ihnen bereiten.“

                              Ich erinnere mich an meine erste Autofahrt durch Tokio. In

                                                                                                   in der spur bleiben
                              Japan gilt Linksverkehr, und meine größte Sorge war, aus Ver­
                              sehen auf der falschen Straßenseite zu landen. Mit feuchten Hän­
                              den und erhöhtem Puls fuhr ich los. Doch schnell wurde mir klar:
                              So schwer ist das ja gar nicht! Nicht, weil ich eh die meiste Zeit
                              im Stau stehe. Die größte Hilfe waren die anderen Autofahrer:
                              Alle fahren so. Ich muss einfach nur hinterherfahren.
                              So in etwa lässt sich die japanische Gesellschaft beschreiben: Der
                              typische Weg ist vorgegeben, und es gilt, in der Spur zu bleiben.
Lothar und tabea Sommer       In der Regel ist es hier leicht, sich im Leben zu orientieren, zu­
haben zwei kinder, leben      mindest äußerlich. Wer später erfolgreich und ein akzeptiertes
seit 2008 in Japan und        Mitglied der Gesellschaft sein möchte, den führt der Weg über
arbeiten in einer gemeinde    die üblichen Stationen: Kindergarten, Mittel­ und Oberschule,
in Yokohama-hongodai.         Nachhilfeschule, in der man auf die Aufnahmeprüfungen vor­
dort sind sie vor allem in    bereitet wird, Universität und schließlich in die Firma. Je ange­
der Jugendarbeit eingesetzt   sehener die einzelnen Schulen und Universitäten sind, desto
und möchten auch Wege zu      besser.
den menschen finden, die       Doch nicht alle Japaner fahren in derselben Spur. Dafür sind die
noch keinen kontakt zur       Menschen viel zu unterschiedlich, dafür ist die Kultur viel zu
gemeinde haben. lothar        facettenreich. Wenn man verstehen möchte, was die Menschen
war vor seiner ausbildung     antreibt, den typisch japanischen Weg zu gehen, muss man sich
am theologischen seminar      mit dem Konzept des „Bushido“ auseinandersetzen. (Gemeint ist
der liebenzeller mission      hier nicht der Rapper mit dem Künstlernamen Bushido.)
krankenpfleger. tabea ist
groß- und außenhandels-       Bushido – der Weg des Samurai
kauffrau sowie heilerzie-     Zusammengefasst beschreibt Bushido den Verhaltenskodex zwi­
hungspflegerin.               schen einem Samurai und seinem Herrn. Diese Beziehung ist
                                      über Jahrhunderte gleich geblieben und spiegelt sich bis
                                        heute in der japanischen Unternehmensführung wie­
                                         der: Die Firma nimmt die Rolle des Herrn ein, der An­
                                         gestellte die des Samurai. Konkret äußert sich Bushido
                                       bei den Angestellten in absoluter Treue und Hingabe an
                                          die Firma. Überstunden ohne Ende, nur wenige Tage
                                            Urlaub im Jahr und buchstäbliches „Arbeiten bis
                                             zum Umfallen“ sind nur einige Aspekte. Im Ge­
                                              genzug zeigt die Firma ihre Wertschätzung und
                                               Fürsorge, beispielsweise durch lebenslange An­
                                               stellung und Versorgung im Alter. Das staatliche
                                               Rentensystem bietet lediglich eine Grundversor­
                                              gung. Die Firmen übernehmen deshalb den größ­
                                               ten Teil der Altersversorgung.
                                                Traditionelle Werte wie Aufrichtigkeit und Ehre
                                                sind seit jeher von größter Wichtigkeit und
                                                 werden an die nächsten Generationen weiter­
                                                 gegeben. Gerät ein Jugendlicher vom rechten
                                                 Weg ab, so sind Sätze wie „Man wird dich aus­
                                                 lachen!“ oder „Schämst du dich nicht?“ oft die
Jugendliche
                                                  letzten Versuche, ihn wieder auf den richtigen
in Tokio
                                                  Weg zu bringen. Besonders, weil das Fehlver­

                                                                               Häusermeer der
                                                                               Metropole Tokio
JaPan            darum geht’s        13

                       halten auch Schande über die                       und 34 Jahren! Neet steht im Englischen für
                       Familie und die Ahnen bringt.

                       der Weg beginnt zu bröckeln
                       Ende des 19. und Anfang des
                                                                          „Not in education, employment or training“:
                                                                          Man befindet sich weder in einer festen Anstel­
                                                                          lung noch in einer Aus­ oder Weiterbildung. Ein
                                                                          richtiger Neet hat auch kein großes Verlangen
                                                                                                                             武
                                                                                                                             士
                       20. Jahrhunderts bildeten der                      danach, daran etwas zu ändern. Im Normalfall
                       Zusammenschluss von östlichen                      wohnt er bei seinen Eltern und wird von ihnen
                       Moralvorstellungen (Bushido)                       ausgehalten. Versuche der Eingliederung in die
                       und westlicher Wissenschaft                        Arbeitswelt scheitern in der Regel.
                       und Technik das Fundament                          Vor einigen Jahren haben jedoch mehr als 150
                       für den beispiellosen wirt­
                       schaftlichen Aufstieg Japans.
                       Mit der Finanzkrise in den
                       1990er­Jahren geriet dieser
                       abrupt ins Stocken. Japan er­
                                                                          Neet beschlossen, einen neuen Weg zu gehen:
                                                                          Sie gründeten eine eigene Aktiengesellschaft,
                                                                          unter deren Dach Dienstleistungen und Produk­
                                                                          te jeder Art angeboten werden. So bietet ein
                                                                          junger Mann für umgerechnet acht Euro pro
                                                                                                                             道
                       lebte nicht nur wirtschaftlich                     Stunde seine Zeit an – wer keine sozialen Kon­      Das Wort
                       einen tiefen Einschnitt. Auch                      takte hat, kann ihn für gemeinsame Aktionen         Bushido setzt
                       traditionelle Werte und Sicher­                    wie Restaurantbesuche, Karten­ und Computer­        sich aus drei
                       heiten gerieten ins Wanken.                        spiele oder Ausflüge mieten. Es ist ein Versuch,    Einzelschrift-
                       Eine Anstellung auf Lebenszeit                     in einer Gesellschaft, in der man nicht aner­       zeichen
                       und die finanzielle Versorgung                     kannt ist, sich selbst etwas mehr Akzeptanz und     zusammen:
                       konnten von den Firmen nicht                       Orientierung zu geben.
                                                                                                                              武
                       mehr gewährleistet werden.                         Noch einen Schritt weiter geht die Gruppe der
                                                                                                                              Bu: Kämpfer,
                       Auf das, was bisher Richtung                       Hikikomori, die sich teilweise über Jahre kom­
                                                                                                                              militärisch,
                       und Orientierung gab, konn­                        plett von der Gesellschaft zurückziehen.
                                                                                                                              ritterlich
                       te man sich auf einmal nicht
                       mehr verlassen. Nicht wenige                       Gemeinde als Orientierungspunkt                     士
                       Japaner wurden dadurch aus                         Als Gemeinde stellt sich uns die Frage, wie         Shi: Samurai,
                       der Bahn geworfen.                                 wir angemessen auf die Nöte der Menschen in         Ehrenmann
                       Auch die bedingungslose Hin­                       Japan reagieren und Orientierung geben kön­         道
                       gabe und Aufopferung für die                       nen. Wir verstehen Gemeinde als festen Ort, an      dō: Weg,
                       Firma wurden zunehmend in                          dem Menschen aus allen Gesellschaftsschichten       Moral, Lehre
                       Frage gestellt. Durch die Ver­                     durch Gottes Wort Orientierung für ihr Leben
                       änderungen im Land und den                         finden können. Um Kindern und Jugendlichen
                       immer stärker werdenden Ein­                       bei ihrer Orientierungssuche zu helfen, hat un­
                       fluss aus dem Westen began­                        sere jetzige Gemeinde vor Jahren eine Schule
                       nen sich neue Wege und Le­                         gegründet. Hier erfahren auch diejenigen Hilfe
                       benskonzepte zu formen.                            und Wertschätzung, die schon früh aus der Spur
                                                                          geraten sind. So wie Shinji (Name geändert),
                       Freeter, neet und Hikikomori                       der sich in der normalen Schule nicht mehr dem
                       „Studierst du jetzt auch an der                    täglichen Leistungsdruck und Mobbing ausset­
                       Uni?“, frage ich einen jungen                      zen wollte. Er blieb einfach zu Hause, wusste
                       Mann in der Gemeinde. „Nein,                       aber nicht, was er mit seinem Leben anfangen
                       ich bin ein Freeter und arbeite                    sollte. In der Gemeindeschule bekam sein Leben
                       in einem Burger­Laden“, ant­                       langsam wieder eine Richtung. Seine positive
                       wortet er. „Freeter“ (vom engli­                   Veränderung wurde für viele eine große Ermu­
                       schen free = frei) steht für junge                 tigung.
                       Menschen, die sich mit Gelegen­                    Unser Wunsch ist es, dass weiterhin viele Men­
                       heitsjobs über Wasser halten.                      schen in Japan bei Jesus Orientierung finden
                       Meist haben sie sich bewusst                       und auf seinem Weg gehen. Lothar Sommer l
                       entschieden, sich nicht dem üb­
                       lichen Arbeitsdruck auszuset­
                       zen. Oft könnten sie eine feste
                       Anstellung bekommen, aber die
                       eigene Freiheit steht für sie über
Fotos: lothar sommer

                       den Fesseln der Arbeitswelt.                                           Samurai gehörten dem japanischen adel
                       Noch extremer leben die „Neet“                                         an und waren die „ritter Japans“. sie trugen
                       ihr Freiheitsgefühl aus. Zu ih­                                        inländische konflikte aus und dienten ihrem
                       nen zählen sich 500.000 bis                                            Fürsten bis zum tod. man schätzt die Zahl
                                                            Mithelfen:
                       850.000 Japaner zwischen 15          speNdeNcode
                                                                                              der samurai vom 17. bis 19. Jahrhundert auf
                                                            1340-32                           zwei millionen. ihre ideologie wurde stark
                                                              Japan                           vom Zen-buddhismus beeinflusst.

                       mission weltweit 5–6/2017
14   darum geht’s                 mittlerer osten

                                  (neu)orientierung durch
                                  christliches Fernsehen
                                  im iran sind vor allem junge menschen ohne hoffnung und halt.
                                  sie sind enttäuscht von Politik und religion. Viele sind wütend, bitter und
                                  haltlos, und sie suchen in drogen, was sie sonst nicht finden können.

                                  Mein Kollege Miltan Danil moderiert eine wö­       Glaube an Jesus in eine Familie bringen! Bei
                                  chentliche Livesendung, die sich in persischer     ihm gibt es nicht diese äußeren Zwänge. Und
                                  Sprache an Drogenabhängige wendet und ihnen        wenn man mit Jesus lebt, kann man seine Kul­
                                  in ihren Problemen hilft. Können die christli­     tur behalten. Denn Jesus hat nichts gegen eine
                                  chen TV­Sendungen von SAT­7 Orientierung           Kultur – wir können Deutsche oder Iraner oder
                                  geben? Ich habe Miltan dazu einige Fragen ge­      sonst irgendetwas bleiben. Jesus möchte unser
                                  stellt.                                            Herz ändern, unser Denken, unser Verhalten.

                                  Welche Art von Hilfe kannst du anbieten?           Weshalb machst du eine Sendung, die
Paulus und Gabi Hieber leben      Viele Menschen im Iran sind orientierungslos.      sich an Menschen mit drogenproblemen
in england. paulus arbeitet       Das hat unter anderem religiöse Ursachen. Ein      wendet?
beim christlichen Fernsehsen-     falscher Glaube leitet sie, sie kennen nicht den   Die Zuschauer wissen, dass ich selbst abhängig
der sat-7 in der produktion       wahren Gott. Die Islamische Republik Iran hält     war. Wer Drogen konsumierte und frei wurde,
von Fernsehsendungen für          an strengen muslimischen Regeln fest. Davon        kann anderen Drogenabhängigen am besten
die persischsprachige Welt.       betroffen sind vor allem Frauen. Sie wollen        helfen und Hoffnung geben. Wenn ein Arzt sagt:
Zurzeit betreut er die sende-     sein wie andere Frauen auf dieser Welt auch,       „Mach dies! Mach das!“, dann hilft das nur be­
abwicklung im studio in lon-      aber im Iran dürfen sie das nicht. Sie können      dingt. Aber wenn jemand von der Abhängigkeit
don. vor seiner theologischen     aufgrund „unzüchtiger“ Kleidung oder einer zu
ausbildung in Bad liebenzell      offenen Frisur in Untersuchungshaft kommen.
war paulus elektroinstallateur,   Dort werden manche gezwungen, für die Re­
danach arbeitete er im me-        gierung und gegen ihre eigenen Landsleute
dienbereich. gabi übernimmt       zu arbeiten.
in mutterschaftsvertretung        SAT­7 leistet eine großartige Arbeit für die
redaktionelle aufgaben für die    Menschen im Iran. Wir haben Programme für
hilfsaktion märtyrerkirche.       die ganze Familie. Wie viel Einheit kann der

                      denn in Jesus
               christus wohnt die ganze
              Fülle der gottheit leibhaftig
               und an dieser Fülle habt
                 ihr teil in ihm, der das
                haupt aller mächte und
                      gewalten ist.
                          kolosser 2,9f.

                                                                                                                   Ausschnitt aus
                                                                                                                   einem Anti-Drogen-
                                                                                                                   Film von SAT-7
mittlerer osten           darum geht’s         15

                                                                                        Mithelfen:
                                                                                        speNdeNcode
                                                                                        1920-32
                                                                                          mittlerer
                                                                                           osten

                                                     Livesendung mit Miltan

                              frei wurde, kann er anderen Betroffenen erklären,   gendwie hörte er von unseren christlichen Pro­
                              wie das geschehen und was zu tun ist. Ich erlebe    grammen über Abhängigkeit. Dort wurde ihm
                              es, dass die Betroffenen auf meinen Rat hören.      Mut gemacht: Jesus kann dir helfen, Jesus kann     iraner sind sich ihrer rei-
                                                                                  dich heilen, Jesus kann dich retten. Daraufhin     chen geschichte bewusst.
                              Wie sieht die Hilfe praktisch aus?                  sagte Ali: „Okay, lass es mich versuchen. Mor­     sie reicht bis weit in die Zeit
                              Wir bieten in den Sendungen Lebenshilfe und         gen werde ich es aufgeben.“                        des alten testaments zurück.
                              theologische Themen an. Es ist sehr riskant für     Doch am anderen Tag roch er den Duft von ko­       Vor allem in den büchern
                              unsere Zuschauer, mit uns in Verbindung zu          chendem Essen. Schnell nahm er den Topf mit­       esra und daniel wird von
                              treten, und deshalb gibt es nur wenige Mög­         samt dem Tischkocher und verkaufte ihn. Mit        den persischen regenten
                              lichkeiten des direkten Kontakts. Doch wir wis­     dem Geld beschaffte er sich Drogen. Im Iran ist    kyrus und darius berichtet.
                              sen, dass Millionen von Menschen unsere Sen­        es möglich, in wenigen Minuten an Drogen zu        im buch esther lesen wir,
                              dungen sehen. Viele haben Fragen wegen des          kommen.                                            wie die jüdische Frau des
                              drogenabhängigen Ehemanns oder Sohns. Sie           Als Ali nach Hause kam, waren seine Kinder         persischen könig Xerxes ihr
                              vertrauen mir, auch wenn ich nicht als Person       sehr enttäuscht und seine Frau sagte weinend:      Volk vor der Vernichtung
                              anwesend bin.                                       „Was bist du nur für ein Mann! Du solltest als     retten kann.
                              Als ich meine Sendereihe begann, sagte ich mir:     Ehemann und Vater verantwortlich handeln,          der iran hat heute 82 milli-
                              Du wirst nicht über Drogen reden. Du wirst zu­      aber du hast unser Essen für deine Drogen ver­     onen einwohner, davon sind
                              erst darüber reden, wer wir Menschen sind, wer      kauft. Was jetzt?“ Das erschütterte Ali so, dass   zirka vier millionen drogen-
                              Gott ist, wozu wir geschaffen sind und was wir      er zu Gott betete, dass er mit seiner Hilfe sein   abhängig. davon betroffen
                              verloren haben. Ich startete also mit der Frage:    Leben ändern und keine Drogen mehr nehmen          sind auch die Familien und
                              Wer bin ich? Bin ich ein Mensch? Dazu muss          wolle. – Von diesem Zeitpunkt an erfuhr er Jesu    damit 20 millionen men-
                              man wissen: Im Iran bist du als Abhängiger in       Hilfe. Heute ist Ali einer der großartigen Men­    schen im land. in vielen
                              den Augen der anderen kein Mensch!                  schen, die im Iran in persönlichen Gesprächen      drogenstatistiken rangiert
                              Also ermutige ich meine Zuschauer: „Du bist in      von Jesus erzählen!                                der iran im oberen bereich.
                              Gottes Augen wertvoll und ein Mensch! Aber          Natürlich gibt es auch andere. Sie haben es mit    so werden nach angaben
                              einer, der in Drogen verwickelt ist.“ Manche        Jesus versucht und der Drang nach der Droge        des büros der Vereinten
                              rufen mich dann an und sagen: „Wir haben das        siegte. Auch ihnen mache ich Hoffnung, weil        nationen für drogen- und
                              noch nie gehört. Sind wir wirklich Menschen?“       mit Jesu Hilfe die Fessel der Gebundenheit ge­     Verbrechensbekämpfung
                              Ich antworte: „Natürlich bist du immer noch         löst werden kann.                                  (unodc) im iran jährlich 450
                              ein Mensch! Und weil ich aus der Drogenab­                                                             tonnen opium konsumiert.
                              hängigkeit komme und mich Jesus da heraus­          Was können wir tun?                                in dieser perspektivlosen
                              geholt hat, kann ich dir sagen: Nichts kann dir     Betet um Hoffnung für Drogenabhängige im           situation haben viele men-
Fotos: paulus hieBer, sat-7

                              helfen, nur Jesus!“ – Ich kenne viele Menschen,     Iran, weil Abhängige hoffnungslos sind.            schen großen hunger nach
                              die durch seine Hilfe heute nicht mehr abhängig     Drogenabhängigkeit ist eine komplizierte Bin­      der wahrheit und sind offen
                              sind.                                               dung, eine starke Kette muss zerbrochen wer­       für ein leben mit Jesus
                                                                                  den. Betet für Befreiung aus ihrer Gebundenheit    christus. die untergrund-
                              kannst du ein Beispiel geben?                       und einer Orientierung an Jesus.                   kirche im iran ist weltweit
                              Ein junger Mann, nennen wir ihn mal Ali, rief       Betet gegen die Dunkelheit im Leben vieler         eine der am stärksten
                              mich an und sagte, dass er Heroin nimmt. Ir­        Menschen im Iran.                Paulus Hieber l   wachsenden kirchen.

                              mission weltweit 5–6/2017
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     ratlos
     vor

                                                                                                                                                   Fotos: istockphoto/Yoh4NN
     afrika
                                                                Panne bei einem Flüchtlingstransport im Tschad

                                           europa ist alarmiert und blickt wieder              allzu oft bei korrupten Eliten und nicht dort, wo
                                                                                               sie produktiv werden und Entwicklung erzeu­
                                           einmal nach afrika. dieses mal ist
                                                                                               gen kann. Sie verstärkt verkrustete, ineffektive
                                           die betroffenheit unmittelbarer, weil               und korrupte Systeme, wo eigentlich ein tief
                                           afrika nach europa „geschleppt“ wird.               greifender Wandel nötig wäre. Das ist bei den
                                                                                               Überweisungen der Flüchtlinge anders. Können
                                           Das Schleppertum ist mittlerweile für arme oder     also Afrikaner ihrem Kontinent nur von Europa
                                           gescheiterte Staaten wie Niger, Tschad und          aus helfen?
                                           Libyen eine der wichtigsten Einkommensquel­         Die europäischen Regierungen einschließlich
                                           len und der einzige „Wirtschaftszweig“, der         der Bundesregierung haben das Problem längst
                                           wirklich floriert. Mehr als 160.000 Menschen        erkannt: „Deutschland hat ein Interesse am
                                           durchquerten allein in der ersten Jahreshälfte      Wohlergehen Afrikas“, so die Kanzlerin. Man
                                           2016 den Niger, um irgendwie nach Europa zu         will Zukunftschancen in Afrika in Form von
                                           gelangen. Der praktizierte „Menschenhandel“         Ausbildungsplätzen, lokalen Wirtschaftsstruk­
                                           ist in vielen afrikanischen Ländern noch nicht      turen usw. schaffen, damit Menschen in Afrika
                                           einmal strafbar.                                    menschenwürdig leben können. Deutschland
                                           Der Flüchtlingsstrom von 2015 mit allen seinen      will helfen – großzügig helfen.
                                           Folgen bis in die aktuelle Weltpolitik hinein ist   Aber das Problem ist vertrackt: Warum sollten
                                           noch nicht verarbeitet, geschweige denn gelöst.     afrikanische Staaten und ihre Eliten die zahllo­
                                           Die Diskussion tobt zwischen radikaler Öffnung      sen Fluchtursachen bekämpfen, wenn sie vom
                         Foto: lm-archiv

                                           und radikaler Abschottung. Würde man die            Flüchtlings­Business ganz gut leben? Warum
                                           Grenzen öffnen, so würden sich nach Schät­          sollten sie Landsleute aufhalten, wenn diese aus
                                           zungen von Experten mehr als 60 Millionen           Europa mehr Geld in ihre Länder überweisen,
                                           Menschen aus Afrika nach Europa aufmachen           als sie an Entwicklungshilfe bekommen? War­
                                           (2016 waren es geschätzt „nur“ 120.000). Euro­      um sollten sie ihre jungen Männer zurückhalten,
                                           pa würde, dazu muss man kein Prophet sein, im       wenn diese Flüchtlinge in Europa Druck erzeu­
                                           Chaos versinken – von den politischen Folgen        gen, der ihnen zusätzliche Hilfsgelder bringt?
                                           einmal ganz abgesehen.                              Und warum sollten sie ihre als Asylbewerber
Prof. dr. Volker Gäckle ist                Die bereits hier lebenden afrikanischen Migran­     abgewiesenen Landsleute zurücknehmen, wenn
verheiratet mit Bettina und                ten erwirtschaften oft in prekären Arbeitsver­      das für sie in jeder Hinsicht ein Minusgeschäft
vater von drei kindern.                    hältnissen ein europäisches Einkommen, das          ist? Umgekehrt lassen sich die Probleme Afri­
der frühere studienleiter                  ihren Familien in Afrika zugutekommt. Schät­        kas nicht lösen, wenn die aktivsten und krea­
für Neues testament am                     zungen zufolge schicken sie jährlich sechs bis      tivsten Afrikaner sich auf eine hochriskante und
albrecht-Bengel-haus in                    sieben Milliarden Euro nach Hause. Das ist die      lebensgefährliche Flucht nach Europa „schlep­
tübingen war ab 2006                       mit Abstand effektivste Entwicklungshilfe für       pen“ lassen.
direktor des theologischen                 den wirtschaftlich vom Rest der Welt abgehäng­      Das Problem macht ratlos. Es braucht einen
seminars der liebenzeller                  ten Kontinent – und ein Vielfaches der Entwick­     Mentalitätswechsel – und zwar bei den Afrika­
mission. als professor für                 lungshilfe für diese Länder.                        nern und bei uns: Wir müssen einsehen, dass wir
Neues testament ist er                     Für afrikanische Staaten sind private Überwei­      mit direkten Hilfsgeldern Afrika in vielen Fällen
seit 2011 rektor der inter-                sungen lebenswichtig. Der positive Effekt: Das      nicht helfen können. Afrika kann sich nur selbst
nationalen hochschule                      Geld landet dort, wo es am sinnvollsten genutzt     helfen. Es braucht vielmehr echte Partnerschaft,
liebenzell (ihl).                          werden kann. Denn Entwicklungshilfe landet          keine Almosen.          Prof. Dr. Volker Gäckle l
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