Die Osnabrücker Straßenzeitung - Wieder mehr erleben! Die Innenstadt füllt sich

Die Seite wird erstellt Marius Böhme
 
WEITER LESEN
Die Osnabrücker Straßenzeitung - Wieder mehr erleben! Die Innenstadt füllt sich
2,20 €

                                     Davon gehen 1,50 €
                                      an die Verkäuferin/
                                           den Verkäufer

                                              Ausgabe
    Die Osnabrücker Straßenzeitung      JUNI/JULI 2021
                                                                Gefördert
                                                                durch die
                                                            NDR-Benefizaktion
                                                             Hand in Hand für
                                                            Norddeutschland

Wieder mehr erleben!
Die Innenstadt füllt sich
Die Osnabrücker Straßenzeitung - Wieder mehr erleben! Die Innenstadt füllt sich
2
  JUNI/
JULI ´21
Die Osnabrücker Straßenzeitung - Wieder mehr erleben! Die Innenstadt füllt sich
Finanzspritze vom NDR
                                      Benefizaktion: Hand in Hand für Norddeutschland
                                      Liebe Leser:innen,                             fen. Die aktuelle Ausgabe wird sich dem‐          Franz Loth, Caritasdirektor im Diöze‐
                                          beantragt und bewilligt: Die vorliegende   entsprechend auch schwerpunktmäßig mit        sancaritasverband Osnabrück, äußert sich
                                      abseits-Ausgabe wird komplett aus Spen‐        ihren Auswirkungen auf Menschen am            beeindruckt: „Es zeigt, dass sich Menschen
                                      dengeldern der NDR-Benefizaktion „Hand         Rande der Gesellschaft beschäftigen.          nach wie vor in einem unbeschreiblichen
                                      in Hand für Norddeutschland“ finanziert.          Darüber hinaus wurden Anträge der Ta‐      Maße für andere Menschen stark machen.
                                      Wir freuen uns sehr und sind äußerst dank‐     geswohnung für wohnungslose Menschen          Es zeigt, dass Mitgefühl und Solidarität, bei
                                      bar dafür! Die lange Zeit der Corona-Pan‐      auf Kostenübernahme für FFP2-Masken,          aller Schwere der Pandemielage für alle,
                                      demie hat auch bei abseits tiefe Spuren hin‐   Schlafsäcke und auf kostenfreie                    nicht aus den Herzen und Köpfen ver‐
                                      terlassen. Zwei wochenlange Verkaufs‐          Ausgabe von Mahlzeiten an die                        schwunden sind." Auch Hans-Joa‐
                                      stopps und wesentlich geringere Verkaufs‐      wohnungslosen Besucher:innen                         chim Lenke, Vorstandssprecher der
                                      zahlen haben deutliche Löcher in den ab‐       der Tageswohnung bewilligt.                          Diakonie in Niedersachsen, freut
                                      seits-Haushalt gerissen. Genauso litten und       Auch die abseits-Verkäufer:in‐                   sich über die neuen Möglichkeiten:
                                      leiden die abseits-Verkäufer:innen unter       nen beteiligen wir selbstverständlich             „Dank der Aktion können wir soziale
                                      den Auswirkungen der Pandemie: Zeiten          an den Vorteilen der Förderung: Sie verdie‐   Projekte unterstützen, die gerade jetzt Zei‐
                                      ohne abseits-Verkauf, leere Innenstadt, ab‐    nen bei dieser Ausgabe pro verkauftem Ex‐     chen der Zuversicht und Verbundenheit
                                      seits-Leser:innen, die ihre Wohnung nicht      emplar 1,50 Euro – statt regulär 1,10 Euro.   brauchen. Diese Solidarität ist ein ermuti‐
                                      verlassen und ihre Ausgabe nicht kaufen           Bei der NDR-Benefizaktion sind für die     gendes Zeichen, sich gemeinsam gegen die
                                      können.                                        Corona-Hilfe fast 6,5 Millionen Euro zu‐      Pandemie zu stemmen."
                                          Umso mehr freut es uns, dass wir die Fi‐   sammengekommen. Eine Rekordsumme                  Auch abseits bedankt sich herzlich beim
                                      nanzierungszusage bekommen haben,              der Aktion, mit der der NDR seit zehn Jah‐    NDR für die großartige Unterstützung und
                                      ebenso wie mehr als 230 Projekte in Nie‐       ren wohltätige Zwecke im Norden unter‐        natürlich bei allen Spender:innen, die ihren
                                      dersachsen mit dem Ziel, die Folgen der        stützt. Die Partner der aktuellen Aktion      Teil an der Förderung beigetragen haben!
                                      Pandemie in Norddeutschland zu bekämp‐         sind Caritas und Diakonie.                                                  Thomas Kater
                                                                                                                                                                                   3

                                           Aktuell                                      Magazin                                        Titelthema
                                      4    Upcycling und Spenden
                                           Schülerinnen der IGS nähen
                                      4    Verbesserte Substitution gefordert
                                           Gedenktag für Drogentote
                                      5    Fortbildung fürs Ehrenamt
                                           Freiwilligenagentur bietet an
                                      5    Wöchentlich in Washington
                                           Straßenzeitung wagt großen Schritt        24 Die Klimakrise als soziale Krise           8  Eindrücke und Ausdrücke
                                      6    Keine Kostenfallen                           Greta Thunberg im Gespräch                    Wohnungslose Menschen und abseits-
                                           Der Mieterverein weiß Rat                                                                  VerkäuferInnen
                                      7    Osterschokolade in Tüten                                                                13 Der präventive Piks
                                           Emily und Fabian packen ein                                                                Impftermin im Kloster

                                           Rubriken
                                      5    Momentaufnahme
                                      6    Rezeptidee
                                      32   Impressum
                                      32   Lesen                                     26 Mit dem Handy in die Sucht
                                      34   Preisrätsel                                  Online-Glücksspiel und die Folgen
Titelfoto : Helga Duwendag-Strecker

                                                                                     29 Dinge und Herzpochen                       14 Mit Schutzanzug und Angst
                                                                                        „No & Ich“ neu entdeckt                       Auf einer Intensivstation
                                           abseits                                   30 Grünkohl, Spargel und das Benefiz          17 Ärzte für Unversicherte
                                           Die Osnabrücker Straßenzeitung               überDacht in der Kreishauskantine             Malteser Migranten Medizin
                                           Bramscher Straße 11                       31 Volle Würde, halbes Haus                   18 Urteile zu Umgangskontakten
                                           49088 Osnabrück                              Preisgekröntes Wohnprojekt in Chile           Andrea Schippers schaut drauf
                                           0541 33035-16                                                                           19 Corona und die Straße
                                           redaktion@abseits-os.de                        Bundestagswahl 2021                         Die Charité dreht Videos
                                           www.abseits-online.de                     22 Aufstiegschancen für alle                  20 Resilienz für Groß und Klein
                                                                                        Christian Lindner im Interview                Zwei Frauen wissen Rat
Die Osnabrücker Straßenzeitung - Wieder mehr erleben! Die Innenstadt füllt sich
Uniformen umformen: Die Schülerinnen der IGS und ihre Lehrerin Barbara Voskors verwandeln ausrangierte Bekleidung vom Zoll.

           Vollstoff mit Zollstoff
           Uniform-Upcycling für die Wohnungslosenhilfe
           Unter dem Motto „Gib Vollstoff mit Zoll‐      den den Reinerlös von fast 450 Euro. Dieser      nicht nur die Idee, sondern hat diese auch
           stoff “ gingen Osnabrücker Beschäftigte des   wurde dann der Wohnungslosenhilfe der            mit ihren Schülerinnen umgesetzt: „Toll,
           Zolls und Schülerinnen der Integrierten       Sozialen Dienste zur Verfügung gestellt.         was die Schülerinnen alles geleistet haben
           Gesamtschule (IGS) eine ungewöhnliche            So entstand eine Upcycling-Kette mit          und welche Ergebnisse zustande gekom‐
           Kooperation zur Unterstützung der Woh‐        nur zufriedenen Teilnehmern. Thomas              men sind!" Und letztendlich freute sich
           nungslosenhilfe ein.                          Müller, Leiter des örtlichen Hauptzollamts,      Thomas Kater, Leiter der Tageswohnung
              Ausrangierte Uniformteile wurden im        fasste es treffend zusammen: „Die Aktion         für wohnungslose Menschen, nicht nur
           coronabedingten Homeschooling des             hat einen Wert für Mensch und Umwelt.            über die finanzielle Unterstützung: „Ich
           Wahl-Pflicht-Kurses Textil der IGS zu         Abfallvermeidung, Ressourcenschonung,            finde es gut, dass sich junge Menschen ge‐
     4     Schürzen, Mützen, Rucksäcken und Tablet-      Nachhaltigkeit, Kreativität, starkes Design,     rade auch in diesen Zeiten mit dem Thema
  JUNI/    Taschen umgearbeitet. Der anschließende       soziales Engagement, Freude beim Mitma‐          Wohnungslosigkeit beschäftigen.“
JULI ´21
           Verkauf von Kleidungsstücken und Acces‐       chen – all das steckt in dem Projekt.“ Bar‐                            Text: Ulrich Sandhaus
           soires erbrachte zusammen mit Geldspen‐       bara Voskors, Lehrerin an der IGS, hatte                    Foto: Helga Duwendag-Strecker

                                                         Bessere Substitution gefordert
                                                         Jährliches Gedenken an Drogentote im Juli
                                                         Am 21. Juli 1994 starb in Gladbeck Ingo          hilfeeinrichtungen, verstärkte Einrichtung
                                                         Marten. Seine Mutter richtete für ihn und        von Drogenkonsumräumen sowie Drug
                                                         andere Drogenopfer eine Gedenkstätte ein.        Checking (Analyse von Schwarzmarktsub‐
                                                         Seit über 20 Jahren wird am 21. Juli der Ge‐     stanzen) in Verbindung mit Beratungsange‐
                                                         denktag für Drogentote begangen.                 boten. Da manche Drogenkonsumenten
                                                             Im letzten Jahr fanden bundesweit über       nicht krankenversichert sind, ist eine we‐
                                                         70 Veranstaltungen statt. Auch international,    sentliche Forderung der Behandlungszu‐
                                                         von Australien über die Niederlande bis          gang auch ohne Versicherungsschutz.
                                                         nach Kanada, wird dieses Datum zum An‐               Die Osnabrücker Veranstaltung findet
                                                         lass genommen, mit Angehörigen, Freunden         traditionell am Gedenkstein für die Dro‐
                                                         und unterstützenden Mitbürgern der ver‐          gentoten auf dem Gelände der Ameos-Kli‐
                                                         storbenen Drogenkonsumenten zu geden‐            nik neben der Gertrudenkirche statt. Ver‐
                                                         ken und für eine menschliche Drogenpolitik       anstalter der Aktion ist das Osnabrücker
                                                         zu werben.                                       Drogenhilfenetzwerk bestehend aus Osna‐
                                                             Die diesjährigen Veranstaltungen wer‐        brücker Vertretern der Aids-Hilfe, AJSD,
                                                         ben bundesweit für eine bessere und ver‐         Ameos- Klinikum (Abteilung Sucht), Cari‐
                                                         stärkte Drogensubstitution. Die Bundesar‐        tasverband, Diakonie, Elrond, Elternkreis
                                                         beitsgemeinschaft der Eltern und Angehöri‐       Caritasverband, Eltern helfen Eltern, HIV-
                                                         gen für akzeptierende Drogenarbeit, die          Seelsorger Pastor Heyl und JES. Sie wird na‐
                                                         Deutsche Aidshilfe und die Deutsche Ge‐          türlich corona-konform im Freien mit ge‐
                                                         sellschaft für Suchtmedizin appellieren in ei‐   bührendem Abstand am 21. Juli um 17 Uhr
           Gedenkstein: Nahe der Gertrudenkirche         ner gemeinsamen Erklärung für verbesserte        begangen.
           wird alljährlich der Osnabrücker Drogento‐    Möglichkeiten einer niedrigschwelligen                                Text: Ulrich Sandhaus
           ten gedacht.                                  Substitutionsbehandlung auch in Drogen‐                      Foto: Helga Duwendag-Strecker
Die Osnabrücker Straßenzeitung - Wieder mehr erleben! Die Innenstadt füllt sich
Großes Angebot: Fortbildungen der Frei‐
willigen-Agentur Im Netz.

Fortbildung
fürs Ehrenamt
Workshops der
Freiwilligen-Agentur
Bis zum kommenden November bietet die
Freiwilligen-Agentur der Stadt Osnabrück          Sind dabei: Ron, Patricia, Melody und
ein umfangreiches Fortbildungsprogramm            Darlisha am Erscheinungstag der ersten
an. Die Workshops sind grundsätzlich kos‐         wöchentlichen Ausgabe von Street Sense.
tenlos und werden als Online-Veranstal‐
tungen vorbereitet. Die Kurse sollen Eh‐
renamtlichen Fähigkeiten vermitteln, die
sie bei ihrer freiwilligen Tätigkeit und dar‐
                                                 „Besser für Verkäufer und Kunden“
über hinaus einsetzen können.
                                                 Street Sense aus Washington erscheint jetzt wöchentlich
Die Themengebiete sind entsprechend viel‐        Trotz der durch Corona verursachten Unsi‐        Verkäufer anziehen, den derzeitigen Ver‐
fältig: Neben der Digitalisierung widmen         cherheiten und Beschränkungen ist Street         käufern mehr Einkommenssicherheit und
sich die Workshops unter anderem den Be‐         Sense gewachsen und wird jetzt Wochen‐           auch den Schreibern und anderen Mitar‐
reichen Kommunikation, Planung, Motiva‐          zeitung. Seit April erscheint die in der ame‐    beitern bessere Einkommensmöglichkei‐
tion und Integration. Auch rechtliche As‐        rikanischen Hauptstadt Washington ansäs‐         ten bieten.                                     5
pekte des Ehrenamts, die Frage, welcher          sige Straßenzeitung alle sieben Tage. Ver‐           Eric Falquero, Herausgeber von Street
Versicherungsschutz sinnvoll ist oder            käufer und Mitarbeiter zeigen sich begeis‐       Sense, verweist auf Erhebungen, dass der
Wege, ein Projekt zu finanzieren, werden         tert über das Wachstum des Straßenmaga‐          Verkauf der Zeitung in der ersten Woche
behandelt. Das umfangreiche Fortbil‐             zins.                                            nach Erscheinen um
dungsprogramm ist unter www.osna‐                    Damit schließt sich das Blatt den welt‐      fast 75 Prozent hö‐
brueck.de/workshops-freiwilligenagentur          weit fünf Straßenzeitungen an, die bisher        her ist als in der Zeit
abrufbar. Dort sind auch Anmeldungen             wöchentlich erscheinen: Real Change in Se‐       danach. „Die Her‐
möglich. Alle Teilnehmerinnen und Teil‐          attle, Street Roots in Portland, StreetWise in   ausgabe einer Wochenzeitung ist natürlich
nehmer erhalten rechtzeitig vor der Veran‐       Chicago (alle USA) sowie Big Issue North         eine Herausforderung. Aber durch Spen‐
staltung einen Link zur Teilnahme.               und The Big Issue in Britannien. Der erhöh‐      den und Mehreinnahmen konnten wir
 Text: PM; Foto: Helga Duwendag-Strecker         te Erscheinungsrhythmus soll zusätzliche         auch eine weitere Vollzeitkraft einstellen.“
                                                                                                      Falquero fährt fort: „Im vergangenen
                                                                                                  Jahr hat sich durch die Pandemie viel ver‐
Verschoben                                                                                        ändert. Die Umsätze sind gesunken, Stra‐
auf 2025                                                                                          ßenverkäufer können ja nicht von zuhause
                                                                                                  aus arbeiten. Aber die Einwohner von Wa‐
Diesen August noch                                                                                shington haben uns kräftig dabei unter‐
keine abseits-Jubiläumsfeier                                                                      stützt, einen Hilfsfonds für die Verkäufer
Im letzten Jahr beging abseits seinen 25.                                                         einzurichten. Viele haben die Zahlung per
Geburtstag – allerdings ohne ihn mit dem                                                          Handy-App genutzt, um die Zeitung zu‐
sonst alle fünf Jahre üblichen Fest zu würdi‐                                                     hause zu lesen oder um die Verkäufer zu
gen. Das wurde Corona-bedingt auf den                                                             unterstützen.“
August 2021 verschoben.                                                                               Jefferey McNeil, gleichzeitig Schreiber
   Der letztjährige Optimismus wurde                                                              und Verkäufer von Street Sense, beschreibt
durch das Anhalten der Pandemie leider                                                            das Problem und äußert sich gleichzeitig
nicht bestätigt, so dass wir diese Feier jetzt                                                    optimistisch: „In der ersten Woche läuft
schweren Herzens komplett absagen müs‐                                                            der Verkauf der Zeitung gut, aber dann hat
sen. Aber das Jahr 2025 ist ja nicht mehr so                                                      sie fast jeder. Und so erreichen wir hoffent‐
weit hin. Auf dass wir dann das 30-jährige       Den Sprung gewagt: Die Titelseite der ers‐       lich noch mehr Leute.“
Bestehen von abseits mit einem rauschen‐         ten Wochenausgabe von Street Sense aus                                  Text: Ulrich Sandhaus
den Fest begehen können.                         Washington D.C.                                                           Fotos: Doris Warrell
Die Osnabrücker Straßenzeitung - Wieder mehr erleben! Die Innenstadt füllt sich
Susannes
      leckerer
      Küchentipp
      Fenchelpfanne

                                              Gebührende Beratung: Rechtsanwalt Ronald Martin vom Mieterverein hat immer ein paar
                                              gute Ideen.

                                              Unzulässige Pauschalen und Gebühren
                                              Der Expertentipp vom Mieterverein Osnabrück
                                              Nach dem sogenannten Bestellerprinzip bei      gegeben“ und erst dann sei der erste Kon‐
                                              der Wohnungsvermittlung muss grund‐            takt mit dem Mieter zustande gekommen.
                                              sätzlich der Auftraggeber den Makler be‐           Auch eine Formularklausel im Mietver‐
                                              zahlen, also in der Regel der Vermieter.       trag, nach der der neu einziehende Mieter
                                              Dieser Grundsatz kann von Maklern oder         verpflichtet sein soll, eine Mieterwechsel‐
                                              Vermietern auch nicht durch irgendwelche       pauschale an die Hausverwaltung zu zah‐
     6                                        Pauschalen oder Gebühren umgangen wer‐         len, ist unwirksam.
  JUNI/                                       den.                                               Das Amtsgericht Münster (55 C
JULI ´21
                                                  Nach dem Wohnungsvermittlungsge‐           1325/15) erklärte, durch die verlangte Pau‐
      Zutaten                                 setz dürfen Makler von Wohnungsinteres‐        schale würden die Kosten der Verwal‐
      400 g Rinderhackfleisch                 senten keine Gebühren oder Zahlungen für       tungstätigkeit auf den Mieter abgewälzt
      1 Esslöffel Öl                          die Besichtigung einer Wohnung verlan‐         werden. Die Hausverwaltung werde aber
      2 Fenchelknollen                        gen, entschied das Landgericht Stuttgart       letztlich von der Vermieterin beauftragt,
      2 Zwiebeln                              (38 O 73/15 KfH). Ein Stuttgarter Makler       Mietverträge abzuschließen und sich um
      150 ml Brühe                            forderte von allen Wohnungsinteressenten       Änderungen kümmern. Dafür erhalte die
      1 Becher Crème fraîche                  für die Durchführung einer Wohnungsbe‐         Hausverwaltung eine Vergütung seitens
      Salz, Pfeffer und Paprika               sichtigung zwischen 35 und 50 €. Das Ge‐       der Vermieterin. Verlangt die Verwaltung
                                              richt erklärte, es dürften keine Einschreib‐   jetzt noch eine Mieterwechselpauschale
      Zubereitung                             gebühren, Auslagen, Erstattungen oder          von dem einziehenden Mieter, stelle sie die
      Fenchel putzen, waschen und in Strei‐   sonstige Nebenentgelte zusätzlich zur Pro‐     Kosten praktisch doppelt in Rechnung.
      fen schneiden, Zwiebeln pellen und      vision gefordert werden. Die Provision
      klein schneiden. In einer Bratpfanne    aber müsse der Vermieter zahlen, er habe
      das Rinderhackfleisch in Öl grob krü‐   dem Makler die Wohnung „an die Hand
      melig anbraten. Anschließend Zwie‐
      beln und Fenchel dazugeben, kurz mit
      anschwitzen und mit Salz, Pfeffer und   Junge Redakteure gesucht
      Paprika kräftig würzen. Mit Brühe ab‐   Das Projekt abseits Junior soll nach Beendi‐
      löschen und das Ganze ungefähr 15       gung der Pandemiemaßnahmen in die Tat
      Minuten garen. Kurz vor dem Servie‐     umgesetzt werden: Jugendliche Redakteure
      ren Crème fraîche unterrühren. Dazu     werden mittels journalistischer Work‐
      schmeckt Reis oder nur Baguette.        shops, Fotokursen und begleitenden Infor‐
      Guten Appetit!                          mationen zum Thema Wohnungslosigkeit
            Text & Foto: Susanne Kampling     eine Sonderausgabe der Osnabrücker Stra‐
                                              ßenzeitung mit dem Schwerpunkt „Ju‐
                                              gendliche schreiben für Jugendliche über
                                              soziale Themen“ erstellen. Informationen
                                              und Anmeldung unter 0541 33035-25.             Was bewegen: Schreiben für die geplante Ju‐
                                                                     Foto: de.freepik.com    gend-abseits.
Die Osnabrücker Straßenzeitung - Wieder mehr erleben! Die Innenstadt füllt sich
Kekse, Schokolade und Getränke: Fabian (links) und Emily übergeben ihre Spendentüten an
Thorsten.

Osterkekse in Tüten
Emily und Fabian verteilen Selbstgebackenes
                                                                                             Augenblick mal!
                                                                                             Momentaufnahme
„Wir wollten an die denken, die sonst ver‐   für wohnungslose Menschen im Bern‐
gessen werden“, erläutert Fabian. Er und     hard-Schopmeyer-Haus, Bramscher Stra‐           eines abseits-Verkäufers
Emily hatten zu Ostern kurzentschlossen      ße 11.
einige selbstgebackene Kekse, Laugenge‐          Dort angekommen übernahm TaWo-              Kai Klocke, 32 Jahre alt, war bis vor kur‐   7
bäck, Schokolade und Getränke in Tüten       Mitarbeiter Thorsten Görlitz die Päckchen,      zem für mehrere Jahre wohnungslos.
gepackt, um diese an Wohnungslose in Os‐     um sie später an die Besucher zu verteilen.     Er hat jetzt eine Wohnung gefunden
nabrück zu verteilen. Corona-bedingt sah     Emily, die sich inzwischen auch in der ab‐      und seit April verkauft er abseits vor
man Obdachlose zu der Zeit noch seltener     seits-Redaktion engagiert, erläutert ihre Be‐   der Aldi-Filiale an der Pagenstecher
im öffentlichen Straßenbild. Zudem regne‐    weggründe: „Ich dachte, als ich meine Os‐       Straße.
te es auch stark.                            tergeschenke kriegte, dass ich ja schon
    Nachdem die beiden nur einen Woh‐        ziemlich verwöhnt bin, und die bestimmt         Ich verkaufe abseits, weil… ich anderen
nungslosen angetroffen hatten, machten       sich auch über etwas Schönes freuen wür‐        Menschen auf der Straße helfen will und
sie sich kurzerhand auf zu der ihnen be‐     den. Fabian war sofort mit dabei.“              den Mitmenschen zeigen möchte, wie es
kannten Anlaufstelle: die Tageswohnung                             Text: US; Foto: privat    auf der Straße ist.
                                                                                             Mein Lebensmotto: Überleben und über
                                                                                             die Runden kommen!
                                                                                             Meine Hobbys: Billard und Fußball.
                                                                                             Was mich sauer macht: Wenn andere
                                                                                             Menschen Mist bauen und dann
                                                                                             Unschuldige mit einbeziehen.
                                                                                             Mein Lieblingsgericht: Schaschlik-Spieße.
                                                                                             Ich mag besonders an mir: Ich denke, ich
                                                                                             bin ein guter Mensch.
                                                                                             Meine größte Schwäche: Ich kann nicht
                                                                                             „Nein“ sagen.
                                                                                             Mein Lieblingskünstler: Jean-Claude van
                                                                                             Damme.
                                                                                             Wo ich immer schon mal hin will wollte:
                                                                                             Frankreich.
                                                                                             Freundschaft bedeutet für mich: Es ist ein
                                                                                             Nehmen und ein Geben. Man steht
                                                                                             zusammen, Schulter an Schulter, und
                                                                                             vertraut sich.
Die Osnabrücker Straßenzeitung - Wieder mehr erleben! Die Innenstadt füllt sich
Eindrücke und Ausdrücke
           Wohnungslose Menschen, abseits-Verkäuferinnen und -verkäufer
           über ihr ganz persönliches Corona-Erlebnis

                       Alfredo
                   51 Jahre, wohnungslos.

           » Ich habe Angst vor Corona, lasse mich
             regelmäßig testen. Bin froh, dass ich
              mich noch nicht angesteckt habe. «

                                                                                                                         Foto : Helga Duwendag-Strecker
     8
  JUNI/
JULI ´21

                                                                                           Anja
                                                                          51 Jahre, abseits-Verkäuferin seit über acht
                                                                           Jahren, sie steht in der Krahnstraße vor
                                                                                      Peek&Cloppenburg.

                                                                           » Die Corona-Lage ist ernst, aber nicht
                                                                                      hoffnungslos. «
                                                                                                                         Foto : Helga Duwendag-Strecker
Die Osnabrücker Straßenzeitung - Wieder mehr erleben! Die Innenstadt füllt sich
Anke und Kees
                                                                                 52 und 6 Jahre, ein halbes Jahr
                                                                              wohnungslos, seit Mai wieder in einer
Foto : Helga Duwendag-Strecker

                                                                             Wohnung. Anke ist mit Unterbrechungen
                                                                               seit 23 Jahren abseits-Verkäuferin.

                                                                             » Ich hoffe, dass der Spuk irgendwann ein
                                                                              Ende hat! Ich halte mich an die Corona-
                                                                              Maßnahmen, aber ich werde durch das
                                                                              Tragen der Maske richtig kurzatmig und
                                                                                 insgesamt, auch durch die wenigen
                                                                                 Kontakte, immer melancholischer. «

                                            Krsysztof
                                  44 Jahre, wohnungslos, verkauft abseits
                                         seit April am Neumarkt.

                                  » Für mich hat sich durch Corona nicht
                                 viel geändert. Ich habe keine Wohnung,
                                 esse mittags in der Tageswohnung und
                                   wasche meine Wäsche beim Kloster.
                                 Abends gehe ich spazieren, bis ich mich
                                 um 9 Uhr in einem Garten mit Isomatte
                                         und Schlafsack hinlege. «                                                       9
Fotos: Lukas Gruenke

                                               Erwin
                                 65 Jahre, bis 2013 umherreisend, seitdem
                                  mit fester Bleibe in Osnabrück, verkauft
                                 seitdem abseits auf der Großen Straße vor
                                             Tee Gschwendner.

                                     » Ich hatte die Chance mit einer
                                   gespendeten BahnCard 100 für drei
                                  Monate herumzureisen und wollte im
                                   Januar starten. Corona hat mich hier
                                 gehalten und nun hoffe ich, nach meiner
                                 zweiten Impfung, im Mai endlich starten
                                                zu dürfen. «
Fotos: Lukas Gruenke
Die Osnabrücker Straßenzeitung - Wieder mehr erleben! Die Innenstadt füllt sich
Dominique
                                                        75 Jahre, verkauft seit vier Jahren abseits,
                                                        jetzt bei Edeka-Kuhlmann in Lechtingen.

                                                        » Ich kenne viele Menschen und liebe es,
                                                        in Gesellschaft zu sein. Das alles fehlt mir
                                                        seit Corona sehr. Seitdem mein Hund mit
                                                           über 16 Jahren im letzten Dezember
                                                         gestorben ist, fühle ich mich manchmal

                                                                                                       Fotos: Lukas Gruenke
                                                         einsam und beobachte Menschen von
                                                        meinem Balkon und aus allen möglichen
                                                               Fenstern meiner Wohnung. «

                           Ben
           44 Jahre, seit Beginn des Winters in einer
             Notunterkunft, vorher auf der Straße.

                  »Es ist alles Mist! Ich kann die
   10              Maßnahmen alle verstehen,
  JUNI/      aber es ist anstrengend. Ich laufe alle
JULI ´21

                                                                                                       Foto : Helga Duwendag-Strecker
             meine Strecken und bekomme kaum
           Luft unter meiner Maske. Auch finanziell
           läuft es nicht. Schnorren funktioniert gar
                               nicht. »
Sigfried
                                 58 Jahre, verkauft abseits seit 2013 auf der
                                       Großen Straße oder vor dem
                                          Wochenmarkt am Dom.

                                      » Es ist schon erschreckend, wie
Foto : Helga Duwendag-Strecker

                                   leergefegt die Innenstadt ist. Auf der
                                 anderen Seite finde ich es auch schlimm,
                                  wie viele Leute nach über einem Jahr
                                  Corona immer noch ohne Maske oder
                                       mit falsch aufgesetzter Maske
                                                herumlaufen. «

                                                                                             Frankie
                                                                                   54, seit insgesamt sechs Jahren mit
                                                                                  Unterbrechungen und jetzt aktuell seit
                                                                                      neun Monaten wohnungslos.
                                                                                                                              11
                                                                                » Eigentlich betrifft mich Corona gar nicht
                                                                                  so sehr. Aber der Lockdown gefällt mir
                                                                                    ziemlich gut, weil man dann nachts
                                                                                    weniger von Passanten, meist noch
Fotos: Lukas Gruenke

                                                                                     betrunkenen, angepöbelt wird. «
Mantas
              31 Jahre, seit Januar wohnungslos.

                                                                                                    Fotos : Helga Duwendag-Strecker
           » Als Obdachloser werde ich in Corona-
              Zeiten als eine Bakterie gesehen.
             Außerdem hat sich meine finanzielle
            Situation deutlich verschlechtert. Ich
           bettele in der Stadt. Die ist leer und die
                  Laune der Leute im Keller. «

                                                                         Kai
                                                        32 Jahre, über zwei Jahre auf der Straße.
                                                          Seit zwei Monaten in einer eigenen
                                                          Wohnung und seit Kurzem abseits-
                                                                       Verkäufer.

                                                        » Ich habe keine Lust mehr auf Corona!
   12                                                    Alles ist eingeschränkt, ich darf mich
  JUNI/                                                 nicht mehr mit Bekannten treffen. Der
JULI ´21

                                                                                                    Fotos : Helga Duwendag-Strecker
                                                             abseits-Verkauf hat mir extrem
                                                        weitergeholfen. Beim Schnorren habe
                                                            ich in Corona-Zeiten kaum Geld
                                                                       gemacht. «
Anstehen, Anmelden, Anpiksen: Impfung gegen Covid-19 für wohnungslose Menschen.

Großer Andrang, Chance genutzt
Impftermin im Franziskanerkloster
Schon von Weitem kann ich die lange          Khadr Al Khadr hat gut vorgesorgt, so        das ist auch gut so. Ich finde, jeder sollte
Warteschlange vor der Wärmestube im          muss kein Interessent ohne Schutzimpfung     sich impfen lassen.“
ehemaligen Franziskanerkloster erken‐        wieder gehen.                                   Dann läuft mir noch Heinz Hermann
nen. An den Wartenden vorbei von der            An die 100 Impfstoff-Dosen finden an      Flint über den Weg. Der Leiter der Fachbe‐
Einfahrt bis hinunter zu einer kleinen Tür   diesem Tag ihren Weg in einen Arm. Nach      ratungsstelle für wohnungslose Menschen        13
spürt man die Aufregung und Nervosität,      Aufnahme der persönlichen Daten und          zieht ebenfalls eine positive Bilanz: „Die
die in der Luft liegt. An diesem Mittag am   einem aufklärenden Gespräch mit dem          Impfaktion ist sehr gut angenommen wor‐
14. Mai ist das Ziel für alle wartenden      Arzt steht dem präventiven Piks nichts       den. Ich freue mich über die gute Zusam‐
wohnungslosen Menschen dasselbe: eine        mehr im Weg.                                 menarbeit mit dem Impfzentrum und der
Impfung gegen Covid-19.                         Bei den Fotos der Impfung treffe ich      Stadt Osnabrück. Wir sind sehr zufrieden.“
                                             Heiko Matthes, der mich angrinst: „Ich          Beim Rausgehen grinse ich und murmle
Im Vorfeld hatten sich bereits zahlreiche    freue mich riesig über meine Impfung! 45     vor mich hin: „Herdenimmunität, wir
Interessierte dafür angemeldet – gekom‐      Minuten habe ich mit meiner Freundin in      kommen!“
men sind trotz des schlechten Wetters noch   der Schlange gestanden und dann waren
einmal deutlich mehr. Das Team um Dr.        wir endlich dran. Der Andrang ist groß und               Text und Fotos: Lukas Gruenke

                                                                                             Avanus Mineralbrunnen
                                                                                                    GmbH
                                                                                                        Power Weg 45
                                                                                                         49191 Belm

                                                                                                  www.avanus.de
14
  JUNI/
JULI ´21

           Lebensnotwendige Prozedur: Ein Atemschlauch wird positioniert, während sich sechs Krankenschwestern darauf vorbereiten, den Patienten
           in die Bauchlage zu bringen.

           Mit Schutzanzug und Angst
           Eine Krankenschwester über ihre Arbeit auf der Intensivstation

           Mit einer erschöpften Handbewegung            Aber damit hat man umzugehen gelernt, helfen. Bei Covid-19 ist das nicht so.
           rührt Isabel in ihrem Kaffee. „Andere sit‐    und das war nie ein Problem für mich. Manchmal habe ich das Gefühl, dass der
           zen zuhause, wir sind mittendrin“, erklärt    Menschliche Schicksalsschläge hautnah zu Krankheitsverlauf nicht absehbar ist und wir
           sie mit einem müden Lächeln. Isabel* ist      erleben und damit klarzukommen, ist ein‐ machtlos sind. Der Kontrollverlust ist
           einer der Menschen, die jeden Tag mit         fach Teil meines Be‐                                               furchterregend. Es
           dem Coronavirus zu tun haben. Sie arbei‐      rufs. Eigentlich ge‐       » Für den Patienten ist es die          ist erschreckend zu
           tet in einem Krankenhaus als medizini‐        fällt mir mein Job.       Hölle. Die Menschen haben das            sehen, was das Virus
           sche Fachangestellte auf der Intensivstati‐   Man erlebt jeden Gefühl, zu ersticken. Die Atemnot mit dem Menschen
           on. Hier erzählt sie von ihren Erfahrun‐      Tag etwas Neues                 und die Angst müssen               macht und wie es
           gen.                                          und kann unglaub‐                 schrecklich sein. «              unsere Klinik im
                                                         lich viel lernen.                                                  Griff hat. Mich be‐
           Auf der Station, auf der ich arbeite, haben   Durch Corona ist mein Arbeitstag aller‐ gleitet immer öfter ein Gefühl: Das ist die
           wir es naturgemäß mit schweren Erkran‐        dings noch einmal um einiges belastender Angst. Und trotzdem müssen wir funktio‐
           kungen zu tun. Schlaganfälle, Krebs,          geworden – und nicht nur wegen der Hygi‐ nieren – jeden Tag.
           schwere Unfälle und vieles mehr sind an       enevorschriften.                                Seit über einem Jahr behandeln wir auf
           der Tagesordnung. Auch in Corona-Zeiten.          Der Unterschied ist: Sonst haben wir die unserer Station mindestens zwei bis drei
                                                         Situation unter Kontrolle. Wir sind vorbe‐ schwere Coronafälle. Je nach Infektionsver‐
           *Name von der Redaktion geändert              reitet und können den Menschen wirklich lauf steigen auch bei uns die Zahlen und
damit die Belastungen. Zum Glück bin ich richtige Entlastung, sieht es schlimm aus. beatmen mussten. Diese Unvorhersehbar‐
seit einiger Zeit geimpft. Die Ansteckungs‐ Ich habe gesehen, wie viel dort schiefgehen keit macht Corona zu so einem Problem.
gefahr war sehr groß und hat mich extrem kann. Oft schwillt das Gesicht so an, dass Ich kann es nicht verstehen, wenn manche
beunruhigt. Wenn die mit dem Coronavi‐ man die Person gar nicht mehr erkannt hat. immer noch so tun, als wenn es nicht
rus infizierten Patienten im Krankenhaus Dann beginnt das wochenlange Ringen schlimmer wäre als eine Grippe.
eintreffen, sind sie schon in einem kriti‐ ums Überleben. Bei Coronapatienten ist             Was alles noch schlimmer macht, ist,
schen Zustand. Sie haben Atemnot und die Beatmungszeit besonders lang.                     dass es für Patienten auf der Intensivstati‐
starke Symptome, aber es ist noch nichts        Angst einflößend ist die Ohnmacht aller on, ob Corona-Erkrankter oder nicht, ein
Lebensbedrohliches. Und bei vielen bleibt Beteiligten. Ob der Mensch überlebt oder Besuchsverbot gibt. Man muss sich klar
es dabei. Bei anderen setzt eine rapide Ver‐ nicht, ist unabsehbar. Wir wissen dann nur machen, dass gerade Intensivstationen Orte
schlechterung ein. Dieser Zusammenbruch eins: Für ihn oder sie wird es nie wieder so sind, wo die Menschen ihre Angehörigen
der Lungenfunktion kommt schlagartig sein wie vorher. Selbst wenn man einen brauchen. Die Menschen heilen nicht mehr
und überraschend.                            schweren Verlauf und eine künstliche Beat‐ richtig, weil sie emotional isoliert sind. Das
    In einem Moment kann man noch nor‐ mungssituation überlebt, braucht man Mo‐ sehe ich jeden Tag. Es ist dann unsere Auf‐
mal mit dem Patienten reden, in der nächs‐ nate, um wieder auf die Beine zu kommen. gabe, wenn es denn möglich ist, eine Hand
ten Stunde ringt er verzweifelt nach Atem Es kam ein junger Mann zu uns, der war zu halten und sich auch emotional um die
und der Kampf ums Überleben beginnt. Mitte vierzig und Marathonläufer. Zuletzt Patienten zu kümmern. Auf der anderen
Setzt die rapide Verschlechterung des Zu‐ fiel es ihm immer noch schwer, überhaupt Seite ist es auch meine Aufgabe, die Ange‐
standes ein, sind die behandelnden Ärzte Treppen zu steigen.                               hörigen über den Zustand des Kranken zu
und wir unter größter Anspannung. Für           Und ich möchte etwas betonen: Meine informieren, Kontakt zu halten. Das führt
den Patienten ist es die Hölle. Diese Phase Erfahrung hat mir gezeigt, dass es alle dazu, dass man ganz anders dabei ist. Ich
mit anzusehen, ist                                                   treffen kann. Ab 30 spüre die Verzweiflung der Angehörigen
heftig. Die Men‐           » In einem Moment kann man                aufwärts hatten wir und sehe die Konsequenzen der Isolation.
schen haben das           noch normal mit dem Patienten es schon mit schwe‐ Das macht mir Angst.
Gefühl, zu ersti‐          reden, in der nächsten Stunde             ren Verläufen zu         Seit Neuestem gibt es eine Regelung. Die
cken. Die Atemnot          ringt er verzweifelt nach Atem            tun.  Statistisch ge‐ Patienten  dürfen dann Besuch empfangen,
und die Angst müs‐         und der Kampf ums Überleben               sehen  sind   das we‐ wenn   sie im Begriff sind zu sterben. Nur
sen       schrecklich                                                nige, aber wir sehen dann! Um Abschied zu nehmen. Man muss           15
                                       beginnt. «
sein. Die Entschei‐                                                  diese Fälle. Men‐ sich das mal vorstellen: Den Sohn oder die
dung, ob eine Beatmungsmaschine einge‐ schen, die komplett fit waren und wo alle Mutter wochenlang nicht sehen zu dürfen,
setzt wird oder nicht, muss rechtzeitig ge‐ dachten, dass nichts Gravierendes passie‐ aber ständig per Telefon über die Ver‐
troffen werden. Eine Unterversorgung mit ren würde, wurden von Corona komplett schlechterung des Zustands informiert zu
Sauerstoff wäre in solch einem Zustand fa‐ aus dem Leben gerissen. Wir behandelten werden, um dann in vollem Schutzanzug
tal. Auf der anderen Seite will man auch Sportler und Nichtraucher, die ohne Vorer‐ den sterbenden Körper des geliebten Men‐
nicht voreilig die begrenzten Intensivbetten krankungen zu uns kamen, und die wir schen noch einmal kurz zu sehen. Das ist
vergeben. Und eine künstliche
Beatmung bedeutet ein wo‐
chenlanges Koma sowie eine
medizinische und psychologi‐
sche Extremsituation. Das
muss gut überlegt sein. Ent‐
scheidet sich der behandelnde
Arzt dann für die Beatmung,
wird der Patient sediert, der
Schlauch in den Atemweg ein‐
geführt, und die Maschine
wird an den Menschen ange‐
schlossen. Das ist mittlerweile
ein routinierter Prozess, aber
die Schutzanzüge und die An‐
spannung erschweren natür‐
lich unsere Arbeit.
    Um die Lunge zu entlasten,
legt man den Patienten auf
den Bauch. Die Lagerung ist
dabei eine Kunst für sich. Es
entsteht Druck auf dem Ge‐
sicht und den Gliedmaßen.
Achtet man nicht auf eine              Wochenlang in Bauchlage: So wird die Lunge des beatmeten Patienten entlastet.
Positionsänderung:
                                                                                                                             Medizinisches Per‐
                                                                                                                             sonal in Schutzan‐
                                                                                                                             zügen lagert einen
                                                                                                                             Patienten um, der
                                                                                                                             lange auf dem
                                                                                                                             Bauch gelegen hat,
                                                                                                                             damit keine offenen
                                                                                                                             Stellen entstehen.

           kein Abschiednehmen. Das ist traumatisie‐ wir zu verlegen, und wir sind permanent          ren Einsatz. Ich bekomme einfacher Kredi‐
           rend. Ich werde nie eine Mutter vergessen, mit anderen Krankenhäusern in Kontakt.          te, weil mein Job ja sicher ist. Der Gastro‐
           die ihren Sohn verlor. Sie hat mich mit so Ob wir so allen gerecht werden, weiß ich        nom von nebenan leidet anders unter der
           tiefer Trauer in den Augen angeschaut und nicht. Wir spielen Tetris mit Menschen.          Krise. Natürlich ist es schön, Geld zu be‐
           gefragt, wie ich mich fühlen würde, wenn Und wenn mal ein Block nicht passt, droht         kommen, aber ich weiß auch, wie dringend
           das mein Kind wäre. Ich war sprachlos. So der Patient zu sterben.                          andere gerade Unterstützung brauchen.
           etwas brennt sich ein.                         Das alles, die Isolation und die Hygiene‐       Wenn man mich fragt, was man anders
               Zu diesem menschlichen Leid, das wir vorschriften, die drohende Überbelastung          machen sollte: Es geht viel um Anerken‐
           jeden Tag sehen und das anders grausam ist und das menschliche Leid, machen meinen         nung. Gerade die Pflegekräfte sind völlig
           als die herkömmlichen Fälle, kommt die Arbeitsalltag extrem belastend. Und man             kaputtgearbeitet. Ihnen sollte man mehr
           ständige Gefahr der Überbelastung und der merkt es auch an den Kollegen. Alle sind         Geld und Respekt entgegenbringen. Und
           Triage. Also der                                                     schlecht drauf. Das   ich würde mir mehr Sensibilität in Hinsicht
   16      Fall, dass wir zu we‐    » Wir arbeiten seit Monaten am              Klima ist ange‐       auf die Patientenbesuche wünschen. Natür‐
  JUNI/    nige Intensivbetten     Limit und sind müde. Gerade die spannt. Wir arbei‐                 lich muss man vorsichtig sein, aber wir
JULI ´21
           haben und deshalb         Pflegekräfte sind völlig kaputt            ten seit Monaten      dürfen bei aller Vorsicht nicht die mensch‐
           entscheiden müs‐                     gearbeitet. «                   am Limit und sind     liche Seite vergessen. Ich glaube, dass dort
           sen, wer behandelt                                                   müde. Wir geben       mit Testen und Hygienemaßnahmen mehr
           wird und wer nicht. Um das zu vermeiden, unser Bestes, und ehrlich gesagt ist es para‐     möglich wäre. Wobei es unglaublich
           sind wir ständig gezwungen, umzuorgani‐ dox. Alle gucken nur zu und wir sind mit‐          schwierig ist. Wir wollen keinen gefährden.
           sieren. Selbst wenn wir noch freie Betten tendrin, deshalb ist mein Job aber auch si‐                             Text: Salomon Gabel
           haben, müssen wir immer auf den cher. Wir haben die finanzielle Absiche‐                               Fotos: Fabrizio Bensch, Reuters;
           schlimmsten Fall vorbereitet sein. Die Ope‐ rung, die andere nicht haben. Letztens ha‐                          Carlos Osorio, Reuters
           rationen, die verschiebbar sind, versuchen ben wir eine Prämie bekommen für unse‐
Gut, dass es sie gibt: Dr. Horst Butke und
                                                                                              Dr. Sigrid Pees-Ulsmann helfen ehrenamt‐
                                                                                              lich Menschen ohne Krankenversicherung.

                                                                                              grieren und Notleidende an soziale Ein‐
                                                                                              richtungen zu vermitteln. „Es ist schön,
                                                                                              wenn man es schafft, jemandem wieder auf
                                                                                              die Beine zu helfen“, freut sich Horst Butke.
                                                                                              Doch das Kerngeschäft bleibt die ärztliche
                                                                                              Versorgung. Darin sind die beiden pensio‐
                                                                                              nierten Allgemeinmediziner Profis.
                                                                                                  Und sollte ein Fall ihr Fachgebiet spren‐
                                                                                              gen, gibt es andere Möglichkeiten. Sie grei‐
                                                                                              fen auf ein Netzwerk von über zwanzig
                                                                                              Kollegen zurück. Vom Kardiologen bis
Hilfe für die Vergessenen                                                                     zum Proktologen sind Osnabrücker Spezi‐
                                                                                              alisten dabei und helfen aus, wann immer
Osnabrücker Ärzte versorgen Menschen ohne Krankenversicherung                                 es geht. „Man kennt sich“, sagt Sigrid Pees-
                                                                                              Ulsmann mit einem Lächeln auf dem Ge‐
„Es ist eine Menschenpflicht, zu helfen.“   rung. Hinzukommen aber auch kleine                sicht. Oft können die Freunde unentgelt‐
So treffend einfach begründet Dr. Sigrid    Selbstständige oder Studenten.                    lich helfen.
Pees-Ulsmann ihr Engagement bei der            „Es ist wichtig, dass die Betroffenen wis‐         In vielen Fällen fallen aber auch Kosten
MMM. Die drei Buchstaben stehen für         sen, dass es uns gibt“, betont Horst Butke.       an, wenn zum Beispiel eine Schwangere ei‐       17
„Malteser Medizin für Menschen ohne         Oft sind die Menschen in einem sehr               nen Krankenhausaufenthalt benötigt oder
Krankenversicherung“.                       schlechten Zustand, aber in solch schwieri‐       ein Tumorleiden behandelt werden muss.
                                            ger Situation, dass sie sich scheuen, zum         Die Organisation ist deshalb auf Spenden
Sie, ihr Kollege Dr. Horst Butke und ein Arzt zu gehen. „Sie haben Angst vor den              angewiesen und bittet um Unterstützung
Team von drei Arzthelferinnen sowie vier Kosten und wissen nicht, ob sie uns ver‐             auf unten stehendes Konto.
weiteren pensionierten Ärzten behandeln trauen können.“ Das Team nimmt zwar die                   Empfänger: Malteser Osnabrück
jeden Dienstag in der Johannisstraße 91 Namen auf, „aber eigentlich sind die egal“,               IBAN: DE81 4006 0265 0033 2507 21
Menschen ohne Versicherungsschutz. erklärt Sigrid Pees-Ulsmann. Es geht dar‐                                             Text: Simon Geest
Überwiegend versorgt das Team Menschen um, den Menschen unverbindlich zu helfen                          Fotos: Helga Duwendag-Strecker;
mit Migrationshintergrund, die ohne Auf‐ und eine medizinische Grundversorgung                               Malteser Migranten Medizin
enthaltserlaubnis in Deutschland leben, zu ermöglichen. Darüber hinaus will das
oder EU-Bürger ohne Krankenversiche‐ Team auch einen empathischen Zugang
                                                                     schaffen und nicht        Freiwillige vor!
                                                                     nur das Nötigste
                                                                                               Ehrenamtliches Engagement
                                                                     tun. Es sei eine sozi‐
                                                                     al-medizinische Be‐       Von Sportverein über Feuerwehr bis zu
                                                                     treuung, erklärt die      sozialen Projekten: Tausende Bürgerin‐
                                                                     Medizinerin.       Es     nen und Bürger in Stadt und Landkreis
                                                                     geht um ein Stück         Osnabrück sind in den verschiedens‐
                                                                     Geborgenheit, Ver‐        ten Bereichen ehrenamtlich tätig. In je‐
                                                                     trauen und einen          der Ausgabe von abseits stellen wir
                                                                     „mitmenschlichen          eine Person oder Gruppe aus ihrem
                                                                     Kontakt“.                 speziellen Einsatzgebiet vor.
                                                                        So erzählen die        Wenn Sie ein passendes Feld suchen,
                                                                     beiden mir stolz          um sich ehrenamtlich zu betätigen,
                                                                     von Fällen, bei de‐       wenden sie sich an:
                                                                     nen sie es geschafft      Freiwilligen-Agentur
                                                                     haben,      Versiche‐     Bierstraße 32a, 49074 Osnabrück
                                                                     rungslose wieder in       0541 3233105
                                                                     eine Krankenversi‐
Medizinische Grundversorgung: Malteser helfen unbürokratisch.        cherung zu inte‐
Gerichtsentscheidungen
           bringen Klarheit
           Umgangskontakte in Zeiten von Corona
           Das Umgangsrecht zwischen dem nicht          Einschränkung des Umgangsrechts des
           betreuenden Elternteil und seinen Kin‐       Kindesvaters gerichtlich geltend gemacht.
           dern kann nur eingeschränkt oder sogar           Im Ergebnis hat der zuständige Richter
           ausgeschlossen werden, wenn dies nach
           den Umständen des Einzelfalls der Schutz
                                                        entschieden, dass der Kindesvater berech‐
                                                        tigt war, auch ohne Einverständnis der Kin‐
                                                                                                           Rechtsanwältin
           des Kindes erfordert, um eine Gefähr‐        desmutter die Corona-Schutzmaßnahmen               Andrea Schippers
           dung seiner seelischen oder körperlichen     im Rahmen seiner Umgangskontakte zu
           Entwicklung abzuwehren. Auch vor dem         verlangen, da es sich um Angelegenheiten           Große Straße 55
           Familienrecht bleibt die Corona-Pande‐       des täglichen Lebens handelt. Das Amtsge‐          49074 Osnabrück
           mie nicht stehen.                            richt stellte fest, dass der Test ein minimaler
                                                        Eingriff und das Abstandsgebot und die             0541 3504066
           In Umgangsrechtsverfahren prallen aktuell Maskenpflicht Auflagen sind, die in Coro‐             info@ra-schippers.de
           oft unterschiedliche Auffassungen der El‐ na-Zeiten zum Alltagsleben der meisten                www.ra-schippers.de
           tern über den täglichen Umgang mit den Menschen gehören.
           Infektionsrisiken aufeinander. Die Recht‐        Ich verweise auch auf die Entscheidung
           sprechung hat bereits zu Beginn der Pande‐ des Amtsgerichts Weimar vom 8. April
           mie schnell deutlich gemacht, dass die Co‐ 2021. Das Gericht hat die Pflicht zum Mas‐
           rona-Krise nicht als „Trumpfkarte“ für Um‐ ken-Tragen, zum Einhalten von Mindestab‐
   18      gangsverweigerer genutzt werden darf.        ständen und zu Schnelltests an Schulen als        das Kind oder der umgangsberechtigte El‐
  JUNI/        Der verfassungsrechtlich geschützte Gefahr für das geistige, körperliche oder              ternteil unter häuslicher Quarantäne stehen
JULI ´21
           persönliche Umgang des nicht betreuenden seelische Wohl eines Kindes eingestuft.               oder der Umgang besondere über das allge‐
           Elternteils mit seinem Kind ist also grund‐      Das in zweiter Instanz zuständige Ver‐        meine Lebensrisiko hinausgehende Gefah‐
           sätzlich aus Gründen des Kindeswohls und waltungsgericht Weimar hat mit Datum                  ren verursacht. Das Gericht hat in seinen
           zur Aufrechterhaltung der Bindungen wei‐ vom 20.04.2021 die Entscheidung als „aus‐             Entscheidungsgründen im vorliegenden
           ter durchzuführen,                                                      brechenden Rechts‐     konkreten Fall festgestellt, dass eine Tes‐
           aber gegebenenfalls          » Die Empfehlung, soziale                  akt und offensicht‐    tung von dem umgangsberechtigten El‐
           der besonderen ge‐             Kontakte möglichst zu                    lich rechtswidrig“     ternteil nur dann gefordert werden kann,
           genwärtigen Situati‐ vermeiden, bezieht sich nicht auf bezeichnet. Thema‐                      wenn hierfür die Voraussetzungen nach
           on anzupassen. Die        die Kernfamilie, auch wenn die                tisch ging es um ei‐   den von den Gesundheitsämtern vorgege‐
           Empfehlung, soziale       Eltern nach einer Trennung in                 nen Antrag auf         benen Richtlinien gegeben sind, etwa das
           Kontakte möglichst            zwei unterschiedlichen                    Aufhebung von An‐      Vorliegen für Covid-19 typischer Sympto‐
           zu vermeiden, be‐                Haushalten leben. «                    ordnungen       zum    me oder der Kontakt mit erkrankten Perso‐
           zieht sich nicht auf                                                    Hygieneschutz für      nen. Eine Verpflichtung zur Testung auf
           die Kernfamilie, auch wenn die Eltern nach zwei minderjährige schulpflichtige Kinder           „Vorrat“ gibt es nicht.
           einer Trennung in zwei unterschiedlichen während des Präsenzunterrichts an ihrer                  Das Gericht hat ferner im konkreten
           Haushalten leben.                            Schule.                                           Fall festgestellt, dass der Umgang nicht
               Selbst eine Ausgangs- oder Kontaktbe‐        Das OLG Nürnberg hat am 14. April             davon abhängig gemacht werden kann,
           schränkung stellt kein Hindernis dar, weil 2021 eine Entscheidung zur Frage ge‐                dass der umgangsberechtigte Elternteil ge‐
           der Kontakt zur Wahrnehmung des Sorge- troffen, ob Umgangskontakte davon abhän‐                gen Covid-19 geimpft ist. Das Gericht führt
           oder Umgangsrechts in der Regel weiterhin gig gemacht werden können, dass die um‐              aus, dass eine generelle Verpflichtung zur
           erlaubt ist. Verwiesen werden soll auf einen gangsberechtigte Person gegen das Corona-         Schutzimpfung gegen das Corona-Virus
           Beschluss des Amtsgerichts Marl vom 29. Virus geimpft ist oder sich vor einem Kon‐             nicht besteht und eine Impfpflicht im In‐
           Dezember 2020 bei dem es konkret darum takt einem Corona-Test mit negativem                    fektionsschutzgesetz nicht vorgesehen ist.
           ging, ob der umgangsberechtigte Kindesva‐ Ausgang unterzieht. Es kann unter Berück‐            Da die im Fall umgangsberechtigte Kindes‐
           ter auch ohne Einverständnis der Kindes‐ sichtigung der Umstände des Einzelfalls Si‐           mutter keinen Einfluss auf den Zeitpunkt
           mutter befugt war, Corona-Schutzmaßnah‐ tuationen geben, in denen aufgrund der                 einer Impfung hat, würde eine vorausge‐
           men (Test, Maskenpflicht, Abstandsgebot) Corona-Pandemie Umgangskontakte nicht                 setzte Impfung zwangsläufig zunächst zum
           bei seinen Kindern im Rahmen seiner Um‐ oder nicht in der ursprünglichen Form                  Umgangsausschluss führen. Ein solcher
           gangskontakte zu verlangen. Die Kindes‐ stattfinden können.                                    Ausschluss ist aber nur zulässig, wenn sonst
           mutter hatte wegen seines Verlangens die         Denkbar ist dies beispielsweise wenn          das Wohl des Kindes gefährdet würde.
Lass dich testen: Eindrucksvoller Appell von
Wohnungslosen.

                                                                                                                                                19

Corona und die Straße
Charité-Videos für Obdachlose
Berlin, U-Bahnhof Kottbusser Tor, schwere      eventueller Suchtprobleme verletzlicher.         werden genannt. In einem zweiten Video
Stahlkonstruktion, Verkehrsgeräusche,          Eine schlechte Gesundheitsversorgung gibt        geht es ausschließlich um das Wecken einer
ein entferntes Martinshorn und ein älte‐       es bei ihnen nicht erst seit Corona. Im Win‐     Testbereitschaft. Am Ende ist der Sprecher
rer, in Wintersachen gekleideter obdach‐       ter benutzen viele die Mehrbettzimmer und        im Rollstuhl mit Abstand umringt von me‐
loser Rollstuhlfahrer mit kurz geschore‐       Bäder von Notunterkünften. Dort sind die         dizinischem Personal: „Wir halten zusam‐
nem weißen Bart. Er beginnt vor der Kulis‐     Infektionsgefahr und die Verbreitung des         men! Wir halten Corona von der Straße!“
se hoher Wohnhäuser zu sprechen, mit           Virus am größten.                                   Beide Filme sind abrufbar in deutscher,
rauer, vertrauenerweckender Stimme. Er             In einigen Berliner Einrichtungen hat es     englischer, polnischer, rumänischer und
informiert über die Corona-Lage und was        bereits regelmäßige Schnelltests der Benut‐      russischer Sprache.
für Menschen auf der Straße zu tun ist.        zer gegeben. Jetzt soll das Aufklärungsvideo        Aber erreichen sie überhaupt ihre
                                               dazu animieren, solche Angebote zu nutzen        Adressaten, die ja nicht nur sozial, sondern
Ein Video, das von einem interdisziplinä‐      – „in den dir vertrauten Einrichtungen“.         auch in ihrem Zugang ins digitale Netz aus‐
ren Team der Charité Berlin zusammen               Das Video biedert nicht an, es wirkt sti‐    gegrenzt sind? Einige Obdachlose besitzen
mit dem Robert-Koch-Institut und Men‐          listisch nüchtern, ist nicht mit zu vielen In‐   zwar ein Smartphone und können das
schen mit gelebter Erfahrung produziert        formationen überfrachtet und hat zum             WLAN in Notunterkünften nutzen.
worden ist. Professionell, ohne Schwenks,      Ziel, dass Obdachlose sich und andere au‐           Wie langsam jedoch die Anordnungen
dafür viele Schnitte mit Zooms auf unter‐      ßer Gefahr bringen. Auch vor einer mögli‐        des ersten Lockdowns bei den Straßenbe‐
schiedliche obdachlose Menschen. Sie wer‐      chen Quarantäne muss niemand Angst ha‐           wohnern ankamen, wurde im März letzten
den über drei Minuten ins Bild gestellt,       ben. Alles funktioniert ohne Gesundheits‐        Jahres deutlich: Viele Betroffene konnten
ohne dass sie sich äußern. Sie sind die        karte – „auch, wenn du konsumierst“. Eine        sich die leer gefegten Straßen zunächst
stummen Unterstützer der Botschaft „Lass       Ansprache auf Augenhöhe für die, die es          nicht erklären. Die beiden Videos sollen
dich testen!“.                                 sonst gewohnt sind, übersehen zu werden.         dazu beitragen, dass sich eine solche verstö‐
   Die Pandemie trifft unterschiedliche            Nach 20 Sekunden folgt eine Animati‐         rende Situation nicht wiederholt.
Menschen unterschiedlich hart. Straßenbe‐      on, die den Ansteckungsvorgang und den
wohner sind der Kälte ausgesetzt und auf‐      Sinn von Abstand, Hygiene und Atemmas‐                                      Text: Willi Kaiser
grund von Vorerkrankungen, einseitiger         ke deutlich macht. Die Hauptsymptome                  Fotos: Institut für Tropenmedizin und
Ernährung, psychischen Belastungen und         und eventuelle schwere Krankheitsfolgen           Internationale Gesundheit, Charité Berlin
Strukturen, viel Gewohntes sind in Wand‐
                                                                                                          lung. Auch Kinder können dadurch unsi‐
                                                                                                          cher werden, leiden unter dem physischen
                                                                                                          Abstand zu anderen Kindern und vermissen
                                                                                                          Kita und Schule. Kleinkinder wachsen in‐
                                                                                                          zwischen einen großen Teil ihres Lebens un‐
                                                                                                          ter Pandemiebedingungen auf, für sie sind
                                                                                                          manche Maßnahmen schon ganz normal
                                                                                                          geworden. Das Gute ist: Kinder sind un‐
           Raus aus dem Trott: Toben tut Kindern gerade in der Pandemie gut.                              glaublich anpassungsfähig, manchmal sogar
                                                                                                          etwas schneller als Erwachsene. Sie lernen

           Sich selbst und seinen                                                                         schnell, sich an neue Umstände anzupassen
                                                                                                          und sind im Allgemeinen offen für Neue‐

           Kindern Gutes tun                                                                              rungen. Sie schauen sich vor allem viel von
                                                                                                          ihrer direkten Umgebung ab und ahmen die
                                                                                                          Eltern im Umgang mit Dingen nach.
           Familiengesundheit in der Pandemie
                                                                                                          Und wie geht es Jugendlichen?
           Die über ein Jahr andauernde Corona‐           schleunigung. Sie haben mehr Zeit für ihre          Die Jugendlichen haben in vielen Berei‐
           pandemie bedeutet gerade auch für Fa‐          Kinder oder für sich, für Sport und andere      chen ihres Lebens große Einschnitte erlebt:
           milien mit Kindern eine enorme zusätzli‐       Hobbys.                                         Homeschooling, weniger soziale Kontakte,
           che Belastung. Kinder werden durch man‐        Wieso wirkt die Pandemie so stark auf uns       Wegfall von Sport- und Kulturangeboten.
           gelnde körperliche Betätigung und die          ein?                                            Unsere Jugendlichen leisten gerade Groß‐
           stark eingeschränkten sozialen Kontakte        Im Frühling 2020 hoffte die Welt noch auf       artiges. Sie schränken sich genau dort ein,
           sowohl physisch als auch psychisch be‐         eine kurze Dauer der Krise. Jetzt wissen        wo es am schmerzhaftesten ist: in ihrer so‐
           sonders stark beeinträchtigt, was wieder‐      wir, dass die Pandemie uns alle längerfristig   zialen Welt. In diesem Alter sind die
           um die Eltern vor zusätzliche Probleme         begleitet hat und vielleicht auch noch be‐      Gleichaltrigen, die Peers, sehr wichtig. Da‐
           stellt. Die Psychologin Miriam Thye und        gleiten wird. Das ist eine kräftezehrende       her fühlen sich Jugendliche in der Pande‐
   20      Kinderärztin Dr. Hedwig Tasche vom Kin‐        Aufgabe. Langfristige Änderungen sind           mie häufiger einsam, achten weniger gut
  JUNI/    der- und Jugendgesundheitsdienst im            notwendig; wahrscheinlich wird das Leben        auf ihre Gesundheit und machen oft weni‐
JULI ´21
           Landkreis Osnabrück beantworten einige         auch nach der Pandemie nicht „einfach wie       ger Sport. Positiv ist, dass genau hier nun
           Fragen rund um das Thema Familienge‐           vorher“. Die Erfahrungen aus dieser Zeit        kräftig angesetzt wird und Konzepte entwi‐
           sundheit. Damit wollen sie Familien unse‐      begleiten die Menschen, und damit werden        ckelt werden, um die wichtigen Dinge im
           rer Region den Weg durch die Pandemie          sie das zukünftige Leben mitprägen. Hin‐        Leben von Jugendlichen neu zu ermögli‐
           etwas erleichtern.                             zukommt, dass auf einmal viele Ebenen des       chen. Viele Jugendzentren bieten Online-
                                                          Lebens gleichzeitig zu wackeln begonnen         Angebote an oder haben spezielle Angebo‐
           Wie geht es den Eltern in der Pandemie?        haben und neu aufgestellt werden müssen –       te, die im Rahmen der Präventionsmaß‐
              Viele Familien erleben mehr Stress als      und das bei allen Menschen zugleich. Ge‐        nahmen erlaubt sind.
           vor der Corona-Situation. Die psychische       nau hierin liegt jedoch auch eine besondere     Was können wir tun?
           Gesundheit von Eltern leidet. Das haben        Kraft: Viele Menschen sitzen in einem               Durch diese Krise trägt neben den gän‐
           wissenschaftliche Studien bewiesen und         Boot, teilen gerade Gefühle und Erfahrun‐       gigen Präventionsmaßnahmen eine psychi‐
           das erleben viele Familien ganz direkt. Es     gen und können sich vielleicht deswegen         sche Kraft: die Resilienz. Diese Kraft hilft,
           kann durch Veränderungen im Arbeitsle‐         gut unterstützen. Hieraus könnte sich eine      mit erlebtem Druck umzugehen, entstehen‐
           ben (Jobverlust, Homeoffice, Kurzarbeit)       neue Form des gegenseitigen Verständnis‐        de Spannungen abzubauen und insgesamt
           zu Unsicherheiten, Ängsten, Wut und Ver‐       ses füreinander und eine Geste des Mitein‐      kraftvoller, glücklicher und gesünder durch
           zweiflung führen. Der Alltag muss neu or‐      anders entwickeln.                              diese Zeit zu gehen. Hier ein paar Tipps, wie
           ganisiert werden, und gelegentlich fühlen      Wie geht es den Kindern dabei?                  die Resilienz gestärkt werden kann:
           sich Familien allein. Das geht gerade vielen       Für die Kinder ist eine Zeit der Verände‐       1. Bleiben Sie optimistisch! Das fällt ge‐
           so. Manche erleben aber auch eine Ent‐         rungen angebrochen. Viele Abläufe und           rade in dieser Zeit nicht leicht, aber auch in
                                                                                                          trostlosen Momenten gibt es immer etwas
                                                                                                          Gutes zu sehen. Was entsteht denn gerade
                                                                                                          auch an positiver Entwicklung in Ihrem Le‐
                                                                                                          ben? Wir müssen uns dem bewusst zuwen‐
                                                                                                          den und die guten Sachen unseres Lebens
                                                                      Resilienz für alle: Die Psycho‐     in den Fokus nehmen.
                                                                      login Miriam Thye (links) und           2. Akzeptieren Sie die Welt, wie sie gera‐
                                                                      Kinderärztin Dr. Hedwig Ta‐         de ist! Hierbei geht es nicht darum, unkri‐
                                                                     sche vom Kinder- und Jugend‐         tisch zu sein und alles hinzunehmen. Ver‐
                                                                    gesundheitsdienst im Landkreis        schwenden Sie Ihre Kräfte nicht durch Ab‐
                                                                  Osnabrück.                              lehnung, lassen Sie sich nicht aus der Ruhe
bringen und versuchen Sie in positiver
Handlung zu bleiben. Versuchen Sie nicht,
in eine Negativspirale der Gedanken zu ge‐
raten. Schreiben Sie positive Gedanken
oder Zitate auf und schauen Sie immer wie‐
der drauf. Mut entsteht auch dadurch, sich
immer wieder daran zu erinnern.
    3. Verbinden Sie sich mit anderen Men‐
schen! Auch im Rahmen der Vorgaben zur
Coronaprävention ist sozialer Kontakt
möglich. Werden Sie kreativ, schreiben Sie
Briefe, rufen Sie Freunde an und teilen Sie
sich mit. Nehmen Sie Vernetzungsangebote
und Beratung in Anspruch, wenn es nötig
ist. In dieser Zeit um Hilfe zu bitten, ist ab‐
solut kein Zeichen von Schwäche.
    4. Machen Sie sich einen Zukunftsplan!
Überlegen Sie, was Sie stärkt und was Sie
nach der Pandemie als erstes machen möch‐
ten. Bleiben Sie aber flexibel und geduldig,
wenn es nicht so schnell geht, wie wir uns es
alle sehr wünschen würden. Irgendwann
wird die Pandemie geschafft sein.
Was können wir für unsere Kinder tun?
    Wissenschaftliche Studien haben gezeigt,
dass es Kindern besser geht, sobald ihre El‐
tern gestärkt sind. Schauen Sie daher beherzt
in den Spiegel, achten Sie auf sich, tun Sie      21
sich etwas Gutes. Das entspannt und stärkt
Sie in dieser herausfordernden Zeit. Ihre Kin‐
der lernen am meisten direkt von Ihnen, wie
mit einer solchen Situation umzugehen ist.
Versuchen Sie, einen Umgang mit den nega‐
tiven Begleiterscheinungen der Pandemie zu
finden. Seien Sie gütig mit sich, wenn Sie ein‐
mal nicht 100-prozentig so handeln, wie Sie
es sich eigentlich wünschen würden. Wenn
Sie merken, dass der Druck zu groß wird
oder Sie einfach nicht mehr weiter wissen:
Dann suchen Sie sich Hilfe. Viele Familien
erleben gerade auch Wut, Aggression und
mehr Streit in ihrem Familiensystem. Die
Mitarbeiter:Innen des Elternsorgentelefons
(0800-1110550) stehen immer kostenlos und
auch anonym zur Unterstützung bereit.
Wenn Sie sich Sorgen um die Entwicklung
Ihrer Kinder machen, sprechen Sie Ihre:n
Kinderärztin oder Kinderarzt direkt und of‐
fen darauf an. Verfallen Sie nicht in Starre,
sondern bleiben Sie in Bewegung. Der Früh‐
ling ist da: Gehen Sie zusammen raus und er‐
leben Sie Ihre Umwelt neu. Bleiben Sie in
Kontakt mit sich und Ihren Mitmenschen.
Tauschen Sie sich aus und sprechen Sie offen
über Sorgen, Ängste und positive Entwick‐
lungen in Ihrem Leben. Gemeinsam kom‐
men wir durch diese schwere Zeit.
              Fotos: yanalya / de.freepik.com,
               Gorden Thye, Johannes Tasche
Entschlossen: Christian Lindner strebt Regierungsverantwortung an.

           Aufstiegschancen für alle
           Christian Lindner, Spitzenkandidat der FDP, im Interview
           Herr Lindner, Sie besitzen einen Porsche,       Viel wichtiger ist es mir, es den Menschen     entwickelten Gesellschaften entscheidet der
   22      eine Rennfahrerlizenz und einen Jagd‐           zu erleichtern, sich durch eigenen Einsatz,    Zufall der Geburt so sehr über Lebenschan‐
  JUNI/    schein, sind also ein gemachter Mann. Wir       Schritt für Schritt, aus einer Bedürftigkeit   cen. Das halte ich für einen Skandal! Wir
JULI ´21
           20 Straßenzeitungen glauben, dass Sie           herauszuarbeiten. Ganz konkret halte ich       brauchen mehr Frühförderung von Kin‐
           trotzdem etwas mit obdachlosen Men‐             die Hinzuverdienstgrenzen beim Arbeitslo‐      dern, hinsichtlich des Spracherwerbs schon
           schen gemein haben. Raten Sie mal, was!         sengeld II für skandalös ungerecht.            vor der Einschulung, und viel mehr indivi‐
               Das Wort „gemachter Mann“ finde ich         Das wird die Straßenzeitungsverkäufer          duelle Förderung an öffentlichen Schulen.
           rätselhaft, denn es klingt für mich nach        freuen, die Hartz IV beziehen. Wie stehen      Kein junger Mensch sollte die Schule ohne
           dem Zutun von anderen. Tatsächlich be‐          Sie zur Forderung, den Freibetrag beim         einen Abschluss verlassen.
           streite ich seit meinem 18. Geburtstag mei‐     Zuverdienst von jetzt 100 Euro auf 400         Die schwarz-gelbe Regierungskoalition in
           nen Lebensunterhalt selbst.                     Euro anzuheben?                                Nordrhein-Westfalen kürzte 2009 die
           Wir dachten an Folgendes: Viele woh‐                Genau das ist unsere Forderung. Jeder,     Landesgelder für Obdachlosenhilfe um
           nungslose Menschen beziehen staatliche          der einen Euro hinzuverdient, muss mehr        1,12 Millionen Euro. Sie sagten damals,
           Grundsicherung, Sie leben seit Ihrem 22.        als die Hälfte davon behalten können. Übri‐    die Kommunen seien alleine für die Ob‐
           Lebensjahr von staatlichen Diäten. Aller‐       gens muss auch die Höhe des Minijobs an‐       dachlosenhilfe zuständig. Sehen Sie das
           dings reichen die Ihnen nicht: Sie haben        gepasst werden. Denn wenn der Mindest‐         heute noch so?
           allein in dieser Legislaturperiode mehr als     lohn steigt, haben viele Betroffene dennoch        Der Ausflug in die Geschichte ist noch
           400.000 Euro dazuverdient. Wohlfahrts‐          nicht mehr Geld, wenn es bei 450 Euro          nicht vollständig. Denn zeitgleich hat die
           verbände finden den Hartz-IV-Regelsatz          bleibt.                                        von der FDP mitgetragene Bundesregierung
           auch zu niedrig und fordern eine Aufsto‐        Wie will die FDP die Kluft zwischen Arm        die Kommunen von den Kosten der Grund‐
           ckung auf 600 Euro. Gehen Sie da mit?           und Reich verringern? Laut dem Deut‐           sicherung im Alter entlastet. Das machte für
               Mir können Sie solche zugespitzten Fra‐     schen Institut für Wirtschaftsforschung        die Städte und Gemeinden seitdem Hunder‐
           gen gerne stellen. Aber auch eine Polizistin    kommen wir bei der Vermögensverteilung         te von Millionen Euro an Einsparungen aus,
           oder ein Krankenpfleger beziehen ihre Ge‐       immer mehr in die Nähe von US-Verhält‐         die zum Beispiel für soziale Vorhaben oder
           hälter aus öffentlichen Mitteln. Es führt       nissen.                                        Investitionen genutzt werden könnten.
           nicht weiter, wenn jede Tätigkeit, die sich         Wir müssen die Aufstiegschance für         Oberstes Ziel: So lange es geht, müssen
           aus Steuergeldern finanziert, mit Sozialleis‐   jede Frau und jeden Mann erhöhen. Wir          Menschen ihre Wohnung behalten können,
           tungen verglichen wird. In der Sache bin        brauchen einen treffsicheren Sozialstaat,      sei es mittels Grundsicherung, Schuldnerbe‐
           ich dafür, dass sich die Höhe der Grundsi‐      der für die Menschen ein Sprungbrett in die    ratung, gesundheitlicher Hilfestellung. Das
           cherung daran orientiert, welche Bedürf‐        Selbstbestimmung ist und nicht wirkt wie       muss nah am Menschen geschehen, also auf
           nisse bestehen und wie die Preise sich ent‐     ein Magnet, der Menschen eher festhält.        der kommunalen Ebene.
           wickeln. Das sollten Fachleute festlegen,       Die größte Form der Ungleichheit ist für       Immer mehr Menschen aus armen EU-
           das ist nichts für Wahlkampfversprechen.        mich die der Bildung. Nirgendwo sonst in       Ländern landen in prekären Arbeitsver‐
Sie können auch lesen