Die Osnabrücker Straßenzeitung - Wieder mehr erleben! Die Innenstadt füllt sich
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2,20 € Davon gehen 1,50 € an die Verkäuferin/ den Verkäufer Ausgabe Die Osnabrücker Straßenzeitung JUNI/JULI 2021 Gefördert durch die NDR-Benefizaktion Hand in Hand für Norddeutschland Wieder mehr erleben! Die Innenstadt füllt sich
Finanzspritze vom NDR Benefizaktion: Hand in Hand für Norddeutschland Liebe Leser:innen, fen. Die aktuelle Ausgabe wird sich dem‐ Franz Loth, Caritasdirektor im Diöze‐ beantragt und bewilligt: Die vorliegende entsprechend auch schwerpunktmäßig mit sancaritasverband Osnabrück, äußert sich abseits-Ausgabe wird komplett aus Spen‐ ihren Auswirkungen auf Menschen am beeindruckt: „Es zeigt, dass sich Menschen dengeldern der NDR-Benefizaktion „Hand Rande der Gesellschaft beschäftigen. nach wie vor in einem unbeschreiblichen in Hand für Norddeutschland“ finanziert. Darüber hinaus wurden Anträge der Ta‐ Maße für andere Menschen stark machen. Wir freuen uns sehr und sind äußerst dank‐ geswohnung für wohnungslose Menschen Es zeigt, dass Mitgefühl und Solidarität, bei bar dafür! Die lange Zeit der Corona-Pan‐ auf Kostenübernahme für FFP2-Masken, aller Schwere der Pandemielage für alle, demie hat auch bei abseits tiefe Spuren hin‐ Schlafsäcke und auf kostenfreie nicht aus den Herzen und Köpfen ver‐ terlassen. Zwei wochenlange Verkaufs‐ Ausgabe von Mahlzeiten an die schwunden sind." Auch Hans-Joa‐ stopps und wesentlich geringere Verkaufs‐ wohnungslosen Besucher:innen chim Lenke, Vorstandssprecher der zahlen haben deutliche Löcher in den ab‐ der Tageswohnung bewilligt. Diakonie in Niedersachsen, freut seits-Haushalt gerissen. Genauso litten und Auch die abseits-Verkäufer:in‐ sich über die neuen Möglichkeiten: leiden die abseits-Verkäufer:innen unter nen beteiligen wir selbstverständlich „Dank der Aktion können wir soziale den Auswirkungen der Pandemie: Zeiten an den Vorteilen der Förderung: Sie verdie‐ Projekte unterstützen, die gerade jetzt Zei‐ ohne abseits-Verkauf, leere Innenstadt, ab‐ nen bei dieser Ausgabe pro verkauftem Ex‐ chen der Zuversicht und Verbundenheit seits-Leser:innen, die ihre Wohnung nicht emplar 1,50 Euro – statt regulär 1,10 Euro. brauchen. Diese Solidarität ist ein ermuti‐ verlassen und ihre Ausgabe nicht kaufen Bei der NDR-Benefizaktion sind für die gendes Zeichen, sich gemeinsam gegen die können. Corona-Hilfe fast 6,5 Millionen Euro zu‐ Pandemie zu stemmen." Umso mehr freut es uns, dass wir die Fi‐ sammengekommen. Eine Rekordsumme Auch abseits bedankt sich herzlich beim nanzierungszusage bekommen haben, der Aktion, mit der der NDR seit zehn Jah‐ NDR für die großartige Unterstützung und ebenso wie mehr als 230 Projekte in Nie‐ ren wohltätige Zwecke im Norden unter‐ natürlich bei allen Spender:innen, die ihren dersachsen mit dem Ziel, die Folgen der stützt. Die Partner der aktuellen Aktion Teil an der Förderung beigetragen haben! Pandemie in Norddeutschland zu bekämp‐ sind Caritas und Diakonie. Thomas Kater 3 Aktuell Magazin Titelthema 4 Upcycling und Spenden Schülerinnen der IGS nähen 4 Verbesserte Substitution gefordert Gedenktag für Drogentote 5 Fortbildung fürs Ehrenamt Freiwilligenagentur bietet an 5 Wöchentlich in Washington Straßenzeitung wagt großen Schritt 24 Die Klimakrise als soziale Krise 8 Eindrücke und Ausdrücke 6 Keine Kostenfallen Greta Thunberg im Gespräch Wohnungslose Menschen und abseits- Der Mieterverein weiß Rat VerkäuferInnen 7 Osterschokolade in Tüten 13 Der präventive Piks Emily und Fabian packen ein Impftermin im Kloster Rubriken 5 Momentaufnahme 6 Rezeptidee 32 Impressum 32 Lesen 26 Mit dem Handy in die Sucht 34 Preisrätsel Online-Glücksspiel und die Folgen Titelfoto : Helga Duwendag-Strecker 29 Dinge und Herzpochen 14 Mit Schutzanzug und Angst „No & Ich“ neu entdeckt Auf einer Intensivstation abseits 30 Grünkohl, Spargel und das Benefiz 17 Ärzte für Unversicherte Die Osnabrücker Straßenzeitung überDacht in der Kreishauskantine Malteser Migranten Medizin Bramscher Straße 11 31 Volle Würde, halbes Haus 18 Urteile zu Umgangskontakten 49088 Osnabrück Preisgekröntes Wohnprojekt in Chile Andrea Schippers schaut drauf 0541 33035-16 19 Corona und die Straße redaktion@abseits-os.de Bundestagswahl 2021 Die Charité dreht Videos www.abseits-online.de 22 Aufstiegschancen für alle 20 Resilienz für Groß und Klein Christian Lindner im Interview Zwei Frauen wissen Rat
Uniformen umformen: Die Schülerinnen der IGS und ihre Lehrerin Barbara Voskors verwandeln ausrangierte Bekleidung vom Zoll. Vollstoff mit Zollstoff Uniform-Upcycling für die Wohnungslosenhilfe Unter dem Motto „Gib Vollstoff mit Zoll‐ den den Reinerlös von fast 450 Euro. Dieser nicht nur die Idee, sondern hat diese auch stoff “ gingen Osnabrücker Beschäftigte des wurde dann der Wohnungslosenhilfe der mit ihren Schülerinnen umgesetzt: „Toll, Zolls und Schülerinnen der Integrierten Sozialen Dienste zur Verfügung gestellt. was die Schülerinnen alles geleistet haben Gesamtschule (IGS) eine ungewöhnliche So entstand eine Upcycling-Kette mit und welche Ergebnisse zustande gekom‐ Kooperation zur Unterstützung der Woh‐ nur zufriedenen Teilnehmern. Thomas men sind!" Und letztendlich freute sich nungslosenhilfe ein. Müller, Leiter des örtlichen Hauptzollamts, Thomas Kater, Leiter der Tageswohnung Ausrangierte Uniformteile wurden im fasste es treffend zusammen: „Die Aktion für wohnungslose Menschen, nicht nur coronabedingten Homeschooling des hat einen Wert für Mensch und Umwelt. über die finanzielle Unterstützung: „Ich Wahl-Pflicht-Kurses Textil der IGS zu Abfallvermeidung, Ressourcenschonung, finde es gut, dass sich junge Menschen ge‐ 4 Schürzen, Mützen, Rucksäcken und Tablet- Nachhaltigkeit, Kreativität, starkes Design, rade auch in diesen Zeiten mit dem Thema JUNI/ Taschen umgearbeitet. Der anschließende soziales Engagement, Freude beim Mitma‐ Wohnungslosigkeit beschäftigen.“ JULI ´21 Verkauf von Kleidungsstücken und Acces‐ chen – all das steckt in dem Projekt.“ Bar‐ Text: Ulrich Sandhaus soires erbrachte zusammen mit Geldspen‐ bara Voskors, Lehrerin an der IGS, hatte Foto: Helga Duwendag-Strecker Bessere Substitution gefordert Jährliches Gedenken an Drogentote im Juli Am 21. Juli 1994 starb in Gladbeck Ingo hilfeeinrichtungen, verstärkte Einrichtung Marten. Seine Mutter richtete für ihn und von Drogenkonsumräumen sowie Drug andere Drogenopfer eine Gedenkstätte ein. Checking (Analyse von Schwarzmarktsub‐ Seit über 20 Jahren wird am 21. Juli der Ge‐ stanzen) in Verbindung mit Beratungsange‐ denktag für Drogentote begangen. boten. Da manche Drogenkonsumenten Im letzten Jahr fanden bundesweit über nicht krankenversichert sind, ist eine we‐ 70 Veranstaltungen statt. Auch international, sentliche Forderung der Behandlungszu‐ von Australien über die Niederlande bis gang auch ohne Versicherungsschutz. nach Kanada, wird dieses Datum zum An‐ Die Osnabrücker Veranstaltung findet lass genommen, mit Angehörigen, Freunden traditionell am Gedenkstein für die Dro‐ und unterstützenden Mitbürgern der ver‐ gentoten auf dem Gelände der Ameos-Kli‐ storbenen Drogenkonsumenten zu geden‐ nik neben der Gertrudenkirche statt. Ver‐ ken und für eine menschliche Drogenpolitik anstalter der Aktion ist das Osnabrücker zu werben. Drogenhilfenetzwerk bestehend aus Osna‐ Die diesjährigen Veranstaltungen wer‐ brücker Vertretern der Aids-Hilfe, AJSD, ben bundesweit für eine bessere und ver‐ Ameos- Klinikum (Abteilung Sucht), Cari‐ stärkte Drogensubstitution. Die Bundesar‐ tasverband, Diakonie, Elrond, Elternkreis beitsgemeinschaft der Eltern und Angehöri‐ Caritasverband, Eltern helfen Eltern, HIV- gen für akzeptierende Drogenarbeit, die Seelsorger Pastor Heyl und JES. Sie wird na‐ Deutsche Aidshilfe und die Deutsche Ge‐ türlich corona-konform im Freien mit ge‐ sellschaft für Suchtmedizin appellieren in ei‐ bührendem Abstand am 21. Juli um 17 Uhr Gedenkstein: Nahe der Gertrudenkirche ner gemeinsamen Erklärung für verbesserte begangen. wird alljährlich der Osnabrücker Drogento‐ Möglichkeiten einer niedrigschwelligen Text: Ulrich Sandhaus ten gedacht. Substitutionsbehandlung auch in Drogen‐ Foto: Helga Duwendag-Strecker
Großes Angebot: Fortbildungen der Frei‐ willigen-Agentur Im Netz. Fortbildung fürs Ehrenamt Workshops der Freiwilligen-Agentur Bis zum kommenden November bietet die Freiwilligen-Agentur der Stadt Osnabrück Sind dabei: Ron, Patricia, Melody und ein umfangreiches Fortbildungsprogramm Darlisha am Erscheinungstag der ersten an. Die Workshops sind grundsätzlich kos‐ wöchentlichen Ausgabe von Street Sense. tenlos und werden als Online-Veranstal‐ tungen vorbereitet. Die Kurse sollen Eh‐ renamtlichen Fähigkeiten vermitteln, die sie bei ihrer freiwilligen Tätigkeit und dar‐ „Besser für Verkäufer und Kunden“ über hinaus einsetzen können. Street Sense aus Washington erscheint jetzt wöchentlich Die Themengebiete sind entsprechend viel‐ Trotz der durch Corona verursachten Unsi‐ Verkäufer anziehen, den derzeitigen Ver‐ fältig: Neben der Digitalisierung widmen cherheiten und Beschränkungen ist Street käufern mehr Einkommenssicherheit und sich die Workshops unter anderem den Be‐ Sense gewachsen und wird jetzt Wochen‐ auch den Schreibern und anderen Mitar‐ reichen Kommunikation, Planung, Motiva‐ zeitung. Seit April erscheint die in der ame‐ beitern bessere Einkommensmöglichkei‐ tion und Integration. Auch rechtliche As‐ rikanischen Hauptstadt Washington ansäs‐ ten bieten. 5 pekte des Ehrenamts, die Frage, welcher sige Straßenzeitung alle sieben Tage. Ver‐ Eric Falquero, Herausgeber von Street Versicherungsschutz sinnvoll ist oder käufer und Mitarbeiter zeigen sich begeis‐ Sense, verweist auf Erhebungen, dass der Wege, ein Projekt zu finanzieren, werden tert über das Wachstum des Straßenmaga‐ Verkauf der Zeitung in der ersten Woche behandelt. Das umfangreiche Fortbil‐ zins. nach Erscheinen um dungsprogramm ist unter www.osna‐ Damit schließt sich das Blatt den welt‐ fast 75 Prozent hö‐ brueck.de/workshops-freiwilligenagentur weit fünf Straßenzeitungen an, die bisher her ist als in der Zeit abrufbar. Dort sind auch Anmeldungen wöchentlich erscheinen: Real Change in Se‐ danach. „Die Her‐ möglich. Alle Teilnehmerinnen und Teil‐ attle, Street Roots in Portland, StreetWise in ausgabe einer Wochenzeitung ist natürlich nehmer erhalten rechtzeitig vor der Veran‐ Chicago (alle USA) sowie Big Issue North eine Herausforderung. Aber durch Spen‐ staltung einen Link zur Teilnahme. und The Big Issue in Britannien. Der erhöh‐ den und Mehreinnahmen konnten wir Text: PM; Foto: Helga Duwendag-Strecker te Erscheinungsrhythmus soll zusätzliche auch eine weitere Vollzeitkraft einstellen.“ Falquero fährt fort: „Im vergangenen Jahr hat sich durch die Pandemie viel ver‐ Verschoben ändert. Die Umsätze sind gesunken, Stra‐ auf 2025 ßenverkäufer können ja nicht von zuhause aus arbeiten. Aber die Einwohner von Wa‐ Diesen August noch shington haben uns kräftig dabei unter‐ keine abseits-Jubiläumsfeier stützt, einen Hilfsfonds für die Verkäufer Im letzten Jahr beging abseits seinen 25. einzurichten. Viele haben die Zahlung per Geburtstag – allerdings ohne ihn mit dem Handy-App genutzt, um die Zeitung zu‐ sonst alle fünf Jahre üblichen Fest zu würdi‐ hause zu lesen oder um die Verkäufer zu gen. Das wurde Corona-bedingt auf den unterstützen.“ August 2021 verschoben. Jefferey McNeil, gleichzeitig Schreiber Der letztjährige Optimismus wurde und Verkäufer von Street Sense, beschreibt durch das Anhalten der Pandemie leider das Problem und äußert sich gleichzeitig nicht bestätigt, so dass wir diese Feier jetzt optimistisch: „In der ersten Woche läuft schweren Herzens komplett absagen müs‐ der Verkauf der Zeitung gut, aber dann hat sen. Aber das Jahr 2025 ist ja nicht mehr so sie fast jeder. Und so erreichen wir hoffent‐ weit hin. Auf dass wir dann das 30-jährige Den Sprung gewagt: Die Titelseite der ers‐ lich noch mehr Leute.“ Bestehen von abseits mit einem rauschen‐ ten Wochenausgabe von Street Sense aus Text: Ulrich Sandhaus den Fest begehen können. Washington D.C. Fotos: Doris Warrell
Susannes leckerer Küchentipp Fenchelpfanne Gebührende Beratung: Rechtsanwalt Ronald Martin vom Mieterverein hat immer ein paar gute Ideen. Unzulässige Pauschalen und Gebühren Der Expertentipp vom Mieterverein Osnabrück Nach dem sogenannten Bestellerprinzip bei gegeben“ und erst dann sei der erste Kon‐ der Wohnungsvermittlung muss grund‐ takt mit dem Mieter zustande gekommen. sätzlich der Auftraggeber den Makler be‐ Auch eine Formularklausel im Mietver‐ zahlen, also in der Regel der Vermieter. trag, nach der der neu einziehende Mieter Dieser Grundsatz kann von Maklern oder verpflichtet sein soll, eine Mieterwechsel‐ Vermietern auch nicht durch irgendwelche pauschale an die Hausverwaltung zu zah‐ 6 Pauschalen oder Gebühren umgangen wer‐ len, ist unwirksam. JUNI/ den. Das Amtsgericht Münster (55 C JULI ´21 Nach dem Wohnungsvermittlungsge‐ 1325/15) erklärte, durch die verlangte Pau‐ Zutaten setz dürfen Makler von Wohnungsinteres‐ schale würden die Kosten der Verwal‐ 400 g Rinderhackfleisch senten keine Gebühren oder Zahlungen für tungstätigkeit auf den Mieter abgewälzt 1 Esslöffel Öl die Besichtigung einer Wohnung verlan‐ werden. Die Hausverwaltung werde aber 2 Fenchelknollen gen, entschied das Landgericht Stuttgart letztlich von der Vermieterin beauftragt, 2 Zwiebeln (38 O 73/15 KfH). Ein Stuttgarter Makler Mietverträge abzuschließen und sich um 150 ml Brühe forderte von allen Wohnungsinteressenten Änderungen kümmern. Dafür erhalte die 1 Becher Crème fraîche für die Durchführung einer Wohnungsbe‐ Hausverwaltung eine Vergütung seitens Salz, Pfeffer und Paprika sichtigung zwischen 35 und 50 €. Das Ge‐ der Vermieterin. Verlangt die Verwaltung richt erklärte, es dürften keine Einschreib‐ jetzt noch eine Mieterwechselpauschale Zubereitung gebühren, Auslagen, Erstattungen oder von dem einziehenden Mieter, stelle sie die Fenchel putzen, waschen und in Strei‐ sonstige Nebenentgelte zusätzlich zur Pro‐ Kosten praktisch doppelt in Rechnung. fen schneiden, Zwiebeln pellen und vision gefordert werden. Die Provision klein schneiden. In einer Bratpfanne aber müsse der Vermieter zahlen, er habe das Rinderhackfleisch in Öl grob krü‐ dem Makler die Wohnung „an die Hand melig anbraten. Anschließend Zwie‐ beln und Fenchel dazugeben, kurz mit anschwitzen und mit Salz, Pfeffer und Junge Redakteure gesucht Paprika kräftig würzen. Mit Brühe ab‐ Das Projekt abseits Junior soll nach Beendi‐ löschen und das Ganze ungefähr 15 gung der Pandemiemaßnahmen in die Tat Minuten garen. Kurz vor dem Servie‐ umgesetzt werden: Jugendliche Redakteure ren Crème fraîche unterrühren. Dazu werden mittels journalistischer Work‐ schmeckt Reis oder nur Baguette. shops, Fotokursen und begleitenden Infor‐ Guten Appetit! mationen zum Thema Wohnungslosigkeit Text & Foto: Susanne Kampling eine Sonderausgabe der Osnabrücker Stra‐ ßenzeitung mit dem Schwerpunkt „Ju‐ gendliche schreiben für Jugendliche über soziale Themen“ erstellen. Informationen und Anmeldung unter 0541 33035-25. Was bewegen: Schreiben für die geplante Ju‐ Foto: de.freepik.com gend-abseits.
Kekse, Schokolade und Getränke: Fabian (links) und Emily übergeben ihre Spendentüten an Thorsten. Osterkekse in Tüten Emily und Fabian verteilen Selbstgebackenes Augenblick mal! Momentaufnahme „Wir wollten an die denken, die sonst ver‐ für wohnungslose Menschen im Bern‐ gessen werden“, erläutert Fabian. Er und hard-Schopmeyer-Haus, Bramscher Stra‐ eines abseits-Verkäufers Emily hatten zu Ostern kurzentschlossen ße 11. einige selbstgebackene Kekse, Laugenge‐ Dort angekommen übernahm TaWo- Kai Klocke, 32 Jahre alt, war bis vor kur‐ 7 bäck, Schokolade und Getränke in Tüten Mitarbeiter Thorsten Görlitz die Päckchen, zem für mehrere Jahre wohnungslos. gepackt, um diese an Wohnungslose in Os‐ um sie später an die Besucher zu verteilen. Er hat jetzt eine Wohnung gefunden nabrück zu verteilen. Corona-bedingt sah Emily, die sich inzwischen auch in der ab‐ und seit April verkauft er abseits vor man Obdachlose zu der Zeit noch seltener seits-Redaktion engagiert, erläutert ihre Be‐ der Aldi-Filiale an der Pagenstecher im öffentlichen Straßenbild. Zudem regne‐ weggründe: „Ich dachte, als ich meine Os‐ Straße. te es auch stark. tergeschenke kriegte, dass ich ja schon Nachdem die beiden nur einen Woh‐ ziemlich verwöhnt bin, und die bestimmt Ich verkaufe abseits, weil… ich anderen nungslosen angetroffen hatten, machten sich auch über etwas Schönes freuen wür‐ Menschen auf der Straße helfen will und sie sich kurzerhand auf zu der ihnen be‐ den. Fabian war sofort mit dabei.“ den Mitmenschen zeigen möchte, wie es kannten Anlaufstelle: die Tageswohnung Text: US; Foto: privat auf der Straße ist. Mein Lebensmotto: Überleben und über die Runden kommen! Meine Hobbys: Billard und Fußball. Was mich sauer macht: Wenn andere Menschen Mist bauen und dann Unschuldige mit einbeziehen. Mein Lieblingsgericht: Schaschlik-Spieße. Ich mag besonders an mir: Ich denke, ich bin ein guter Mensch. Meine größte Schwäche: Ich kann nicht „Nein“ sagen. Mein Lieblingskünstler: Jean-Claude van Damme. Wo ich immer schon mal hin will wollte: Frankreich. Freundschaft bedeutet für mich: Es ist ein Nehmen und ein Geben. Man steht zusammen, Schulter an Schulter, und vertraut sich.
Eindrücke und Ausdrücke Wohnungslose Menschen, abseits-Verkäuferinnen und -verkäufer über ihr ganz persönliches Corona-Erlebnis Alfredo 51 Jahre, wohnungslos. » Ich habe Angst vor Corona, lasse mich regelmäßig testen. Bin froh, dass ich mich noch nicht angesteckt habe. « Foto : Helga Duwendag-Strecker 8 JUNI/ JULI ´21 Anja 51 Jahre, abseits-Verkäuferin seit über acht Jahren, sie steht in der Krahnstraße vor Peek&Cloppenburg. » Die Corona-Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. « Foto : Helga Duwendag-Strecker
Anke und Kees 52 und 6 Jahre, ein halbes Jahr wohnungslos, seit Mai wieder in einer Foto : Helga Duwendag-Strecker Wohnung. Anke ist mit Unterbrechungen seit 23 Jahren abseits-Verkäuferin. » Ich hoffe, dass der Spuk irgendwann ein Ende hat! Ich halte mich an die Corona- Maßnahmen, aber ich werde durch das Tragen der Maske richtig kurzatmig und insgesamt, auch durch die wenigen Kontakte, immer melancholischer. « Krsysztof 44 Jahre, wohnungslos, verkauft abseits seit April am Neumarkt. » Für mich hat sich durch Corona nicht viel geändert. Ich habe keine Wohnung, esse mittags in der Tageswohnung und wasche meine Wäsche beim Kloster. Abends gehe ich spazieren, bis ich mich um 9 Uhr in einem Garten mit Isomatte und Schlafsack hinlege. « 9 Fotos: Lukas Gruenke Erwin 65 Jahre, bis 2013 umherreisend, seitdem mit fester Bleibe in Osnabrück, verkauft seitdem abseits auf der Großen Straße vor Tee Gschwendner. » Ich hatte die Chance mit einer gespendeten BahnCard 100 für drei Monate herumzureisen und wollte im Januar starten. Corona hat mich hier gehalten und nun hoffe ich, nach meiner zweiten Impfung, im Mai endlich starten zu dürfen. « Fotos: Lukas Gruenke
Dominique 75 Jahre, verkauft seit vier Jahren abseits, jetzt bei Edeka-Kuhlmann in Lechtingen. » Ich kenne viele Menschen und liebe es, in Gesellschaft zu sein. Das alles fehlt mir seit Corona sehr. Seitdem mein Hund mit über 16 Jahren im letzten Dezember gestorben ist, fühle ich mich manchmal Fotos: Lukas Gruenke einsam und beobachte Menschen von meinem Balkon und aus allen möglichen Fenstern meiner Wohnung. « Ben 44 Jahre, seit Beginn des Winters in einer Notunterkunft, vorher auf der Straße. »Es ist alles Mist! Ich kann die 10 Maßnahmen alle verstehen, JUNI/ aber es ist anstrengend. Ich laufe alle JULI ´21 Foto : Helga Duwendag-Strecker meine Strecken und bekomme kaum Luft unter meiner Maske. Auch finanziell läuft es nicht. Schnorren funktioniert gar nicht. »
Sigfried 58 Jahre, verkauft abseits seit 2013 auf der Großen Straße oder vor dem Wochenmarkt am Dom. » Es ist schon erschreckend, wie Foto : Helga Duwendag-Strecker leergefegt die Innenstadt ist. Auf der anderen Seite finde ich es auch schlimm, wie viele Leute nach über einem Jahr Corona immer noch ohne Maske oder mit falsch aufgesetzter Maske herumlaufen. « Frankie 54, seit insgesamt sechs Jahren mit Unterbrechungen und jetzt aktuell seit neun Monaten wohnungslos. 11 » Eigentlich betrifft mich Corona gar nicht so sehr. Aber der Lockdown gefällt mir ziemlich gut, weil man dann nachts weniger von Passanten, meist noch Fotos: Lukas Gruenke betrunkenen, angepöbelt wird. «
Mantas 31 Jahre, seit Januar wohnungslos. Fotos : Helga Duwendag-Strecker » Als Obdachloser werde ich in Corona- Zeiten als eine Bakterie gesehen. Außerdem hat sich meine finanzielle Situation deutlich verschlechtert. Ich bettele in der Stadt. Die ist leer und die Laune der Leute im Keller. « Kai 32 Jahre, über zwei Jahre auf der Straße. Seit zwei Monaten in einer eigenen Wohnung und seit Kurzem abseits- Verkäufer. » Ich habe keine Lust mehr auf Corona! 12 Alles ist eingeschränkt, ich darf mich JUNI/ nicht mehr mit Bekannten treffen. Der JULI ´21 Fotos : Helga Duwendag-Strecker abseits-Verkauf hat mir extrem weitergeholfen. Beim Schnorren habe ich in Corona-Zeiten kaum Geld gemacht. «
Anstehen, Anmelden, Anpiksen: Impfung gegen Covid-19 für wohnungslose Menschen. Großer Andrang, Chance genutzt Impftermin im Franziskanerkloster Schon von Weitem kann ich die lange Khadr Al Khadr hat gut vorgesorgt, so das ist auch gut so. Ich finde, jeder sollte Warteschlange vor der Wärmestube im muss kein Interessent ohne Schutzimpfung sich impfen lassen.“ ehemaligen Franziskanerkloster erken‐ wieder gehen. Dann läuft mir noch Heinz Hermann nen. An den Wartenden vorbei von der An die 100 Impfstoff-Dosen finden an Flint über den Weg. Der Leiter der Fachbe‐ Einfahrt bis hinunter zu einer kleinen Tür diesem Tag ihren Weg in einen Arm. Nach ratungsstelle für wohnungslose Menschen 13 spürt man die Aufregung und Nervosität, Aufnahme der persönlichen Daten und zieht ebenfalls eine positive Bilanz: „Die die in der Luft liegt. An diesem Mittag am einem aufklärenden Gespräch mit dem Impfaktion ist sehr gut angenommen wor‐ 14. Mai ist das Ziel für alle wartenden Arzt steht dem präventiven Piks nichts den. Ich freue mich über die gute Zusam‐ wohnungslosen Menschen dasselbe: eine mehr im Weg. menarbeit mit dem Impfzentrum und der Impfung gegen Covid-19. Bei den Fotos der Impfung treffe ich Stadt Osnabrück. Wir sind sehr zufrieden.“ Heiko Matthes, der mich angrinst: „Ich Beim Rausgehen grinse ich und murmle Im Vorfeld hatten sich bereits zahlreiche freue mich riesig über meine Impfung! 45 vor mich hin: „Herdenimmunität, wir Interessierte dafür angemeldet – gekom‐ Minuten habe ich mit meiner Freundin in kommen!“ men sind trotz des schlechten Wetters noch der Schlange gestanden und dann waren einmal deutlich mehr. Das Team um Dr. wir endlich dran. Der Andrang ist groß und Text und Fotos: Lukas Gruenke Avanus Mineralbrunnen GmbH Power Weg 45 49191 Belm www.avanus.de
14 JUNI/ JULI ´21 Lebensnotwendige Prozedur: Ein Atemschlauch wird positioniert, während sich sechs Krankenschwestern darauf vorbereiten, den Patienten in die Bauchlage zu bringen. Mit Schutzanzug und Angst Eine Krankenschwester über ihre Arbeit auf der Intensivstation Mit einer erschöpften Handbewegung Aber damit hat man umzugehen gelernt, helfen. Bei Covid-19 ist das nicht so. rührt Isabel in ihrem Kaffee. „Andere sit‐ und das war nie ein Problem für mich. Manchmal habe ich das Gefühl, dass der zen zuhause, wir sind mittendrin“, erklärt Menschliche Schicksalsschläge hautnah zu Krankheitsverlauf nicht absehbar ist und wir sie mit einem müden Lächeln. Isabel* ist erleben und damit klarzukommen, ist ein‐ machtlos sind. Der Kontrollverlust ist einer der Menschen, die jeden Tag mit fach Teil meines Be‐ furchterregend. Es dem Coronavirus zu tun haben. Sie arbei‐ rufs. Eigentlich ge‐ » Für den Patienten ist es die ist erschreckend zu tet in einem Krankenhaus als medizini‐ fällt mir mein Job. Hölle. Die Menschen haben das sehen, was das Virus sche Fachangestellte auf der Intensivstati‐ Man erlebt jeden Gefühl, zu ersticken. Die Atemnot mit dem Menschen on. Hier erzählt sie von ihren Erfahrun‐ Tag etwas Neues und die Angst müssen macht und wie es gen. und kann unglaub‐ schrecklich sein. « unsere Klinik im lich viel lernen. Griff hat. Mich be‐ Auf der Station, auf der ich arbeite, haben Durch Corona ist mein Arbeitstag aller‐ gleitet immer öfter ein Gefühl: Das ist die wir es naturgemäß mit schweren Erkran‐ dings noch einmal um einiges belastender Angst. Und trotzdem müssen wir funktio‐ kungen zu tun. Schlaganfälle, Krebs, geworden – und nicht nur wegen der Hygi‐ nieren – jeden Tag. schwere Unfälle und vieles mehr sind an enevorschriften. Seit über einem Jahr behandeln wir auf der Tagesordnung. Auch in Corona-Zeiten. Der Unterschied ist: Sonst haben wir die unserer Station mindestens zwei bis drei Situation unter Kontrolle. Wir sind vorbe‐ schwere Coronafälle. Je nach Infektionsver‐ *Name von der Redaktion geändert reitet und können den Menschen wirklich lauf steigen auch bei uns die Zahlen und
damit die Belastungen. Zum Glück bin ich richtige Entlastung, sieht es schlimm aus. beatmen mussten. Diese Unvorhersehbar‐ seit einiger Zeit geimpft. Die Ansteckungs‐ Ich habe gesehen, wie viel dort schiefgehen keit macht Corona zu so einem Problem. gefahr war sehr groß und hat mich extrem kann. Oft schwillt das Gesicht so an, dass Ich kann es nicht verstehen, wenn manche beunruhigt. Wenn die mit dem Coronavi‐ man die Person gar nicht mehr erkannt hat. immer noch so tun, als wenn es nicht rus infizierten Patienten im Krankenhaus Dann beginnt das wochenlange Ringen schlimmer wäre als eine Grippe. eintreffen, sind sie schon in einem kriti‐ ums Überleben. Bei Coronapatienten ist Was alles noch schlimmer macht, ist, schen Zustand. Sie haben Atemnot und die Beatmungszeit besonders lang. dass es für Patienten auf der Intensivstati‐ starke Symptome, aber es ist noch nichts Angst einflößend ist die Ohnmacht aller on, ob Corona-Erkrankter oder nicht, ein Lebensbedrohliches. Und bei vielen bleibt Beteiligten. Ob der Mensch überlebt oder Besuchsverbot gibt. Man muss sich klar es dabei. Bei anderen setzt eine rapide Ver‐ nicht, ist unabsehbar. Wir wissen dann nur machen, dass gerade Intensivstationen Orte schlechterung ein. Dieser Zusammenbruch eins: Für ihn oder sie wird es nie wieder so sind, wo die Menschen ihre Angehörigen der Lungenfunktion kommt schlagartig sein wie vorher. Selbst wenn man einen brauchen. Die Menschen heilen nicht mehr und überraschend. schweren Verlauf und eine künstliche Beat‐ richtig, weil sie emotional isoliert sind. Das In einem Moment kann man noch nor‐ mungssituation überlebt, braucht man Mo‐ sehe ich jeden Tag. Es ist dann unsere Auf‐ mal mit dem Patienten reden, in der nächs‐ nate, um wieder auf die Beine zu kommen. gabe, wenn es denn möglich ist, eine Hand ten Stunde ringt er verzweifelt nach Atem Es kam ein junger Mann zu uns, der war zu halten und sich auch emotional um die und der Kampf ums Überleben beginnt. Mitte vierzig und Marathonläufer. Zuletzt Patienten zu kümmern. Auf der anderen Setzt die rapide Verschlechterung des Zu‐ fiel es ihm immer noch schwer, überhaupt Seite ist es auch meine Aufgabe, die Ange‐ standes ein, sind die behandelnden Ärzte Treppen zu steigen. hörigen über den Zustand des Kranken zu und wir unter größter Anspannung. Für Und ich möchte etwas betonen: Meine informieren, Kontakt zu halten. Das führt den Patienten ist es die Hölle. Diese Phase Erfahrung hat mir gezeigt, dass es alle dazu, dass man ganz anders dabei ist. Ich mit anzusehen, ist treffen kann. Ab 30 spüre die Verzweiflung der Angehörigen heftig. Die Men‐ » In einem Moment kann man aufwärts hatten wir und sehe die Konsequenzen der Isolation. schen haben das noch normal mit dem Patienten es schon mit schwe‐ Das macht mir Angst. Gefühl, zu ersti‐ reden, in der nächsten Stunde ren Verläufen zu Seit Neuestem gibt es eine Regelung. Die cken. Die Atemnot ringt er verzweifelt nach Atem tun. Statistisch ge‐ Patienten dürfen dann Besuch empfangen, und die Angst müs‐ und der Kampf ums Überleben sehen sind das we‐ wenn sie im Begriff sind zu sterben. Nur sen schrecklich nige, aber wir sehen dann! Um Abschied zu nehmen. Man muss 15 beginnt. « sein. Die Entschei‐ diese Fälle. Men‐ sich das mal vorstellen: Den Sohn oder die dung, ob eine Beatmungsmaschine einge‐ schen, die komplett fit waren und wo alle Mutter wochenlang nicht sehen zu dürfen, setzt wird oder nicht, muss rechtzeitig ge‐ dachten, dass nichts Gravierendes passie‐ aber ständig per Telefon über die Ver‐ troffen werden. Eine Unterversorgung mit ren würde, wurden von Corona komplett schlechterung des Zustands informiert zu Sauerstoff wäre in solch einem Zustand fa‐ aus dem Leben gerissen. Wir behandelten werden, um dann in vollem Schutzanzug tal. Auf der anderen Seite will man auch Sportler und Nichtraucher, die ohne Vorer‐ den sterbenden Körper des geliebten Men‐ nicht voreilig die begrenzten Intensivbetten krankungen zu uns kamen, und die wir schen noch einmal kurz zu sehen. Das ist vergeben. Und eine künstliche Beatmung bedeutet ein wo‐ chenlanges Koma sowie eine medizinische und psychologi‐ sche Extremsituation. Das muss gut überlegt sein. Ent‐ scheidet sich der behandelnde Arzt dann für die Beatmung, wird der Patient sediert, der Schlauch in den Atemweg ein‐ geführt, und die Maschine wird an den Menschen ange‐ schlossen. Das ist mittlerweile ein routinierter Prozess, aber die Schutzanzüge und die An‐ spannung erschweren natür‐ lich unsere Arbeit. Um die Lunge zu entlasten, legt man den Patienten auf den Bauch. Die Lagerung ist dabei eine Kunst für sich. Es entsteht Druck auf dem Ge‐ sicht und den Gliedmaßen. Achtet man nicht auf eine Wochenlang in Bauchlage: So wird die Lunge des beatmeten Patienten entlastet.
Positionsänderung: Medizinisches Per‐ sonal in Schutzan‐ zügen lagert einen Patienten um, der lange auf dem Bauch gelegen hat, damit keine offenen Stellen entstehen. kein Abschiednehmen. Das ist traumatisie‐ wir zu verlegen, und wir sind permanent ren Einsatz. Ich bekomme einfacher Kredi‐ rend. Ich werde nie eine Mutter vergessen, mit anderen Krankenhäusern in Kontakt. te, weil mein Job ja sicher ist. Der Gastro‐ die ihren Sohn verlor. Sie hat mich mit so Ob wir so allen gerecht werden, weiß ich nom von nebenan leidet anders unter der tiefer Trauer in den Augen angeschaut und nicht. Wir spielen Tetris mit Menschen. Krise. Natürlich ist es schön, Geld zu be‐ gefragt, wie ich mich fühlen würde, wenn Und wenn mal ein Block nicht passt, droht kommen, aber ich weiß auch, wie dringend das mein Kind wäre. Ich war sprachlos. So der Patient zu sterben. andere gerade Unterstützung brauchen. etwas brennt sich ein. Das alles, die Isolation und die Hygiene‐ Wenn man mich fragt, was man anders Zu diesem menschlichen Leid, das wir vorschriften, die drohende Überbelastung machen sollte: Es geht viel um Anerken‐ jeden Tag sehen und das anders grausam ist und das menschliche Leid, machen meinen nung. Gerade die Pflegekräfte sind völlig als die herkömmlichen Fälle, kommt die Arbeitsalltag extrem belastend. Und man kaputtgearbeitet. Ihnen sollte man mehr ständige Gefahr der Überbelastung und der merkt es auch an den Kollegen. Alle sind Geld und Respekt entgegenbringen. Und Triage. Also der schlecht drauf. Das ich würde mir mehr Sensibilität in Hinsicht 16 Fall, dass wir zu we‐ » Wir arbeiten seit Monaten am Klima ist ange‐ auf die Patientenbesuche wünschen. Natür‐ JUNI/ nige Intensivbetten Limit und sind müde. Gerade die spannt. Wir arbei‐ lich muss man vorsichtig sein, aber wir JULI ´21 haben und deshalb Pflegekräfte sind völlig kaputt ten seit Monaten dürfen bei aller Vorsicht nicht die mensch‐ entscheiden müs‐ gearbeitet. « am Limit und sind liche Seite vergessen. Ich glaube, dass dort sen, wer behandelt müde. Wir geben mit Testen und Hygienemaßnahmen mehr wird und wer nicht. Um das zu vermeiden, unser Bestes, und ehrlich gesagt ist es para‐ möglich wäre. Wobei es unglaublich sind wir ständig gezwungen, umzuorgani‐ dox. Alle gucken nur zu und wir sind mit‐ schwierig ist. Wir wollen keinen gefährden. sieren. Selbst wenn wir noch freie Betten tendrin, deshalb ist mein Job aber auch si‐ Text: Salomon Gabel haben, müssen wir immer auf den cher. Wir haben die finanzielle Absiche‐ Fotos: Fabrizio Bensch, Reuters; schlimmsten Fall vorbereitet sein. Die Ope‐ rung, die andere nicht haben. Letztens ha‐ Carlos Osorio, Reuters rationen, die verschiebbar sind, versuchen ben wir eine Prämie bekommen für unse‐
Gut, dass es sie gibt: Dr. Horst Butke und Dr. Sigrid Pees-Ulsmann helfen ehrenamt‐ lich Menschen ohne Krankenversicherung. grieren und Notleidende an soziale Ein‐ richtungen zu vermitteln. „Es ist schön, wenn man es schafft, jemandem wieder auf die Beine zu helfen“, freut sich Horst Butke. Doch das Kerngeschäft bleibt die ärztliche Versorgung. Darin sind die beiden pensio‐ nierten Allgemeinmediziner Profis. Und sollte ein Fall ihr Fachgebiet spren‐ gen, gibt es andere Möglichkeiten. Sie grei‐ fen auf ein Netzwerk von über zwanzig Kollegen zurück. Vom Kardiologen bis Hilfe für die Vergessenen zum Proktologen sind Osnabrücker Spezi‐ alisten dabei und helfen aus, wann immer Osnabrücker Ärzte versorgen Menschen ohne Krankenversicherung es geht. „Man kennt sich“, sagt Sigrid Pees- Ulsmann mit einem Lächeln auf dem Ge‐ „Es ist eine Menschenpflicht, zu helfen.“ rung. Hinzukommen aber auch kleine sicht. Oft können die Freunde unentgelt‐ So treffend einfach begründet Dr. Sigrid Selbstständige oder Studenten. lich helfen. Pees-Ulsmann ihr Engagement bei der „Es ist wichtig, dass die Betroffenen wis‐ In vielen Fällen fallen aber auch Kosten MMM. Die drei Buchstaben stehen für sen, dass es uns gibt“, betont Horst Butke. an, wenn zum Beispiel eine Schwangere ei‐ 17 „Malteser Medizin für Menschen ohne Oft sind die Menschen in einem sehr nen Krankenhausaufenthalt benötigt oder Krankenversicherung“. schlechten Zustand, aber in solch schwieri‐ ein Tumorleiden behandelt werden muss. ger Situation, dass sie sich scheuen, zum Die Organisation ist deshalb auf Spenden Sie, ihr Kollege Dr. Horst Butke und ein Arzt zu gehen. „Sie haben Angst vor den angewiesen und bittet um Unterstützung Team von drei Arzthelferinnen sowie vier Kosten und wissen nicht, ob sie uns ver‐ auf unten stehendes Konto. weiteren pensionierten Ärzten behandeln trauen können.“ Das Team nimmt zwar die Empfänger: Malteser Osnabrück jeden Dienstag in der Johannisstraße 91 Namen auf, „aber eigentlich sind die egal“, IBAN: DE81 4006 0265 0033 2507 21 Menschen ohne Versicherungsschutz. erklärt Sigrid Pees-Ulsmann. Es geht dar‐ Text: Simon Geest Überwiegend versorgt das Team Menschen um, den Menschen unverbindlich zu helfen Fotos: Helga Duwendag-Strecker; mit Migrationshintergrund, die ohne Auf‐ und eine medizinische Grundversorgung Malteser Migranten Medizin enthaltserlaubnis in Deutschland leben, zu ermöglichen. Darüber hinaus will das oder EU-Bürger ohne Krankenversiche‐ Team auch einen empathischen Zugang schaffen und nicht Freiwillige vor! nur das Nötigste Ehrenamtliches Engagement tun. Es sei eine sozi‐ al-medizinische Be‐ Von Sportverein über Feuerwehr bis zu treuung, erklärt die sozialen Projekten: Tausende Bürgerin‐ Medizinerin. Es nen und Bürger in Stadt und Landkreis geht um ein Stück Osnabrück sind in den verschiedens‐ Geborgenheit, Ver‐ ten Bereichen ehrenamtlich tätig. In je‐ trauen und einen der Ausgabe von abseits stellen wir „mitmenschlichen eine Person oder Gruppe aus ihrem Kontakt“. speziellen Einsatzgebiet vor. So erzählen die Wenn Sie ein passendes Feld suchen, beiden mir stolz um sich ehrenamtlich zu betätigen, von Fällen, bei de‐ wenden sie sich an: nen sie es geschafft Freiwilligen-Agentur haben, Versiche‐ Bierstraße 32a, 49074 Osnabrück rungslose wieder in 0541 3233105 eine Krankenversi‐ Medizinische Grundversorgung: Malteser helfen unbürokratisch. cherung zu inte‐
Gerichtsentscheidungen bringen Klarheit Umgangskontakte in Zeiten von Corona Das Umgangsrecht zwischen dem nicht Einschränkung des Umgangsrechts des betreuenden Elternteil und seinen Kin‐ Kindesvaters gerichtlich geltend gemacht. dern kann nur eingeschränkt oder sogar Im Ergebnis hat der zuständige Richter ausgeschlossen werden, wenn dies nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz entschieden, dass der Kindesvater berech‐ tigt war, auch ohne Einverständnis der Kin‐ Rechtsanwältin des Kindes erfordert, um eine Gefähr‐ desmutter die Corona-Schutzmaßnahmen Andrea Schippers dung seiner seelischen oder körperlichen im Rahmen seiner Umgangskontakte zu Entwicklung abzuwehren. Auch vor dem verlangen, da es sich um Angelegenheiten Große Straße 55 Familienrecht bleibt die Corona-Pande‐ des täglichen Lebens handelt. Das Amtsge‐ 49074 Osnabrück mie nicht stehen. richt stellte fest, dass der Test ein minimaler Eingriff und das Abstandsgebot und die 0541 3504066 In Umgangsrechtsverfahren prallen aktuell Maskenpflicht Auflagen sind, die in Coro‐ info@ra-schippers.de oft unterschiedliche Auffassungen der El‐ na-Zeiten zum Alltagsleben der meisten www.ra-schippers.de tern über den täglichen Umgang mit den Menschen gehören. Infektionsrisiken aufeinander. Die Recht‐ Ich verweise auch auf die Entscheidung sprechung hat bereits zu Beginn der Pande‐ des Amtsgerichts Weimar vom 8. April mie schnell deutlich gemacht, dass die Co‐ 2021. Das Gericht hat die Pflicht zum Mas‐ rona-Krise nicht als „Trumpfkarte“ für Um‐ ken-Tragen, zum Einhalten von Mindestab‐ 18 gangsverweigerer genutzt werden darf. ständen und zu Schnelltests an Schulen als das Kind oder der umgangsberechtigte El‐ JUNI/ Der verfassungsrechtlich geschützte Gefahr für das geistige, körperliche oder ternteil unter häuslicher Quarantäne stehen JULI ´21 persönliche Umgang des nicht betreuenden seelische Wohl eines Kindes eingestuft. oder der Umgang besondere über das allge‐ Elternteils mit seinem Kind ist also grund‐ Das in zweiter Instanz zuständige Ver‐ meine Lebensrisiko hinausgehende Gefah‐ sätzlich aus Gründen des Kindeswohls und waltungsgericht Weimar hat mit Datum ren verursacht. Das Gericht hat in seinen zur Aufrechterhaltung der Bindungen wei‐ vom 20.04.2021 die Entscheidung als „aus‐ Entscheidungsgründen im vorliegenden ter durchzuführen, brechenden Rechts‐ konkreten Fall festgestellt, dass eine Tes‐ aber gegebenenfalls » Die Empfehlung, soziale akt und offensicht‐ tung von dem umgangsberechtigten El‐ der besonderen ge‐ Kontakte möglichst zu lich rechtswidrig“ ternteil nur dann gefordert werden kann, genwärtigen Situati‐ vermeiden, bezieht sich nicht auf bezeichnet. Thema‐ wenn hierfür die Voraussetzungen nach on anzupassen. Die die Kernfamilie, auch wenn die tisch ging es um ei‐ den von den Gesundheitsämtern vorgege‐ Empfehlung, soziale Eltern nach einer Trennung in nen Antrag auf benen Richtlinien gegeben sind, etwa das Kontakte möglichst zwei unterschiedlichen Aufhebung von An‐ Vorliegen für Covid-19 typischer Sympto‐ zu vermeiden, be‐ Haushalten leben. « ordnungen zum me oder der Kontakt mit erkrankten Perso‐ zieht sich nicht auf Hygieneschutz für nen. Eine Verpflichtung zur Testung auf die Kernfamilie, auch wenn die Eltern nach zwei minderjährige schulpflichtige Kinder „Vorrat“ gibt es nicht. einer Trennung in zwei unterschiedlichen während des Präsenzunterrichts an ihrer Das Gericht hat ferner im konkreten Haushalten leben. Schule. Fall festgestellt, dass der Umgang nicht Selbst eine Ausgangs- oder Kontaktbe‐ Das OLG Nürnberg hat am 14. April davon abhängig gemacht werden kann, schränkung stellt kein Hindernis dar, weil 2021 eine Entscheidung zur Frage ge‐ dass der umgangsberechtigte Elternteil ge‐ der Kontakt zur Wahrnehmung des Sorge- troffen, ob Umgangskontakte davon abhän‐ gen Covid-19 geimpft ist. Das Gericht führt oder Umgangsrechts in der Regel weiterhin gig gemacht werden können, dass die um‐ aus, dass eine generelle Verpflichtung zur erlaubt ist. Verwiesen werden soll auf einen gangsberechtigte Person gegen das Corona- Schutzimpfung gegen das Corona-Virus Beschluss des Amtsgerichts Marl vom 29. Virus geimpft ist oder sich vor einem Kon‐ nicht besteht und eine Impfpflicht im In‐ Dezember 2020 bei dem es konkret darum takt einem Corona-Test mit negativem fektionsschutzgesetz nicht vorgesehen ist. ging, ob der umgangsberechtigte Kindesva‐ Ausgang unterzieht. Es kann unter Berück‐ Da die im Fall umgangsberechtigte Kindes‐ ter auch ohne Einverständnis der Kindes‐ sichtigung der Umstände des Einzelfalls Si‐ mutter keinen Einfluss auf den Zeitpunkt mutter befugt war, Corona-Schutzmaßnah‐ tuationen geben, in denen aufgrund der einer Impfung hat, würde eine vorausge‐ men (Test, Maskenpflicht, Abstandsgebot) Corona-Pandemie Umgangskontakte nicht setzte Impfung zwangsläufig zunächst zum bei seinen Kindern im Rahmen seiner Um‐ oder nicht in der ursprünglichen Form Umgangsausschluss führen. Ein solcher gangskontakte zu verlangen. Die Kindes‐ stattfinden können. Ausschluss ist aber nur zulässig, wenn sonst mutter hatte wegen seines Verlangens die Denkbar ist dies beispielsweise wenn das Wohl des Kindes gefährdet würde.
Lass dich testen: Eindrucksvoller Appell von Wohnungslosen. 19 Corona und die Straße Charité-Videos für Obdachlose Berlin, U-Bahnhof Kottbusser Tor, schwere eventueller Suchtprobleme verletzlicher. werden genannt. In einem zweiten Video Stahlkonstruktion, Verkehrsgeräusche, Eine schlechte Gesundheitsversorgung gibt geht es ausschließlich um das Wecken einer ein entferntes Martinshorn und ein älte‐ es bei ihnen nicht erst seit Corona. Im Win‐ Testbereitschaft. Am Ende ist der Sprecher rer, in Wintersachen gekleideter obdach‐ ter benutzen viele die Mehrbettzimmer und im Rollstuhl mit Abstand umringt von me‐ loser Rollstuhlfahrer mit kurz geschore‐ Bäder von Notunterkünften. Dort sind die dizinischem Personal: „Wir halten zusam‐ nem weißen Bart. Er beginnt vor der Kulis‐ Infektionsgefahr und die Verbreitung des men! Wir halten Corona von der Straße!“ se hoher Wohnhäuser zu sprechen, mit Virus am größten. Beide Filme sind abrufbar in deutscher, rauer, vertrauenerweckender Stimme. Er In einigen Berliner Einrichtungen hat es englischer, polnischer, rumänischer und informiert über die Corona-Lage und was bereits regelmäßige Schnelltests der Benut‐ russischer Sprache. für Menschen auf der Straße zu tun ist. zer gegeben. Jetzt soll das Aufklärungsvideo Aber erreichen sie überhaupt ihre dazu animieren, solche Angebote zu nutzen Adressaten, die ja nicht nur sozial, sondern Ein Video, das von einem interdisziplinä‐ – „in den dir vertrauten Einrichtungen“. auch in ihrem Zugang ins digitale Netz aus‐ ren Team der Charité Berlin zusammen Das Video biedert nicht an, es wirkt sti‐ gegrenzt sind? Einige Obdachlose besitzen mit dem Robert-Koch-Institut und Men‐ listisch nüchtern, ist nicht mit zu vielen In‐ zwar ein Smartphone und können das schen mit gelebter Erfahrung produziert formationen überfrachtet und hat zum WLAN in Notunterkünften nutzen. worden ist. Professionell, ohne Schwenks, Ziel, dass Obdachlose sich und andere au‐ Wie langsam jedoch die Anordnungen dafür viele Schnitte mit Zooms auf unter‐ ßer Gefahr bringen. Auch vor einer mögli‐ des ersten Lockdowns bei den Straßenbe‐ schiedliche obdachlose Menschen. Sie wer‐ chen Quarantäne muss niemand Angst ha‐ wohnern ankamen, wurde im März letzten den über drei Minuten ins Bild gestellt, ben. Alles funktioniert ohne Gesundheits‐ Jahres deutlich: Viele Betroffene konnten ohne dass sie sich äußern. Sie sind die karte – „auch, wenn du konsumierst“. Eine sich die leer gefegten Straßen zunächst stummen Unterstützer der Botschaft „Lass Ansprache auf Augenhöhe für die, die es nicht erklären. Die beiden Videos sollen dich testen!“. sonst gewohnt sind, übersehen zu werden. dazu beitragen, dass sich eine solche verstö‐ Die Pandemie trifft unterschiedliche Nach 20 Sekunden folgt eine Animati‐ rende Situation nicht wiederholt. Menschen unterschiedlich hart. Straßenbe‐ on, die den Ansteckungsvorgang und den wohner sind der Kälte ausgesetzt und auf‐ Sinn von Abstand, Hygiene und Atemmas‐ Text: Willi Kaiser grund von Vorerkrankungen, einseitiger ke deutlich macht. Die Hauptsymptome Fotos: Institut für Tropenmedizin und Ernährung, psychischen Belastungen und und eventuelle schwere Krankheitsfolgen Internationale Gesundheit, Charité Berlin
Strukturen, viel Gewohntes sind in Wand‐ lung. Auch Kinder können dadurch unsi‐ cher werden, leiden unter dem physischen Abstand zu anderen Kindern und vermissen Kita und Schule. Kleinkinder wachsen in‐ zwischen einen großen Teil ihres Lebens un‐ ter Pandemiebedingungen auf, für sie sind manche Maßnahmen schon ganz normal geworden. Das Gute ist: Kinder sind un‐ Raus aus dem Trott: Toben tut Kindern gerade in der Pandemie gut. glaublich anpassungsfähig, manchmal sogar etwas schneller als Erwachsene. Sie lernen Sich selbst und seinen schnell, sich an neue Umstände anzupassen und sind im Allgemeinen offen für Neue‐ Kindern Gutes tun rungen. Sie schauen sich vor allem viel von ihrer direkten Umgebung ab und ahmen die Eltern im Umgang mit Dingen nach. Familiengesundheit in der Pandemie Und wie geht es Jugendlichen? Die über ein Jahr andauernde Corona‐ schleunigung. Sie haben mehr Zeit für ihre Die Jugendlichen haben in vielen Berei‐ pandemie bedeutet gerade auch für Fa‐ Kinder oder für sich, für Sport und andere chen ihres Lebens große Einschnitte erlebt: milien mit Kindern eine enorme zusätzli‐ Hobbys. Homeschooling, weniger soziale Kontakte, che Belastung. Kinder werden durch man‐ Wieso wirkt die Pandemie so stark auf uns Wegfall von Sport- und Kulturangeboten. gelnde körperliche Betätigung und die ein? Unsere Jugendlichen leisten gerade Groß‐ stark eingeschränkten sozialen Kontakte Im Frühling 2020 hoffte die Welt noch auf artiges. Sie schränken sich genau dort ein, sowohl physisch als auch psychisch be‐ eine kurze Dauer der Krise. Jetzt wissen wo es am schmerzhaftesten ist: in ihrer so‐ sonders stark beeinträchtigt, was wieder‐ wir, dass die Pandemie uns alle längerfristig zialen Welt. In diesem Alter sind die um die Eltern vor zusätzliche Probleme begleitet hat und vielleicht auch noch be‐ Gleichaltrigen, die Peers, sehr wichtig. Da‐ stellt. Die Psychologin Miriam Thye und gleiten wird. Das ist eine kräftezehrende her fühlen sich Jugendliche in der Pande‐ 20 Kinderärztin Dr. Hedwig Tasche vom Kin‐ Aufgabe. Langfristige Änderungen sind mie häufiger einsam, achten weniger gut JUNI/ der- und Jugendgesundheitsdienst im notwendig; wahrscheinlich wird das Leben auf ihre Gesundheit und machen oft weni‐ JULI ´21 Landkreis Osnabrück beantworten einige auch nach der Pandemie nicht „einfach wie ger Sport. Positiv ist, dass genau hier nun Fragen rund um das Thema Familienge‐ vorher“. Die Erfahrungen aus dieser Zeit kräftig angesetzt wird und Konzepte entwi‐ sundheit. Damit wollen sie Familien unse‐ begleiten die Menschen, und damit werden ckelt werden, um die wichtigen Dinge im rer Region den Weg durch die Pandemie sie das zukünftige Leben mitprägen. Hin‐ Leben von Jugendlichen neu zu ermögli‐ etwas erleichtern. zukommt, dass auf einmal viele Ebenen des chen. Viele Jugendzentren bieten Online- Lebens gleichzeitig zu wackeln begonnen Angebote an oder haben spezielle Angebo‐ Wie geht es den Eltern in der Pandemie? haben und neu aufgestellt werden müssen – te, die im Rahmen der Präventionsmaß‐ Viele Familien erleben mehr Stress als und das bei allen Menschen zugleich. Ge‐ nahmen erlaubt sind. vor der Corona-Situation. Die psychische nau hierin liegt jedoch auch eine besondere Was können wir tun? Gesundheit von Eltern leidet. Das haben Kraft: Viele Menschen sitzen in einem Durch diese Krise trägt neben den gän‐ wissenschaftliche Studien bewiesen und Boot, teilen gerade Gefühle und Erfahrun‐ gigen Präventionsmaßnahmen eine psychi‐ das erleben viele Familien ganz direkt. Es gen und können sich vielleicht deswegen sche Kraft: die Resilienz. Diese Kraft hilft, kann durch Veränderungen im Arbeitsle‐ gut unterstützen. Hieraus könnte sich eine mit erlebtem Druck umzugehen, entstehen‐ ben (Jobverlust, Homeoffice, Kurzarbeit) neue Form des gegenseitigen Verständnis‐ de Spannungen abzubauen und insgesamt zu Unsicherheiten, Ängsten, Wut und Ver‐ ses füreinander und eine Geste des Mitein‐ kraftvoller, glücklicher und gesünder durch zweiflung führen. Der Alltag muss neu or‐ anders entwickeln. diese Zeit zu gehen. Hier ein paar Tipps, wie ganisiert werden, und gelegentlich fühlen Wie geht es den Kindern dabei? die Resilienz gestärkt werden kann: sich Familien allein. Das geht gerade vielen Für die Kinder ist eine Zeit der Verände‐ 1. Bleiben Sie optimistisch! Das fällt ge‐ so. Manche erleben aber auch eine Ent‐ rungen angebrochen. Viele Abläufe und rade in dieser Zeit nicht leicht, aber auch in trostlosen Momenten gibt es immer etwas Gutes zu sehen. Was entsteht denn gerade auch an positiver Entwicklung in Ihrem Le‐ ben? Wir müssen uns dem bewusst zuwen‐ den und die guten Sachen unseres Lebens Resilienz für alle: Die Psycho‐ in den Fokus nehmen. login Miriam Thye (links) und 2. Akzeptieren Sie die Welt, wie sie gera‐ Kinderärztin Dr. Hedwig Ta‐ de ist! Hierbei geht es nicht darum, unkri‐ sche vom Kinder- und Jugend‐ tisch zu sein und alles hinzunehmen. Ver‐ gesundheitsdienst im Landkreis schwenden Sie Ihre Kräfte nicht durch Ab‐ Osnabrück. lehnung, lassen Sie sich nicht aus der Ruhe
bringen und versuchen Sie in positiver Handlung zu bleiben. Versuchen Sie nicht, in eine Negativspirale der Gedanken zu ge‐ raten. Schreiben Sie positive Gedanken oder Zitate auf und schauen Sie immer wie‐ der drauf. Mut entsteht auch dadurch, sich immer wieder daran zu erinnern. 3. Verbinden Sie sich mit anderen Men‐ schen! Auch im Rahmen der Vorgaben zur Coronaprävention ist sozialer Kontakt möglich. Werden Sie kreativ, schreiben Sie Briefe, rufen Sie Freunde an und teilen Sie sich mit. Nehmen Sie Vernetzungsangebote und Beratung in Anspruch, wenn es nötig ist. In dieser Zeit um Hilfe zu bitten, ist ab‐ solut kein Zeichen von Schwäche. 4. Machen Sie sich einen Zukunftsplan! Überlegen Sie, was Sie stärkt und was Sie nach der Pandemie als erstes machen möch‐ ten. Bleiben Sie aber flexibel und geduldig, wenn es nicht so schnell geht, wie wir uns es alle sehr wünschen würden. Irgendwann wird die Pandemie geschafft sein. Was können wir für unsere Kinder tun? Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass es Kindern besser geht, sobald ihre El‐ tern gestärkt sind. Schauen Sie daher beherzt in den Spiegel, achten Sie auf sich, tun Sie 21 sich etwas Gutes. Das entspannt und stärkt Sie in dieser herausfordernden Zeit. Ihre Kin‐ der lernen am meisten direkt von Ihnen, wie mit einer solchen Situation umzugehen ist. Versuchen Sie, einen Umgang mit den nega‐ tiven Begleiterscheinungen der Pandemie zu finden. Seien Sie gütig mit sich, wenn Sie ein‐ mal nicht 100-prozentig so handeln, wie Sie es sich eigentlich wünschen würden. Wenn Sie merken, dass der Druck zu groß wird oder Sie einfach nicht mehr weiter wissen: Dann suchen Sie sich Hilfe. Viele Familien erleben gerade auch Wut, Aggression und mehr Streit in ihrem Familiensystem. Die Mitarbeiter:Innen des Elternsorgentelefons (0800-1110550) stehen immer kostenlos und auch anonym zur Unterstützung bereit. Wenn Sie sich Sorgen um die Entwicklung Ihrer Kinder machen, sprechen Sie Ihre:n Kinderärztin oder Kinderarzt direkt und of‐ fen darauf an. Verfallen Sie nicht in Starre, sondern bleiben Sie in Bewegung. Der Früh‐ ling ist da: Gehen Sie zusammen raus und er‐ leben Sie Ihre Umwelt neu. Bleiben Sie in Kontakt mit sich und Ihren Mitmenschen. Tauschen Sie sich aus und sprechen Sie offen über Sorgen, Ängste und positive Entwick‐ lungen in Ihrem Leben. Gemeinsam kom‐ men wir durch diese schwere Zeit. Fotos: yanalya / de.freepik.com, Gorden Thye, Johannes Tasche
Entschlossen: Christian Lindner strebt Regierungsverantwortung an. Aufstiegschancen für alle Christian Lindner, Spitzenkandidat der FDP, im Interview Herr Lindner, Sie besitzen einen Porsche, Viel wichtiger ist es mir, es den Menschen entwickelten Gesellschaften entscheidet der 22 eine Rennfahrerlizenz und einen Jagd‐ zu erleichtern, sich durch eigenen Einsatz, Zufall der Geburt so sehr über Lebenschan‐ JUNI/ schein, sind also ein gemachter Mann. Wir Schritt für Schritt, aus einer Bedürftigkeit cen. Das halte ich für einen Skandal! Wir JULI ´21 20 Straßenzeitungen glauben, dass Sie herauszuarbeiten. Ganz konkret halte ich brauchen mehr Frühförderung von Kin‐ trotzdem etwas mit obdachlosen Men‐ die Hinzuverdienstgrenzen beim Arbeitslo‐ dern, hinsichtlich des Spracherwerbs schon schen gemein haben. Raten Sie mal, was! sengeld II für skandalös ungerecht. vor der Einschulung, und viel mehr indivi‐ Das Wort „gemachter Mann“ finde ich Das wird die Straßenzeitungsverkäufer duelle Förderung an öffentlichen Schulen. rätselhaft, denn es klingt für mich nach freuen, die Hartz IV beziehen. Wie stehen Kein junger Mensch sollte die Schule ohne dem Zutun von anderen. Tatsächlich be‐ Sie zur Forderung, den Freibetrag beim einen Abschluss verlassen. streite ich seit meinem 18. Geburtstag mei‐ Zuverdienst von jetzt 100 Euro auf 400 Die schwarz-gelbe Regierungskoalition in nen Lebensunterhalt selbst. Euro anzuheben? Nordrhein-Westfalen kürzte 2009 die Wir dachten an Folgendes: Viele woh‐ Genau das ist unsere Forderung. Jeder, Landesgelder für Obdachlosenhilfe um nungslose Menschen beziehen staatliche der einen Euro hinzuverdient, muss mehr 1,12 Millionen Euro. Sie sagten damals, Grundsicherung, Sie leben seit Ihrem 22. als die Hälfte davon behalten können. Übri‐ die Kommunen seien alleine für die Ob‐ Lebensjahr von staatlichen Diäten. Aller‐ gens muss auch die Höhe des Minijobs an‐ dachlosenhilfe zuständig. Sehen Sie das dings reichen die Ihnen nicht: Sie haben gepasst werden. Denn wenn der Mindest‐ heute noch so? allein in dieser Legislaturperiode mehr als lohn steigt, haben viele Betroffene dennoch Der Ausflug in die Geschichte ist noch 400.000 Euro dazuverdient. Wohlfahrts‐ nicht mehr Geld, wenn es bei 450 Euro nicht vollständig. Denn zeitgleich hat die verbände finden den Hartz-IV-Regelsatz bleibt. von der FDP mitgetragene Bundesregierung auch zu niedrig und fordern eine Aufsto‐ Wie will die FDP die Kluft zwischen Arm die Kommunen von den Kosten der Grund‐ ckung auf 600 Euro. Gehen Sie da mit? und Reich verringern? Laut dem Deut‐ sicherung im Alter entlastet. Das machte für Mir können Sie solche zugespitzten Fra‐ schen Institut für Wirtschaftsforschung die Städte und Gemeinden seitdem Hunder‐ gen gerne stellen. Aber auch eine Polizistin kommen wir bei der Vermögensverteilung te von Millionen Euro an Einsparungen aus, oder ein Krankenpfleger beziehen ihre Ge‐ immer mehr in die Nähe von US-Verhält‐ die zum Beispiel für soziale Vorhaben oder hälter aus öffentlichen Mitteln. Es führt nissen. Investitionen genutzt werden könnten. nicht weiter, wenn jede Tätigkeit, die sich Wir müssen die Aufstiegschance für Oberstes Ziel: So lange es geht, müssen aus Steuergeldern finanziert, mit Sozialleis‐ jede Frau und jeden Mann erhöhen. Wir Menschen ihre Wohnung behalten können, tungen verglichen wird. In der Sache bin brauchen einen treffsicheren Sozialstaat, sei es mittels Grundsicherung, Schuldnerbe‐ ich dafür, dass sich die Höhe der Grundsi‐ der für die Menschen ein Sprungbrett in die ratung, gesundheitlicher Hilfestellung. Das cherung daran orientiert, welche Bedürf‐ Selbstbestimmung ist und nicht wirkt wie muss nah am Menschen geschehen, also auf nisse bestehen und wie die Preise sich ent‐ ein Magnet, der Menschen eher festhält. der kommunalen Ebene. wickeln. Das sollten Fachleute festlegen, Die größte Form der Ungleichheit ist für Immer mehr Menschen aus armen EU- das ist nichts für Wahlkampfversprechen. mich die der Bildung. Nirgendwo sonst in Ländern landen in prekären Arbeitsver‐
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