Missionsblätter - Das Magazin der Missionsbenediktiner von St. Ottilien - Erzabtei St. Ottilien

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Missionsblätter - Das Magazin der Missionsbenediktiner von St. Ottilien - Erzabtei St. Ottilien
114. Jahrgang · 3 | 2019
                           Das Magazin der Missionsbenediktiner von St. Ottilien

                           missionsblätter
Missionsblätter - Das Magazin der Missionsbenediktiner von St. Ottilien - Erzabtei St. Ottilien
Seit 130 Jahren gibt es die Missionsblätter

                                                                    Von den Klostergärtnern zusammengestellt: Erntedankaltar in der Klosterkirche

             In diesem Heft
                WELTWEIT
                4 - 5	Hoffnungszeichen                     8 - 9	Sach- oder Geldspende?
                       in Kolumbien                                Was macht wo Sinn?
                6       Weltmissionssonntag                 10 -11	Neues aus der Mission
                7	Kontakte des Missions-
                   museums zur Universität
                   Tokio
INHALT

                HEIMAT
                12	Die faszinierende Ge-                   16 -17 Die Klostergärtnerei
                    schichte von St. Ottilien               18 -19	Rund um die Erzabtei
                13	Gemeinsam weite Wege                            Neues aus St. Ottilien
                    schaffen: Spendenlauf für               22	Kirchturmsanierung:
                    Kinderstation                               Turmkapsel geöffnet
                14 -15	Mittagshore –
                        den Grundton anschlagen

                RUBRIKEN
                20 - 21	Impuls zu Erntedank:               24      Buchtipps
                         Danken                             27      Preisrätsel
                23	Humorvolles aus dem                     28      Termine
                    Kloster
                    Bischof Aurelian Bilgeri

             Titelbild: Junger Tansanier trägt gesammeltes Feuerholz nach Hause zum Kochen, Heizen etc.
                         Die Mönche der Abtei Ndanda setzten sich für die Wiederaufforstung ein – in einem Land,
                         in dem nach wie vor viel abgeholzt wird.

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Missionsblätter - Das Magazin der Missionsbenediktiner von St. Ottilien - Erzabtei St. Ottilien
Liebe Leserin,
Lieber Leser,
Die dritte Ausgabe der Missionsblätter ist tra-   „Norden“, die in den Klöstern im „Süden“
ditionell dem „Weltmissionssonntag“ gewid-        mitarbeiten, sich dort einbringen mit ihren
met. In St. Ottilien feiern wir ihn dieses Jahr   Fähigkeiten und sich einlassen auf andere
am 20. Oktober. Dazu haben wir Mitbrüder          Kulturen und Lebensweisen. Aber auch hier
aus unseren Klöstern in Südamerika einge-         in St. Ottilien können Sie auf Missionare aus
laden. Sie werden erzählen, mit uns feiern,       dem „Süden“ treffen, auf junge afrikanische
singen und beten.                                 Mitbrüder, die eine Ausbildung bei uns ma-
                                                  chen (s. Mbl 1/2019), oder andere, die hier
Papst Franziskus hat dieses Jahr den Oktober      nach den Wurzeln unserer Kongregation und
zum „Außerordentlichen Monat der Weltmis-         ihrer missionarisch-monastischen Berufung
sion“ ausgerufen. Der Gedanke, nicht nur eine     suchen (Bericht folgt in Mbl 4/2019) und ihre

                                                                                                         EDITORIAL
Mission zu haben, sondern eine Mission zu         unterschiedlichen Erfahrungen und Visionen
sein, ist so ungewöhnlich wie faszinierend.       mitbringen.
Papst Franziskus beschreibt Christsein als ei-
nen Zustand ständiger Mission: „Wir sind auf      In dieser Ausgabe der Missionsblätter berich-
dieser Welt, um Licht zu bringen, zu segnen,      ten wir wieder ausführlich und spannend, was
zu beleben, aufzurichten, zu heilen, zu befrei-   in den einzelnen Klöstern unserer Kongrega-
en“. Mission als eine Art Gegenmittel gegen       tion passiert.
die individualistische Traurigkeit und die        So erfahren Sie mehr über die Handwerker-
Kälte verschlossener Türen. Diese Botschaft       ausbildung in Kolumbien und ein Auffor-
macht Mut.                                        stungsprogramm in Tansania, außerdem über
Mit dem „Außerordentlichen Monat der Welt-        den religiösen Dialog mit dem Islam und über
mission“ lenkt Papst Franziskus jetzt die Auf-    kulturelle Kontakte durch unser Missions-
merksamkeit auf einen Aspekt, der bei dem         museum über Korea nach Japan.
neuen Interesse an Mission manchmal unter-        Aus der Erzabtei St. Ottilien kommen große
zugehen droht: die Sendung der Christen zu        Neuigkeiten, aber es gibt auch vertiefende
den Menschen und das Wirken der Christen          Einblicke in Altvertrautes wie das Stunden-
unter den Menschen.                               gebet oder die Arbeitsabläufe in Klosterbe-
                                                  trieben.
So lautet das Motto:
Getauft und gesandt:                              Wir wünschen Ihnen viel Freude und Inter-
Die Kirche Christi missionarisch in der Welt      esse bei der Lektüre und freuen uns über jede
                                                  Rückmeldung oder Anregung von Ihnen.
Aber Mission ist heute keine Einbahnstraße
mehr, sondern es gibt Gegenverkehr. Alte
Missionare und jüngere Mitbrüder aus dem          Ihr

                                                                          missionsblätter 3 | 2019   3
Missionsblätter - Das Magazin der Missionsbenediktiner von St. Ottilien - Erzabtei St. Ottilien
WELT-

               Hoffnungszeichen                                                         ­M ISSIONS­-
                                                                                         SONNTAG

               in Kolumbien                                                                                 Text: P. Maurus Blommer OSB,
               Frieden braucht Zeit und Vorbilder                                                               P. Markus Dworschak OSB

               Von der Arbeit des kleinsten selbständigen Klosters der Missions­
               benediktiner hört man nicht viel. Seine Aufgaben sind zwar nicht
               gerade spektakulär, und doch wirkt seit Jahrzehnten die Präsenz
               der Missionsbenediktiner nachhaltig in die durch Gewalt und
               Krieg zerrissene Gesellschaft hinein. Welche Rolle die benediktini­
               sche Gastfreundschaft und die Offenheit der Mönche für die Nöte
               der Kolumbianer dabei spielen, berichtet P. Maurus Blommer:                 Klosterkirche El Rosal

               Braucht es Missionare in einem Land, das bereits seit     len. Mit ihren Handwerksbetrieben sowie einer großen
               fünf Jahrhunderten christlich ist und wo der Katholi-     Tomatenzucht sind sie jedoch ein wichtiger Arbeitgeber
               zismus bis heute selbstverständlich ist? Eine jahrhun-    für das Umland, das hauptsächlich von der Blumen-
               dertealte christliche Tradition heißt noch lange nicht,   zucht lebt.
               dass christliches Verhalten die Gesellschaft prägt, wie   Bald nach der Gründung begannen die Mönche mit
WELTWEIT

               jahrelang die zahlreichen Nachrichten über Terror, Ge-    klostereigenen Werkstätten: in Schreinerei, Mechani-
               walt und Elend in Kolumbien bestätigen. Seit der Un-      ker-Werkstatt, sowie Land- und Viehwirtschaft konnten
               abhängigkeit des Landes im Jahr 1810 gab es mehrere       sie der Jugend auf dem Land Ausbildungsmöglichkeiten
               Bürgerkriege, die neben Konflikten um die Landfrage       anbieten.
               aus traditionellen Rivalitäten zwischen politischen       Ihren Hauptbeitrag für Kirche und Welt leisten die
               Gruppierungen entstanden sind. Nach mehr als fünfzig      Mönche aber durch Gastfreundschaft. Das ganze Jahr
               Jahren bewaffneten Konflikts vereinbarten 2016 die        kommen Menschen ins Kloster von El Rosal. Nach
               kolumbianische Regierung mit der größten Guerilla,        Fertigstellung der Kirche, eines neuen Gebäudes für die
               der FARC-EP, einen Waffenstillstand. Für seine Bemü-      Gemeinschaft mit einem Gästeflügel mit 14 Einzelzim-
               hungen im Friedensprozess bekam der Präsident Juan        mern widmen sich die Mönche speziell der Aufnahme
               Manuel Santos den Friedensnobelpreis.                     von Einzelgästen oder Gruppen, denen sie Exerzitien,
               Kolumbien ist aufgrund der Guerilla-Kriege mit 7,7 Mil-   Einkehrtage und Kurse zur geistlichen Weiterbildung
               lionen das Land mit den weltweit meisten internen         und Vertiefung anbieten. Zunehmend kommen auch
               Flüchtlingen. Dazu kommt aktuell die verschärfte Be-      Menschen, die spirituelle Begleitung und Hilfe suchen
               lastung durch Flüchtlinge aus Venezuela infolge der       oder einfach an der klösterlichen Liturgie teilnehmen
               dortigen politischen Unruhen und der wirtschaftlichen     möchten.
               Versorgungskrise.                                         Viele von ihnen genießen auch einfach die Ruhe in einer
               Ihre pastoralen Tätigkeiten bringen die Mönche mit        schönen Landschaft, wenn sie aus der brodelnden Mil-
               Menschen in Kontakt, die unter diesen Konflikten di-      lionenstadt Bogotá kommen – ähnlich wie der ein oder
               rekt gelitten haben. Die kleine Gemeinschaft wurde von    andere Münchner oder Großstadtmensch gerne nach
               vielen dieser Menschen als Hoffnungszeichen inmitten      St. Ottilien zum Ausspannen kommt. Im Kloster El Rosal
               der Gewalt gesehen. Denn sie erleben, wie hier Leute      finden sie einen ruhigen Ort, um zu sich zu kommen und
               aus verschiedenen Nationen brüderlich zusammenle-         um Gott zu begegnen. Die Gäste integrieren sich zwang-
               ben, dass kein Hilfesuchender abgewiesen wird oder        los in das Gemeinschaftsleben, essen mit den Mönchen
               verschlossene Ohren und Herzen vorfindet, und dass        im Refektorium, feiern die Liturgie in der Kirche mit und
               Menschen einen anderen Mittelpunkt in ihrem Leben         teilen ihren Alltag. Während es die Woche über vorwie-
               haben als Macht, Geld oder Profitgier.                    gend ruhig ist im Kloster von El Rosal, geht es am Sonn-
               Als kleine Gemeinschaft von zwölf Mönchen können          tag sehr lebendig zu. Ganze Busladungen voll Menschen
               sie keine großen sozialen Projekte auf die Beine stel-    kommen zum Gottesdienst.

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Missionsblätter - Das Magazin der Missionsbenediktiner von St. Ottilien - Erzabtei St. Ottilien
El Rosal – das kleinste der selbständigen Klöster der Missionsbenediktiner
Vor fast 60 Jahren g­ ründeten
Mönche aus der Abtei San José
del Avila in Caracas (­Venezuela)
auf der Suche nach neuen
­Berufungen das Kloster El
 Rosal in Kolumbien. Der Ort mit
                                       Seit 1996 gehört eine Oblatenge-        Pfarreien der Umgebung halten ihre
 20.000 Einwohnern ist rund
                                       meinschaft zum Kloster. Monatlich       Einkehr, vor allem an den Wochen-
 20 Kilometer von der Hauptstadt       verbringen sie einen Einkehrtag in      enden. Auch Schulklassen sind oft
 Bogotá entfernt und liegt auf         „ihrem“ Kloster. Sie arbeiten als       hier. Die Gäste, die uns mehrere Tage
 2685 Metern in den Anden.             „verlängerter Arm“ der Mönche in        begleiten, sind mit uns beim Chor-
                                       der Welt. Sie erziehen Kinder in        gebet und beim gemeinsamen Essen,
                                       Elendsvierteln, arbeiten in öffentli-   wo sie geistliche Lektüre erfreut oder
Zu Weihnachten 1960 kamen, herz-
                                       chen Medien, in der Wirtschaft und      auch Musik. Das Kloster von El Rosal
lich empfangen von der Bevölke-
                                       auf Universitätsebene.                  ist so inzwischen zu ­einem geistli-
rung, vier Benediktiner, die sich in
                                                            Im Januar 2011     chen Zentrum herange­wachsen.
dem baufälligen späteren Pfarrhaus
                                                            wählten      die   Die Schreinerei wurde durch Br. Ge-
niederließen. Am 16. Januar 1961
                                                            Mönche P. Mar-     org Bauer aus St. Ottilien berühmt.
wurde offiziell die „Casa Religiosa“
                                                            kus Dworschak      Seit über 50 Jahren werden dort
von El Rosal gegründet. Am 1. Mai
                                                            als Konventual-    Möbel für Kircheneinrichtungen pro-
1961 wurde die Pfarrei errichtet und

                                                                                                                             WELTWEIT
                                                            prior. P. Markus   duziert. Sogar Bischofstäbe werden
übertragen an einen Benediktiner-
                                                            stammt aus der     angefertigt. Br. Georg hat die Mit-
pater. Im April 1962 siedelte die
                                                            Abtei Schweikl-    arbeiter von Anfang an unterrichtet,
kleine Gemeinschaft in ein Land-       P. Markus Dworschak
                                                            berg und arbei-    ganz nach deutschem System. Ihre
haus über.
                                       tete zuvor 28 Jahre als Zellerar und    Berufskenntnisse werden geschätzt.
                                       zusammen mit den übrigen Patres in      Im Kloster von El Rosal sind wir im
                                       der geistlichen Betreuung so vieler     Jahre 2019 dreizehn Personen: acht
                                       Ratsuchender in El Rosal. P. Markus     feierliche Professen, ein zeitlicher
                                       leitet auch das Noviziat und den        Professe, zwei Novizen, ein Postu-
                                       Kontakt mit Interessenten am Or-        lant und ein Aspirant. Darunter sind
                                       densleben. „Die Gottesdienste sind      vier Priester reichlich ausgelastet
                                       inzwischen ein Anziehungspunkt,         mit Vorträgen und Beichtgesprä-
                                       speziell für junge Leute. Gruppen aus   chen, die viel verlangt werden“.

                                         Sozialprojekt der Gemeinschaft von El Rosal
 Im Refektorium essen Mönche und         Nur mit einer guten Berufsausbildung können junge Menschen in Kolumbien später
 Gäste gemeinsam zu Mittag
                                         ihr Leben gut gestalten und auch zur Entwicklung ihres Landes beitragen.
                                         Die Missionsbenediktiner von El Rosal haben deshalb in der Klosterschreinerei die
                                         Ausbildungs­möglichkeit für vier junge Menschen eingerichtet, die hier das Schreiner-
                                         handwerk erlernen können, um später in diesem Beruf zu arbeiten und den Lebens-
                                         unterhalt für sich und ihre Familie zu verdienen oder eventuell sich selbständig zu
                                         machen.
                                         Helfen Sie mit, dass wir den jungen Menschen eine gute Ausbildung und Zukunft
                                         ermöglichen können. Wir sind für jede Hilfe dankbar.
                                         Stichwort: El Rosal
 Br. Georg Bauer (3. v.l.) und           Bankverbindung für Spenden: S
                                                                      parkasse Landsberg am Lech – Dießen
 P. Markus Dworschak (2 v.r.) mit                                    IBAN: DE89 7050 2006 000 0146 54
 den Schreinerei-Mitarbeitern

                                                                                              missionsblätter 3 | 2019   5
Missionsblätter - Das Magazin der Missionsbenediktiner von St. Ottilien - Erzabtei St. Ottilien
Einladung
                                                                                                 WELT-
                                                                                             ­M ISSIONS­-
                                                                                              SONNTAG

               zum Weltmissionssonntag 2019

                    Begegnen Sie unseren Mitbrüdern aus              SAMSTAG, 19.10.2019
                    Südamerika – davon drei Kolumbianer, einer       16 Uhr         Info mit Film und Livemusik aus Kolumbien
                    aus Ecuador und ein Schweiklberger Mönch                        im Rittersaal, Exerzitienhaus
                    dazu zwei Mitbrüdern aus Venezuela sind
                                                                     SONNTAG, 20.10.2019
                    am 19. und 20. Oktober in St. Ottilien.
                                                                     9:15 Uhr       Pontifikalamt in der Klosterkirche
                    Die Veranstaltungen bieten:                                     Prediger: P. Prior Markus Dworschak OSB
                    Einblicke in das Leben der Mönche,                              Musikalische Gestaltung:
                                                                                    Mitbrüder aus El Rosal, Kolumbien,
                    in Kirche, Staat und Gesellschaft.                              OttiliAcapella unter Leitung von Barbara Kling,
                                                                                    Schola der Erzabtei St. Ottilien unter Leitung von
                                                                                    P. Vianney Meister OSB
                                                                     10:15 Uhr      Diskussionsrunde im Missionsmuseum
                                                                                    Aktuelle Situation: Politik und Kirche in Süd­
                                                                                    amerika – am Beispiel von Kolumbien und Venezuela
                                                                                    mit P. Markus und P. Beda
                                                                                    Musik: Mitbrüder aus Südamerika
    WELTWEIT

                                                                     12.30 Uhr      Mittagessen Exerzitienhaus, Foyer
                                                                                    einfaches Gericht aus Bogotá, Kolumbien,
                                                                                    mit Musik und Film über Kolumbien
                                                                     14 Uhr         Führung Missionsmuseum (Tanja Holthausen)

                                                                     INFO: Freitag, 4. Oktober um 19:30 Uhr: Jugendvesper
WAS IST DEINE MISSION?

                    Was ist deine Mission?                                    Auf die Frage, welche „Mission“ sie denn gerade um-
                                                                              treibt, antworten Ordensleute, darunter Missionsbene-
                    Für den Oktober 2019 ruft der Papst alle Frauen und
                                                                              diktiner hier:     www.orden.de/aktuelles/themen/my-
                    Männer auf, eine außerordentliche Zeit für die Mission
                                                                              mission/ und auf dem Youtube Kanal von orden.de
                    zu leben. Die päpstlichen Missionswerke wie Missio
                                                                              #mymission – Unter diesem Hashtag kann jeder in den
                    und viele Ordensgemeinschaften greifen diesen Impuls
                                                                              sozialen Netzwerken posten, was aktuell seine oder ihre
                    auf und freuen sich, wenn viele in Wort und Tat dabei
                                                                              „Mission“ ist. Viele Ordensgemeinschaften machen mit.
                    sind.

                6   missionsblätter 3 | 2019
Missionsblätter - Das Magazin der Missionsbenediktiner von St. Ottilien - Erzabtei St. Ottilien
Kontakte des Missionsmuseums
zur Universität Tokio                                                                                  Text: P. Theophil Gaus OSB

Museumsdirektor P. Theophil Gaus folgt einer Einladung der Universität Tokio

                                                                                   Bereits im Oktober 2018 war Abt
                                                                                   Blasio Park von der Abtei Waegwan
                                                                                   in Tokio zu einem Vortrag über die
                                                                                   Geschichte der Ottilianer in Nord­
                                                                                   korea gewesen. Das „Center for
                                                                                   Korean Studies“, das mit der OKCHF *-
                                                                                   ­Stiftung von Seoul zusammen­arbeitet,
                                                                                   die ebenfalls mit unserem M
                                                                                                             ­ useum
 Universität Tokio: P. Theophil referiert über die Koreasammlung                   ­kooperiert, hatte schon im letzten
 des Missionsmuseums                                                               Jahr eingeladen.

                                                                                                                                        WELTWEIT
Auf Vorschlag des OKCHF hielt ich im Juni einen                    Mit Project-Assistant-Professorin Yuko Nagasawa als
Vortrag an der Universität Tokio mit anschließender                einer Dozentin, die enge, auch verwandtschaftliche
Diskussion über die Koreasammlung des Missions-                    Beziehungen nach Südkorea hat, war das Seminar am
museums. Nach einer Übersicht über die Sammlung der                24. Juni optimal besetzt. Frau Nagasawa verstand es
Erzabtei wurde zunächst geklärt, wer wann in Korea                 auch, die vielfältigen, aber zum Teil auch heiklen Dis-
gesammelt hat: Vor allem Erzabt Norbert Weber und                  kussionsbeiträge nach dem Vortrag zu bündeln und zu
einige weitere Mitbrüder sammelten zwischen 1909 und               moderieren.
circa 1930 im Gebiet um Seoul koreanische Kulturob-
jekte, die infolge der japanischen Kolonialpolitik überall         Während der Zeit in Tokio war P. Theophil zu Gast im
in Antiquitätenläden erhältlich waren. Sodann ging                 St. Gregorio-Haus, dem Institut für Kirchenmusik unter
es um die Klärung der Motivationen für die damalige                der Leitung von Frau Hashimoto, mit dem die Erzabtei
Sammeltätigkeit: das kulturelle Interesse, die Offenheit,          zusammenarbeitet. St. Gregorio ist auch die Begeg-
ja Begeisterung für das Fremde, aber auch die Absicht,             nungsstätte für die knapp 35 Oblatinnen und Oblaten
mit der Sammlung in der Heimat für die Koreamission                der Erzabtei im Tokio-Gebiet.
zu werben. Abschließend wurde ausführlich erörtert,
welche Perspektiven unsere Korea-Sammlung heute
hat: Präsentation in Deutschland, interkulturelles Ler-
nen, Austausch unter Museen, Kooperation inklusive
Forschung (v. a. zusammen mit der OKCHF-Stiftung)
und im Einzelfall Rückgabe.
Das Thema „Koreanisches Kulturgut im Ausland“ ist in
Japan sehr heikel, gibt es doch eine geschichtliche Be-
lastung der Beziehungen zwischen Japan und Korea, die
auch damit zu tun hat, dass während der japanischen
Kolonialherrschaft große Mengen koreanischer Kultur-                                Im Gregorius-Haus in Tokio:
objekte nach Japan gebracht wurden.                                                 P. Theophil nimmt neue Oblaten auf

* Overseas Korean Cultural Heritage Foundation

                                                                                                      missionsblätter 3 | 2019      7
Missionsblätter - Das Magazin der Missionsbenediktiner von St. Ottilien - Erzabtei St. Ottilien
Sach- oder Geldspende?
               Was macht wo Sinn?
               Damit Spenden Positives bewirken                          Text: Br. Ansgar Stüfe OSB

                                                                                                                       Br. Dr. Ansgar Stüfe OSB
               Was haben deutsche Fischkonserven         wir einen Großteil der Medikamen-
               mit einem Erdrutsch in Afrika zu          te in Deutschland einkaufen. Heu-               seit 1979 Mönch der Abtei
                                                                                                          Münsterschwarzach.
               tun? Der Zusammenhang erschließt          te gibt es alle Medikamente, auch
                                                                                                         Er war viele Jahre als Chefarzt im
               sich nicht sofort. Als ich einmal         seltene, im Land zu erwerben. Die                Missionskrankenhaus Peramiho in
               in Tansania unterwegs war, standen        Regierungen haben natürlich Inte-                Tansania tätig
               junge Männer am Straßenrand und           resse, die einheimische Wirtschaft              2003 – 2018 Missionsprokurator
               boten Waren an, die sie aus Kartons       zu schützen. Deswegen verhängen                  der Kongregation von St. Ottilien
               holten, die sich hinter ihnen stapel-     sie hohe Einfuhrzölle auf Waren, die            Seit 2019 Verlagsleiter des
                                                                                                          Vier-Türme-Verlags der Abtei
               ten. Aus Neugier hielten wir an und       im eigenen Land hergestellt werden.
                                                                                                          Münsterschwarzach
               fragten, was es zu kaufen gäbe. Zu        Das gilt für alle Arten von Textilien.
               unserem Erstaunen gab es Heringe in       Kleider, Bettwäsche und Schuhe,
               Tomatensauce. Mein Fahrer war so          alles Waren, die früher in großen            benötigt das Land Hilfe von außen.
               begeistert, dass er gleich einen gan-     Mengen als Spende geliefert wurden           Aber solche Katastrophen sind Aus-
               zen Karton kaufte. Als ich mir den        und heutzutage gar nicht mehr ge-            nahmen und können nur von großen
WELTWEIT

               Karton näher anschaute, las ich die       schickt werden sollten.                      Organisationen bewältigt werden.
               gedruckte Aufschrift: „Geschenk der       Ähnliches gilt für Lebensmittel. Die         Zusammenfassend lässt sich fest-
               Bundesrepublik Deutschland“. Wir          ostafrikanischen Länder produzieren          stellen, dass Hilfsgüter traditioneller
               befanden uns am Fuss der bekannten        genügend Lebensmittel. Das Pro-              Art wie Lebensmittel und Textilien
               Usambaraberge. Dort fragte ich mei-       blem ist der Transport. Oft gibt es          nicht mehr geliefert werden sollten.
               ne Mitbrüder, was es denn mit diesem      regional begrenzte Probleme durch
               Geschenk auf sich habe. Da erfuhr         eine Naturkatstrophe. Dann könnte
               ich, dass sich in der letzten Regenzeit   man Lebensmittel aus dem eigenen
                                                                                                      Augenmerk auf Qualität
               mehrere Erdrutsche in den Bergen          Land dorthin transportieren. Es fehlt        Es gibt aber noch gute Gründe, be-
               ereignet hatten. Um die Bevölke-          aber an finanziellen Mitteln, die            stimmte Waren in afrikanische Län-
               rung mit Lebensmittel zu versorgen,       Lebensmittel und den Transport zu            der zu transportieren. Das gilt vor
               schickte die deutsche Bundesregie-        bezahlen. Schickt man stattdessen            allem für medizinische Geräte. In
               rung Heringe in Tomatensauce. In          Lebensmittel direkt vom Ausland,             Uganda haben wir festgestellt, dass
               dem Umfeld dieser Menschen moch-          schadet das den einheimischen Bau-           die zentrale Verkaufsstelle für Me-
               te aber niemand diese Fischkonser-        ern oder ist manchmal ganz sinnlos,          dikamente und Geräte Waren aus
               ven essen. Eine richtige Hungersnot       wie das Beispiel oben zeigen sollte.         China bezieht, die minderwertig sind.
               bestand auch nicht. So versuchten         Wenn ganze Landsteile überflutet             Daher haben wir alle Geräte für die
               die jungen Leute, die Konserven am        werden wie kürzlich in Mosambik,             Augenklinik unseres Klosters in To-
               Straßenrand zu verkaufen.                 gelten solche Regeln nicht. Dann             roro in Deutschland gekauft. Auch

               Vor Ort kaufen
               In den letzten 20 Jahren haben sich                                                                          Lieferung ­neuer
               die Länder des Ostens und Südens                                                                             ­Geräte an die Augen-
               Afrikas gut entwickelt. Zwar sind                                                                             klinik Tororo, Uganda
               die Mensch immer noch sehr arm,                                                                               im März 2019.
                                                                                                                             In der Mitte: Br. John
               aber die Infrastruktur und der Han-
                                                                                                                           ­Tumwekwase OSB
               del haben sich völlig verändert.                                                                              von der Gemeinschaft
               Noch in den 1990er Jahren mussten                                                                             von Tororo

           8   missionsblätter 3 | 2019
Missionsblätter - Das Magazin der Missionsbenediktiner von St. Ottilien - Erzabtei St. Ottilien
medizinische Untersuchungsgeräte        So wird deutlich, dass bei Liefe-       stellungen innerhalb von zwei Wo-
werden mit Ausnahme von Südafrika       rungen von Sachspenden Spezial-         chen. Streng genommen handelt es
in keinem Land Afrikas hergestellt.     kenntnisse der Bedingungen vor Ort      sich dabei nicht um Sachspenden,
Viele Laborreagenzien gibt es immer     notwendig sind. Daher sollte man        sondern um Waren, die durch Spen-
noch nicht im Land zu kaufen. Da        unbedingt vorher fragen, ob eine        den finanziert worden sind. Das ist
unsere Krankenhäuser auf Qualität       bestimmte Sachspende an diesem          auch der Trend für die Zukunft.
setzen, sind sie auf Lieferung aus      Ort wirklich gebraucht wird und ob
Deutschland angewiesen.                 die Kosten von Transport und Ein-       Das hilft: Spenden plus
Solche Geräte und Reagenzien müs-       fuhrzöllen im Verhältnis zum Wert
sen neu sein. Ausgemusterte Geräte      stehen.
                                                                                Sachverstand
funktionieren nur kurze Zeit. Repa-     Ein gutes Beispiel, wie sich auch im    Daher werben wir für Spenden, mit
raturen sind meistens nicht möglich,    Krankenhaus der Bedarf an Sach-         deren Hilfe wir Ausstattungen, Ge-
weil es keine Ersatzteile mehr gibt.    spenden verändert hat, sind Brillen.    räte und Ersatzteile kaufen können,
                                        Inzwischen können aus Indien sehr       die wir nicht im Land bekommen.

Situation vor Ort kennen gute                 Gestelle und Gläser besorgt
                                        werden, die sehr preiswert sind. Sie
                                                                                Dann können wir aussuchen, was
                                                                                wirklich vor Ort am besten geeignet
Eine Ausnahme von der Regel sind kosten ungefähr 25 Euro. Die Gläser            ist und auch gebraucht wird. Men-
Krankenbetten. Krankenbetten, die können wir in unserer Optiker-Werk-           schen, die uns dabei helfen, sind ein
es vor Ort zu kaufen gibt, sind im- statt selber herstellen. Das ist auch       wahrer Segen für uns.
mer noch von minderer Qualität. deswegen notwendig, weil die Gläser                                 Bei einem Be-
Speziell in Deutschland sind die Bet- für jeden Patienten individuell ein-                          such eines Pro-
ten in Krankenhäusern von hoher gestellt werden müssen. Gebrauchte                                  gramms für be-
Qualität. Sie werden mit rostfreiem Brillen können daher nicht mehr                                 hinderte Kinder

                                                                                                                              WELTWEIT
Stahl hergestellt und können hohes genutzt werden und sollten gar nicht                             wurde mir das
Gewicht aushalten. Sie sind damit mehr geliefert werden.                                            wieder neu klar.
hervorragend für das feucht-warme Das Gleiche gilt für Geräte zur Mes-          Ein Kind war spastisch gelähmt. Ein
Tropenklima geeignet und halten sung von Blutzucker. Mit diesen Ge-             geschenkter Rollstuhl war nutzlos,
es aus, wenn die ganze Verwandt- räten können wir leider gar nichts             weil das Kind mit den verkrümmten
schaft den Kranken besucht und anfangen. Diese Geräte selber sind               Gliedern nicht richtig sitzen konnte.
sich auf dem Bett niederlässt. Ste- nicht teuer. Viel Geld kosten dage-         Unser Team hat die Maße des Kindes
hen zum Beispiel bei einer Kran- gen die Teststreifen, die aber nur für         genommen, und mit Spendengel-
kenhausauflösung viele Betten in dieses spezielle Gerät nutzbar sind            dern können wir jetzt einen Roll-
gutem Zustand zur Verfügung, lohnt und in den jeweiligen Ländern nicht          stuhl anfertigen lassen, der dem
sich der Transport. Es müssen aber erhältlich sind. Daher kaufen wir            Kind genau angepasst ist.
relativ einfache Betten sein. In der solche Geräte lieber vor Ort. Dann         Sachspenden setzen also Sachver-
bereits erwähnten Augenklinik in wissen wir auch, dass die Teststrei-           stand voraus. Heringe in Toma-
Uganda wurden einmal elektronisch fen lieferbar sind.                           tensauce sind eben keine Lösung
gesteuerte, schwere Betten geliefert. Wir in der Benediktinerkongregati-        für die Folgen von Erdrutschen. Wir
Solche Betten sind für Patienten, die on von St. Ottilien sind inzwischen       Missionsbenediktiner haben den
nur am Auge erkrankt sind, natür- dazu übergegangen, fast nur noch              Vorteil unserer Klöster vor Ort. Dort
lich völlig unnötig. Einfache stabile neue oder neuwertige Sachspenden          sind Mitbrüder immer in der Lage
Betten wären viel besser gewesen.       zu schicken. Wir kaufen die Waren       zu beurteilen, welche Sachspenden
                                                    bei den Firmen. Diese       gebraucht werden und welche eher
                                                    liefern sie direkt nach     nicht. Auch wegen der sich stän-
                                                    Hamburg, wo sie in          dig ändernden Situation der Länder
                                                    Container verpackt wer-     müssen wir uns jedes Jahr neu in-
                                                    den. Handelt es sich um     formieren. Wenn dann Anforderun-
                                                    Ersatzteile oder Laborre-   gen von gut informierten Menschen
                                                    agenzien, werden sie per    für ganz bestimmte Geräte oder
                                                    Luftfracht verschickt.      Waren kommen, sind auch heu-
  Schönes solides Bett aus Deutschland:             Dann bekommen die           te noch Sachspenden sinnvoll und
  Krankenzimmer im Krankenhaus Peramiho
                                                    Klöster vor Ort ihre Be-    nachhaltig.

                                                                                               missionsblätter 3 | 2019   9
Missionsblätter - Das Magazin der Missionsbenediktiner von St. Ottilien - Erzabtei St. Ottilien
Neues aus der Mission
                                                                  Porträts und Projekte

             11.400 BÄUME FÜR PERAMIHO / TANSANIA

               In der Umgebung von Peramiho ha-            darüber hinaus das Einkommen für          selbst wachsen werden. Unsere jun-
               ben Entwaldung und Holzkohleher-            die kommenden Generationen sein.          gen afrikanischen Mönche zeigen
               stellung sowie das Verbrennen von           1898 gründeten Mönche aus St. Ot-         großes Interesse daran, die Bäume
               Büschen während der Trockenzeit ei-         tilien die Missionsstation Peramiho.      für den künftigen Wald zu pflanzen
               nen großen Teil der natürlichen Wäl-        Das Kloster zog im Laufe der Jahr-        und zu pflegen.
               der zerstört. Durch Baumpflanzakti-         zehnte viele Menschen an. Aus dem         Papst Franziskus betonte in seinem
               onen möchten wir die Menschen in            Dorf wurde eine kleine Stadt. Auf         Fastenpastoralbrief von 2018, dass
               unserer Region für den nachhaltigen         dem Abteigelände stehen das Kloster       eine Möglichkeit der Evangelisie-
               Umgang mit der Schöpfung sensi-             und die Kirche, Werkstätten und Ge-       rung darin besteht, für die Umwelt
               bilisieren und mit gutem Beispiel           bäude für soziale Dienste wie Schu-       zu sorgen. Das Pflanzen von Bäu-
                         vorangehen. Bislang ha-           len und das Krankenhaus. Neben den        men ist also die eine Möglichkeit,
                         ben wir 11.453 Bäume ge-          landwirtschaftlichen Flächen und          sich um die Natur zu kümmern, die
                         pflanzt. Wir haben geplant,       der Weidewirtschaft gibt es auch          erste Pflicht, die Gott dem Men-
                         in den nächsten fünf Jahren       Brachland, das wir seit einiger Zeit      schen nach seiner Erschaffung auf-
                         112.000 Bäume auf einer           aufforsten.                               erlegt hat. Er sagte: „ Seid fruchtbar
                         Fläche von 120 Hektar zu          Wir sind uns bewusst, dass dieses         und mehrt euch; füllt die Erde und
                         pflanzen. Jedes Jahr wollen       Projekt sehr kostspielig ist. Es erfor-   unterwerft sie“ (Gen. 1,28).
                         wir 22.000 Bäume pflanzen.        dert Zeit und Geld. In unserer Baum-       (P. Sylvanus Kessy OSB)
   Prior Administrator Ziel ist es, unser Land zu          schule müssen wir Setzlinge heran-
P. Sylvanus Kessy OSB
 engagiert sich für die erhalten, es wertvoller zu         ziehen oder Jungpflanzen kaufen.
    Wiederaufforstung machen und den Menschen              Nach dem Pflanzen der Bäume ist
                         um uns herum beizubrin-           eine sorgsame Pflege sehr wichtig,
               gen, wie man mit der Natur umgeht.          dazu gehört jäten, ausdünnen, zu-
               Von den Bäumen werden vie-                  schneiden, bewässern und Schutz
               le Menschen profitieren: Die Blät-          vor Feuer während der Trockenzeit.
               ter nehmen das Kohlendioxid auf             Für mindestens drei bis fünf Jahre
               und reduzieren die CO2-Belastung;           nach der Pflanzung ist eine regel-
               Der Baumbestand wird die Nieder-            mäßige Pflege erforderlich. Danach          Einer von vielen Setzlingen wird
               schlagsmenge pro Jahr erhöhen und           sind wir sicher, dass die Bäume von        ­ausgepflanzt

             HOCHRANGIGES TREFFEN: ORDEN IM AUSWÄRTIGEN AMT

                                                                               „Religion“ ist seit ein paar Jahren zum Thema der
                                                                               Außenpolitik geworden. Im Außenministerium gibt es
                                                                               deshalb seit kurzem ein neues Referat „Religion und
                                                                               Außenpolitik“. Jetzt waren fünf Vertreter der Deutschen
                                                                               Ordensobernkonferenz, die sich weltkirchlich-missi-
                                                                               onarisch engagieren, dort zum Meinungsaustausch
                                                                               geladen. Bei dem intensiv geführten Gespräch mit den
                                                                               Diplomaten ging es unter anderem um das Problem von
                                                                               sexualisierter Gewalt gegen Frauen und um Fragen der
                                                                               weltweiten Migration. Ministerialdirektor Dr. Andreas
                                                                               Görgen, Leiter der Abteilung „Kultur und Kommunika-
              Abtpräses Jeremias Schröder OSB (li.) in Berlin                  tion“ wollte etwas über „die kulturelle Intelligenz von

    10       missionsblätter 3 | 2019
INTERRELIGÖSER DIALOG IM IRAN UND IN RUSSLAND

                                                                                 che Haus von Ayatollah Khomeini.
                                                                                 Ich konnte verstehen, warum die
                                                                                 armen Volksmassen ihm zujubel-
                                                                                 ten. Er war ihr Mann. Zu unserem
                                                                                 Besuch gehörten auch verschiedene
                                                                                 Moscheen und auch die alte Per-
                                                                                 serstadt Persepolis.
                                                                                 Anfang Juli war ich als Mitglied
                                                                                 einer dreiköpfigen Delegation der
                                                                                 Hanns-Seidel-Stiftung in Kasan in
 Gespräch beim Nuntius in Teheran:
 v.l.: Abt Notker, Muhammad Shomali, Apostolischer Nuntius Leo Boccardi
                                                                                 Russland zu einem interreligiösen,
                                                                                 interkulturellen Austausch. Das wa-
                                                                                 ren sehr gute Erfahrungen. Die Be-
Im April fand der zweite Teil des          chen Fragen Vorträge hielten. Unser
                                                                                 völkerung ist zur Hälfte orthodox,
diesjährigen Treffens statt. Der erste     Thema war die Bekehrung, die auch
                                                                                 zur Hälfte muslimisch. Wir trafen
fand in England im Gedenken an den         im Evangelium die Hinwendung zur
                                                                                 mit Professoren der Universität und
Initiator, den im letzten Jahr ver-        Frohen Botschaft bedeutet, zunächst
                                                                                 muslimischen Vertretern zusammen.
storbenen Abt Timothy Wright von           die ganz persönliche Bekehrung. Ge-
                                                                                 Die Muslime fragten uns, warum das
Ampleforth, statt. Wir wollten aber        mäß der Aufforderung Jesu: „Kehrt
                                                                                 Zusammenleben von Muslimen und
die Iraner vor Ort nicht enttäuschen,      um und glaubt an das Evangelium“.
                                                                                 Christen in Deutschland so schwierig
so ist ein Teil der Gruppe in den Iran     Das ist der Weg der Mönche. Die
                                                                                 sei. Beim Wiederaufbau der Ka-
geflogen, unter anderen auch der           Muslime kennen eine ähnliche Auf-
                                                                                 thedrale von Kasan und einer gro-
Prior Administrator von Peramiho           forderung. Ihr ganzer Lebensweg
                                                                                 ßen Moschee haben beide Seiten
(Tansania) P. Sylvanus Kessy.              soll eine Bekehrung sein.
                                                                                 gemeinsam für- und miteinander
In Teheran führten wir Gespräche           In Teheran besuchten wir auch den
                                                                                 gesammelt, um die Kosten zu bewäl-
auch mit Vertretern der Armenier,          Palast des Schahs Reza Pahlavi,
                                                                                 tigen. Es gebe auch eine Reihe von
der evangelischen Gemeinde, der la-        der in seinem ganzen Prunk als
                                                                                 Mischehen zwischen Muslimen und
teinischen Pfarrei und dem Nuntius.        Museum erhalten wird. Als Kont-
                                                                                 Christen. Die Religionszugehörigkeit
In Qom waren noch drei deutsche            rastprogramm erlebten wir das äu-
                                                                                 der Kinder werde vor der Ehe aus-
Professoren dabei, die zu rechtli-         ßerst bescheidene, geradezu ärmli-
                                                                                 gehandelt, oder die Kinder könnten
                                                                                 sich als Erwachsene frei entscheiden.
                                                                                 Wir haben natürlich in Deutschland
                                                                                 eine Vielfalt an muslimischen Rich-
Ordensgemeinschaften“ in aller Welt wissen. Und er räumte ein: „Wir
                                                                                 tungen und keinen Dachverband.
wissen noch zu wenig darüber, was die Orden an strukturellen Leistun-
                                                                                 Dort sind es praktisch lauter Sunni-
gen, zum Beispiel im Bereich der Gesundheit und der Bildung in die
                                                                                 ten, die schon im 9. Jahrhundert aus
Gesellschaften einbringen.“ Da war es gut, dass mit Abtpräses Jeremias
                                                                                 Bulgarien eingewandert sind. (Abt
Schröder von St. Ottilien insgesamt fünf Ordensleute, darunter P. Niko-
                                                                                 Notker Wolf OSB)
demus Schnabel OSB, mit Erfahrungen von allen Kontinenten an dem
Gespräch teilnahmen.                                                             Eine interessante BR-Radiosen-
Interessierte Zuhörer und Gesprächspartner waren Botschafter Dr. Vol-            dung dokumentiert den Besuch
ker Berresheim, Leiter des Referates Religion und Außenpolitik, Stefan           im Iran. Unter folgendem Link
Willmutz und Can Yunus Öc, beide Referats-Mitarbeiter, sowie Wiebke              zum Nachhören: www.br.de/
Rückert, Leiterin des Referates Menschenrechte und Genderfragen.                 radio/bayern2/programmkalender/
(A. Salmen)                                                                      sendung-2387446.html

                                                                                                missionsblätter 3 | 2019   11
Spannender als mancher Kriminalroman

               Die faszinierende Geschichte
               von St. Ottilien                                                                                            Text: Dr. Sigrid Albert

               Dr. Sigrid Albert erforscht die Geschichte des Klosters und seiner Gründungen im Ausland. 42 Kapitel
               umfasst die Historia Ottiliensis bereits. Das Besondere daran: Ihre Erkenntnisse verfasst sie in lateinischer
               Sprache. Zuletzt widmete sie sich den Schulgründungen der Missionsbenediktiner im südlichen Afrika.

               130 Jahre Missionsbenediktiner!          Ausgangspunkt der Veröffentli-              tragfähige Fundament der Kongre-
               Das verlangt geradezu nach einer         chung sind die lateinisch verfassten        gation gelegt. Bei allem gibt es viele
               ausführlichen historischen Darstel-      Artikel in der Zeitschrift Vox ­Latina.     hochinteressante Einzelaspekte. Als
               lung. Dieser Grundgedanke hat mich       Zielpublikum dieser Abhandlungen            ein Beispiel sei nur die Entfal-
               im Jahr 2004 dazu gebracht, mich         ist eine internationale, am aktiven         tung der ostafrikanischen Missi-
               näher mit der Geschichte der Erzab-      Gebrauch des Latein interessier-            on genannt, deren Schicksal im
               tei St. Ottilien und ihrer Kongrega­     te Leserschaft. Für die Publikation         sog. „­Maji“-Krieg, ihr Wiederaufbau
               tion zu beschäftigen. Wegen der          in Buchform werden diese Artikel            danach, die gesamte Missionskon-
               sehr weit gespannten Themenberei-        überarbeitet und zum Teil wesent-           zeption, der Rückschlag durch den
               che, der Erfolge und der Hindernisse     lich erweitert. Neben den lateini-          1. Weltkrieg und der Kampf um den
               in der Entwicklung, der Missionstä-      schen Bänden gibt es jeweils auch           Erhalt der Benediktiner-Mission.
HEIMAT

               tigkeit, der Auseinandersetzung mit      eine deutsche Version. Der schon
               den politischen Gegebenheiten zu         erschienene erste Band umfasst also         Inzwischen haben sich auch einige
               Hause und in der Mission ist die Ge-     die Gründungsphase St. Ottiliens,           «Parallelprojekte» ergeben. Dazu ge-
               schichte St. Ottiliens oft spannender    die Übernahme des ersten Missi-             hört die Herausgabe der Tagebücher,
               als mancher Kriminalroman.               onsgebietes in Ostafrika, die Kon-          die Erzabt Norbert Weber auf sei-
                                                        solidierung der Gründung bis zur            nen verschiedenen Visitationreisen
               Grundlage der Forschung ist das          Errichtung der Abtei. Band zwei             in die Mission verfasst hat. Diese
               sehr umfangreiche Archivmaterial,        und drei sind gerade in Vorbe-              Texte erschließen vertiefte Einblicke
               das gesichtet und verarbeitet wer-       reitung. Hier geht es um die Zeit           in die historischen Abschnitte. Da
 Lehrlinge     den muss. Das meiste davon befin-        unter Erzabt Norbert Weber. Natür-          die Tagebücher alle stenographiert
 in der        det sich im Klosterarchiv von St.        lich wird die ereignisreiche innere         sind, transkribiert Br. Tobias Moos
 Schreinerei   Ottilien. In enger und sehr frucht-      Entwicklung der Erzabtei darge-             OSB die Texte. Diese Übertragungen
 von           barer Zusammenarbeit mit Br. David       stellt, wobei trotz aller Erfolge auch      bilden die Grundlage der Ausgaben.
 Inkamana –
               Gantner OSB, dem Archivar der            die verschiedensten Probleme gelöst         Das erste Ergebnis liegt im Band
 Tirones in
 opificina     Erzabtei, entsteht so eine breit ange-   werden mussten. In diese Zeit fallen        „Mission im Krieg“ vor. Dies war
 lignaria      legte und auch in die Tiefe gehende      weiterhin viele Gründungen und die          nur ein kurzer Einblick in die «his-
 stationis     Darstellung der Geschichte zu Hause      Übernahme neuer Missionsgebie-              torische Werkstatt». Die Arbeit geht
 Inkamana      und in der Mission.                      te. Dadurch wurde das noch heute            weiter. Und es bleibt spannend!
 operantes

                                                                            Dr. phil. Sigrid C. Albert
                                                                            Historikerin und Latinistin, lehrt Soziologie und Kulturwissenschaften
                                                                            an der Universität des Saarlandes. Sie beschäftigt sich speziell mit
                                                                            dem aktiven Gebrauch der lateinischen Sprache und ist Herausgeberin
                                                                            und Redakteurin der lateinischen Zeitschrift VOX LATINA.
                                                                            Die Geschichte der Erzabtei auf Lateinisch (derzeit von 1884 - 1930)
                                                                            und auf Deutsch sind zum Nachlesen:
                                                                               https://erzabtei.de/historiaottiliensis
                                                                            Eine deutsche Übersetzung der Zeit von 1884 bis 1902 ist bereits
                                                                            unter dem Titel »Intus monachi, foris apostoli« im EOS-Verlag erschie-
                                                                            nen, der zweite Sammelband erscheint demnächst. Im Exerzitienhaus
         12    missionsblätter 3 | 2019                                     bietet Dr. Sigrid Albert Praxiskurse in neulateinischer Konversation an.
Gemeinsam                                                                                         „Wir sind auch dankbar
                                                                                                  für die Erfahrungen, die uns
                                                                                                    bewusst gemacht haben,

  weite Wege schaffen                                                                            wie gut wir es in Deutschland
                                                                                               eigentlich haben und dass wir das
                                                                                              jetzt viel mehr zu schätzen wissen.
                                                                                                    Ich denke für jeden von
                                                                                                 uns war Tansania einfach eine
Spendenlauf am Rhabanus-Maurus-Gymnasium                                                       unglaubliche Erfahrung“ schreibt
                                                                                                 eine Schülerin im Reisebericht
Der Funke ist übergesprungen, das war beim Spendenlauf am Rhabanus-­                                   (nachzulesen unter:
Maurus-Gymnasium ganz deutlich zu spüren. Im Juli haben Schüler, Lehrer                         https://ndanda2019.jimdofree.
                                                                                             com/2019/07/21/tansania-2019/ )
und Eltern ­große Gemeinschaftsaktion zu Gunsten der Babyintensivstation                          Auf dem Banner haben sich
auf die Beine gestellt, ­damit kranken Säuglingen und Kleinkindern in T­ ansania                 alle Läufer mit einem bunten
                                                                                              Fingerabdruck verewigt. Ottilianer
das Leben gerettet werden kann (Mbl 1/2019). Br. Jesaja plant derzeit den                      Schüler haben es Anfang August
Aufbau einer speziellen ­Intensivstation im Krankenhaus der Abtei Ndanda;                      mit ihren Lehrern Renate Dietzel
                                                                                                 und P. Theophil nach Ndanda
dabei wird er vom Kloster, dem RMG und der Vereinigung der ehemaligen                              gebracht und dort vor der

                                                                                                                                         HEIMAT
Schüler Confoederatio Ottiliensis unterstützt. Durch den S­ pendenlauf, an                      Kinderstation den Müttern und
                                                                                                       Kindern übergeben.
dem die Schüler der fünften, sechsten, siebten und achten Jahrgangsstufe
teil­genommen haben, konnten 30.207 Euro für das Projekt zu Gunsten der
                                                                                                    Text: P. Theophil Gaus OSB,
Intensivstation für Säuglinge und Kleinkinder gesammelt werden.                           Br. Jesaja Sienz OSB, Stefanie Merlin

Der in Ndanda für das Projekt ver-      werden. Für alle schwerkranken           Im August waren dann vierzehn
antwortliche Arzt, Br. Jesaja Sienz     Neugeborenen, für Frühgeborene           Schülerinnen und Schüler (sog.
OSB, ist gerade auf Heimaturlaub        und schwerkranke Kinder bauen wir        W-Seminar „Tansania“) des Ottili-
in St. Ottilien und konnte sich daher   in Ndanda gerade eine Baby-Inten-        aner Gymnasiums mit P. Theophil
persönlich im Namen seiner Pati-        sivstation. Im Jahr 2017 sind bei        Gaus OSB und Lehrerin Renate Diet-
enten bei den Schülern und ihren        uns 65 Neugeborene, sieben Mütter        zel zu Besuch in der Abtei Ndanda,
Sponsoren bedanken: „Ganz beson-        bei der Geburt und 29 Kleinkin-          um das Kloster und Krankenhaus der
deren Dank an Sportlehrer Florian       der und Kinder verstorben. Diese         Missionsbenediktiner in Tansania
Mühlberger und an die SMV, ver-         Zahlen und die damit verbundenen         kennenzulernen. „W“ steht hierbei
treten durch Lena Prassler, die die     Schicksale könnten wir deutlich re-      für „wissenschaftspropädeutisch“:
Idee und Initiative zu dieser Aktion    duzieren, wenn eine Versorgung der       Jeder Schüler schreibt hier eine klei-
hatte. Danke allen Spendern.“           Babys auf einer Intensivstation, mit     ne Arbeit von zehn bis 15 Seiten mit
Über seine Arbeit im tansanischen       entsprechendem Material und quali-       anschließender Präsentation über
Krankenhaus berichtete er den           fiziertem Personal sichergestellt ist.   sein oder ihr „Forschungsprojekt“.
Schülern: „Pro Tag haben wir etwa       Die Vorbereitungen für die Bau-          Die zu erforschenden Themen bezo-
acht bis zehn Geburten im Hospi-        arbeiten haben bereits begonnen,         gen sich diesmal auf Tansania, oft
tal, pro Jahr sind das rund 2.300       und wir haben schon einen ganzen         auf Ndanda und die Region.
Babys. Im Jahr 2017 hatten 260          Container mit Material zusammen-         Das Seminar, das ins Abitur ein-
Babys ein Geburtsgewicht von unter      gestellt. Dieser wird in den nächsten    fließt, leitet P. Theophil. Es ist be-
2.500 Gramm und 513 Neugebore-          Tagen verschifft und in circa zwei       reits das vierte Mal, dass eine Schü-
ne mussten stationär aufgenommen        Monaten in Ndanda ankommen.“             lergruppe nach Tansania reiste.

                                                                                                  missionsblätter 3 | 2019          13
Mittagshore –                                                                                      Neue Serie:
                                                                                                                 Beten verbindet

              den Grundton anschlagen
              Wenn zu den Festtagen, bald mit neun Glocken, die große Salvatorglocke mit 5250 Kilogramm mit
              ­einschwingt und das Mittagsgebet der Mönche ­ankündigt, bildet sie den Grundton für den ganzen
               Klangkörper dieses wunderbaren G
                                              ­ lockenensembles.
               Den Grundton in unserem Leben immer wieder anklingen zu lassen, macht unser L­ eben stimmig
               und wohl ausgerichtet. Ihn auch in der Tagesmitte anzuschlagen, e­ rinnert uns an unser tiefstes
              ­menschliches Dasein.                                                                  Text: P. Claudius Bals OSB

              Romano Guardini sagt einmal, wenn wir in den Tag nur       Lange Zeit war es für viele Gläubige der Engel des
              hineinstolpern, dann wird der Tag zu einem Fetzen Zeit,    Herrn zur Mittagsstunde um 12 Uhr.
              den wir irgendwie ohne Form und Prägung durchbrin-         Für Sie, liebe Leser, von denen viele noch mitten im
              gen. Wenn wir Mönche uns eine Viertelstunde für die        Beruf stehen, kann es bei der heutigen Arbeitssituation
              Mittagshore Zeit nehmen, so entspricht das unserem         ein Augenblick des Durchatmens sein, bei dem Sie auf
HEIMAT

              besonderen Leben mit Gott. Wenn Sie, liebe Leser, als      diesen Grundton hören.
              unsere Freunde an unseren Tagesrhythmus denken,
              dann können Sie diese Zeit für das Gebet wahrschein-
              lich nicht aufbringen. Aber sie können den Grundton
                                                                         Chance – keine Pflicht
              Ihres Lebens anschlagen, zum Beispiel mit einem Kreuz-     Diese Pflege unserer religiösen Erfahrung wird auch
              zeichen, wenn sie sich vom Bett erheben oder schlafen      seine Früchte zeigen. Es beruhigt in Hektik und Stress,
              gehen, oder mit einem Gedanken, wenn es ein Augen-         macht auf ein gutes Miteinander aufmerksam und
              blick während des Tages erlaubt. Es kommt nicht darauf     schenkt uns einen Augenblick der Verbundenheit mit
              an, wie lang Sie beten, sondern wie tiefgründig Sie den    unseren Lieben bei ihrer Aufgabe und Arbeit. Der
              letzten Sinn des Lebens erfahren und ihn ganz bewusst      Tagesrhythmus mit Gott ist weder eine Pflicht noch
              aufnehmen.                                                 eine Frömmelei, sondern die Chance, meinem Leben ein
                                                                         Gesicht zu geben und den Inhalt bewusster zu prägen.

              Meine Einmaligkeit a­ nnehmen
              Dieser Augenblick lädt uns immer wieder ein, die unbe-
                                                                         Die Erfrischung
              greifliche Größe des göttlichen Geheimnisses aufleuch-     Dr. Stefan Straub, Lehrer für Deutsch und Religion am
              ten zu lassen, meine Einmaligkeit vor Gott zu spüren,      Rhabanus-Maurus-Gymnasium in St. Ottilien, kommt
              sie anzunehmen und, wie ich sie in diesem Moment           nach Möglichkeit gerne dazu. Wenn er gerade Unter-
              persönlich erfahren kann, zum Ausdruck zu bringen:         richt hält, hat er eine Form des Innehaltens gefunden,
              Dank, Lob, manchmal auch verzweifelte Bitte. Glaube        die auch seine Schüler schätzen: „Die Mittagshore be-
              kann nur zur Freude werden, kann sich nur als Kraft        deutet mir sehr viel!
              erweisen und als Hilfe dienen, wenn ich dabei bleibe,
              ihn zu pflegen.
                                                                                               Vom Arbeitsplatz in die Kloster­kirche:
              Der Ton des Urvertrauens in das unbegreiflich, oft nicht
                                                                                                    kurz vor 12 Uhr unterbrechen die
              verstehbare Geheimnis der Liebe Gottes, soll uns auch                            ­Mönche ihre Arbeit und kommen aus
              untertags begleiten. Für die Mönche ist es die Zeit der                            allen Richtungen zum Mittagsgebet
              Mittagshore.                                                                       zusammen. Zur Zeit der Aufnahmen
                                                                                               waren benediktinische Studenten aus
                                                                                                              drei Kontinenten dabei. o

         14   missionsblätter 3 | 2019
Einmal die Woche gelingt es mir inzwi-       ich draußen bin, haben sie mich wieder – die Gedanken
                  schen, in einer Freistunde, um 12 Uhr in     und Sorgen und mein kleines Leben. Aber ich fühle mich
                  die Klosterkirche zu stehen. Die Hälfte      anders, frischer, wacher, fröhlicher! Etwas hat mich an-
                  des Tages ist vorüber, ich bin müde,         gesprochen, hat mich gemeint in dem Sinn: Es ist gut,
                  vergraben in meine eigenen Gedanken.         dass ich mit diesem kleinen Leben auf der Welt bin!
                  Es gelingt mir nicht, meinen Kokon aus       Genau das ist es, was ich meinen Schülerinnen und
Dr. Stefan Straub Sorgen, Wünschen, Sehnsüchten aufzu-         Schülern auf dem Rhabanus-Maurus-Gymnasium mit-
                  brechen. Aber gerade jetzt täte es so gut,   geben möchte. Deshalb lassen wir, wenn die Mittagsho-
einmal von mir Abstand zu nehmen – und wenn auch               re in meine Unterrichtszeit fällt, beim Angelusläuten die
nur für wenige Minuten! Da läuten die Glocken, die             Stifte fallen, unterbrechen den Diskurs, egal, wie wich-
Mönche stehen schon auf und der murmelnde Gesang               tig er gerade ist, lehnen uns zurück oder nach vorne,
hebt an.                                                       entspannen und hören dem Glockengeläut einfach zu.
Es ist jedes Mal die gleiche Erfahrung: Die Sprachbilder       Den Lernenden macht das Freude – nicht nur, weil zwei,
der Psalmen, manchmal auch nur ein einziger Vers, ein          drei Minuten Unterricht ausfallen, wird mir glaubwür-
einziges Wort bloß setzen sich fest, etwas daran lässt         dig versichert. Und ich spüre tatsächlich den anderen
mich nicht mehr los, ich schmecke dem Impuls nach –            ‚Wind‘, der danach durchs Klassenzimmer weht.
und bin weg von mir. Endlich! Die Erfrischung! Es gibt         Deshalb ist es für mich als Lehrer an dieser Schule auch
auch noch ein Leben neben dem Schulstress, neben der           so wichtig, dass endlich alle neun Glocken bald wieder
fordernden Achtsamkeit für meine Schüler, neben der            erklingen. Da bin ich ganz egoistisch! Eine Mittagshore
Dauerbeanspruchung.                                            ohne Läuten – das ist wie ein Brief ohne Anrede!“
Dann ist alles vorüber, die Mönche haben im meditati-          Stefan Straub unterrichtet Deutsch und
ven Gang die Klosterkirche verlassen und noch bevor            Religion am Rhabanus-Maurus-Gymnasium

                                                                                                                                  HEIMAT
         Hymnus

         D        er Tag strebt seiner Höhe zu, der Mittag ruft uns zum Gebet:
                  wir loben Gott und bitten ihn um Segen für den heil'gen Dienst.
         O wahre Sonne dieser Welt, vor dir verblasst des Mittags Schein;
         die Menschheit ist durch dich erlöst, die Welt erstrahlt verklärt im Licht.
         Vollenden wir den Lebenslauf, nimm uns in deine Liebe auf,
         dass unser Herz dich ewig preist, Gott Vater, Sohn und Heil'ger Geist.
         Amen

                                                                                                  missionsblätter 3 | 2019   15
Erntedank
              Frisches aus der Klostergärtnerei                                                               Text: Stefanie Merlin

              Der Winter würde sicher nicht mehr lange auf sich warten lassen; und so drängte
              Br. Romuald im Jahr 1895 auf die zügige Fertigstellung eines ersten Glashauses für die
              Ottilianer Gärtnerei: „denn er fürchtet mit Recht für seine mühsam gezogenen Blumen
              oder für seine erbettelten Stecklinge, die er vor kurzem von Freiherr von Perfall erhielt“
              heißt es in der Bauchronik der Erzabtei „Lebendige Steine“ (2008, St. Ottilien).

                                                                                      Morgens geerntet,
              Die Anfänge                                                             mittags auf dem Teller
              Ende Oktober desselben Jahres erhielt das erste Glas-                   Ob Exerzitiengast, Mönch, Mitarbeiter, Tagesheimschü-
              gewächshaus sein Dach und der Gärtnerbruder konnte                      ler, Lehrer – alle kommen in den Genuss von Obst und
              beruhigt sein. Es stand auf der Ostseite des Klosterge-                 Gemüse, das vor Ort wächst: gartenfrischer Salat, Otti-
              bäudes unweit der heutigen Gärtnerei. Mit den neuen                     lianer Birnen oder Karottengemüse entgeht niemandem,
              Möglichkeiten zur Saison-Verlängerung und dem stei-                     der in Ottilien isst.
              genden Bedarf an Obst und Gemüse wurden die Flächen                     Dafür sorgt neben den Köchinnen und Köchen das
              und Gebäude der Gärtnerei beständig erweitert. Im                       Gärtner-Team: Mönche und Mitarbeiter ergänzen sich
HEIMAT

              Frühsommer 1962 entstanden dann die heute noch ge-                      mit ihren breit gefächerten Fähigkeiten. Auf einer
              nutzten Glashäuser an der Straße zum Bahnhof. Damals                    Fläche von rund zwei Hektar kümmert sich Johannes
              leitete der tatkräftige Br. Bruno die Gärtnerei und der                 Bader aus Windach um die Gemüseproduktion. Dabei
              Klosterchronist lobt die Leistungsfähigkeit der Gärtnerei               helfen ihm drei feste Mitarbeiter, ein Asylbewerber aus
              „auch im Winter (…) durch Belieferung der Küchen mit                    dem Haus St. Florian, der im Exerzitienhaus angestellt
              frischem Gemüse“. Das waren vor allem Wurzelgemüse                      ist und manchmal im Gewächshaus aushilft. Im Som-
              und Kohlsorten, berichtet Br. Alto Schmidt, der heute                   mer und zur Erntezeit trifft man auch den früheren
              für die Gärtnerei, den Obstbau, Mosterei und Brenne-                    Klostergärtner Br. Leonhard zwischen den Tomaten-
              rei verantwortlich ist. Damals wurde auch noch viel                     pflanzen an. Er ist inzwischen 75 Jahre alt, aber wenn
              Obst und Gemüse in der Klosterküche eingemacht. Das                     in Stoßzeiten viele Hände gefragt sind, hilft er, wo es
              hauseigene Sauerkraut gibt es noch heute – dafür kom-                   nötig ist, wie beim Tomaten-Ausgeizen und -Aufleiten.
              men Liebhaber des frischen fermentierten Kohls in den                   Unverzichtbar in den Gewächshäusern sind auch „Mit-
              Hofladen und holen sich dort ihre Portion Herbst und                    arbeiter“ wie Hummeln und Marienkäfer: die einen sind
              Winter-Vitamine.                                                        für die Bestäubung, die andern gegen Blattläuse nütz-
                                                                                      lich, erklärt Johannes Bader.

                          Im Obstbau und in der Mosterei
                    ergänzen sich Br. Alto und Br. Erwin,
                        Br. ­Nikolaus hilft dabei. Br. Fabian
                    kümmert sich zu jeder Jahreszeit um
                         die Pflege der Außenanlagen und
                        die Kirchenfloristik. Er versteht es,
                        aus Blüten und Zweigen, die beim
                    Strauchschnitt anfallen, wunderbare
                      ­Ikebana-Gestecke zu zaubern. Seit
                  vielen Jahren kümmert sich Josef Jaud         v.l. Postulant Daniele Lupardi, Johannes Bader, Br. Fabian, Br. Nikolaus, Mitarbeiter
                       um die Pflege des Klosterfriedhofs       ­Hermann Hartl und Fabian Thienel (nicht im Bild Mario Traunfelder), Br. Alto, Josef Jaud

         16   missionsblätter 3 | 2019
Aus Garten und Gewächshaus: Tomaten, Wassermelone, Kohlröschen

Ideal für den Gemüseanbau sind die nach Süden aus-           Dass ihm sein Chef Br. Alto die Freiheit gibt, auch mal
gerichteten Flächen im Klostergarten, das vom Kirch-         was Neues auszuprobieren, gefällt Johannes Bader an
platz gut zu erkennen ist. Als die Mönche vor mehr als       seiner Arbeit. Mönche wiederum schätzen es, wenn
hundert Jahren den umfriedeten Klostergarten angelegt        er und sein Team die Flächen bestellen und wie in
haben, wussten sie um die Vorteile der Äcker in leichter     diesem Jahr mit großem Erfolg Wasser- und Honig-
Hanglage. Neben den langen Reihen des grüngelben             melonen pflanzen, so dass die Mönche in den Genuss
Rosenkohls steht hier im Herbst seit neuestem eine ver-      der sommerlichen Kürbisfrüchte aus eigenem Anbau
wandte Art von Kohl, der lilagrüne Flowersprout – zu         kamen. Paprika, Tomaten, Gurken, Kürbis, Auberginen,
deutsch „Kohlröschen“. Haben die Gärtner die kleinen         Blumenkohl, Bohnen, Salate, Rhabarber, Kräuter und
Röschen erst einmal in aufwendiger Handarbeit vom            vieles mehr wächst hier, dazwischen blühende Streifen
Stiel geschnitten, ist die Zubereitung ein Kinderspiel:      von Pflanzen, die im Herbst zur Gründüngung unter-
wenige Minuten in Salzwasser gekocht, ein paar               gepflügt werden. Nicht selten sieht man, wie sich die

                                                                                                                                        HEIMAT
Tropfen Olivenöl und Zitronensaft genügen, aus dem           Gärtner mit der Harke durch die Reihen arbeiten und so
Minikohl eine köstliche Beilage mit feinem nussigen          dafür sorgen, dass das Unkraut nicht Überhand nimmt.
Geschmack zu machen.                                         Morgens um fünf beginnen die Gärtner im Sommer mit
                                                             der Ernte. Vom Feld liefern sie anschließend auf kurzem
                                                             Weg an die Küchen und den Hofladen. Seit kurzem ist
  Obst und Gemüse                                            das Gemüse aus der Klostergärtnerei auch im Rewe
  aus dem Klostergarten gibt es im                           Eching am Ammersee zu bekommen. Außerdem schätzt
  ✿ Hofladen                                                 der Wirt des „Wangerbaur“ aus dem nahen Painhofen
  	Montag bis Donnerstag:                                   die Ottilianer Salate und das Gemüse. Wie seine Gäste
    8 – 11.30 Uhr und 13.30 – 17 Uhr                         bevorzugt er regionale Produkte.
    Freitag: von 8 – 17 Uhr                                  Im Winter plant und bestellt Johannes Bader die Sorten
    Samstag: 8 – 11.30 Uhr                                   für das kommende Jahr. In den Glashäusern wächst
    Telefon: 08193 / 71-280                                  derweil Feldsalat; und Karotten, Sellerie, rote Rüben
  	Das Angebot der eigenen Gartenprodukte                   werden nach Bedarf aus dem kühlen Lager geholt, ge-
    ­variiert je nach Saison                                 waschen und ausgeliefert.

  ✿    elbstbedienung rund um die Uhr:
      S
      Im früheren Verkaufsraum direkt an den
      Gewächshäusern an der Straße zum Bahnhof
      St. Ottilien je nach Saison eine Auswahl an
      Salaten, Gemüse, Blumen
                        ❀✿❀
   Wer das Obst aus dem Klostergarten am liebsten
   in flüssiger Form zu sich nimmt, den lädt Br. Alto
         im Herbst zu einer Schnapsverkostung
        in den Klosterladen ein: Termin wird auf
               www.ottilien.de veröffentlicht                                     Unkraut zwischen Schittlauch und Salat wird regelmäßig
                                                                                  mit der Hacke entwurzelt und bleibt als Gründünger liegen

                                                                                                   missionsblätter 3 | 2019       17
Rund um die Erzabtei
                                               Neues aus Sankt Ottilien

     ZUWACHS FÜR DIE GEMEINSCHAFT
     Am 29. Juni haben zwei jüngere Mitbrüder ihr zeitliches Ordensgelübde abgelegt.
     Hier erzählen sie, was sie ins Kloster geführt hat:

     Br. Lazarus Bartl                                                 Br. Nikolaus Kühn
     „Ich wurde im Sommer 1978 geboren und habe bis zu                 „1992 in der Hansestadt Lübeck geboren, wuchs ich
     meinem Eintritt in Andechs (in Sichtweite zum Bene-               auf der Ostseeinsel Fehmarn auf und wurde in der
     diktinerkloster auf dem Heiligen Berg) gelebt. In meiner          evangelischen Nikolaikirche getauft und konfirmiert. In
     Kindheit und Jugend war ich Ministrant in der Wall-               den Jahren 2011 und 2012 habe ich im Landtag Meck-
     fahrtskirche und wurde schon früh „benediktinisch“                lenburg-Vorpommern mein Freiwilliges Soziales Jahr
     geprägt. In Andechs habe ich mich als Sänger in der               geleistet. In dieser Zeit wuchs mein Interesse am christ-
     dortigen Chorgemeinschaft engagiert und Führungen                 lichen Leben. Mein Weg führte mich, ausgelöst durch
     übernommen. Nach meiner Mittleren Reife habe ich eine             die räumliche Nähe, zu einer evangelischen Freikirche.
     Ausbildung zum Bürokaufmann in einer Verlagsauslie-               Deren Betonung des alltäglich gelebten Glaubens und
     ferung abgeschlossen. Schon damals habe ich mir die               die Beschreibungen des Klosterlebens in Büchern von
     Frage gestellt, ob ein Leben als Mönch etwas für mich             Abtprimas Notker Wolf ließen meinen Entschluss wach-
     wäre. Nach einem ersten „Kloster-auf-Zeit“-Aufenthalt             sen, ein Leben im Kloster zu beginnen. Nach der 2015
     war diese Frage für mich allerdings abgehakt. 2005                abgeschlossenen Ausbildung zum Fachinformatiker bei
     habe ich dann „Theologie im Fernkurs“ abgeschlossen               Siemens in Erlangen besuchte ich erstmals Sankt Ottili-
     und mich beim Malteser Hilfsdienst als Ausbilder für              en im Rahmen eines „Kloster auf Zeit“-Kurses. Im Sep-
     Erste Hilfe, Einsatzsanitäter und Kriseninterventions-            tember 2017 trat ich in das Kloster Sankt Ottilien ein.
     helfer engagiert. Die Frage nach einem Leben im Kloster           Seit dem Ende des Noviziatsunterrichtes im Mai dieses
     hat mich allerdings nicht losgelassen. Mein Weg führte            Jahres arbeite ich halbtags in der Informationstechnik
     deshalb nach Niederaltaich, wo ich dann 2014 meine                des Klosters und halbtags in den Obstgärten und Au-
     Oblation abgelegt habe. Im Herbst 2015 habe ich dann              ßenanlagen.“
     bei Kloster-auf-Zeit in St. Ottilien teilgenommen, und
     mir war sofort klar: Wenn du ins Kloster gehst, dann
     hier. Es hat dann noch einige Zeit gedauert, bis ich am
     13. Februar 2018 in St. Ottilien eingezogen bin. Am
     Hochfest der Apostelfürsten Petrus und Paulus durfte
     ich meine zeitliche Profess für drei Jahre ablegen - mein
     Professspruch lautet: „Bei dir ist die Quelle des Lebens,
     in deinem Licht schauen wir das Licht“ (Ps 36,10).“

                                                Die Neuprofessen
                                                   Br. Lazarus (li.)
                                             und Br. Nikolaus (re.)
                                       mit Erzabt Wolfgang Öxler

18   missionsblätter 3 | 2019
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