Mit Genossenschaften - DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 3-2022 - Genossenschaftsverband

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Mit Genossenschaften - DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 3-2022 - Genossenschaftsverband
GEN AL
DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 3-2022

gesund                    mit Genossenschaften
Mit Genossenschaften - DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 3-2022 - Genossenschaftsverband
GEN AL   DAS MAGAZI
                                        N FÜR DAS GE

                 K
                                                    NOSSENSCHA
                                                              FTLICHE NE

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                                                                        TZWERK | 1-2
                                                                                    022

                                                                                                   Umfrage unter Leser*innen
                 nnekt
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                                                            haften

Umfrage unter Leser*innen:
Wie gefällt Ihnen GENiAL?
Liebe Leser*innen, wir möchten GENiAL nach Ihren Wünschen für Sie weiterentwickeln. Deshalb wol-
len wir von Ihnen unter anderem wissen: Wie gefällt Ihnen GENiAL? Was schätzen Sie besonders am
Magazin? In welchem Format möchten Sie GENiAL künftig lesen? Als gedruckte Ausgabe oder eher
als E-Paper oder beides?
    Wir freuen uns sehr, wenn Sie bei unserer großen Umfrage unter Leser*innen mitmachen und
unsere Fragen beantworten. Dafür brauchen Sie keine zehn Minuten. Sie müssen nur die Kamera
Ihres Smartphones auf den QR-Code richten und schon öffnet sich unser Fragebogen. Die Befragung
ist selbstverständlich anonym.
    Unter allen Teilnehmer*innen verlosen wir zwei Flutwein-Pakete von der Winzergenossenschaft
Mayschoß-Altenahr eG. Die Teilnahme am Gewinnspiel ist freiwillig.
Mit Genossenschaften - DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 3-2022 - Genossenschaftsverband
EDITORIAL

                                                                                Liebe Leser*innen,
                                                                                digital oder real? Diese Frage stellt sich gerade jetzt und für die künf-
                                                                                tigen (Post-)Pandemiezeiten. Tatsächlich hat das Virus der Digitalisie-
                                                                                rung in vielen Bereichen einen gewaltigen Schub verliehen. Denken
                                                                                wir nur daran, was digital plötzlich alles möglich ist: von der Videokon-
                                                                                ferenz mit Kolleg*innen und Kund*innen über den digitalen Campus
                                                                                bis hin zum digitalen Feierabendbier mit Freund*innen. In einer aktu-
                                                                                ellen, repräsentativen Befragung von Bitkom aber zeigt sich, dass die
                                                                                Mehrheit der befragten Arbeitnehmer*innen eine hybride Zukunft –
                                                                                also eine Kombination aus Präsenz und mobilem Arbeiten – wünscht.
                                                                                Und viele freuen sich nach der langen Zeit mit wenig Kontakten wie-
                                                                                der auf ganz reale Veranstaltungen. Auch im Genossenschaftsver-
                                                                                band war die Freude groß, als wir am 31. Mai endlich wieder in Prä-
                                                                                senz zum genossenschaftlichen Familientreffen, dem Verbandstag in
                                                                                der Alten Oper in Frankfurt, einladen konnten (Seiten 8­–10).
                                                                                    Im Fokus der Veranstaltung stand auch eine neue Trendstudie des
                                                                                Zukunftsinstituts in Zusammenarbeit mit dem Genossenschaftsver-
                                                                                band, die unter dem Titel „Aufbruch in die WIR-Ökonomie“ die Rol-
                                                                                le der Genossenschaften in Zeiten der Transformation durch Mega-
                                                                                trends beleuchtet. Einen dieser Megatrends, das Thema „Gesund-
                                                                                heit“, analysieren wir anhand genossenschaftlicher Beispiele in dieser
                                                                                Ausgabe (ab Seite 20).
                                                                                    Digital oder real? Die Frage stellt sich auch bereits seit Länge-
                                                                                rem mit Blick auf Lesevorlieben. Lesen Sie Ihre Tageszeitung am
                                                                                liebsten digital am Computer oder gedruckt am Frühstückstisch?
                                                                                Diese – und andere – Fragen stellen wir uns auch für GENiAL. Des-
                                                                                halb haben wir eine Umfrage gestartet, um Ihren Vorlieben, lie-
                                                                                be Leser*innen, noch besser gerecht zu werden. Zur Umfrage ge-
       Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V., sewcream/adobe.com

                                                                                langen Sie ganz schnell und digital über den QR-Code auf der lin-
                                                                                ken Seite. Und Mitmachen lohnt sich: Unter allen Teilnehmer*innen
                                                                                verlosen wir zwei Flutweinpakete von der Winzergenossenschaft
                                                                                Mayschoß-Altenahr eG.

                                                                                Viel Freude beim Mitmachen und Lesen

                                                                                Ihre
                                                                                Lisa König-Topf

                                                                                P.S. Über Lob, Anregung und Kritik freuen wir uns jederzeit unter           Lisa König-Topf
                                                                                genial@genossenschaftsverband.de                                            Abteilungsleiterin Presse- und
Fotos:Genossenschaftsverband

                                                                                                                                                            Öffentlichkeitsarbeit, Bereich
                                                                                                                                                            Kommunikation & Change,
                                                                                                                                                            Genossenschaftsverband –
                                                                                                                                                            Verband der Regionen e.V.
Foto:

                                                                                                                                                                    3-2022 | GENIAL | 3
Mit Genossenschaften - DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 3-2022 - Genossenschaftsverband
18                                         32                                       34

                                                                                          20
 Im Fokus:
 gesund
  mit Genossenschaften

In Kürze                                   Aus dem Verband                          Im Fokus
Deutsche zahlen weniger mit Bargeld   6   Impulse und Lösungen für morgen:         Gesund mit Genossenschaften             20
                                           Verbandstag 2022                    8
Spenden für Fluthilfeopfer:                                                         Gesundheit als gesamtgesellschaftliche
                                           Schülergenossenschaften –                Aufgabe                                 22
Frauenbildungs- und Tagungshaus            wie geht es weiter?                12
Zülpich wiedereröffnet                6                                            Quo vadis? Genossenschaften im
                                           Genossenschaften müssen sich             Gesundheitssektor:
Noch kein Alltag in der                    gegen Cyberangriffe schützen:            Interview mit Gründungsberater
Dr. von Ehrenwall’schen Klinik        7   Interview mit Verbands-IT-Experte        Dr. Thorsten Möller                     23
                                          Andreas Schmidt                    14
                                                                                    Umsorgt bis zum Schluss:
                                           Spendenaufruf:                           Hospiznetz Marburg geG                  24
                                           #standwithukraine                  16
                                                                                    Mehr als die rechte Hand:
                                           Mediation löst viele Konflikte           Hamburger AssistenzGenossenschaft eG 26
                                           in Unternehmen:
                                           Interview mit Verbands-Mediatorin        Leistungen der Familiengenossenschaft
                                           Stefanie Wagner                    17   werden stark nachgefragt:
                                                                                    Interview mit den Vorständen
                                           GenoHotels sind nun ein Trio       18   Jürgen Scholz und Henrik Gens           28
                                                                                    Salz auf der Haut: die Salzgrotte der
                                                                                    co op Minden-Stadthagen eG              29
                                                                                    Smarte Lösungen gemeinsam
                                                                                    voranbringen:
                                                                                    digital health transformation eG        30

4 | GENIAL | 3-2022
Mit Genossenschaften - DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 3-2022 - Genossenschaftsverband
INHALT

      Genossenschaften in Regionen

                                      Rheinhessen

Aus den Regionen
„Nachhaltigkeit sichert unsere
Überlebensfähigkeit“:
Interview mit Dr. Salome Zimmermann,
Edekabank                                           32
Was ist schön?
Die Bundessieger*innen
des Wettbewerbs „jugend creativ“                    34
easyGeno:
Erstregistrierung ist gestartet                     36

                                                                                                                           38
Preisverleihung BlaueBoje
am 11. September                                    37
                                                                             GENiAL reist nach Rheinhessen,
                                                                             kocht Rieslingsuppe, besucht
Aus der Reihe                                                                das Gutenberg-Museum und
World Wide Geno Web:                                                         lernt die zwölf Kartoffelsorten
AWADO Gruppe auf LinkedIn                           45                      der Bio-Familie-Rheinhessen eG
                                                                             kennen.
Cordula Senne und die Lupinen                       46

Impressum                                           44
Fotos: AkademieHotel Karlsruhe, Fynn, Edekabank, Bio-Familie-Rheinhessen eG; Sven, parallel_dream und sewcream/adobe.com

                                                                                                                           3-2022 | GENIAL | 5
Mit Genossenschaften - DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 3-2022 - Genossenschaftsverband
Bargeld verliert an Bedeutung
Anteil der Befragten, die in den letzten 12 Monaten
unterwegs folgende Zahlungsmittel genutzt haben*
                                                                                   Deutsche zahlen weniger mit
                                                                                   Bargeld
100                                                         2020    2021    2022   Deutschland gilt als Bargeldland. Doch in den letzten zwei Jah-
                72%                                                                ren ist der Anteil der Bar-Zahler*innen von 84 auf 72 Prozent
80                                                                                 gesunken. Das zeigt eine Auswertung von Statista Global Con-
                                                                                   sumer Surveys. Ein klarer Aufwärtstrend zeichnet sich jedoch
60                                                                                 bei den sogenannten Mobile Payments ab: So hat sich das
                                                                                   „Smartmonnaie“, das Bezahlen mit dem Smartphone, nicht nur
40                                                                                 beim Online-, sondern auch beim stationären Shopping etab-
                                                             13%                   liert. Wie eine Studie des ECC Köln, das sich auf digitalen Wis-
20                                                                                 senstransfer für den Handel konzentriert, feststellt, zahlt be-
                                                                                   reits heute ein Fünftel aller Kunden regelmäßig mit dem Smart-
0                                                                                  phone an der Ladenkasse. 59 Prozent der Konsument*innen
      Bargeld      Debitkarte Kreditkarte           Mobile     Prepaid-   Andere   wollen es künftig tun. Insbesondere bei den Zahlungen für Mo-
                                                   Payment      karte/
                                                              Gutschein            bilitätsangebote, zum Beispiel für Sharing-Fahrzeuge (37 Pro-
* Einzelhandel, Restaurant und andere Points of Sale                               zent), oder für den Ticketkauf im öffentlichen Nahverkehr (34
Basis: 2.100–4.500 Befragte (18–64 Jahre) in Deutschland;
Mehrfachantworten möglich
                                                                                   Prozent) hat das Smartphone teilweise schon das Portemon-
Quelle: Statista Global Consumer Survey                                            naie ersetzt.

„Es war großes Glück, dass keine
Menschen zu Schaden kamen“
Der normalerweise idyllisch fließende Rotbach sorgte im Juli vergangenen Jahres für eine
Flutwelle und zerstörte auch das Frauenbildungs- und Tagungshaus Zülpich.

B     esonders stark betroffen vom Hochwasser des Rotbachs war
      das Frauenbildungs- und Tagungshaus Zülpich e. V. im Kreis Eus-
kirchen, eine vor mehr als 40 Jahren eröffnete Einrichtung für Er-
                                                                                   gebäude waren komplett zerstört, die Wände stark in Mitleidenschaft
                                                                                   gezogen. Besonders das denkmalgeschützte Fachwerkhaus wurde
                                                                                   massiv beschädigt. Mehrere Wochen liefen bis zu 18 Bautrockner Tag
wachsenen- und Weiterbildung, die sich ausschließlich der feminis-                 und Nacht, bevor mit der eigentlichen Sanierung gestartet werden
tischen Bildung und Themen rund um Geschlechtergerechtigkeit und                   konnte. Bis Anfang des Jahres 2022 war der Betrieb daher komplett
Teilhabe widmet. Das Kollektiv lila_bunt hat den traditionsreichen Ort             eingestellt und das Haus geschlossen. „Viele, viele hilfsbereite und
2019 übernommen und bietet seitdem Bildungsurlaube, Seminare                       solidarische Unterstützer*innen und Fachkräfte waren in dieser Zeit
und Raum für Austausch, Lernen und Begegnung. Das junge Team                       vor Ort, um uns bei den Arbeiten zu helfen. Ohne diese Unterstüt-
von lila_bunt war bereits von der Corona-Pandemie stark betroffen                  zung hätten wir es niemals geschafft, lila_bunt wiederaufzubauen“, be-
und wurde durch die Folgen der Flut vor weitere große Herausforde-                 richtet Senf. „Dasselbe gilt für die finanzielle Unterstützung, die wir
rungen gestellt.                                                                   erhalten haben“, ergänzt sie. Der Genossenschaftsverband unterstütz-
     In der Flutnacht war eine Gruppe Jugendlicher für eine Freizeit zu            te die Bildungseinrichtung mit 10.000 Euro, die Spendengelder wur-
Gast im Bildungshaus. 15 Jugendliche, ihre pädagogische Betreuung                  den für Baumaterial und Handwerkerkosten eingesetzt.
sowie vier Personen von lila_bunt. Sie mussten die gesamte Nacht                        Seit Beginn des Jahres 2022 ist das Haus nun wieder geöffnet.
über im oberen Stockwerk ausharren, bis die Feuerwehr sie am Mor-                  Ein Gebäude ist komplett fertig saniert, ein zweites ist noch nicht re-
gen nach der Flutwelle bergen konnte. „Das Wasser stieg immer                      noviert, aber schon wieder nutzbar. Das denkmalgeschützte Fach-
weiter und es war zu befürchten, dass es auch noch das obere Stock-                werkhaus muss noch umfassend renoviert werden. „Wir hoffen und
werk erreichen würde“, erinnert sich Charlotte Senf, die zum lila-bun-             rechnen damit, dass wir bis Mitte des Jahres alle Schäden beseitigt
ten Kollektiv gehört. „Es war großes Glück, dass keine Menschen zu                 haben werden“, so Senf. Dann möchte sie sich endlich wieder auf fe-
Schaden kamen.“                                                                    ministische und queer-feministische Bildung, Beziehungen, Solidari-
     Die Schäden an den drei alten Gebäuden der Einrichtung waren                  tät, Vernetzung und Empowerment fokussieren, für die das Kollektiv
enorm. Alle Holzböden in den Erdgeschossen der beiden Seminar-                     steht.

                                                                                                           Fotos: Meltem Acartürk, lila_bunt, Dr. von Ehrenwall’sche Klinik
6 | GENIAL | 3-2022
Mit Genossenschaften - DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 3-2022 - Genossenschaftsverband
IN KÜRZE

 In Ahrweiler fehlt weiterhin viel Infrastruktur
 Der Sachschaden der Dr. von Ehrenwall’schen Klinik ist enorm und liegt bei circa 25 Millionen
 Euro. Rund 90 Mitarbeiter*innen der Klinik waren von der Flut auch zu Hause betroffen.

                                    D      en 145. Geburtstag hatten sich die Verantwortlichen der Dr. von Ehrenwall’schen
                                           Klinik in Ahrweiler sicher anders vorgestellt. Knapp ein Jahr nach der verheeren-

#solidahrität                       den Flutkatastrophe, nach der alle Bereiche der Klinik geschlossen werden mussten,
                                    sind auch weiterhin Teile davon auf andere Standorte im Umkreis verteilt. Nur nach
                                    und nach können Patient*innen wieder ambulant und stationär behandelt werden,
                                    kehrt der Alltag damit auch endlich für die Angestellten zurück. Auch die Spende des
                                    Genossenschaftsverbands in Höhe von 30.000 Euro hilft dabei.
                                         Vor der Flut gab es in dem Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychothera-
                                    pie, Neurologie und Psychosomatik Platz für 150 stationäre und 30 tagesklinische
                                    Patient*innen sowie 30 Rehaplätze. Nach der Flutnacht musste unter anderem auch
                                    ein kleines Hotel angemietet werden, um einen stationären Bereich für etwa 20 Per-
                                    sonen anzubieten. Die Versorgung der Patient*innen sicherzustellen war aufwendig,
                                    aber nötig, betont Heike Heideck, Vorsitzende des Fördervereins der Klinik: „Durch
                                    die Flut ist ein Teil der Bevölkerung hier im Ahrtal traumatisiert. Wenn jemand vor-
                                    her schon psychisch belastet war, ist diese Belastung durch die Katastrophe natürlich
                                    nicht kleiner geworden. Die Flutnacht bereitet den Menschen starke Sorgen, viele ha-
                                    ben Angst, bei Regen ihre Häuser zu verlassen.“
                                         In der Klinik selbst kamen keine Menschen zu Schaden, alle Patient*innen konn-
                                    ten mit privaten Pkws evakuiert und zu Sammelpunkten gebracht werden. „Die Nacht
                                    war einfach gruselig. Es hat geregnet, geregnet und geregnet. Das Wasser stieg,
                                    stieg, stieg. Das Telefonnetz war irgendwann zusammengebrochen und der Kontakt
                                    untereinander war nur mit Walkie-Talkies möglich“, erinnert sich Heideck. „Die Zerstö-
                                    rungskraft des Wassers war entsetzlich. Bei Tageslicht sah es aus wie nach oder im
                                    Krieg, Mauern waren weg, Holz, Müll, Tanks und anderes schwamm überall“, ergänzt
                                    sie. „Schlamm, Diesel, Benzin und den ganzen Unrat nicht nur zu sehen, sondern vor
                                    allem auch zu riechen, ist furchtbar.“ Überwältigend war für sie die Hilfsbereitschaft
                                    der Menschen, die sogar aus den Niederlanden kamen: „Sie kamen einfach vorbei,
                                    fragten, was zu machen ist, und haben angepackt. Manche hatten sogar Urlaub ge-
                                    nommen, um zu helfen. Wenn wir diese Hilfe nicht gehabt hätten, wären wir bei Wei-
                                    tem nicht so weit.“ Doch bis alle Schäden behoben sind und die Infrastruktur, zum
                                    Beispiel Straßen und Wärmeleitungen, wiederhergestellt ist, wird noch viel Zeit ver-
                                    gehen. Heideck: „Die Weinberge auf der einen Seite sind grün, aber schaut man her-
                                    unter zur Ahrseite bleibt es gruselig.“

                                                                                                         3-2022 | GENIAL | 7
Mit Genossenschaften - DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 3-2022 - Genossenschaftsverband
VERBANDSTAG 2022 IN FRANKFURT:

                      „Impulse und
                      Lösungen für
                      morgen“
8 | GENIAL | 3-2022
Mit Genossenschaften - DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 3-2022 - Genossenschaftsverband
AUS DEM
                                                                         VERBAND

                                      Genossenschaftliche Talkrunde zum Thema „Impulse für die
                                      Zukunft“: Mit dabei (v.l.n.r.) Vorstandsvorsitzender Ingmar
                                      Rega, Dr. Katja Leppin, Vorständin der Agrargenossenschaft
                                      Görike-Schönhagen, Sophia Gröting, Nachhaltigkeitsverant-
                                      wortliche der VR-Bank Westmünsterland, Johannes Damerau
                                      und Johanna Bitz von der Schülergenossenschaft
                                      Walforma eSG mit Moderatorin Corinna Egerer.

                                      E
                                                       ine starke Verbandsfamilie – Impulse und
                                                       Lösungen für morgen“: Unter diesem
                                                       Motto standen in der Alten Oper in Frank-
                                                       furt der Rückblick auf ein insgesamt er-
                                                       folgreiches Wirtschaftsjahr 2021 sowie
                                                       Impulse und Lösungen des Verbandes
                                      für seine rund 2.600 Mitgliedsunternehmen an. Weiteres
                                      wichtiges Thema war außerdem eine aktuelle Studie des
                                      Zukunftsinstituts „Aufbruch in die WIR-Ökonomie“, die
                                      zeigt, wie Genossenschaften Antworten auf die Mega-
                                      trends unserer Zeit für den ländlichen Raum geben.
                                          „Ein immer noch stark von den Auswirkungen der
                                      Corona-Krise geprägtes Jahr 2021 konnten wir als Ver-
                                      bandsfamilie wirtschaftlich sehr zufriedenstellend ab-
                                      schließen. Wir sind finanziell sowie betriebswirtschaftlich
                                      stabil aufgestellt“, erklärte Vorstandsvorsitzender Ingmar
                                      Rega in seinem Vorstandsbericht.
                                          „Die Kreditgenossenschaften haben sich in den letz-
                                      ten zehn Jahren sehr positiv entwickelt und damit die
                                      besondere Resilienz der genossenschaftlichen Unter-
                                      nehmensform auch als Banken unterstrichen. Sie haben
                                      sich 2021 abermals als die Stabilitätsanker in ihren Regio-
                                      nen erwiesen. Gleiches gilt für die Spezialbanken und für
                                      ihre jeweilige Klientel“, betonte der stellvertretende Vor-
                                      standsvorsitzende Siegfried Mehring.
Im direkten Austausch und aus ers-        Vorstandsmitglied Marco Schulz gab einen Überblick
                                      über die wichtigsten Entwicklungen der Fachvereinigun-
ter Hand: Alles, was sich unter dem   gen der Agrargenossenschaften sowie der Landwirt-
                                      schaftlichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaf-
Dach des Verbandes tut, konnten die   ten. Sein Fazit: „Die genossenschaftlichen Unterneh-
                                      men im systemrelevanten Sektor Landwirtschaft haben
Mitglieder Ende Mai auf dem Ver-      2021 eindrucksvoll ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis
                                      gestellt.“
bandstag erfahren.                        Gleichzeitig betonte er, dass die Landwirtschaft als
                                      Grundlage unserer Versorgungsicherheit auch ein wichti-
                                      ger Teil einer aktiven Friedenpolitik ist. Schulz: „Eine Pro-
                                      duktionssteigerung auf unseren Gunststandorten kann
                                      mithelfen, eine Hungerkrise in der Welt zu vermeiden.
Foto: Torsten Silz

                                                                           3-2022 | GENIAL | 9
Mit Genossenschaften - DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 3-2022 - Genossenschaftsverband
AUS DEM VERBAND

                                                Trendforscherin Anja Kirig vom
                                                Zukunftsinstitut hielt einen Vortrag
                                                über „Die Rolle von Genossen-
                                                schaften im Rahmen der Trans-
                                                formation zur sozial-ökologischen
                                                Marktwirtschaft“.

Sophia Gröting ist Nachhaltigkeitsbeauftragte
der VR Bank Westmünsterland, die bis 2025
klimaneutral sein will.

Johannes Damerau ist im Vorstand der Walforma
eSG, die an der Freien Waldorfschule Mainz
einen Freitagsmarkt mit Bio-Backwaren, -Obst,
und -Milchprodukten gegründet hat.              Die AWADO Gruppe lud im Foyer an Ständen zum Gespräch ein. Hier Vorstand Marco Schulz mit
                                                Theresa Zicker (links) und Kati Büttner-Janner von der AWADO Agrar- und Energieberatung.

10 | GENIAL | 3-2022
Eine starke Verbandsfamilie präsentierte sich zum genossenschaftlichen Familientreffen in der Alten Oper (v.l.n.r.): Die Vorstände Marco Schulz, Ingmar
                      Rega (Vorsitzender), Siegfried Mehring (stellvertretender Vorsitzender) und Peter Götz berichteten über die Entwicklungen in den Fachvereinigungen.
                      Dr. Peter Hanker (Mitte) leitete als Verbandsratsvorsitzender den Verbandstag.

                      Dies gilt besonders für die Agrargenossenschaften als hocheffiziente               „Genossenschaften kommen schnell vom Wollen ins Machen,“
                      Großbetriebe“. Die zukünftige Ausrichtung der heimischen Landwirt-            betonte Ingmar Rega. So zieht die Studie das Fazit: In Kooperati-
                      schaft müsse an die veränderten geopolitischen Rahmenbedingun-                on von Kommunen, Unternehmen und Bürger*innen können Men-
                      gen angepasst werden.                                                         schen ihre Region gestalten und gemeinsam Angebote schaffen, die
                          „Nachhaltigkeit ist und wird ein zentraler Teil unserer Geschäfts-        die Lebensqualität erhöhen. Keine andere Organisationsform ist laut
                      modelle“, betonte Vorstandsmitglied Peter Götz in seiner Bericht-             Studie dafür so prädestiniert wie die Genossenschaft.
                      erstattung über die gewerblichen Genossenschaften. „Genossen-                      Die Corona-Pandemie hat bestehende Entwicklungen nochmals
                      schaftlich organisierte Unternehmen sind wie dafür geschaffen, hier           verstärkt. Homeoffice ermöglicht beispielsweise weiteren Bevölke-
                      eine Vorreiterrolle einzunehmen“. Der Verband werde seine Mitglieder          rungsgruppen ein Leben abseits der Städte. „Während Co-Working
                      „bei dieser nachhaltigen Transformation nach Kräften unterstützen“.           auf dem Land vor wenigen Jahren nicht vorstellbar war, ist es nun
                          Vielfältige, ganzheitliche und wertvolle Impulse und Lösungen für         hipp und innovativ“, so Rega und verwies auf eine erfolgreiche Genos-
                      die Mitglieder schaffen – darauf zielt die vom Vorstandsvorsitzenden          senschaft in Schleswig-Holstein.
                      Ingmar Rega erläuterte Strategie der Verbandsfamilie ab. Hierfür in-               Genossenschaften kommen dann ins Spiel, wenn es um die
                      vestiert der Genossenschaftsverband unter anderem in die Erwei-               Stärkung der Region, basisdemokratische Themen und um Men-
                      terung seines Dienstleistungsangebotes, die Digitalisierung in den            schen geht, die partizipieren und mitarbeiten wollen, analysierte Dr.
                      Kernbereichen Prüfung, Beratung und Bildung, aber auch in moderne             Daniel Dettling. „Hier sehen wir optimale Bedingungen für die neue
                      Arbeitswelten für seine Beschäftigten.                                        WIR-Ökonomie.“
                                                                                                         „Das Zukunftsinstitut sieht Genossenschaften als zentrale Treiber
                      Studie: Aufbruch in die WIR-Ökonomie                                          einer nachhaltigen, solidarischen und regionalen Wirtschaft. Die dar-
                      Die auf dem Verbandstag präsentierte Trendstudie des Zukunftsinsti-           in liegenden Chancen gilt es, noch bekannter zu machen“, bilanzierte
                      tuts „Aufbruch in die WIR-Ökonomie“ – in Zusammenarbeit mit dem               Ingmar Rega. „Die Studie bringt auf den Punkt, was Genossenschaft
                      Genossenschaftsverband erstellt und erstmals im Rahmen des Ver-               ausmacht: Private Unternehmen definieren ihren Erfolg über den Ge-
                      bandstages von Anja Kirig vom Zukunftsinstitut vorgestellt – zeigt,           winn, gemeinwohlorientierte Unternehmen über ihren Sinn. Für Ge-
                      warum die Antworten auf die Megatrends unserer Zeit für den länd-             nossenschaften gehört beides zusammen: Purpose and Profit.“
                      lichen Raum in Genossenschaften liegen. Im Rahmen der Studie hat                                                           Hans-Peter Leimbach
                      das Zukunftsinstitut Genossenschaften interviewt, die als Pioniere
                      den Wandel früher spüren als andere, ihn aktiv gestalten und bereits
                      neue Geschäftsfelder entwickeln.
                           „Megatrends sind die Blockbuster des Wandels, sie haben epo-
                      chalen Charakter und formen nicht nur einzelne Branchen oder Sek-
                      toren um, sondern ganze Gesellschaften“, sagte Studienautor Dr. Da-
Fotos: Torsten Silz

                      niel Dettling. Für den ländlichen Raum seien Neo-Ökologie, Mobilität,
                      Konnektivität und New Work, Silver Society und Gesundheit, Globa-
                      lisierung und Urbanisierung sowie Individualisierung die Haupttreiber
                      für die kommenden Jahrzehnte.                                                                       VERBANDSTAG 2022
                                                                                                                                                       3-2022 | GENIAL | 11
Schülergenossenschaften
                       Ab 2023 bedroht ein neues Umsatzsteuerrecht die Existenz vieler
                       Schülerfirmen, darunter auch die Schülergenossenschaften. Der
                       Verband hat hierfür Lösungen entwickelt und sie der Politik vorge-
                       legt – bisher ohne Erfolg. Was genau hat der Verband unternom-
                       men, wie geht es weiter? Darüber sprach GENiAL mit Stephanie
                       Düker, Projektleiterin Schülergenossenschaften, sowie Felix Reich,
                       Referent für politische Interessenvertretung.

                                                                      Frau Düker, in der letzten GENiAL ha-
                                                                      ben wir ausführlich darüber berichtet,
                                                                      dass Schülerfirmen in öffentlich-recht-
                                                                      licher oder kirchlicher Trägerschaft
                                                                      ab 2023 nun umsatzsteuerpflichtig
                                                                      werden sollen, obwohl es Schulpro-
                                                                      jekte sind.

                                                                                                                     Fotos: AWADO Kommunikationsberatung, Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V., Rzoog/adobe.com
                                                                      STEPHANIE DÜKER: Schülerfirmen sind
                                                                      Bildungsprojekte, bei denen Kinder und
                                                                      Jugendliche im geschützten schulischen
                                                                      Rahmen wirtschaftliche Zusammenhänge
                                                                      realitätsnah kennenlernen, sich auspro-
                                                                      bieren können und so auch erste beruf-
                                                                      liche Orientierung erfahren. Sie werden
                                                                      dabei von ihren Pädogog*innen angelei-
                                                                      tet. Dass diese Projekte zukünftig de facto
                                                                      ab dem ersten Euro umsatzsteuerpflichtig
                                                                      werden sollen und damit schlechterge-
                                                                      stellt werden als Kleinunternehmer, geht
                                                                      völlig an der Idee dieser Bildungsprojek-
                                                                      te vorbei. Um das ganz deutlich zu ma-
                              Stephanie Düker ist die                 chen: Es geht nicht um eine etwaige Um-
                              Projektleiterin des Verbandsprojektes   satzsteuerzahllast, die wir für die Schüler-
                              Schülergenossenschaften.                genossenschaften vermeiden möchten,
                                                                      sondern um die mit der Gesetzesände-
                                                                      rung verbundenen bürokratischen Hür-
                                                                      den und den dadurch entstehenden Auf-
                                                                      wand für alle Beteiligten vor Ort. Es be-
                                                                      trifft sowohl die Schüler*innen als auch
                                                                      die betreuenden Lehrer-Coaches sowie
                                                                      die Kämmerer*innen, die die Umsätze der
                                                                      Schülergenossenschaften in ihre Buch-
                                                                      haltung einfließen lassen müssen (siehe
                                                                      auch GENiAL 2-2022, Seite 12 f.).

12 | GENIAL | 3-2022
AUS DEM VERBAND

– wie geht es weiter?
 Was hat der Verband bisher unternom-
 men?                                              Auch wenn wir von einigen Akteur*in-
 DÜKER: Natürlich haben wir die Betrof-        nen, besonders von der Bildungs- und
 fenen, unsere Schülergenossenschaften,        Kultusseite der Bundesländer, Signa-
 aber auch ihre Partnergenossenschaften        le der Unterstützung für unser Anliegen
 ausführlich über die bevorstehende Um-        wie auch unsere Lösungsvorschläge
 satzsteuer-Problematik informiert und sie     bekommen, hatten wir bisher beim
 motiviert, vor Ort ihre Politiker*innen und   BMF noch keinen Erfolg. Ganz im
 Journalist*innen sowie die breite Öffent-     Gegenteil: Beim BMF herrscht bis-
 lichkeit für das Thema zu sensibilisieren.    lang noch die Rechtsauffassung,
 Hierfür stellen wir entsprechende Unter-      dass Schülerfirmen im Kern eher
 lagen auf www.schuelergeno.de/umsatz-         Wirtschafts- als Bildungsprojekte
 steuer zur Verfügung. Ziel muss es sein,      sind. Außerdem kann das Bun-
 eine Ausnahme für Schülergenossen-            desministerium durch die neue
 schaften beziehungsweise alle Schüler-        Umsatzsteuer keine zu hohe bü-
 firmen vom Umsatzsteuerrecht ab 2023          rokratische Belastung sowie exis-
 zu erhalten oder aber zumindest andere        tenzielle Gefahr für Schülerfirmen
 rechtssichere und zudem praktisch um-         erkennen. Das BMF schlägt Alter-
 setzbare Lösungen zu erwirken.                nativlösungen vor, die aber nicht
                                               praktikabel sind. Solange diese Ein-
 Und wie steht die Politik zu dem              stellung beim BMF vorherrscht, wird
 Thema?                                        es unserer Einschätzung nach auch kei-
 FELIX REICH: Der Verband macht be-            ne Ausnahmen bei der Umsatzsteuer für
 reits seit mehr als zwei Jahren die Poli-     Schülergenossenschaften geben.
 tik auf das Problem aufmerksam. Denn
                                                                                            Felix Reich ist Referent für Poltische
 nur die Politik kann für die Schülerge-       Und wie geht es nun weiter?                  Interessenvertretung im Verband.
 nossenschaften die Ausnahmeregelung           REICH: Wir geben auf keinen Fall auf und
 von der Umsatzsteuer schaffen. Deshalb        haben schon die nächsten Schritte ge-
 führen wir kontinuierlich Gespräche mit       plant. Es ist wichtig, dass wir auch wei-
 Politiker*innen auf Landes- und Bundes-       terhin im Austausch mit den politischen
 ebene, zum Beispiel mit dem Bundesfi-         Entscheidungsträger*innen bleiben und
 nanzministerium (BMF), der Kultusminis-       gemeinsam an Lösungen arbeiten. Wenn
 terkonferenz und den Ministerien einiger      unsere Vorschläge ein Denkanstoß an den
 Bundesländer. Dabei unterstützen uns          richtigen Stellen sind, haben wir schon
 auch unsere Nachbarverbände sowie die         viel erreicht. Letztlich führen viele Wege
 Deutsche Kinder- und Jugendstiftung.          nach Rom! Unser unerschütterliches
                                               Ziel bleibt es, eine gute Regelung zu fin-
                                               den, die rechtssicher und praktikabel ist.
                                               Schließlich sind Schülerfirmen Bildungs-
                                               projekte und keine Wirtschaftsunterneh-
                                               men.                      Sabine Bömmer

                                            rettet die
          www.schuelergeno.de

                                       Schülergenos
                            #GENOFORSCHOOL

                                                                                                       3-2022 | GENIAL | 13
Genossenschaften müssen sich
                       gegen Cyberangriffe schützen
                         Mit zunehmender Digitalisierung, aber auch mit dem Angriffskrieg
                          auf die Ukraine steigen die Zahlen von Hackerangriffen vor allem
                           auch auf Unternehmensnetze. GENiAL sprach darüber mit Andreas
                             Schmidt, Leiter IT-Prüfung und IT-Beratung bei der AWADO GmbH
                               Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft.

                                                                                        Herr Schmidt, Sie sind Experte für Cyber-
                   Angriff aus dem Osten                                                sicherheit. Wie ernst ist die Bedrohung
                   Ursprung von Cyberangriffen auf Unternehmen                          durch Cyberangriffe?
                   in Deutschland in den letzten 12 Monaten (Anteile in %)              ANDREAS SCHMIDT: Im Bereich der Cy-
                                                                                        berkriminalität dominieren aktuell zwei
                              Deutschland                                          43   große Bereiche. Das sind zum einen De-
                 Osteuropa (ohne Russland)                                    37        likte, die sich primär gegen öffentliche
                                                                                        oder private Netzstrukturen, zum Beispiel
                                    China                             30                das Internet und informationstechnische
                                 Russland                       23                      Systeme richten. Zum anderen verzeich-
                                                                                        nen wir Delikte bei der Nutzung von Infor-
                                     USA                  16
                                                                                        mationstechnik, wie die missbräuchliche
              EU-Länder (ohne Deutschland)    3                                         Nutzung von IT-Systemen oder Benutzer-
                                Unbekannt                                31             berechtigungen. Laut Einschätzung des
                                                                                        Präsidenten des Bundesamtes für Infor-
                             Keine Angabe         6
                                                                                        mationssicherheit (BSI) Arne Schönbohm
                                                                                        herrscht in Teilbereichen schon „Alarm-
                                         Basis 535 von Diebstahl, Industriespionage
                                                                                        stufe Rot“. Gründe seien die Professiona-
                                         oder Sabotage betroffene Unternehmen;
                                                                                        lisierung der Cyberkriminellen, die zuneh-
                                         Mehrfachnennungen möglich; Jan. bis Mrz.
                                                                                        mende digitale Vernetzung und die Ver-
                                         2021; Quelle: Bitkom Research
                                                                                        breitung gravierender Schwachstellen in
                                                                                        IT-Produkten.

                                                                                        Wer sind die Hacker und wer ist Ziel der
                                                                                        Angriffe?
                                                                                        Man könnte zusammenfassen: jede*r
                                                                                        und alles. Weder Unternehmen noch Be-
                                                                                        hörden noch Einzelpersonen sind vor
                                                                                         Cyberattacken sicher. Die Angriffsziele
                                                                                            hängen stark von der Motivation der
                                                                                              Akteur*innen ab.
                                                                                                    Neben unabhängigen Cy-
                                                                                                berkriminellen gibt es auch
                                                                                                  Akteur*ìnnen, die staatlich ge-
                                                                                                  steuert sind oder durch staatli-
                                                                                                   che Strukturen gefördert oder
                                                                                                   zumindest unbehelligt gedul-
                                                                                                     det werden. Attacken gegen
                                                                                                      Industrieanlagen, wie zum
                                                                                                         Beispiel vor einigen Jah-
                                                                                                           ren durch den Stux-
                                                                                                              net-Wurm      gegen
                                                                                                                Siemens-Anlagen,
                                                                                                                 sind ebenso ver-

14 | GENIAL | 3-2022
AUS DEM VERBAND

                                                breitet wie Attacken gegen zentrale Cloud-
                                                dienstleister. Der Cyberangriff auf die At-
                                                ruvia AG im Jahr 2021 führte beispiels-
                                                weise zu einer flächendeckenden Störung
                                                des Onlinebankings bei den angeschlos-
                                                senen Instituten.
                                                    Die Covid-19-Pandemie und die da-                                                      Sind sich die Genossenschaften dieser
                                                durch vermehrte Arbeit aus dem Home-                                                       Gefahr bewusst? Was müssen sie tun?
                                                office mit externen Unternehmenszugän-                                                     Das Thema erhält bei unseren Genossen-
                                                gen, der Angriffskrieg Russlands gegen                                                     schaften immer mehr Aufmerksamkeit,
                                                die Ukraine mit wechselseitigen Cyberat-                                                   das zeigen auch die steigenden Security-
                                                tacken: All dies sind Beispiele, wie schnell                                               Budgets.
                                                Cyberkriminelle in der Lage sind, neue                                                          Im regulierten Finanzsektor werden
                                                Situationen für ihre kriminellen Machen-                                                   darüber hinaus die Anforderungen an Cy-
                                                schaften zu nutzen.                                                                        bersecurity durch die Bankenaufsicht un-
                                                                                                                                           mittelbar in die Institute transportiert und
                                                Also ist Cyberkriminalität ein neues und                                                   dort umgesetzt.
                                                lohnendes Geschäftsmodell?                                                                      Aber auch in nicht-regulierten Bran-
                                                Stimmt. Cyberkriminalität hat sich zu ei-                                                  chen steigt auf der Führungsebene das
                                                nem innovativen und profitablen Ge-              AWADO GmbH                                Bewusstsein für technische und organi-
                                                schäftsmodell entwickelt. Cybercrime-as-         Wirtschaftsprüfungsgesellschaft           satorische Sicherheitsmaßnahmen. Die-
                                                a-Service ist ohne größeren Aufwand im           Steuerberatungsgesellschaft               se dürfen nicht an den eigenen Unterneh-
                                                Darknet buchbar und hat meist das Ziel,          Andreas Schmidt, Leiter IT-Prüfung        mensgrenzen, zum Beispiel der IT-Abtei-
                                                hohe Summen Lösegeld zu erpressen.               und IT-Beratung                           lung, haltmachen. Alle Mitarbeiter*innen
                                                Über bestehende, weltweite Vernetzun-            Tel.: 0511 9574-5456                      müssen für dieses Thema sensibilisiert
                                                                                                 E-Mail: andreas.schmidt@
                                                gen ergeben sich hier Domino-Effekte, die                                                  werden. Außerdem ist eine angemessene
                                                                                                 awado-gruppe.de
                                                eine Vielzahl von Unternehmen, Behör-                                                      organisatorische und personelle Basis nö-
                                                                                                 www.awado.de
                                                den oder auch Privatpersonen schädigen.                                                    tig, um ein akzeptables Sicherheitsniveau
                                                Aber auch andere Ursachen sind durch-                                                      zu erreichen.
                                                aus denkbar. So sollen in den Jahren 2019
                                                und 2020 Jugendliche die Computernet-                                                      Wie unterstützt die AWADO Genossen-
                                                ze von Banken und Telekommunikations-                                                      schaften dabei, Daten und Unterneh-
                                                anbietern in Schleswig-Holstein, Nieder-                                                   mensnetze zu sichern?
                                                sachsen, Berlin und anderen Bundeslän-                                                     Die AWADO hat als Teil der genossen-
                                                dern aus Langeweile attackiert haben.                                                      schaftlichen Verbandsfamilie hohe perso-
                                                    Selbst im privatem Umfeld sind die         Wie betroffen sind unsere Genossen-         nelle und fachliche Kompetenzen bei The-
                                                Risiken aus der zunehmenden Vernetzung         schaften?                                   men der Cybersicherheit. Wir unterstützen
                                                von Endgeräten untereinander nicht zu          Genossenschaften sind wie alle Marktteil-   unsere Kunden hier mit reinen IT-Prüfun-
                                                unterschätzen.                                 nehmer wachsenden Cyberrisiken aus-         gen, aber auch mit präventiven oder be-
                                                    Die Schnittstelle zwischen Mensch          gesetzt. Mir ist keine Genossenschaft be-   gleitenden Maßnahmen zur Erhöhung der
                                                und Maschine bleibt generell Einfallstor       kannt, die ohne Internetzugänge oder IT-    IT-Sicherheit. Als zentrale Leistungen bie-
                                                Nummer 1 für Cyberangriffe: Mehr als 85        Systeme in der Lage wäre, ihr Geschäfts-    ten wir auch die skalierbare Übernahme
                                                Prozent aller Attacken starten beim Fak-       modell zu betreiben. Die zunehmende         von Tätigkeiten im Rahmen der Internen
Fotos: AWADO GmbH WPG StGB, Siarhei/adobe.com

                                                tor Mensch, wie das Human Risk Review          Zentralisierung von Geschäftsprozessen      (IT-)Revision in mittelständischen Unter-
                                                2022 von SoSafe bestätigt. Hieran wird         unter Nutzung von Cloudanbietern oder       nehmen oder auch in Kreditinstituten an.
                                                sich kurzfristig auch nichts ändern, auch      auch der individuelle Einsatz von hetero-   Darüber hinaus unterstützen und beraten
                                                wenn zunehmend professionalisierte An-         genen IT-Systemen stellen unsere Genos-     wir Genossenschaften und andere Unter-
                                                griffe durch Künstliche Intelligenz zu einer   senschaften vor neue Herausforderungen.     nehmen dabei, Sicherheitslösungen im
                                                neuen Qualität der Bedrohungen führen.         Auch wenn ich nicht von gezielten Cyber-    Sinne eines Informationssicherheitsma-
                                                                                               attacken auf unsere Genossenschaften        nagements und deren Implementierung
                                                                                               ausgehe, können sie schnell davon be-       auszuwählen – ausgerichtet an anerkann-
                                                                                               troffen sein. Denn Angriffe, zum Beispiel   ten Standards wie der ISO 27001 oder
                                                                                               für Erpressungen oder Computersabota-       dem BSI-Grundschutz. Zukünftig werden
                                                                                               gen, finden oft flächendeckend statt. Die   wir auch eine entsprechende Zertifizie-
                                                                                               Täter*innen schauen dann, was sich Loh-     rung nach diesen Standards anbieten.
                                                                                               nendes ergibt.                                                        Sabine Bömmer

                                                                                                                                                                3-2022 | GENIAL | 15
#standwithukraine
Die genossenschaftliche Verbandsfamilie
ruft zu Spenden auf.
Der Genossenschaftsverband geht mit einer Spende von
100.000 Euro an ukrainische Kriegsopfer voran.

      Und hier geht es zum                            Weitere Informationen
         Spendenkonto:                            www.genossenschaftsverband.de/
       www.drk.de/ukraine/                          solidaritaet-mit-der-ukraine/
  genossenschaftsverband-awado/

D
            er Krieg in der Ukraine hat viele Menschen in eine unvorstellbare Notlage ver-
            setzt. Die genossenschaftliche Verbandsfamilie verurteilt den Angriffskrieg Russ-
            lands in der Ukraine auf das Schärfste. Gemeinsam mit ihren Mitgliedern will sie
            den Ukrainer*innen unmittelbar helfen. Deshalb ruft sie, koordiniert vom Bundes-
verband der Volksbanken und Raiffeisenbanken, zu einer gemeinsamen Spendenaktion mit dem
Deutschen Roten Kreuz e.V. auf.
   Wie der Verband betont, sind die genossenschaftlichen Werte, wie zum Beispiel die Hilfe zur
Selbsthilfe und das gemeinschaftliche Handeln, entscheidende Handlungsmaxime. Als Zeichen
dieser genossenschaftlichen Solidarität hat sich der Verband entschieden, mit gutem Beispiel vo-
ranzugehen und vorab einen Betrag von 100.000 Euro zu spenden, um das Leid der Menschen in
der Ukraine zu lindern.

16 | GENIAL | 3-2022
AUS DEM VERBAND

                                                                                          Mediation löst viele Konflikte in
                                                                                          Unternehmen

                                                                                        Ungelöste Konflikte in Unternehmen können die Zusammen-                                            Und was ist Ihre Rolle?
                                                                                                                                                                                           Mediation ist ein Prozess, ein Verfahren,
                                                                                        arbeit und das Geschäftsergebnis stark belasten. GENiAL                                            das einer klaren Struktur folgt. Diese Struk-
                                                                                        sprach darüber mit Verbands-Mediatorin Stefanie Wagner aus                                         tur muss eingehalten werden, um ein zufrie-
                                                                                        dem Verbandsbereich Beratung Betreuung Genossenschaften.                                           denstellendes Ergebnis für alle Parteien zu
                                                                                                                                                                                           ermöglichen. Wir führen die Konfliktparteien
                                                                                                                                                                                           durch diesen Prozess. Dabei sind wir neutra-
                                                                                                                                                                                           le Mittler*innen, also völlig unparteiisch. Wir
                                                                                        Frau Wagner, in welchen Fällen                                                                     geben keine Lösung vor, sondern helfen den
                                                                                        werden Sie und Ihre Kolleg*innen                                                                   Parteien, ihre eigene Lösung zu erarbeiten.
                                                                                        als Mediator*innen in Unternehmen                                                                  Letztendlich sind sie es, die das Ganze um-
                                                                                        aktiv?                                                                                             setzen müssen. Das grenzt Mediation auch
                                                                                        STEFANIE WAGNER: Hier ist die Palette                                                              von anderen Verfahren, wie Schiedsspruch
                                                                                        sehr breit. Grundsätzlich kann man sagen:                                                          oder gerichtlichen Verfahren, ab.
                                                                                        in allen Fällen, in denen Konflikte in einem
                                                                                        Unternehmen entstehen. Das können bei-                                                             Wann ist eine Mediation erfolgreich?
                                                                                        spielsweise Probleme zwischen Gremien,                                                             Das hängt von mehreren Punkten ab. So soll-
                                                                                        zwischen Unternehmen, Kunden und Dienst-                                                           te der Mediator oder die Mediatorin gut aus-
                                                                                        leister, Probleme unter Führungskräften oder                                                       gebildet sein. Eine Mediation ist nicht mal
                                                                                        Mitarbeiter*innen sein. Bevor Situationen                                                          nebenbei gemacht und erfordert gute Fach-
Fotos: Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V.; Andrii Yalanskyi/adobe.com

                                                                                        weiter eskalieren, die Zusammenarbeit er-                                                          kenntnisse in den technischen und methodi-
                                                                                        schwert wird oder der Unternehmenserfolg                                                           schen Fragen. Bei Organisations- oder Wirt-
                                                                                        gefährdet ist, stehen meine Kolleg*innen                                                           schaftsmediation handelt es sich zudem oft
                                                                                        und ich als ausgebildete Mediator*innen be-                                                        um komplexe Zusammenhänge, manchmal
                                                                                        reit. In vielen Fällen können dadurch aufwen-                                                      auch um Mehrparteien-Mediationen, Firmen-
                                                                                        dige und kostspielige juristische Auseinan-       Stefanie Wagner hat Betriebswirtschaftslehre
                                                                                                                                                                                           und Abteilungskulturen kommen dazu. Nicht
                                                                                        dersetzungen oder auch Kündigungen und            und Wirtschaftspsychologie studiert und einen    selten spielen Besonderheiten eines ganz
                                                                                        der Abbruch von Geschäftsbeziehungen ver-         Master in Mediation. Außerdem ist sie zertifi-   spezifischen Wirtschaftssektors eine Rolle.
                                                                                        mieden werden.                                    zierte Mediatorin.                               Es ist hilfreich, wenn der Mediator oder die
                                                                                                                                                                                           Mediatorin sich in diese Besonderheiten hin-
                                                                                        Und wer kann eine Mediation in                                                                     eindenken kann.
                                                                                        Anspruch nehmen?                                  Stefanie Wagner,                                     Darüber hinaus sind auch die Konfliktpar-
                                                                                        Jedes Unternehmen, das Bedarf hat. Neben          Master of Mediation (MM)                         teien selbst gefragt. Die Eigenverantwortung
                                                                                        Genossenschaften können dies auch ihre            Beratung und Betreuung                           steht hier im Vordergrund. Sie sollten sich
                                                                                        mittelständischen Kunden oder Geschäfts-          Genossenschaften                                 auch auf die Mediation einlassen wollen. Nicht
                                                                                        partner sein. Je nach Wunsch der Auftragge-       Tel.: 0211 16091-4679                            immer können bei einer Mediation alle Prob-
                                                                                        ber führen wir die Mediation auch inhouse         Mobil: 01712936741                               leme aus der Welt geschafft werden. Aber sie
                                                                                        oder im Verband durch, obwohl ein neutraler       E-Mail: stefanie.wagner@                         kann helfen, trotz Differenzen einen gemein-
                                                                                        Ort zu bevorzugen ist. Wichtig ist aber in ers-   genossenschaftsverband.de                        samen Weg der Zusammenarbeit zu finden.
                                                                                        ter Linie, dass die Parteien sich wohlfühlen.                                                                                 Sabine Bömmer

                                                                                                                                                                                                                  3-2022 | GENIAL | 17
G
            3
Die GenoHotels sind nun ein Trio
Die GenoHotels Baunatal, Forsbach und Karlsruhe präsentieren sich
seit dem 1. April mit einem gemeinsamen Markenauftritt.

              anz nach dem Motto „Aller guten Dinge sind
              drei“ erweitert das ehemalige AkademieHo-
              tel Karlsruhe des Baden-Württembergischen
              Genossenschaftsverbandes e.V. das Trio und
heißt nun GenoHotel Karlsruhe. Damit kommt ein wei-
terer strategischer Standort in das Markenportfolio der
GenoHotels. Dies erleichtert die Planung von Tagungen
und Seminaren sowie die Unterbringung von Gästen und
Kund*innen im gesamten Bundesgebiet.
     Markus Maier, Geschäftsführer des GenoHotels Bau-
natal, und Dirk-James Annas, Geschäftsführer des Geno-
Hotel Forsbach, freuen sich gemeinsam über den neuen
Standort in Karlsruhe: „Das Karlsruher Haus erweitert un-
sere noch junge Kooperation um ein Campus-Hotel im
Raum Baden-Württemberg und bringt vor allem ein gro-
ßes Know-how im Bereich der hybriden Veranstaltungs-
technik mit.“ Ursula Haas, Leiterin des Hotelbetriebs in
Karlsruhe, betont den besonderen genossenschaftlichen
Charakter: „Als Hotels mit genossenschaftlicher Histo-
rie haben wir die genossenschaftlichen Werte Gemein-
schaft, Offenheit, Ehrlichkeit und Vertrauen neu interpre-
tiert und in unsere Hotelkonzepte integriert. Sie schaffen
in unseren professionellen Dienstleistungen den Rah-
men für Wertschätzung und Herzlichkeit.“
     Alle Hotels bleiben innerhalb der Kooperation recht-
lich selbstständig. Die Zusammenarbeit soll Synergie-
effekte für die Häuser bringen und Stärken noch besser
nach außen darstellen. Für die Zukunft ist eine gemein-
same Strategie unter anderem für die Bereiche Digital                   Fotos: GenoHotels Forsbach und Baunatal, ehemaliges AkademieHotel Karlsruhe
Guest Journey, Nachhaltigkeit, Marketing sowie Mitar-
beiterentwicklung geplant. Als Mitglied der „TOP 250
Germany – Die besten Tagungshotels in Deutschland“
gehören die 3-Sterne-Superior-Hotels mit einer gemein-
samen Kapazität von mehr als 490 komfortablen Hotel-
zimmern und gut 80 kreativen Tagungsräumen zu den
besten Tagungshotels in Deutschland.

                www.genohotels.com

                                                             FORSBACH
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AUS DEM VERBAND

 KARLSRUHE
               BAUNATAL

  3-2022 | GENIAL | 19
Auf   440,6                     Milliarden Euro
          (plus 6,5 Prozent) sind die Krankenkosten               Auf   1.000 Patient*innen
          im Pandemiejahr 2020 angewachsen.                       kommen in Deutschland

                                                                  4,5 Ärzt*innen.

gesund                                          mit Genossenschaften

                  Vor 150 Jahren lag die Lebenserwartung eines Menschen in
                  Deutschland noch bei 40 Jahren, heute ist sie etwa doppelt
                  so hoch. Gesundheit kommt deshalb eine entscheidende
                  Bedeutung zu. Um sich dieser demografischen Entwicklung
                  anzupassen, muss sich in Deutschland einiges ändern. Viele
                  Genossenschaften haben sich hier schon auf den Weg ge-
                  macht. Doch lesen Sie selbst ...

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                                                                                      Übersterblichkeit durch Corona:

                                                                                      2020        starben 5 Prozent
                                                                                      mehr Menschen als im Jahr zuvor.

                           Um              Prozent ist die Zahl
                           der Beschäftigten im Pflegedienst
                           von Kliniken in den letzten zehn
                           Jahren angestiegen.

                                                                  1.903
Die häufigsten Todesursachen sind
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs
und Krankheiten der Atmungssysteme.
                                                                        Krankenhäuser versorgten 2020
                                                                         16,8 Millionen Patient*innen.

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Quelle: Statistisches Bundeamt; Foto: sewcream/adobe.com

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                                                                                  GESUND MIT GENOSSENSCHAFTEN
Gesundheit als gesamtgesellschaftliche
Aufgabe
                                 W
                                                    eltweit werden die Menschen älter und bleiben dabei länger
                                                    gesund. Die Megatrends Gesundheit und Silver Society (silber-
                                                    ne Gesellschaft) beschreiben die vielfältigen Auswirkungen die-
                                                    ses demografischen Wandels und seine enormen Herausforde-
Gesundheit ist einer der         rungen für unsere Gesellschaft.
großen Megatrends unserer             Durch den Kampf gegen die Pandemie sowie die Auswirkung von Covid-19
                                 auf Körper und Psyche ist zusätzlich ein neuer Fokus auf Gesundheit als gesamt-
Zeit und stellt unsere Gesell-   gesellschaftliche Aufgabe entstanden. Das bestätigt auch die aktuele Studie „Auf-
schaften vor große Probleme.     bruch in die WIR-Ökonomie“, die der Verband beim Zukunftsinstitut in Auftrag ge-
Genossenschaften haben hier      geben hat. Die Gestaltung der Umwelt im Sinne der Gesundheit aller wird zur
                                 zentralen Zukunftsaufgabe. Gesundheit erfordert einen ganzheitlichen Ansatz,
innovative Lösungen gefun-       denn einzelne Krankheitssymptome lassen sich nicht vom restlichen Körper tren-
den.                             nen. Dieser kann nicht losgelöst vom psychischen Empfinden des Individuums,
                                 seinen Verhaltensmustern, seinem Lebensstil, seinen Gewohnheiten, seiner so-
                                 zialen Eingebundenheit, seiner Arbeitsumgebung und seiner Umwelt betrachtet
                                 werden.
                                      Angesichts der demografischen Entwicklung zur Silver Society braucht es
                                 neue soziale und ökonomische Rahmenbedingungen, digitale Plattformen und In-
                                 frastrukturen sowie ein neues Verständnis vom Alter(n).
                                      Insbesondere für den ländlichen Raum sind die Folgen des demografischen
                                 Wandels spürbarer als in den Städten. In ländlichen Regionen leben mehr Men-
                                 schen über 65 Jahre (23,5 Prozent) als in Städten (20,7 Prozent) oder in Regionen
                                 mit Verstädterungsansätzen (22,2 Prozent). Angefangen von der sozialen und me-
                                 dizinischen Infrastruktur bis hin zum bedarfsgerechten Wohnen stellen sich eine
                                 Reihe von Aufgaben, für die Genossenschaften innovative Antworten entwickeln
                                 (können).

                                                                                     Quelle: Studie „Aufbruch in die WIR-Ökonomie“,
                                                     Herausgeber Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V., Zukunftsinstitut

22 | GENIAL | 3-2022
GESUND MIT GENOSSENSCHAFTEN

                                                                                                 Quo vadis?
                                                                                                 Genossenschaften im
                                                                                                 Gesundheitssektor
                                                                                                 Genossenschaften bieten Lösungen für viele Bran-
                                                                                                 chen, so auch für den Gesundheitssektor. GENiAL
                                                                                                 sprach darüber mit Gründungsberater Dr. Thorsten
                                                                                                 Möller vom Genossenschaftsverband.

                                                                                                 Trotz der Pandemie haben sich im               wicklung und Erprobung innovativer patien-       dungsangeboten oder die Sicherstellung der
                                                                                                 letzten Jahr 53 Genossenschaf-                 tenorientierter Lösungen. Außerdem beglei-       Qualität der Patientenversorgung: Stets kön-
                                                                                                 ten neu gegründet, darunter auch               ten wir einige Kommunen bei der Gründung         nen durch den Zusammenschluss der Mitglie-
                                                                                                 Gesundheitsgenossenschaften. Auf               eines gemeinsamen Medizinischen Versor-          der Leistungen erbracht werden, die einzelne
                                                                                                 welche Bereiche konzentrierten sich            gungszentrums (MVZ) in der Rechtsform            Mitglieder für sich alleine nicht leisten oder fi-
                                                                                                 diese Gesundheitsgenossenschaf-                der Genossenschaft. Gerade für kleinere          nanzieren könnten.
                                                                                                 ten?                                           Gemeinden ist die Sicherstellung der me-
                                                                                                 DR. THORSTEN MÖLLER: Etwa 140 un-              dizinischen Versorgung ein zunehmendes           Wie unterstützt der Verband bei die-
                                                                                                 serer Mitgliedsgenossenschaften arbeiten       Problem, wenn         selbstständig    tätige    sen Gründungsvorhaben?
                                                                                                 im Bereich des Gesundheitswesens. Jedes        Ärzt*innen vor Ort in den Ruhestand gehen        Wir agieren gleichermaßen als Prüfer und
                                                                                                 Jahr kommt hier ungefähr eine Handvoll         und die nachfolgende Medizinergeneration         als Coach und führen unsere Gründer*innen
Foto: Genossenschaftsverband - Verband der Regionen e.V.; Andrey Popov und elenabsl/adobe4.com

                                                                                                 Neugründungen hinzu. Im letzten Jahr haben     eher ein Angestelltenverhältnis anstrebt. Ein    durch den gesamten Gründungsprozess. In-
                                                                                                 wir die Gründung eines deutschlandweiten       genossenschaftliches MVZ kann hierfür ein        haltlich bedeutet das, dass wir in allen ge-
                                                                                                 Verbundes inhabergeführter Facharztpraxen      geeigneter Lösungsansatz sein.                   nossenschaftsrechtlichen Fragen rund um
                                                                                                 begleitet, die als Genossenschaft eine ver-                                                     die Satzung sowie bei sämtlichen wirtschaft-
                                                                                                 besserte berufliche Vernetzung und Interes-    Warum sind Genossen-                               lichen Fragen rund um den Geschäftsplan
                                                                                                 senvertretung erreichen wollen. Zudem ist      schaften ein gutes                                        beraten und betreuen. Zudem geben
                                                                                                 ein Praxisnetz aus Haus- und Fachärzt*innen    Modell für Grün-                                             wir Feedback zum geplanten Ge-
                                                                                                 als Genossenschaft gegründet worden, das       dungsvorhaben                                                   schäftsmodell.
                                                                                                 durch eine verbesserte Kommunikation und       im Bereich                                                                    Sabine Bömmer
                                                                                                 Koordination aller Beteiligten die Qualität    Gesundheit?
                                                                                                 der Patientenversorgung in einer bestimm-      Letztlich ist es
                                                                                                 ten Region sicherstellen soll. Eine weitere    vor allem die
                                                                                                 neu gegründete Genossenschaft unterstützt      Grundidee ko-
                                                                                                 Menschen bei psychischen Erkrankungen,         operativen Han-                                                    Ansprechpartner:
                                                                                                 um nur einige Beispiele zu nennen.             dels von Fried-                                                   Dr. Thorsten Möller
                                                                                                                                                rich Wilhelm Raiff-                                              Beratung und Betreuung Ge-
                                                                                                 Wie sieht es mit Gründungen oder               eisen, die auch im                                            nossenschaften
                                                                                                 Gründungsvorhaben für dieses Jahr              Gesundheitssektor                                           Tel.: 0211 16091-4677
                                                                                                 aus?                                           greift: gemeinsam mehr                                 Mobil: 01725146136
                                                                                                 Wir betreuen derzeit einige innovative Grün-   zu erreichen. Sei es durch                         E-Mail: thorsten.moeller@
                                                                                                 dungsvorhaben im Gesundheitssektor, etwa       die Bildung beruflicher Netzwerke, den ge-       genossenschaftsverband.de
                                                                                                 im Bereich der datenbasierten Gesundheits-     meinsamen Einkauf, die politische Interes-
                                                                                                 förderung oder der wissenschaftlichen Ent-     sensvertretung, die Schaffung von Weiterbil-

                                                                                                                                                                                                                         3-2022 | GENIAL | 23
Umsorgt bis A                                                              m Ende des Lebens nicht allei-
                                                                           ne und vor allem daheim in der

zum Schluss
                                                                           vertrauten Umgebung zu sein:
                                                                           Dieser Wunsch eint viele Men-
                                                              schen. Die Hospiznetz Marburg geG ermög-
                                                              licht Schwerstkranken und Sterbenden mit
                                                              besonderem Versorgungsbedarf ein men-
                                                              schenwürdiges Leben bis zum Tod in ihrer
                                                              häuslichen Umgebung. Das multiprofessio-
                                                              nelle Team versorgt mittlerweile jährlich mehr
Unheilbar Kranke und Sterbende dabei zu unterstützen, ihre
                                                              als 600 Patient*innen zu Hause, aber auch
letzte Lebensphase zu Hause und dabei möglichst schmerzfrei   im Pflegeheim sowie im stationären Hospiz
sowie selbstbestimmt zu verbringen: Das ist Ziel und Her-     – und zwar im Rahmen der Spezialisierten
                                                              Ambulanten Palliativversorgung (SAPV). Da-
zensanliegen der gemeinnützigen Genossenschaft Hospiznetz     mit Schwerstkranke und Sterbende trotz ei-
Marburg geG.                                                  nes komplexen Behandlungsbedarfs in ihrer
                                                              gewohnten Umgebung verbleiben können,
                                                              hat der Gesetzgeber 2007 mit der SAPV die
                                                              gesetzliche Grundlage für den Anspruch auf
                                                              palliative, also Schmerz und Leiden lindern-
                                                              de medizinische und pflegerische Leistungen
                                                              geschaffen.

24 | GENIAL | 3-2022
GESUND MIT GENOSSENSCHAFTEN

                                                                                                              www.hospiznetz.de

                                                                              Starkes Netzwerk                                 Versorgung immer gefragter
                                                                              Diese besondere wie wichtige Unterstüt-          Die Koordination der dem Hospiznetz ange-
                                                                              zung begann schon vor der Gründung der           hörenden Ärzt*innen und Pflegefachkräfte,
                                                                              Genossenschaft im Juni 2010. „Durch die          die regelmäßige Supervisionen und Fortbil-
                                                                              Arbeit im stationären Hospiz erkannten wir       dungen in Anspruch nehmen können, ob-
                                                                              den Bedarf, hospizliche Leistungen auch in       liegt dem Büro der Genossenschaft, dem
                                                                              den ambulanten Bereich auszudehnen“, so          neben vier Mitarbeiterinnen auch eine Buch-
                                                                              Dr. Gangolf Seitz. Also taten sich 2009 das      halterin und Prokuristin angehört. „Diese Ar-
                                                                              stationäre St. Elisabeth-Hospiz, der Malte-      beit ist immens wichtig, denn die Zahl der
                                                                              ser Hilfsdienst und die Johanniter zusam-        Patientinnen hat sich stetig erhöht“, so Dr.
                                                                              men, um zunächst als GbR konzertiert die         Gangolf Seitz. Gab es 2013 insgesamt 456
                                                                              integrierte Versorgung der schwerstkranken       Patient*innen, die vom Hospiznetz Marburg
                                                                              Patient*innen zu Hause zu übernehmen. Als        betreut und versorgt wurden, ist deren Zahl
                                                                              dann der Bundestag im Sozialgesetzbuch ei-       2021 auf 607 angestiegen.
                                                                              nen zusätzlichen Paragrafen einführte, der            Um die SAPV-Leistungen des Hospiz-
                                                                              Schwerstkranken den Anspruch auf SAPV zu-        netzes in Anspruch nehmen zu können,
                                                                              sicherte, setzten ihn die Bundesländer unter-    bedarf es immer einer Verordnung eines
                                                                              schiedlich um. In Hessen bildete sich schnell    Haus-, Fach- oder Krankenhaus-Arztes oder
                                                                              eine Arbeitsgemeinschaft der verschiedenen       einer -Ärztin. „Zu 80 Prozent behandeln wir
                                                                              Interessenten, die die Umsetzung und vor al-     Krebskranke im weit fortgeschrittenen Sta-
                                                                              lem die finanzielle Ausstattung mit den Kran-    dium, aber auch Lungen-, Herz- oder Nie-
                                                                              kenkassen verhandelte. „Das war für unser        renkranke, die nur noch wenige Wochen bis
                                                                              Bundesland sehr hilfreich, denn wir haben        Monate zu leben haben“, erläutert der Me-
                                                                              mittlerweile eine flächendeckende SAPV-Ver-      diziner. Sie alle werden täglich kontaktiert,
                                                                              sorgung“, erzählt Dr. Gangolf Seitz.             ein- bis zweimal in der Woche von den spe-
                                                                                  Durch die Gesetzesänderung stellte sich      ziell geschulten Fachkräften der Pflegediens-
                                                                              darauf die Frage: Wie wird das Team zusam-       te besucht sowie je nach Bedarf von einem
                                                                              mengestellt und wie organisiert man sich         Palliativ-Arzt oder einer -Ärztin. Dazu kommt
                                                                              am besten? Denn in Marburg – und dies            die Notfallbereitschaft. „Manchmal reicht in
                                 „Wir ersetzen nicht die Arbeit des Haus-     war eine Besonderheit – kamen die Akteure        der Nacht oder am Wochenende eine tele-
                             arztes oder die Tätigkeiten der Pflegediens-     (Ärzt*innen und Pflegekräfte) vor allem aus      fonische Beratung, ansonsten wird ein Arzt
                             te, mit denen wir natürlich in engem Kontakt     dem ambulanten Bereich. Drei der späteren        oder eine Ärztin und/oder eine Pflegekraft
                             stehen. Unsere Leistungen kommen qua-            Genossen betrieben bereits einen ehren-          losgeschickt, sodass jede*r die Sicherheit
                             si on top“, berichtet Dr. Gangolf Seitz, Vor-    amtlich besetzten ambulanten Hospizdienst.       hat, dass ihm/ihr immer geholfen wird“, so
                             stand der gemeinnützigen Genossenschaft          Nach Prüfung der möglichen Formen der Zu-        Dr. Gangolf Seitz.
                             Hospiznetz Marburg geG. Deren Palliativ-         sammenarbeit entschloss man sich zur Grün-            Neben der umfassenden Versorgung
                             Mediziner*innen sowie die Pflegefachkräfte       dung einer gemeinnützigen Genossenschaft.        der meist zeitgleich zirka 80 unheilbar Kran-
                             mit der Zusatzweiterbildung Palliative-Care          Ihr gehören heute zehn Akteure an –          ken berät das Hospiznetz Marburg auch bei
                             begleiten und entlasten im ländlich gepräg-      neben einer Gruppe von spezialisierten           der Erstellung einer Patientenverfügung oder
                             ten Landkreis Marburg-Biedenkopf mit zirka       Ärzt*innen auch das stationäre Hospiz in         Vorsorgevollmacht und bietet zudem auch
                             250.000 Einwohner*innen unheilbar Kranke,        Marburg sowie acht Pflegedienste aus dem         Letzte-Hilfe-Kurse an. Hier erhalten vornehm-
                             Sterbende sowie auch deren Angehörige in         gesamten Landkreis. „Diese Art der genos-        lich Angehörige wertvolle Ratschläge, wie sie
                             der Zeit des Abschiednehmens. Und sie sor-       senschaftlichen Zusammenarbeit läuft seit-       sich im Umgang mit Sterbenden verhalten
                             gen dafür, dass diese nicht alleine sein müs-    her stabil und hat sich bewährt“, berichtet      können oder erfahren, wo deren Bedürfnisse
                             sen mit ihren Schmerzen, mit Ängsten und         der 71-Jährige, der vor sieben Jahren nach       liegen. „Unsere Zielgruppe sind jedoch alle
Foto: Pixel-Shot/adobe.com

                             Nöten. Dazu gehört auch eine Notfallbereit-      35 Jahren als Allgemeinmediziner aus sei-        Menschen, denn wir verstehen diese Kurse
                             schaft rund um die Uhr. „Wir sind beratende      ner eigenen Praxis ausgestiegen ist und sich     als Anregung, sich mit diesem wichtigen The-
                             Stütze, die regional mit weiteren Einrichtun-    schon lange als Palliativmediziner sowie seit    ma zu beschäftigen“, rät Dr. Gangolf Seitz.
                             gen und Hilfsorganisationen gut vernetzt ist“,   2013 als Vorstand der Hospiznetz Marburg                                           Anja Scheve
                             so der Vorstand.                                 geG engagiert.

                                                                                                                                                     3-2022 | GENIAL | 25
Mehr als die
                        rechte Hand
                                                                 E
          Selbstbestimmt leben zu können ist für viele Men-                 inen Beruf auszuüben, in Geschäf-
          schen mit Behinderung keine Selbstverständlichkeit.               ten einzukaufen oder auf Reisen
                                                                            zu gehen: „Ohne Assistenz wäre
          Einige von ihnen jedoch wollten es zu einer machen                mir all das nicht möglich“, sagt Ro-
          und gründeten 1994 die Hamburger AssistenzGenos-       man Barth. Aufgrund einer Muskeldystro-
          senschaft, mit der sie ihre Hilfen seither gemeinsam   phie sitzt er im Rollstuhl und ist auf Hilfe an-
                                                                 gewiesen. Diese leisten seine persönlichen
          organisieren.                                          Assistenzgeber*innen, die bei der gemein-
                                                                 nützigen Hamburger AssistenzGenossen-
                                                                 schaft (HAG eG) angestellt sind. Das Beson-
                                                                 dere dabei: Der 36-Jährige ist seit fünf Jah-
                                                                 ren nicht nur Kunde der HAG eG, sondern
                                                                 seit 2020 zugleich auch deren geschäfts-
                                                                 führender Vorstand. Dieses Konstrukt klingt
                                                                 zunächst ungewöhnlich, war aber schon
                                                                 zu Gründungszeiten üblich. Schließlich ha-
                                                                 ben sich seinerzeit Menschen mit Behinde-
                                                                 rung die Möglichkeit geschaffen, ihre Versor-
                                                                 gung selber zu sichern – um somit ihr Leben
                                                                 selbstbestimmt führen, eigenständig gestal-
                                                                 ten und am gesellschaftlichen Leben teilha-
                                                                 ben zu können. Vorausgegangen war dem
                                                                 ein langer Weg.
                                                                      Entstanden ist die Idee der persönlichen
                                                                 Assistenz aus der sogenannten Krüppelbe-
                                                                 wegung sowie der Independent-Living-Be-
                                                                 wegung. Beide setzten sich seit den 1970er
                                                                 Jahren aktiv dafür ein, die soziale Benachtei-
                                                                 ligung von Menschen mit einer körperlichen
                                                                 Behinderung aufzuheben und für sie Chan-
                                                                 cengleichheit und vor allem Selbstbestim-
                                                                 mung in allen relevanten Lebensbereichen
                                                                 zu erreichen. „Es galt, das Pflegeparadigma
                                                                 umzukehren und nicht mehr durch die Pfle-
                                                                 ge diktiert zu bekommen, wie etwas wann
                                                                 zu sein hat, sondern selber darüber entschei-
                                                                 den zu können, wer, wann, wo und wie die
                                                                 verschiedensten Hilfeleistungen durchführt“,
                                                                                                                    Fotos: Hamburger AssistenzGenossenschaft eG

                                                                 beschreibt es Roman Barth. Lebten damals
                                                                 noch die meisten Betroffenen in Heimen, er-
                                                                 öffnete die Schaffung von persönlichen As-
                                                                 sistenzen vielen von ihnen ganz neue Mög-
                                                                 lichkeiten und Lebensperspektiven.
                                                                      Ein Team um Gerlef Gleiss, der auch die
                                                                 Beratungsstelle von Autonom Leben e.V. ge-
                                                                 gründet hat, und Jörg Hampel verhandelte
                                                                 und schloss letztendlich 1994 mit der Ham-
                                                                 burger Sozialbehörde die Leistungsbeschrei-
                                                                 bung der persönlichen Assistenz ab. Damit

26 | GENIAL | 3-2022
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