Mit Genossenschaften - DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 3-2022 - Genossenschaftsverband
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
GEN AL DAS MAGAZI
N FÜR DAS GE
K
NOSSENSCHA
FTLICHE NE
o
TZWERK | 1-2
022
Umfrage unter Leser*innen
nnekt
ivität + Genossensc
haften
Umfrage unter Leser*innen:
Wie gefällt Ihnen GENiAL?
Liebe Leser*innen, wir möchten GENiAL nach Ihren Wünschen für Sie weiterentwickeln. Deshalb wol-
len wir von Ihnen unter anderem wissen: Wie gefällt Ihnen GENiAL? Was schätzen Sie besonders am
Magazin? In welchem Format möchten Sie GENiAL künftig lesen? Als gedruckte Ausgabe oder eher
als E-Paper oder beides?
Wir freuen uns sehr, wenn Sie bei unserer großen Umfrage unter Leser*innen mitmachen und
unsere Fragen beantworten. Dafür brauchen Sie keine zehn Minuten. Sie müssen nur die Kamera
Ihres Smartphones auf den QR-Code richten und schon öffnet sich unser Fragebogen. Die Befragung
ist selbstverständlich anonym.
Unter allen Teilnehmer*innen verlosen wir zwei Flutwein-Pakete von der Winzergenossenschaft
Mayschoß-Altenahr eG. Die Teilnahme am Gewinnspiel ist freiwillig.EDITORIAL
Liebe Leser*innen,
digital oder real? Diese Frage stellt sich gerade jetzt und für die künf-
tigen (Post-)Pandemiezeiten. Tatsächlich hat das Virus der Digitalisie-
rung in vielen Bereichen einen gewaltigen Schub verliehen. Denken
wir nur daran, was digital plötzlich alles möglich ist: von der Videokon-
ferenz mit Kolleg*innen und Kund*innen über den digitalen Campus
bis hin zum digitalen Feierabendbier mit Freund*innen. In einer aktu-
ellen, repräsentativen Befragung von Bitkom aber zeigt sich, dass die
Mehrheit der befragten Arbeitnehmer*innen eine hybride Zukunft –
also eine Kombination aus Präsenz und mobilem Arbeiten – wünscht.
Und viele freuen sich nach der langen Zeit mit wenig Kontakten wie-
der auf ganz reale Veranstaltungen. Auch im Genossenschaftsver-
band war die Freude groß, als wir am 31. Mai endlich wieder in Prä-
senz zum genossenschaftlichen Familientreffen, dem Verbandstag in
der Alten Oper in Frankfurt, einladen konnten (Seiten 8–10).
Im Fokus der Veranstaltung stand auch eine neue Trendstudie des
Zukunftsinstituts in Zusammenarbeit mit dem Genossenschaftsver-
band, die unter dem Titel „Aufbruch in die WIR-Ökonomie“ die Rol-
le der Genossenschaften in Zeiten der Transformation durch Mega-
trends beleuchtet. Einen dieser Megatrends, das Thema „Gesund-
heit“, analysieren wir anhand genossenschaftlicher Beispiele in dieser
Ausgabe (ab Seite 20).
Digital oder real? Die Frage stellt sich auch bereits seit Länge-
rem mit Blick auf Lesevorlieben. Lesen Sie Ihre Tageszeitung am
liebsten digital am Computer oder gedruckt am Frühstückstisch?
Diese – und andere – Fragen stellen wir uns auch für GENiAL. Des-
halb haben wir eine Umfrage gestartet, um Ihren Vorlieben, lie-
be Leser*innen, noch besser gerecht zu werden. Zur Umfrage ge-
Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V., sewcream/adobe.com
langen Sie ganz schnell und digital über den QR-Code auf der lin-
ken Seite. Und Mitmachen lohnt sich: Unter allen Teilnehmer*innen
verlosen wir zwei Flutweinpakete von der Winzergenossenschaft
Mayschoß-Altenahr eG.
Viel Freude beim Mitmachen und Lesen
Ihre
Lisa König-Topf
P.S. Über Lob, Anregung und Kritik freuen wir uns jederzeit unter Lisa König-Topf
genial@genossenschaftsverband.de Abteilungsleiterin Presse- und
Fotos:Genossenschaftsverband
Öffentlichkeitsarbeit, Bereich
Kommunikation & Change,
Genossenschaftsverband –
Verband der Regionen e.V.
Foto:
3-2022 | GENIAL | 318 32 34
20
Im Fokus:
gesund
mit Genossenschaften
In Kürze Aus dem Verband Im Fokus
Deutsche zahlen weniger mit Bargeld 6 Impulse und Lösungen für morgen: Gesund mit Genossenschaften 20
Verbandstag 2022 8
Spenden für Fluthilfeopfer: Gesundheit als gesamtgesellschaftliche
Schülergenossenschaften – Aufgabe 22
Frauenbildungs- und Tagungshaus wie geht es weiter? 12
Zülpich wiedereröffnet 6 Quo vadis? Genossenschaften im
Genossenschaften müssen sich Gesundheitssektor:
Noch kein Alltag in der gegen Cyberangriffe schützen: Interview mit Gründungsberater
Dr. von Ehrenwall’schen Klinik 7 Interview mit Verbands-IT-Experte Dr. Thorsten Möller 23
Andreas Schmidt 14
Umsorgt bis zum Schluss:
Spendenaufruf: Hospiznetz Marburg geG 24
#standwithukraine 16
Mehr als die rechte Hand:
Mediation löst viele Konflikte Hamburger AssistenzGenossenschaft eG 26
in Unternehmen:
Interview mit Verbands-Mediatorin Leistungen der Familiengenossenschaft
Stefanie Wagner 17 werden stark nachgefragt:
Interview mit den Vorständen
GenoHotels sind nun ein Trio 18 Jürgen Scholz und Henrik Gens 28
Salz auf der Haut: die Salzgrotte der
co op Minden-Stadthagen eG 29
Smarte Lösungen gemeinsam
voranbringen:
digital health transformation eG 30
4 | GENIAL | 3-2022INHALT
Genossenschaften in Regionen
Rheinhessen
Aus den Regionen
„Nachhaltigkeit sichert unsere
Überlebensfähigkeit“:
Interview mit Dr. Salome Zimmermann,
Edekabank 32
Was ist schön?
Die Bundessieger*innen
des Wettbewerbs „jugend creativ“ 34
easyGeno:
Erstregistrierung ist gestartet 36
38
Preisverleihung BlaueBoje
am 11. September 37
GENiAL reist nach Rheinhessen,
kocht Rieslingsuppe, besucht
Aus der Reihe das Gutenberg-Museum und
World Wide Geno Web: lernt die zwölf Kartoffelsorten
AWADO Gruppe auf LinkedIn 45 der Bio-Familie-Rheinhessen eG
kennen.
Cordula Senne und die Lupinen 46
Impressum 44
Fotos: AkademieHotel Karlsruhe, Fynn, Edekabank, Bio-Familie-Rheinhessen eG; Sven, parallel_dream und sewcream/adobe.com
3-2022 | GENIAL | 5Bargeld verliert an Bedeutung
Anteil der Befragten, die in den letzten 12 Monaten
unterwegs folgende Zahlungsmittel genutzt haben*
Deutsche zahlen weniger mit
Bargeld
100 2020 2021 2022 Deutschland gilt als Bargeldland. Doch in den letzten zwei Jah-
72% ren ist der Anteil der Bar-Zahler*innen von 84 auf 72 Prozent
80 gesunken. Das zeigt eine Auswertung von Statista Global Con-
sumer Surveys. Ein klarer Aufwärtstrend zeichnet sich jedoch
60 bei den sogenannten Mobile Payments ab: So hat sich das
„Smartmonnaie“, das Bezahlen mit dem Smartphone, nicht nur
40 beim Online-, sondern auch beim stationären Shopping etab-
13% liert. Wie eine Studie des ECC Köln, das sich auf digitalen Wis-
20 senstransfer für den Handel konzentriert, feststellt, zahlt be-
reits heute ein Fünftel aller Kunden regelmäßig mit dem Smart-
0 phone an der Ladenkasse. 59 Prozent der Konsument*innen
Bargeld Debitkarte Kreditkarte Mobile Prepaid- Andere wollen es künftig tun. Insbesondere bei den Zahlungen für Mo-
Payment karte/
Gutschein bilitätsangebote, zum Beispiel für Sharing-Fahrzeuge (37 Pro-
* Einzelhandel, Restaurant und andere Points of Sale zent), oder für den Ticketkauf im öffentlichen Nahverkehr (34
Basis: 2.100–4.500 Befragte (18–64 Jahre) in Deutschland;
Mehrfachantworten möglich
Prozent) hat das Smartphone teilweise schon das Portemon-
Quelle: Statista Global Consumer Survey naie ersetzt.
„Es war großes Glück, dass keine
Menschen zu Schaden kamen“
Der normalerweise idyllisch fließende Rotbach sorgte im Juli vergangenen Jahres für eine
Flutwelle und zerstörte auch das Frauenbildungs- und Tagungshaus Zülpich.
B esonders stark betroffen vom Hochwasser des Rotbachs war
das Frauenbildungs- und Tagungshaus Zülpich e. V. im Kreis Eus-
kirchen, eine vor mehr als 40 Jahren eröffnete Einrichtung für Er-
gebäude waren komplett zerstört, die Wände stark in Mitleidenschaft
gezogen. Besonders das denkmalgeschützte Fachwerkhaus wurde
massiv beschädigt. Mehrere Wochen liefen bis zu 18 Bautrockner Tag
wachsenen- und Weiterbildung, die sich ausschließlich der feminis- und Nacht, bevor mit der eigentlichen Sanierung gestartet werden
tischen Bildung und Themen rund um Geschlechtergerechtigkeit und konnte. Bis Anfang des Jahres 2022 war der Betrieb daher komplett
Teilhabe widmet. Das Kollektiv lila_bunt hat den traditionsreichen Ort eingestellt und das Haus geschlossen. „Viele, viele hilfsbereite und
2019 übernommen und bietet seitdem Bildungsurlaube, Seminare solidarische Unterstützer*innen und Fachkräfte waren in dieser Zeit
und Raum für Austausch, Lernen und Begegnung. Das junge Team vor Ort, um uns bei den Arbeiten zu helfen. Ohne diese Unterstüt-
von lila_bunt war bereits von der Corona-Pandemie stark betroffen zung hätten wir es niemals geschafft, lila_bunt wiederaufzubauen“, be-
und wurde durch die Folgen der Flut vor weitere große Herausforde- richtet Senf. „Dasselbe gilt für die finanzielle Unterstützung, die wir
rungen gestellt. erhalten haben“, ergänzt sie. Der Genossenschaftsverband unterstütz-
In der Flutnacht war eine Gruppe Jugendlicher für eine Freizeit zu te die Bildungseinrichtung mit 10.000 Euro, die Spendengelder wur-
Gast im Bildungshaus. 15 Jugendliche, ihre pädagogische Betreuung den für Baumaterial und Handwerkerkosten eingesetzt.
sowie vier Personen von lila_bunt. Sie mussten die gesamte Nacht Seit Beginn des Jahres 2022 ist das Haus nun wieder geöffnet.
über im oberen Stockwerk ausharren, bis die Feuerwehr sie am Mor- Ein Gebäude ist komplett fertig saniert, ein zweites ist noch nicht re-
gen nach der Flutwelle bergen konnte. „Das Wasser stieg immer noviert, aber schon wieder nutzbar. Das denkmalgeschützte Fach-
weiter und es war zu befürchten, dass es auch noch das obere Stock- werkhaus muss noch umfassend renoviert werden. „Wir hoffen und
werk erreichen würde“, erinnert sich Charlotte Senf, die zum lila-bun- rechnen damit, dass wir bis Mitte des Jahres alle Schäden beseitigt
ten Kollektiv gehört. „Es war großes Glück, dass keine Menschen zu haben werden“, so Senf. Dann möchte sie sich endlich wieder auf fe-
Schaden kamen.“ ministische und queer-feministische Bildung, Beziehungen, Solidari-
Die Schäden an den drei alten Gebäuden der Einrichtung waren tät, Vernetzung und Empowerment fokussieren, für die das Kollektiv
enorm. Alle Holzböden in den Erdgeschossen der beiden Seminar- steht.
Fotos: Meltem Acartürk, lila_bunt, Dr. von Ehrenwall’sche Klinik
6 | GENIAL | 3-2022IN KÜRZE
In Ahrweiler fehlt weiterhin viel Infrastruktur
Der Sachschaden der Dr. von Ehrenwall’schen Klinik ist enorm und liegt bei circa 25 Millionen
Euro. Rund 90 Mitarbeiter*innen der Klinik waren von der Flut auch zu Hause betroffen.
D en 145. Geburtstag hatten sich die Verantwortlichen der Dr. von Ehrenwall’schen
Klinik in Ahrweiler sicher anders vorgestellt. Knapp ein Jahr nach der verheeren-
#solidahrität den Flutkatastrophe, nach der alle Bereiche der Klinik geschlossen werden mussten,
sind auch weiterhin Teile davon auf andere Standorte im Umkreis verteilt. Nur nach
und nach können Patient*innen wieder ambulant und stationär behandelt werden,
kehrt der Alltag damit auch endlich für die Angestellten zurück. Auch die Spende des
Genossenschaftsverbands in Höhe von 30.000 Euro hilft dabei.
Vor der Flut gab es in dem Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychothera-
pie, Neurologie und Psychosomatik Platz für 150 stationäre und 30 tagesklinische
Patient*innen sowie 30 Rehaplätze. Nach der Flutnacht musste unter anderem auch
ein kleines Hotel angemietet werden, um einen stationären Bereich für etwa 20 Per-
sonen anzubieten. Die Versorgung der Patient*innen sicherzustellen war aufwendig,
aber nötig, betont Heike Heideck, Vorsitzende des Fördervereins der Klinik: „Durch
die Flut ist ein Teil der Bevölkerung hier im Ahrtal traumatisiert. Wenn jemand vor-
her schon psychisch belastet war, ist diese Belastung durch die Katastrophe natürlich
nicht kleiner geworden. Die Flutnacht bereitet den Menschen starke Sorgen, viele ha-
ben Angst, bei Regen ihre Häuser zu verlassen.“
In der Klinik selbst kamen keine Menschen zu Schaden, alle Patient*innen konn-
ten mit privaten Pkws evakuiert und zu Sammelpunkten gebracht werden. „Die Nacht
war einfach gruselig. Es hat geregnet, geregnet und geregnet. Das Wasser stieg,
stieg, stieg. Das Telefonnetz war irgendwann zusammengebrochen und der Kontakt
untereinander war nur mit Walkie-Talkies möglich“, erinnert sich Heideck. „Die Zerstö-
rungskraft des Wassers war entsetzlich. Bei Tageslicht sah es aus wie nach oder im
Krieg, Mauern waren weg, Holz, Müll, Tanks und anderes schwamm überall“, ergänzt
sie. „Schlamm, Diesel, Benzin und den ganzen Unrat nicht nur zu sehen, sondern vor
allem auch zu riechen, ist furchtbar.“ Überwältigend war für sie die Hilfsbereitschaft
der Menschen, die sogar aus den Niederlanden kamen: „Sie kamen einfach vorbei,
fragten, was zu machen ist, und haben angepackt. Manche hatten sogar Urlaub ge-
nommen, um zu helfen. Wenn wir diese Hilfe nicht gehabt hätten, wären wir bei Wei-
tem nicht so weit.“ Doch bis alle Schäden behoben sind und die Infrastruktur, zum
Beispiel Straßen und Wärmeleitungen, wiederhergestellt ist, wird noch viel Zeit ver-
gehen. Heideck: „Die Weinberge auf der einen Seite sind grün, aber schaut man her-
unter zur Ahrseite bleibt es gruselig.“
3-2022 | GENIAL | 7AUS DEM
VERBAND
Genossenschaftliche Talkrunde zum Thema „Impulse für die
Zukunft“: Mit dabei (v.l.n.r.) Vorstandsvorsitzender Ingmar
Rega, Dr. Katja Leppin, Vorständin der Agrargenossenschaft
Görike-Schönhagen, Sophia Gröting, Nachhaltigkeitsverant-
wortliche der VR-Bank Westmünsterland, Johannes Damerau
und Johanna Bitz von der Schülergenossenschaft
Walforma eSG mit Moderatorin Corinna Egerer.
E
ine starke Verbandsfamilie – Impulse und
Lösungen für morgen“: Unter diesem
Motto standen in der Alten Oper in Frank-
furt der Rückblick auf ein insgesamt er-
folgreiches Wirtschaftsjahr 2021 sowie
Impulse und Lösungen des Verbandes
für seine rund 2.600 Mitgliedsunternehmen an. Weiteres
wichtiges Thema war außerdem eine aktuelle Studie des
Zukunftsinstituts „Aufbruch in die WIR-Ökonomie“, die
zeigt, wie Genossenschaften Antworten auf die Mega-
trends unserer Zeit für den ländlichen Raum geben.
„Ein immer noch stark von den Auswirkungen der
Corona-Krise geprägtes Jahr 2021 konnten wir als Ver-
bandsfamilie wirtschaftlich sehr zufriedenstellend ab-
schließen. Wir sind finanziell sowie betriebswirtschaftlich
stabil aufgestellt“, erklärte Vorstandsvorsitzender Ingmar
Rega in seinem Vorstandsbericht.
„Die Kreditgenossenschaften haben sich in den letz-
ten zehn Jahren sehr positiv entwickelt und damit die
besondere Resilienz der genossenschaftlichen Unter-
nehmensform auch als Banken unterstrichen. Sie haben
sich 2021 abermals als die Stabilitätsanker in ihren Regio-
nen erwiesen. Gleiches gilt für die Spezialbanken und für
ihre jeweilige Klientel“, betonte der stellvertretende Vor-
standsvorsitzende Siegfried Mehring.
Im direkten Austausch und aus ers- Vorstandsmitglied Marco Schulz gab einen Überblick
über die wichtigsten Entwicklungen der Fachvereinigun-
ter Hand: Alles, was sich unter dem gen der Agrargenossenschaften sowie der Landwirt-
schaftlichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaf-
Dach des Verbandes tut, konnten die ten. Sein Fazit: „Die genossenschaftlichen Unterneh-
men im systemrelevanten Sektor Landwirtschaft haben
Mitglieder Ende Mai auf dem Ver- 2021 eindrucksvoll ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis
gestellt.“
bandstag erfahren. Gleichzeitig betonte er, dass die Landwirtschaft als
Grundlage unserer Versorgungsicherheit auch ein wichti-
ger Teil einer aktiven Friedenpolitik ist. Schulz: „Eine Pro-
duktionssteigerung auf unseren Gunststandorten kann
mithelfen, eine Hungerkrise in der Welt zu vermeiden.
Foto: Torsten Silz
3-2022 | GENIAL | 9AUS DEM VERBAND
Trendforscherin Anja Kirig vom
Zukunftsinstitut hielt einen Vortrag
über „Die Rolle von Genossen-
schaften im Rahmen der Trans-
formation zur sozial-ökologischen
Marktwirtschaft“.
Sophia Gröting ist Nachhaltigkeitsbeauftragte
der VR Bank Westmünsterland, die bis 2025
klimaneutral sein will.
Johannes Damerau ist im Vorstand der Walforma
eSG, die an der Freien Waldorfschule Mainz
einen Freitagsmarkt mit Bio-Backwaren, -Obst,
und -Milchprodukten gegründet hat. Die AWADO Gruppe lud im Foyer an Ständen zum Gespräch ein. Hier Vorstand Marco Schulz mit
Theresa Zicker (links) und Kati Büttner-Janner von der AWADO Agrar- und Energieberatung.
10 | GENIAL | 3-2022Eine starke Verbandsfamilie präsentierte sich zum genossenschaftlichen Familientreffen in der Alten Oper (v.l.n.r.): Die Vorstände Marco Schulz, Ingmar
Rega (Vorsitzender), Siegfried Mehring (stellvertretender Vorsitzender) und Peter Götz berichteten über die Entwicklungen in den Fachvereinigungen.
Dr. Peter Hanker (Mitte) leitete als Verbandsratsvorsitzender den Verbandstag.
Dies gilt besonders für die Agrargenossenschaften als hocheffiziente „Genossenschaften kommen schnell vom Wollen ins Machen,“
Großbetriebe“. Die zukünftige Ausrichtung der heimischen Landwirt- betonte Ingmar Rega. So zieht die Studie das Fazit: In Kooperati-
schaft müsse an die veränderten geopolitischen Rahmenbedingun- on von Kommunen, Unternehmen und Bürger*innen können Men-
gen angepasst werden. schen ihre Region gestalten und gemeinsam Angebote schaffen, die
„Nachhaltigkeit ist und wird ein zentraler Teil unserer Geschäfts- die Lebensqualität erhöhen. Keine andere Organisationsform ist laut
modelle“, betonte Vorstandsmitglied Peter Götz in seiner Bericht- Studie dafür so prädestiniert wie die Genossenschaft.
erstattung über die gewerblichen Genossenschaften. „Genossen- Die Corona-Pandemie hat bestehende Entwicklungen nochmals
schaftlich organisierte Unternehmen sind wie dafür geschaffen, hier verstärkt. Homeoffice ermöglicht beispielsweise weiteren Bevölke-
eine Vorreiterrolle einzunehmen“. Der Verband werde seine Mitglieder rungsgruppen ein Leben abseits der Städte. „Während Co-Working
„bei dieser nachhaltigen Transformation nach Kräften unterstützen“. auf dem Land vor wenigen Jahren nicht vorstellbar war, ist es nun
Vielfältige, ganzheitliche und wertvolle Impulse und Lösungen für hipp und innovativ“, so Rega und verwies auf eine erfolgreiche Genos-
die Mitglieder schaffen – darauf zielt die vom Vorstandsvorsitzenden senschaft in Schleswig-Holstein.
Ingmar Rega erläuterte Strategie der Verbandsfamilie ab. Hierfür in- Genossenschaften kommen dann ins Spiel, wenn es um die
vestiert der Genossenschaftsverband unter anderem in die Erwei- Stärkung der Region, basisdemokratische Themen und um Men-
terung seines Dienstleistungsangebotes, die Digitalisierung in den schen geht, die partizipieren und mitarbeiten wollen, analysierte Dr.
Kernbereichen Prüfung, Beratung und Bildung, aber auch in moderne Daniel Dettling. „Hier sehen wir optimale Bedingungen für die neue
Arbeitswelten für seine Beschäftigten. WIR-Ökonomie.“
„Das Zukunftsinstitut sieht Genossenschaften als zentrale Treiber
Studie: Aufbruch in die WIR-Ökonomie einer nachhaltigen, solidarischen und regionalen Wirtschaft. Die dar-
Die auf dem Verbandstag präsentierte Trendstudie des Zukunftsinsti- in liegenden Chancen gilt es, noch bekannter zu machen“, bilanzierte
tuts „Aufbruch in die WIR-Ökonomie“ – in Zusammenarbeit mit dem Ingmar Rega. „Die Studie bringt auf den Punkt, was Genossenschaft
Genossenschaftsverband erstellt und erstmals im Rahmen des Ver- ausmacht: Private Unternehmen definieren ihren Erfolg über den Ge-
bandstages von Anja Kirig vom Zukunftsinstitut vorgestellt – zeigt, winn, gemeinwohlorientierte Unternehmen über ihren Sinn. Für Ge-
warum die Antworten auf die Megatrends unserer Zeit für den länd- nossenschaften gehört beides zusammen: Purpose and Profit.“
lichen Raum in Genossenschaften liegen. Im Rahmen der Studie hat Hans-Peter Leimbach
das Zukunftsinstitut Genossenschaften interviewt, die als Pioniere
den Wandel früher spüren als andere, ihn aktiv gestalten und bereits
neue Geschäftsfelder entwickeln.
„Megatrends sind die Blockbuster des Wandels, sie haben epo-
chalen Charakter und formen nicht nur einzelne Branchen oder Sek-
toren um, sondern ganze Gesellschaften“, sagte Studienautor Dr. Da-
Fotos: Torsten Silz
niel Dettling. Für den ländlichen Raum seien Neo-Ökologie, Mobilität,
Konnektivität und New Work, Silver Society und Gesundheit, Globa-
lisierung und Urbanisierung sowie Individualisierung die Haupttreiber
für die kommenden Jahrzehnte. VERBANDSTAG 2022
3-2022 | GENIAL | 11Schülergenossenschaften
Ab 2023 bedroht ein neues Umsatzsteuerrecht die Existenz vieler
Schülerfirmen, darunter auch die Schülergenossenschaften. Der
Verband hat hierfür Lösungen entwickelt und sie der Politik vorge-
legt – bisher ohne Erfolg. Was genau hat der Verband unternom-
men, wie geht es weiter? Darüber sprach GENiAL mit Stephanie
Düker, Projektleiterin Schülergenossenschaften, sowie Felix Reich,
Referent für politische Interessenvertretung.
Frau Düker, in der letzten GENiAL ha-
ben wir ausführlich darüber berichtet,
dass Schülerfirmen in öffentlich-recht-
licher oder kirchlicher Trägerschaft
ab 2023 nun umsatzsteuerpflichtig
werden sollen, obwohl es Schulpro-
jekte sind.
Fotos: AWADO Kommunikationsberatung, Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V., Rzoog/adobe.com
STEPHANIE DÜKER: Schülerfirmen sind
Bildungsprojekte, bei denen Kinder und
Jugendliche im geschützten schulischen
Rahmen wirtschaftliche Zusammenhänge
realitätsnah kennenlernen, sich auspro-
bieren können und so auch erste beruf-
liche Orientierung erfahren. Sie werden
dabei von ihren Pädogog*innen angelei-
tet. Dass diese Projekte zukünftig de facto
ab dem ersten Euro umsatzsteuerpflichtig
werden sollen und damit schlechterge-
stellt werden als Kleinunternehmer, geht
völlig an der Idee dieser Bildungsprojek-
te vorbei. Um das ganz deutlich zu ma-
Stephanie Düker ist die chen: Es geht nicht um eine etwaige Um-
Projektleiterin des Verbandsprojektes satzsteuerzahllast, die wir für die Schüler-
Schülergenossenschaften. genossenschaften vermeiden möchten,
sondern um die mit der Gesetzesände-
rung verbundenen bürokratischen Hür-
den und den dadurch entstehenden Auf-
wand für alle Beteiligten vor Ort. Es be-
trifft sowohl die Schüler*innen als auch
die betreuenden Lehrer-Coaches sowie
die Kämmerer*innen, die die Umsätze der
Schülergenossenschaften in ihre Buch-
haltung einfließen lassen müssen (siehe
auch GENiAL 2-2022, Seite 12 f.).
12 | GENIAL | 3-2022AUS DEM VERBAND
– wie geht es weiter?
Was hat der Verband bisher unternom-
men? Auch wenn wir von einigen Akteur*in-
DÜKER: Natürlich haben wir die Betrof- nen, besonders von der Bildungs- und
fenen, unsere Schülergenossenschaften, Kultusseite der Bundesländer, Signa-
aber auch ihre Partnergenossenschaften le der Unterstützung für unser Anliegen
ausführlich über die bevorstehende Um- wie auch unsere Lösungsvorschläge
satzsteuer-Problematik informiert und sie bekommen, hatten wir bisher beim
motiviert, vor Ort ihre Politiker*innen und BMF noch keinen Erfolg. Ganz im
Journalist*innen sowie die breite Öffent- Gegenteil: Beim BMF herrscht bis-
lichkeit für das Thema zu sensibilisieren. lang noch die Rechtsauffassung,
Hierfür stellen wir entsprechende Unter- dass Schülerfirmen im Kern eher
lagen auf www.schuelergeno.de/umsatz- Wirtschafts- als Bildungsprojekte
steuer zur Verfügung. Ziel muss es sein, sind. Außerdem kann das Bun-
eine Ausnahme für Schülergenossen- desministerium durch die neue
schaften beziehungsweise alle Schüler- Umsatzsteuer keine zu hohe bü-
firmen vom Umsatzsteuerrecht ab 2023 rokratische Belastung sowie exis-
zu erhalten oder aber zumindest andere tenzielle Gefahr für Schülerfirmen
rechtssichere und zudem praktisch um- erkennen. Das BMF schlägt Alter-
setzbare Lösungen zu erwirken. nativlösungen vor, die aber nicht
praktikabel sind. Solange diese Ein-
Und wie steht die Politik zu dem stellung beim BMF vorherrscht, wird
Thema? es unserer Einschätzung nach auch kei-
FELIX REICH: Der Verband macht be- ne Ausnahmen bei der Umsatzsteuer für
reits seit mehr als zwei Jahren die Poli- Schülergenossenschaften geben.
tik auf das Problem aufmerksam. Denn
Felix Reich ist Referent für Poltische
nur die Politik kann für die Schülerge- Und wie geht es nun weiter? Interessenvertretung im Verband.
nossenschaften die Ausnahmeregelung REICH: Wir geben auf keinen Fall auf und
von der Umsatzsteuer schaffen. Deshalb haben schon die nächsten Schritte ge-
führen wir kontinuierlich Gespräche mit plant. Es ist wichtig, dass wir auch wei-
Politiker*innen auf Landes- und Bundes- terhin im Austausch mit den politischen
ebene, zum Beispiel mit dem Bundesfi- Entscheidungsträger*innen bleiben und
nanzministerium (BMF), der Kultusminis- gemeinsam an Lösungen arbeiten. Wenn
terkonferenz und den Ministerien einiger unsere Vorschläge ein Denkanstoß an den
Bundesländer. Dabei unterstützen uns richtigen Stellen sind, haben wir schon
auch unsere Nachbarverbände sowie die viel erreicht. Letztlich führen viele Wege
Deutsche Kinder- und Jugendstiftung. nach Rom! Unser unerschütterliches
Ziel bleibt es, eine gute Regelung zu fin-
den, die rechtssicher und praktikabel ist.
Schließlich sind Schülerfirmen Bildungs-
projekte und keine Wirtschaftsunterneh-
men. Sabine Bömmer
rettet die
www.schuelergeno.de
Schülergenos
#GENOFORSCHOOL
3-2022 | GENIAL | 13Genossenschaften müssen sich
gegen Cyberangriffe schützen
Mit zunehmender Digitalisierung, aber auch mit dem Angriffskrieg
auf die Ukraine steigen die Zahlen von Hackerangriffen vor allem
auch auf Unternehmensnetze. GENiAL sprach darüber mit Andreas
Schmidt, Leiter IT-Prüfung und IT-Beratung bei der AWADO GmbH
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft.
Herr Schmidt, Sie sind Experte für Cyber-
Angriff aus dem Osten sicherheit. Wie ernst ist die Bedrohung
Ursprung von Cyberangriffen auf Unternehmen durch Cyberangriffe?
in Deutschland in den letzten 12 Monaten (Anteile in %) ANDREAS SCHMIDT: Im Bereich der Cy-
berkriminalität dominieren aktuell zwei
Deutschland 43 große Bereiche. Das sind zum einen De-
Osteuropa (ohne Russland) 37 likte, die sich primär gegen öffentliche
oder private Netzstrukturen, zum Beispiel
China 30 das Internet und informationstechnische
Russland 23 Systeme richten. Zum anderen verzeich-
nen wir Delikte bei der Nutzung von Infor-
USA 16
mationstechnik, wie die missbräuchliche
EU-Länder (ohne Deutschland) 3 Nutzung von IT-Systemen oder Benutzer-
Unbekannt 31 berechtigungen. Laut Einschätzung des
Präsidenten des Bundesamtes für Infor-
Keine Angabe 6
mationssicherheit (BSI) Arne Schönbohm
herrscht in Teilbereichen schon „Alarm-
Basis 535 von Diebstahl, Industriespionage
stufe Rot“. Gründe seien die Professiona-
oder Sabotage betroffene Unternehmen;
lisierung der Cyberkriminellen, die zuneh-
Mehrfachnennungen möglich; Jan. bis Mrz.
mende digitale Vernetzung und die Ver-
2021; Quelle: Bitkom Research
breitung gravierender Schwachstellen in
IT-Produkten.
Wer sind die Hacker und wer ist Ziel der
Angriffe?
Man könnte zusammenfassen: jede*r
und alles. Weder Unternehmen noch Be-
hörden noch Einzelpersonen sind vor
Cyberattacken sicher. Die Angriffsziele
hängen stark von der Motivation der
Akteur*innen ab.
Neben unabhängigen Cy-
berkriminellen gibt es auch
Akteur*ìnnen, die staatlich ge-
steuert sind oder durch staatli-
che Strukturen gefördert oder
zumindest unbehelligt gedul-
det werden. Attacken gegen
Industrieanlagen, wie zum
Beispiel vor einigen Jah-
ren durch den Stux-
net-Wurm gegen
Siemens-Anlagen,
sind ebenso ver-
14 | GENIAL | 3-2022AUS DEM VERBAND
breitet wie Attacken gegen zentrale Cloud-
dienstleister. Der Cyberangriff auf die At-
ruvia AG im Jahr 2021 führte beispiels-
weise zu einer flächendeckenden Störung
des Onlinebankings bei den angeschlos-
senen Instituten.
Die Covid-19-Pandemie und die da- Sind sich die Genossenschaften dieser
durch vermehrte Arbeit aus dem Home- Gefahr bewusst? Was müssen sie tun?
office mit externen Unternehmenszugän- Das Thema erhält bei unseren Genossen-
gen, der Angriffskrieg Russlands gegen schaften immer mehr Aufmerksamkeit,
die Ukraine mit wechselseitigen Cyberat- das zeigen auch die steigenden Security-
tacken: All dies sind Beispiele, wie schnell Budgets.
Cyberkriminelle in der Lage sind, neue Im regulierten Finanzsektor werden
Situationen für ihre kriminellen Machen- darüber hinaus die Anforderungen an Cy-
schaften zu nutzen. bersecurity durch die Bankenaufsicht un-
mittelbar in die Institute transportiert und
Also ist Cyberkriminalität ein neues und dort umgesetzt.
lohnendes Geschäftsmodell? Aber auch in nicht-regulierten Bran-
Stimmt. Cyberkriminalität hat sich zu ei- chen steigt auf der Führungsebene das
nem innovativen und profitablen Ge- AWADO GmbH Bewusstsein für technische und organi-
schäftsmodell entwickelt. Cybercrime-as- Wirtschaftsprüfungsgesellschaft satorische Sicherheitsmaßnahmen. Die-
a-Service ist ohne größeren Aufwand im Steuerberatungsgesellschaft se dürfen nicht an den eigenen Unterneh-
Darknet buchbar und hat meist das Ziel, Andreas Schmidt, Leiter IT-Prüfung mensgrenzen, zum Beispiel der IT-Abtei-
hohe Summen Lösegeld zu erpressen. und IT-Beratung lung, haltmachen. Alle Mitarbeiter*innen
Über bestehende, weltweite Vernetzun- Tel.: 0511 9574-5456 müssen für dieses Thema sensibilisiert
E-Mail: andreas.schmidt@
gen ergeben sich hier Domino-Effekte, die werden. Außerdem ist eine angemessene
awado-gruppe.de
eine Vielzahl von Unternehmen, Behör- organisatorische und personelle Basis nö-
www.awado.de
den oder auch Privatpersonen schädigen. tig, um ein akzeptables Sicherheitsniveau
Aber auch andere Ursachen sind durch- zu erreichen.
aus denkbar. So sollen in den Jahren 2019
und 2020 Jugendliche die Computernet- Wie unterstützt die AWADO Genossen-
ze von Banken und Telekommunikations- schaften dabei, Daten und Unterneh-
anbietern in Schleswig-Holstein, Nieder- mensnetze zu sichern?
sachsen, Berlin und anderen Bundeslän- Die AWADO hat als Teil der genossen-
dern aus Langeweile attackiert haben. schaftlichen Verbandsfamilie hohe perso-
Selbst im privatem Umfeld sind die Wie betroffen sind unsere Genossen- nelle und fachliche Kompetenzen bei The-
Risiken aus der zunehmenden Vernetzung schaften? men der Cybersicherheit. Wir unterstützen
von Endgeräten untereinander nicht zu Genossenschaften sind wie alle Marktteil- unsere Kunden hier mit reinen IT-Prüfun-
unterschätzen. nehmer wachsenden Cyberrisiken aus- gen, aber auch mit präventiven oder be-
Die Schnittstelle zwischen Mensch gesetzt. Mir ist keine Genossenschaft be- gleitenden Maßnahmen zur Erhöhung der
und Maschine bleibt generell Einfallstor kannt, die ohne Internetzugänge oder IT- IT-Sicherheit. Als zentrale Leistungen bie-
Nummer 1 für Cyberangriffe: Mehr als 85 Systeme in der Lage wäre, ihr Geschäfts- ten wir auch die skalierbare Übernahme
Prozent aller Attacken starten beim Fak- modell zu betreiben. Die zunehmende von Tätigkeiten im Rahmen der Internen
Fotos: AWADO GmbH WPG StGB, Siarhei/adobe.com
tor Mensch, wie das Human Risk Review Zentralisierung von Geschäftsprozessen (IT-)Revision in mittelständischen Unter-
2022 von SoSafe bestätigt. Hieran wird unter Nutzung von Cloudanbietern oder nehmen oder auch in Kreditinstituten an.
sich kurzfristig auch nichts ändern, auch auch der individuelle Einsatz von hetero- Darüber hinaus unterstützen und beraten
wenn zunehmend professionalisierte An- genen IT-Systemen stellen unsere Genos- wir Genossenschaften und andere Unter-
griffe durch Künstliche Intelligenz zu einer senschaften vor neue Herausforderungen. nehmen dabei, Sicherheitslösungen im
neuen Qualität der Bedrohungen führen. Auch wenn ich nicht von gezielten Cyber- Sinne eines Informationssicherheitsma-
attacken auf unsere Genossenschaften nagements und deren Implementierung
ausgehe, können sie schnell davon be- auszuwählen – ausgerichtet an anerkann-
troffen sein. Denn Angriffe, zum Beispiel ten Standards wie der ISO 27001 oder
für Erpressungen oder Computersabota- dem BSI-Grundschutz. Zukünftig werden
gen, finden oft flächendeckend statt. Die wir auch eine entsprechende Zertifizie-
Täter*innen schauen dann, was sich Loh- rung nach diesen Standards anbieten.
nendes ergibt. Sabine Bömmer
3-2022 | GENIAL | 15#standwithukraine
Die genossenschaftliche Verbandsfamilie
ruft zu Spenden auf.
Der Genossenschaftsverband geht mit einer Spende von
100.000 Euro an ukrainische Kriegsopfer voran.
Und hier geht es zum Weitere Informationen
Spendenkonto: www.genossenschaftsverband.de/
www.drk.de/ukraine/ solidaritaet-mit-der-ukraine/
genossenschaftsverband-awado/
D
er Krieg in der Ukraine hat viele Menschen in eine unvorstellbare Notlage ver-
setzt. Die genossenschaftliche Verbandsfamilie verurteilt den Angriffskrieg Russ-
lands in der Ukraine auf das Schärfste. Gemeinsam mit ihren Mitgliedern will sie
den Ukrainer*innen unmittelbar helfen. Deshalb ruft sie, koordiniert vom Bundes-
verband der Volksbanken und Raiffeisenbanken, zu einer gemeinsamen Spendenaktion mit dem
Deutschen Roten Kreuz e.V. auf.
Wie der Verband betont, sind die genossenschaftlichen Werte, wie zum Beispiel die Hilfe zur
Selbsthilfe und das gemeinschaftliche Handeln, entscheidende Handlungsmaxime. Als Zeichen
dieser genossenschaftlichen Solidarität hat sich der Verband entschieden, mit gutem Beispiel vo-
ranzugehen und vorab einen Betrag von 100.000 Euro zu spenden, um das Leid der Menschen in
der Ukraine zu lindern.
16 | GENIAL | 3-2022AUS DEM VERBAND
Mediation löst viele Konflikte in
Unternehmen
Ungelöste Konflikte in Unternehmen können die Zusammen- Und was ist Ihre Rolle?
Mediation ist ein Prozess, ein Verfahren,
arbeit und das Geschäftsergebnis stark belasten. GENiAL das einer klaren Struktur folgt. Diese Struk-
sprach darüber mit Verbands-Mediatorin Stefanie Wagner aus tur muss eingehalten werden, um ein zufrie-
dem Verbandsbereich Beratung Betreuung Genossenschaften. denstellendes Ergebnis für alle Parteien zu
ermöglichen. Wir führen die Konfliktparteien
durch diesen Prozess. Dabei sind wir neutra-
le Mittler*innen, also völlig unparteiisch. Wir
Frau Wagner, in welchen Fällen geben keine Lösung vor, sondern helfen den
werden Sie und Ihre Kolleg*innen Parteien, ihre eigene Lösung zu erarbeiten.
als Mediator*innen in Unternehmen Letztendlich sind sie es, die das Ganze um-
aktiv? setzen müssen. Das grenzt Mediation auch
STEFANIE WAGNER: Hier ist die Palette von anderen Verfahren, wie Schiedsspruch
sehr breit. Grundsätzlich kann man sagen: oder gerichtlichen Verfahren, ab.
in allen Fällen, in denen Konflikte in einem
Unternehmen entstehen. Das können bei- Wann ist eine Mediation erfolgreich?
spielsweise Probleme zwischen Gremien, Das hängt von mehreren Punkten ab. So soll-
zwischen Unternehmen, Kunden und Dienst- te der Mediator oder die Mediatorin gut aus-
leister, Probleme unter Führungskräften oder gebildet sein. Eine Mediation ist nicht mal
Mitarbeiter*innen sein. Bevor Situationen nebenbei gemacht und erfordert gute Fach-
Fotos: Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V.; Andrii Yalanskyi/adobe.com
weiter eskalieren, die Zusammenarbeit er- kenntnisse in den technischen und methodi-
schwert wird oder der Unternehmenserfolg schen Fragen. Bei Organisations- oder Wirt-
gefährdet ist, stehen meine Kolleg*innen schaftsmediation handelt es sich zudem oft
und ich als ausgebildete Mediator*innen be- um komplexe Zusammenhänge, manchmal
reit. In vielen Fällen können dadurch aufwen- auch um Mehrparteien-Mediationen, Firmen-
dige und kostspielige juristische Auseinan- Stefanie Wagner hat Betriebswirtschaftslehre
und Abteilungskulturen kommen dazu. Nicht
dersetzungen oder auch Kündigungen und und Wirtschaftspsychologie studiert und einen selten spielen Besonderheiten eines ganz
der Abbruch von Geschäftsbeziehungen ver- Master in Mediation. Außerdem ist sie zertifi- spezifischen Wirtschaftssektors eine Rolle.
mieden werden. zierte Mediatorin. Es ist hilfreich, wenn der Mediator oder die
Mediatorin sich in diese Besonderheiten hin-
Und wer kann eine Mediation in eindenken kann.
Anspruch nehmen? Stefanie Wagner, Darüber hinaus sind auch die Konfliktpar-
Jedes Unternehmen, das Bedarf hat. Neben Master of Mediation (MM) teien selbst gefragt. Die Eigenverantwortung
Genossenschaften können dies auch ihre Beratung und Betreuung steht hier im Vordergrund. Sie sollten sich
mittelständischen Kunden oder Geschäfts- Genossenschaften auch auf die Mediation einlassen wollen. Nicht
partner sein. Je nach Wunsch der Auftragge- Tel.: 0211 16091-4679 immer können bei einer Mediation alle Prob-
ber führen wir die Mediation auch inhouse Mobil: 01712936741 leme aus der Welt geschafft werden. Aber sie
oder im Verband durch, obwohl ein neutraler E-Mail: stefanie.wagner@ kann helfen, trotz Differenzen einen gemein-
Ort zu bevorzugen ist. Wichtig ist aber in ers- genossenschaftsverband.de samen Weg der Zusammenarbeit zu finden.
ter Linie, dass die Parteien sich wohlfühlen. Sabine Bömmer
3-2022 | GENIAL | 17G
3
Die GenoHotels sind nun ein Trio
Die GenoHotels Baunatal, Forsbach und Karlsruhe präsentieren sich
seit dem 1. April mit einem gemeinsamen Markenauftritt.
anz nach dem Motto „Aller guten Dinge sind
drei“ erweitert das ehemalige AkademieHo-
tel Karlsruhe des Baden-Württembergischen
Genossenschaftsverbandes e.V. das Trio und
heißt nun GenoHotel Karlsruhe. Damit kommt ein wei-
terer strategischer Standort in das Markenportfolio der
GenoHotels. Dies erleichtert die Planung von Tagungen
und Seminaren sowie die Unterbringung von Gästen und
Kund*innen im gesamten Bundesgebiet.
Markus Maier, Geschäftsführer des GenoHotels Bau-
natal, und Dirk-James Annas, Geschäftsführer des Geno-
Hotel Forsbach, freuen sich gemeinsam über den neuen
Standort in Karlsruhe: „Das Karlsruher Haus erweitert un-
sere noch junge Kooperation um ein Campus-Hotel im
Raum Baden-Württemberg und bringt vor allem ein gro-
ßes Know-how im Bereich der hybriden Veranstaltungs-
technik mit.“ Ursula Haas, Leiterin des Hotelbetriebs in
Karlsruhe, betont den besonderen genossenschaftlichen
Charakter: „Als Hotels mit genossenschaftlicher Histo-
rie haben wir die genossenschaftlichen Werte Gemein-
schaft, Offenheit, Ehrlichkeit und Vertrauen neu interpre-
tiert und in unsere Hotelkonzepte integriert. Sie schaffen
in unseren professionellen Dienstleistungen den Rah-
men für Wertschätzung und Herzlichkeit.“
Alle Hotels bleiben innerhalb der Kooperation recht-
lich selbstständig. Die Zusammenarbeit soll Synergie-
effekte für die Häuser bringen und Stärken noch besser
nach außen darstellen. Für die Zukunft ist eine gemein-
same Strategie unter anderem für die Bereiche Digital Fotos: GenoHotels Forsbach und Baunatal, ehemaliges AkademieHotel Karlsruhe
Guest Journey, Nachhaltigkeit, Marketing sowie Mitar-
beiterentwicklung geplant. Als Mitglied der „TOP 250
Germany – Die besten Tagungshotels in Deutschland“
gehören die 3-Sterne-Superior-Hotels mit einer gemein-
samen Kapazität von mehr als 490 komfortablen Hotel-
zimmern und gut 80 kreativen Tagungsräumen zu den
besten Tagungshotels in Deutschland.
www.genohotels.com
FORSBACH
18 | GENIAL | 3-2022AUS DEM VERBAND
KARLSRUHE
BAUNATAL
3-2022 | GENIAL | 19Auf 440,6 Milliarden Euro
(plus 6,5 Prozent) sind die Krankenkosten Auf 1.000 Patient*innen
im Pandemiejahr 2020 angewachsen. kommen in Deutschland
4,5 Ärzt*innen.
gesund mit Genossenschaften
Vor 150 Jahren lag die Lebenserwartung eines Menschen in
Deutschland noch bei 40 Jahren, heute ist sie etwa doppelt
so hoch. Gesundheit kommt deshalb eine entscheidende
Bedeutung zu. Um sich dieser demografischen Entwicklung
anzupassen, muss sich in Deutschland einiges ändern. Viele
Genossenschaften haben sich hier schon auf den Weg ge-
macht. Doch lesen Sie selbst ...
18
Übersterblichkeit durch Corona:
2020 starben 5 Prozent
mehr Menschen als im Jahr zuvor.
Um Prozent ist die Zahl
der Beschäftigten im Pflegedienst
von Kliniken in den letzten zehn
Jahren angestiegen.
1.903
Die häufigsten Todesursachen sind
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs
und Krankheiten der Atmungssysteme.
Krankenhäuser versorgten 2020
16,8 Millionen Patient*innen.
20 | GENIAL | 3-2022Quelle: Statistisches Bundeamt; Foto: sewcream/adobe.com
3-2022 | GENIAL | 21
GESUND MIT GENOSSENSCHAFTENGesundheit als gesamtgesellschaftliche
Aufgabe
W
eltweit werden die Menschen älter und bleiben dabei länger
gesund. Die Megatrends Gesundheit und Silver Society (silber-
ne Gesellschaft) beschreiben die vielfältigen Auswirkungen die-
ses demografischen Wandels und seine enormen Herausforde-
Gesundheit ist einer der rungen für unsere Gesellschaft.
großen Megatrends unserer Durch den Kampf gegen die Pandemie sowie die Auswirkung von Covid-19
auf Körper und Psyche ist zusätzlich ein neuer Fokus auf Gesundheit als gesamt-
Zeit und stellt unsere Gesell- gesellschaftliche Aufgabe entstanden. Das bestätigt auch die aktuele Studie „Auf-
schaften vor große Probleme. bruch in die WIR-Ökonomie“, die der Verband beim Zukunftsinstitut in Auftrag ge-
Genossenschaften haben hier geben hat. Die Gestaltung der Umwelt im Sinne der Gesundheit aller wird zur
zentralen Zukunftsaufgabe. Gesundheit erfordert einen ganzheitlichen Ansatz,
innovative Lösungen gefun- denn einzelne Krankheitssymptome lassen sich nicht vom restlichen Körper tren-
den. nen. Dieser kann nicht losgelöst vom psychischen Empfinden des Individuums,
seinen Verhaltensmustern, seinem Lebensstil, seinen Gewohnheiten, seiner so-
zialen Eingebundenheit, seiner Arbeitsumgebung und seiner Umwelt betrachtet
werden.
Angesichts der demografischen Entwicklung zur Silver Society braucht es
neue soziale und ökonomische Rahmenbedingungen, digitale Plattformen und In-
frastrukturen sowie ein neues Verständnis vom Alter(n).
Insbesondere für den ländlichen Raum sind die Folgen des demografischen
Wandels spürbarer als in den Städten. In ländlichen Regionen leben mehr Men-
schen über 65 Jahre (23,5 Prozent) als in Städten (20,7 Prozent) oder in Regionen
mit Verstädterungsansätzen (22,2 Prozent). Angefangen von der sozialen und me-
dizinischen Infrastruktur bis hin zum bedarfsgerechten Wohnen stellen sich eine
Reihe von Aufgaben, für die Genossenschaften innovative Antworten entwickeln
(können).
Quelle: Studie „Aufbruch in die WIR-Ökonomie“,
Herausgeber Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V., Zukunftsinstitut
22 | GENIAL | 3-2022GESUND MIT GENOSSENSCHAFTEN
Quo vadis?
Genossenschaften im
Gesundheitssektor
Genossenschaften bieten Lösungen für viele Bran-
chen, so auch für den Gesundheitssektor. GENiAL
sprach darüber mit Gründungsberater Dr. Thorsten
Möller vom Genossenschaftsverband.
Trotz der Pandemie haben sich im wicklung und Erprobung innovativer patien- dungsangeboten oder die Sicherstellung der
letzten Jahr 53 Genossenschaf- tenorientierter Lösungen. Außerdem beglei- Qualität der Patientenversorgung: Stets kön-
ten neu gegründet, darunter auch ten wir einige Kommunen bei der Gründung nen durch den Zusammenschluss der Mitglie-
Gesundheitsgenossenschaften. Auf eines gemeinsamen Medizinischen Versor- der Leistungen erbracht werden, die einzelne
welche Bereiche konzentrierten sich gungszentrums (MVZ) in der Rechtsform Mitglieder für sich alleine nicht leisten oder fi-
diese Gesundheitsgenossenschaf- der Genossenschaft. Gerade für kleinere nanzieren könnten.
ten? Gemeinden ist die Sicherstellung der me-
DR. THORSTEN MÖLLER: Etwa 140 un- dizinischen Versorgung ein zunehmendes Wie unterstützt der Verband bei die-
serer Mitgliedsgenossenschaften arbeiten Problem, wenn selbstständig tätige sen Gründungsvorhaben?
im Bereich des Gesundheitswesens. Jedes Ärzt*innen vor Ort in den Ruhestand gehen Wir agieren gleichermaßen als Prüfer und
Jahr kommt hier ungefähr eine Handvoll und die nachfolgende Medizinergeneration als Coach und führen unsere Gründer*innen
Foto: Genossenschaftsverband - Verband der Regionen e.V.; Andrey Popov und elenabsl/adobe4.com
Neugründungen hinzu. Im letzten Jahr haben eher ein Angestelltenverhältnis anstrebt. Ein durch den gesamten Gründungsprozess. In-
wir die Gründung eines deutschlandweiten genossenschaftliches MVZ kann hierfür ein haltlich bedeutet das, dass wir in allen ge-
Verbundes inhabergeführter Facharztpraxen geeigneter Lösungsansatz sein. nossenschaftsrechtlichen Fragen rund um
begleitet, die als Genossenschaft eine ver- die Satzung sowie bei sämtlichen wirtschaft-
besserte berufliche Vernetzung und Interes- Warum sind Genossen- lichen Fragen rund um den Geschäftsplan
senvertretung erreichen wollen. Zudem ist schaften ein gutes beraten und betreuen. Zudem geben
ein Praxisnetz aus Haus- und Fachärzt*innen Modell für Grün- wir Feedback zum geplanten Ge-
als Genossenschaft gegründet worden, das dungsvorhaben schäftsmodell.
durch eine verbesserte Kommunikation und im Bereich Sabine Bömmer
Koordination aller Beteiligten die Qualität Gesundheit?
der Patientenversorgung in einer bestimm- Letztlich ist es
ten Region sicherstellen soll. Eine weitere vor allem die
neu gegründete Genossenschaft unterstützt Grundidee ko-
Menschen bei psychischen Erkrankungen, operativen Han- Ansprechpartner:
um nur einige Beispiele zu nennen. dels von Fried- Dr. Thorsten Möller
rich Wilhelm Raiff- Beratung und Betreuung Ge-
Wie sieht es mit Gründungen oder eisen, die auch im nossenschaften
Gründungsvorhaben für dieses Jahr Gesundheitssektor Tel.: 0211 16091-4677
aus? greift: gemeinsam mehr Mobil: 01725146136
Wir betreuen derzeit einige innovative Grün- zu erreichen. Sei es durch E-Mail: thorsten.moeller@
dungsvorhaben im Gesundheitssektor, etwa die Bildung beruflicher Netzwerke, den ge- genossenschaftsverband.de
im Bereich der datenbasierten Gesundheits- meinsamen Einkauf, die politische Interes-
förderung oder der wissenschaftlichen Ent- sensvertretung, die Schaffung von Weiterbil-
3-2022 | GENIAL | 23Umsorgt bis A m Ende des Lebens nicht allei-
ne und vor allem daheim in der
zum Schluss
vertrauten Umgebung zu sein:
Dieser Wunsch eint viele Men-
schen. Die Hospiznetz Marburg geG ermög-
licht Schwerstkranken und Sterbenden mit
besonderem Versorgungsbedarf ein men-
schenwürdiges Leben bis zum Tod in ihrer
häuslichen Umgebung. Das multiprofessio-
nelle Team versorgt mittlerweile jährlich mehr
Unheilbar Kranke und Sterbende dabei zu unterstützen, ihre
als 600 Patient*innen zu Hause, aber auch
letzte Lebensphase zu Hause und dabei möglichst schmerzfrei im Pflegeheim sowie im stationären Hospiz
sowie selbstbestimmt zu verbringen: Das ist Ziel und Her- – und zwar im Rahmen der Spezialisierten
Ambulanten Palliativversorgung (SAPV). Da-
zensanliegen der gemeinnützigen Genossenschaft Hospiznetz mit Schwerstkranke und Sterbende trotz ei-
Marburg geG. nes komplexen Behandlungsbedarfs in ihrer
gewohnten Umgebung verbleiben können,
hat der Gesetzgeber 2007 mit der SAPV die
gesetzliche Grundlage für den Anspruch auf
palliative, also Schmerz und Leiden lindern-
de medizinische und pflegerische Leistungen
geschaffen.
24 | GENIAL | 3-2022GESUND MIT GENOSSENSCHAFTEN
www.hospiznetz.de
Starkes Netzwerk Versorgung immer gefragter
Diese besondere wie wichtige Unterstüt- Die Koordination der dem Hospiznetz ange-
zung begann schon vor der Gründung der hörenden Ärzt*innen und Pflegefachkräfte,
Genossenschaft im Juni 2010. „Durch die die regelmäßige Supervisionen und Fortbil-
Arbeit im stationären Hospiz erkannten wir dungen in Anspruch nehmen können, ob-
den Bedarf, hospizliche Leistungen auch in liegt dem Büro der Genossenschaft, dem
den ambulanten Bereich auszudehnen“, so neben vier Mitarbeiterinnen auch eine Buch-
Dr. Gangolf Seitz. Also taten sich 2009 das halterin und Prokuristin angehört. „Diese Ar-
stationäre St. Elisabeth-Hospiz, der Malte- beit ist immens wichtig, denn die Zahl der
ser Hilfsdienst und die Johanniter zusam- Patientinnen hat sich stetig erhöht“, so Dr.
men, um zunächst als GbR konzertiert die Gangolf Seitz. Gab es 2013 insgesamt 456
integrierte Versorgung der schwerstkranken Patient*innen, die vom Hospiznetz Marburg
Patient*innen zu Hause zu übernehmen. Als betreut und versorgt wurden, ist deren Zahl
dann der Bundestag im Sozialgesetzbuch ei- 2021 auf 607 angestiegen.
nen zusätzlichen Paragrafen einführte, der Um die SAPV-Leistungen des Hospiz-
Schwerstkranken den Anspruch auf SAPV zu- netzes in Anspruch nehmen zu können,
sicherte, setzten ihn die Bundesländer unter- bedarf es immer einer Verordnung eines
schiedlich um. In Hessen bildete sich schnell Haus-, Fach- oder Krankenhaus-Arztes oder
eine Arbeitsgemeinschaft der verschiedenen einer -Ärztin. „Zu 80 Prozent behandeln wir
Interessenten, die die Umsetzung und vor al- Krebskranke im weit fortgeschrittenen Sta-
lem die finanzielle Ausstattung mit den Kran- dium, aber auch Lungen-, Herz- oder Nie-
kenkassen verhandelte. „Das war für unser renkranke, die nur noch wenige Wochen bis
Bundesland sehr hilfreich, denn wir haben Monate zu leben haben“, erläutert der Me-
mittlerweile eine flächendeckende SAPV-Ver- diziner. Sie alle werden täglich kontaktiert,
sorgung“, erzählt Dr. Gangolf Seitz. ein- bis zweimal in der Woche von den spe-
Durch die Gesetzesänderung stellte sich ziell geschulten Fachkräften der Pflegediens-
darauf die Frage: Wie wird das Team zusam- te besucht sowie je nach Bedarf von einem
mengestellt und wie organisiert man sich Palliativ-Arzt oder einer -Ärztin. Dazu kommt
am besten? Denn in Marburg – und dies die Notfallbereitschaft. „Manchmal reicht in
„Wir ersetzen nicht die Arbeit des Haus- war eine Besonderheit – kamen die Akteure der Nacht oder am Wochenende eine tele-
arztes oder die Tätigkeiten der Pflegediens- (Ärzt*innen und Pflegekräfte) vor allem aus fonische Beratung, ansonsten wird ein Arzt
te, mit denen wir natürlich in engem Kontakt dem ambulanten Bereich. Drei der späteren oder eine Ärztin und/oder eine Pflegekraft
stehen. Unsere Leistungen kommen qua- Genossen betrieben bereits einen ehren- losgeschickt, sodass jede*r die Sicherheit
si on top“, berichtet Dr. Gangolf Seitz, Vor- amtlich besetzten ambulanten Hospizdienst. hat, dass ihm/ihr immer geholfen wird“, so
stand der gemeinnützigen Genossenschaft Nach Prüfung der möglichen Formen der Zu- Dr. Gangolf Seitz.
Hospiznetz Marburg geG. Deren Palliativ- sammenarbeit entschloss man sich zur Grün- Neben der umfassenden Versorgung
Mediziner*innen sowie die Pflegefachkräfte dung einer gemeinnützigen Genossenschaft. der meist zeitgleich zirka 80 unheilbar Kran-
mit der Zusatzweiterbildung Palliative-Care Ihr gehören heute zehn Akteure an – ken berät das Hospiznetz Marburg auch bei
begleiten und entlasten im ländlich gepräg- neben einer Gruppe von spezialisierten der Erstellung einer Patientenverfügung oder
ten Landkreis Marburg-Biedenkopf mit zirka Ärzt*innen auch das stationäre Hospiz in Vorsorgevollmacht und bietet zudem auch
250.000 Einwohner*innen unheilbar Kranke, Marburg sowie acht Pflegedienste aus dem Letzte-Hilfe-Kurse an. Hier erhalten vornehm-
Sterbende sowie auch deren Angehörige in gesamten Landkreis. „Diese Art der genos- lich Angehörige wertvolle Ratschläge, wie sie
der Zeit des Abschiednehmens. Und sie sor- senschaftlichen Zusammenarbeit läuft seit- sich im Umgang mit Sterbenden verhalten
gen dafür, dass diese nicht alleine sein müs- her stabil und hat sich bewährt“, berichtet können oder erfahren, wo deren Bedürfnisse
sen mit ihren Schmerzen, mit Ängsten und der 71-Jährige, der vor sieben Jahren nach liegen. „Unsere Zielgruppe sind jedoch alle
Foto: Pixel-Shot/adobe.com
Nöten. Dazu gehört auch eine Notfallbereit- 35 Jahren als Allgemeinmediziner aus sei- Menschen, denn wir verstehen diese Kurse
schaft rund um die Uhr. „Wir sind beratende ner eigenen Praxis ausgestiegen ist und sich als Anregung, sich mit diesem wichtigen The-
Stütze, die regional mit weiteren Einrichtun- schon lange als Palliativmediziner sowie seit ma zu beschäftigen“, rät Dr. Gangolf Seitz.
gen und Hilfsorganisationen gut vernetzt ist“, 2013 als Vorstand der Hospiznetz Marburg Anja Scheve
so der Vorstand. geG engagiert.
3-2022 | GENIAL | 25Mehr als die
rechte Hand
E
Selbstbestimmt leben zu können ist für viele Men- inen Beruf auszuüben, in Geschäf-
schen mit Behinderung keine Selbstverständlichkeit. ten einzukaufen oder auf Reisen
zu gehen: „Ohne Assistenz wäre
Einige von ihnen jedoch wollten es zu einer machen mir all das nicht möglich“, sagt Ro-
und gründeten 1994 die Hamburger AssistenzGenos- man Barth. Aufgrund einer Muskeldystro-
senschaft, mit der sie ihre Hilfen seither gemeinsam phie sitzt er im Rollstuhl und ist auf Hilfe an-
gewiesen. Diese leisten seine persönlichen
organisieren. Assistenzgeber*innen, die bei der gemein-
nützigen Hamburger AssistenzGenossen-
schaft (HAG eG) angestellt sind. Das Beson-
dere dabei: Der 36-Jährige ist seit fünf Jah-
ren nicht nur Kunde der HAG eG, sondern
seit 2020 zugleich auch deren geschäfts-
führender Vorstand. Dieses Konstrukt klingt
zunächst ungewöhnlich, war aber schon
zu Gründungszeiten üblich. Schließlich ha-
ben sich seinerzeit Menschen mit Behinde-
rung die Möglichkeit geschaffen, ihre Versor-
gung selber zu sichern – um somit ihr Leben
selbstbestimmt führen, eigenständig gestal-
ten und am gesellschaftlichen Leben teilha-
ben zu können. Vorausgegangen war dem
ein langer Weg.
Entstanden ist die Idee der persönlichen
Assistenz aus der sogenannten Krüppelbe-
wegung sowie der Independent-Living-Be-
wegung. Beide setzten sich seit den 1970er
Jahren aktiv dafür ein, die soziale Benachtei-
ligung von Menschen mit einer körperlichen
Behinderung aufzuheben und für sie Chan-
cengleichheit und vor allem Selbstbestim-
mung in allen relevanten Lebensbereichen
zu erreichen. „Es galt, das Pflegeparadigma
umzukehren und nicht mehr durch die Pfle-
ge diktiert zu bekommen, wie etwas wann
zu sein hat, sondern selber darüber entschei-
den zu können, wer, wann, wo und wie die
verschiedensten Hilfeleistungen durchführt“,
Fotos: Hamburger AssistenzGenossenschaft eG
beschreibt es Roman Barth. Lebten damals
noch die meisten Betroffenen in Heimen, er-
öffnete die Schaffung von persönlichen As-
sistenzen vielen von ihnen ganz neue Mög-
lichkeiten und Lebensperspektiven.
Ein Team um Gerlef Gleiss, der auch die
Beratungsstelle von Autonom Leben e.V. ge-
gründet hat, und Jörg Hampel verhandelte
und schloss letztendlich 1994 mit der Ham-
burger Sozialbehörde die Leistungsbeschrei-
bung der persönlichen Assistenz ab. Damit
26 | GENIAL | 3-2022Sie können auch lesen