Mit Interoperabilität in die Zukunft Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung - KMA

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Mit Interoperabilität in die Zukunft Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung - KMA
Mit Interoperabilität in die Zukunft
Standardisierte Daten verändern
die Gesundheitsversorgung
Mit Interoperabilität in die Zukunft Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung - KMA
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Mit Interoperabilität in die Zukunft Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung - KMA
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Einleitung                                                                                                     04
Was ist Interoperabilität?                                                                                     06
Interoperabilität zur Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit                                                     16
Realisierung von Interoperabilität                                                                             26
Zusammenfassung                                                                                                31
Ihre Ansprechpartner                                                                                           32
Quellen                                                                                                        33

                                                                                                                           03
Mit Interoperabilität in die Zukunft Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung - KMA
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Einleitung
Stellen Sie sich für einen Moment eine Zukunft vor, in
der Mediziner, Pflegekräfte und Patienten Zugang zu
allen relevanten Gesundheitsdaten haben und diese
innerhalb von Einrichtungen und mit allen Akteuren im
Gesundheitswesen sektorenübergreifend, digital und
ohne Schnittstellenprobleme teilen können.

Diese Zukunft erscheint momentan noch                 postalische Sendungen oder Papierscans
schwer vorstellbar: Eine ganzheitliche und            gehören leider immer noch zum Alltag in
unmittelbare Einsicht in alle relevanten              vielen deutschen Praxen, Kliniken oder
Gesundheitsdaten eines Menschen, welche               anderen Gesundheitseinrichtungen.
zur Vorsorge, Therapie und Versorgung
benötigt werden, ist innerhalb und vor                Einer der Hauptgründe hierfür liegt in der
allem zwischen Sektoren – trotz allen                 mangelnden Fähigkeit an Interoperabilität
technischen Fortschritts – im deutschen               der datenerhebenden und -speichernden
Gesundheitsweisen derzeit nur bedingt                 Systeme in den historisch unabhängig
möglich. Die Pandemie hat die Relevanz                gewachsenen Sektoren des Gesundheits-
von Gesundheitsdaten und speziell die                 systems. So ist es heutzutage noch nicht
Notwendigkeit eines effizienten, digitalen            flächendeckend möglich, dass die Einwei-
und strukturierten Datenaustauschs noch-              sungsdokumentation eines niedergelasse-
mals verdeutlicht. „Notlösungen“ wie Fax,             nen Facharztes automatisch im klinischen

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Mit Interoperabilität in die Zukunft Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung - KMA
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Informationssystem (KIS) eines Kranken-       interoperabel verarbeiten und austauschen
hauses empfangen, gelesen und in der          können. Die europäische Kommission
Patientenakte abgespeichert werden kann.      schließt zusätzlich zum Sektor Gesund-
Aber auch innerhalb einzelner Sektoren ist    heitswesen auch alle anderen Industrie-
der Austausch von Daten durch pro­prietäre    sektoren, wie bspw. die Automobilindustrie
Systeme (bspw. ambulanter Sektor:             oder den Energiesektor mit ein und hält
Praxisverwaltungssystem (PVS), statio-        in ihrer Mitteilung an das europäische
närer Sektor: KIS) nur sehr eingeschränkt     Parlament vom 19.02.2020 fest, dass eine
möglich. Dadurch entstehen erhebliche         europäische Datenstrategie mittels so-
Redundanzen und Zusatzaufwände und            genannter „Interoperablen Datenräume“
daraus resultierend, elementare Kosten auf    unabdingbar ist.1 So wurden im Jahr 2018
Seiten der Leistungserbringer. Gleichzeitig   weltweit 33 Zettabyte an Daten generiert.
entstehen Risiken in der Patientensicher-     2025 wird von 175 Zettabyte an jährlich
heit, weil etwa Medikationsinteraktionen      produzierten Daten ausgegangen, welche
nicht digital und automatisch bearbeitet,     ohne Interoperabilität und darauf aufbau-
überwacht und übertragen werden kön-          enden Technologien, wie bspw. künstlicher
nen. Um die Bedürfnisse der steigenden        Intelligenz zur Auswertung und weiteren
Erwartungen von Menschen sowie des            Verwendung nicht effizient nutzbar sind.
Gesundheitssystems zu bedienen, bedarf        Mit dem GAIA-X Projekt unterstützt das
es Technologien, die Daten interoperabel      Bundesamt für Wirtschaft und Energie die
austauschen und zusammenführen, um            Entwicklung und den Aufbau dieser einheit-
z.B. Doppeluntersuchungen und mehrfach        lichen, europäischen Interoperabilität auch
notwendige Abfragen zu Vorerkrankungen        für den EU Datenraum des Gesundheits-
zu vermeiden.                                 wesens. Was jedoch viel wichtiger ist: Der
                                              Gesundheitsmarkt verändert sich radikal!
Die technischen Voraussetzungen hierfür       Er wird wesentlich datengetriebener und
sind durch offene, internationale Standards   patientenzentrierter. So gehen wir bei
und Profile (z.B. HL7, FHIR, DICOM und IHE)   ­Deloitte davon aus, dass Austausch und
zum Datenaustausch durchaus gegeben.           Analyse von Gesundheitsdaten in Zukunft
Das deutsche Gesundheitswesen war              nicht nur einer massiven Verbesserung
jedoch bisher zurückhaltend in der konse-      der Pandemiebekämpfung und Patienten-
quenten Anwendung dieser, insbesondere         versorgung dienen, sondern auch die
auch verursacht durch die föderale Struk-      Möglichkeiten für zusätzliche Use-Cases
tur und die bestehenden Sektorengrenzen        und Geschäftsmodelle eröffnet. Wer das
in Deutschland. Durch einrichtungs-            erkannt hat, weiß: Ohne Interoperabilität
bezogene, unterschiedlich ausgeprägte          wird es in Zukunft nicht gehen.
Entwicklungen von proprietären Systemen
und individuell realisierten, technischen
Standards können diese allgemeinen Stan-
dards als Grundlage der Interoperabilität
nicht effektiv angewendet werden. Dass
es auch anders gehen kann, sehen wir im
internationalen Vergleich. Deutschland
hängt momentan auf Ebene des Digitali-
sierungsgrades im Gesundheitswesen weit
hinter anderen Ländern zurück.

Der deutsche Gesetzgeber hat die Be-
deutung der Interoperabilität erkannt
und durch die gematik und dem health
innovation hub (hih) weitere Maßnahmen,
wie das Krankenhauszukunftsgesetz
(KHZG) veranlasst. Das KHZG sieht Straf-
zahlungen für Krankenhäuser vor, die bis
2025 wesentliche Gesundheitsdaten nicht

                                                                                                                                                  05
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Was ist
Interoperabilität?
Definition                                            sowie wesentliche weltweit etablierte bzw.     Notwendigkeit der Kombination aller
§384 SGB V sowie die EU-Medizinproduk-                landesspezifische Standards und Standar-       Ebenen der Interoperabilität
teverordnung definieren Interoperabilität             disierungsorganisationen im deutschen          Die Schaffung der syntaktischen Inter-
wie folgt:                                            Gesundheitswesen.                              operabilität stand in den letzten Jahren
                                                                                                     verstärkt im Fokus, um sowohl Software-
„Interoperabilität bezeichnet die Fähigkeit           Die Interoperabilität im Gesundheits-          systeme innerhalb einer Gesundheits-
von zwei oder mehr Produkten – ein-                   wesen wurde in den letzten Jahren mit          einrichtung miteinander kommunizieren
schließlich Software – desselben Herstel­             dem Vorhaben des Datenaustausches              zu lassen als auch Daten über Gesund-
lers oder verschiedener Hersteller,                   vorangetrieben. Sie soll wesentlich die        heitseinrichtungen hinweg übertragen zu
                                                      Vernetzung und Verknüpfung aller im            können. So wurden z.B. Plattformen / Netz-
a) Informationen auszutauschen und                    Ökosystem beteiligten Akteure, Systeme         werke von Krankenkassen oder auch kirch-
                                                      und Anwendungen (mitsamt der Daten)            lichen Trägern etabliert. Diese Projekte sind
b)	die ausgetauschten Informationen für              gewährleisten. Erhobene Daten sollen im        vorwiegend auf Basis von IHE und teilweise
    die korrekte Ausführung einer konkre­             Optimalfall von Beginn einer Leistungsan-      auch FHIR konzipiert und sollen Gesund-
    ten Funktion ohne Änderung des Inhalts            forderung über die Leistungserbringung,        heitseinrichtungen sektorenübergreifend
    der Daten zu nutzen und/oder                      bis hin zu Daten von Kostenträgern oder        verbinden. Unter anderem durch fehlende
                                                      öffentlichen Stellen (z.B. RKI) sowie allen    semantische Harmonisierung und Gover-
c)	miteinander zu kommunizieren und/                 dabei beteiligten Akteuren, verständlich       nance der Daten innerhalb der einzelnen
    oder                                              erzeugt, verarbeitet und ausgetauscht          Gesundheitseinrichtungen sind diese
                                                      werden können. Hierzu müssen Schnitt­          Ansätze allerdings nur sehr wenig effizient
d)	bestimmungsgemäß zusammenzuar­                    stellen und Standards zu einem vollständi-     und vornehmlich in kleinen oder mittel-
    beiten.“                                          gen, in sich konsistenten System realisiert    großen Gesundheitseinrichtungen gänzlich
                                                      werden. Das heißt insbesondere, dass           nicht in produktivem Einsatz. Skaliert über
Diese Definition ist klar und eindeutig.              erhobene Daten, welche von weiteren            viele Gesundheitseinrichtungen hinweg hat
Denken wir nun aber an eine Gesund-                   Akteuren benötigt werden, verfügbar,           sich Stand jetzt kein Ansatz etabliert.
heitseinrichtung wie z.B. ein Krankenhaus             standardisiert austauschbar („syntak-
mit einer Vielzahl an Systemen von                    tisch“) und maschinell interpretierbar („se-
unterschiedlichen Herstellern mit eigenen             mantisch“) sein müssen. Hierzu gehören
Datenstrukturen, sind die Details häufig un-          auch Daten, welche durch Medizingeräte
klar und somit wird die Umsetzung dieser              oder Wearables des einzelnen Menschen,
Definition zur großen Herausforderung.                ggf. Patienten erhoben werden sowie das
Häufige Fragestellungen sind: Welche Stan-            koordinierte Management der Verwaltung
dards brauche ich für die Interoperabilität?          der zentralen Daten durch den Menschen.
Welche Investitionen in welche Lösungen               Interoperabilität ist daher mitunter eine
und Standards sind sicher und zielführend?            der Grundvoraussetzungen einer erfolg-
Um in die Position zu kommen, konkret                 reichen Digitalisierung im Gesundheits-
entscheiden und vorgehen zu können                    wesen.
sowie Notwendigkeiten ganzheitlich in den
Fokus zu bekommen, ist im ersten Schritt              Dabei ist es notwendig, in den Bereichen
das Verständnis notwendig, aus welchen                Syntaktik, Semantik und Organisation
Ebenen und Standards sich Interoperabili-             speziell auf medizinische Inhalte und An-
tät zusammensetzt. Tabelle 1 gibt eine                forderungen einzugehen, welche in ihrer
Übersicht über die vier (technische, syntak-          Standardisierung weiter gehärtet werden
tische, semantische und organisatorische)             müssen.
Standardebenen der Interoperabilität

06
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Tabelle 1 – Standardebenen der Interoperabilität

                                                                Ausgewählte Standards (S)
Ebenen der
                    Beschreibung                                bzw. relevante Standardisierungs­               Praxisbeispiel
Interoperabilität
                                                                organisationen (O)

                    Grundlage der Interoperabilität.            Alle Ebenen des
                                                                                                   O
                    Bereitstellung der Infrastruktur, welche    ISO-OSI Modells:                                Ohne WLAN/5G keine
Technische /
                    zur strukturierten Speicherung von                                                          Interoperabilität von Mobile
Strukturelle                                                    TCP/IP, HTTPs, RESTful API,
                    Daten sowie zum Austausch von                                                  S            Devices
                    Informationen benötigt wird.                SOAP, o.Auth

                                                                HL7                                O

                                                                HL7 v.2                            S
                    Definitionen von Schnittstellen,
                                                                HL7 v.3                            S            Ohne strukturierte
                    Datenstrukturen und Vorgaben zur
Syntaktische                                                                                                    Nachrichten kein Sender/
                    Strukturierung von Nachrichten zur          HL7 FHIR                           S            Empfänger Verständnis
                    Übertragung von Daten.
                                                                IHE ITI                            O

                                                                DICOM, xDT, CDA                    S

                    Schaffung eines gemeinsamen                 ICD,                               S
                    Terminus und Vereinheitlichung                                                              Ohne genau definierte
                                                                LOINC, SNOMED CT,                  S
                    von Begrifflichkeiten in Form von                                                           Nachrichteninhalte in
Semantische         Definitionsverzeichnissen. Erzeugung        OPS-301, IDMP, TNM,                S            einheitlichem Terminus,
                    eines gemeinsamen Verständnisses von                                                        kein Sender/Empfänger
                                                                ORPHA/Alpha-ID, OMOP               S
                    Daten, sodass Sender und Empfänger                                                          Verständnis
                    Daten identisch interpretieren.             CDM                                S

                                                                gematik, ISiK,                     O

                                                                vesta,                             O

                    Organisatorisches Management                IHE Deutschland,                   O
                    bei der Umsetzung und im
                                                                HL7 Deutschland, DIN               O
                    Betrieb. Anbietermanagement,
Organisatorische
                    Zulieferung von Informationen wie           Normenausschuss Medizin
                                                                                                   O
                    Berechtigungskonzepten oder Data            (NAMed),
                    Governance-Definitionen.
                                                                IEEE, ANSI,                        O

                                                                Geschäftsäfts­führungen,
                                                                                                   O
                                                                IT-Abteilungen

                                                                                                                                                  07
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Grund ist unter anderem, dass es im                   nur durch gemeinsam im Ökosystem ab-            zen. Wichtig ist hierbei zu verstehen, dass
Gesundheitsmarkt an der gesamtheitlichen              gestimmte Änderungen weiterentwickelt           diese Standards in Kombinationen auch
Anwendung aller vier Standardebenen                   werden dürfen.                                  innerhalb einer Ebene verwendet werden
fehlt, welche die Grundlage für den Erfolg                                                            müssen. Es gibt also kein „Entweder / Oder“.
von Interoperabilität ist. Die Herausforde-           Um Informationen automatisch interpre-          Es geht vielmehr darum, Standards ge-
rung ist, alle Standards in Einklang mit den          tierbar zu machen, ist die Strukturiertheit     meinsam so zu verwenden, dass benötigte
Geschäftsprozessen zu bringen und von                 von Daten von Bedeutung. Nur so kann            Anwendungsfälle realisiert werden können.
jeder Gesundheitseinrichtung in gleicher              Semantik realisiert und darauf aufbauend
Form, herstellerunabhängig zu verwenden.              der Vorteil von künstlicher Intelligenz und     Technische Standards existieren seit langer
Hierzu ist ein starker Fokus auf Semantik             Entscheidungsunterstützungssystemen im-         Zeit und dienen der Vernetzung und der
und Data Governance zu legen. Ein                     mer mehr genutzt werden. Die strukturier-       Datenübertragung in vielen industriellen
Empfängersystem, das mit dem Absender                 te und granulare Ablage von Daten wird die      Bereichen. So ist es auch in Gesundheits-
kommuniziert, muss die Nachricht nicht                Ablage unstrukturierter Daten in Form von       einrichtungen möglich, PC’s technisch
nur technisch verarbeiten (speichern, wei-            PDF und Bildern insofern ersetzen, als dass     mit einem serverbetriebenen KIS oder
terleiten usw.) können, sondern auch ihren            unstrukturierte Formate wie z.B. Arztbriefe     Enterprise Resource Planning (ERP)-System
semantischen Inhalt, d.h. ihre Bedeutung,             in PDF lediglich noch zur forensischen          über ein Netzwerk, kabelgebunden oder
eindeutig interpretieren können. Je ver-              Langzeitbeweiswerterhaltung dienen, nicht       kabellos zu verbinden.
netzter ein Gesundheitssystem wird, desto             aber zur Einsicht im operativen Bereich.
wichtiger wird es, sich auf gemeinsame
semantische Standards zu beziehen, um                 Ausgewählte Interoperabilitäts-
die Kommunikation zwischen den verschie-              standards
denen Systemen belastbar sicherzustellen.             In den folgenden Tabellen werden aus-
Besonders zu beachten ist, dass Standards             gewählte Standards dargestellt, welche die
stringent eingehalten werden müssen und               Interoperabilität unterstützen bzw. umset-

Tabelle 2 – Ausgewählte technische Standards und ihre Einordnung auf Basis ihrer Notwendigkeit

Standard       Beschreibung                                             Netzwerk        Authentifizierung   Sicherheit      Interoperabiliät

               In 7 Schichten aufgeteiltes Referenzmodell,
OSI            mit dem sich Kommunikation zwischen
               Systemen beschreiben und definieren lässt

               Grundlegende Protokolle zur
TCP/IP
               Datenübertragung in Netzwerken

               Sammlung von Protokollen zur
o.Auth         standardisierten, sicheren API-Autorisierung
               für Desktop-, Web- und Mobile-Anwendungen

               Netzwerkprotokoll, mit dessen Hilfe Daten
               zwischen Systemen ausgetauscht werden
SOAP
               können. U.a. Basis für Kommunikation über
               IHE

               Beschreibungsgrundlage der FHIR
RESTful API
               Spezifikation

08
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Syntaktische Standards sind die Archi-         mit dem Unterschied, dass sich z.B. Diagno-
tektur der Datenformate und die Form der       sen, Prozeduren, Medikation in einzelnen
Übertragung von Daten. Der Standard CDA        („standardisierten“) XML-Bereichen (Tags)
(Clinical Document Architecture) macht die     befinden. Damit kann auch maschinell
Architektur sehr deutlich. Ein CDA-„Do-        in den Dokumenten nach exakt diesen
kument“, welches z.B. einen Arztbrief dar-     Informationen gesucht werden. Ein CDA
stellt, ist nicht ein einfaches PDF oder ein   Dokument kann mittels IHE, FHIR oder HL7
Word- Dokument. Es ist ein strukturiertes      dann standardisiert übertragen werden.
XML-Dokument mit demselben Inhalt und

Tabelle 3 – Ausgewählte syntaktische Standards und ihre Einordnung auf Basis ihrer Notwendigkeit

                                                                                                         Relevanz für               KHZG
Standard      Beschreibung                                                    Umsetzungsgrad
                                                                                                         Interoperabilität          Relevanz

              Kombination etablierter HL7-Standard-Produktlinien der
FHIR          Version 2, 3 und CDA mit aktuellen Web-Standards. Starker
              Fokus auf eine einfache Implementierbarkeit

              Grundlegende Protokolle zur Datenübertragung in
IHE ITI
              Netzwerken

              Protokolle zur standardisierten, sicheren API-Autorisierung
HL7 v.2
              für Desktop-, Web- und Mobile-Anwendungen

               offener Standard zur Speicherung und zum Austausch von
DICOM
              Informationen im medizinischen Bilddatenmanagement

              Datenaustauschformat zur Geräteanbindung im Bereich
xDT
              der niedergelassenen Ärzte und in Krankenhäusern

              XML basierender Standard für den Austausch und die
CDA
              Speicherung klinischer Inhalte

              Medizinische Informationsobjekte. Festlegung von
MIO           semantisch und syntaktisch interoperablen Inhalten der
              elektronischen Patientenakte (ePA) durch die gematik

                                                                                                                                                   09
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Semantische Standards befüllen die                    können, sondern auch die Inhalte der
syntaktische Datenarchitektur mit stan-               Datensegmente konkret und einrichtungs-
dardisierten Inhalten, sodass nicht nur               unabhängig interpretiert werden können
einzelne Datensegmente innerhalb von                  (z.B. Diagnosen anhand von ICD-10/11).
Dokumenten maschinell gelesen werden

Tabelle 4 – Ausgewählte semantische Standards und ihre Einordnung auf Basis ihrer Notwendigkeit

                                                                                                       Relevanz für        KHZG
Standard       Wesentliche Merkmale                                                   Umsetzungsgrad
                                                                                                       Interoperabilität   Relevanz

               Ontologiebasierter Terminologiestandard. Gruppe,
SNOMED
               medizinischer Terminologiesysteme, verwendet u.a. in der
CT
               MII, den MIO und ISIK

               BfArM: Verzeichnis allgemeingültiger Namen und
               Identifikatoren zur Bezeichnung und dem Austausch von
LOINC
               Untersuchungsergebnissen wesentlich aus dem Labor-
               und Vitaldatenumfeld

               BfArM: Klassifikation von operationellen Prozeduren für
OPS            die Leistungssteuerung, den Leistungsnachweis und
               Grundlage für die Leistungsabrechnung

               Einteilung/Klassifikation von malignen, bösartigen
TNM
               Krebserkrankungen/Tumoren in Stadien

ORPHA /     BfArM: Verzeichnis zur detaillierten Kodierung seltener
Alpha-ID SE Erkrankungen, welche nicht über ICD abgebildet werden

               WHO: Internationale statistische Klassifikation/Kodierung
ICD-10 / 11
               von Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme

10
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Etablierte Standardisierungsgremien           dards der globalen Organisation einhalten,
organisieren und steuern die Definition von   jedoch Anpassungen auf den deutschen
einzelnen technischen, syntaktischen und      Markt mit einbeziehen. Ebenfalls bedient
semantischen Standards. IHE und HL7 sind      sich die gematik oder ISiK an den Ergeb-
z.B. weltweite Organisationen und in vielen   nissen dieser Organisationen und definiert
Ländern aktiv. Viele dieser Organisationen    daraus ihre Spezifikationen.
haben deutsche Töchter, welche die Stan-

Tabelle 5 – Ausgewählte Gremien und Organisationen zur Weiterentwicklung von Interoperabilitäts-Standards

                                                                                                        Relevanz für              KHZG
Standard         Wesentliche Merkmale                                        Umsetzungsgrad
                                                                                                        Interoperabilität         Relevanz

              Definition von technischen Implementierungsleitfäden
IHE
              durch Kombination existierender Standards zu
(Deutschland)
              Anwendungsfällen

              Persönliches Engagement klinischer Nutzer
HL7           (Deutschland) zur Standardisierung des
(Deutschland) Datenaustauschs in Krankenhäusern durch
              Verwendung von Sets, internationaler Standards

                 Weltweiter Berufsverband zur Standardisierung von
IEEE
                 Technologie, Hardware und Software

                 Amerikanisches Standardisierungsgremium, welches
ANSI             unter anderem RESTful als Grundlage des FHIR
                 Standards definiert

                 Sicherstellung der Digitalisierung des deutschen
Gematik
                 Gesundheitswesens durch die Telematikinfrastruktur

                 Grundlage: §373 SGB V: Bestätigungsverfahren
                 zur Anwendung und Anpassung offener und
ISiK
                 standardisierter Schnittstellen zum interoperablen
                 Austausch von Gesundheitsdaten im Krankenhaus

                                                                                                                                                  11
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Die Kombination dieser Interoperabilitäts-            innerhalb von Krankenhäusern und über         Deutschland beteiligte sich in den letzten
standards auf allen vier Ebenen bildet die            Sektorengrenzen hinweg vorantreiben           Jahren auch verstärkt an EU-Initiativen
Grundlage funktionierender operativer                 sollen. Die Standards wurden dabei von        zur Nachnutzung medizinischer Daten
Prozesse, die dem Austausch und der ge-               den Gesellschaftern der gematik, also den     (sog. „Real World Data“ – RWD) und
meinsamen Nutzung von Informationen                   Vertretern der Selbstverwaltung und dem       Gewinnung von Evidenz (sog. „Real World
aller berechtigten Akteure dienen.                    Bundesministerium für Gesundheit, ent-        Evidence“ – RWE). Beispiele zur Nutzung
                                                      wickelt.                                      von RWD sind die Ökosysteme wie EHR4CR,
Als wäre die ausgeglichene Kombination                                                              TriNetX und EHDEN.
aller Standards und die stringente Einhal-            Der Gesetzgeber verbindet die Etablierung
tung dieser Standards nicht schon genug               der Interoperabilität von Daten mit Maß-      Einheitliche und konsequent eingesetzte
komplex, so geht es zusätzlich um die Zu-             nahmen wie z.B. dem Aufbau der Telematik      Nomenklatur- und Terminologiesysteme
sammenarbeit zwischen allen Beteiligten,              Infrastruktur (§ 355 SGB V: Festlegungen      wie LOINC oder SNOMED-CT sind die
d. h. zwischen den Verantwortlichen der               für die semantische und syntaktische          semantische Basis für das inhaltliche Ver-
Gesundheitseinrichtungen, der Industrie,              Interoperabilität von Daten) und stellt die   ständnis und somit der Nachnutzbarkeit
den nationalen und internationalen Inter-             Verbindlichkeit der Umsetzung der Inter-      der Daten. Das Bundesinstitut für Arznei-
operabilitätsinitiativen, der Regulatorik und         operabilität über das SGB V sicher. Die       mittel und Medizinprodukte ergreift seit
vor allem aller beteiligten Sektorenvertreter         ergriffenen Maßnahmen zeigen Wirkung          dem 1. Januar 2021 die notwendigen Maß-
und Anwender.                                         und unterstützen den Ansatz von Standar-      nahmen, damit diese medizinische Nomen-
                                                      disierungsorganisationen wie z.B. HL7 und     klatur und Terminologie kostenfrei für alle
Interoperabilität in Deutschland und                  IHE, welche in den letzten Jahren eine viel   Nutzer zur Verfügung steht und unterhält
im internationalen Vergleich                          engere Zusammenarbeit etabliert haben         dafür ein nationales Kompetenzzentrum.
Durch die Übernahme der Mehrheits-                    und somit das Ineinandergreifen einzelner
anteile der gematik durch den Bund sowie              Standards ermöglichen. So werden unter        Darüber hinaus hat die Deutsche For­
die Gründung des health innovation hubs               anderem Standardelemente von HL7 FHIRR        schungsgemeinschaft (DFG) in 2019 die
(hih) im Jahr 2019, wurde eine Offensive an           und IHE XDS gemeinsam für Anwendungs-         Empfehlungen zur Sicherung guter wissen-
gesetzgeberischen Maßnahmen hervorge-                 fälle genutzt und durch die Verwendung        schaftlicher Praxis grundlegend über-
bracht. So wurden durch den Ausbau der                von semantischen Standards wie SNOMED         arbeitet. Die neuen Leitlinien zur Sicherung
Telematikinfrastruktur, organisatorischen             CT und LOINC funktionierende Szenarien        guter wissenschaftlicher Praxis sind somit
Anpassungen der gematik sowie dem                     geschaffen. Dadurch werden auch die vier      verbindlicher und erläutern insbesondere
KHZG und dem Krankenhauszukunfts-                     Ebenen der Interoperabilität miteinander      den Umgang mit Forschungsdaten zur
fonds Schritte zur weiteren Digitalisierung           kombiniert. Erste Erfolge im Datenaus-        Wahrung der Nachvollziehbarkeit, An-
und Interoperabilität von Daten in                    tausch zwischen Gesundheitseinrichtun-        schlussfähigkeit der Forschung und Nach-
Deutschland eingeleitet. Allein das SGB               gen werden damit sichtbar und zeigen auf,     nutzbarkeit selbiger. Die FAIR-Prinzipien
V wurde im Rahmen der Digitalisierung                 wie Interoperabilität sinnhaft möglich ist.   („Findable, Accessible, Interoperable,
im Gesundheitswesen in der letzten                                                                  Re-Usable“) liefern Maßnahmen, wie auch
Legislaturperiode 45 mal geändert. Die                Neben den vom Gesetzgeber initiierten         Forschungsdaten und -ergebnisse jederzeit
signifikante Forcierung der Umsetzung                 Maßnahmen arbeiten auch weitere (öffent-      maschinell und automatisch wiederver-
wird unter anderem deutlich durch die                 lich geförderte) Initiativen an der Umset-    wendet werden können. Die Interoperabili-
Sanktionsbehaftung der Einführung                     zung von Interoperabilität in Deutschland.    tät ist ein Teil der FAIR-Prinzipien und der
mancher Telematik-Anwendungen und                     Dabei ist insbesondere die Medizininfor­      konsequente nächste Schritt beim Umgang
KHZG-Fördertatbestände, der Schaffung                 matik-Initiative (MII) hervorzuheben.         mit Daten zur automatisierten Verarbei-
der Telematik Infrastruktur 2.0 mit nun               Die vom Bundesministerium für Bildung         tung und Gewinnung von RWE.
überarbeiteten Vorgaben sowie der Vor-                und Forschung mit rund 180 Millionen
gabe für Krankenhäuser seit dem 30. Juni              Euro unterstützte Initiative arbeitet auf
2021 (§373 Abs. 5 SGB V) nur noch von der             universitärer Ebene in vier Konsortien
gematik bestätigte „Informationstechni­               daran, Patientendaten aus der Routine-
sche Systeme im Krankenhaus (IsiK)“                   versorgung einrichtungsübergreifend für
einzusetzen, welche auf Interoperabilitäts-           die medizinische Forschung, unter Berück-
anforderungen beruhen. Zentrale primäre               sichtigung gegebener Datenschutzauflagen
Informationssysteme, wie KIS oder KAS,                wie standardisierte Patienteneinwilligungen
müssen seit diesem Stichtag die umfang-               und Datenanonymisierung, nutzbar zu
reichen Vorgaben der von der gematik ge-              machen und die Ergebnisse wieder in eine
forderten Standards erfüllen (zweijährige             dadurch optimierte Routineversorgung
Übergangsfrist findet Anwendung), die auf             zurückzuführen.
Basis von HL7 FHIR den Datenaustausch

12
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

„Die Standardisierung von
Gesundheitsdaten ist zwingend
notwendig für eine gute Prävention,
Diagnose, Therapie und die Verbesserung
der Patientensicherheit. Moderne
Verfahren und Algorithmen benötigen
dabei FAIRe Daten, die innovative
Produkte ermöglichen. Interoperabilität
heißt aber auch, dass Menschen und
Organisationen Daten miteinander auf
denselben datenschutzrechtlichen und
ethischen Grundlagen teilen wollen und
gemeinsam neue Standards erstellen."
Prof. Dr. Med. Sylvia Thun
Universitätsprofessorin für Digitale Medizin und Interoperabilität, Charité

                                                                                                                                              13
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Europäischer und weltweiter Vergleich                 heitseinrichtungen, welche führend in der
Zwar wurden in Deutschland durch die                  Anwendung von Interoperabilität sind,
beschriebenen Maßnahmen in den letzten                geben einen Einblick in mögliche Zukunfts-
Jahren Fortschritte bei der Implemen-                 szenarien.2 Skandinavische Länder wie
tierung der Interoperabilität im Gesund-              Dänemark, Schweden oder Finnland haben
heitssektor gemacht, im internationalen               einen großen Vorsprung durch etablierte,
Vergleich wird jedoch deutlich: Deutsch-              interoperable nationale Gesundheitsporta-
land hat im Gesundheitswesen großes                   le bzw. -plattformen. Auch Nachbarländer,
Optimierungspotenzial zur Herstellung von             wie die Schweiz oder Österreich haben
Interoperabilität und letztlich zur Digitali-         mit der Umsetzung ihrer elektronischen
sierung selbst. Deloitte Healthcare sieht             Patientenakten einen Vorsprung in der Rea-
im europäischen und weltweiten Vergleich,             lisierung. Die untenstehenden Fallstudien
realisierte Lösungen und Geschäftsmo-                 verdeutlichen, welchen Mehrwert diese
delle, welche dem Entwicklungsprozess in              Lösungen für Gesundheitssysteme und
Deutschland als Vorlage dienen können.                entsprechend auch die Akteure im System
Erfahrungen aus den Mayo Kliniken (USA)               schaffen können und was dem deutschen
oder anderen internationalen Gesund-                  Gesundheitssystem bisher entgangen ist.

     Fallstudie                                        immer auf dem neuesten Stand und             gemeinsame Nutzung von Daten
                                                       stehen Klinikern landesweit zur              sowohl auf nationaler als auch auf
     Kanta Services,                                   Verfügung, um Informationen in               internationaler Ebene ermöglichen.

     nationale und                                     Echtzeit hinzuzufügen. Die Patienten
                                                       haben die vollständige Einsicht in Ihre
                                                                                                    Gegenwärtig ist es möglich, mit einem
                                                                                                    finnischen Rezept in Estland und
     internationale,                                   Gesundheitsakte und die Kontrolle über       Kroatien Medikamente zu kaufen, was

     interoperable                                     die Bereitstellung und Freigabe ihrer
                                                       Daten. Ein in Deutschland derzeit nicht
                                                                                                    die länderübergreifenden
                                                                                                    interoperablen Dienste zeigen. Weitere
     Gesundheitsdaten –                                vorstellbares Szenario ist, dass z.B. ein    Länder werden sich dem System

     Finnland                                          Rezept ohne Kontakt zu einem Arzt neu
                                                       angefordert werden kann.
                                                                                                    anschließen. In Zukunft wird der Dienst
                                                                                                    eine europäische Patientenübersicht
                                                                                                    enthalten, sodass Ärzte in den
     Finnlands Kanta Services wurde 2010               Ein „Patient Data Repository“                teilnehmenden Ländern auf die
     als nationale Gesundheitsinfrastruktur            ermöglicht die zentrale Archivierung         grundlegenden Daten des Patienten
     und Gesundheitsplattform ins Leben                elektronischer Patientendaten sowie          zugreifen können.
     gerufen. Die Infrastruktur umfasst                die aktive Nutzung und Speicherung
     elektronische Patientenakten,                     der Daten und spielt eine Schlüsselrolle
     elektronische Rezepte, bildgebende                beim Informationsaustausch zwischen
     Verfahren, elektronische                          Gesundheitsdienstleistern.
     Sozialfürsorgedokumente und
     persönliche Daten zu Gesundheit und               Kanta Services stützt sich auf robuste
     Wohlbefinden. Mit Hilfe von FHIR                  Interoperabilitätsstandards (HL7- und
     R4-Ressourcen sind die Datensätze                 IHE XDS-Schnittstellen), die die

14
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Auch in der Privatwirtschaft bzw. innerhalb      (84%) deutlich besser ab. Gründe für die
einzelner Sektoren ist die Digitalisierung in    hohe Diskrepanz zwischen Deutschland
anderen Ländern Europas deutlich weiter          und den führenden Nationen waren bisher
vorangeschritten. So führte Deloitte im Jahr     in der aufwändigen Bürokratie, aber auch
2020 eine europaweite Vergleichsstudie in        in der unzureichenden Finanzierung der
sieben Ländern (Dänemark, Deutschland,           Digitalisierung begründet.
Italien, den Niederlanden, Norwegen, Por-
tugal und Großbritannien) mit 1.800 in der       Die im europäischen und weltweiten Um-
Patientenversorgung tätigen Medizinern           feld realisierten Lösungen sind sicherlich
und Pflegekräften durch.3 Eines der zentra-      die Grundlage für ein solches Ergebnis und
len Ergebnisse war, dass sich die Befragten      bestätigen wiederum die Einschätzungen
in Deutschland vergleichsweise schlecht          zur aktuellen Positionierung des deutschen
auf die Digitalisierung vorbereitet sehen. So    Gesundheitswesens. Betrachtet man aber
haben insgesamt nur 66% aller Befragten          die aktuell angestrebten Veränderungen
angegeben, dass sie sich „sehr gut“ oder         durch das KHZG und oben genannte
zumindest „einigermaßen gut“ auf die             Gesetzgebungen, ist eine deutliche
Digitalisierung vorbereitet sehen (siehe Ab-     Veränderung dieser Grafik in den kom-
bildung unten). Dies bedeutete im Vergleich      menden Jahren zu erwarten.
zu den anderen Ländern die niedrigste Ein-
schätzung. Im Vergleich schnitten Länder
wie Dänemark (88%) oder die Niederlande

Abbildung 1 – Europaweiter Vergleich zur Einschätzung der Digitalisierung (Deloitte-Studie 2020)

                         in %
         Dänemark        46                                                    42
                                                                     88%

       Niederlande       19                 65

           Portugal      34                                   50

         Norwegen        28                             51

              Italien    32                                  43

             Europa      27                         47

   Großbritannien        25                        43

                                                          66%
      Deutschland        19                 47

                          Sehr gut     Einigermaßen gut            Ein wenig        Überhaupt nicht          Nicht zutreffend / weiß nicht

                                                                                                                                                       15
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Interoperabilität zur
Sicherstellung der
Zukunftsfähigkeit
Prognose zur Zukunft des Gesund­                      Verwendung von z.B. cloudbasierter Kolla-
heitswesens                                           boration (z.B.: MS Teams, Zoom), bis hin zur
Der Gesundheitsmarkt wird sich in den                 Nutzung medizinischer Applikationen ist
nächsten Jahren fundamental wandeln.                  hier, unter Beachtung von Datenschutzvor-
Unter dem Oberbegriff „Future of Health“              gaben, bereits eine stark erhöhte Effizienz
beschreibt Deloitte fortlaufend, welches              zu sehen, welche sich mit zunehmenden
Spektrum an Innovationen und effektiver               Sicherheitsimplementierungen weiter
und effizienter Versorgung, Verbrauchern/             steigern wird.
Patienten künftig geboten wird. Für
Leistungserbringer ergeben sich entschei-             Grundvoraussetzung für dieses Zukunfts-
dende Differenzierungsmöglichkeiten und               bild wird die Interoperabilität sein. Diese
für Kostenträger Einspar- und Versorgungs-            Vision funktioniert vollumfänglich nur auf
verbesserungsmöglichkeiten (vgl. Deloitte-            der Basis von interoperablen Daten, die ag-
Publikationen4,5).                                    gregiert, zwischen den Knotenpunkten des
                                                      Systems standardisiert und strukturiert
Die Zukunft wird aus unserer Sicht basie-             ausgetauscht und bestenfalls in Echtzeit
rend auf Sensoren, Daten- und Analytics-              abgeglichen oder analysiert werden.
Lösungen, einen Paradigmenwechsel in
der Gesundheitsversorgung hervorrufen:                Bereits heutzutage können wir im Ausland
von Heilung hin zur Vorsorge, von der Be-             unsere Vision des Gesundheitsmarkts in
handlung hin zur Erhaltung von Gesundheit             Ausschnitten beobachten und sehen, wel-
in einem ganzheitlichen Sinn. Es geht nicht           che herausragende Rolle Interoperabilität
mehr vorrangig um eine binäre Einteilung              dabei spielt.
„gesund“ vs. „krank“, sondern um das
umfassende Wohlbefinden („Well-Being“)                Die in den Niederlanden entstandene
jeder Einzelperson. Die bisherige Maxime              Applikation Luscii zeigt, wie auf Basis einer
medizinischer Versorgung „erst ambulant,              mobilen Applikation mit interoperablen
dann stationär“ wird erweitert: „erst digital,        Schnittstellen, eine moderne telemedizi-
dann ambulant, dann stationär, dann                   nische Lösung für Krankenhäuser genutzt
digital“. Immer mehr Aspekte der Vorsorge,            werden kann und erhebliche Mehrwerte
Diagnose und auch Therapie können Ver-                erzeugt werden können (siehe Fallstudie
braucher nun – professionell unterstützt              Seite 18). Dabei deckt die Applikation die
– eigenverantwortlich umsetzen. Zusam-                4 P’s vollständig ab.
menfassend führen die Trends zu einem
Gesundheitsmarkt, der von 4P’s bestimmt
wird: Predictive, Preventative, Personalised,
und Participatory.

Cloudbasierte Ansätze für eine flexible und
zukunftsorientierte Datenhaltung und Ap-
plikationslandschaft, werden immer mehr
in den Fokus kommen. Beginnend bei der

16
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Abbildung 2 – Deloitte-Zukunftsbild Gesundheit 2040

             Kernaufgabe:                           Unterstützende                                  Kernaufgabe:
       Gesundheit erhalten                            Aufgaben                                      Krankheit behandeln

                                                           mgrundlagen
Monitoring                                            Syste                                                                     Diagnose
Des Gesundheitszustands um                                                                                  von Patienten mit personali-
                                                         erhaltung & Ver
Erkrankungen und Risiken                            heits                 so
                                                                            rg
                                                                                                                  sierten Lösungen und
frühzeitig zu erkennen                           und                          un                                               Geräten
                                               es        ten & Plattform
                                                      Da
                                                                                   g
                                           G

                                                            e Verbrauc
                                                       n dig           he
                                                      ü
                                                              Inter-
                                                                           r
                                                   M

                                                             operable
                                                              Daten

Beratung                                   Gesellschaft        offene,        Indiviuum
                                             Umfeld            sichere       Gesundheit
von Patienten, um Ver-                                      Plattformen
haltensweisen präventiv
                                              Ethik
                                            Ökonomie
                                                                              Finanzen
                                                                               Umfeld                                            Therapie
positiv zu beeinflussen                                Umwelt       Institutionen                                     mit personalisierter
                                                    Wissenschaft   Unternehmen
                                                      Ökologie       Regierung                                Medizin und strukturierten
                                                     Geographie      Verwaltung
                                                                                                                      Erfahrungswerten

                    Unterstützung
                    von Patienten, um den aktuellen
                    Gesundheitszustand zu erhalten

                                                                                                                                             17
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Ein ähnliches Beispiel ist die Dignio-App             operabilitätsplattform des Krankenhauses
(Norwegen), die eine elektronische Medika-            übermittelt werden. Durch die Anwendung
tionsdispensierung steuert. Die technische            des FHIR-Interoperabilitätsstandards ist
Lösung von Dignio ist so konzipiert, dass             „Dignio Connected Care“ für den Einsatz
sie mit unterschiedlichen Krankenhaus-                in der häuslichen Pflege und in Kranken-
informationssystemen sowie mit Sensoren               häusern sowie in der Forschung und bei
beim Patienten zuhause verbunden ist.                 klinischen Studien im öffentlichen und
Daten von Sensoren können in Echtzeit an              privaten Gesundheitssektor geeignet.
die App des Patienten sowie an die Inter-

     Fallstudie                                        bei einer Verschlechterung eines             Vorteile des interoperablen
                                                       Zustands informiert. Ärzte und               Datenaustauschs mit Luscii:
     Telemonitoring 2.0                                Pflegekräfte greifen auf die Daten der        	65% weniger

     (Luscii, Niederlande)                             Luscii-App direkt aus ihren EMRs zu.            Krankenhauseinweisungen wegen
                                                                                                       chronischer Herzinsuffizienz
                                                       Die App ist derzeit in sieben Ländern
     Luscii ist eine 2019 in Partnerschaft mit         ausgerollt und unterhält globale              	51% geringere Krankenhauskosten
     dem Blutdruckmessgeräte-Hersteller                Partnerschaften mit Apple, Epic und
     Omron entstandene innovative                      Omron. Fünfzig Prozent der                    	78% weniger
     telemedizinische mobile Applikation               niederländischen Krankenhäuser                  Krankenhauseinweisungen wegen
     aus den Niederlanden. Fokus der Luscii            arbeiten bereits mit Luscii, und das            Schwangerschaftshypertonie
     App ist die Reduzierung bzw.                      Unternehmen hat seine Dienste
     Vermeidung unnötiger                              international auf Irland, Schweden, das       	5 Tage kürzerer
     Krankenhausaufenthalte und                        Vereinigte Königreich und auch einige           Krankenhausaufenthalt für COVID-19
     Krankenhauseinweisungen von                       afrikanische Länder ausgeweitet. Die            Patienten
     Patienten. Stattdessen setzt die App auf          Applikation ist seit 2021 zudem als
     telemedizinische Betreuung – die                  “White-Label” Lösung für Kliniken             	> 90% Zufriedenheitsrate bei
     Patienten können ihre Vitaldaten                  verfügbar.                                      Patienten
     (Blutdruck, Herzfrequenz, EKG,
     Emotionen, Schmerzen, Gewicht,                    Die Patienten nutzen die Luscii-App,
     Blutzuckerwerte und auch zur Eingabe              um…
     in klinische Fragebögen) manuell oder             1.	…ihren Gesundheitszustand von zu
     automatisch in die Applikation                        Hause aus zu verfolgen
     übertragen (lassen).
                                                       2.	…Zugang zu Informationen über den
     Essenziell ist dabei die offene Plattform,            Umgang mit ihren Krankheiten (mit
     die auf neuester Technologie und                      Hilfe von multimedialen
     offenen Standards wie HL7 FHIR basiert                E-Learning-Modulen in der App) zu
     und somit den Anschluss von                           bekommen
     Medizingeräten und weiteren
     Applikationen ermöglicht. Der Schlüssel           3.	…rund um die Uhr mit ihrem
     ist eine KI-basierte „Clinical Engine“,               Pflegepersonal über einen
     welche auf Basis semantisch korrekt                   integrierten Video-Chat und/oder
     erhobener Daten und klinisch erprobter                Messaging zu kommunizieren
     Erfahrungswerte Ärzte und Pflegekräfte

18
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Mehrwerte der Interoperabilität                 aufgewendet werden müssen oder durch
Bereits heute sehen wir: Die Versorgung         entgangene Termine ungenutzt sind, wer-
kann durch interoperable, datengetriebene       den frei für spezialisierte Aufgaben.
Lösungen ein höheres Level erreichen. Für
Kliniker können tägliche Routinen einfacher     Klinik zu Hause
und die Behandlung sicherer werden.             Personal und Technik befinden sich an
Organisierte Schnittstellen können bessere      einem zentralen Ort, von dem aus die Ver-
Übersichten über komplexe Krankheitsver-        sorgung überwacht wird. Patienten können
läufe schaffen. Der IT-Bereich kann Zeit für    in ihrem vertrauten Umfeld genesen, wäh-
Konvertierungen und Datenmanagement             rend Fachkräfte bei Bedarf intervenieren.
einsparen. Für Patienten zeigt sich Inter-      Dieses Geschäftsmodell ist insbesondere
operabilität schließlich in einer reibungs-     in der Nachsorge gefragt. Patienten können
losen, unbürokratischen und personali-          so nach der Entlassung weniger aufwändig
sierten Behandlung. Patienten werden in         und unkompliziert weiter beobachtet
Zukunft die Angebote und Gesundheits-           werden.
dienstleister auswählen, die ihnen den
größten digitalen Komfort bieten. Mitunter      Virtuelle Krankenhauskonzepte
hat uns die Corona-Pandemie Geschäfts-          Ärzte können sich mit spezialfachärztlichen
modelle nähergebracht, die zuvor weit von       Fragen virtuell mit Experten aus anderen
der Realität entfernt schienen. Genau hier      Gesundheitseinrichtungen verbinden, um
spielt Interoperabilität eine wichtige Rolle.   schnell und unkompliziert von deren Wis-
Neben den genannten, grundlegenden Ver-         sen zu profitieren. Die Patienten bleiben
besserungen in der Versorgung, ermöglicht       z.B. im eigenen Krankenhaus, während
Interoperabilität die Chance, datenbasierte     eine Partnereinrichtung die Behandlung
Geschäftsfelder zu erschließen, welche die      begleitet.
Finanzierungsmöglichkeiten der einzelnen
Gesundheitseinrichtungen stark optimie-
ren können.

Der folgende Auszug von möglichen
Mehrwerten durch Interoperabilität unter-
streicht die Wichtigkeit und das Potenzial
des Themas.

Patientendienstleistungen

Individuelle Beratung
Automatisch erhobene Werte, z.B. von
Smartwatches, Wearables, Smart Home
oder anderen Sensoren können (remote)
in der Klinik von Fachleuten oder durch
KI ausgewertet werden und Patienten
entsprechend passende, behandlungser-
gänzende oder vorsorgerelevante Beratung
angeboten werden.

Verbesserter Service
Patienten können per App digital an Termi-
ne erinnert werden und mit Hilfe von Na-
vigationssystemen zur rechten Zeit an den
rechten Ort gebracht werden. Speisepläne,
Medikationseinnahmen, Risikofaktoren, wie
Allergien können digital erfragt bzw. ausge-
tauscht und bewertet werden. Ressourcen,
die sonst fürs Abfragen, Erklären, Erinnern

                                                                                                                                                    19
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Interaktion mit Systemherstellern                     auf den Ebenen der Unternehmensstrate-
Herstellerunabhängigkeit                              gie, der Organisation (Struktur, Prozesse,
Durch die Schaffung von standardisierten              Mitarbeiter), sowie der IT ergeben. Die
Schnittstellen sowie einer standardisierten           Herleitung dieser Faktoren ist durch den
Datenhaltung ist es möglich, Daten außer-             internationalen Vergleich, fortgeschrittener
halb des eigentlichen Systems zentral und             Interoperabilitätsprojekte (s.o.) in anderen
ohne herstellerspezifische Strukturen zu              europäischen oder US-amerikanischen
speichern bzw. bereitzustellen. Dadurch               Kliniken möglich.
reduziert sich unter anderem die Abhängig-
keit von Systemherstellern drastisch. Auch            Unternehmensstrategie:
die Komplexität, einzelne systemspezi-
fische Datenformate zusammenzuführen,                 1.	Priorisierung von Interoperabilität
reduziert sich, je mehr Systemhersteller                  auf oberster Führungsebene
diese Standardisierung realisieren.                       Entwicklung eines klaren Verständ-
                                                          nisses, wie wichtig Interoperabilität für
Neue Geschäftsmodelle                                     die Gesamtstrategie des Unternehmens
Monetarisierung von Daten                                 über den Datenaustausch hinaus ist,
Allein durch den Auszug der oben an-                      welche Vorteile die Interoperabilität
geführten Mehrwerte wird der Wert von                     bringt und welche Visionen für die Inter-
Daten im Gesundheitswesen deutlich,                       operabilität in der Zukunft bestehen.
sofern sie strukturiert erhoben und
interoperabel austauschbar sind. Die mög-             2.	Strategische statt taktisch geprägte
lichen Mehrwerte sind bereits sehr nahe                   Investitionen
an aufkommenden Geschäftsmodellen,                        Identifikation und Fokussierung auf
welche auch durch Hyperscaler wie Google                  Lösungen der nächsten Generation
oder Amazon mit ihrem breiten Netzwerk,                   bei paralleler Sicherstellung, dass alle
ihrer technischen Kompetenz und ihren                     wichtigen Teile der Unternehmensstra-
Fähigkeiten der Vermarktung, an künftige                  tegie (u.a. M&A, IT, Preisstrategien) mit
Kunden herangetragen werden können. In                    der Interoperabilitätsstrategie und der
diesem Bezug zeichnet sich ab, dass der                   Zukunftsvision des Unternehmens über-
Patient auch zum Kunden wird sowie die                    einstimmen. Innovative Partnerschaften
Fragestellung, wem gehören die erhobe-                    mit großen Technologieunternehmen
nen Daten und wer profitiert in welcher                   oder Start-ups sowie kommunalen oder
Form von einer ggf. aufkommenden Ver-                     gemeinnützigen Organisationen, können
marktung der Daten. Wird der Patient z.B.                 Gelegenheiten bieten, wirtschaftlicher
anteilig „bezahlt“, wenn seine Daten in einer             und effizienter als in der Vergangenheit
Auswertung verwendet werden, welche                       zu sein.
dem Wohl eines anderen dient? Oder wird
er ggf. vom Kostenträger „bezahlt“, wenn              3.	Nutzung des regulatorischen „Mo­
er seine Daten zur Verfügung stellt? Oder                 mentums“ der Digitalisierung
„erstattet“ das Krankenhaus dem Patienten                 Die aktuellen Gesetze, Vorschriften und
gewisse Wahlleistungen, wenn es seine                     Initiativen verleiten dazu, passiv abzu-
Daten an die Industrie weitergeben darf?                  warten und zu implementieren. Die Zu-
Diese Fragestellungen kommen zwangs-                      kunft des Gesundheitswesens auf Basis
läufig durch die Realisierung von Inter-                  interoperabler Daten wird kommen –
operabilität auf und werden den Wert der                  die aktuelle Situation sollte vielmehr
medizinischen Daten monetarisieren.                       als Katalysator gesehen werden, um
                                                          die Dynamik im Unternehmen voran-
Kritische Erfolgsfaktoren für die                         zutreiben und potenziell schneller und
Umsetzung von Interoperabilität                           besser zu sein als der aufkommende
Die umfangreiche, internationale Projekt-                 Wettbewerb.
erfahrung zeigt uns in dieser Entwicklungs-
phase, dass sich für eine erfolgreiche
Umsetzung von Interoperabilität in der
Praxis, zahlreiche kritische Erfolgsfaktoren

20
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

„Der Markt ist bisher sehr stark
von Herstellern dominiert, die sich
mit proprietären Systemen als
Geschäftsmodellen gut im Markt platziert
haben. Es wäre ein Erfolg, wenn sich
tatsächlich Standards durchsetzen und
Daten damit besser nutzbar gemacht
werden. Neue Geräte und Technologien
können ohne hohen Integrationsaufwand
und damit verbundenen Kosten in das
Software-Ökosystem implementiert
werden. Systeme werden anschlussfähig
und können gegen bessere Lösungen
und Technologien auf Basis internationaler
Standards ausgetauscht werden. Dies
belebt den Wettbewerb und stärkt
die Nutzer.“
Marcus Wortmann
CIO, Medizinische Hochschule Hannover

                                                                                                                                      21
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

Abbildung 3 – Notwendigkeit der Berücksichtigung von Interoperabilität

                 Globale Digitale Transformation
                 und technische Neuerungen
                 werden vom Gesetzgeber
                 gefördert und weiterentwickelt
                                                                                                    Organisationen, die die Macht
                                                                                                    dieser beiden Faktoren nicht
                                                                                                    erkennen und die Bedeutung und
                                                                                                    den Wert der Interoperabilität
                                                                                                    unterschätzen, riskieren, ins
                                                                                                    Hintertreffen zu geraten
                 Patienten kommen in den
                 Mittelpunkt und spielen eine
                 aktivere Rolle bei Entscheidungen
                 über ihre Gesundheit und ihr
                 Wohlbefinden

Organisation (Struktur, Prozesse,                        Datenarchitektur und Entwicklung einer
Mitarbeiter):                                            praktikablen Strategie zur Umsetzung
                                                         einer Datenkonsolidierung. Zusammen-
1.	Betrachtung als ganzheitliche, orga­                 führung der Vielzahl an heterogenen,
    nisatorische Veränderung                             herstellereigenen Datensilos in gemein-
    Die Einführung von regulatorisch vorge-              sam genutzte, zentrale Repositories,
    gebenen Standards zur Interoperabilität,             in denen Daten nach einheitlichen
    wie IHE, FHIR oder gematik Festlegun-                Standards gespeichert und verfügbar
    gen, bewirkt eine radikale Umstellung                gemacht werden.
    einer Gesundheitseinrichtung in nahezu
    jedem Unternehmensbereich. Es muss
    eine neue Definition von Prinzipien,
    Fähigkeiten, Prioritäten und Verhaltens-
    weisen erfolgen, welche von internen
    Mitarbeitern erwartet werden.

2.	Aufbau eines Interoperabilitäts-
    Kompetenzzentrums („Competence
    Center“ mit Data und Process Archi­
    tects)
    Aufbau einer eigenen Einheit – zwischen
    IT und Operative – welche für die prak-
    tische Umsetzung der Interoperabilität,
    für die Einhaltung von Daten- und
    Schnittstellenstandards sowie für die
    Definition von IT-Architekturanforderun-
    gen und -muster zuständig ist. Es gilt die
    Akzeptanz voranzutreiben, die internen
    Kompetenzen zu schaffen und zu er-
    weitern und somit den Wert innerhalb
    der Organisation zu steigern. Es geht
    um die Anpassung der heterogenen

22
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

„Die Implementierung von
Interoperabilität in einem Krankenhaus
kann als realisiert angesehen werden,
wenn gesammelte Daten den Patienten
auf der Ebene der einzelnen Akte
vollständig digital innerhalb aller
eingesetzten IT-Systeme zur Verfügung
gestellt werden können. Das bedeutet,
dass die Daten in digitaler Form bereits
zwischen den IT-Systemen und Geräten
der Abteilungen übertragen werden und
Patienten oder andere medizinische
Einrichtungen als letzter Übergabepunkt
gesehen sind.“
Andreas Henkel
CIO, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München

                                                                                                                                            23
Mit Interoperabilität in die Zukunft | Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung

IT:                                                   3.	Vollumfassende Ausrichtung der
                                                          IT-Architektur auf Interoperabilität
1.	Aufbau eines Clinical Data Reposi­                    Für die Etablierung einer Interopera-
    tory (CDR)                                            bilitätsplattform muss die gesamte
    Implementierung eines zentralen                       IT-Architektur auf Funktionsfähigkeit in
    Systems zur Speicherung von struktu-                  Bezug der Verwendung von Standards
    rierten, patienten- und aufenthaltsbe-                überprüft werden. In vielen Fällen
    zogenen Daten. Zusammen mit den o.g.                  werden hier technische bzw. sogar
    Data Architects werden Einzelsysteme                  prozessuale Anpassungen notwendig
    in der Organisation mittels Standard-                 sein, die sich auf die Arbeitsweisen der
    schnittstellen – maßgeblich über FHIR –               Anwender auswirken können.
    an das System angeschlossen. Ziel ist es
    Inhalte von Dokumenten, welche bisher             4.	Denken in Anwendungsfällen, statt
    als PDF oder sogar noch in Papierform                 in „IT-Systemen“
    vorliegen, strukturiert zu speichern, zu-             Die reine Einführung von IT-Systemen,
    sammenzuführen und somit maschinell                   ist hierbei nur ein Teil der Lösung. Es
    auswertbar zu machen. Daten einzelner                 muss vielmehr in Anwendungsfällen
    Systeme werden somit in einer be-                     gedacht werden, die durch IT-Systeme
    kannten Struktur gespeichert und nicht                unterstützt werden. Hierbei kommen
    mehr in der jeweils unterschiedlichen,                z.B. durch die gematik und das KHZG
    herstellerspezifischen Definition.                    auch eine Vielzahl an neuen Anwen-
                                                          dungsfällen auf, die zum Teil weit über
2.	Herstellung einer Interoperabilitäts­                 die derzeitigen „Funktionen“ einer Ge-
    plattform                                             sundheitseinrichtung hinausgehen.
    Anbindung des Clinical Data Reposito-
    ries an eine Plattform von Repositories,          5.	Sicherstellung der IT-Sicherheit
    welche Daten in ihrer unterschiedlichen               Verfügbarkeit und maschinelle Auswert-
    Ausprägung für wesentliche Anwen-                     barkeit von Daten sowie ein genau dar-
    dungsfälle bereitstellt. Die Plattform                auf ausgelegtes Berechtigungskonzept
    besteht aus einer zentralen Regist-                   sind Themen, die nicht voneinander ge-
    rierung von Informationen und daran                   trennt werden können. Wie bei den An-
    angeschlossenen Repositories, aus                     forderungen an die Datenübermittlung,
    welchen Daten anwendungsfallbezogen                   muss auch bei der Konzentration von
    abgerufen werden können. Hierbei sind                 Daten in zentralen Repositories ein wirk-
    die wesentlichen Repositories:                        samer Schutz inklusive der regulatorisch
    -	Bildgebung (Standards: IHE XDS-I,                  vorgegebenen Datenschutzanforderun-
       DICOM)                                             gen umgesetzt werden.
    -	Dokumente (Standardisierte, digitale
       Archive. Standards: IHE XDS.b)                 Wer diese Erfolgsfaktoren berücksichtigt,
    -	strukturierte Daten (Labor, Diagnosen,         wird sich auch erfolgreich in einem dy-
       Prozeduren etc. Standards: FHIR)               namischen, digitalen Gesundheitsmarkt
                                                      etablieren. Die reine Einhaltung von
	Auf die Plattform kann über API’s (z.B.             gesetzlichen Fristen und Vorgaben, ohne
  RESTful), standardisiert zugegriffen                die Bedeutung von Interoperabilität und
  werden. Systemhersteller, welche diese              deren Anwendungsfällen zu verstehen und
  API’s bzw. Standards implementieren,                zu nutzen, könnte dagegen ein Zurückfallen
  sind stark vereinfacht in ein Kranken-              der Einrichtung bedeuten.
  haus IT-Umfeld zu implementieren.
  Ebenso sind sie austauschbar und
  können einfacher durch andere System-
  hersteller ersetzt werden.

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