Münchner Stadtgespräche - Umweltinstitut München
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Nr. 62 Juli 2012 www.muenchner-stadtgespraeche.de Münchner Stadtgespräche Anständig angezogen Wer zahlt den Preis für unsere billige Kleidung? Gentechnik Der Tod geht um Namen auf Indiens Baumwollfeldern Im Mode Schmutzige Wäsche der Chemie in der Textilindustrie Wie die Bekleidungsindustrie Menschen und Umwelt ausbeutet
die seite zwei aus dem referat für gesundheit und umwelt Mit Tatkraft für ein faires Stadtleben München setzt beim Einkauf neue Maßstäbe. A uf noch mehr Fair Play setzt die Landeshauptstadt künftig in Wie bedeutend das Engagement von Kommunen beim Fairen Handel ihren Schulen: Ab 2013 werden handgenähte Sportbälle für ist, belegen die Zahlen: Jährlich investieren Bund, Länder und Kom- den Unterricht nur dann erworben, wenn sie fair gehandelt munen rund 360 Milliarden Euro in Waren und Dienstleistungen – 50 und damit zertifiziert sind. Ein weiterer Schritt, mit dem München ge- Prozent dieser Ausgaben entfallen auf Kommunen. Als Großstadt und rechte Arbeitsbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern und aufgrund ihres Engagements nimmt die Landeshauptstadt eine Vorrei- gerechten Handel unterstützt. Der Münchner Stadtrat hat kürzlich be- terrolle ein. schlossen, soziale Aspekte noch stärker im städtischen Einkaufs- und Bereits 2002 hat sich München bewusst dafür entschieden, keine Vergabewesen zu berücksichtigen. Konkret bedeutet dies: Auch bei Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit einzukaufen – inzwischen Bauarbeiten werden nur noch zertifizierte Natursteine aus Asien, Afri- sind mehr als 200 Städte und Gemeinden dem Münchner Beispiel ge- ka oder Lateinamerika verwendet, die nachweislich nicht aus ausbeute- folgt. Übrigens: 2012 will sich die Landeshauptstadt um den Titel „Fair rischer Kinderarbeit stammen. Trade Town“ bewerben. Bei Tisch soll es ebenfalls nachhaltig zugehen: Der Anteil an fair und ökologisch erzeugten Lebensmitteln an Münchner Schulen und Kindertagesstätten sowie bei städtischen Empfängen wird deutlich er- Text Sylvia Baringer, höht werden. Bereits seit Mai 2011 werden bei Stadtratssitzungen bi- Referat für Gesundheit und Umwelt, Fachstelle Eine Welt ologisch erzeugte Brezeln sowie fair gehandelter Kaffee und Tee an- Foto Kindermuseum München geboten. Zudem gibt es bereits die München-Schokolade sowie den Info www.muenchen.de/rgu (Rubrik Bio & Fair Trade) München-Kaffee; zwei faire Produkte, die vom Nord-Süd-Forum Mün- chen e.V. entwickeIt wurden. Ausstellung „ Im Dschungel“ Im Kinder- und Jugendmuseum ist die Ausstellung „Im ration mit dem Nord Süd Forum München e.V. eine leben- Dschungel - Faultiere, Dschungelbuch und Wipfelforscher“, dige Klimapartnerschaft zum Schutz des amazonischen eine interaktive Ausstellung für Kinder Regenwaldes und zum Erhalt ihres Le- und Jugendliche ab sechs Jahren zu bensraums verbindet. sehen. Gefördert wird die Präsentation in Ausgerüstet mit einem Expeditionsta- München durch die Projektpartner TÜV gebuch erforschen die Kinder und Fami- SÜD Stiftung und Referat für Gesund- lien die bunte Pflanzen- und Artenviel- heit und Umwelt sowie durch das Pä- falt der Tropenwälder. Die Ausstellung dagogische Institut/Referat für Bildung macht auch auf die dramatischen Ent- und Sport und das Deutsche Kinder- wicklungen durch Ausbeutung und Ab- hilfswerk. holzung aufmerksam und zeigt bereits Die Ausstellung ist bis 4. November den kleinsten Museumsbesucherinnen im Kinder- und Jugendmuseum Mün- und -besuchern, wie man sich für den chen im Hauptbahnhof, Arnulfstraße 3, Schutz der tropischen Regenwälder ein- Seitenflügel Starnberger Bahnhof, zu setzen kann. Gezeigt wird auch das Le- sehen. Jede Eintrittskarte unterstützt ben der Asháninka, einem Volk im pe- mit fünf Cent den Bau einer Vorschule ruanischen Regenwald, mit dem die für Asháninka- Kinder. Landeshauptstadt München in Koope- www.kindermuseum-muenchen.de
Münchner Stadtgespräche Nr. 62 07/2012 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, Kleidung gehört so selbstverständlich zu unserem Leben wie die tägliche Mahlzeit. Doch wäh- rend der Wert gesunder Lebensmittel und ihrer sozial- und umweltverträglichen Produktion stär- ker ins Bewusstsein der Menschen rückt, hinterfragen bislang nur wenige, wie ihre Kleidung her- 04 gestellt wird. Dabei wäre ein kritischer Blick auf unsere „zweite Haut“ dringend nötig: Nie waren Textilien so günstig wie heute. T-Shirts für 4,99 Euro und Jeans für 20 Euro begegnen uns täglich, ob bei in- ternationalen Modeketten oder im Supermarkt. Doch kann es wirklich sein, dass ein Kleidungs- stück weniger kostet als ein Mittagessen oder zahlen in Wahrheit andere den Preis für unser ver- meintliches „Modebewusstsein“? 07 Mit diesem Heft wollen wir zeigen, was sich hinter der schillernden Modewelt verbirgt: Wie Men- schen- und Arbeitsrechte verletzt werden, wie viele Chemikalien bei der Produktion zum Einsatz kommen, welche Rolle die Agro-Gentechnik beim Baumwollanbau spielt, was mit unseren Altklei- dern geschieht, welche Verantwortung Bekleidungsindustrie und Politik tragen und wie wir uns trotz allem ökologisch und sozialverträglich anziehen können. Eine spannende Lektüre wünscht Katja Bachert 16 Inhalt 02 Faires Stadtleben München setzt beim Einkauf neue Maßstäbe 16 Schmutzige Wäsche Greenpeace über Chemie in der Textilindustrie 04 Anständig angezogen Wer zahlt den Preis für unsere billige Kleidung? 18 Secondhand Neues Leben für alte Klamotten 07 Am Tag als Bauer Prafull starb Monsanto treibt indische Baumwollbauern in den Selbstmord 20 Altkleidercontainer Wie edel ist die Spende wirklich? 10 Baumwolle Das dreckige Geschäft mit dem weißen Gold 22 Faire Kleidersammlung in München Interview mit dem 3. Bürgermeister Hep Monatzeder 12 Kampagne für saubere Kleidung Interview: Menschenrechtsverletzungen in der Textilindustrie 23 FairWearFoundation Interview: Einfluss der Marken auf Produktionsbedingungen 14 Verlässliche Labels Der Weg zum ökofairen Kleidungsstück 24 Impressum, Kontakte, Termine
Umweltinstitut München e.V. 07/2012 Anständig angezogen Kleidung ist billiger als je zuvor. Doch Menschen und Umwelt in den Produktionsländern zahlen dafür einen hohen Preis.
Münchner Stadtgespräche Nr. 62 07/2012 D ie Münchner Fußgängerzone ist Billig shoppen auf Kosten ArbeiterInnen ankommt. Ihre Lohnkosten lie- gesäumt mit Schaufenstern, hinter der Ärmsten gen bei gerade mal einem Prozent. 13 Pro- denen drapierte Modepuppen die In Wirklichkeit bezahlen den Preis für unsere zent fallen ab auf das Material und den Ge- neuesten Trends präsentieren – von C&A bis preiswerten Outfits die ArbeiterInnen, die in winn der Fabrik im Billiglohnland. 25 Prozent H&M, von Kaufhof bis Beck. den Produktionsstätten auf der anderen Sei- fließen in Werbung und Verwaltung, also in Rund 90 Prozent der Geschäfte hier ver- te der Erde unter menschenunwürdigen Be- den Markennamen. 11 Prozent kosten Trans- kaufen Kleidung – in allen Farben, Stoffen, dingungen Shirts, Hosen und Schuhe nähen, port, Steuer und Import. Und satte 50 Pro- Größen und Preislagen. Wer keine Lust auf kleben und färben – und das zu Hungerlöh- zent, also die Hälfte des Kaufpreises, verdient einen Bummel durch die Innenstadt hat, nen. Die eingesetzten Chemikalien gefährden der Handel. Die Ausbeutung von Mensch und packt den 6er-Pack Socken oder das mo- nicht nur die Menschen, die mit ihnen arbei- Natur in den Ländern des Südens ist ein luk- dische Freizeithemd einfach beim Lebens- ten, sondern hinterlassen auch hochgiftige ratives Geschäft, von dem nahezu alle kon- mitteleinkauf in den Wagen. Denn Discounter Rückstände in Flüssen, Böden, Grundwasser ventionellen Textilhersteller in irgendeiner wie Aldi und Lidl sind längst in das Geschäft und in unserer Kleidung. Form profitieren. mit Textilien eingestiegen. Noch bequemer sind Internetshops: Ein Klick und nach we- nigen Tagen kommen Schuhe und Jeans per Post nach Hause. Müssten bei einem Die Konkurrenz in der Textilbranche ist heute folglich größer als je zuvor und den- T-Shirt für 4,99 Euro nicht alle Alarmglocken läuten? noch scheint sich das Geschäft zu lohnen. Mehr Trends, mehr Wachstum Laut dem Statistischen Bundesamt geben Hinzu kommt der Einsatz von synthetischem Dabei sieht man am Beispiel der 100-Euro- deutsche Haushalte durchschnittlich 880 Dünger und Pestiziden, sowie gentechnisch Jeans sehr gut, dass sogar eine Steigerung Euro pro Jahr für Kleidung aus. Bei etwa 40 manipuliertem Saatgut beim konventio- der Arbeiterlöhne um 100 Prozent den Kauf- Millionen Haushalten in Deutschland macht nellen Baumwollanbau. Der hohe Preis, den preis nur unmerklich anheben würde. Mul- das einen Umsatz von über 35 Milliarden die Bauern in Indien und Afrika dafür zah- tipliziert man den winzigen Betrag jedoch Euro jährlich. Ein stattliche Summe, doch die len müssen, treibt sie zuerst in die finanziel- mit der Stückzahl der Teile, die Globalplay- Textilkonzerne wollen mehr Wachstum heißt le Abhängigkeit und oft anschließend in den er wie Nike oder H&M tagtäglich verkaufen, das Credo der Branche und dieses lässt sich Selbstmord. wird schnell klar: Hier werden Milliarden auf bei vollen Kleiderschränken eben nur mit im- Ganz zu schweigen von der immer noch Kosten der Ärmsten gescheffelt und dies wird mer neuen Modetrends bewerkstelligen. vielfach eingesetzten Kinderarbeit beim kein Ende haben, solange Verbraucher und Die Firmen produzieren ihre Kollektionen Baumwollanbau. Etwa in Usbekistan, wo so- die Politik dabei zusehen. mittlerweile im Monatsrhythmus. Drei Wo- gar die Schulen während der dreimonatigen Öko-faire Mode ist machbar chen dauert es angeblich nur noch vom Ent- Erntezeit geschlossen und die Kinder vom wurfsblock bis zum fertigen Produkt, wie die Staat als Erntehelfer rekrutiert werden. Dass man Kleidung auch anders – nämlich Journalistin und engagierte Umweltaktivistin ökologisch und fair – herstellen kann, beweist Hoher Preis = gute Qualität? Kirsten Brodde in ihrem Buch „Saubere Sa- eine kleine Avantgarde von grünen Modema- chen“ (siehe Kasten auf Seite 6) schreibt. Und was ist mit teureren Labels, sind deren chern. Der Anteil an öko-fairen Textilien auf Produkte wenigstens immer fair und ökolo- dem Markt ist derzeit noch gering, was nicht Eine Art textile Inflation hat eingesetzt – mit gisch hergestellt? Leider nein. Allein der hohe zuletzt an der mangelnden Nachfrage liegt. wachsendem Angebot fallen die Preise. Und Preis ist noch kein Garantieschein für „Sau- Für das Gros der Verbraucher spielen bisher weil Kleidung heute so billig ist, wird mehr bere Sachen“. Auch höher-preisige Marken modische Aspekte und der Preis die überge- gekauft. Doch müssten bei einem T-Shirt für produzieren zum Großteil unter denselben ordnete Rolle. Auf Qualität und Langlebigkeit 4,99 Euro nicht alle Alarmglocken läuten? inakzeptablen Bedingungen. eines Kleidungsstücks wird oft erst in zweiter Kann ein Kleidungsstück, dessen Baumwol- Die Kampagne für saubere Kleidung Linie geachtet. Nach den Herstellungsbedin- le in Indien angebaut, das in China gefärbt, in (Clean Cloth Campaign), ein Zusammen- gungen fragt fast niemand. Bangladesch genäht und in Deutschland ver- schluss aus verschiedenen Verbänden und kauft wird – also einmal um den Globus reis- Initiativen, die für faire Arbeitsstandards in Um herauszufinden, ob ein Kleidungsstück te – tatsächlich so billig sein? der Textilindustrie kämpfen, rechnet am Bei- wirklich ökologisch und fair produziert ist, be- spiel einer 100-Euro-Jeans vor, was bei den trachten die Ökomodemacher die gesamte tex-
Umweltinstitut München e.V. 07/2012 tile Kette: Vom Anbau der Baumwolle, über die Gefahr Greenwashing und ökologische Kleidung garantieren. Das Textilerzeugung, also das Reinigen und Spin- Seit einiger Zeit springen jedoch auch Bran- bisher umfassendste und verlässlichste ist der nen der Rohfasern, die Veredelung der Stof- chenriesen mit Kollektionen aus Biobaumwol- Global Organic Textile Standard (GOTS). (Mehr fe mit Farben und Weichmachern, die Konfek- le auf den grünen Zug auf. Der Verdacht, dass dazu ab Seite 14) tion, also das Nähen, bis hin zum Transport. es sich dabei eher um grün angehauchte Mar- Brauche ich dieses Kleidungs- Jeder dieser Arbeitsschritte kann verantwor- ketingmaßnahmen als um plötzlich erwachtes stück wirklich? tungsvoll im Umgang mit Menschen und Na- Verantwortungsbewusstsein handelt, lässt tur geschehen. sich leider nicht ganz von der Hand weisen. Und wenn wir nun garantiert öko-faire Texti- Biobaumwolle zum Beispiel wird ohne Denn darüber, dass ihre Bio-Cotton-Shirts oft lien kaufen, haben wir dann alles richtig ge- umweltschädliche synthetische Dünger und nur zu 50 Prozent aus biologisch angebauter macht? Noch nicht ganz. Denn auch wie oft Pestizide angebaut und möglichst sparsam Baumwolle bestehen oder die vermeintlichen und wie heiß, sprich wie energieintensiv wir bewässert. Für die Veredelung der Stoffe gibt Öko-Jeans mit giftigen Chemikalien bearbei- waschen und ob wir ökologisches Waschmittel es biologische Farben, ohne giftige Chemikali- tet wurden, verlieren sie kein Wort. verwenden, trägt zur Ökobilanz unseres Klei- en und auch Näherinnen und Näher kann man Nichtsdestotrotz haben einige Firmen derschranks bei. Auch wie lange wir unsere fair bezahlen. Und zwar ohne, dass das fer- darunter auch H&M und C&A auf Kritik von Kleidung tragen, spielt eine große Rolle. Und tige Kleidungsstück am Ende ein Vermögen Greenpeace reagiert und wollen bis 2020 auf ob wir eine aufgegangene Naht flicken, statt kostet, wie die Verfechter des „textilen Weiter- gefährliche Chemikalien in ihrer gesamten Pro- das Stück gleich im Altkleidercontainer zu ent- so“ gerne behaupten. Das beweisen Pionie- duktion verzichten. Die Umweltschutzorgani- sorgen, von wo aus es meist eine lange Reise re der Branche wie Deutschlands ältester und sation hatte in einer groß angelegten Kampag- antritt. (Mehr dazu ab S. 20) bekanntester Hersteller von Biotextilien, Hess ne mit dem Titel „Detox“ den massiven und Deshalb sollte man sich auch bei einem Natur oder die jungen Macher von Armed- unverantwortlichen Chemikalieneinsatz vieler öko-fairen Kleidungsstück selbst immer wieder angels. Konzerne kritisiert. (Mehr dazu ab Seite 16) die Frage stellen: Brauche ich das wirklich? „Die grünen Designer und Modelabels wirken als Katalysatoren für die Branche. Je Dennoch ist Greenwashing nach wie vor ein bekannter sie werden, desto weniger können Problem in der Bio-Textil-Branche, das nicht sich konventionelle Textilhersteller hinter dem zuletzt uns Konsumenten betrifft. Abhilfe wür- Text Katja Bachert schwammigen Argument der Alternativlosig- de ein gesetzlich geschütztes Siegel schaffen, Fotos Fotolia, Ludwig Verlag keit verstecken“, ist sich Kirsten Brodde si- wie wir es auch bei Lebensmitteln kennen. cher. Und es werden glücklicherweise immer Doch bislang macht die Politik keine Anstalten, mehr Textiler, die sich nicht nur für den Ge- eines einzuführen. Wir müssen uns also selbst winn, sondern auch für die Entstehung ihres schlau machen, welche der vielen verschie- Produkts verantwortlich fühlen. denen Verbandssiegel wirklich fair produzierte Lesetipp Umweltfreundlichkeit und Fairness achten? Anders als bei Biolebensmit- sind Kriterien geworden, die unseren teln, die ein einheitliches EU-Siegel Einkauf beeinflussen. Inzwischen hat tragen, fehlen bei der Öko-Mode noch der Trend zu nachhaltigen Produkten verbindliche Standards. Nicht selten auch die Modewelt erreicht: Immer wird Greenwashing betrieben, um das mehr grüne Designer und Öko-La- Image und den Umsatz der Hersteller bels erobern den Markt. Die Rohstof- aufzubessern. fe stammen aus biologischem Anbau, Allen, die verantwortungsbewusst die Erzeuger werden fair bezahlt und konsumieren wollen, zeigt Kirsten die Verarbeitung erfolgt mit ökologisch Brodde, die Autorin des Buchs „Sau- optimierten Chemikalien – zudem war bere Sachen“, warum konventionelle grüne Mode noch nie so schön wie Mode nicht länger tragbar ist, wie man heute. grünen Etikettenschwindel erkennt Doch wo sind die sauberen Sachen und wie man saubere Kleidung findet, zu finden? Und worauf muss man die auch noch gut aussieht.
Münchner Stadtgespräche Nr. 62 07/2012 Am Tag als Bauer Prafull starb Der Tod geht um auf Indiens Baumwollfeldern. Seit 1997 haben sich Tausende Kleinbauern das Leben genommen. Besonders betroffen ist die Region Vidarbha. Genau dort dominiert der Gen- Riese Monsanto mit seinem Saatgut den Markt. Wer ist schuld an der Krise? P rabhu Wankhede sitzt vor dem Haus seiner Eltern im kleinen in- hoffte auf sein Glück. Doch alles ging schief. Die Ernte blieb aus, aber dischen Dorf Sonegaon. Er erzählt die Geschichte seines Bru- die Schulden waren noch da. Da beschloss Prafull mit 27 Jahren sei- ders Prafull, der vor einem Monat starb. nem Leben ein Ende zu setzen. „Er trank das giftige Pestizid. Erst nach- Ein eigenes Baumwollfeld! Das wünschte sich Prafull Wankhede. Er dem wir stundenlang gesucht hatten, fanden wir ihn“, erzählt sein Bru- wollte kein Tagelöhner mehr sein, den die Grundbesitzer herumkom- der. Tot. mandieren konnten. Jeder kann jetzt Baumwolle anbauen, sagten sie Jetzt ist Sonegaon in der Region Vidarbha ein „Selbstmord-Dorf“, doch auch im Werbefernsehen. Mit dem neuen Saatgut aus Amerika sei und Prafull Wankhede ein „suicide man“. Die einheimischen Zeitungen das kinderleicht. Prafull Wankhede glaubte es. Er lieh sich Geld von der und TV-Sender berichten fast täglich über Selbstmorde unter Indiens Bank, von einer Hilfsorganisation und dazu noch ein dickes Bündel Ru- Baumwollbauern. Denn deren Zahl ist außergewöhnlich hoch. 200.000 pien von einem Geldverleiher. Prafull kaufte ein kleines Stück Land und sollen seit 1997 in den Tod gegangen sein.
Umweltinstitut München e.V. 07/2012 Bäuerinnen bei der Baumwollernte: In Indien wird das „weiße Gold“ noch von Hand gesammelt. Die Witwen der verstorbenen Bauern müssen die schwere Feldarbeit meist alleine verrichten (oben). Erntehelfer können sich nur die wenigsten leisten (S.7, rechts) . Prabhu Wankhede trauert um seinen verstorbenen Bruder Prafull (S. 7, links). Warum sind die Selbstmordraten so hoch? Warum sind vor allem Baum- dien an. Bollywood-Stars machten Reklame, ein Spot zeigte heldenhafte wollbauern betroffen? Und was haben die Selbstmorde damit zu tun, Zeichentrick-Pflanzen, die sich erfolgreich gegen böse Kapselwürmer dass fast überall nur noch Gen-Baumwolle aus dem Imperium des US- zur Wehr setzen. Konzerns Monsanto gepflanzt wird? Mit Bt-Baumwolle werde der Ertrag auf 20 Quintal ansteigen, hieß es. Obwohl konventionelle Bauern höchstens fünf oder sieben Quintal Klimawandel, Verschuldung, Gentechnik einfahren (ein Quintal entspricht 100 Kilogramm). Mehr Geld für weni- Für Indien ist Baumwolle ein nationales Symbol der Freiheit. Mahatma ger Aufwand, eine verlockende Botschaft. Endlich würde auch die Land- Gandhi rief seine Landsleute auf, die britischen Textil-Importe zu boykot- bevölkerung teilhaben am indischen Wirtschaftswunder. War das alles tieren. Indien sollte dem Mutterland nicht länger nur den Rohstoff liefern nur ein Traum? und dann die fertigen Produkte kaufen müssen. Jeder Inder könne sel- Schuldenfalle Gen-Saatgut ber seine Baumwollhemden herstellen, fand Gandhi. Dabei ist schon der Baumwollanbau an sich eine Wissenschaft. Klimaschwankungen set- „Die Selbstmorde sind nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Vijay Ja- zen der Pflanze zu, allerlei Schädlinge und Krankheiten bedrohen sie. wandhia, einer der bekanntesten Bauernvertreter Indiens. Das ganze Besonders hartnäckig ist der Kapselwurm – eine Raupe, die sich gierig System sei in der Krise. „Die Bauern, die noch leben, leben nur, weil durch die weiße Baumwollblüte frisst. sie nicht sterben. Wir müssen den Bauern helfen, bevor sie Selbstmord Dagegen boten die US-amerikanischen Wissenschaftler aus dem begehen.“ Denn entgegen aller Versprechungen sind zwar die Kosten Monsanto-Konzern eine scheinbar geniale Lösung an. Es war ihnen ge- für den Baumwollanbau rasant gestiegen, aber die Erträge blieben fast lungen, der Baumwolle ein Gen einzupflanzen, das den gefräßigen Kap- gleich. Das Gen-Saatgut kostet fast viermal soviel wie herkömmliche selwurm automatisch fernhalten würde. Der „Bacillus thuringiensis“, Saaten. Außerdem kann man die Samen nach der Ernte nicht wieder kurz „Bt“, sollte wie ein eingebautes Pestizid wirken. Passenderweise aussäen. „So müssen die Bauern jedes Jahr neues Saatgut kaufen. Und war die moderne Bt-Saat namens „Bollgard“ auch gleich immun ge- inzwischen ist zu 90 Prozent Bt-Baumwolle auf dem Markt“, erklärt Ja- gen das Unkrautmittel „Roundup“, das aus dem selben Unternehmen wandhia. stammt. Ein unschlagbares Paket also. Begleitet von ordentlichem Wer- Dabei hat sich der Kapselwurm längst an das Bt-Gen angepasst berummel priesen Staat und Konzern das neue Produkt ab 2002 in In- und befällt wieder die Pflanzen. So sind immer wieder neue Gen-Pro-
Münchner Stadtgespräche Nr. 62 07/2012 dukte nötig. Monsantos Marke „Bollgard“ wurde von „Bollgard II“ abge- nen Traktor kaufen können“. Ist die Bt-Baumwolle doch ein Erfolg? löst. „Bollgard III“ folgt bald. Menschen wie Vijay Jawandhia wischen solche Einwände mit einem Noch immer spritzen die Bauern literweise Pestizide auf ihre Felder. Satz vom Tisch: „Für jede dieser Erfolgsgeschichten gibt es hundert an- Darunter leiden die Böden und verlangen wieder neue chemische Hilfs- dere, die von Misserfolg handeln.“ Und Kishor Tiwari wird wütend: Der mittel. Von den Gefahren, die für spielende Kinder von den hochgiftigen Konzern bezahle alle, nur um in der Öffentlichkeit gut dazustehen. „Sie Präparaten ausgehen, reden die Leute nicht. Viele können schon die Ge- haben ihre eigenen Wissenschaftler, Politiker, Journalisten und NGOs“, brauchsanweisung gar nicht lesen. sagt Tiwari. „Die Landwirtschaft ist sehr viel risikoreicher geworden“, sagt Ja- Bauern sollen selbst entscheiden wandhia. Auch das Klima spielt oft nicht mehr mit; der Monsunregen bleibt viel zu lange aus. Zur Erntezeit im Oktober und November kamen Bei soviel geballter Finanz- und Marketingkraft stehen Aktivisten wie erfolgreiche Bauern früher auf bis zu sieben Pflückgänge. „Dieses Jahr Jawandhia und Tiwari schnell als verschrobene Einzelkämpfer da. Ja- sind es nur drei“, sagt eine Bäuerin auf ihrem Feld. wandhia, der wackere Bauernführer, und Tiwari, der Mann, der die Selbstmorde zählt. Aber noch wollen beide nicht aufgeben. Jawandhia Wer sein Feld auf Kredit bestellt hat, leidet besonders unter der Krise. fordert vor allem ein Ende des Pestizid-Wahns. Biologische Alternativen 80.000 Rupien Schulden hatte Prafull Wankhede am Ende angehäuft. seien in Indien lange bekannt. Der einheimische Niembaum liefert Blät- Unerbittlich forderten vor allem die privaten Geldverleiher ihre Darlehen ter, die zusammen mit Tabakblättern und Chilischoten gegen Schädlinge samt Zins und Zinseszins zurück. Unter diesem Druck zerbrechen viele. wirken. Damit die Biomittel erschwinglich sind, müssten die staatlichen Wie viele Suizide es genau sind, weiß Kishor Tiwari aus der Stadt Nag- Subventionen für Chemikalien fallen. „Lasst die Bauern selbst entschei- pur. Er war neben dem Journalisten P. Sainath einer der ersten, der über- den“, sagt Jawandhia. „Wenn die chemischen Mittel verschwinden, haupt auf das Problem der Bauernselbstmorde aufmerksam machte. dann wird auch die Gentechnik wieder verschwinden.“ Inzwischen ist von der „Saat des Selbstmordes“ die Rede. Monsan- to und die Gentechnik treibe die Bauern in die Schuldenfalle und dann in Kishor Tiwari sagte vor Kurzem auf einer Kundgebung in Nagpur, dass den Tod, heißt es. Aber was sagt der Konzern selber dazu? „Monsanto mit seiner Killersaat“ aus Indien verschwinden solle. Wenn die Regierung nichts unternimmt, hat Tiwari vor, den Konzern sogar zu Monsanto macht auf Menschenfreund verklagen. Tatsächlich ergibt sich ein Gesprächstermin. Denn man will reden über 212 Selbstmorde hat er bis Anfang Mai 2010 schon wieder regis- das soziale Engagement, mit dem der Konzern sich für die leidenden in- triert. Alles Fälle wie der von Prafull Wankhede. Als dessen Bruder sei- dischen Bauern einsetzen will. Dazu wartet Pressesprecherin Michelle nen Bericht beendet hat, sitzt er noch eine Weile still auf dem Sofa. Mit d’Souza in der Niederlassung in Mumbai. beiden Händen umfasst er das Bild seines Bruders. Tränen laufen ihm Ausführlich erklärt sie, dass man mit dem Projekt „Share“ in- über die Wangen. Hinter ihm türmt sich ein kleiner weißer Berg auf. Eine dische Kleinbauern in über 1000 Dörfern unterstützen wolle, etwa Notration Baumwolle. durch Fortbildungskurse und Trainingsprogramme zum Umgang mit Als ob die schlechten Zeiten erst noch kommen. den neuen Technologien. Vom Projekt „Sunshine“ sollen Maisbauern im nördlichen Staat Gujarat profitieren. Und ein weiteres Programm will Kinderarbeit bei der Ernte eindämmen. Fünf Millionen bedürftigen Farmern wolle man in Indien helfen, teilt der Konzern mit. Text Christian Selbherr Pressesprecherin d’Souza schildert, wie Baumwollbauern von ihrem missio magazin Glück berichten, welches sie mit der Bt-Saat gefunden hätten. „Wenn Fotos Jörg Böthling sie ihre Kinder auf die Schule schicken können, oder wenn sie sich ei- Monsanto Die Firma Monsanto wurde 1901 in den USA gegründet zu den umsatzstärksten Produkten des Konzerns. Dazu und hat ihren Hauptsitz in St. Louis im Bundesstaat Missou- kommt der Unkrautvernichter „Roundup“. ri. Inzwischen ist Monsanto der größte Hersteller von gen- Seit 2002 wird auch in Indien die „Bt-Baumwolle“ mit technisch verändertem Saatgut, neben Syngenta, Du Pont- einem eingebauten Gen zur Abwehr des Kapselwurms ver- Pioneer, Dow Agro Science, sowie BASF und Bayer Crop trieben. Pläne zur Einführung einer „Bt-Aubergine“ sind im Sciences. Februar 2010 von der indischen Regierung vorläufig ge- Während des Vietnamkrieges war Monsanto ein wichtiger stoppt worden. Noch 2009 war Monsanto mit dem Vorha- Lieferant des Entlaubungsmittels „Agent Orange“. Heute ben gescheitert, in Deutschland die Gen-Mais-Sorte MON zählen Saaten von genmanipuliertem Mais, Soja und Raps 810 auf den Markt zu bringen.
10 Umweltinstitut München e.V. 07/2012 Das dreckige Geschäft mit dem weißen Gold Enormer Wasserverbrauch, hoher Pestizideinsatz, Gentechnik und schlechte Arbeitsbedingungen: Der konventionelle Baumwollanbau schadet Menschen und Umwelt. B aumwolle ist die wichtigste Naturfa- nigsten, woher sie eigentlich kommt und wie wolle. Der Anbau für ein einziges T-Shirt ver- ser in der Textilindustrie. Kein Wun- sie produziert wird. Das ist bedauerlich, denn schlingt bis zu 2000 Liter Wasser – über zehn der, denn Baumwolle trägt sich an- bei genauerem Hinsehen bleibt nicht viel übrig Badewannen voll. genehm auf der Haut, ist strapazierfähig und vom Glanz des „weißen Goldes“. Die Geschichte des Aralsees zeigt die dra- lässt sich auch mit hohen Temperaturen reini- matischen Folgen der künstlichen Bewässe- Hoher Wasserverbrauch gen. Schon vor über 7000 Jahren haben die rung für Menschen und Umwelt. Die Zuflüsse Menschen im heutigen Südasien und Mittel- Obwohl die Baumwolle ursprünglich aus den war- des Sees wurden vor allem für den Baum- amerika Baumwolle angebaut, um daraus men und feuchten Tropen stammt, wird sie heu- wollanbau umgeleitet, sodass innerhalb weni- Kleidung herzustellen. te hauptsächlich in Trockengebieten angebaut. ger Jahrzehnte von dem einstigen Meer nur Heute wird die beliebte Faser überwie- Denn bei der Baumwollernte ist Regen äußerst noch eine Sand- und Salzwüste übrig geblie- gend in China, Indien, USA, Pakistan und zahl- ungünstig. Die weiße Watte saugt sich mit Was- ben ist. Millionen von Menschen wurden ihrer reichen afrikanischen Ländern produziert. Die ser voll und verfault in kurzer Zeit. Lebensgrundlage beraubt und mussten ihre jährliche Baumwollernte von etwa 25 Millio- Durstig ist die Baumwollpflanze trotzdem. Heimat verlassen. nen Tonnen macht ein Drittel der weltweiten Über die Hälfte der weltweiten Anbauflächen Hoher Pestizideinsatz Textilfaserproduktion aus. Obwohl die Baum- werden deshalb künstlich bewässert. Damit wolle allgegenwärtig ist und wir sie tagtäg- gehen etwa sechs Prozent des globalen Süß- Baumwollpflanzen sind sehr anfällig für Krank- lich auf unserer Haut tragen, wissen die We- wasserverbrauchs auf das Konto der Baum- heiten und Schädlinge. Zu ihrer Bekämpfung
Münchner Stadtgespräche Nr. 62 07/2012 11 wird die Baumwolle pro Saison bis zu 25 Mal für Näherinnen in asiatischen Textilfabriken Baumwolle wird im Wechsel mit anderen Kul- mit einem Pestizid-Cocktail besprüht. Bei kei- sind weithin bekannt. turen angebaut. Das ist ebenfalls gut für den nem anderen landwirtschaftlichen Anbaupro- Doch auch der Baumwollanbau ist ein Boden und beugt der Vermehrung von Schäd- dukt werden so viele Pflanzengifte eingesetzt. schmutziges Geschäft. 99 Prozent der Baum- lingen und Krankheiten vor. Um die Baumwolle für ein T-Shirt anzubauen, wollbauern leben in den so genannten Ent- Mit dem Kauf von Textilien aus Bio-Baum- werden rund 150 Gramm Gift auf dem Acker wicklungsländern. Die meisten von ihnen wolle wird aber nicht nur die Umwelt geschützt. versprüht. Der massive Einsatz von Pflanzen- sind Kleinbauern oder Tagelöhner, die auf den Die vorgeschriebene Fruchtfolge bietet Klein- giften vernichtet nicht nur Schädlinge, sondern Feldern eines Grundbesitzers schuften. Auch bauern die Chance, weitere Bio-Produkte für auch zahlreiche Nützlinge und wichtige Boden- Kinderarbeit ist keine Seltenheit. Laut UNI- die Ernährung der eigenen Familie und für lebewesen. Außerdem kontaminieren die Gift- CEF arbeiten etwa 90 Millionen Kinder in der die Vermarktung anzubauen und sich auf die- stoffe vielerorts Flüsse, Seen und Grundwasser. Baumwollindustrie. Geerntet wird die Baum- se Weise unabhängiger von der Baumwolle zu Besonders alarmierend: Die Weltgesund- wolle meist von Hand. Der direkte Kontakt mit machen. Sie kommen nicht mit gefährlichen heitsorganisation stuft drei von den am häu- gefährlichen Pestiziden ist mangels Aufklä- Pflanzengiften in Kontakt, sparen sich das Geld figsten eingesetzten Pflanzengiften im Baum- rung und Ausrüstung die Regel, gesundheit- für teure Düngemittel und erhalten beim Ver- wollanbau mit „extrem“ bis „hoch gefährlich“ liche Beschwerden sind die Folge. kauf der Bio-Baumwolle höhere Gewinne. für den Menschen ein. Sie schätzt, dass beim Unfairer Handel Baumwollanbau jedes Jahr 20.000 Men- schen weltweit an Pestizidvergiftung sterben. Der Weltmarktpreis für Baumwolle ist niedrig. Zu den Symptomen einer akuten Vergiftung Im Vergleich zu 1975 hat er mehr als die Hälfte Text Verena Schmitt zählen Kopfschmerzen, Übelkeit, Atemnot und abgenommen. Während zum Beispiel Baum- Foto SXC.hu/Fotolia Krämpfe bis hin zum Tod. Langzeitwirkungen wollbauern in Burkina Faso oder Indien um ihr von Pestiziden sind Schädigungen des Ner- Überleben kämpfen, erhalten Baumwollbauern ven-, Reproduktions- und Immunsystems. in den USA oder Spanien Subventionen, um Gentechnik auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Die Info USA zahlt durchschnittlich 2,4 Milliarden US- Rund 75 Prozent der weltweit erzeugten Baum- Dollar jährlich an ihre Baumwollbauern. Eu- Bio-Baumwolle ist nur eine von vie- wolle stammt von genmanipulierten Pflanzen. ropäische Bauern erhalten mit fünf US-Dollar len Möglichkeiten, sich umwelt- Da die Baumwolle während der Verarbeitung pro Kilogramm Baumwolle die höchsten Sub- freundlich zu kleiden. Denn auch vermischt wird, enthalten nahezu alle konven- ventionen weltweit. nach ökologischen Kriterien weist tionellen Baumwolltextilien genmanipulierte Damit werden die Weltmarktpreise künst- der Baumwollanbau Nachteile auf. Bestandteile. lich niedrig gehalten, wodurch sich der unglei- Die anspruchsvolle Pflanze benötigt Mit groß angelegten Werbekampagnen, che Wettbewerb zwischen Nord und Süd wei- gute Böden und viel Wasser. Außer- die Ertragssteigerung und Minimierung des ter verschärft. Im Norden bewirtschaften vom dem braucht sie viel Sonnenschein Pestizideinsatzes versprechen, drücken Gen- Staat subventionierte Baumwollbauern riesige und ganzjährig warme Tempera- technik-Konzerne wie Monsanto ihre Produkte Flächen mit dem Einsatz von Maschinen und turen. Ein Anbau in Deutschland ist auf den Markt. Mit gestiegenen Kosten für aufwändiger Technik. Im Süden wird auf klei- deshalb nicht möglich. Saatgut, Pestizide und Dünger entpuppt sich ner Fläche hauptsächlich von Hand gepflanzt Eine gute Alternative sind Textilien die Gen-Baumwolle für die Kleinbauern aber und geerntet. aus Bio-Hanf und -Leinen. In Mittel- schnell als existenzbedrohende Schuldenfalle. europa waren beide Pflanzen neben Bessere Wahl: Bio-Baumwolle Nessel und Wolle lange die einzigen Vor allem in Indien hat der Einsatz der Gen- Baumwolle dramatische Auswirkungen. Im- Immer mehr Menschen suchen beim Kleider- Textilfasern und wurden erst durch mer mehr verschuldete Bauern flüchten sich kauf umwelt- und menschenfreundlichere Al- den Eroberungszug der Baumwol- aus Verzweiflung in den Selbstmord und ver- ternativen. Die Textilindustrie hat diesen Trend le Ende des 19. Jahrhunderts ver- giften sich mit den Pestiziden, denen sie ihre erkannt. Mittlerweile bieten sogar Kaufhaus- drängt. Hanf und Leinen sind robus- ausweglose Situation verdanken. Auch die UN ketten Kleidung aus Bio-Baumwolle an. te Pflanzen, die mit kargen Böden, zeigt sich besorgt über die seit Einführung der Beim Anbau von Bio-Baumwolle werden wenig Wasser und hiesigen Klimata Gen-Baumwolle steigende Selbstmordrate un- weder chemische Düngemittel und Pestizi- auskommen. Deshalb sind sie für ter Bauern. de noch Gentechnik eingesetzt. Für den Er- Öko-Textilien besonders geeignet. halt und die Verbesserung der natürlichen Bo- Wer auch Kleidung aus tierischen Schlechte Bedingungen Fasern wie Schafswolle oder Seide denfruchtbarkeit wird mit Mist und Kompost Knochenharte Arbeit, Unterdrückung und Hun- gedüngt. Außerdem müssen die Bauern ei- tragen möchte, kann auch diese in gerlöhne – die katastrophalen Bedingungen nen Fruchtwechsel einhalten. Das heißt, die Bio-Qualität bekommen.
12 Umweltinstitut München e.V. 07/2012 „Die Bundesregierung deckt Menschen- und Arbeitsrechts- verletzungen“ Die Kampagne für saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign, CCC) ist ein Zusammenschluss aus 20 Trägerorganisationen, Vereinen und Verbänden, zu dem unter anderem die Christliche Initiati- ve Romero, FEMNET e.V. und das Inkota-Netzwerk gehören. Seit Mitte der 1990er-Jahre kämpft CCC weltweit für eine Verbesserung der Arbeits- und Umweltschutzbedingungen in der Beklei- dungsindustrie. Dr. Gisela Burckhardt erklärt im Interview, weshalb Selbstverpflichtungen der Unternehmen nicht ausreichen und was die Politik leisten müsste. Münchner Stadtgespräche: In Ihrer ak- mädchen, wenn sie einen Fehler gemacht ha- 20 Fabriken eine Schulung, worin genau wis- tuellen Studie „Im Visier: Discounter“ ben oder dürfen nicht auf die Toilette gehen. sen wir nicht. Kik jedoch hat Hunderte von Lie- kritisieren Sie Aldi, Lidl und KiK für ihre feranten. Was ist mit den anderen? Dumpingpreise, die zulasten der Arbei- Wie haben die Unternehmen auf Ihre Vor- terInnen in den Produktionsländern ge- würfe reagiert? Nicht nur Discounter, sondern auch Glo- hen. Welche Vorwürfe erheben Sie kon- Aldi hüllt sich seit Beginn der Kampagne in balplayer produzieren zu Hungerlöhnen. kret gegen die Discounter? Schweigen. Lidl hat die Gesellschaft für in- Kürzlich erklärte Puma-Vorstand Reiner Dr. Gisela Burckhardt: Wir recherchieren seit ternationale Zusammenarbeit (GIZ) beauf- Seiz in der TAZ, es sei nicht möglich, faire 2005 zur Produktion der Discounter. In un- tragt, ein Trainingsprogramm für Lieferanten Löhne zu zahlen, weil das zu deutlichen serer jüngsten Studie von 2011 „Im Visier: in Bangladesch und China durchzuführen. Preissteigerungen zulasten der Verbrau- Discounter“ gehen wir der Frage nach, was Wir haben die Maßnahme untersucht cher führen würde. Was halten Sie von sich seither verändert hat. Dafür haben wir und mussten feststellen, dass bei den Ar- dieser Aussage? uns angesehen, wie die Arbeitsbedingungen beiterInnen nichts davon ankommt. Die Trai- Das ist ungeheuerlich! Puma muss Lohnerhö- in Fabriken in Bangladesch sind, die für Aldi, nings richten sich vor allem an das mittlere hungen ja nicht weiterreichen an den Verbrau- Lidl und Kik produzieren. Management, die es dann an die Näherinnen cher, das kann ja auch zulasten des Unterneh- Den Unternehmen werfen wir vor, dass weitergeben sollen. Das sah dann so aus, mensgewinns gehen, der ja üppig sprudelt. sie ihre eigenen Verhaltenskodizes verletzen. dass ArbeiterInnen nach der Arbeitszeit ver- Zumal nach unseren Berechnungen der Lohn- Lidl und Aldi sind Mitglied der EU-weiten Busi- pflichtet wurden, sich über Feuerschutzmaß- anteil am Verkaufspreis hier im Laden bei 0,5 ness Social Compliance Initiative (BSCI). Diese nahmen aufklären zu lassen. Natürlich sind bis 1 Prozent liegt. In Bangladesch herrschen schreibt einen Verhaltenskodex vor, den beide Sicherheitsmaßnahmen wichtig, aber eine die niedrigsten Löhne weltweit. Würde man Unternehmen massiv verletzen. Die Arbeite- solche Schulung muss während der Arbeits- die Löhne der Menschen dort verdoppeln, rInnen in den Fabriken dürfen sich nicht orga- zeit geschehen. Zudem werden die Arbeite- wäre das ein Klacks, verglichen zu den gewal- nisieren und keine Gewerkschaften bilden. Es rInnen nicht über ihre Rechte aufgeklärt, z.B. tigen Summen, die Puma für prominente Wer- finden auch keine Tarifverhandlungen statt. Die- dass sie sich auch nach den Gesetzen Bang- beikonen ausgibt. se Rechte sind Teil der so genannten ILO-Kern- ladeschs organisieren dürfen. Unsere Quintes- Das Argument, die Unternehmen könnten arbeitsnormen (International Labour Organisati- senz: Durch die Trainings hat sich an der Si- keine höheren Löhne zahlen, weil sie dann im on). Ein Land, das Mitglied der ILO ist, ist allein tuation der ArbeiterInnen wenig bis gar nichts Wettbewerb mit anderen benachteiligt werden, deshalb schon verpflichtet diese Arbeitsnormen verbessert. hören wir aber regelmäßig. Doch aus meiner umzusetzen. Kik hat als erstes Discounterunternehmen Sicht gibt es viele Verbraucher, die bereit wären Zudem geschieht fast immer Zwangsar- einen Nachhaltigkeitsbericht erstellt, der aber mehr zu zahlen, wenn sie wissen, dass ein Pro- beit in Form erzwungener Überstunden. In der ziemlich schönfärberisch ist. Das ist generell dukt sozialverträglich hergestellt wurde. Gera- Regel sind sie unfreiwillig und werden oft nicht ein Problem dieser Nachhaltigkeitsberichte. de Marken wie Puma oder Adidas könnten dies bezahlt. Auch Diskriminierung ist ein wichtiger Weil sie freiwillig sind, können die Unterneh- sehr gut nutzen. Bei einer Puma-Jacke, die 150 Punkt. Frauen werden oft extrem diskriminiert, men berichten, über was sie wollen und nicht Euro kostet, wären die paar Euro an Mehrkos- müssen in der Ecke stehen, wie kleine Schul- anhand von Vorgaben. Laut Bericht erhalten ten schlicht lächerlich.
Münchner Stadtgespräche Nr. 62 07/2012 13 In Ihrem jüngsten Aufruf an Arbeitsmi- Hat die Regierung zu Ihrem Vorwurf Stel- nisterin von der Leyen und Aldi werfen lung bezogen? Sie der Bundesregierung vor, gegen eine Ja. Auf www.sauberekleidung.de kann man geplante Transparenz-Richtlinie der EU- eine Protestmail an Frau von der Leyen und Kommission zu agieren. Damit sollen Un- Aldi verschicken. Da-raufhin erhält man eine ternehmen verpflichtet werden, über die Standardantwort von Jörg Trautner, dem Re- Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Umwelt feratsleiter Arbeitsstab CSR im Bundesminis- und Menschen zu berichten. terium für Arbeit und Soziales (BMAS). Dar- Die EU-Kommission hat im Oktober letzten Jah- in steht, dass die Bundesregierung die von res eine neue CSR-Strategie (Corporate Social der EU angekündigte Verbreitung internatio- Responsibility) verabschiedet. Darin kündigt sie naler Standards nachdrücklich unterstütze, an, dass sie in 2012 eine Transparenzrichtlinie die Einführung einer gesetzlichen Berichter- Viele Menschen wissen von den Arbeits- veröffentlichen will. Doch bisher weiß niemand, stattungspflicht jedoch nicht für den richtigen bedingungen in der Textilindustrie, ge- was genau da drin stehen wird. Und vermutlich Weg halte. Alles müsse auf Freiwilligkeit be- kauft wird die Kleidung trotzdem. Was wird sie ohnehin sehr schwach sein. Trotzdem ruhen, da Verpflichtungen zuviel Bürokratie können und sollten wir Verbraucher tun? laufen Unternehmensverbände und das feder- für die Unternehmen bedeuten würden. Am Als VerbraucherIn sollte man bewusst kon- führende Arbeitsministerium von Frau von der Ende schreibt Trautner sogar ausdrücklich, sumieren. Natürlich vorausgesetzt, dass man Leyen schon jetzt dagegen Sturm. man setzte sich dafür ein, dass bei der neu- das finanziell kann. Wobei es auch sehr gute In der EU ist Deutschland nach meiner en Richtlinie auch die Unternehmensinteres- Secondhandläden gibt. Kenntnis das einzige Land, das sich vehe- sen gewahrt werden. Generell bin ich aber dagegen, dem Ver- ment dagegen wehrt. Andere Länder bekla- Ich habe ihm daraufhin zurückgeschrie- braucher die alleinige Verantwortung in die gen sich nicht. Frankreich und Dänemark ben, dass es schön wäre, wenn die Regierung Schuhe zu schieben. Die Unternehmen be- zum Beispiel haben schon jetzt eine striktere auch mal die Verbraucherinteressen berück- haupten gerne, der Verbraucher sei es, der Transparenzpflicht als Deutschland. Bei uns sichtigen würde. entscheidet. Wenn die Nachfrage da wäre, heißt es immer, alles müsse freiwillig sein, dann würden sie auch handeln. also bloß keine Verpflichtung, über die Aus- Wie müssten gesetzliche Rahmenbedin- Ich erwarte aber, dass Verbraucher ver- wirkungen der eigenen Tätigkeit berichten zu gungen Ihrer Meinung nach aussehen? nünftig informiert werden. Und das ist nicht müssen. Wir haben drei wesentliche Forderungen an der Fall. Im Moment wird von uns verlangt, Damit deckt die Bundesregierung faktisch die Regierung: dass wir vor jedem Einkauf eine lange Recher- Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen, 1. Die besprochene Transparenzpflicht, che machen. Das kann doch niemand. Und die die Lieferanten deutscher Unternehmen also eine gesetzlich festgelegte, jährliche Of- meiner Meinung nach hat eine Regierung die in den Produktionsländern begehen. fenlegung von Informationen über Auswir- Pflicht, Unternehmen zu zwingen, Informati- kungen der Tätigkeit von Unternehmen auf onen offen zu legen. Wenn ein Unternehmen Was würde eine solche Transparenz- Menschen und Umwelt. über seine Einkaufspolitik transparent infor- Richtlinie auf EU-Ebene bewirken? 2. Unternehmen sollten dafür haften müs- miert und sich extern und unabhängig über- Wir erhoffen uns eine Richtlinie, die klar for- sen, wenn Arbeits- und Menschenrechtsver- prüfen lässt und dies seinen Käufern mitteilt, mulierte Indikatoren hat, anhand derer jedes letzungen in ihrer Lieferkette vorkommen. dann kann ich als Verbraucher eine bessere Unternehmen verpflichtet ist, über die Aus- 3. Außerdem müssten die Beschäftigten Entscheidung treffen. Dann kann ich mich ent- wirkungen seiner Tätigkeit auf Menschen und wie die Näherinnen in Bangladesch die Mög- scheiden, ob ich Waren kaufe von einem Un- Umwelt zu berichten. Die Indikatoren wären lichkeit haben, in der EU – also dort, wo der Sitz ternehmen, das sich extern prüfen lässt, sich dann für alle Unternehmen die selben und die eines einkaufenden Unternehmens ist – zu kla- also bemüht oder von einem Unternehmen, Verbraucher könnten vergleichen, zum Bei- gen, wenn ihre Arbeitsrechte verletzt werden. das gar nichts tut. spiel ob Beschäftigte sich organisieren dürfen, oder ob es Tarifverhandlungen gibt. Was bringen Ihrer Meinung nach Selbst- Natürlich stellt sich dann immer noch die verpflichtungen der Unternehmen? Frage, wie präzise diese Indikatoren sind. Und Selbstverpflichtungen sind meist nur ein Stück Interview Katja Bachert ob die Unternehmen tatsächlich die Wahrheit Papier, das zu Werbezwecken genutzt wird. Weil Foto Kampagne für saubere Kleidung schreiben, oder sich bloß schön färben. Aber sie freiwillig sind, kann ihre Umsetzung von Nie- Info www.sauberekleidung.de es wäre schon mal ein Anfang und zwänge die mandem eingeklagt werden. Natürlich habe ich Unternehmen dazu, sich mit ihrer Verantwor- nichts gegen Selbstverpflichtungen, aber sie sind tung zu beschäftigen. Das würde dazu führen, nicht ausreichend. Ohne verbindliche Regeln und dass sie präventiv aktiv werden. Kontrolle von Außen, bleiben sie zu beliebig.
14 Umweltinstitut München e.V. 07/2012 Verlässliche Labels Der Weg zum öko-fairen Kleidungsstück A nders als bei Lebensmitteln sind die Begriffe „Bio“ oder „Öko“ stoffe im Kleidungsstück stecken und zu wie viel Prozent diese aus kon- bei Textilien nicht geschützt. Einen einheitlichen Standard gibt trolliert biologischem Anbau bzw. Tierhaltung (vgl. Info-Kästen) stammen. es nicht. Vielmehr überschwemmt eine unübersichtliche Zahl Nehmen Sie die Marken, deren Kleidung Sie kaufen, einmal ge- mehr oder weniger seriöser Labels die Textilbranche. Da kann es schnell nauer unter die Lupe. Setzt sich das Unternehmen ernsthaft für öko- passieren, dass man mit den besten Absichten zu einem vermeintlichen logische und faire Bekleidung ein, oder versucht man dort nur seinen Bio-Shirt greift, das nur zu 20 Prozent aus Bio-Baumwolle besteht, oder Ruf mit ein paar Öko-Shirts aufzubessern? mit giftigen Chemikalien behandelt wurde. Lassen Sie sich nicht von großen Marken, aufwändigen Werbekam- pagnen und teuren Preisen blenden. All das sagt nichts über die ökolo- Wir haben ein paar Einkaufstipps für Sie zusammengestellt, mit denen gischen und sozialen Standards bei der Herstellung der Kleidung aus. Sie leicht an Ihr öko-faires Kleidungsstück kommen: Bevorzugen Sie helle oder naturfarbene Textilien, da diese weniger Fragen Sie gezielt nach Produkten, die umweltfreundlich und sozial mit Farbstoffen belastet sind. Textilien mit dem Pflegehinweis „separat gerecht hergestellt wurden. Die Nachfrage bestimmt das Angebot! waschen“ oder „fade out“ enthalten besonders viele lose Farbstoffe. Seien Sie kritisch, auch bei zertifizierter Ware. Viele Öko-Labels Vermeiden Sie Textilien mit Hinweisen wie „bügelfrei“, „schmutz- sind von den Herstellern selbst erarbeitet. Sie haben meist nur geringe abweisend“ oder „antibakteriell“. Solch zusätzliche Eigenschaften sind Standards und werden nicht unabhängig kontrolliert. Hier müssen wir ein Hinweis auf noch mehr umwelt- und gesundheitsbelastende Che- als Konsumenten genau hinschauen und nachfragen. mikalien im Kleidungsstück. Der Global Organic Textile Standard (GOTS) und das Zertifikat Naturtextil Best (vgl. Info-Kästen) stellen derzeit die höchsten ökolo- gischen und sozialen Anforderungen an die Textilindustrie. Mit diesen Labels sind Sie auf der sicheren Seite. Text Verena Schmitt Achten Sie auf das Etikett im Kleidungsstück. Zwar sind die Chemika- Fotos Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft e. V. lien, die beim Anbau und der Weiterverarbeitung in die Faser gelangen, Info www.umweltinstitut.org/fragen-antworten/bekleidung nicht kennzeichnungspflichtig. Jedoch können Sie erkennen, welche Roh- www.global-standard.org, www.naturtextil.com Textilfasern aus kontrolliert biologischem Anbau (KbA) Die Futtermittel müssen aus ökologischer Landwirt- und kontrolliert biologischer Tierhaltung (KbT) schaft stammen, Hormone und wachstumsfördernde Stof- fe sind verboten, Antibiotika dürfen nur in Ausnahmefällen Das Zertifikat sagt nichts über das fertige Kleidungs- eingesetzt werden. Die Kriterien der ökologischen Tierhal- stück aus, sondern nur über die Produktion der Rohfasern, tung gehen weit über die gesetzlichen Standards hinaus. wie zum Beispiel Baumwolle, Hanf oder Schafswolle. Eine artgerechte Haltung und die Gesundheit der Tiere ste- Fasern aus KbA bzw. KbT werden nach den EU-Richtli- hen im Vordergrund. nien des ökologischen Landbaus produziert. Die landwirt- Der Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen, Tie- schaftlichen Betriebe werden mindestens einmal im Jahr ren und Futtermitteln ist verboten. von einer unabhängigen Kontrollstelle auf die Einhaltung Eigene soziale Standards beinhaltet das Bio-Zertifikat der Standards überprüft. nicht. Es gelten die gesetzlichen Mindeststandards. Doch Der Einsatz von chemischen Pestiziden und Düngemit- für Kleinbauern in ärmeren Ländern wirkt sich die ökolo- teln auf dem Acker ist verboten. Um die Bodenfruchtbar- gische Wirtschaftsweise auch positiv auf die Lebensum- keit zu erhalten und den Schädlingsdruck zu minimieren, stände aus: Kein Einsatz gesundheitsgefährdender Spritz- werden die Faserpflanzen wie Baumwolle abwechselnd mit mittel, eigener Mist und Kompost statt teurer Düngemittel. anderen Pflanzenarten angebaut. Statt Kunstdünger ver- Zudem erhalten die Landwirte für Bio-Ware höhere Preise. wenden die Bauern Mist und Kompost.
Münchner Stadtgespräche Nr. 62 07/2012 15 Global Organic Textile Standard Zertifikat Naturtextil Best Zertifikat Naturleder International etabliertes und ein- Die Kriterien des GOTS müs- In der Richtlinie Naturleder wer- heitliches Label für ökologische sen erfüllt sein. Das Naturtextil-Sie- den alle Herstellungsstufen von der Textilien. gel geht in einigen Bereichen noch Rohware bis zum Verkauf und Ge- Es gibt zwei Varianten des Sie- über diese hinaus. brauch des fertigen Leders, nicht gels: Textilien mit dem „Label-gra- Die Textilfasern müssen zu aber des verarbeiteten Lederpro- de 1“ müssen mindestens 95 100 Prozent aus kontrolliert biolo- dukts, berücksichtigt. Prozent Fasern aus kontrolliert bio- gischem Anbau bzw. Tierhaltung Tiere, aus deren Haut Leder logischem Anbau bzw. Tierhaltung stammen. hergestellt wird, müssen vorwie- enthalten, solche mit dem „Label- Die Liste der zugelassenen Far- gend zur Fleischgewinnung gehal- grade 2“ mindestens 70 Prozent. ben und Hilfsmittel ist noch kür- ten werden. Zusätzliche Tierzucht Bei der Weiterverarbeitung der zer, als die für den GOTS. So wer- ist zu vermeiden. Wildlebende oder Textilfasern (z. B. Bleichen, Färben, den zum Beispiel für Kupfer und vom Aussterben bedrohte Tierras- Imprägnieren) dürfen nur gesund- schwermetallhaltige Farben keiner- sen sind ausgeschlossen. heitlich und ökologisch unbedenk- lei Ausnahmen mehr gemacht, op- Bei der Weiterverarbeitung liche Stoffe verwendet werden. So tische Aufheller sind verboten. der Tierhäute zu Leder sind zum sind etwa giftige Schwermetalle, Accessoires wie Futter, Sticke- Beispiel chemische Konservie- Azo-Farbstoffe und aromatische Lö- reien und Kordeln müssen zu min- rungsmittel, lösemittelhaltige Be- sungsmittel im gesamten Produkti- destens 95 Prozent aus Naturfa- schichtungen und Azo-Farbstoffe onsprozess verboten. sern bestehen. verboten. Alle eingesetzten Stoffe müssen Die Schadstoffgrenzwerte für biologisch abbaubar sein und dür- Naturleder-zertifizierte Produkte ge- fen Boden, Luft und Wasser nicht hen weit über die gesetzlichen Be- belasten. stimmungen hinaus. Accessoires wie Stickereien und Es gelten die gleichen Sozialkri- Kordeln bestehen aus Naturfasern terien wie bei GOTS- und Naturtex- oder Viskose. Reißverschlüsse und til-zertifizierten Produkten. Knöpfe müssen PVC-, chrom- und nickelfrei sein. Die geltenden Sozialstandards wie das Verbot von Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Misshandlung und Diskriminierung, gerechte Löhne, Fair shoppen in München Arbeitsschutz und Vereinigungs- freiheit basieren auf den Kriterien In München gibt es zahlreiche unter dem Menüpunkt Fragen und der International Labour Organisati- Shops und Boutiquen, die zertifi- Antworten/Bekleidung on (ILO). Ihre Einhaltung wird in den zierte ökologisch und sozialveträg- Betrieben vor Ort kontrolliert. lich produzierte Kleidung anbieten. Weitere Adressen in Deutschland Eine Liste mit den Adressen finden gibt es auf www.gruene mode.de Sie auf www.umweltinstitut.org
16 Umweltinstitut München e.V. 07/2012 Schmutzige Wäsche Wer in China, Bangladesch und anderen Textilländern unterwegs ist, dem wird schnell klar: Die Wasserverschmutzung durch Textilfabriken ist ein ernstes Problem. Die Schadstoffe bedrohen die Gesundheit der Angestellten und Anwohner und gefährden wichtige Trinkwasserreserven und Ökosysteme. Das zeigen auch mehrere aktuelle Untersuchungen, die Greenpeace unter anderem in China durchgeführt hat. Mit der Detox-Kampagne will Greenpeace die Branche zu einer Pro- duktion ohne giftige Chemikalien bewegen. W asser ist unverzichtbar für alles den Tieren und Menschen anreichern. Einige in Import-Textilien aus. In Flüssen, Seen und Leben auf der Erde. Die Was- dieser Chemikalien können bereits in kleinsten Meeren bildet sich aus NPE das Umwelt- serspeicher der Welt sind jedoch Mengen das Hormonsystem beeinflussen, an- gift Nonylphenol (NP). Modemarken machen bedroht. Verglichen mit anderen Regionen dere sind krebserregend oder schädigen die ihre Kunden dadurch zu unfreiwilligen Kom- sind Chinas Wasserläufe besonders stark ver- Fortpflanzung. plizen bei der weltweiten Wasserverschmut- schmutzt. 70 Prozent der Flüsse, Seen und Die Auswirkungen sind nicht regional be- zung. Mit der Einfuhr und dem Verkauf von Wasserreservoirs in diesem Land sind mit grenzt. Durch Meeresströmungen, über die At- jährlich knapp 900.000 Tonnen Textilien nach Schadstoffen belastet. Mit knapp acht Pro- mosphäre und über die Nahrungskette können Deutschland werden grob überschlagen auch zent am Handelsvolumen ist die Textilbranche sie in Regionen transportiert werden, die weit 90 Tonnen NPE eingeführt. ein wichtiger Pfeiler der chinesischen Wirt- entfernt sind von ihrer Quelle. Sogar an Nord- Laut Umweltbundesamt sind Import-Texti- schaft. Und: Sie ist ein bedeutender Abneh- und Südpol wurden diese Chemikalien bereits lien die größte Quelle für NPE und NP in deut- mer von Chemikalien. Vor allem bei der Nass- nachgewiesen. schen Gewässern. Die direkten Verschmut- Verarbeitung von Textilien (etwa beim Färben, zungsauswirkungen der Textilbranche gehen Von der Waschmaschine Waschen, Bedrucken oder Ausrüsten) entste- also weit über das Herstellungsland hinaus. in den Fluss hen große Mengen an schadstoffhaltigem, gif- Schmutzige Wäsche tigem Abwasser. Auch für hiesige Gewässer sind die Schadstof- Viele Textilchemikalien haben uner- fe aus der Textilproduktion ein Problem: Giftige Die größte Last der Wasserverschmutzung ha- wünschte Eigenschaften: Schwermetalle und und hormonell wirksame Chemikalien gelan- ben aber unbestritten andere Länder zu tra- einige organische Chemikalien können un- gen durch die normale Haushaltswäsche von gen – zum Beispiel China. Für den Report sere Gesundheit und den Lebensraum Was- Import-Textilien auch in deutsche Gewässer. „Schmutzige Wäsche“ hat Greenpeace Ab- ser langfristig schädigen. Über die industriel- Nach einer neuen Greenpeace-Untersu- wassereinleitungen von zwei chinesischen len Abwässer gelangen sie in die Umwelt, wo chung treten bei einer einzigen Wäsche bis zu Textilfabriken untersucht. Die erste Produkti- sie nur langsam abgebaut werden und sich in 94 Prozent an Nonylphenolethoxylaten (NPE) onsstätte, der Youngor Textile Complex, liegt
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