Mittendrin modern. menschlich - Corona: das Spital im Ausnahmezustand 2 - 15 Resilienz: Fitness fürs Gemüt - Spital Emmental
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r i n modern. mitt e n d menschlich. al Emmen tal 11 / 2020 Personalmagazin Spit Corona: das Spital im Ausnahmezustand 2 – 15 Bild: Irene Aebersold Resilienz: Fitness fürs Gemüt 19 Lean Management nützt Pflege und Patienten 20
Start. Das Virus-Gefühl Liebe Leserinnen und Leser Wer «Corona» nicht mehr hören mag, wird dieses Heft sofort ins Altpapier werfen. Wäre aber schade. Denn in diesem «mittendrin» geht es darum, wie unser Spital momentan «dank» Coronavirus stärker als sonst das «Wir-Gefühl» erlebt. Weil die Probleme nur mit gegenseitiger Hilfe gemeis- tert werden können. Die spezifischen Herausforderungen beim Umgang mit den Corona-Folgen sind dabei von Abteilung zu Abteilung unterschiedlich. Wir zeigen nur einen Teil des Spektrums auf. Die Erfahrungen würden ohne Weiteres ein Buch füllen. Notgedrungen haben wir uns auf einige der am stärksten betroffenen Bereiche und vor allem auf den Standort Burgdorf konzentriert. Er ist wegen seiner Infrastruktur besonders betroffen, Stichworte Inten- sivstation, Apotheke, Zentrallager. Auch an der langen Pause seit der letzten Ausgabe des «mittendrin» ist Corona schuld. Die Funk- stille war aber nicht total, im Gegenteil. Wie so oft hat die Krise nötige Reformen beschleunigt, auch in der Kommunikation. Dank Corona versorgen jetzt regelmässig elektronische News- letter Mitarbeitende, Kader und zuweisende Ärzte mit den neusten Spital-Infos. Die Redaktorin- nen Kerstin Wälti und Irene Aebersold erhalten dafür viele Komplimente. Ich schätze das auch als Zeichen der spitalinternen Wertschätzung für die Unternehmenskommunikation. In diesem Sinne: Viel Freude beim Lesen! Markus Hächler, Leiter Kommunikation Inhalt Editorial: Die Corona-Erfahrungen von CEO Tony Schmid 3 Corona und Spitalhygiene: Generalmobilmachung 4/5 Corona und Medizin: Kampf um Menschenleben 6/7 Corona und Pflege: Verständnis gegenseitig gewachsen 8/9 Corona und Notfall: Motivierende Erfahrung 10 Corona und Apotheke: Der grosse Run auf die Desinfektionsmittel 11 Corona und Supportdienste: Die Stunde der Solidarität 12/13 Corona und Bevölkerung: Hilfe vor Ort 14/15 Impressum Archiv: Die Spanische Grippe 16/17 Herausgeber: Regionalspital Emmental AG, 3400 Burgdorf Elektronische Laborverordnung: Erste Erfahrungen 18 Redaktion: Spital Emmental, Kommunikation, 034 421 21 95, kommunikation@spital-emmental.ch Resilienz: Seelisch fit bleiben 19 Layout: Andreas Schöni, 3326 Krauchthal, Lean Management: Neues Pflegekonzept hilft Zeit sparen 20 034 411 16 26, info@atelier-schoeni.ch Auflage: Personelles: Pensionierungen, Jubiläen, neue Mitarbeitende 21– 23 2000 Exemplare Druck: Mein Name ist Annemarie Nyffeler 24 Haller + Jenzer AG, 3401 Burgdorf, www.haller-jenzer.ch 2
Editorial. i d Anton Schm CEO Liebe aktuelle und ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Das SARS-Coronavirus-2 hat uns mit unaufschiebbare Operationen und Be- Meine Erfahrungen mit dieser auf den seinen medizinischen und organisato- handlungen erlaubt waren. Die kon- ersten Blick vielleicht etwas kompli- rischen Herausforderungen seit Mona- kreten Probleme mussten erkannt und zierten Struktur waren mehrheitlich ten voll im Griff. In dieser Zeit habe ich interdisziplinär gelöst werden, und der positiv. zwei wichtige Erfahrungen gemacht: Teufel steckt bekanntlich immer im • Die Mitarbeitenden stellen sich en- Detail. Dieser Herausforderung sind Nun bemühen wir uns nach Kräften, gagiert und flexibel den zusätzlichen wir so begegnet: den Rückstand wettzumachen. Aber Herausforderungen. • Das interdisziplinäre Kernteam Coro- wie wohl alle Spitäler werden wir am • Die Bevölkerung steht hinter uns und na unter Dr. med. Martin Egger analy- Jahresende wegen Corona rote Zahlen ist solidarisch. sierte die allgemeine Lage und arbei- schreiben. Das wäre dann «höhere Ge- tete Massnahmenvorschläge aus. walt» und ist leichter zu akzeptieren, Dafür kann ich nicht genug danken. als wenn wir grundsätzlich etwas falsch Wie gut ein Haus gebaut ist, merkt man, gemacht hätten. «Unser Spital ist solide wenn die Erde bebt oder der Sturm an den Wänden rüttelt. Unser Spital ist so- Im Moment, wo ich dies schreibe – An- lide und katastrophenfest. Was bisher und katastrophenfest.» fang Juli – profitieren wir im Spitalbe- eine Ahnung war, ist zur Gewissheit ge- trieb von gewissen Lockerungen. Der worden. Normalbetrieb ist aber aufgrund der • Das standortübergreifende Entschei- heiklen epidemiologischen Lage immer In einer Krisensituation ist die Führung dungsgremium unter meiner Leitung noch weit entfernt. Ich danke allen Be- speziell herausgefordert. Eine schnelle gab die Massnahmen frei. troffenen für die Bereitschaft, sich not- Reaktion erfordert kurze und einfache • Pro Standort war ein zusätzliches falls auch ausserhalb des angestammten Entscheidungswege. Wir mussten den interdisziplinäres Gremium für Einsatzgebiets und der üblichen Arbeits- Betrieb einige Wochen massiv herun- Ideenentwicklung und Umsetzung zeiten zu engagieren. Es ist nicht aus- terfahren, weil wegen dem befürchte- konkreter standortspezifischer Mass- zuschliessen, dass wir darauf nochmals ten Corona-Ansturm nur noch absolut nahmen zuständig. vermehrt zurückgreifen müssen. 3
Corona. Arbeiten am Limit Das SARS-CoV-2 forderte fachlich zu- allererst die Spitalhygiene und die Infektiologie heraus. Die Arbeitslast war während der Vorbereitung auf die «Welle» enorm. Martin Egger und Gabriel Waldegg* Martin Egger: «Entgegen besserem Wissen hatte ich in den letzten Jahren eher gezweifelt, dass die Pandemie-Sze- narien eintreffen könnten. In etwas stressärmeren Momenten ist bei mir – so seltsam dies auch klingen mag – nun eine gewisse Begeisterung dafür auf- gekommen, als Hygienespezialist und Infektiologe eine Pandemie live mit- erleben und über so viele spannende Fragen nachdenken zu dürfen. 112-Stunden-Woche Die grösste Herausforderung war das schiere Arbeitsvolumen. Im Normal- betrieb lassen sich die neuen Konzepte und Weisungen, die ich als Leiter Spital- Bild: hac hygiene zusammen mit meinem Team und den Kollegen der Infektiologie pro Jahr erarbeite, an einer Hand abzählen. Martin Egger: «Es mag seltsam klingen, aber ich verspüre eine gewisse Begeisterung, Zudem dürfen sie jeweils im Laufe von eine Pandemie live mitzuerleben.» einigen Wochen zur Schlussfassung rei- fen. zeugen, war es im Verlauf eine Heraus- meine Arbeit in den vergangenen vier Während der ersten Wochen der Be- forderung, alle gut gemeinten, aber Monaten erleichtert haben! triebsumstellung und Vorbereitung auf überbordenden und sich verselbststän- die erwartete Pandemiewelle musste die digenden Bewältigungsinitiativen zu Schlaflose Nächte gleiche Anzahl Richtlinien und Verlaut- kanalisieren. Aus meiner Sicht haben sich die be- barungen jede Woche erstellt, «wasser- Sehr gute Erfahrungen habe ich in reits bestehenden Abläufe und Struk- dicht» gemacht und dann gleich wieder unserem Spitalhygiene- und Infektio- turen im Bereich der Hygiene bewährt. überarbeitet werden. Ich hatte dadurch logie-Team gemacht: Wir haben davon Allerdings wurde mir ein erhebliches während rund anderthalb Monaten profitiert, dass wir bereits früher ein Klumpenrisiko bewusst: Ein Ausfall von 16-Stunden-Arbeitstage – Samstag und gemeinsames Verständnis zu Hygiene- Susanne Duppenthaler, Fachexpertin Sonntag inklusive. Erschwert haben fragen entwickelt hatten. So konnten Infektionsprävention und Spitalhygi- diese immense Arbeit die ständigen wir uns gut aufteilen und uns gegensei- ene, hätte ein erhebliches Vakuum im Änderungen der Rahmenbedingungen tig in die Hand arbeiten. Hygienebereich erzeugt und uns ein und behördlichen Vorgaben – oft in In- Ich habe mich auch sehr gefreut über grosses Problem beschert. Wir müssen tervallen von weniger als einer Woche. die hohe Professionalität, Effizienz und uns künftig etwas breiter aufstellen im lösungsorientierte Arbeit zahlreicher Fachbereich Hygiene. Professionell und effizient Mitarbeitenden unseres Unternehmens Grosse Anpassungen werden weniger Während es zu Beginn der Pandemie – ganz besonders im mittleren Kader. im Bereich der Abläufe und Zuständig- zum Teil schwierig war, einzelne Ex- Hier haben wir als Unternehmen einen keiten erforderlich sein als im Bereich ponenten vom Ernst der Lage zu über- grossen Schatz. Ich danke allen, die mir der Lagerhaltung – eine Lektion, die ich 4
Corona. über etliche schlaflose Nächte hinweg Doch worauf vertraut man eigentlich lernen musste. in diesen Zeiten des Unbehagens und der Diskrepanz? Auf den Spontanver- Licht und Schatten lauf, die politischen Behörden, auf die Die standortbezogene Führungsorga- Wissenschaft, oder doch auf das Bauch- nisation in der heissen Corona-Phase gefühl? Wir mussten entscheiden, wir hatte viele Vorteile, aber auch Schatten- hatten gar keine andere Wahl. Wir sind seiten für das Verständnis als Unterneh- es gewohnt, auf nicht-alltägliche Situ- men. Für den Führungsstab hielte ich ationen mit routinierten Abläufen zu rückblickend eine andere Zusammen- reagieren. Unsere Entscheidungen wer- setzung für richtig. Ich bin froh, dass den von Algorithmen gestützt, welche wir aktuell wieder zurück in den nor- den Karren voranschieben. Auch in un- malen Führungsstrukturen sind. gewohnten Situationen vertrauen wir Weitere Beispiele von gelernten Lek- auf die Erkenntnisse medizinischer Er- tionen: Spitalzimmer sind immer zu fahrung. klein; die IMC in Langnau taugt nicht für schwierige Isolationen; die Arbeits- Teamgedanke entscheidend kleidung der Ärztinnen und Ärzte muss Was aber passiert, wenn uns diese feh- angepasst werden; ein GOPS ist eine len und die abtastende Unsicherheit schräge Idee aus uns inzwischen frem- durch das Corona-Unbehagen dauer- den Zeiten. haft wird? Wenn uns die Optionen feh- Und die wichtigste: Es ist noch nicht len, denen wir vertrauen können oder vorbei! Wir werden wohl noch etliche misstrauen sollten? Dann wird der weitere Lektionen erteilt bekommen Teamgedanke entscheidend, das Ziehen Bild: Atelier Spring von dieser Pandemie.» am gleichen Strang und in die gleiche Richtung, auch wenn diese in unbe- Raus aus der Komfortzone kannte Bereiche führt. Wie weit diese Gabriel Waldegg: «Mit dem wagen Vor- vom Ideal (Gibt es das überhaupt?) ab- wissen aus China, Italien und kurzzei- weichen werden, werden wir erst im tig aus dem Tessin versuchte ich mich Gabriel Waldegg: «Wir mussten entschei- Nachhinein wissen, wenn wir vielleicht als Mediziner und Mitglied der in den den, wir hatten gar keine andere Wahl.» ein bisschen schlauer geworden sind. Fokus gerückten Infektiologie und Spi- Bis dann gilt es, sich auf das Dazulernen talhygiene auf die anrollende Situation und das gegenseitige Wohlwollen im einzustellen. Ein Szenario mit fragli- Vorbereitung gewesen. Also mussten Wissen um eine gemeinsam akzeptierte chen Variablen zu skizzieren und die- Skeptiker ins Boot geholt und Schnitt- Verletzlichkeit zu verlassen». ses umzusetzen, das war die Herausfor- stellen zwischen den Abteilungen und derung; medizinische Strategien und verantwortlichen Personen definiert *Dr. med. Martin Egger ist Chefarzt Medi- weitreichende Entscheidungen, ins- werden. Funktionen wurden neu auf- zin in Langnau und Leiter Spitalhygiene. besondere in der Spitalhygiene, waren geteilt, Begriffe wie Zonenisolation, Ko- Er leitete während des Lockdowns das gefragt. hortierung und Quarantäne waren zu Kernteam Corona. Dr. med. Gabriel Wald- Diese beruhen üblicherweise auf wis- klären und Eskalationsstufen zu disku- egg ist Leitender Arzt Infektiologie in senschaftlichen Fakten, doch wo waren tieren. Teamintern galt es, spontan und Burgdorf und gehört ebenfalls dem Team die? Wer mit Evidenz zu argumentieren trotzdem beruhigend zu agieren. der Spitalhygiene an. versuchte, fand sich in einer ungemüt- lichen Situation wieder, da Erfahrungs- werte fehlten. Gleichzeitig war der Schritt aus der Komfortzone genau das, Grenzen der Belastbarkeit was diese Herausforderung so interes- sant machte. Martin Egger: «Ich lese zurzeit häpp- verantwortlich gemacht, vereinnahmt, chenweise den grandiosen histori- verehrt, gehasst, stets in Gefahr und Spontan und beruhigend schen Roman ‹Spiegel und Licht› von oft recht einsam. Ähnlich bin ich mir Pandemie, das hiess in diesen ersten Hilary Mantel aus der Trilogie über das zeitweilig auch vorgekommen. Crom- Momenten: sich auf Augenhöhe mit Leben und Wirken von Thomas Crom- well wird am Schluss geköpft. Mein dem Virus zu begeben und sich der well, Sekretär und Lordsiegelbewah- Kopf ist noch da; allerdings habe ich Situation anzunähern, um das zu ver- rer des englischen Königs Henry VIII. an mir selber die Grenzen der Belast- stehen, was gedanklich im Bereich des im 16. Jahrhundert: Ansprechperson barkeit erlebt, die sich in einer ganzen Unmöglichen lag. Verdrängung und für alles, überall die Finger drin, eine Palette von psychosomatischen Be- Abschottung wären kontraproduktiv grosse Machtfülle, aber auch für alles schwerden geäussert haben.» (me) und ein Hindernis für die dringende 5
Corona. «Das Medienecho war wie eine Lawine» Bild: Manuel Stettler PD Dr. med. Robert Escher, Leiter Medizinische Klinik: mit Blutverdünnern gegen COVID-19. PD Dr. med. Robert Escher, Leiter pflege zeigten einen massiven Anstieg den, ohne bestehende Erkenntnisse. Medizinische Klinik, und sein Team gewisser Blutgerinnungsfaktoren. Das Wie viele andere haben wir uns Tag und konnten bereits sehr früh in der Pan- Studium internationaler Forschungs- Nacht mit dem Problem auseinander- demie Menschenleben retten. Das in- arbeiten gab dazu leider keine Erklä- gesetzt. Wir haben im Bluttest festge- teressierte auch die Medien. rung – wir mussten handeln, sonst stellt, dass der Von-Willebrand-Faktor, wäre der Patient gestorben. Gegen die ein klebriges Eiweiss für die Blutge- Interview: Markus Hächler erhöhte Thrombosegefahr erhielt der rinnung, bei unserem COVID-19-Pa- Patient die Blutverdünnungs-Medika- tienten bis zu fünfmal mehr auftrat als Robert Escher, als Hämatologe hast mente in wesentlich höheren Dosen bei gesunden Menschen. Dieser Fak- du als einer der weltweit ersten Ärz- als bisher üblich. Mit dieser Behand- tor ist zudem das Transportmittel für te herausgefunden, dass schwerkran- lung kam es zu einer langsamen aber den Faktor VIII, einen weiteren Gerin- ke Covid-19-Patienten dank massiver stetigen Besserung, und der Patient nungsfaktor, und auch dieser war bei Blutverdünnung überleben. Wie kam konnte die Intensivstation nach rund unserem COVID-19-Patienten bis vier- es dazu? drei Wochen verlassen. Wir haben die- mal höher als normal. Gefährdet sind PD Dr. med. Robert Escher: Ein an- se Therapie danach bei allen unseren dadurch insbesondere kleinere Ge- sonsten gesunder und rüstiger Mann Covid-19-Patienten auf der Intensiv- fässe. Sie verstopfen sehr rasch, wenn im Pensionsalter suchte das Spital An- station erfolgreich angewandt. Der man keine blutverdünnenden Medika- fang März wegen Atemproblemen und einzige Todesfall ereignete sich leider mente verabreicht. Wir verdünnten das Fieber auf. Er wurde in einem Isola- vorher. Blut des Patienten viel stärker als nor- tionszimmer gepflegt und behandelt. mal, um den Blutfluss aufrecht zu er- Nach sechs Tagen verschlechterte sich Wieviel Knochenarbeit steckt hinter halten. Das erwies sich als erfolgreich. sein Gesundheitszustand rapide; er dieser Entdeckung und Therapie? musste auf die Intensivstation ver- Es ist mehr Hirn- als Knochenarbeit! Gibt es eine Erklärung für das Phäno- legt und künstlich beatmet werden. Spass beiseite, es ist ein Challenge, sich men der erhöhten Blutgerinnung bei Die Blutproben während der Intensiv- in einer neuen Situation zurechtzufin- Covid-19-Patienten? 6
Corona. Das Virus SARS-CoV-2 dockt unter ande- Wir befanden uns in der ausserord- und erprobten Strukturen zu arbeiten, rem an der Innenwand der Blutgefässe entlichen Situation des Bundes-Lock- aber mit den nötigen Anpassungen. an, befällt diese und ruft dort Abwehr- downs, verschärft durch unklare und Rückblickend würde ich wohl nach der reaktionen des Immunsystems und Ent- verunsichernde Medien-Meldungen ersten internationalen Epidemie-Nach- zündungen hervor. Dies führt zu einer aus dem Ausland, vor allem aus Italien. richt der WHO rascher die Situation vor erhöhten Produktion von Blutgerin- Der Umgang mit dieser Unklarheit und Ort mit dem Team besprechen und die nungsfaktoren und damit zu lebensbe- Unsicherheit war unsere grösste Her- Ressourcen überprüfen. Es geht dar- drohenden Durchblutungsstörungen. ausforderung. um, die eigenen Kräfte und Ressourcen für eine lange Phase vorzubereiten. Dein Befund wurde erstmals Mitte Wie habt ihr sie gemeistert? April in der international renommier- Durch Rückbesinnung auf unser Er- ten Fachzeitschrift «Thrombosis Re- fahrungswissen und vor allem durch search» publiziert, begleitet von einer noch intensiveren Austausch im in- Spannendes Medienmitteilung unseres Spitals. Mit terdisziplinären Team. In der Medi- welchem Echo? zin ist dieser Austausch immer von Teamwork Unser Fachartikel schärfte zusammen eminenter Bedeutung, auch wenn mit Forschungsarbeiten aus anderen man schlussendlich in seinem Verant- Dr. med. Roman Hari, Leiter der spitaleigenen Hausarztpraxis HAP Kliniken das internationale Bewusst- wortungsbereich selber entscheiden in Burgdorf, war während des Lock- sein über die Bedeutung der Antiko- muss. Bei der Bewältigung der inten- downs für die Covid-19-Personalpla- agulation bei Covid-19-Patienten. Das siven Covid-19-Phase erlebte ich zu- nung verantwortlich und dafür von Medienecho in der Schweiz war wie dem querbeet absolute Solidarität und der Medizinischen Klinik zwei Mo- eine Lawine und hat mich erstaunt. Es Hilfsbereitschaft. Für diese vielen un- nate voll angestellt. Sein Résumé: war gut und wichtig für die Bevölke- eigennützigen Einsätze aller Mitarbei- «Bei der Zuweisung von Patienten rung, dass die Medien positiv über die tenden und für die weiter andauernde und der Personalplanung galt es, Resultate berichteten. Bereitschaft bin ich sehr dankbar. die unterschiedlichen Situationen in den Kliniken und Abteilungen zu Im Team der Intensivmedizin habt ihr Welche Lehren ziehst du aus der inten- berücksichtigen. Notfall und Inten- um das Leben eurer Corona-Patienten siven Covid-19-Phase? sivstation hatten viel mehr zu tun, gebangt und gekämpft. Was war da Eine Pandemie schafft eine länger andere Bereiche wie Chirurgie und anders als sonst in einer vergleichba- dauernde Situation. Es ist von Vorteil, Orthopädie deutlich weniger. Span- ren intensivmedizinischen Situation? wenn immer möglich in bestehenden nend fand ich den Aufbau des Fast- tracks, wofür wir auf die orthopädi- schen und chirurgischen Kaderärzte und auf die MPAs der Kardiologie Intensivstation: «Die Lage war sehr angespannt» zurückgreifen durften. Der Fasttrack war dann zwar nur wenige Wochen Was waren für die Intensivstation die abzusehen, wie hoch das persönliche in Betrieb, aber den Aufbau dieser wichtigsten Corona-Herausforderun- Risiko durch Selbstansteckung des doch aussergewöhnlichen Koope- gen im beruflichen Alltag? Abteilungs- Personals war.» Die professionelle ration fand ich sehr spannend. Als leiter Hans-Christoph Mewes und Flexibilität wurde dadurch aber nicht wichtig erwiesen sich dabei die täg- Dr. med. Brigitte Ulrich, Leitende beeinträchtigt. Die Einsatzpläne wech- lichen Treffen in operativen Grup- Ärztin Intensivstation, nennen als ers- selten wöchentlich bis täglich, mit Um- pen. So konnten wir rasch auf Ver- tes die kurzfristige Erhöhung der Bet- stellung auf 12-Stunden-Schichten. änderungen reagieren. tenkapazität mit dem bestehenden «Es zeigte sich, dass wir sehr schnell In der hausärztlichen Sprechstunde Personal der Intensivstation, «unter die Betten- und Behandlungskapazität war sehr wenig los, aber die Be- sehr enger Zusammenarbeit mit dem verdoppeln konnten. Somit können wir handlung von Patienten mit Sym- Anästhesiepersonal und anderen Be- uns künftig mehr am effektiven Bedarf ptomen grippaler Infekte war sehr reichen im Haus». Anästhesie und In- orientieren und diesen vorhalten». herausfordernd. Wir mussten rasch tensivstation hätten dabei «schnell, Das Fazit für die Zukunft: «Auf der Pro- lernen, angepasste Schutzkonzepte leistungsorientiert und produktiv» zu- zessebene sind wir dank Umstellung umzusetzen, Stichworte Abstriche einander gefunden. Dabei waren die auf Kohorten-Isolation, Anpassung der und Container. Viele elektive Ein- wechselnden kantonalen Vorgaben Angehörigenbetreuung bei Besuchs- griffe wurden verschoben. Bei den umzusetzen. Dazu kam aus der persön- verbot, Anpassung des Visitenkonzepts Vorsorgeuntersuchungen wie zum lichen Sicht der Mitarbeitenden «ein sowie geregelten Abläufen für die per- Beispiel Koloskopien zum Dickdarm- hohes Mass an Unsicherheit über die sönlichen Schutzmassnahmen für eine screening bedeutete das, die Patien- zu erwartenden Fallzahlen». zweite Corona-Welle oder kommende ten zu vertrösten und gleichzeitig Im Allgemeinen sei die Lage «sehr an- Epidemien besser vorbereitet.» sicherzustellen, dass die Untersu- gespannt» gewesen: «Es war nicht (hac) chung nicht vergessen ging.» (hac) 7
Corona. «Wir gewannen mehr Verständnis füreinander» «Corona» förderte die interdiszipli- näre Zusammenarbeit und damit das gegenseitige Verständnis. Und ver- kürzte ein bisschen das Hierarchiege- fälle. Drei Teamleiterinnen der Pflege berichten. Interview: Markus Hächler Welches Stichwort charakterisiert «Corona» am treffendsten? Bild: iae Christa Baumgartner, Teamleiterin Notfallzentrum: Umbau. Das Spital wurde in kürzester Zeit umorganisiert, Arbeit mit und ohne Mimik: Für die Fotografin hat Michelle Buri die Maske umgebaut und umstrukturiert. Aus ausnahmsweise abgelegt. einer Notfallstation wurden plötzlich drei, für die Triage vor dem Spitalein- stört zum Patienten und Verrichtungen schützen wir uns, aber auch unsere gang sprossen Container aus dem Bo- durchführen. Auch erhielten wir deut- Mitmenschen. den, es wurde eine zusätzliche Inten- lich weniger Telefone. Es fanden auf der Michelle Buri: Jetzt, in der Sommer- sivstation eingerichtet und, und, und. Abteilung auch keine Gespräche mit zeit, hat man besonders warm und be- Hinter diesen Arbeiten stecken viele den Angehörigen mehr statt. kommt schlechter Luft. Deshalb wer- Gedanken, eine riesige Organisation, Michelle Buri, Teamleiterin B1: Isola- den wir alle froh sein, wenn wir die Motivation und ein grosser Wille, die tion. Ich arbeite seit Juni neu als Team- Masken wieder loswerden und einan- Krise zusammen durchstehen zu kön- leiterin auf der Bettenstation B1. Hier der wieder ins Gesicht schauen dürfen. nen. Ein riesiges Dankeschön an alle! haben wir fünf Isolationszimmer, wel- Auch die Patienten dürfen das Zimmer che immer bereit sind für Verdachts- nur mit Maske verlassen. Wir haben fälle. Ich musste mich stark mit den auch schon oft gehört, dass sie uns Isolationen auseinandersetzen: Wie nicht unterscheiden können, wenn wir arbeiten wir hygienisch korrekt, was alle eine Maske tragen. Uns ist dadurch können wir laufend verbessern, um bewusster geworden, wie wichtig unse- uns die Arbeit zu erleichtern? re Mimik ist, um eine Beziehung aufzu- bauen. Wie schlimm ist die Arbeit mit der Maske? Hat sich durch «Corona» im Team Christa Baumgartner: Das Tragen der etwas geändert? Bild: iae Maske gibt mir und meinem Umfeld Christa Baumgartner: Als wir die Not- eine weitere, wissenschaftlich nach- fallstation auf Corona-Betrieb umstell- Christa Baumgartner: Warten auf die gewiesene Sicherheit vor einer Anste- ten, arbeiteten die Kolleginnen der Welle als grösste Herausforderung. ckung. Dieser Grund reicht mir, die Tagesklinik bei uns mit. Wir lernten Maskenpflicht nicht infrage zu stellen. einander, die verschiedenen Räum- Rita Blaser, Teamleitung Abt. Medizin, Rita Blaser: Wir trugen schon vorher lichkeiten und Arbeitsabläufe kennen. Langnau: Keine Besucher. Für die Pati- in gewissen Situationen Masken. Daher Es brauchte jedermann, die Ärzte, den enten war das Besuchsverbot natürlich war dies nichts Neues für uns. Die Mas- Reinigungsdienst, die Administration, nicht immer einfach. Für uns machte kenpflicht gehört unterdessen zu unse- die Abteilungspflege, die Mitarbeiter es aber den Abteilungsalltag deutlich rem Arbeitsalltag, ist selbstverständ- vom Labor, die Kollegen vom Rönt- ruhiger. Man konnte jederzeit unge- lich geworden. Mit dieser Massnahme gen usw. für eine speditive, trotzdem 8
Corona. natürlich professionelle und gute Zu- dachten Vorbereitung. Wir wären parat organisieren mit Mitarbeitern, welche sammenarbeit. Das ist in einer solchen gewesen, doch die Welle hat uns glückli- nicht von unserer Abteilung waren. ausserordentlichen Situation unab- cherweise nicht wie erwartet getroffen. Während des Lockdowns wurde die dingbar. Dadurch gewannen wir mehr Rita Blaser: Die Situation war für alle Chirurgie geschlossen; es gab plötz- Verständnis füreinander. Die Teams neu und jede zollte ihr Respekt. Es gab lich nur noch eine Abteilung in Lang- und Hierarchien blieben und bleiben keine Erfahrungsberichte, auf die wir nau, aber zwei Teams. Dies bedeutet, aber trotz Corona bestehen. hätten zurückgreifen können, zum Bei- dass in der Dienstplanung wieder viel Rita Blaser: Durch die Krise habe ich spiel bei der Dienstplanung oder den angepasst werden musste. In solchen neue Leute kennengelernt, zum Bei- Materialbestellungen. Alles drehte sich Situationen ist eine gute Kommunika- spiel die OP-Mitarbeiterinnen. Dadurch nur noch um das Thema Corona. Wir tion zentral – im Leitungsteam einer kann man vermehrt Verständnis für die waren mittendrin und wussten gleich- Abteilung, aber auch mit dem Team der Situation des anderen aufbringen. Ich wohl nicht, was auf uns zukommen Pflegenden. erlebte die Zusammenarbeit mit ande- wird. Im Führungsteam war sicher die Michelle Buri: Ich habe Corona nie als ren Berufsgruppen als bereichernd und Dienstplanung eine grosse Herausfor- Belastung, sondern als Herausforde- hilfsbereit. Unser Team war schon vor derung. Wir mussten während kurzer rung angesehen. Ich finde, durch sol- der Corona-Zeit stabil und funktionier- Zeit neue Dienstpläne schreiben, mehr che neuen Situationen kann man viel te gut. Aktuell sind wir froh, dass wie- Leute planen, Einführungen sinnvoll lernen und ein Team kann dadurch zu- der ein einigermassen normaler Alltag planen, ja sogar ein neues IMC-Team sammenwachsen. eingekehrt ist und wir ausgelastet sind. Kommunikation: neue Wege Irene Aebersold, Mitarbeiterin Kom- Krise noch hektischer. Oftmals haben wir munikation: «Von heute auf morgen etwas zu Papier gebracht, verschickt und befand sich die Welt mitten in einer Krise, gleichzeitig darüber spekuliert, ob die zig Augen waren auf das Gesundheits- Information in einer Stunde wohl immer wesen und somit auch auf uns gerichtet. noch Gültigkeit haben werde. Freitag- Mitarbeitende, Patienten, Hausärztinnen abendliche Bundesratsbeschlüsse lösten und Hausärzte, Gemeindepräsidenten Extrarunden und Nachtschichten aus. Bild: hac und Medienschaffende mussten jeweils Neben vielem Hin und Her, Hektik und innerhalb kürzester Zeit mit den ak- Unsicherheit machte die Corona-Krise Auch für Rita Blaser gehört die Maske tuellsten, zielgruppenrelevanten und aber auch erfinderisch und eröffnete zum Arbeitsalltag. Für «mittendrin» hat schnell wechselnden Informationen ver- neue Möglichkeiten. So konnten wir in sie sie kurz abgenommen. sorgt werden. Was uns zugutekam: Der dieser Zeit neue Kommunikationska- Mensch ist nie so empfänglich für Neuig- näle schaffen, die uns dank positivem Michelle Buri: Während der intensiven keiten wie während einer Krise, die von Feedback über Corona hinweg erhalten Corona-Zeit war die Hierarchie im Team öffentlichem Interesse ist. Entsprechend bleiben. Ein weiterer positiver Aspekt von mir aus gesehen etwas flacher. Es hoch sind aber auch die Erwartungen an der Corona-Krise war für uns zudem die war für alle eine neue Situation und es die Qualität der Kommunikation. Würden interne Zusammenarbeit. Wir wurden musste jeder Mitarbeiter neu zurecht- wir unsere alltägliche Arbeit als Pflicht stets rechtzeitig mit den nötigen Infor- kommen und jeden Tag Neues lernen. bezeichnen, so wäre die Corona-Krise die mationen versorgt, sodass wir schnell Deshalb mussten die Teammitglieder, Kür. ‹Bloss nicht hinfallen›, dachten wir genug reagieren konnten. Dieser Team- egal ob diplomiert oder nicht, eng zu- uns. geist lässt uns positiv auf den bishe- sammenarbeiten und sich viel austau- Der dynamische Alltag in der Kommu- rigen Höhepunkt dieser Krise zurück- schen, damit alle auf demselben Wis- nikationsabteilung wurde während der blicken.» (iae) sensstand waren. Man spürt, dass alle Mitarbeiter an einem Strang ziehen, um diese Zeit schadlos zu überstehen. Wie belastend ist «Corona» insgesamt für die Pflege? Bild: Claudia Buschor Christa Baumgartner: Für mich war die grösste Herausforderung das Warten auf die Welle. Wann und wie sie anrol- len wird, konnte niemand voraussagen. Die Bilder der Corona-Lage in anderen Ländern oder Kantonen machten die Lage nicht einfacher. Meistern konnten Kür für die Kommunikation: Kerstin Wälti (links), Irene Aebersold. wir die Situation mit einer gut durch- 9
Corona. «Diese Erfahrung war sehr motivierend» Die befürchtete Covid-19-Welle ist • Das Hygienekonzept und die An- bis Redaktionsschluss zwar ausge- weisung für Reanimationen wurden blieben. Notfall und Rettungsdienst überarbeitet und die Mitarbeitenden hätten ihr aber trotzen können – im intensiv geschult. Notfallzentrum auch dank Personal- • Angehörige werden nur noch in Aus- pool-Hilfe aus anderen Disziplinen. nahmefällen im Ambulanzfahrzeug mitgenommen. Markus Hächler • Die Teams sind noch stärker den ein- zelnen Warteräumen fest zugeteilt. «Durch Covid-19 war der Notfall im Neu ist ein Team tagsüber fix in Grü- März und April massiv gefordert. Nicht nenmatt, plus wie immer tagsüber in Bild: hac wegen der absoluten Zahlen der Patien- Kirchberg, Burgdorf und Langnau. ten mit Covid-19-Verdacht, sondern we- • Das Reservefahrzeug wurde soweit gen der Umstellung der gesamten Not- Hoffentlich kein «Providurium»: ausgerüstet, dass es ebenfalls zum fallorganisation: die Corona-Container (hier in Burgdorf). Einsatz hätte kommen können. • Triage der Patienten im Container be- • First Responder wurden während der ziehungsweise im Zelt vor dem Not- Personalausfällen rasch und kompetent Lockdown-Phase nicht mehr aufgebo- falleingang statt in der Notfallabtei- reagieren zu können». ten. Dafür war die Armee mit einem lung Da niemand die Dauer der Ausnahmesi- eigenen Ambulanzfahrzeug und zwei • Einrichtung eines Fast-Track-Pfades tuation abschätzen konnte, war es auch Angehörigen der Sanitätstruppe im • Vorbereitung der Tagesklinik in Burg- für die Notfall-Teams wichtig, in den be- Einsatz. dorf als erweiterter Notfall kannten Strukturen weiterzuarbeiten. «Wir standen vor etlichen organisatori- Felix Nohl: «Die bekannten Arbeitsab- Plan B für mehr Teams schen und infrastrukturellen Heraus- läufe müssen in so einer Situation im Bei erhöhtem Personalbedarf wäre zu- forderungen», sagt Dr. med. Felix Nohl, Kern unbedingt beibehalten, aber die dem ein anderes Arbeitszeitmodell zum stellvertretender Chefarzt Medizin und Ressourcen laufend angepasst werden. Einsatz gekommen. Dadurch hätten Ärztlicher Leiter Notfallstationen. «Die Dieser Prozess ist sehr herausfordernd zusätzliche Teams eingesetzt werden Pflegenden und die Ärzteschaft ver- und bedarf einer klaren Team- und Füh- können. René Jaussi, Leiter Pflege Not- schiedener Bereiche des Spitals haben rungsstruktur, in der jeder seine Aufga- fallstationen und Rettungsdienst: «Zum sich dabei mit viel Engagement und be kennt». Glück brauchten wir diesen Plan B bis- Herzblut zu einem neuen, erweiterten Das war am Anfang nicht im nötigen her nicht». Notfallteam formiert und mit dem nö- Mass der Fall. Felix Nohl zieht daraus Die Pandemie erfordert auch eine tägli- tigen Pragmatismus die geforderte Um- folgende Lehre: «Ich würde künftig che Lagemeldung ans Kantonsarztamt, strukturierung eindrücklich mitgetra- ein noch wacheres Augenmerk auf die zuhanden des kantonalen Führungs- gen und mitgestaltet. Diese Erfahrung rasche Implementierung dieser Füh- organs. Das umfasst Material, Perso- war sehr motivierend.» rungsstruktur und die entsprechenden nal, Rettungsfahrzeuge und Einsätze Verantwortlichkeiten legen. Dazu ge- betreffend Covid-19. Auf Kantonsebe- Klare Strukturen: ein Muss hören auch die verbindlichen und re- ne fanden und finden wöchentliche Entscheidend für einen lückenlosen gelmässigen Kurzbesprechungen zur Videokonferenzen mit allen Rettungs- Notfallbetrieb war laut Felix Nohl der Lagebeurteilung.» dienst-Leitern und dem Kantonsarzt- laufend aktualisierte Personalein- amt statt. Bei «Phase rot» hätten die Ret- satz-Pool mit Angaben der jeweiligen Rettungsdienst: Sondermassnahmen tungsdienste nicht mehr selbstständig Einsatzmöglichkeiten nach individuel- Im Rettungsdienst hat Covid-19 zu ei- entscheiden können, in welches Spital len Fähigkeiten und Fertigkeiten. Felix nem ganzen Bündel von Zusatzmass- sie den Patienten bringen.» Nohl: «Nur so war es uns möglich, bei nahmen geführt: 10
Corona. Mit Nachtarbeit gegen Versorgungsengpässe In der «heissen» Corona-Phase wurde weil gehamstert und sich heimlich be- in der Apotheke zeitweise rund um die dient wurde – vor allem in den WCs. Wir Uhr gearbeitet. mussten deshalb die Desinfektionsmit- tel einschliessen und die Halterungen Annegret Reichwagen* auf den WCs entfernen lassen. Als sehr unangenehm empfand ich es, Die «heisse Phase» startete in der zwei- dass wir plötzlich gezwungen waren, ten Märzwoche und hielt bis Anfang den Polizisten zu spielen: Wer bekommt Juni an. Geprägt war sie vor allem an- Desinfektionsmittel in welchen Men- fangs von einer weit verbreiteten Angst gen? Wir mussten die hausinternen vor einem Mangel an Medikamenten Bestellungen auf den wirklich nötigen und Desinfektionsmitteln, die bisweilen Bedarf überprüfen, um eine gerechte beängstigende Züge annahm. Verteilung sicherzustellen und persön- Angesichts zusammenbrechender Lie- liches Hamstern zu unterbinden. ferketten war es eine riesige Heraus- forderung, alle wichtigen Medikamente Neue Herausforderungen und Desinfektionsmittel zur rechten Meine Erkenntnisse aus der «Chaos- Zeit zu bekommen. Für sonst diskus- phase»: sionslose Bestellungen waren endlose • Der Informationsbedarf ist sehr hoch. Bild: hac Telefonate nötig. Wir bekamen nur ge- Es ist wichtig, dass die Informationen zentral gesteuert und zusammenge- Heiss begehrt: Desinfektionsmittel. fasst werden. IT: Auf • Standardprozesse müssen regelmässig liefert, was wir im letzten Jahr effektiv überprüft und trainiert werden. Man- Hardware-Jagd verbraucht haben. che Notfallpläne konnten nicht einfach In der Pandemie stieg der Verbrauch aus der Schublade gezogen werden. Die Abhängigkeit vom internationalen von Desinfektionsmitteln und be- • Bei den Desinfektionsmitteln braucht Markt machte auch der IT zu schaffen. stimmten Medikamenten aber um ein es ein gutes Pandemielager. Und in je- Stefan Greder vom IT Servicedesk: Vielfaches; Lieferunterbrüche waren an dem Team das permanent erneuerte «Die Materialbeschaffungsfrage war der Tagesordnung. Auf andere Firmen Wissen über Alternativen, wenn be- allgegenwärtig. Für die Infrastruktur ausweichen konnten wir nicht, weil sie stimmte Artikel nicht mehr geliefert in den Corona-Containern und die keine Neukunden mehr annahmen. Wir werden können. zweite Intensivstation im Aufwach- haben die Krise trotzdem gut gemeis- • Für die nächste Pandemie benötigen raum haben wir zum Teil PCs aus dem tert – durch zähes Verhandeln, stra- wir im Spital ein Betreuungskonzept Schulungsraum verwendet. Grosse tegisches Bestellen und regelmässige für kleinere Schulkinder, damit die Mangelware waren Webcams und Aufrufe im Spital, den Verbrauch aufs Familien die Krise nicht allein meis- Mikrofone für Videokonferenzen, da Nötigste zu drosseln. tern müssen. ging eine Zeit lang gar nichts mehr». • Durch die Krise hat sich gezeigt, dass Herausfordernd war auch die IT-Instal- Run auf Desinfektionsmittel ich ein megatolles Team habe und wir lation an ungewohnten Orten mit feh- Anfänglich hatten wir besonders mit im Spital mit sehr vielen wertvollen lenden Netzwerk-Anschlüssen, und hohem Desinfektionsmittelverbrauch und engagierten Menschen zusam- selbstverständlich immer mit Maske. zu kämpfen. Während eines Vormit- menarbeiten. Stefan Greder: «Zum Glück hatten wir tages musste die ISS statt zehn Flaschen für alles genug Zeit.» (hac) Desinfektionsmittel à 500 ml deren 60 *Dr. rer. nat. Annegret Reichwagen ist auffüllen oder sogar ganz ersetzen, Chefapothekerin. 11
Corona. Die grosse Stunde der Solidarität Bild: iae Ungewohnter Arbeitsplatz: Physiotherapeut Jürg Sägesser und Physiotherapeutin Eila Steffen im Zentrallager. Milena Hueter, Teamleiterin Zentrallager (Bildmitte), sagt ihnen, was zu tun ist. Einander helfen über die Berufs- spitzte sich die Situation immer mehr ten wir eine deutliche Steigerung fest. grenzen hinweg galt auch im stark zu und das Material wurde zum Thema So trägt etwa die Crew der Abwasch- geforderten Bereich «Material-Nach- Nummer eins. küche Mundschutz, Handschuhe und schub»: Wegen Corona arbeiteten Um unseren Bedarf zu decken, waren Schutzbrille. Auch das Team der Haus- Physiotherapeutinnen im Zentralla- wir beim Einkauf teilweise auf neue wirtschaft wurde mit Mundschutz aus- ger und Techniker im Transportdienst. Lieferquellen angewiesen, etwa bei gerüstet. Masken und Schutzmänteln. Diese zu Der durchschnittliche Monatsverbrauch Andrea Zingg und Marc Fahrni* suchen und zu finden war sehr an- von Schutzmasken hat sich im laufen- spruchsvoll. Glücklicherweise hatten den Jahr gegenüber 2019 verdreifacht, Die Lage war zu Beginn der Corona-Kri- wir bei der Auswahl der neuen Liefe- von 8 800 auf 24 900. Im Topmonat Mai se noch eher entspannt. Dies änder- ranten ein gutes Händchen und haben haben wir 55 900 Masken verbraucht. te sich jedoch rasch, als mehr Details sämtliche Ware erhalten, die wir – teil- Das entspricht der Hälfte eines norma- bekannt wurden. Alle benötigten auf weise mit Vorauskasse – bestellt hatten. len Jahresbedarfs. Auch spezifische Ar- einmal Unmengen an Einwegmaterial, tikel für die Beatmung waren gefragter. Ständern, Sammlern und Ähnlichem. Masken: Bedarf verdreifacht Die Lieferanten kamen den Bestellun- Bei sämtlichem Material für den per- Gefragt: Mehrwegkleider gen nicht mehr nach. Als dann auch sönlichen Schutz – Hygienemasken, Besonders eng wurde es mit der Ein- noch die Grenzen geschlossen blieben, Schutzmäntel und Schutzbrillen – stell- wegbekleidung für den Operationsbe- 12
Corona. reich. Die Produktionsstätte dieser Klei- Putzen mit Schutzbrille war es eine grosse Herausforderung, der in Marokko wurde geschlossen; die Für die Reinigungsfachkräfte war die die Mitarbeitenden zu motivieren und Rohstoffe wurden für die Maskenpro- Einweg-Schutzausrüstung eigentlich Ängste abzubauen. duktion benötigt. Das zwang uns zum nichts Neues. Trotzdem sorgte das The- Viele Fragen konnten weder die Füh- mehrmaligen Verwenden und somit ma für grosse Unruhe, weil in den Iso- rungsgremien noch die Vorgesetzten Aufbereiten der Einwegbekleidung und lationszimmern zusätzlich eine Schutz- mit abschliessender Sicherheit beant- zum Organisieren von Mehrwegbeklei- brille getragen werden muss. worten. Flexibilität hatte einen noch dung. Aufwändig ist auch das Wechseln der grösseren Stellenwert als ohnehin Im Rahmen von Corona wurden 235 Ausrüstung von Zimmer zu Zimmer. schon. Produkte des Material-Sortiments als Die Angst vor einer Ansteckung war zu «Pandemieartikel» definiert. Bei diesen Beginn trotz persönlicher Schutzaus- Mehr Verständnis füreinander Produkten sind die Mindestbestände rüstung gross. Das obligatorische Tra- Nach zwei Wochen, in denen wir um- auf einen 3-Monats-Bedarf bei Normal- gen einer Schutzmaske auf den Statio- organisierten, umstellten und wenig verbrauch aufgestockt worden. nen half, die Ängste einzudämmen. schliefen, konnten wir von Glück reden, Im kleinen Team der Materialwirtschaft dass viele Vorbereitungen und Einkäufe stand die Sicherstellung der Personal- Infusions- statt Zeitungsständer nicht im angenommenen Masse benö- ressourcen im Vordergrund. Dafür Im Wäschelager erhoben sich Berge mit tigt wurden. konnten wir dank viel Eigeninitiative sauberer Wäsche – gewaschen wird ex- Unsere Erkenntnisse aus der ersten des Zentrallagers «arbeitslose» Mit- tern. Zeitungen und Zeitschriften und «heissen» Corona-Phase: arbeitende der Physiotherapie bei uns die entsprechenden Ständer machten • Die höheren Materialbestände insbe- aufnehmen und mit genügend Vorlauf aus Hygienegründen Infusionsstän- sondere für den persönlichen Schutz in das Tagesgeschäft einarbeiten. dern, Schmutzwäschesammlern und bleiben bestehen. Behältern für infektiöse Abfälle Platz. • Dank der Sortimentsanpassung im Die Restaurants sind den Mitarbeiten- Restaurant konnten wir das Food- den vorbehalten, mit fixen Essenszeiten waste stark reduzieren. nach Berufsgruppen und Tischordnun- • Die gegenseitige Unterstützung und Küche: gen zur Wahrung der Distanz. die interdisziplinäre Zusammen- Im Transportdienst mussten die Ar- arbeit zeigten, dass in Krisensituatio- Teamgeist gestärkt beitsabläufe inklusive Arbeitszeiten nen der Zusammenhalt funktioniert. neu organisiert werden, damit eine • Die Zusammenarbeit in neuen Gremi- Küchenchef Markus von Känel: zeitnahe Entsorgung von infektiösen en förderte das Verständnis zwischen «Um die Ansteckungsgefahr zu ver- Abfällen und Wäsche sichergestellt wer- den einzelnen Fachbereichen. ringern, arbeiteten wir in der heis- den konnte. In Langnau erforderte dies Wir sind uns bewusst, dass uns die Fol- sen Phase im März / April in zwei die Einbindung des Technischen Diens- gen von Corona noch lange begleiten unabhängigen Teams, welche keine tes in das Team der Hauswirtschaft. werden und an einen «normalen» Spi- Berührungspunkte haben durften. talalltag wohl noch lange nicht zu den- Das mussten wir während einem Herausforderung: Motivation ken ist. Monat im Sieben-Tage-Turnus Viele Fragen, grosse Unruhe, spürba- *Andrea Zingg ist Leiterin Hotellerie durchziehen, was sich als grösste re Unsicherheit und keine abschlies- Hauswirtschaft. Marc Fahrni ist Leiter Herausforderung erwies. senden Antworten: In dieser Situation Einkauf und Materialwirtschaft. Für die Patienten und Mitarbeiten- den bedeutete das eine Einschrän- kung des Mahlzeiten-Angebots. Während für die Patienten beim Essen wieder alles beim Alten ist, müssen die Mitarbeitenden aus Technik: Container, Spuckschutz und Gasanschlüsse Hygienegründen weiterhin auf die Elisabeth Sommer, stv. Leiterin Tech- tensivstation aus. In Langnau entstand Selbstwahl-Buffets verzichten. Wir nik und Sicherheit: «Innerhalb von we- in der Physiotherapie ein Bereich für die versuchen dies durch eine breitere nigen Tagen haben wir in Burgdorf und Vorbereitung stationärer Covid-19-Pa- Auswahl beim Standard-Menü etwas Langnau innen und aussen neue Behand- tienten. Alle Empfangstheken erhielten auszugleichen. lungsstationen errichtet. Vor den Notfall- Spuckschutz-Vorrichtungen. Der GOPS Im Rückblick würde ich das Virus frü- eingängen stellten wir Container für die – das unterirdische Militärspital – wurde her ernst nehmen. Der Ausbruch in Triage und die Corona-Abstriche ausser- mit Medizinalgas-Anschlüssen ausgestat- China erschien damals viel zu weit halb des Spitals auf und versorgten diese tet, um bei Bedarf als Bettenstation zu weg. Positiv: Das Team der Küche ist mit Strom und der nötigen Büroeinrich- dienen. Wie alle Teams zeigten auch die stärker zusammengerückt. Es wurde tung zum Erfassen der Daten. In Burgdorf Mitarbeiter der Technik unermüdlich ho- und wird viel mehr Rücksicht auf je- bauten wir den Aufwachraum mit tem- hen Einsatz und Flexibilität. Anders wäre porären Trennwänden und technischer eine solche Aufgabe nicht zu stemmen den einzelnen genommen.» (hac) Ausrüstung zur zusätzlichen Ad-hoc-In- gewesen.» (hac) 13
Corona. «Ich würde mich wieder melden» Corona-Einsatz im Spital: Drei Ange- hörige des Hilfs-Pools schildern ihre Erfahrungen. Gottfried Gerber, Daniel Jenni und Cornelia Reinalter* Gottfried Gerber, Schangnau: «Ich habe mich auf das Inserat gemeldet, weil es in der Eventbranche keine Ar- beit mehr gab. Ich war beim Ordnungs- dienst eingeteilt. Am Anfang machten wir gemeinsam mit einer Person des Spitals Triage und begleiteten die Pa- tienten an den richtigen Platz. Am Schluss verteilten wir nur noch Mund- schütze und achteten darauf, dass die Personen den Abstand einhielten. Am besten gefallen hat mir der Kontakt mit Menschen. Am meisten missfallen hat mir, dass das Personal des Spitals – hauptsächlich Ärzte und administra- Bild: zvg Post fürs Spital Gottfried Gerber: «Ich würde mich wieder melden.» Via Mail und Post erreichten zahlrei- che Sympathiekundgebungen aus tives Personal – sich anfänglich nicht Cornelia Reinalter, Fraubrunnen: der Bevölkerung unser Spital. Eine an die Regeln gehalten und das Spi- «Gemeldet habe ich mich als ehema- kleine, aber repräsentative Auswahl tal ohne Hygienemaske betreten hat. lige Pflegefachfrau aus Solidarität findet sich im Web (QR-Code). Auch haperte es mit den Zuständigkei- gegenüber dem Pflegepersonal. Mein Daneben gabs während des Lock- ten und Informationen. Wenn etwas Einsatzort war der Notfall, meine Auf- downs auch Spontandarbietungen änderte, kam die Info meistens von gaben Behandlungspflege, Botengän- für Mitarbeitende und Patientinnen, einem Arbeitskollegen und nicht vom ge erledigen, Austritte putzen, mit Pa- beispielsweise Alphorn-Ständli. Eine Spital direkt. Das war manchmal sehr tienten ‹gsprächle› und so weiter. Die Anhängerin schickte uns als Merci mühsam, da man keinen Vorlauf hatte Abwechslung war gross – es galt, sich sogar ein selbst komponiertes und für die persönliche Planung. Dies sind um medizinische, chirurgische, uro- getextetes Lied. (hac) aber Bagatellprobleme. Mir ist absolut logische und psychiatrische Patienten bewusst, dass das Spital das auch zum zu kümmern. ersten Mal in dieser Form gemacht Nach gut 16 Jahren Spitalabstinenz hat hat. Das soll auch keine Kritik sein, es mir sehr gefallen, wieder einmal im sondern eine Anregung für das nächs- Spital zu arbeiten. Allerdings war nach te Mal. Ich hoffe natürlich, es gibt kein so langer Zeit alles Administrative nächstes Mal. Auf jeden Fall würde ich komplett neu für mich. Mit meinen da- mich wieder melden.» maligen Kenntnissen und Utensilien 14
Corona. – Kardex und rot-blauer Bicolor-Farb- stift – bin ich mir ziemlich blöd vor- gekommen! Aufgefallen ist mir, wie hilfsbereit, geduldig und dankbar das gesamte Spitalpersonal war. Ob ich wieder einspringen würde? Selbstver- ständlich!» Bild: zvg Cornelia Reinalters Bicolor-Stift. Daniel Jenni, Heimisbach: «Nach ei- nem anstrengenden Jahr als Schweine- Bild: zvg stallmonteur habe ich so oder so einen Erwerbsunterbruch gewollt. Dann kam Corona. Ich dachte, im Spital zu arbei- Daniel Jenni hat in Langnau Fahrräder repariert. ten könnte eine neue spannende Er- fahrung sein. Vor dem Virus hatte ich ich die Patienten beim Notfall be- bis 40 Mitarbeiter-Velos geputzt, ge- Respekt, aber keine Angst, da ich mich grüsst. Wenn der Notfall ausgelastet schmiert, kontrolliert und eingestellt. als gut 30-Jähriger nicht als gefährdet war, machte ich zudem die Triage und Mein Gratis-Service wurde sehr ge- betrachtete. brachte die Patienten auf die jeweilige schätzt und ich mit Allerlei verwöhnt. Ich war als Türsteher im Ordnungs- Abteilung. Da es in Langnau relativ ru- Die teils älteren Leute auf die jeweili- dienst. In der Lockdown-Zeit habe hig war, habe ich ausserdem circa 30 ge Station zu bringen wurde sehr ge- schätzt. Auch gab es interessante Ge- spräche mit den Mitarbeitern auf der Überwältigendes Echo Psychiatrie: Notfallstation oder von der Rettung. Ich empfand die Atmosphäre in Lang- Wegen Corona suchte unser Spital Angebot ausgeweitet nau als positiv. Ich mag es, den Men- Mitte März 2020 via Medieninsera- schen ein Lächeln auf den Weg mit- Wegen Corona hat die Psychiatrie te, Facebook und Homepage vor- zugeben. Warten empfinde ich aber Emmental ihr niederschwelliges Be- sorglich Hilfspersonal auf Abruf. Das nicht als produktiv. Trotz Fahrrad- ratungsangebot für Betroffene und Echo war überwältigend. Innerhalb Reparieren und Bücher-Lektüre war Angehörige vorübergehend aus- weniger Tage gingen über 650 Be- die Schicht manchmal sehr lang. Als geweitet. Das Triage-Telefon (034 werbungen ein. Hochwillkommen Handwerker ist man sich halt gewöhnt, 421 27 27) war vom 11. April bis war die Corona-Unterstützung in etwas zu tun». 31. Mai 2020 an sieben Tagen pro der Pflege (Notfall, Intensivpflege- Woche von 08.00 bis 18.00 Uhr be- station, Pflegeabteilungen) und bis *Gottfried Gerber, Daniel Jenni und setzt. Ausserhalb der Öffnungszei- heute im Ordnungsdienst, daneben Cornelia Reinalter waren neben vielen ten steht der psychiatrische Notfall- auch in der Hauswirtschaft und in anderen Menschen im Emmental im dienst unter der gleichen Nummer der Kita. (hac) Frühling bei uns als Corona-Hilfskräfte zur Verfügung. (hac) im Einsatz. So berichtete «TeleBärn» «TeleBärn» hat am 19. März 2020 über die Welle der Hilfsbereitschaft in der Emmentaler Bevölkerung berichtet. Der TV-Beitrag kann über den QR-Code online abgerufen werden. (hac) 15
Archiv. Das Virus, das den Krieg überlebte Bild: iae Der Gedenkstein bei der Kirche Langnau erinnert an die im Aktivdienst 1914 –1918 verstorbenen Wehrmänner des Gebirgsbataillons 40. Die meisten starben an der «Spanischen Grippe». Die «Spanische Grippe» kam 1918 aus scheinlich vom Geflügel auf den Men- den 56 000 Rekruten 1100 schwer er- den USA. Sie forderte auch im Em- schen übergesprungen war. krankt und 38 bereits verstorben. Rasch mental Hunderte von Todesopfern. Es gibt verschiedene Theorien, wo die breitete sich die Krankheit auf die Zivil- Grippe zuerst auftrat. Die wahrschein- bevölkerung und weitere Militärcamps Peter Schär* lichste These besagt, dass die ersten aus. Ausbrüche 1918 in den USA stattfanden Mit den US-Truppenschiffen wurden Zwischen Frühjahr und Herbst 1918 – und sich das hochansteckende Virus mehr als eine Million Soldaten und in den letzten Monaten des Ersten durch die massiven Truppenbewegun- auch das Virus nach Europa transpor- Weltkriegs – und in einer dritten Wel- gen im Krieg weltweit verbreitete. Am tiert. Die Krankheit gelangte durch in- le 1919 / 20 verursachte die «Spanische 11. November 1918 endete der Erste ternierte französische Soldaten bald Grippe» weltweit zwischen 20 und 50 Weltkrieg. Das Virus aber wütete weiter. auch in die neutralen Staaten Schweiz Millionen Todesopfer, also mehr als der und Spanien. Krieg mit 17 Millionen Toten. Im Unter- Rasante Ausbreitung schied zu Covid-19 waren vor allem Belegt ist, dass Ende Februar 1918 drei Vertuschte Wahrheit jüngere Menschen betroffen. Der Virus- Infizierte aus Kansas in ein Ausbil- Im Mai 1918 berichtete die spanische Typ wurde erst 2005 rekonstruiert: dungslager der U.S. Army eingezogen Presse von einer rätselhaften Epidemie, ein A / H1N1–Influenzavirus, das wahr- wurden. Drei Wochen später waren von die auch den spanischen König nicht 16
Archiv. verschonte. In Spanien wurden damals … und Verschwörungstheorien lich aus Soldaten aus dem Amt Signau im Unterschied zu den kriegführenden Verschwörungstheoretiker waren mit bestand. Mitte Mai 1918 wurden sie in Ländern Presseberichte über das Aus- Schuldzuweisungen ebenfalls rasch der Ajoie einquartiert. Ende Juni bra- mass der Seuche nicht unterdrückt. zur Stelle. Auf alliierter Seite argwöhn- chen die ersten Grippefälle aus, und am Die internationale Presse verwendete te man, die Deutschen hätten nach den 8. Juli lagen bereits 80 Mann mit zum in der Folge zunehmend den Ausdruck Giftgas-Einsätzen nunmehr zur biologi- Teil hohem Fieber im Stroh. Das Batail- «Spanische Grippe». Den kriegsfüh- schen Kriegsführung durch planmässi- lon hatte insgesamt 35 Tote zu bekla- renden Regierungen erlaubte dies, die ge Freisetzung der «Mikroben» gegrif- gen. tatsächliche Verbreitung unter ihren fen. Im Gedenken an die im Aktivdienst Ver- Streitkräften zu vertuschen, um den Die deutsche Presse nannte als Grund storbenen wurde 1921 auf der Lueg Durchhaltewillen ihrer Armeen nicht zu für die rasche Ausbreitung der Grippe das Kavalleriedenkmal errichtet, und schwächen. hingegen zuerst das relativ kühle und in Langnau erinnert das Soldatendenk- regnerische Juniwetter; später war die mal bei der Kirche an die verstorbenen Wirkungslose Therapien Rede vom «Flandern-Fieber», das den Wehrmänner des Geb Bat 40. Da keine wirksamen Heilmittel zur Ver- Zuständen an der Front zugeschrieben fügung standen, konzentrierten sich wurde. Erst die Nazis sprachen im Zwei- Ausweitung auf Zivilbevölkerung die Ärzte auf die Linderung der Symp- ten Weltkrieg von «vorsätzlichem Völ- Bald steckte sich auch die übrige Be- tome. War in schweren Fällen eine stark kermord» durch die Amerikaner und völkerung an. Im ganzen Land wurden sedative und antineuralgische Wirkung behaupteten 1944 unter Bezug auf an- strenge Hygiene- und Vorsichtsmass- erwünscht, griffen die Ärzte zu Subs- gebliche amerikanische Aussagen, das nahmen angeordnet. Trotzdem forderte tanzen wie Opium, Morphium, Heroin Virus sei 1914 in den USA entwickelt die Grippe 1918 in der Zivilbevölkerung oder Kokain. worden. Das war reine Propaganda, rund 24 500 Todesopfer. Die nichtmedikamentösen Behand- denn das Influenzavirus ist erst 1933 Auch im Emmental grassierte die «Spa- lungsmethoden wie diätetische, physi- unter dem unterdessen entwickelten nische Grippe». In Schangnau waren 18 kalische und naturheilkundliche Mass- Elektronenmikroskop entdeckt worden. Todesfälle zu beklagen. Drei Viertel der nahmen sowie Heissluft, elektrische Opfer waren zwischen einem und vier- Lichtbäder, Bäder, Packungen und Armee stark betroffen zig Jahre alt. In Trubschachen erlagen Schwitzkuren waren meist wirkungs- In der Schweizer Armee suchte die Grip- 17 Menschen der Krankheit – fast die los. Ebenso eine Vielzahl fragwürdiger pe alle aufgebotenen Truppen heim. Hälfte aller Todesfälle in zehn Monaten. Arzneimittel, die den Ärzten in zahl- Prekäre hygienische Verhältnisse in den Alle Gemeinden im Emmental hatten reichen Aufsätzen empfohlen wurden. Kantonnementen und unzureichende ähnliche Zahlen zu beklagen. Angesichts des Ausmasses der Katastro- Verpflegung führten dazu, dass sich das phe war für kritische Arzneimittelprü- Virus schnell ausbreitete. Im Juli 1918 fung keine Zeit. erkrankten pro Tag 35 Wehrmänner. *Peter Schär arbeitete von 1982 bis 2013 Besonders stark betroffen war das Ge- in leitender Funktion für das Spital Wie heute: Fake News… birgsbataillon 40, das fast ausschliess- Emmental. Schon damals witterten Geschäftema- cher ihre Chance und priesen den Leu- ten eine Vielzahl von heilbringenden Grosse Herausforderung für Spitäler Methoden an. Bald einmal entbrannten heftige Kämpfe um die richtigen Behand- Im Spital Burgdorf wurden 367 Grippe- und beinahe alle Hilfskräfte in Pflege und lungsmethoden. Naturheilärzte be- kranke behandelt, rund 48 Prozent der Hausdienst. Freiwillige sprangen ein und zichtigten die Schulmediziner der Ver- Patienten der medizinischen Abteilung. halfen aus. schleppung der Pandemie über längere 43 Patienten starben. Das Spital Gross- Überall richtete man sich auch räum- Zeit, weil sie den Patienten «giftige Dro- höchstetten verzeichnete 130 Patienten lich für eine grosse Patientenzahl ein. gen» verabreicht hätten. und 13 Verstorbene. In Langnau, wo In Langnau wurden das Absonderungs- Mit diversen Statistiken wollte man be- auch 49 deutsche Internierte Aufnahme haus, der Tuberkulosepavillon und der fanden, wurden an einem Tag 27 Eintrit- daran anschliessende Tagraum mit Grip- legen, dass nur Geimpfte erkrankt sei- te von Grippepatienten registriert. pekranken belegt. Das Asyl Gottesgnad en und lieferte Beispiele von Personen, Erschwerend kam hinzu, dass auch Pfle- (heute dahlia) stellte einen Saal für die die überlebt hätten, weil sie Impfungen gende und Ärzte erkrankten und längere Aufnahme nicht grippekranker Patienten und Medikamente abgelehnt hätten. Zeit ausfielen. In Burgdorf erlag am 6. zur Verfügung. Militärpatienten wurden Noch heute schwadroniert eine Impf- Dezember 1918 Oberschwester Louise im Sekundarschulhaus Höheweg und Re- gegner-Website von «Massensterben Müller der Krankheit. In Langnau er- konvaleszente im Primarschulhaus Ober- durch Massenimpfungen» und «Vorläu- krankten die Köchin, mehrere Pflegende feld betreut. (ps) fer des Coronavirus-Theaters». 17
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