NEUE BETRIEBSRÄTE BRAUCHT DAS LAND!
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Österreichische Post AG, MZ 02Z031731M, ÖGB-Verlag, Johann-Böhm-Pl. 1, 1020 Wien, Retouren an PF 100 1350 Wien 3 / 2021 MAGAZIN DER GEWERKSCHAFT GPA NEUE BETRIEBSRÄTE BRAUCHT DAS LAND! Millionenerbin für Vermögenssteuer S. 10 Faktencheck Impfen S. 20 GPA.AT | KOMPETENZ-ONLINE.AT 1
KOMPETENZ 3 / 2021 INHALT 4 10 22 COVERSTORY INTERVIEW ARBEITSRECHT Der ÖGB setzt eine Initiative zur Die Millionenerbin Marlene Engelhorn Wir erklären, was bei Ausgliederung, Gründung neuer Betriebsräte. GPA- kämpft für Millionärssteuern. Im Inter- Fusion oder Neuübernahme eines Geschäftsführer Karl Dürtscher eklärt, view erzählt sie, warum sie sich bei Unternehmens zu beachten ist. warum das jetzt besonders wichtig ist. #taxmenow engagiert. 03 / 21 3 EDITORIAL 12 SOZIALES EUROPA 24 LOHN- UND SOZIALDUMPING Wie Österreichs Regierung den Sozialbetrug wird billiger 4 NEUE BETRIEBSRÄTE sozialen Fortschritt blockiert. BRAUCHT DAS LAND 25 LEHRLINGE: Initiative zur Gründung neuer 14 BEFRAGUNG ZUM URLAUB JUGENDLICHE ZWEITER KLASSE? Betriebsratskörperschaften Warum die Pandemie das Lehrlinge wurden während der Urlaubsverhalten verändert hat. Pandemie von der Bundesregierung 6 BETRIEBSRATSGRÜNDUNGEN vernachlässigt. Drei neu gewählte BetriebsrätInnen 16 MEILENWEIT VON 50:50 Foto: Titelseite/S 5/S10: Nurith Wagner-Strauss, S 22: Adobe Stock erzählen, was sie motiviert. ENTFERNT 26 ARBEITSZEITVERKÜRZUNG Wie die Pandemie Frauen Was wir von Island, Spanien und 9 BILDMELDUNG benachteiligt Irland lernen können. Protest für eine Ausweitung des Corona-Bonus 18 KURZMELDUNGEN 28 DIE GLOBALE „IMPFSTOFF-APARTHEID“ 10 MILLIONENERBIN FÜR 20 FAKTENCHECK Eskalation in ärmeren Weltgegenden VERMÖGENSSTEUERN Impfen Millionärin Marlene Engelhorn 30 GPA-WOHNBAUVEREINIGUNG erzählt im Interview, warum der Staat 22 ARBEITSRECHT Betreute Wohngemeinschaften sie dringend besteuern sollte. Was tun bei Ausgliederung oder für SeniorInnen Fusion? 2
EDITORIAL GERADE JETZT! ZUR PERSON: Wir stellen in dieser Ausgabe der KOMPETENZ Millionenerbin Marlene Engelhorn, erläutert in Martin Panholzer ist drei Menschen vor, die sich in den letzten Mo- der KOMPETENZ ihre Beweggründe, die Initia- Leiter der Abteilung naten dazu entschlossen haben, in ihrem Be- tive zu unterstützen. Öffentlichkeitsar- trieb eine Betriebsratskörperschaft zu gründen. beit in der GPA und Chefredakteur In einer Krisensituation, in der sich Probleme Es geht aber auch um ganz praktische Fragen der KOMPETENZ. häufen, kommen immer mehr zu dem Schluss, in dieser Ausgabe der KOMPETENZ. Unbe- dass gerade jetzt durch solidarisches Mitei- stritten ist, dass Impfungen ein Schlüssel für nander mehr zu erreichen ist denn als Einzel- die Bewältigung der Pandemie sind. Welche kämpferIn. Es geht dabei nicht um Wunder- arbeitsrechtlichen Fragen zu beachten sind, dinge und Heldengeschichten, sondern um die beantwortet ein Faktencheck. Ein weiterer ar- einfache Tatsache: Wir leben in einem Land, in beitsrechtlicher Artikel befasst sich mit der Fra- dem das Mitspracherecht der ArbeitnehmerIn- ge: was tun bei Ausgliederungen und Fusion? nen gesetzlich abgesichert ist und man sich in Form der Gewerkschaften einer starken Orga- Wir hoffen alle, dass die Rückkehr zu einem nisation als Unterstützerin sicher sein kann. Ar- normalen Leben auch nach dem Sommer beitgeber geben viel Geld für Rechtsberatung möglich sein wird und wir werden als GPA alle und Lobbyismus aus. Unsere Kraft ist jene der Kraft in die Waagschale legen, dass die Leis- gewerkschaftlichen Organisierung. tung jener, die in diesen schweren Zeiten das Land am Laufen hielten, auch entsprechend UMDENKEN honoriert werden! Krisenzeiten sind immer auch Zeiten, in denen MARTIN PANHOLZER Foto: Nurith Wagner-Strauss in einer Gesellschaft Umdenkprozesse in Gang gesetzt werden. Immer lauter werden jetzt die Stimmen, die einen Beitrag der Vermögenden zur Bewältigung der Krise einfordern. Bemer- kenswert dabei: Auch MillionärInnen fordern eine stärkere Besteuerung. Eine von ihnen, die 3
KOMPETENZ 3 / 2021 NEUE BETRIEBSRÄTE BRAUCHT DAS LAND Der ÖGB setzt eine Initiative zur Gründung neuer Betriebsrats- körperschaften. Bundesgeschäftsführer Karl Dürtscher ruft aufgrund der anhaltenden Krise dazu auf, den Wunsch nach Mitbestimmung rasch in gesetzlich abgesicherte Strukturen zu bringen. Belegschaftsvertretungen können bei drohenden Umstrukturierungen und Kündigungen mitreden und die Situation für die Beschäftigten im Betrieb verbessern. Foto: AdobeStock 4
COVERSTORY dass in wirtschaftlich guten Zeiten alles bestens läuft. Kommt eine Krise, werden Kürzungen und Umstruktu- rierungen durchgezogen, ohne die Interessen der Be- schäftigten entsprechend zu berücksichtigen.“ Daher mache es Sinn, frühzeitig ein Gremium zu instal- lieren: „BetriebsrätIn wird man nicht über Nacht, es gibt viel zu lernen: über arbeitsrechtliche Spielräume, Aus- legungsfragen und Rechtsinstrumente.“ Belegschaften, die rechtzeitig eine starke Vertretung installieren, profi- tieren in der Krise davon: Sie können bei Veränderungen mitbestimmen. Studien bestätigen: „Unternehmen mit Betriebsrat kommen besser durch die Krise. Wir brau- chen Menschen, die sich für Fairness einsetzen und ihre KollegInnen in schwierigen Zeiten unterstützen.“ MUT ZUR VERÄNDERUNG GPA-Bundesgeschäftsführer Karl Dürtscher wünscht sich bis zu Dürtscher sieht Mitbestimmung auch als persönliche 300 neu gegründete Betriebsratskörperschaften. Bereicherung: „Als BetriebsrätIn kann man viele Erfolgs- S erlebnisse haben, das ist auch für die persönliche Ent- eit April läuft die ÖGB-Kampagne zur Neugrün- wicklung wichtig.“ Die Sozialpartnerschaft sieht er nicht dung von Belegschaftsvertretungen unter dem nur überbetrieblich, sie müsse auch in den Betrieben Motto „Sei du die starke Stimme“. Über Social stattfinden und dort für einen gesunden Interessens- Media Kanäle und ein persönliches Buddy-System, bei ausgleich sorgen: „Gerade jetzt gilt es, sich für einander dem erfahrene BetriebsrätInnen Neulinge motivieren einzusetzen und diejenigen zu unterstützen, die unfair und unterstützen, sollen KollegInnen ermutigt werden, behandelt werden. Die Ängste und Forderungen von einen Betriebsrat zu gründen. Die bisherige Erfolgs- heute sind die Basis für die Handlungen von morgen.“ ● bilanz kann sich sehen lassen: Über die Kampagnen- Homepage „mir-reichts.at“ gab es 1.200 Kontakte zu ANDREA ROGY Betrieben mit mehr als fünf ArbeitnehmerInnen, 5.900 Beschäftigte haben ihre Kontaktdaten hinterlassen, 13.000 Rückmeldungen zu Ungerechtigkeiten im Be- trieb wurden dokumentiert. Insgesamt haben schon 23.000 Menschen auf der Homepage vorbeigeschaut, mit mehr als 20 InteressentInnen laufen konkrete Ge- spräche zur Gründung eines Betriebsrates. DU ÜBERLEGST Bundesgeschäftsführer Karl Dürtscher sieht in der Kam- EINEN BETRIEBS- pagne „das richtige Angebot zur richtigen Zeit: Eine starke Belegschaftsvertretung ist gerade in Krisenzeiten RAT ZU GRÜNDEN? wichtiger denn je. Die BetriebsrätInnen müssen Struktu- Wir unterstützen dich gerne dabei. ren und Fachwissen aufbauen, bevor es zu Kündigun- gen oder Umstrukturierungen kommt.“ Über die aktu- Alle Kontakte zur Gewerkschaft GPA elle Kampagne sollen zumindest 300 neu gegründete in deiner Region findest du unter: Betriebsratskörperschaften erreicht werden: „Unterneh- men mit Betriebsrat sind erfolgreicher. Sie zahlen besse- https://www.gpa.at/kontakt re Löhne und Gehälter. Demokratie darf nicht vor dem Foto: Nurith Wagner-Strauss Betriebstor aufhören.“ Alles zum Thema Betriebsratsgründung findest du unter: NEUGRÜNDUNGEN GERADE JETZT WICHTIG https://mir-reichts.at/ Die Rechte von ArbeitnehmerInnen wollen behauptet werden: „Von allein tut sich hier nichts. Wir sehen häufig, 5
KOMPETENZ 3 / 2021 „AM STÄRKSTEN SIND WIR, WENN WIR ZUSAMMENHALTEN!“ Die Betriebsratsvorsitzende von Emirates Airline, Petra Matous, will die Belegschaft für die Krise wappnen und sich ein Mitspracherecht bei notwendigen Maßnah- men erarbeiten. Ihr Team steht eng zusammen und das macht sie stark. Rück- halt und Kraft schöpft Matous auch bei Freun- den und in der Familie. Petra Matous war eine der InitiatorIn- nen zur Gründung eines Betriebsrats bei Emirates Airline. Sie ist im Unternehmen, Petra Matous hat mitten in der Krise einen Betriebsrat bei Emirates Airlines gegründet und für ihre Liste 100 seit dieses 2004 den Flugbetrieb in Wien Prozent Zustimmung erhalten. aufgenommen hat. Begonnen hat sie im Bereich Reservierungen. Aktuell betreut das Projekt Betriebsrat im Raum. „Wir bracht.“ Unterstützung erfuhr Matous im sie den Gruppenverkauf. 17 Jahre in der haben viele Antworten auf dringende Familien- und Bekanntenkreis. Firma haben Verständnis für die momen- Fragen erhalten – schnell war klar, dass tanen Turbulenzen der Branche erzeugt: die Gründung `jetzt oder nie` passieren Auch die Geschäftsführung war von der „Ich habe miterlebt, wie die Pandemie würde.“ Initiative sehr angetan: „Sie halten die die gesamte Flugbranche auf den Kopf Mitsprache der Belegschaft für wichtig.“ gestellt hat.“ Die Initiative stieß auf großes Interesse Ein gutes und aktives Miteinander ist Über die Gründung eines Betriebsrates in der 30-köpfigen Belegschaft. Die ge- Matous sehr wichtig: „Wir sind nicht auf wurde intern bereits seit längerer Zeit meinsame Liste „Wir“ erzielte 100 Pro- Krawall gebürstet, wir suchen eine ver- gesprochen, doch „niemand hat sich zent Zustimmung: „Ein guter Rückhalt trauensvolle Gesprächsbasis.“ Als wichti- die Mühe gemacht tatsächlich einen für uns.“ Ende Juni konstituierte sich der ge Themen stehen die weitere Durchfüh- zu etablieren.“ Im Frühjahr erschien die überfraktionelle Betriebsrat, bestehend rung der Kurzarbeit sowie die zukünftige betriebliche Mitsprache nach und nach aus drei aktiven BetriebsrätInnen und Arbeitsplatzgestaltung an. ● unabdingbar: „Die Flugbranche ist von drei Ersatzmitgliedern – jeweils einem extremen Veränderungen betroffen. Nie- aus jedem Unternehmenssegment. ANDREA ROGY mand kann heute seriös abschätzen, wo- hin uns das führen wird.“ GEMEINSAM MITBESTIMMEN ZUR PERSON: Petra Matous ist 40 Jahre alt und lebt in BETRIEBSRAT „JETZT ODER NIE“ Den Vorsitz übernahm Matous, eine Wien. In ihrer Freizeit spielen Freunde schlüssige Folge ihres Engagements: und Familie eine wichtige Rolle und ge- Nach einem Informationstermin bei Re- „Wir haben ein gutes Miteinander mit den ben ihr Kraft. Den Ausgleich zum Alltag Foto: Nurith Wagner-Strauss gionalsekretärin Kristina Schwartling, bei KollegInnen. Am stärksten sind wir, wenn findet sie beim Yoga-Burn, Kraftsport, dem Matous und jeweils eine Mitarbei- wir zusammenhalten.“ Auch die Persön- wandern mit Klettersteig und Musik hö- terIn aus den drei Unternehmensberei- lichkeitsentwicklung war eine gewaltige: ren. Ruhe und Energie holt sie sich beim chen „Stadtbüro, Fracht und Flughafen „Der Prozess der Betriebsratsgründung Lesen, in der Natur und in der Medita- Passagier Service“ dabei waren, stand hat mir viel an Selbstbewusstsein ge- tion/Reiki. 6
BETRIEBSRATSGRÜNDUNGEN „ICH SETZE MICH FÜR ANDERE EIN, ANSTATT ZU JAMMERN.“ die Druckerei 251 Beschäftigte. Er führt auch den Vorsitz im Betriebsausschuss: „Auch bei den Angestellten gab es starke Verunsicherung. Wir BetriebsrätInnen haben Ruhe in den Arbeitsalltag gebracht.“ KEINE HALBEN SACHEN Vor dem Sommer kam es zu Kündigungen, Devera hat bei der Ausarbeitung eines Sozialplanes mitgearbeitet. Halbe Sachen macht der 38-Jährige keine: „Jammern und untätig bleiben ist nicht mein Ding.“ Die Anerkennung dafür hat der neue Betriebsrat bei der Wahl einge- fahren: Von 131 Wahlberechtigten gaben 96 ihm und seinem Team die Stimme. Als Betriebsrat spürt Devera mehr Durch- Nachdem es während der Kurzarbeit immer wieder Problme gab, gründete Stefan Devera gemeinsam mit schlagskraft: „Jetzt werde ich wirklich KollegInnen einen Betriebsrat bei druck.at. angehört.“ Als Betriebsrat kann Stefan guten Gesprächsbasis zur Geschäftsfüh- Aktuell steht für Devera der Kampf um Devera die Interessen seiner rung - immer angehört, die Umsetzung gerechtere Löhne an: „Unser Kollektiv- verlief teils schleppend. vertrag hängt seit circa vier Jahren in der KollegInnen weit besser Luft. Die Gehaltserhöhung betrug über vertreten als zuvor ohne Während der Kurzarbeit ist im Betrieb diesen Zeitraum gerechnet magere zwei offizielle Funktion. Die einiges unrund gelaufen: die Beleg- Prozent. Im Gegenzug werde der Beleg- Gründung einer Beleg- schaft kämpfte mit organisatorischen schaft immer mehr abverlangt. Nun wird Problemen, die Abrechnung des Kurz- mit Unterstützung von Regionalsekretär schaftsvertretung in arbeitsentgelts verlief anfangs holprig. Werner Rochlitz ein betriebsinterner Kol- Krisenzeiten bringt Die Forderungen nach einem Betriebsrat lektivvertrag verhandelt. Auch die Ge- Vorteile für die wurden lauter. Für Devera war klar: „Es schäftsführung sei höchst kooperativ: Beschäftigten und für die war Zeit, einen Betriebsrat zu gründen.“ „Sie sehen einen Nutzen, wenn die Be- legschaft zufriedener ist.“ ● Geschäftsführung. RUHE IN DEN ALLTAG BRINGEN Andere zu vertreten war schon immer Nach „still und heimlich“ abgehalte- ANDREA ROGY eine Leidenschaft von Stefan Devera, be- nen Vorgesprächen mit KollegInnen reits in der Schulzeit hat er sich als Klas- suchte Devera das Gespräch mit der ZUR PERSON: sensprecher um seine MitschülerInnen Geschäftsführung: „Die Gründung des Stefan Devera lebt mit seiner Frau und gekümmert. Seit sieben Jahren arbeitet Betriebsrates Anfang April 2021 ist rei- seinen beiden Kindern in Eggendorf im Foto: Nurith Wagner-Strauss der 38-Jährige bei der Online-Drucke- bungslos über die Bühne gegangen.“ Bezirk Wiener Neustadt. Seine Freizeit rei „druck.at“ im niederösterreichischen Installiert wurde eine Vertretung für An- verbringt er am liebsten sportlich mit Leobersdorf. Ab dem dritten Jahr fun- gestellte und eine für ArbeiterInnen. seinen Kindern auf dem Fußballplatz gierte er als Vertrauensperson, seine An- Devera vertritt neben seiner täglichen oder geht mit seiner Familie in Tierparks liegen wurden – auch aufgrund seiner Arbeit 119 ArbeiterInnen, insgesamt hat wandern. 7
KOMPETENZ 3 / 2021 „JEDER SOLL EIN STÜCK VOM KUCHEN ERHALTEN.“ Trotz einer Unternehmens- philosophie, die das gesun- de Wachstum von Mensch und Betrieb gleichermaßen in den Mittelpunkt stellt, ist eine solide ArbeitnehmerIn- nenvertretung für Wilhelm Kloiber die Trumpfkarte zu einem langfristig positi- ven Interessensausgleich. Wilhelm Kloiber vertritt als Betriebsrats- vorsitzender der TGW Systems Integra- tion GmbH die Interessen von rund 700 Beschäftigten. Die TGW Systems Integ- ration GmbH ist die zweitgrößte Unit der TGW Logistics Group, einem internatio- nal führenden Anbieter von Intralogis- tiklösungen in Marchtrenk nahe Wels. Willhelm Kloiber vertritt als neugewählter Betriebsratsvorsitzender bei TGW Systems Integration 700 Beschäftigte. Die Gründung eines Betriebsrates stand schon länger im Raum, in der größten und den Ablauf der betriebsrätlichen Positionen oder Gehaltszuwächsen pro- Unternehmenseinheit der TGW Gruppe, Arbeit sehr schlüssig umrissen.“ fitieren. Jeder soll ein Stück vom Kuchen der TGW Mechanics GmbH in Wels gibt es erhalten.“ diesen seit vielen Jahren: „Der Anstoß ist Die zur Gründung notwendige Betriebs- auch von der Geschäftsführung gekom- versammlung und die Wahl wurden im Langfristig problematisch könnten aus men, man hat sich vor allem administra- April 2021 rasch in die Wege geleitet. Kloibers Sicht die niedrigen Mitglieds- tive Erleichterungen erwartet.“ Seine mehr als zehnjährige Erfahrung zahlen im Betrieb werden. Da es in der als Projektleiter kam Kloiber bei der neu- Vergangenheit keine Probleme mit unge- REIBUNGSLOSE BETRIEBSRATS- en Aufgabe von Beginn an sehr zu Gute. rechtfertigten Kündigungen gab, argu- GRÜNDUNG Aktuell führt der 57-Jährige ein Team von mentiert Kloiber umfassender: „Zu einem neun aktiven BetriebsrätInnen an: „Ich gesunden sozialen Umfeld gehört die Die Gründung war keine komplizierte gehe bei jedem Team bzw. Arbeitsbe- Gewerkschaft dazu, sie ist ein essentieller Sache: „Alle waren uns gegenüber sehr reich in die Tiefe, analysiere die Problem- Baustein für eine positive Entwicklung.“ ● positiv eingestellt, die Betriebsratskolle- lagen und versuche für meine KollegIn- gInnen der TGW Mechanics sind uns von nen lösungsorientierte Arbeit zu leisten.“ ANDREA ROGY Beginn an mit Rat und Tat zur Seite ge- standen.“ Mehr als ein Jahr lang liefen BESCHÄFTIGTE AM ERFOLG die Vorbereitungen, doch niemand wag- TEILHABEN LASSEN ZUR PERSON: te sich in die vorderste Reihe, weshalb Der 57-Jährige Wilhelm Kloiber lebt schließlich Kloiber die Verantwortung Seine Ziele als Betriebsrat knüpft er an mit seiner Frau in Thalheim bei Wels. Foto: Nurith Wagner-Strauss übernahm: „Es war schon immer mein die Stiftungsphilosphie von TGW Firmen- Er hat zwei erwachsene Töchter und Interesse, im Sozialbereich kritisch nach- gründer Ludwig Szinicz „Mensch im Mit- eine Enkeltochter. In seiner Freizeit ist er zufragen.“ Einen entscheidenden Beitrag telpunkt – lernen und wachsen“: „Wachs- sportlich und musikalisch unterwegs: er spielte Gewerkschaftssekretär Gottfried tum im Unternehmen muss so ablaufen, spielt gerne Tennis und entspannt sich Lichtenberger: „Er hat die Hintergründe dass die MitarbeiterInnen in Form von beim Schlagzeugspielen. 8
BILDMELDUNG Die Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, Barbara Teiber, bei der Demonstration für eine Ausweitung des 500-Euro-Bonus auf alle Beschäftigten des Gesundheits- und Sozialbereichs PROTEST FÜR EINE AUSWEITUNG DES CORONA-BONUS Betroffene warten immer noch auf die Auszahlung. Durch unsere Demonstration und den öffentlichen Druck wurde der Corona-Bonus im Gesundheitssystem ausgeweitet. Durch Aktionen und öffentlichem Druck wurde durchgesetzt, dass mehr Beschäftigte im Gesundheitsbereich vom Coro- na-Bonus profitieren. Damit haben wir ein Stück mehr Gerechtigkeit erreicht. Die Nachschärfungen der Bundesregie- rung reichen aber nicht. Dass zum Beispiel die Behindertenarbeit oder die Sanitäterinnen und Sanitäter ausgenommen sind, bleibt völlig unverständlich. Alle Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich haben sich nach der schweren Arbeit in der Krise diesen Bonus verdient! Umso unverständlicher ist es, dass Anfang September die Prämie noch immer nicht ausbezahlt wurde. ● Foto: Daniel Novotny 9
KOMPETENZ 3 / 2021 Marlene Engelhorn wird bald eine der reichsten Frauen in Österreich sein, ohne je dafür gearbeitet zu haben. Sie setzt sich dafür ein, dass ErbInnen wie sie auch Steuern zahlen müssen. MILLIONENERBIN FÜR VERMÖGENSSTEUERN Marlene Engelhorn muss nicht arbeiten, um ihren Alltag zu finanzieren, und den- noch arbeitet sie derzeit viel: sie setzt sich gemeinsam mit anderen Vermögenden dafür ein, dass große Erbschaften und Vermögen besteuert werden. Im Interview mit der KOMPETENZ erklärt sie warum: es gehe um Verteilungsgerechtigkeit. KOMPETENZ: Sie werden in einiger Zeit ein großes Da es derzeit keine Erbschaftssteuern gibt, gehen Vermögen erben und haben angekündigt, einen Sie den Weg der Spende. Wissen Sie schon, an wen großen Teil davon zu spenden. Warum? Sie spenden werden? ENGELHORN: Wenn man sich die Zahlen anschaut Genau das ist der Punkt. Ich sollte das nicht alleine und man sieht, ein Prozent der Bevölkerung in Öster- entscheiden. Deshalb setze ich mich ja schon vor der reich hat 40 Prozent des Vermögens und 50 Prozent Erbschaft für Steuergerechtigkeit ein. Erbschaften in haben nicht einmal drei Prozent des Vermögens, und der Höhe sind keine Privatsache. Probleme, die uns wenn man sich dann auch überlegt in Bezug aufs alle als Gesellschaft etwas angehen sollten, sollten Erben, vier von fünf vermögenden Menschen besitzen Foto: Nurith Wagner-Strauss auch gemeinsam angegangen werden. ihr Vermögen auf Grund einer Erbschaft und 90 Pro- Ich sollte mich nicht über andere erheben und ent- zent der vererbten Immobilien gehen an Menschen, scheiden, was wichtig ist und was nicht. Einzelperso- die bereits Immobilien besitzen, dann sieht man: Die nen sollten das nicht entscheiden, dafür gibt es de- Schieflage ist unglaublich. Und dem entgegenzuwir- mokratische transparente Prozesse. Es geht also nicht ken bedeutet, nicht mitzumachen. darum, an wen ich vielleicht spende, sondern darum, 10
INTERVIEW dass die Machtfrage im Raum steht und es hier Steu- Sie haben „taxmenow“ angesprochen, Sie sind Teil ergerechtigkeit braucht. Solche Erbschaften gehören davon. Wie groß ist diese Initiative und was ist ihr besteuert und die Verwendung der Mittel in demokra- Ziel? tische Prozesse überführt, damit auch alle, die das an- Die Petition hat über 35.000 Unterschriften, aktiv in geht, mitentscheiden dürfen. der Gruppe mitarbeitend – das fluktuiert etwas – sind zwischen zehn und 20 Personen. Es gibt 40 Erstunter- Sie setzen sich also für Vermögenssteuern ein. War- zeichnende, die sich offen dazu bekennen, dass sie um ist es Ihnen lieber, dass der Staat hier für Umver- zumindest über ein Nettovermögen von einer Million teilung sorgt, als dass Sie individuell Organisationen verfügen. Ziel ist es, zum politischen Diskurs für Ver- oder Einzelpersonen mit einer Spende bedenken? mögenssteuern beizutragen. Wer ist der Staat? Die Polizei, die Kindergärtnerin, der Rechtsstaat, der Lehrer in der Schule, das ist alles der Es gibt auch das Netzwerk „Millionaires for Human- Staat. Es geht um Menschen und es geht um demo- ity“, das für Besteuerung von eben Überreichen kratische Mitbestimmung, wie wir unsere Gesellschaft plädiert. Sind Sie auch Teil dieses Netzwerks? organisieren und Probleme gemeinsam angehen. Ja, da arbeite ich zwar nicht konkret mit, beteilige Und da kann es nicht sein, dass einige wenige auf mich aber daran, weil ich finde, dass das der absolute Grund einer unglaublichen Verteilungsungerechtig- Minimalkonsens ist. Mir geht das nicht einmal ansatz- keit für alle entscheiden dürfen. Beim Staat können weise weit genug, aber immerhin. wir mitbestimmen. Das ist das Wesen demokratischer Wahlen, dass wir alle eine Stimme haben – aber eben Was fordert dieses Netzwerk? nur eine. Ab einem Nettovermögen von zwei Millionen Euro wird eine Vermögenssteuer von einem Prozent gefor- Der Staat ist vielleicht nicht perfekt. Aber da stellen wir dert. Das ist wirklich ein Minimalkonsens, aber je mehr als Volk gemeinsam den Souverän, demokratisch, und Stimmen sich stark machen, je lauter und je vielfälti- wir haben Gewaltenteilung. Das fehlt in der Privatwirt- ger wir sind und auch zeigen, es gibt vielleicht nicht schaft. Ich kann da ja nicht hingehen und sagen, ich die eine Lösung, aber verschiedene Ansätze, auch bei möchte, dass dieser verantwortungslose Chef von uns Vermögenden, umso besser. ● dem Konzern da nicht mehr so einflussreich ist. Da ist die Macht intransparent in Einzelhand. Ich kann den ALEXIA WEISS ja nicht abwählen. Es gibt also eine Schieflage, was Macht anbelangt, und da bin ich für demokratische ZUR PERSON: Gestaltung, denn es geht um eine gerechtere Vertei- Marlene Engelhorn, geb. 1992 und aufgewachsen in lung der Ressourcen. Wien, derzeit Germanistikstudium an der Universität Wien. Immer wieder kurze Berufstätigkeit, darunter Haben Sie konkrete Vorstellungen, wer ab welcher Nachhilfe und Korrektorat, derzeit Volontariat bei Höhe des Vermögens in welcher Höhe besteuert der Guerrilla Foundation. Engelhorn wurde in eine werden sollte? vermögende Familie hineingeboren und muss der- Es gibt da verschiedenste Modelle für Steuergerech- zeit nicht arbeiten, um ihren Alltag zu finanzieren. Sie tigkeit, darunter auch das Modell von Thomas Piketty. wird eines Tages einen zweistelligen Millionenbetrag Aber auch da gilt: man sollte sie gemeinsam disku- von ihrer Großmutter erben. tieren und es ist auch ein Anspruch von „taxmenow“, dass wir nicht vorgeben, wie es zu machen ist. Wir fra- gen, wie kann es sein, dass wir noch keine Verteilungs- gerechtigkeit haben. Es ist notwendig zu überlegen, #taxmenow warum wir Arbeit so selbstverständlich besteuern, Ver- Gemeinsam mit 40 anderen MillionärInnen mögen aber nicht. Es gibt Erbschaften wie meine im hat Marlene Engelhorn eine Petition für zweistelligen Millionenbereich und es wird nicht ein Millionärssteuern gestartet. Cent Steuer erhoben? Dafür habe ich nicht gearbei- tet, das ist das Glück der Geburt. Das ist absurd, das Link zur Petion: macht keinen Sinn. Es gibt unterschiedliche, interes- https://bit.ly/ sante Modelle, lasst sie uns gemeinsam diskutieren. Es taxmenowKompetenz ist nicht meine Aufgabe, hier etwas vorzugeben. Das wäre ja der Wahnsinn, Vermögende, die auch noch Vermögenssteuern selber basteln. 11
KOMPETENZ 3 / 2021 ÖSTERREICHISCHE REGIERUNG BREMST BEI SOZIALEM FORTSCHRITT 88 Prozent der EU-Bürg- erInnen wünschen sich eine sozialere EU. Selbst der EU-Kommission ist das Tem- po bei Themen wie beim Mindestlohn zu langsam. Arbeitgeber und Regierun- gen bremsen trotzdem. A n Versuchen, soziale Rechte in der EU zu verankern, fehlt es nicht – an deren Umsetzung hingegen schon. Seit Jahren machen GewerkschafterInnen und Gewerkschaf- ter Druck, soziale Standards europaweit durchzusetzen. Dabei geht es ja auch um die Frage, wie man auf zunehmende soziale Ungleichheit reagieren solle. Eu- rostat-Daten bestätigen, dass die soziale Kluft größer wird und die Armutsgefähr- dung steigt. TAUZIEHEN UM EUROPAWEITEN MINDESTLOHN Während milliardenschwere Konjunk- gelung über „angemessene Mindestlöh- verträge kollektivvertraglich geregelt. turpakete von Regierungen zur Über- ne“, die Sozialkommissar Nicolas Schmit „In der EU sind die Kollektivverträge das windung der COVID-Krise die Wirtschaft vergangenen Herbst vorgelegt hatte, bevorzugte Instrument. Wenn diese aber ankurbeln sollen, spielt die soziale Di- würde für 24 Millionen ArbeitnehmerIn- keine ausreichende Abdeckung erzielen, mension der EU, wie etwa die Einführung nen und Arbeitnehmer in der gesamten dann muss mit gesetzlichen Mindestlöh- des Mindestlohnes, kaum eine Rolle. EU, vornehmlich aber in Osteuropa, hö- nen gearbeitet werden, um grundlegen- Auch der Sozialgipfel im Mai dieses Jah- here Löhne bringen und Lohndumping de Bedürfnisse abzudecken. Sozialpart- res in Porto hat beim Mindestlohn keine bremsen. ner reden dabei natürlich mit“, betont Einigung gebracht. „Es gibt darüber Reisecker. starke Betroffenheit, weil wir nicht abge- Laut Eurostat gibt es in 21 der 27 EU- kapselt sind vom Rest Europas, sondern Staaten zwar einen gesetzlich festgeleg- ARBEITSMINISTER BLOCKIERT offene Grenzen haben: Arbeit ist mobil, ten Mindestlohn, die Spannbreite dabei genauso wie Kapital. Österreichs Nähe ist aber groß. Am unteren Ende liegen Doch für die von der türkisen ÖVP ange- zu osteuropäischen Staaten wirft große Bulgarien und Lettland mit 312 bzw. 430 führte Regierung ist ein fairer Mindest- Probleme mit Lohn- und Sozialdumping Euro pro Monat. Am oberen Ende be- lohn kein Wunsch. Beim EU-Sozialgipfel auf“, erklärt Sophia Reisecker, die Leiterin findet sich Luxemburg mit einem mo- zeigte sich Arbeitsminister Martin Kocher Foto: iStock der Abteilung Europa, Konzerne & inter- natlichen Mindestlohn von 2300 Euro. In sehr skeptisch gegenüber einer Min- nationale Beziehungen der GPA. Eine Re- Österreich ist der Großteil der Arbeits- destlohn-Richtlinie. Insgesamt warnten 12
EUROPÄISCHE UNION elf Länder vor zu weitgehenden EU-Ein- „Bei ihnen stellen wir oftmals eine ideo- ArbeitnehmerInnen und Arbeitnehmer griffen in die Arbeitsmarkt- und Sozial- logisch motivierte Widerstandshaltung des EWSA und der EGB sind in der Kon- politik sowie vor verbindlichen Regelun- fest. Selbst in der EU-Kommission stößt ferenz vertreten und fordern Vertrags- gen, nicht alle mit derselben Intention. diese Haltung bereits auf zunehmendes änderungen. „Wir brauchen dringend Verfasst wurde die Kritik von Österreich, Unverständnis“, weiß der Präsident der ein soziales Fortschrittsprotokoll, das den Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, ArbeitnehmerInnengruppe des Europäi- Vorrang wirtschaftlicher Freiheiten vor Irland, Lettland, Litauen, Malta, den Nie- schen Wirtschafts- und Sozialausschus- sozialen Grundrechten im EU-Binnen- derlanden und Schweden. Dänemark, ses (EWSA), Oliver Röpke. markt endlich beendet. Dafür müsste Finnland, Schweden und die Niederlan- die EU aber ihr Konzept eines Sozialen de fürchten hingegen, ihre weitgehen- »Gerade die Herausfor- Europas dringend überdenken. Die EU den Rechte punkto Sozialpolitik könnten derungen des Green Deal braucht mehr Kompetenzen für Arbeit, eingeschränkt werden. Soziales und Gesundheit, wie es die Pan- und der Digitalisierung demie gerade deutlich zeigt“, skizziert MINDESTLOHN FÜR GLEICHSTELLUNG rufen nach stärkerer Ein- Röpke die nächsten Schritte. bindung von Gewerkschaf- Der Skepsis Kochers, verbindliche Regeln ten und Betriebsräten, und Es geht aber auch um europäische Min- festzuschreiben, widerspricht die GPA- deststandards bei der Mitbestimmung. zwar in der ganzen EU.« Expertin: „Die Regierung muss vernetzter „Gerade die Herausforderungen des denken, wenn es um europäische Fragen Oliver Röpke Green Deal und der Digitalisierung rufen geht. Es funktioniert nicht, populistische nach stärkerer Einbindung von Gewerk- Innenpolitik auf dem Rücken von EU-Po- Doch noch kämpfen die beiden Bericht- schaften und Betriebsräten, und zwar in litik zu machen.“ Sophia Reisecker unter- erstatterInnen im EU-Parlament, die nie- der ganzen EU“, verlangt der EWSA-Chef streicht, „wie wichtig es ist, die Schraube derländische Sozialdemokratin Agnes und setzt darauf, dass „die Kompetenzen bei Mindestlöhnen und Kollektivvertrags- Jongerius und CDU-Abgeordneter Den- der EU in der Sozialpolitik erweitert wer- systemen anzuziehen. Das beugt Armut nis Radtke, für eine rasche Einigung auf den. Die EU muss aktiv daran arbeiten, und der ungleichen Bezahlung von Frau- die Mindestlohn-Richtlinie. Mit schwieri- mit verbindlichen und ambitionierten so- en und Männern vor.“ gen Verhandlungen bis in die französi- zialen Mindeststandards die Lebens- und sche Ratspräsidentschaft im ersten Halb- Arbeitsbedingungen der Menschen in » Die Regierung muss ver- jahr 2022 ist zu rechnen. Europa anzunähern.“ ● netzter denken, wenn es Die Anliegen der GewerkschafterInnen MARGARETHA KOPEINIG um europäische Fragen sind keinesfalls abgehoben, sie werden geht. Es funktioniert nicht, von der großen Mehrheit der EU-Bürg- populistische Innenpoli- erInnen unterstützt: 88 Prozent haben in EUROBAROMETER- tik auf dem Rücken von einer im Juni präsentierten Eurobaro- UMFRAGE meter-Umfrage gesagt, dass ihnen ein EU-Politik zu machen.« soziales Europa wichtig ist. EU-BürgerInnen Sophia Reisecker unterstützen die Was liegt also näher, als diese Grundhal- Forderung der Die EU-Kommission will mit ihrer Richtli- tung der Bevölkerung auch in den Fokus Gewerkschaften nach nie erreichen, dass GeringverdienerInne- der derzeit laufenden Debatte über die einem sozialeren nüberall in Europa mindestens 50 Prozent Zukunft Europas zu stellen. So könnte Europa. des Durchschnittslohns oder 60 Prozent man verlangen, die Mittel des EU-Wie- des Medianlohns im eigenen Land be- deraufbaufonds von 750 Milliarden Euro kommen. Einen einheitlich festgelegten für Investitionen in Arbeitskräfte, in Aus- Mindestlohn soll es nicht geben. Derzeit bildung und in den Abbau von Ungleich- fehlt allerdings der gemeinsame politi- heit auszugeben. sche Kraftakt, die Mindestlohn-Richtlinie durchzusetzen und soziale Rechte über- MINDESTSTANDARDS BEI DER 88% SAGEN, EIN SOZIALES EUROPA IST WICHTIG. all in der der EU zu stärken. MITBESTIMMUNG Die Bremser beim Mindestlohn und Oliver Röpke erwartet sich konkrete Lö- bei anderen Initiativen für ein Soziales sungen von der derzeit tagenden Konfe- Europa sind die Arbeitgeberverbände. renz zur Zukunft Europas. Die Gruppe der 13
KOMPETENZ 3 / 2021 URLAUB IN „Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die Corona-Pandemie sich stark auf das Urlaubsverhalten der unselbständig CORONAZEITEN Beschäftigten ausgewirkt hat. Die Men- schen brauchen dringend Normalität auch beim Urlaub und bei der Erholung. Insbesondere Eltern wissen, wie anstren- gend und fordernd die Betreuung schul- pflichtiger Kinder im Homeschooling war. Hinzu kommt, dass die Ausnahme- situation viele von uns unter enormen psychischen Stress gesetzt hat“ sagt die Vorsitzende der Gewerkschaft GPA Bar- bara Teiber. „Arbeitgeber und die Poli- tik müssen alles tun und Rahmenbedin- gungen schaffen, dass die Bevölkerung den Urlaub wieder für Erholung und Reisen nutzen kann. Dazu gehört auch, dass das Recht auf Nicht-Erreichbarkeit während des Urlaubs auch tatsächlich gelebt wird“, forderte Teiber im Rahmen einer Pressekonferenz. „Aus zahlreichen Beratungsgesprächen und Rückmeldun- gen unserer Betriebsräte und Betriebsrä- GPA-Vorsitzende Barbara Teiber und IFES-Geschäftsführerin Eva Zeglovits präsentieren die Befragungsergeb- tinnen wissen wir, dass der Arbeitsdruck nisse zur Urlaubsnutzung. im vergangenen Jahr stark gestiegen ist. Die Beschäftigten brauchen die sechste Urlaubswoche daher dringender denn Nach schier endlosen die Hälfte der Befragten spart sich auch je.“ ● anstrengenden Pande- in Hinkunft Urlaub für Kinderbetreuung LUCIA BAUER oder Pflege auf. miemonaten war der Sommerurlaub heuer für viele ÖsterreicherInnen Personen mit niedrigem Einkommen so- wie ArbeitnehmerInnen, deren Einkom- 6. URLAUBS- besonders wichtig. Wir menssituation sich seit Beginn der Co- rona-Krise verschlechtert hat, geben am WOCHE haben 800 unselbständig häufigsten an, dass sie seit der Corona- Beschäftigte in ganz Ös- Krise ihren Urlaub nicht selbstbestimmt terreich dazu befragt, wie planen konnten. Mehr als die Hälfte der 86% befürworten die Pandemie ihr Urlaubs- Befragten gab an, mindestens zwei Wo- 6. Urlaubswoche chen Urlaub am Stück zu benötigen, um verhalten verändert hat. für alle. erholt zu sein. Nur 12 Prozent können je- Die Ergebnisse der Befragung durch das doch einen Urlaub von drei Wochen oder IFES-Institut zeigen, dass die Corona- länger nehmen. Die Forderung nach ei- Pandemie sich stark auf das Urlaubsver- ner sechsten Urlaubswoche wird von 86 halten der unselbständig Beschäftigten Prozent der Befragten unterstützt. Ketzer; Quelle: Ifes-Befragung ausgewirkt hat. Bei der Frage nach der Nutzung des Urlaubs in der Corona-Kri- ERREICHBARKEIT IM URLAUB se gaben 40 Prozent an, diesen nicht für Reisen und Erholung genutzt zu haben. Besonders überraschend war, dass zwei 86% Fast die Hälfte aller Personen mit Kin- Drittel der Beschäftigten im Urlaub für Foto: Edgar Ketzer dern unter 15 Jahren im Haushalt nutz- ihren Arbeitgeber erreichbar sind, ein te seit Beginn der Corona-Krise ihren Drittel gab sogar an, jederzeit für den Urlaub (auch) für Kinderbetreuung. Fast Chef oder die Chefin verfügbar zu sein. 14
Foto: Edgar Ketzer; Quelle: Ifes-Befragung FOTOGRAMM/URLAUBSNUTZUNG
KOMPETENZ 3 / 2021 MEILEN- WEIT VON 50:50 ENTFERNT Die Pandemie hat gezeigt, dass wir bei der Gleich- stellung der Geschlechter einer Illusion aufgesessen sind: Frauen sind zwar zu- nehmend erwerbstätig, erledigen aber trotz- dem mehr Hausarbeit und Kinderbetreuung. Während des ersten besonders strengen Lockdowns der Corona-Krise im Früh- jahr 2020 fiel plötzlich in den Haushalten extrem viel Arbeit an, die normalerweise ausgelagert werden konnte: Kindergär- ten und Schulen waren geschlossen, die Homeoffice nun sehen, wie viel Zeit ihre Partner. Und während Alleinerzieherin- Großeltern konnten nicht einspringen. Frauen für Haushalt und Kinder aufwen- nen mit knapp 15 Stunden Arbeit - davon den und wären dann – so die optimisti- 9 Stunden unbezahlte Hausarbeit und Diese Situation bot die Möglichkeit, den sche Annahme - eher bereit, mehr von Kinderbetreuung - pro Tag am meisten Effekt von Homeoffice auf die Verteilung dieser unbezahlten Arbeit zu überneh- arbeiteten, leisteten auch Mütter in Paar- unbezahlter Arbeit in Haushalten zu un- men. Zum anderen aber wissen wir aus haushalten nur knapp weniger, nämlich tersuchen. Die Ökonomin Katharina Ma- der Vergangenheit, dass Krisen tradi- 14 ¼ Stunden, davon 9 ½ unbezahlt. Vä- der von der WU Wien hat - zusammen mit tionelle Rollenbilder verstärken, wo der ter in Paarhaushalten hingegen arbeite- ihrem Team und in Kooperation mit der Mann der Familienernährer ist und die ten 13 ¾ Stunden, davon 7 unbezahlt. AK Wien - diese einmalige Gelegenheit Frau sich um Haushalt und Kinder küm- ergriffen um nachzuforschen, wie sich mert. Die Krise würde daher, so die pes- Insgesamt zeigen die Zahlen, dass Ho- solche besonderen Umstände auf die Ar- simistische Annahme, einen Rückschritt, meoffice und „zu Hause sein“ die Rollen- beitsteilung in Haushalten auswirken und ein sog. Roll-back, mit sich bringen. bilder bzw. das Rollenverhalten verstärkt. was genau sich verändert. Homeoffice Frauen übernahmen mehr Kinderbetreu- wird gerne als eine Möglichkeit gesehen, ARBEITSTEILUNG IM LOCKDOWN ung und Homeschooling. die Frauen die Vereinbarkeit von Kinder- betreuung und Beruf erleichtern kann. Wie wirkten sich nun Homeoffice auf Je jünger die Kinder sind, desto mehr Ob und in welchem Ausmaß das der Fall die Arbeitsteilung von Paaren – mit unbezahlte Tätigkeiten werden von den ist, konnte davor in Österreich noch nicht oder ohne Kindern – unter den stark Müttern übernommen. Im Lockdown wa- systematisch untersucht werden. verschärften Bedingungen des ersten ren aber gerade die Schulkinder, und Lockdowns aus? Für Paare ohne Kinder ganz besonders die Volksschulkinder, Es gab, so Katharina Mader, zu Beginn änderte sich vergleichsweise wenig. Müt- durch das Homeschooling eine große Foto: Pexels des Projekts zwei grundlegende Hypo- ter mit Kindern unter 15 arbeiteten hin- Arbeitsbelastung für ihre Mütter: Insge- thesen: Zum einen würden Männer im gegen deutlich mehr als ihre männlichen samt arbeiteten diese Mütter 14 ½ Stun- 16
GLEICHSTELLUNG den täglich und übernahmen 2 ½ Stun- keinen Freizeitgewinn. Mütter, die im „Wenn eine Gesellschaft nach mehr den mehr Kinderbetreuung als die Väter, Homeoffice arbeiten, kümmern sich bis Geschlechtergerechtigkeit strebt, dann während die Väter im Schnitt 2 Stunden zu drei Stunden täglich länger um ihre muss es auch ganz wesentlich um die un- pro Tag länger erwerbstätig waren. Kinder als Mütter, die auswärts arbei- bezahlte Arbeit im Privaten gehen.“ War- ten; zugleich verrichten diese Frauen ten wir daher nicht bis zur nächsten Krise, Doch auch in Haushalten, in denen die auch rund eine Stunde mehr Erwerbs- um wieder über Geschlechtergerechtig- Kinder über 14 waren und daher weniger arbeit täglich. Und schließlich küm- keit zu sprechen. ● Betreuung benötigten, leisteten Frauen merten sich Väter im Homeoffice - im immer noch 1,5 Stunden mehr an un- Vergleich zu Vätern am externen Arbeits- BARBARA LAVAUD bezahlter Arbeit als Männer und waren platz - nicht mehr Zeit um ihre Kinder, auch eine halbe Stunde kürzer erwerbs- sie leisteten aber meist Überstunden. tätig. Dass die Erwerbsarbeit der Väter Homeoffice veränderte also schon vor oft höher gewichtet wurde, zeigt sich Corona nicht die Arbeitsteilung oder die auch darin, dass sie seltener mit den Kin- Geschlechterrollen. dern im selben Raum arbeiteten. DER WERT DER MÄNNERARBEIT IST MEHR WERT ARBEITSTEILUNG NEU VERHANDELN UNBEZAHLTEN Mader und ihr Forschungsteam kommen ARBEIT Daraus leitet Mader ab: „Sowohl die Ar- zu dem Schluss, dass Homeoffice, auch beit der Väter, als auch die Freizeit der bei normalen Rahmenbedingungen wie Arbeitszeiterhebungen von vor Väter, wurde im Lockdown über jene der geöffneten Schulen und Kindergärten, der Krise haben gezeigt, dass Mütter gestellt.“ Die Mütter mussten zu- nur bedingt ein Instrument sein kann, um die Frauen zwei Drittel der un- gunsten von Kindern und Haushalt ent- die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Fa- bezahlten Arbeit übernehmen, weder in ihrer Erwerbsarbeit zurückste- milie zu fördern. „Die Diskussion um einen zwei Drittel der bezahlten Arbeit cken, oder eben auf Kosten ihrer Freizeit Ausbau von Homeoffice sollte vielmehr in die Männer. Das sind, für die mehr Stunden insgesamt arbeiten. erster Linie von der Argumentation, dass gesamte Volkswirtschaft gerech- sie Vereinbarkeitsfragen lösen würde, net, rund 9 Milliarden Stunden » Wenn eine Gesellschaft entkoppelt werden“, so Mader. Folglich bezahlte Arbeit und ebenso viele (!) Stunden unbezahlte Arbeit. nach mehr Geschlechter- ist der Ausbau von flächendeckender und leistbarer Kinderbetreuung nach wie Wenn man nun diese Stunden gerechtigkeit strebt, dann vor enorm wichtig und darf nicht mittels mit Löhnen aus den jeweiligen muss es auch ganz wesent- Homeoffice unterlaufen werden. Mader Dienstleistungsgewerben be- lich um die unbezahlte sieht in der aktuellen Krise kein Potential wertet – also KinderbetreuerIn, Koch/Köchin, Haushaltshilfe oder Arbeit im Privaten gehen.« zur besseren Arbeitsteilung in Haushal- ten. Reinigungshilfe – und zur Berech- Katharina Mader nung die jeweils durchschnitt- Insgesamt erledigen zwar heute Män- lichen Stundenlöhne von 11 bis 12 Knackpunkt für den Verlauf dieser un- ner bzw. Väter mehr Stunden an unbe- Euro heranzieht, so ergibt das 100 bis 105 Milliarden Euro erwirt- gleichen Arbeitsteilung ist übrigens fast zahlter Haus- und Sorgearbeit. Trotzdem schaftete Arbeit: das sind 27 bis immer das erste Kind: selbst wenn Paare sind wir von einer 50:50 Situation, wie 35 Prozent des BIP! sich auf eine gerechte Arbeitsteilung im sie in etwa in den 90er-Jahren gefordert Haushalt geeinigt hatten, so übernimmt wurde, noch meilenweit entfernt. Denn mit dem ersten Kind die Frau einen Groß- obwohl die Frauen im Laufe der letzten WERT DER UNBEZAHLTEN ARBEIT = 100 MILLIARDEN EURO teil der damit verbundenen unbezahlten Jahrzehnte immer mehr Stunden an Er- Arbeit. Dieses Ungleichgewicht verrin- werbsarbeit leisteten, hat die unbezahlte gert sich zwar, je größer das Kind wird, Arbeit zu Hause nicht im entsprechenden = 1/3 DER GESAMTEN verschwindet aber nie zur Gänze. Ausmaß abgenommen. Sprich: in Sum- WIRTSCHAFTSLEISTUNG ÖSTERREICHS me leisten Frauen deutlich mehr Arbeits- KEIN FREIZEITGEWINN stunden, bezahlt und unbezahlt, als ihre IM HOMEOFFICE Partner. Das hat die Lockdown-Situation offengelegt. Studien zu Homeoffice aus Deutsch- land aus der Zeit vor Corona konnten Die Arbeitsteilung zwischen Paaren muss Quelle: Berechnung der WU Wien bereits zeigen: Homeoffice bringt Eltern neu verhandelt werden, fordert Mader: 17
KOMPETENZ 3 / 2021 Was passiert eigentlich mit unseren Sozialversicherungsbeiträgen? 1 Euro Sozialversicherung teilt sich auf in... AK-UMLAGE WOHNBAUFÖRDERUNG 1 CENT 3 CENT INSOLVENZENTGELTSICHERUNG UNFALLVERSICHERUNG 1 CENT 4 CENT KRANKENVERSICHERUNG 19 CENT ARBEITSLOSENVERSICHERUNG 15 CENT PENSIONSVERSICHERUNG 57 CENT Quelle: ÖGK ABGABEN. Wir haben für dich zusammengestellt, wie sich ein Euro Sozialversicherung eigentlich aufteilt. Mit deinen monatlichen Sozialversicherungsbeiträgen stellst du sicher, dass du abge- sichert bist, wenn du: krank oderarbeitslos wirst, einen Unfall hast oder dein Arbeitgeber pleite macht oder du einfach in Pension gehst. Außerdem wird davon deine Mitgliedschaft in der Arbeiterkammer finanziert. Ein geringer Anteil geht auch in den sozialen Wohnbau. H om eoffice? Lost in inbarun g über den ce-Vere uervorte il. d e r H ome-Offi zum Ste A D . V o n b is h in ser DOWNL O splatz u in die ta lte te n Arbeit ce findest d e s eo ffi richtig g ma Hom ti g s te zum The a ft GPA. h h Das Wic e r G e werksc re dein Broschü : ce wnload omeoffi Zum Do b ro s chüre_h bit.l y / https:// 18
KURZMELDUNGEN Kollektivvertrag für Zeitungsdrucker druckereien, welche Zeitungen im Rollendrucke produzieren. Er sieht neben einer Anpassung der Löhne und Gehälter auch innovative Elemente wie die leichtere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche und ein betriebliches Bildungsmanagement vor. „Für uns ist es ein wichtiger Schritt und ein Signal, dass auch in den Bereichen Rollen- und Bogen- druck rasch eine neuer Kollektivvertraq zustande kommt. Das neue Regelwerk schafft Rechtssicher- Michael Ritzinger heit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Eini- Vorsitzender des GPA Wirtschaftsbereichs Druck gung gibt den Kolleginnen und Kollegen Zukunfts- sicherheit und Perspektiven“, so der Vorsitzende KOLLEKTIVVERTRAG. Für die 1.600 Beschäftigten des Wirtschaftsbereichs Druck in der Gewerkschaft in Zeitungsdruckereien gilt ab sofort ein neuer GPA, Michael Ritzinger Kollektivvertrag. Damit ist der vertraglose Zustand für diesen Bereich, der seit dem Jahr 2017 besteht, Die Beschäftigten im grafischen Gewerbe haben beendet. seit Mai 2017 keinen neuen Kollektivvertrag, weil das Bundeseinigungsamt dem Antrag des Ver- Die GPA hat sich darauf mit dem Verband Öster- bands Druck & Medientechnik, nicht länger Kol- reichischer Zeitungen (VÖZ) geeinigt. Der Kollek- lektivvertragspartner sein zu wollen, stattgegeben tivvertrag gilt für DienstnehmerInnen in Zeitungs- hatte. Vielen Frauen droht T ER- E N U N LOS Altersarmut ARBEITS DE R T ZU N G PENSION GAP. Frauen verdienen nicht nur weniger als STÜ K S C H A FT GPA GEWER Männer, sie erhalten auch weniger Pension: 42 Prozent g beträgt der Pension Gap zwischen Frauen- und Män- rstützun senunte Arbeitslo nerpensionen. Hauptursache dafür sind die Lohnunter- a b e n d ie GPA- Wir h er schiede während des Erwerbslebens und die unge- rlage ein verbess ert. m s t d u bei Vo h rechte Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit d bekom Euro mo natlic -Mitglie u 200,- andererseits. Kein Wunder, dass Frauen viel häufiger Als GPA g b is z s engeld! S - B e s tätigun h e n A rbeitslo von Altersarmut betroffen sind als Männer. AM esetzli c tzung? s ä tz li c h zum g s lo s e n unterstü zu beit GPA-Ar s h ist die e deine Wie hoc ic h d a s 6-fach d e r letzten rh ä lt s t monatl e d s b e itrages Du e li en Mitg MÄNNERPENSION durchsc hnittlich h? 12 Mon ate. Anspruc n g e h abe ich die nd wie la ältst du Wann u d s c haft erh Jahren Mitg li e te lan .g Nach 2 n g 3 Mona te. FRAUENPENSION -42% rstü tz u 6 Mona senunte haft für Arbeitslo Mitg li e d s c Jahren Nach 3 Foto: Pexels 19
KOMPETENZ 3 / 2021 FAKTENCHECK: IMPFEN UND ARBEITSRECHT ArbeitgeberInnen können und sollen Aufklärungsarbeit leisten, aber keinen Druck ausüben. Dieser Faktencheck soll helfen, die Komplexität des Themas besser zu verstehen. ? GIBT ES EINE IMPFPFLICHT FÜR ? WAS BEDEUTET „FÜRSORGE- wurde. Besteht beispielsweise eine Ver- BESTIMMTE BERUFSGRUPPEN? PFLICHT?“ pflichtung für Beschäftigte, sich alle sieben Tage testen zu lassen, darf der Arbeitgeber nicht mehrere Tests pro Wo- Derzeit nicht. Aus rechtlicher Sicht Die Fürsorgepflicht des/der Arbeit- che verlangen. gibt es daher keine Berufsgruppe, die geberIn dient dazu, die Beschäftigten ihre Tätigkeit nur geimpft ausüben darf. vor gesundheitlichen Schäden zu schüt- zen. Viele ArbeitgeberInnen verlangen ? MÜSSEN BESCHÄFTIGTE Der Gesetzgeber hätte allerdings unter von ihren MitarbeiterInnen Auskunft, IHREM ARBEITGEBER SAGEN, OB bestimmten Voraussetzungen die Mög- ob sie geimpft sind und berufen sich SIE GEIMPFT SIND? lichkeit, für bestimmte Berufsgruppen dabei auf die Fürsorgepflicht. Die Für- eine Impfpflicht zu verfügen, nämlich sorgepflicht verlangt von Arbeitgeber- dann, wenn dies zum Schutz der Gesund- nInnen aber auch, die Grund- und Per- Der Impfstatus ist ein Gesundheits- heit oder zum Schutz der Rechte und sönlichkeitsrechte der Beschäftigten zu datum, das besonders geschützt ist. (Da- Freiheiten anderer notwendig wäre. wahren. tenschutz!). Grundsätzlich gilt, dass Ar- beitnehmerInnen den ArbeitgeberInnen Im Arbeitsverhältnis wird die Fürsorge- keine Auskunft über Gesundheitsdaten ? KANN DER ARBEITGEBER EINE pflicht im Zusammenhang mit COVID-19 erteilen müssen. IMPFUNG ANORDNEN? durch Gesetze und Verordnungen de- finiert. Der/die ArbeitgeberInnen muss Bei bestimmten Berufsgruppen muss Auflagen erfüllen und hat ein Weisungs- man allerdings abwägen. Bestünde eine Nein. Das bedeutet allerdings nicht, recht. Gesetze und Verordnungen be- gesetzliche Verpflichtung, sich impfen dass es für Ungeimpfte unter gewissen grenzen die Fürsorgepflicht allerdings zu lassen, bestünde selbstverständlich Umständen nicht zu arbeitsrechtlichen auch. ArbeitgeberInnen dürfen nicht auch eine diesbezügliche Auskunfts- Foto: iStock Konsequenzen kommen könnte. mehr verlangen, als vorgeschrieben pflicht. 20
FAKTENCHECK Unterliegen bereits geimpfte Beschäftig- nicht rechtswidrig handeln. Sie dürfen nen (Impf-Slots). Wenn und soweit der te einer Testpflicht, müssen sie, wenn sie ihre Tätigkeit auch ungeimpft verrichten. zugeteilte Impftermin in die Arbeitszeit nicht regelmäßig testen gehen wollen, fällt, ist der/die ArbeitnehmerIn für die den Impfstatus nachweisen (3-G). Der/ Es wird aber zu prüfen sein, welche Tä- Wegzeit und die Zeit der Impfung dienst- die ArbeitgeberIn darf allerdings weder tigkeit der/die Betroffene verrichtet und verhindert. Das Entgelt muss daher auch Kopien des Nachweises anfertigen noch mit welchen Personengruppen er/sie in für diese Zeit bezahlt werden. Kann der die Information speichern und verarbei- Kontakt kommt. Auch hier gilt, dass der/ Impftermin allerdings frei gewählt wer- ten. die Arbeitgeberin sämtliche gelinderen den, liegen diese Voraussetzungen nicht Schutzmaßnahmen ausgeschöpft haben vor. Es ist also stets im Einzelfall zu prüfen. Auch wenn eine konkrete Gefahr für die muss. körperliche Unversehrtheit anderer (vul- nerabler) Personen besteht, wird eine Inte- Grundsätzlich können Kündigungen ohne ? KANN IM ARBEITSVERTRAG ressenabwägung hinsichtlich Auskunfts- Begründung ausgesprochen werden. VEREINBART WERDEN, DASS pflicht wohl zu Lasten der Beschäftigen Im Regelfall besteht allerdings die Mög- BESCHÄFTIGTE SICH IMPFEN ausfallen. Gesundheits-/Pflegepersonal lichkeit, eine Kündigung vor Gericht an- LASSEN BZW. AUF ANORDNUNG wird im Regelfall auskunftspflichtig sein. zufechten. In diesem Fall muss der Arbeit- DER ARBEITGEBERINNEN AUFFRI- geber die Kündigungsgründe angeben. SCHUNGSIMPFUNGEN VORNEHMEN? Das gilt sinngemäß auch für Bewerbe- Aufgabe des Gerichtes ist es dann, eine rInnen. Abwägung der Interessen vorzunehmen. Geht man davon aus, dass Vertrags- parteien – erwachsene und mündige ? DARF DER/DIE ARBEITGEBERIN ? DARF DER/DIE ARBEITGEBERIN Menschen – solche Regelungen treffen NICHT GEIMPFTE PERSONEN VER- NICHT GEIMPFTE PERSONEN ENT- können, lautet die Antwort ja. Es stellt SETZEN? LASSEN? sich allerdings die Frage, ob im Arbeits- verhältnis, in dem bekanntlich ein wirt- schaftliches Ungleichgewicht herrscht, Hier ist im Einzelfall zu prüfen, Im Regelfall nicht. Der/die Arbeit- ein/e BewerberIn bzw. ArbeitnehmerIn ob eine Versetzung an einen weniger nehmerIn setzt keinen Entlassungsgrund, eine solche Einwilligung überhaupt frei- gefahrengeneigten Arbeitsplatz im sondern macht von dem Grundrecht Ge- willig geben kann oder ob sie nicht viel- Rahmen des Arbeitsvertrages erfolgt brauch, sich nicht impfen zu lassen. mehr unter dem Druck, den Arbeitsplatz oder nicht. Tätigkeiten, die nicht in den zu bekommen bzw zu behalten, abgege- arbeitsvertraglich bestimmten Aufga- ben wird. Solche Vertragsklauseln müs- benbereich der ArbeitnehmerInnen fal- ? MÜSSEN SICH IMPFWILLIGE BE- sen im Einzelfall jedenfalls genau geprüft len, darf der/die Arbeitgeberin nicht SCHÄFTIGTE IN DER BETRIEBLICHEN werden. ● verlangen. Außerdem ist stets auf die IMPFSTRASSE IMPFEN LASSEN? ANDREA KOMAR Mitwirkungsrechte des Betriebsrates zu achten liegt z.B. eine dauernde und ver- schlechternde Versetzung vor, bedarf Natürlich nicht. Unternehmen, die DIE GPA HILFT diese auch der Zustimmung des Be- betriebliche Impfungen ermöglichen, triebsrates. machen der Belegschaft ein Angebot, GPA-Mitgliedern steht ein viel- dessen Annahme freiwillig erfolgt. Wer fältiges Beratungsangebot zu will, kann sich auch anderweitig impfen arbeitsrechtlichen Fragen zur ? DARF DER/DIE ARBEITGEBERIN lassen. Verfügung. Nicht-Mitglieder NICHT GEIMPFTE PERSONEN KÜN- können unter 050301-301 eine DIGEN? kostenlose Erstberatung in An- ? IST DIE TEILNAHME AN EINER spruch nehmen. IMPFUNG EINE DIENSTVERHINDE- Diese Frage kann nicht allgemein RUNG MIT ENTGELTFORTZAHLUNGS- beantwortet werden, die Umstände des ANSPRUCH? Einzelfalles sind zu prüfen. Grundsätzlich besteht keine gesetzliche Es ist davon auszugehen, dass die Impfpflicht, weswegen Beschäftigte, die Impfzeiten gar nicht oder nur sehr ein- www.gpa.at sich nicht impfen lassen wollen, auch geschränkt selbst bestimmt werden kön- 21
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