NEUE BETRIEBSRÄTE BRAUCHT DAS LAND!

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NEUE BETRIEBSRÄTE BRAUCHT DAS LAND!
Österreichische Post AG, MZ 02Z031731M, ÖGB-Verlag, Johann-Böhm-Pl. 1, 1020 Wien, Retouren an PF 100 1350 Wien

3 / 2021                                                                                      MAGAZIN DER GEWERKSCHAFT GPA

   NEUE BETRIEBSRÄTE
   BRAUCHT DAS LAND!
Millionenerbin für Vermögenssteuer S. 10
Faktencheck Impfen S. 20

GPA.AT | KOMPETENZ-ONLINE.AT                                                                                             1
NEUE BETRIEBSRÄTE BRAUCHT DAS LAND!
KOMPETENZ 3 / 2021

INHALT

4                                           10                                        22
COVERSTORY                                  INTERVIEW                                 ARBEITSRECHT
Der ÖGB setzt eine Initiative zur           Die Millionenerbin Marlene Engelhorn      Wir erklären, was bei Ausgliederung,
Gründung neuer Betriebsräte. GPA-           kämpft für Millionärssteuern. Im Inter-   Fusion oder Neuübernahme eines
Geschäftsführer Karl Dürtscher eklärt,      view erzählt sie, warum sie sich bei      Unternehmens zu beachten ist.
warum das jetzt besonders wichtig ist.      #taxmenow engagiert.

03 / 21
3 EDITORIAL                                 12 SOZIALES EUROPA                        24 LOHN- UND SOZIALDUMPING
                                               Wie Österreichs Regierung den           Sozialbetrug wird billiger
4 NEUE BETRIEBSRÄTE                            sozialen Fortschritt blockiert.
  BRAUCHT DAS LAND                                                                    25 LEHRLINGE:
    Initiative zur Gründung neuer           14 BEFRAGUNG ZUM URLAUB                      JUGENDLICHE ZWEITER KLASSE?
    Betriebsratskörperschaften                 Warum die Pandemie das                    Lehrlinge wurden während der
                                               Urlaubsverhalten verändert hat.           Pandemie von der Bundesregierung
6 BETRIEBSRATSGRÜNDUNGEN		                                                               vernachlässigt.
    Drei neu gewählte BetriebsrätInnen      16 MEILENWEIT VON 50:50                                                           Foto: Titelseite/S 5/S10: Nurith Wagner-Strauss, S 22: Adobe Stock

    erzählen, was sie motiviert.               ENTFERNT                               26 ARBEITSZEITVERKÜRZUNG
                                               Wie die Pandemie Frauen                   Was wir von Island, Spanien und
9 BILDMELDUNG                                  benachteiligt                             Irland lernen können.
    Protest für eine Ausweitung des
    Corona-Bonus                            18 KURZMELDUNGEN                          28 DIE GLOBALE
                                                                                         „IMPFSTOFF-APARTHEID“
10	MILLIONENERBIN FÜR                      20 FAKTENCHECK                               Eskalation in ärmeren Weltgegenden
    VERMÖGENSSTEUERN                           Impfen
    Millionärin Marlene Engelhorn                                                     30 GPA-WOHNBAUVEREINIGUNG
    erzählt im Interview, warum der Staat   22 ARBEITSRECHT                              Betreute Wohngemeinschaften
    sie dringend besteuern sollte.             Was tun bei Ausgliederung oder            für SeniorInnen
                                               Fusion?

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NEUE BETRIEBSRÄTE BRAUCHT DAS LAND!
EDITORIAL

                              GERADE JETZT!

                              ZUR PERSON:            Wir stellen in dieser Ausgabe der KOMPETENZ         Millionenerbin Marlene Engelhorn, erläutert in
                              Martin Panholzer ist   drei Menschen vor, die sich in den letzten Mo-      der KOMPETENZ ihre Beweggründe, die Initia-
                              Leiter der Abteilung   naten dazu entschlossen haben, in ihrem Be-         tive zu unterstützen.
                              Öffentlichkeitsar-
                                                     trieb eine Betriebsratskörperschaft zu gründen.
                              beit in der GPA und
                              Chefredakteur          In einer Krisensituation, in der sich Probleme      Es geht aber auch um ganz praktische Fragen
                              der KOMPETENZ.         häufen, kommen immer mehr zu dem Schluss,           in dieser Ausgabe der KOMPETENZ. Unbe-
                                                     dass gerade jetzt durch solidarisches Mitei-        stritten ist, dass Impfungen ein Schlüssel für
                                                     nander mehr zu erreichen ist denn als Einzel-       die Bewältigung der Pandemie sind. Welche
                                                     kämpferIn. Es geht dabei nicht um Wunder-           arbeitsrechtlichen Fragen zu beachten sind,
                                                     dinge und Heldengeschichten, sondern um die         beantwortet ein Faktencheck. Ein weiterer ar-
                                                     einfache Tatsache: Wir leben in einem Land, in      beitsrechtlicher Artikel befasst sich mit der Fra-
                                                     dem das Mitspracherecht der ArbeitnehmerIn-         ge: was tun bei Ausgliederungen und Fusion?
                                                     nen gesetzlich abgesichert ist und man sich in
                                                     Form der Gewerkschaften einer starken Orga-         Wir hoffen alle, dass die Rückkehr zu einem
                                                     nisation als Unterstützerin sicher sein kann. Ar-   normalen Leben auch nach dem Sommer
                                                     beitgeber geben viel Geld für Rechtsberatung        möglich sein wird und wir werden als GPA alle
                                                     und Lobbyismus aus. Unsere Kraft ist jene der       Kraft in die Waagschale legen, dass die Leis-
                                                     gewerkschaftlichen Organisierung.                   tung jener, die in diesen schweren Zeiten das
                                                                                                         Land am Laufen hielten, auch entsprechend
                                                     UMDENKEN                                            honoriert werden!

                                                     Krisenzeiten sind immer auch Zeiten, in denen                                MARTIN PANHOLZER
Foto: Nurith Wagner-Strauss

                                                     in einer Gesellschaft Umdenkprozesse in Gang
                                                     gesetzt werden. Immer lauter werden jetzt die
                                                     Stimmen, die einen Beitrag der Vermögenden
                                                     zur Bewältigung der Krise einfordern. Bemer-
                                                     kenswert dabei: Auch MillionärInnen fordern
                                                     eine stärkere Besteuerung. Eine von ihnen, die

                                                                                                                                                               3
NEUE BETRIEBSRÄTE BRAUCHT DAS LAND!
KOMPETENZ 3 / 2021

           NEUE
           BETRIEBSRÄTE
           BRAUCHT
           DAS LAND

           Der ÖGB setzt eine Initiative zur Gründung neuer Betriebsrats-
           körperschaften. Bundesgeschäftsführer Karl Dürtscher ruft aufgrund
           der anhaltenden Krise dazu auf, den Wunsch nach Mitbestimmung rasch
           in gesetzlich abgesicherte Strukturen zu bringen. Belegschaftsvertretungen
           können bei drohenden Umstrukturierungen und Kündigungen mitreden
           und die Situation für die Beschäftigten im Betrieb verbessern.
                                                                                        Foto: AdobeStock

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COVERSTORY

                                                                                             dass in wirtschaftlich guten Zeiten alles bestens läuft.
                                                                                             Kommt eine Krise, werden Kürzungen und Umstruktu-
                                                                                             rierungen durchgezogen, ohne die Interessen der Be-
                                                                                             schäftigten entsprechend zu berücksichtigen.“

                                                                                             Daher mache es Sinn, frühzeitig ein Gremium zu instal-
                                                                                             lieren: „BetriebsrätIn wird man nicht über Nacht, es gibt
                                                                                             viel zu lernen: über arbeitsrechtliche Spielräume, Aus-
                                                                                             legungsfragen und Rechtsinstrumente.“ Belegschaften,
                                                                                             die rechtzeitig eine starke Vertretung installieren, profi-
                                                                                             tieren in der Krise davon: Sie können bei Veränderungen
                                                                                             mitbestimmen. Studien bestätigen: „Unternehmen mit
                                                                                             Betriebsrat kommen besser durch die Krise. Wir brau-
                                                                                             chen Menschen, die sich für Fairness einsetzen und ihre
                                                                                             KollegInnen in schwierigen Zeiten unterstützen.“

                                                                                             MUT ZUR VERÄNDERUNG

                              GPA-Bundesgeschäftsführer Karl Dürtscher wünscht sich bis zu   Dürtscher sieht Mitbestimmung auch als persönliche
                              300 neu gegründete Betriebsratskörperschaften.
                                                                                             Bereicherung: „Als BetriebsrätIn kann man viele Erfolgs-

                              S
                                                                                             erlebnisse haben, das ist auch für die persönliche Ent-
                                     eit April läuft die ÖGB-Kampagne zur Neugrün-           wicklung wichtig.“ Die Sozialpartnerschaft sieht er nicht
                                     dung von Belegschaftsvertretungen unter dem             nur überbetrieblich, sie müsse auch in den Betrieben
                                     Motto „Sei du die starke Stimme“. Über Social           stattfinden und dort für einen gesunden Interessens-
                              Media Kanäle und ein persönliches Buddy-System, bei            ausgleich sorgen: „Gerade jetzt gilt es, sich für einander
                              dem erfahrene BetriebsrätInnen Neulinge motivieren             einzusetzen und diejenigen zu unterstützen, die unfair
                              und unterstützen, sollen KollegInnen ermutigt werden,          behandelt werden. Die Ängste und Forderungen von
                              einen Betriebsrat zu gründen. Die bisherige Erfolgs-           heute sind die Basis für die Handlungen von morgen.“ ●
                              bilanz kann sich sehen lassen: Über die Kampagnen-
                              Homepage „mir-reichts.at“ gab es 1.200 Kontakte zu                                                      ANDREA ROGY
                              Betrieben mit mehr als fünf ArbeitnehmerInnen, 5.900
                              Beschäftigte haben ihre Kontaktdaten hinterlassen,
                              13.000 Rückmeldungen zu Ungerechtigkeiten im Be-
                              trieb wurden dokumentiert. Insgesamt haben schon
                              23.000 Menschen auf der Homepage vorbeigeschaut,
                              mit mehr als 20 InteressentInnen laufen konkrete Ge-
                              spräche zur Gründung eines Betriebsrates.                         DU ÜBERLEGST
                              Bundesgeschäftsführer Karl Dürtscher sieht in der Kam-            EINEN BETRIEBS-
                              pagne „das richtige Angebot zur richtigen Zeit: Eine
                              starke Belegschaftsvertretung ist gerade in Krisenzeiten
                                                                                                RAT ZU GRÜNDEN?
                              wichtiger denn je. Die BetriebsrätInnen müssen Struktu-           Wir unterstützen dich gerne dabei.
                              ren und Fachwissen aufbauen, bevor es zu Kündigun-
                              gen oder Umstrukturierungen kommt.“ Über die aktu-                Alle Kontakte zur Gewerkschaft GPA
                              elle Kampagne sollen zumindest 300 neu gegründete                 in deiner Region findest du unter:
                              Betriebsratskörperschaften erreicht werden: „Unterneh-
                              men mit Betriebsrat sind erfolgreicher. Sie zahlen besse-         https://www.gpa.at/kontakt
                              re Löhne und Gehälter. Demokratie darf nicht vor dem
Foto: Nurith Wagner-Strauss

                              Betriebstor aufhören.“
                                                                                                Alles zum Thema
                                                                                                Betriebsratsgründung findest du unter:
                              NEUGRÜNDUNGEN GERADE JETZT WICHTIG
                                                                                                https://mir-reichts.at/
                              Die Rechte von ArbeitnehmerInnen wollen behauptet
                              werden: „Von allein tut sich hier nichts. Wir sehen häufig,

                                                                                                                                                      5
NEUE BETRIEBSRÄTE BRAUCHT DAS LAND!
KOMPETENZ 3 / 2021

„AM STÄRKSTEN SIND WIR,
WENN WIR ZUSAMMENHALTEN!“
Die Betriebsratsvorsitzende
von Emirates Airline, Petra
Matous, will die Belegschaft
für die Krise wappnen und
sich ein Mitspracherecht
bei notwendigen Maßnah-
men erarbeiten. Ihr Team
steht eng zusammen und
das macht sie stark. Rück-
halt und Kraft schöpft
Matous auch bei Freun-
den und in der Familie.

Petra Matous war eine der InitiatorIn-
nen zur Gründung eines Betriebsrats bei
Emirates Airline. Sie ist im Unternehmen,    Petra Matous hat mitten in der Krise einen Betriebsrat bei Emirates Airlines gegründet und für ihre Liste 100
seit dieses 2004 den Flugbetrieb in Wien     Prozent Zustimmung erhalten.
aufgenommen hat. Begonnen hat sie im
Bereich Reservierungen. Aktuell betreut      das Projekt Betriebsrat im Raum. „Wir                      bracht.“ Unterstützung erfuhr Matous im
sie den Gruppenverkauf. 17 Jahre in der      haben viele Antworten auf dringende                        Familien- und Bekanntenkreis.
Firma haben Verständnis für die momen-       Fragen erhalten – schnell war klar, dass
tanen Turbulenzen der Branche erzeugt:       die Gründung `jetzt oder nie` passieren                    Auch die Geschäftsführung war von der
„Ich habe miterlebt, wie die Pandemie
                                             würde.“                                                    Initiative sehr angetan: „Sie halten die
die gesamte Flugbranche auf den Kopf
                                                                                                        Mitsprache der Belegschaft für wichtig.“
gestellt hat.“
                                             Die Initiative stieß auf großes Interesse                  Ein gutes und aktives Miteinander ist
Über die Gründung eines Betriebsrates        in der 30-köpfigen Belegschaft. Die ge-                    Matous sehr wichtig: „Wir sind nicht auf
wurde intern bereits seit längerer Zeit      meinsame Liste „Wir“ erzielte 100 Pro-                     Krawall gebürstet, wir suchen eine ver-
gesprochen, doch „niemand hat sich           zent Zustimmung: „Ein guter Rückhalt                       trauensvolle Gesprächsbasis.“ Als wichti-
die Mühe gemacht tatsächlich einen           für uns.“ Ende Juni konstituierte sich der                 ge Themen stehen die weitere Durchfüh-
zu etablieren.“ Im Frühjahr erschien die     überfraktionelle Betriebsrat, bestehend                    rung der Kurzarbeit sowie die zukünftige
betriebliche Mitsprache nach und nach        aus drei aktiven BetriebsrätInnen und                      Arbeitsplatzgestaltung an. ●
unabdingbar: „Die Flugbranche ist von        drei Ersatzmitgliedern – jeweils einem
extremen Veränderungen betroffen. Nie-       aus jedem Unternehmenssegment.                                                             ANDREA ROGY
mand kann heute seriös abschätzen, wo-
hin uns das führen wird.“                    GEMEINSAM MITBESTIMMEN                                     ZUR PERSON:
                                                                                                        Petra Matous ist 40 Jahre alt und lebt in
BETRIEBSRAT „JETZT ODER NIE“                 Den Vorsitz übernahm Matous, eine                          Wien. In ihrer Freizeit spielen Freunde
                                             schlüssige Folge ihres Engagements:                        und Familie eine wichtige Rolle und ge-
Nach einem Informationstermin bei Re-        „Wir haben ein gutes Miteinander mit den                   ben ihr Kraft. Den Ausgleich zum Alltag
                                                                                                                                                             Foto: Nurith Wagner-Strauss

gionalsekretärin Kristina Schwartling, bei   KollegInnen. Am stärksten sind wir, wenn                   findet sie beim Yoga-Burn, Kraftsport,
dem Matous und jeweils eine Mitarbei-        wir zusammenhalten.“ Auch die Persön-                      wandern mit Klettersteig und Musik hö-
terIn aus den drei Unternehmensberei-        lichkeitsentwicklung war eine gewaltige:                   ren. Ruhe und Energie holt sie sich beim
chen „Stadtbüro, Fracht und Flughafen        „Der Prozess der Betriebsratsgründung                      Lesen, in der Natur und in der Medita-
Passagier Service“ dabei waren, stand        hat mir viel an Selbstbewusstsein ge-                      tion/Reiki.

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NEUE BETRIEBSRÄTE BRAUCHT DAS LAND!
BETRIEBSRATSGRÜNDUNGEN

                              „ICH SETZE MICH FÜR ANDERE
                              EIN, ANSTATT ZU JAMMERN.“
                                                                                                                                 die Druckerei 251 Beschäftigte. Er führt
                                                                                                                                 auch den Vorsitz im Betriebsausschuss:
                                                                                                                                 „Auch bei den Angestellten gab es starke
                                                                                                                                 Verunsicherung. Wir BetriebsrätInnen
                                                                                                                                 haben Ruhe in den Arbeitsalltag
                                                                                                                                 gebracht.“

                                                                                                                                 KEINE HALBEN SACHEN

                                                                                                                                 Vor dem Sommer kam es zu Kündigungen,
                                                                                                                                 Devera hat bei der Ausarbeitung eines
                                                                                                                                 Sozialplanes    mitgearbeitet.     Halbe
                                                                                                                                 Sachen macht der 38-Jährige keine:
                                                                                                                                 „Jammern und untätig bleiben ist nicht
                                                                                                                                 mein Ding.“ Die Anerkennung dafür hat
                                                                                                                                 der neue Betriebsrat bei der Wahl einge-
                                                                                                                                 fahren: Von 131 Wahlberechtigten gaben
                                                                                                                                 96 ihm und seinem Team die Stimme. Als
                                                                                                                                 Betriebsrat spürt Devera mehr Durch-
                              Nachdem es während der Kurzarbeit immer wieder Problme gab, gründete Stefan Devera gemeinsam mit   schlagskraft: „Jetzt werde ich wirklich
                              KollegInnen einen Betriebsrat bei druck.at.
                                                                                                                                 angehört.“

                              Als Betriebsrat kann Stefan                         guten Gesprächsbasis zur Geschäftsfüh-         Aktuell steht für Devera der Kampf um
                              Devera die Interessen seiner                        rung - immer angehört, die Umsetzung           gerechtere Löhne an: „Unser Kollektiv-
                                                                                  verlief teils schleppend.                      vertrag hängt seit circa vier Jahren in der
                              KollegInnen weit besser
                                                                                                                                 Luft. Die Gehaltserhöhung betrug über
                              vertreten als zuvor ohne                            Während der Kurzarbeit ist im Betrieb          diesen Zeitraum gerechnet magere zwei
                              offizielle Funktion. Die                            einiges unrund gelaufen: die Beleg-            Prozent. Im Gegenzug werde der Beleg-
                              Gründung einer Beleg-                               schaft kämpfte mit organisatorischen           schaft immer mehr abverlangt. Nun wird
                                                                                  Problemen, die Abrechnung des Kurz-            mit Unterstützung von Regionalsekretär
                              schaftsvertretung in
                                                                                  arbeitsentgelts verlief anfangs holprig.       Werner Rochlitz ein betriebsinterner Kol-
                              Krisenzeiten bringt                                 Die Forderungen nach einem Betriebsrat         lektivvertrag verhandelt. Auch die Ge-
                              Vorteile für die                                    wurden lauter. Für Devera war klar: „Es        schäftsführung sei höchst kooperativ:
                              Beschäftigten und für die                           war Zeit, einen Betriebsrat zu gründen.“       „Sie sehen einen Nutzen, wenn die Be-
                                                                                                                                 legschaft zufriedener ist.“ ●
                              Geschäftsführung.
                                                                                  RUHE IN DEN ALLTAG BRINGEN

                              Andere zu vertreten war schon immer                 Nach „still und heimlich“ abgehalte-                                    ANDREA ROGY
                              eine Leidenschaft von Stefan Devera, be-            nen Vorgesprächen mit KollegInnen
                              reits in der Schulzeit hat er sich als Klas-        suchte Devera das Gespräch mit der             ZUR PERSON:
                              sensprecher um seine MitschülerInnen                Geschäftsführung: „Die Gründung des            Stefan Devera lebt mit seiner Frau und
                              gekümmert. Seit sieben Jahren arbeitet              Betriebsrates Anfang April 2021 ist rei-       seinen beiden Kindern in Eggendorf im
Foto: Nurith Wagner-Strauss

                              der 38-Jährige bei der Online-Drucke-               bungslos über die Bühne gegangen.“             Bezirk Wiener Neustadt. Seine Freizeit
                              rei „druck.at“ im niederösterreichischen            Installiert wurde eine Vertretung für An-      verbringt er am liebsten sportlich mit
                              Leobersdorf. Ab dem dritten Jahr fun-               gestellte und eine für ArbeiterInnen.          seinen Kindern auf dem Fußballplatz
                              gierte er als Vertrauensperson, seine An-           Devera vertritt neben seiner täglichen         oder geht mit seiner Familie in Tierparks
                              liegen wurden – auch aufgrund seiner                Arbeit 119 ArbeiterInnen, insgesamt hat        wandern.

                                                                                                                                                                          7
NEUE BETRIEBSRÄTE BRAUCHT DAS LAND!
KOMPETENZ 3 / 2021

„JEDER SOLL EIN STÜCK VOM
KUCHEN ERHALTEN.“
Trotz einer Unternehmens-
philosophie, die das gesun-
de Wachstum von Mensch
und Betrieb gleichermaßen
in den Mittelpunkt stellt, ist
eine solide ArbeitnehmerIn-
nenvertretung für Wilhelm
Kloiber die Trumpfkarte
zu einem langfristig positi-
ven Interessensausgleich.
Wilhelm Kloiber vertritt als Betriebsrats-
vorsitzender der TGW Systems Integra-
tion GmbH die Interessen von rund 700
Beschäftigten. Die TGW Systems Integ-
ration GmbH ist die zweitgrößte Unit der
TGW Logistics Group, einem internatio-
nal führenden Anbieter von Intralogis-
tiklösungen in Marchtrenk nahe Wels.          Willhelm Kloiber vertritt als neugewählter Betriebsratsvorsitzender bei TGW Systems Integration 700 Beschäftigte.
Die Gründung eines Betriebsrates stand
schon länger im Raum, in der größten          und den Ablauf der betriebsrätlichen                     Positionen oder Gehaltszuwächsen pro-
Unternehmenseinheit der TGW Gruppe,           Arbeit sehr schlüssig umrissen.“                         fitieren. Jeder soll ein Stück vom Kuchen
der TGW Mechanics GmbH in Wels gibt es                                                                 erhalten.“
diesen seit vielen Jahren: „Der Anstoß ist    Die zur Gründung notwendige Betriebs-
auch von der Geschäftsführung gekom-          versammlung und die Wahl wurden im                       Langfristig problematisch könnten aus
men, man hat sich vor allem administra-       April 2021 rasch in die Wege geleitet.                   Kloibers Sicht die niedrigen Mitglieds-
tive Erleichterungen erwartet.“               Seine mehr als zehnjährige Erfahrung                     zahlen im Betrieb werden. Da es in der
                                              als Projektleiter kam Kloiber bei der neu-               Vergangenheit keine Probleme mit unge-
REIBUNGSLOSE BETRIEBSRATS-                    en Aufgabe von Beginn an sehr zu Gute.                   rechtfertigten Kündigungen gab, argu-
GRÜNDUNG                                      Aktuell führt der 57-Jährige ein Team von                mentiert Kloiber umfassender: „Zu einem
                                              neun aktiven BetriebsrätInnen an: „Ich                   gesunden sozialen Umfeld gehört die
Die Gründung war keine komplizierte           gehe bei jedem Team bzw. Arbeitsbe-                      Gewerkschaft dazu, sie ist ein essentieller
Sache: „Alle waren uns gegenüber sehr         reich in die Tiefe, analysiere die Problem-              Baustein für eine positive Entwicklung.“ ●
positiv eingestellt, die Betriebsratskolle-   lagen und versuche für meine KollegIn-
gInnen der TGW Mechanics sind uns von         nen lösungsorientierte Arbeit zu leisten.“                                                ANDREA ROGY
Beginn an mit Rat und Tat zur Seite ge-
standen.“ Mehr als ein Jahr lang liefen       BESCHÄFTIGTE AM ERFOLG
die Vorbereitungen, doch niemand wag-         TEILHABEN LASSEN                                          ZUR PERSON:
te sich in die vorderste Reihe, weshalb                                                                 Der 57-Jährige Wilhelm Kloiber lebt
schließlich Kloiber die Verantwortung         Seine Ziele als Betriebsrat knüpft er an                  mit seiner Frau in Thalheim bei Wels.
                                                                                                                                                                  Foto: Nurith Wagner-Strauss

übernahm: „Es war schon immer mein            die Stiftungsphilosphie von TGW Firmen-                   Er hat zwei erwachsene Töchter und
Interesse, im Sozialbereich kritisch nach-    gründer Ludwig Szinicz „Mensch im Mit-                    eine Enkeltochter. In seiner Freizeit ist er
zufragen.“ Einen entscheidenden Beitrag       telpunkt – lernen und wachsen“: „Wachs-                   sportlich und musikalisch unterwegs: er
spielte Gewerkschaftssekretär Gottfried       tum im Unternehmen muss so ablaufen,                      spielt gerne Tennis und entspannt sich
Lichtenberger: „Er hat die Hintergründe       dass die MitarbeiterInnen in Form von                     beim Schlagzeugspielen.

8
NEUE BETRIEBSRÄTE BRAUCHT DAS LAND!
BILDMELDUNG

                       Die Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, Barbara Teiber, bei der Demonstration für eine Ausweitung des 500-Euro-Bonus auf alle Beschäftigten
                       des Gesundheits- und Sozialbereichs

                       PROTEST FÜR EINE AUSWEITUNG
                       DES CORONA-BONUS
                       Betroffene warten immer noch auf die Auszahlung.

                       Durch unsere Demonstration und den öffentlichen Druck wurde der Corona-Bonus im Gesundheitssystem ausgeweitet.
                       Durch Aktionen und öffentlichem Druck wurde durchgesetzt, dass mehr Beschäftigte im Gesundheitsbereich vom Coro-
                       na-Bonus profitieren. Damit haben wir ein Stück mehr Gerechtigkeit erreicht. Die Nachschärfungen der Bundesregie-
                       rung reichen aber nicht. Dass zum Beispiel die Behindertenarbeit oder die Sanitäterinnen und Sanitäter ausgenommen
                       sind, bleibt völlig unverständlich. Alle Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich haben sich nach der schweren
                       Arbeit in der Krise diesen Bonus verdient! Umso unverständlicher ist es, dass Anfang September die Prämie noch immer
                       nicht ausbezahlt wurde. ●
Foto: Daniel Novotny

                                                                                                                                                                             9
NEUE BETRIEBSRÄTE BRAUCHT DAS LAND!
KOMPETENZ 3 / 2021

           Marlene Engelhorn wird bald eine der reichsten Frauen in Österreich sein, ohne je dafür gearbeitet zu haben. Sie setzt sich dafür ein, dass
           ErbInnen wie sie auch Steuern zahlen müssen.

           MILLIONENERBIN FÜR
           VERMÖGENSSTEUERN
           Marlene Engelhorn muss nicht arbeiten, um ihren Alltag zu finanzieren, und den-
           noch arbeitet sie derzeit viel: sie setzt sich gemeinsam mit anderen Vermögenden
           dafür ein, dass große Erbschaften und Vermögen besteuert werden. Im Interview
           mit der KOMPETENZ erklärt sie warum: es gehe um Verteilungsgerechtigkeit.

           KOMPETENZ: Sie werden in einiger Zeit ein großes                                Da es derzeit keine Erbschaftssteuern gibt, gehen
           Vermögen erben und haben angekündigt, einen                                     Sie den Weg der Spende. Wissen Sie schon, an wen
           großen Teil davon zu spenden. Warum?                                            Sie spenden werden?
           ENGELHORN: Wenn man sich die Zahlen anschaut                                    Genau das ist der Punkt. Ich sollte das nicht alleine
           und man sieht, ein Prozent der Bevölkerung in Öster-                            entscheiden. Deshalb setze ich mich ja schon vor der
           reich hat 40 Prozent des Vermögens und 50 Prozent                               Erbschaft für Steuergerechtigkeit ein. Erbschaften in
           haben nicht einmal drei Prozent des Vermögens, und                              der Höhe sind keine Privatsache. Probleme, die uns
           wenn man sich dann auch überlegt in Bezug aufs                                  alle als Gesellschaft etwas angehen sollten, sollten
           Erben, vier von fünf vermögenden Menschen besitzen
                                                                                                                                                         Foto: Nurith Wagner-Strauss

                                                                                           auch gemeinsam angegangen werden.
           ihr Vermögen auf Grund einer Erbschaft und 90 Pro-                              Ich sollte mich nicht über andere erheben und ent-
           zent der vererbten Immobilien gehen an Menschen,                                scheiden, was wichtig ist und was nicht. Einzelperso-
           die bereits Immobilien besitzen, dann sieht man: Die                            nen sollten das nicht entscheiden, dafür gibt es de-
           Schieflage ist unglaublich. Und dem entgegenzuwir-                              mokratische transparente Prozesse. Es geht also nicht
           ken bedeutet, nicht mitzumachen.                                                darum, an wen ich vielleicht spende, sondern darum,

10
INTERVIEW

dass die Machtfrage im Raum steht und es hier Steu-           Sie haben „taxmenow“ angesprochen, Sie sind Teil
ergerechtigkeit braucht. Solche Erbschaften gehören           davon. Wie groß ist diese Initiative und was ist ihr
besteuert und die Verwendung der Mittel in demokra-           Ziel?
tische Prozesse überführt, damit auch alle, die das an-       Die Petition hat über 35.000 Unterschriften, aktiv in
geht, mitentscheiden dürfen.                                  der Gruppe mitarbeitend – das fluktuiert etwas – sind
                                                              zwischen zehn und 20 Personen. Es gibt 40 Erstunter-
Sie setzen sich also für Vermögenssteuern ein. War-           zeichnende, die sich offen dazu bekennen, dass sie
um ist es Ihnen lieber, dass der Staat hier für Umver-        zumindest über ein Nettovermögen von einer Million
teilung sorgt, als dass Sie individuell Organisationen        verfügen. Ziel ist es, zum politischen Diskurs für Ver-
oder Einzelpersonen mit einer Spende bedenken?                mögenssteuern beizutragen.
Wer ist der Staat? Die Polizei, die Kindergärtnerin, der
Rechtsstaat, der Lehrer in der Schule, das ist alles der      Es gibt auch das Netzwerk „Millionaires for Human-
Staat. Es geht um Menschen und es geht um demo-               ity“, das für Besteuerung von eben Überreichen
kratische Mitbestimmung, wie wir unsere Gesellschaft          plädiert. Sind Sie auch Teil dieses Netzwerks?
organisieren und Probleme gemeinsam angehen.                  Ja, da arbeite ich zwar nicht konkret mit, beteilige
Und da kann es nicht sein, dass einige wenige auf             mich aber daran, weil ich finde, dass das der absolute
Grund einer unglaublichen Verteilungsungerechtig-             Minimalkonsens ist. Mir geht das nicht einmal ansatz-
keit für alle entscheiden dürfen. Beim Staat können           weise weit genug, aber immerhin.
wir mitbestimmen. Das ist das Wesen demokratischer
Wahlen, dass wir alle eine Stimme haben – aber eben           Was fordert dieses Netzwerk?
nur eine.                                                     Ab einem Nettovermögen von zwei Millionen Euro
                                                              wird eine Vermögenssteuer von einem Prozent gefor-
Der Staat ist vielleicht nicht perfekt. Aber da stellen wir   dert. Das ist wirklich ein Minimalkonsens, aber je mehr
als Volk gemeinsam den Souverän, demokratisch, und            Stimmen sich stark machen, je lauter und je vielfälti-
wir haben Gewaltenteilung. Das fehlt in der Privatwirt-       ger wir sind und auch zeigen, es gibt vielleicht nicht
schaft. Ich kann da ja nicht hingehen und sagen, ich          die eine Lösung, aber verschiedene Ansätze, auch bei
möchte, dass dieser verantwortungslose Chef von               uns Vermögenden, umso besser. ●
dem Konzern da nicht mehr so einflussreich ist. Da ist
die Macht intransparent in Einzelhand. Ich kann den                                                    ALEXIA WEISS
ja nicht abwählen. Es gibt also eine Schieflage, was
Macht anbelangt, und da bin ich für demokratische             ZUR PERSON:
Gestaltung, denn es geht um eine gerechtere Vertei-           Marlene Engelhorn, geb. 1992 und aufgewachsen in
lung der Ressourcen.                                          Wien, derzeit Germanistikstudium an der Universität
                                                              Wien. Immer wieder kurze Berufstätigkeit, darunter
Haben Sie konkrete Vorstellungen, wer ab welcher              Nachhilfe und Korrektorat, derzeit Volontariat bei
Höhe des Vermögens in welcher Höhe besteuert                  der Guerrilla Foundation. Engelhorn wurde in eine
werden sollte?                                                vermögende Familie hineingeboren und muss der-
Es gibt da verschiedenste Modelle für Steuergerech-           zeit nicht arbeiten, um ihren Alltag zu finanzieren. Sie
tigkeit, darunter auch das Modell von Thomas Piketty.         wird eines Tages einen zweistelligen Millionenbetrag
Aber auch da gilt: man sollte sie gemeinsam disku-            von ihrer Großmutter erben.
tieren und es ist auch ein Anspruch von „taxmenow“,
dass wir nicht vorgeben, wie es zu machen ist. Wir fra-
gen, wie kann es sein, dass wir noch keine Verteilungs-
gerechtigkeit haben. Es ist notwendig zu überlegen,              #taxmenow
warum wir Arbeit so selbstverständlich besteuern, Ver-           Gemeinsam mit 40 anderen MillionärInnen
mögen aber nicht. Es gibt Erbschaften wie meine im               hat Marlene Engelhorn eine Petition für
zweistelligen Millionenbereich und es wird nicht ein             Millionärssteuern gestartet.
Cent Steuer erhoben? Dafür habe ich nicht gearbei-
tet, das ist das Glück der Geburt. Das ist absurd, das           Link zur Petion:
macht keinen Sinn. Es gibt unterschiedliche, interes-            https://bit.ly/
sante Modelle, lasst sie uns gemeinsam diskutieren. Es           taxmenowKompetenz
ist nicht meine Aufgabe, hier etwas vorzugeben. Das
wäre ja der Wahnsinn, Vermögende, die auch noch
Vermögenssteuern selber basteln.

                                                                                                                     11
KOMPETENZ 3 / 2021

ÖSTERREICHISCHE REGIERUNG
BREMST BEI SOZIALEM
FORTSCHRITT
88 Prozent der EU-Bürg-
erInnen wünschen sich eine
sozialere EU. Selbst der
EU-Kommission ist das Tem-
po bei Themen wie beim
Mindestlohn zu langsam.
Arbeitgeber und Regierun-
gen bremsen trotzdem.

A
         n Versuchen, soziale Rechte in
         der EU zu verankern, fehlt es
         nicht – an deren Umsetzung
hingegen schon. Seit Jahren machen
GewerkschafterInnen und Gewerkschaf-
ter Druck, soziale Standards europaweit
durchzusetzen. Dabei geht es ja auch
um die Frage, wie man auf zunehmende
soziale Ungleichheit reagieren solle. Eu-
rostat-Daten bestätigen, dass die soziale
Kluft größer wird und die Armutsgefähr-
dung steigt.

TAUZIEHEN UM EUROPAWEITEN
MINDESTLOHN

Während milliardenschwere Konjunk-             gelung über „angemessene Mindestlöh-       verträge kollektivvertraglich geregelt.
turpakete von Regierungen zur Über-            ne“, die Sozialkommissar Nicolas Schmit    „In der EU sind die Kollektivverträge das
windung der COVID-Krise die Wirtschaft         vergangenen Herbst vorgelegt hatte,        bevorzugte Instrument. Wenn diese aber
ankurbeln sollen, spielt die soziale Di-       würde für 24 Millionen ArbeitnehmerIn-     keine ausreichende Abdeckung erzielen,
mension der EU, wie etwa die Einführung        nen und Arbeitnehmer in der gesamten       dann muss mit gesetzlichen Mindestlöh-
des Mindestlohnes, kaum eine Rolle.            EU, vornehmlich aber in Osteuropa, hö-     nen gearbeitet werden, um grundlegen-
Auch der Sozialgipfel im Mai dieses Jah-       here Löhne bringen und Lohndumping         de Bedürfnisse abzudecken. Sozialpart-
res in Porto hat beim Mindestlohn keine        bremsen.                                   ner reden dabei natürlich mit“, betont
Einigung gebracht. „Es gibt darüber                                                       Reisecker.
starke Betroffenheit, weil wir nicht abge-     Laut Eurostat gibt es in 21 der 27 EU-
kapselt sind vom Rest Europas, sondern         Staaten zwar einen gesetzlich festgeleg-   ARBEITSMINISTER BLOCKIERT
offene Grenzen haben: Arbeit ist mobil,        ten Mindestlohn, die Spannbreite dabei
genauso wie Kapital. Österreichs Nähe          ist aber groß. Am unteren Ende liegen      Doch für die von der türkisen ÖVP ange-
zu osteuropäischen Staaten wirft große         Bulgarien und Lettland mit 312 bzw. 430    führte Regierung ist ein fairer Mindest-
Probleme mit Lohn- und Sozialdumping           Euro pro Monat. Am oberen Ende be-         lohn kein Wunsch. Beim EU-Sozialgipfel
auf“, erklärt Sophia Reisecker, die Leiterin   findet sich Luxemburg mit einem mo-        zeigte sich Arbeitsminister Martin Kocher
                                                                                                                                      Foto: iStock

der Abteilung Europa, Konzerne & inter-        natlichen Mindestlohn von 2300 Euro. In    sehr skeptisch gegenüber einer Min-
nationale Beziehungen der GPA. Eine Re-        Österreich ist der Großteil der Arbeits-   destlohn-Richtlinie. Insgesamt warnten

12
EUROPÄISCHE UNION

elf Länder vor zu weitgehenden EU-Ein-        „Bei ihnen stellen wir oftmals eine ideo-     ArbeitnehmerInnen und Arbeitnehmer
griffen in die Arbeitsmarkt- und Sozial-      logisch motivierte Widerstandshaltung         des EWSA und der EGB sind in der Kon-
politik sowie vor verbindlichen Regelun-      fest. Selbst in der EU-Kommission stößt       ferenz vertreten und fordern Vertrags-
gen, nicht alle mit derselben Intention.      diese Haltung bereits auf zunehmendes         änderungen. „Wir brauchen dringend
Verfasst wurde die Kritik von Österreich,     Unverständnis“, weiß der Präsident der        ein soziales Fortschrittsprotokoll, das den
Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland,       ArbeitnehmerInnengruppe des Europäi-          Vorrang wirtschaftlicher Freiheiten vor
Irland, Lettland, Litauen, Malta, den Nie-    schen Wirtschafts- und Sozialausschus-        sozialen Grundrechten im EU-Binnen-
derlanden und Schweden. Dänemark,             ses (EWSA), Oliver Röpke.                     markt endlich beendet. Dafür müsste
Finnland, Schweden und die Niederlan-                                                       die EU aber ihr Konzept eines Sozialen
de fürchten hingegen, ihre weitgehen-         »Gerade die Herausfor-                        Europas dringend überdenken. Die EU
den Rechte punkto Sozialpolitik könnten       derungen des Green Deal                       braucht mehr Kompetenzen für Arbeit,
eingeschränkt werden.                                                                       Soziales und Gesundheit, wie es die Pan-
                                              und der Digitalisierung
                                                                                            demie gerade deutlich zeigt“, skizziert
MINDESTLOHN FÜR GLEICHSTELLUNG                rufen nach stärkerer Ein-                     Röpke die nächsten Schritte.
                                              bindung von Gewerkschaf-
Der Skepsis Kochers, verbindliche Regeln      ten und Betriebsräten, und                    Es geht aber auch um europäische Min-
festzuschreiben, widerspricht die GPA-                                                      deststandards bei der Mitbestimmung.
                                              zwar in der ganzen EU.«
Expertin: „Die Regierung muss vernetzter                                                    „Gerade die Herausforderungen des
denken, wenn es um europäische Fragen         Oliver Röpke                                  Green Deal und der Digitalisierung rufen
geht. Es funktioniert nicht, populistische                                                  nach stärkerer Einbindung von Gewerk-
Innenpolitik auf dem Rücken von EU-Po-        Doch noch kämpfen die beiden Bericht-         schaften und Betriebsräten, und zwar in
litik zu machen.“ Sophia Reisecker unter-     erstatterInnen im EU-Parlament, die nie-      der ganzen EU“, verlangt der EWSA-Chef
streicht, „wie wichtig es ist, die Schraube   derländische Sozialdemokratin Agnes           und setzt darauf, dass „die Kompetenzen
bei Mindestlöhnen und Kollektivvertrags-      Jongerius und CDU-Abgeordneter Den-           der EU in der Sozialpolitik erweitert wer-
systemen anzuziehen. Das beugt Armut          nis Radtke, für eine rasche Einigung auf      den. Die EU muss aktiv daran arbeiten,
und der ungleichen Bezahlung von Frau-        die Mindestlohn-Richtlinie. Mit schwieri-     mit verbindlichen und ambitionierten so-
en und Männern vor.“                          gen Verhandlungen bis in die französi-        zialen Mindeststandards die Lebens- und
                                              sche Ratspräsidentschaft im ersten Halb-      Arbeitsbedingungen der Menschen in
» Die Regierung muss ver-                     jahr 2022 ist zu rechnen.                     Europa anzunähern.“ ●
netzter denken, wenn es
                                              Die Anliegen der GewerkschafterInnen                        MARGARETHA KOPEINIG
um europäische Fragen
                                              sind keinesfalls abgehoben, sie werden
geht. Es funktioniert nicht,                  von der großen Mehrheit der EU-Bürg-
populistische Innenpoli-                      erInnen unterstützt: 88 Prozent haben in       EUROBAROMETER-
tik auf dem Rücken von                        einer im Juni präsentierten Eurobaro-          UMFRAGE
                                              meter-Umfrage gesagt, dass ihnen ein
EU-Politik zu machen.«
                                              soziales Europa wichtig ist.                   EU-BürgerInnen
Sophia Reisecker                                                                             unterstützen die
                                              Was liegt also näher, als diese Grundhal-      Forderung der
Die EU-Kommission will mit ihrer Richtli-     tung der Bevölkerung auch in den Fokus         Gewerkschaften nach
nie erreichen, dass GeringverdienerInne-      der derzeit laufenden Debatte über die         einem sozialeren
nüberall in Europa mindestens 50 Prozent      Zukunft Europas zu stellen. So könnte          Europa.
des Durchschnittslohns oder 60 Prozent        man verlangen, die Mittel des EU-Wie-
des Medianlohns im eigenen Land be-           deraufbaufonds von 750 Milliarden Euro
kommen. Einen einheitlich festgelegten        für Investitionen in Arbeitskräfte, in Aus-
Mindestlohn soll es nicht geben. Derzeit      bildung und in den Abbau von Ungleich-
fehlt allerdings der gemeinsame politi-       heit auszugeben.
sche Kraftakt, die Mindestlohn-Richtlinie
durchzusetzen und soziale Rechte über-        MINDESTSTANDARDS BEI DER                                  88% SAGEN, EIN SOZIALES
                                                                                                        EUROPA IST WICHTIG.
all in der der EU zu stärken.                 MITBESTIMMUNG

Die Bremser beim Mindestlohn und              Oliver Röpke erwartet sich konkrete Lö-
bei anderen Initiativen für ein Soziales      sungen von der derzeit tagenden Konfe-
Europa sind die Arbeitgeberverbände.          renz zur Zukunft Europas. Die Gruppe der

                                                                                                                                    13
KOMPETENZ 3 / 2021

 URLAUB IN                                                                                                  „Die Ergebnisse der Befragung zeigen,
                                                                                                            dass die Corona-Pandemie sich stark auf
                                                                                                            das Urlaubsverhalten der unselbständig

 CORONAZEITEN                                                                                               Beschäftigten ausgewirkt hat. Die Men-
                                                                                                            schen brauchen dringend Normalität
                                                                                                            auch beim Urlaub und bei der Erholung.
                                                                                                            Insbesondere Eltern wissen, wie anstren-
                                                                                                            gend und fordernd die Betreuung schul-
                                                                                                            pflichtiger Kinder im Homeschooling
                                                                                                            war. Hinzu kommt, dass die Ausnahme-
                                                                                                            situation viele von uns unter enormen
                                                                                                            psychischen Stress gesetzt hat“ sagt die
                                                                                                            Vorsitzende der Gewerkschaft GPA Bar-
                                                                                                            bara Teiber. „Arbeitgeber und die Poli-
                                                                                                            tik müssen alles tun und Rahmenbedin-
                                                                                                            gungen schaffen, dass die Bevölkerung
                                                                                                            den Urlaub wieder für Erholung und
                                                                                                            Reisen nutzen kann. Dazu gehört auch,
                                                                                                            dass das Recht auf Nicht-Erreichbarkeit
                                                                                                            während des Urlaubs auch tatsächlich
                                                                                                            gelebt wird“, forderte Teiber im Rahmen
                                                                                                            einer Pressekonferenz. „Aus zahlreichen
                                                                                                            Beratungsgesprächen und Rückmeldun-
                                                                                                            gen unserer Betriebsräte und Betriebsrä-
GPA-Vorsitzende Barbara Teiber und IFES-Geschäftsführerin Eva Zeglovits präsentieren die Befragungsergeb-   tinnen wissen wir, dass der Arbeitsdruck
nisse zur Urlaubsnutzung.
                                                                                                            im vergangenen Jahr stark gestiegen ist.
                                                                                                            Die Beschäftigten brauchen die sechste
                                                                                                            Urlaubswoche daher dringender denn
Nach schier endlosen                                  die Hälfte der Befragten spart sich auch              je.“ ●
anstrengenden Pande-                                  in Hinkunft Urlaub für Kinderbetreuung                                         LUCIA BAUER
                                                      oder Pflege auf.
miemonaten war der
Sommerurlaub heuer für
viele ÖsterreicherInnen
                                                      Personen mit niedrigem Einkommen so-
                                                      wie ArbeitnehmerInnen, deren Einkom-
                                                                                                              6. URLAUBS-
besonders wichtig. Wir                                menssituation sich seit Beginn der Co-
                                                      rona-Krise verschlechtert hat, geben am
                                                                                                              WOCHE
haben 800 unselbständig
                                                      häufigsten an, dass sie seit der Corona-
Beschäftigte in ganz Ös-                              Krise ihren Urlaub nicht selbstbestimmt
terreich dazu befragt, wie                            planen konnten. Mehr als die Hälfte der                 86% befürworten
die Pandemie ihr Urlaubs-                             Befragten gab an, mindestens zwei Wo-                   6. Urlaubswoche
                                                      chen Urlaub am Stück zu benötigen, um
verhalten verändert hat.                                                                                      für alle.
                                                      erholt zu sein. Nur 12 Prozent können je-
Die Ergebnisse der Befragung durch das                doch einen Urlaub von drei Wochen oder
IFES-Institut zeigen, dass die Corona-                länger nehmen. Die Forderung nach ei-
Pandemie sich stark auf das Urlaubsver-               ner sechsten Urlaubswoche wird von 86
halten der unselbständig Beschäftigten                Prozent der Befragten unterstützt.
                                                                                                                                                                   Ketzer; Quelle: Ifes-Befragung

ausgewirkt hat. Bei der Frage nach der
Nutzung des Urlaubs in der Corona-Kri-                ERREICHBARKEIT IM URLAUB
se gaben 40 Prozent an, diesen nicht für
Reisen und Erholung genutzt zu haben.                 Besonders überraschend war, dass zwei                                 86%
Fast die Hälfte aller Personen mit Kin-               Drittel der Beschäftigten im Urlaub für
                                                                                                                                                       Foto: Edgar Ketzer

dern unter 15 Jahren im Haushalt nutz-                ihren Arbeitgeber erreichbar sind, ein
te seit Beginn der Corona-Krise ihren                 Drittel gab sogar an, jederzeit für den
Urlaub (auch) für Kinderbetreuung. Fast               Chef oder die Chefin verfügbar zu sein.

14
Foto: Edgar Ketzer; Quelle: Ifes-Befragung   FOTOGRAMM/URLAUBSNUTZUNG
KOMPETENZ 3 / 2021

MEILEN-
WEIT VON
50:50
ENTFERNT
Die Pandemie hat gezeigt,
dass wir bei der Gleich-
stellung der Geschlechter
einer Illusion aufgesessen
sind: Frauen sind zwar zu-
nehmend erwerbstätig,
erledigen aber trotz-
dem mehr Hausarbeit
und Kinderbetreuung.

Während des ersten besonders strengen
Lockdowns der Corona-Krise im Früh-
jahr 2020 fiel plötzlich in den Haushalten
extrem viel Arbeit an, die normalerweise
ausgelagert werden konnte: Kindergär-
ten und Schulen waren geschlossen, die       Homeoffice nun sehen, wie viel Zeit ihre   Partner. Und während Alleinerzieherin-
Großeltern konnten nicht einspringen.        Frauen für Haushalt und Kinder aufwen-     nen mit knapp 15 Stunden Arbeit - davon
                                             den und wären dann – so die optimisti-     9 Stunden unbezahlte Hausarbeit und
Diese Situation bot die Möglichkeit, den     sche Annahme - eher bereit, mehr von       Kinderbetreuung - pro Tag am meisten
Effekt von Homeoffice auf die Verteilung     dieser unbezahlten Arbeit zu überneh-      arbeiteten, leisteten auch Mütter in Paar-
unbezahlter Arbeit in Haushalten zu un-      men. Zum anderen aber wissen wir aus       haushalten nur knapp weniger, nämlich
tersuchen. Die Ökonomin Katharina Ma-        der Vergangenheit, dass Krisen tradi-      14 ¼ Stunden, davon 9 ½ unbezahlt. Vä-
der von der WU Wien hat - zusammen mit       tionelle Rollenbilder verstärken, wo der   ter in Paarhaushalten hingegen arbeite-
ihrem Team und in Kooperation mit der        Mann der Familienernährer ist und die      ten 13 ¾ Stunden, davon 7 unbezahlt.
AK Wien - diese einmalige Gelegenheit        Frau sich um Haushalt und Kinder küm-
ergriffen um nachzuforschen, wie sich        mert. Die Krise würde daher, so die pes-   Insgesamt zeigen die Zahlen, dass Ho-
solche besonderen Umstände auf die Ar-       simistische Annahme, einen Rückschritt,    meoffice und „zu Hause sein“ die Rollen-
beitsteilung in Haushalten auswirken und     ein sog. Roll-back, mit sich bringen.      bilder bzw. das Rollenverhalten verstärkt.
was genau sich verändert. Homeoffice                                                    Frauen übernahmen mehr Kinderbetreu-
wird gerne als eine Möglichkeit gesehen,     ARBEITSTEILUNG IM LOCKDOWN                 ung und Homeschooling.
die Frauen die Vereinbarkeit von Kinder-
betreuung und Beruf erleichtern kann.        Wie wirkten sich nun Homeoffice auf        Je jünger die Kinder sind, desto mehr
Ob und in welchem Ausmaß das der Fall        die Arbeitsteilung von Paaren – mit        unbezahlte Tätigkeiten werden von den
ist, konnte davor in Österreich noch nicht   oder ohne Kindern – unter den stark        Müttern übernommen. Im Lockdown wa-
systematisch untersucht werden.              verschärften Bedingungen des ersten        ren aber gerade die Schulkinder, und
                                             Lockdowns aus? Für Paare ohne Kinder       ganz besonders die Volksschulkinder,
Es gab, so Katharina Mader, zu Beginn        änderte sich vergleichsweise wenig. Müt-   durch das Homeschooling eine große
                                                                                                                                     Foto: Pexels

des Projekts zwei grundlegende Hypo-         ter mit Kindern unter 15 arbeiteten hin-   Arbeitsbelastung für ihre Mütter: Insge-
thesen: Zum einen würden Männer im           gegen deutlich mehr als ihre männlichen    samt arbeiteten diese Mütter 14 ½ Stun-

16
GLEICHSTELLUNG

den täglich und übernahmen 2 ½ Stun-         keinen Freizeitgewinn. Mütter, die im         „Wenn eine Gesellschaft nach mehr
den mehr Kinderbetreuung als die Väter,      Homeoffice arbeiten, kümmern sich bis         Geschlechtergerechtigkeit strebt, dann
während die Väter im Schnitt 2 Stunden       zu drei Stunden täglich länger um ihre        muss es auch ganz wesentlich um die un-
pro Tag länger erwerbstätig waren.           Kinder als Mütter, die auswärts arbei-        bezahlte Arbeit im Privaten gehen.“ War-
                                             ten; zugleich verrichten diese Frauen         ten wir daher nicht bis zur nächsten Krise,
Doch auch in Haushalten, in denen die        auch rund eine Stunde mehr Erwerbs-           um wieder über Geschlechtergerechtig-
Kinder über 14 waren und daher weniger       arbeit täglich. Und schließlich küm-          keit zu sprechen. ●
Betreuung benötigten, leisteten Frauen       merten sich Väter im Homeoffice - im
immer noch 1,5 Stunden mehr an un-           Vergleich zu Vätern am externen Arbeits-                              BARBARA LAVAUD
bezahlter Arbeit als Männer und waren        platz - nicht mehr Zeit um ihre Kinder,
auch eine halbe Stunde kürzer erwerbs-       sie leisteten aber meist Überstunden.
tätig. Dass die Erwerbsarbeit der Väter      Homeoffice veränderte also schon vor
oft höher gewichtet wurde, zeigt sich        Corona nicht die Arbeitsteilung oder die
auch darin, dass sie seltener mit den Kin-   Geschlechterrollen.
dern im selben Raum arbeiteten.                                                               DER WERT DER
MÄNNERARBEIT IST MEHR WERT
                                             ARBEITSTEILUNG NEU VERHANDELN
                                                                                              UNBEZAHLTEN
                                             Mader und ihr Forschungsteam kommen              ARBEIT
Daraus leitet Mader ab: „Sowohl die Ar-      zu dem Schluss, dass Homeoffice, auch
beit der Väter, als auch die Freizeit der    bei normalen Rahmenbedingungen wie               Arbeitszeiterhebungen von vor
Väter, wurde im Lockdown über jene der       geöffneten Schulen und Kindergärten,             der Krise haben gezeigt, dass
Mütter gestellt.“ Die Mütter mussten zu-     nur bedingt ein Instrument sein kann, um         die Frauen zwei Drittel der un-
gunsten von Kindern und Haushalt ent-        die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Fa-         bezahlten Arbeit übernehmen,
weder in ihrer Erwerbsarbeit zurückste-      milie zu fördern. „Die Diskussion um einen       zwei Drittel der bezahlten Arbeit
cken, oder eben auf Kosten ihrer Freizeit    Ausbau von Homeoffice sollte vielmehr in         die Männer. Das sind, für die
mehr Stunden insgesamt arbeiten.             erster Linie von der Argumentation, dass         gesamte Volkswirtschaft gerech-
                                             sie Vereinbarkeitsfragen lösen würde,            net, rund 9 Milliarden Stunden
» Wenn eine Gesellschaft                     entkoppelt werden“, so Mader. Folglich           bezahlte Arbeit und ebenso viele
                                                                                              (!) Stunden unbezahlte Arbeit.
nach mehr Geschlechter-                      ist der Ausbau von flächendeckender
                                             und leistbarer Kinderbetreuung nach wie          Wenn man nun diese Stunden
gerechtigkeit strebt, dann
                                             vor enorm wichtig und darf nicht mittels         mit Löhnen aus den jeweiligen
muss es auch ganz wesent-                    Homeoffice unterlaufen werden. Mader             Dienstleistungsgewerben be-
lich um die unbezahlte                       sieht in der aktuellen Krise kein Potential      wertet – also KinderbetreuerIn,
                                                                                              Koch/Köchin, Haushaltshilfe oder
Arbeit im Privaten gehen.«                   zur besseren Arbeitsteilung in Haushal-
                                             ten.                                             Reinigungshilfe – und zur Berech-
Katharina Mader                                                                               nung die jeweils durchschnitt-
                                             Insgesamt erledigen zwar heute Män-              lichen Stundenlöhne von 11 bis 12
Knackpunkt für den Verlauf dieser un-        ner bzw. Väter mehr Stunden an unbe-             Euro heranzieht, so ergibt das 100
                                                                                              bis 105 Milliarden Euro erwirt-
gleichen Arbeitsteilung ist übrigens fast    zahlter Haus- und Sorgearbeit. Trotzdem
                                                                                              schaftete Arbeit: das sind 27 bis
immer das erste Kind: selbst wenn Paare      sind wir von einer 50:50 Situation, wie
                                                                                              35 Prozent des BIP!
sich auf eine gerechte Arbeitsteilung im     sie in etwa in den 90er-Jahren gefordert
Haushalt geeinigt hatten, so übernimmt       wurde, noch meilenweit entfernt. Denn
mit dem ersten Kind die Frau einen Groß-     obwohl die Frauen im Laufe der letzten           WERT DER UNBEZAHLTEN ARBEIT
                                                                                              = 100 MILLIARDEN EURO
teil der damit verbundenen unbezahlten       Jahrzehnte immer mehr Stunden an Er-
Arbeit. Dieses Ungleichgewicht verrin-       werbsarbeit leisteten, hat die unbezahlte
gert sich zwar, je größer das Kind wird,     Arbeit zu Hause nicht im entsprechenden                           = 1/3 DER GESAMTEN
verschwindet aber nie zur Gänze.             Ausmaß abgenommen. Sprich: in Sum-                                WIRTSCHAFTSLEISTUNG
                                                                                                               ÖSTERREICHS
                                             me leisten Frauen deutlich mehr Arbeits-
KEIN FREIZEITGEWINN                          stunden, bezahlt und unbezahlt, als ihre
IM HOMEOFFICE                                Partner. Das hat die Lockdown-Situation
                                             offengelegt.
Studien zu Homeoffice aus Deutsch-
land aus der Zeit vor Corona konnten         Die Arbeitsteilung zwischen Paaren muss                   Quelle: Berechnung der WU Wien

bereits zeigen: Homeoffice bringt Eltern     neu verhandelt werden, fordert Mader:

                                                                                                                                        17
KOMPETENZ 3 / 2021

                Was passiert eigentlich mit unseren
                Sozialversicherungsbeiträgen?
                         1 Euro Sozialversicherung teilt sich auf in...
                                                                                 AK-UMLAGE
                                       WOHNBAUFÖRDERUNG                          1 CENT
                                       3 CENT
                                                                                    INSOLVENZENTGELTSICHERUNG
                                    UNFALLVERSICHERUNG                              1 CENT
                                    4 CENT
                                                                                                 KRANKENVERSICHERUNG
                                                                                                 19 CENT
                        ARBEITSLOSENVERSICHERUNG
                        15 CENT

                                                                                  PENSIONSVERSICHERUNG
                                                                                  57 CENT

                                                                                                         Quelle: ÖGK

                ABGABEN. Wir haben für dich zusammengestellt, wie sich ein Euro Sozialversicherung eigentlich
                aufteilt. Mit deinen monatlichen Sozialversicherungsbeiträgen stellst du sicher, dass du abge-
                sichert bist, wenn du: krank oderarbeitslos wirst, einen Unfall hast oder dein Arbeitgeber pleite
                macht oder du einfach in Pension gehst.

                Außerdem wird davon deine Mitgliedschaft in der Arbeiterkammer finanziert. Ein geringer Anteil
                geht auch in den sozialen Wohnbau.

                             H om eoffice?
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                         https://

18
KURZMELDUNGEN

                 Kollektivvertrag für Zeitungsdrucker
                                                                        druckereien, welche Zeitungen im Rollendrucke
                                                                        produzieren. Er sieht neben einer Anpassung der
                                                                        Löhne und Gehälter auch innovative Elemente wie
                                                                        die leichtere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche
                                                                        und ein betriebliches Bildungsmanagement vor.

                                                                        „Für uns ist es ein wichtiger Schritt und ein Signal,
                                                                        dass auch in den Bereichen Rollen- und Bogen-
                                                                        druck rasch eine neuer Kollektivvertraq zustande
                                                                        kommt. Das neue Regelwerk schafft Rechtssicher-
                 Michael Ritzinger
                                                                        heit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Eini-
                 Vorsitzender des GPA Wirtschaftsbereichs Druck
                                                                        gung gibt den Kolleginnen und Kollegen Zukunfts-
                                                                        sicherheit und Perspektiven“, so der Vorsitzende
                 KOLLEKTIVVERTRAG. Für die 1.600 Beschäftigten          des Wirtschaftsbereichs Druck in der Gewerkschaft
                 in Zeitungsdruckereien gilt ab sofort ein neuer        GPA, Michael Ritzinger
                 Kollektivvertrag. Damit ist der vertraglose Zustand
                 für diesen Bereich, der seit dem Jahr 2017 besteht,    Die Beschäftigten im grafischen Gewerbe haben
                 beendet.                                               seit Mai 2017 keinen neuen Kollektivvertrag, weil
                                                                        das Bundeseinigungsamt dem Antrag des Ver-
                 Die GPA hat sich darauf mit dem Verband Öster-         bands Druck & Medientechnik, nicht länger Kol-
                 reichischer Zeitungen (VÖZ) geeinigt. Der Kollek-      lektivvertragspartner sein zu wollen, stattgegeben
                 tivvertrag gilt für DienstnehmerInnen in Zeitungs-     hatte.

               Vielen Frauen droht                                                               T   ER-
                                                                                       E N U  N
                                                                                   LOS
               Altersarmut                                                ARBEITS      DE R
                                                                              T ZU N G
               PENSION GAP. Frauen verdienen nicht nur weniger als        STÜ
                                                                                  K S C H A FT GPA
                                                                           GEWER
               Männer, sie erhalten auch weniger Pension: 42 Prozent
                                                                                                            g
               beträgt der Pension Gap zwischen Frauen- und Män-                                   rstützun
                                                                                           senunte
                                                                                                            Arbeitslo
               nerpensionen. Hauptursache dafür sind die Lohnunter-
                                                                                    a b e  n   d  ie GPA-
                                                                             Wir h                                                                      er
               schiede während des Erwerbslebens und die unge-                                                                             rlage ein
                                                                             verbess
                                                                                         ert.
                                                                                                                    m   s t d u bei Vo               h
               rechte Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit                                   d bekom                 Euro mo
                                                                                                                                             natlic
                                                                                          -Mitglie                u 200,-
               andererseits. Kein Wunder, dass Frauen viel häufiger           Als GPA                    g b is z                           s engeld!
                                                                                   S - B e  s tätigun                h  e  n  A rbeitslo
               von Altersarmut betroffen sind als Männer.                     AM                          esetzli  c                                 tzung?
                                                                                  s ä tz li c h zum g                         s lo s e n unterstü
                                                                               zu                                      beit
                                                                                                           GPA-Ar                                 s
                                                                                              h ist die                                 e deine
                                                                                Wie hoc                       ic h  d  a  s 6-fach              d e r letzten
                                                                                        rh  ä  lt s t monatl               e d s b e itrages
                                                                                Du e                                    li
                                                                                                           en Mitg
                 MÄNNERPENSION                                                   durchsc
                                                                                                hnittlich
                                                                                                                                                  h?
                                                                                 12 Mon
                                                                                               ate.                                   Anspruc
                                                                                                              n g e  h  abe ich                        die
                                                                                                 nd wie la                                ältst du
                                                                                  Wann u                                d  s c haft erh
                                                                                                   Jahren
                                                                                                            Mitg   li e                      te lan .g
                                                                                   Nach 2                                   n g  3 Mona                te.
                                            FRAUENPENSION -42%                                                 rstü   tz u
                                                                                                                                            6 Mona
                                                                                                      senunte                   haft für
                                                                                    Arbeitslo                Mitg    li e d s c
                                                                                                    Jahren
                                                                                     Nach 3
Foto: Pexels

                                                                                                                                                                19
KOMPETENZ 3 / 2021

FAKTENCHECK:
IMPFEN UND
ARBEITSRECHT
ArbeitgeberInnen können und sollen
Aufklärungsarbeit leisten, aber keinen
Druck ausüben. Dieser Faktencheck soll
helfen, die Komplexität des Themas
besser zu verstehen.

 ?  GIBT ES EINE IMPFPFLICHT FÜR              ?  WAS BEDEUTET „FÜRSORGE-                wurde. Besteht beispielsweise eine Ver-
BESTIMMTE BERUFSGRUPPEN?                     PFLICHT?“                                  pflichtung für Beschäftigte, sich alle
                                                                                        sieben Tage testen zu lassen, darf der
                                                                                        Arbeitgeber nicht mehrere Tests pro Wo-
      Derzeit nicht. Aus rechtlicher Sicht        Die Fürsorgepflicht des/der Arbeit-   che verlangen.
gibt es daher keine Berufsgruppe, die        geberIn dient dazu, die Beschäftigten
ihre Tätigkeit nur geimpft ausüben darf.     vor gesundheitlichen Schäden zu schüt-
                                             zen. Viele ArbeitgeberInnen verlangen       ?  MÜSSEN BESCHÄFTIGTE
Der Gesetzgeber hätte allerdings unter       von ihren MitarbeiterInnen Auskunft,       IHREM ARBEITGEBER SAGEN, OB
bestimmten Voraussetzungen die Mög-          ob sie geimpft sind und berufen sich       SIE GEIMPFT SIND?
lichkeit, für bestimmte Berufsgruppen        dabei auf die Fürsorgepflicht. Die Für-
eine Impfpflicht zu verfügen, nämlich        sorgepflicht verlangt von Arbeitgeber-
dann, wenn dies zum Schutz der Gesund-       nInnen aber auch, die Grund- und Per-            Der Impfstatus ist ein Gesundheits-
heit oder zum Schutz der Rechte und          sönlichkeitsrechte der Beschäftigten zu    datum, das besonders geschützt ist. (Da-
Freiheiten anderer notwendig wäre.          wahren.                                    tenschutz!). Grundsätzlich gilt, dass Ar-
                                                                                        beitnehmerInnen den ArbeitgeberInnen
                                             Im Arbeitsverhältnis wird die Fürsorge-    keine Auskunft über Gesundheitsdaten
 ? KANN DER ARBEITGEBER EINE                 pflicht im Zusammenhang mit COVID-19       erteilen müssen.
IMPFUNG ANORDNEN?                            durch Gesetze und Verordnungen de-
                                             finiert. Der/die ArbeitgeberInnen muss     Bei bestimmten Berufsgruppen muss
                                             Auflagen erfüllen und hat ein Weisungs-    man allerdings abwägen. Bestünde eine
    Nein. Das bedeutet allerdings nicht,     recht. Gesetze und Verordnungen be-        gesetzliche Verpflichtung, sich impfen
dass es für Ungeimpfte unter gewissen        grenzen die Fürsorgepflicht allerdings     zu lassen, bestünde selbstverständlich
Umständen nicht zu arbeitsrechtlichen        auch. ArbeitgeberInnen dürfen nicht        auch eine diesbezügliche Auskunfts-
                                                                                                                                    Foto: iStock

Konsequenzen kommen könnte.                  mehr verlangen, als vorgeschrieben         pflicht.

20
FAKTENCHECK

Unterliegen bereits geimpfte Beschäftig-      nicht rechtswidrig handeln. Sie dürfen       nen (Impf-Slots). Wenn und soweit der
te einer Testpflicht, müssen sie, wenn sie    ihre Tätigkeit auch ungeimpft verrichten.    zugeteilte Impftermin in die Arbeitszeit
nicht regelmäßig testen gehen wollen,                                                      fällt, ist der/die ArbeitnehmerIn für die
den Impfstatus nachweisen (3-G). Der/         Es wird aber zu prüfen sein, welche Tä-      Wegzeit und die Zeit der Impfung dienst-
die ArbeitgeberIn darf allerdings weder       tigkeit der/die Betroffene verrichtet und    verhindert. Das Entgelt muss daher auch
Kopien des Nachweises anfertigen noch         mit welchen Personengruppen er/sie in        für diese Zeit bezahlt werden. Kann der
die Information speichern und verarbei-       Kontakt kommt. Auch hier gilt, dass der/     Impftermin allerdings frei gewählt wer-
ten.                                          die Arbeitgeberin sämtliche gelinderen       den, liegen diese Voraussetzungen nicht
                                              Schutzmaßnahmen ausgeschöpft haben           vor. Es ist also stets im Einzelfall zu prüfen.
Auch wenn eine konkrete Gefahr für die        muss.
körperliche Unversehrtheit anderer (vul-
nerabler) Personen besteht, wird eine Inte-   Grundsätzlich können Kündigungen ohne         ?  KANN IM ARBEITSVERTRAG
ressenabwägung hinsichtlich Auskunfts-        Begründung ausgesprochen werden.             VEREINBART WERDEN, DASS
pflicht wohl zu Lasten der Beschäftigen        Im Regelfall besteht allerdings die Mög-    BESCHÄFTIGTE SICH IMPFEN
ausfallen. Gesundheits-/Pflegepersonal        lichkeit, eine Kündigung vor Gericht an-     LASSEN BZW. AUF ANORDNUNG
wird im Regelfall auskunftspflichtig sein.    zufechten. In diesem Fall muss der Arbeit-   DER ARBEITGEBERINNEN AUFFRI-
                                              geber die Kündigungsgründe angeben.          SCHUNGSIMPFUNGEN VORNEHMEN?
Das gilt sinngemäß auch für Bewerbe-          Aufgabe des Gerichtes ist es dann, eine
rInnen.                                       Abwägung der Interessen vorzunehmen.
                                                                                                 Geht man davon aus, dass Vertrags-
                                                                                           parteien – erwachsene und mündige
 ?  DARF DER/DIE ARBEITGEBERIN                 ?  DARF DER/DIE ARBEITGEBERIN               Menschen – solche Regelungen treffen
NICHT GEIMPFTE PERSONEN VER-                  NICHT GEIMPFTE PERSONEN ENT-                 können, lautet die Antwort ja. Es stellt
SETZEN?                                       LASSEN?                                      sich allerdings die Frage, ob im Arbeits-
                                                                                           verhältnis, in dem bekanntlich ein wirt-
                                                                                           schaftliches Ungleichgewicht herrscht,
      Hier ist im Einzelfall zu prüfen,           Im Regelfall nicht. Der/die Arbeit-      ein/e BewerberIn bzw. ArbeitnehmerIn
ob eine Versetzung an einen weniger           nehmerIn setzt keinen Entlassungsgrund,      eine solche Einwilligung überhaupt frei-
gefahrengeneigten       Arbeitsplatz   im     sondern macht von dem Grundrecht Ge-         willig geben kann oder ob sie nicht viel-
Rahmen des Arbeitsvertrages erfolgt           brauch, sich nicht impfen zu lassen.         mehr unter dem Druck, den Arbeitsplatz
oder nicht. Tätigkeiten, die nicht in den                                                  zu bekommen bzw zu behalten, abgege-
arbeitsvertraglich bestimmten Aufga-                                                       ben wird. Solche Vertragsklauseln müs-
benbereich der ArbeitnehmerInnen fal-          ?  MÜSSEN SICH IMPFWILLIGE BE-              sen im Einzelfall jedenfalls genau geprüft
len, darf der/die Arbeitgeberin nicht         SCHÄFTIGTE IN DER BETRIEBLICHEN              werden. ●
verlangen. Außerdem ist stets auf die         IMPFSTRASSE IMPFEN LASSEN?                                            ANDREA KOMAR
Mitwirkungsrechte des Betriebsrates zu
achten liegt z.B. eine dauernde und ver-
schlechternde Versetzung vor, bedarf                 Natürlich nicht. Unternehmen, die          DIE GPA HILFT
diese auch der Zustimmung des Be-             betriebliche Impfungen ermöglichen,
triebsrates.                                  machen der Belegschaft ein Angebot,               GPA-Mitgliedern steht ein viel-
                                              dessen Annahme freiwillig erfolgt. Wer            fältiges Beratungsangebot zu
                                              will, kann sich auch anderweitig impfen           arbeitsrechtlichen Fragen zur
 ?  DARF DER/DIE ARBEITGEBERIN                lassen.                                           Verfügung. Nicht-Mitglieder
NICHT GEIMPFTE PERSONEN KÜN-                                                                    können unter 050301-301 eine
DIGEN?                                                                                          kostenlose Erstberatung in An-
                                               ? IST DIE TEILNAHME AN EINER                     spruch nehmen.
                                              IMPFUNG EINE DIENSTVERHINDE-
     Diese Frage kann nicht allgemein         RUNG MIT ENTGELTFORTZAHLUNGS-
beantwortet werden, die Umstände des          ANSPRUCH?
Einzelfalles sind zu prüfen.

Grundsätzlich besteht keine gesetzliche            Es ist davon auszugehen, dass die
Impfpflicht, weswegen Beschäftigte, die       Impfzeiten gar nicht oder nur sehr ein-           www.gpa.at
sich nicht impfen lassen wollen, auch         geschränkt selbst bestimmt werden kön-

                                                                                                                                      21
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