Museumskurier - Sächsisches Industriemuseum
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32. Ausgabe ▪ Dezember 2013 Museumskurier des Chemnitzer Industriemuseums und seines Fördervereins Roboterschweißzelle von VW im Industriemuseum S. 10 Sonderausstellung zur Geschichte der Arbeiterbewegung 1863 - 2013 S. 14 Schutzgebühr 2,00 ¤ ISSN 1862-8605 Das SPIELEmuseum Chemnitz stellt sich vor S. 8 www.saechsisches-industriemuseum.de
2 Museumskurier 12|2013 Aktuelle Hinweise www.saechsisches-industriemuseum.de I. Halbjahr 2014 Ausstellungen Vortragsreihe Sonntagsmatinee jeweils 10:30 Uhr 30.10.2013 bis 01.05.2014 Durch Nacht zum Licht? Geschichte der Arbeiterbewe- 26.01.2014 gung 1863-2013 Dr. Ernst Canzler Eine Ausstellung des TECHNOSEUMS Mannheim in Ehrenmal der Röntgenologen und Radiologen aller Kooperation mit dem Sächsischen Industriemuseum Nationen Chemnitz 23.02.2014 03.04. bis 01.05.2014 Prof. Dr. Arnold van Zyl, TU Chemnitz „Nicht mit uns! Sächsische Gewerkschafter im Wider- Bildungsstandort Chemnitz stand gegen die nationalsozialistische Diktatur“, Wanderausstellung des DGB 30.03.2014 Birgit Eckert, SCHÖNHERR WEBA GmbH 11.04. bis 01.07.2014 Die Schönherrfabrik Gestern − Heute − Morgen Adolf Bleichert, Seilbahnen, Leipzig Ausstellung zum 140. Gründungsjubiläum der Firma in 27.04.2014 Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Wirtschaftsar- Daniela Walther, TU Bergakademie Freiberg chiv e. V. in Leipzig, dem Bürgerverein Gohlis e. V. − Industriedenkmale und der Umgang damit Förderverein Heinrich-Budde-Haus e. V. und den Dresd- ner Verkehrsbetrieben AG [DVB AG] − Gruppe Berg- 25.05.2014 bahnen Dietrich Mauerhoff, Ottendorf Industrieglas und chemisch verfestigte Hartgläser Vorträge und Veranstaltungen 29.06.2014 Gießertreffen Im Rahmen der Sonderausstellung „Durch Nacht zum Licht?...“ Veranstaltungen des FIM Unser Begleit- 13.12.2013 Jahresendfeier programm zur Sonderaus- 08.02.2014 Jahreshauptversammlung stellung finden Sie auf Seite 17 Foto: Daniela Schleich (r.) Museumskurier_Dez_13.indd 2 04.12.2013 12:06:51
3 12|2013 Museumskurier Editorial Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde des Industriemuseums Chemnitz, neben den im Kalender 2013 ausgewiesenen Sonderausstellungen, Matineen und Veranstaltungen galt es, die Hauptaufgabe, das neue Konzept für die Dauerausstellung zu erarbeiten. Das neue Konzept und die Umgestaltung der Dauerausstellung sind zugleich die Brücke zwischen den Jahren 2013 und 2014. Die Sonderausstellungen „Zinn-Welten“, „Reiz & Scham“, „Textil- Inhalt druckmodel − die Sammlung Blum“, „Poesie des Funktionalen“, „Durch Nacht zum Licht?“, die Sonntagsmatineen, museumspäda- 02 Aktuelle Hinweise gogische Angebote und Projekttage, Chemnitzer Museumsnacht, 03 Editorial & Inhalt Ferienangebote und Angebote zum Jahreswechsel, all dies waren 04 Gemeinsam geht es besser Besuchermagnete in diesem Jahr. Der Freundeskreis technikhistorische Museen stellt sich vor Dennoch wird sich das Jahr 2014 anders gestalten. Um das neue 06 Erlebnis Eisenbahn − Das Sächsische inhaltliche und gestalterische Konzept bis Ende 2014 umsetzen zu Eisenbahnmuseum können, müssen im Jahr 2014 ab Februar die DKW-Ausstellung| 08 Das Deutsche SPIELEmuseum e. V. Motorenwerkstatt und ab Juli die Dauerausstellung geschlossen Chemnitz werden. 10 Moderne Anlagen der Automobilin- dustrie im Industriemuseum Die Arbeitsgruppen des Fördervereins haben gute Arbeit geleistet, 12 Die Fliegs. Heyms Familie und ihre indem sie Exponate für die neue Dauerausstellung eruiert und vor- Firmen | Teil 2 geschlagen haben. Dafür mein Dank. In den kommenden Wochen 14 Durch Nacht zum Licht? müssen wir, Museum und Förderverein, uns verständigen, welche 18 Schirmfabrik Alban Classnitz Exponate in die neue Dauerausstellung integriert werden. Auch 20 Die SAG Marten in Chemnitz − eine wenn die Meinungen dazu zuweilen unterschiedlich sein werden, Form von Reparationsleistungen uns eint ein Ziel, das Industriemuseum voran zu bringen. 22 CNC mit integrierter Rechentechnik zur Steuerung von Werkzeugma- Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien eine besinnliche Advents- schinen und Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins Jahr 2014. 24 Aus den Arbeitsgruppen: Zwei Jahre ehrenamtliche Arbeit in Wenn A für Erfolg steht, gilt die Formel: A = X + Y + Z der AGr Werkzeugmaschinen X ist Arbeit, Y ist Muße und Z heißt Mund halten. 26 „Große Chemnitzer“ Albert Einstein Berichtigung zum Artikel Prof. Münch Es grüßt Sie herzlich 27 Mitteilung der Redaktion Impressum, Autoren Andrea Riedel Museumskurier_Dez_13.indd 3 04.12.2013 12:06:51
4 Museumskurier 12|2013 Gemeinsam geht es besser Der Freundeskreis der technikhistorischen Museen stellt sich vor Wolfgang Kunze Auf Initiative der Fördervereine des Eisenbahnmuseums und des Industriemuseums trafen sich am 18. Januar 2006 Vertreter des Säch- sischen Industriemuseums Chem- nitz, des Sächsischen Eisenbahnmu- seums e. V. Chemnitz, des Straßen- bahnmuseums Kappel, des Museums für Sächsische Fahrzeuge Chemnitz e. V. und des Deutschen SPIELEmu- seums e. V. im Industriemuseum an der Kappler Drehe und gründeten den „Freundeskreis der technikhisto- rischen Museen in Chemnitz“. Ziel ist die gegenseitige Unterstützung durch gemeinsame Veranstaltungen und Werbemaßnahmen, um damit Auftritt der technikhistorischen Museen zum Stadtfest 2006 die Bedeutung von Chemnitz als Industriestadt zu stärken. Unter der Bereits im Juni 2006 gelang es dem Museen auf der ersten Chemnitzer Überschrift „Museen unter einem Freundeskreis, einen gemeinsamen Museumsmesse vom 27. Januar bis Hut − Neuer Freundeskreis gegrün- Flyer herauszugeben. Die Druck- 5. Februar 2007 in der Sonderaus- det“ berichtete die Freie Presse am kosten wurden zu 30 % von den stellungshalle des Industriemuse- 20. Januar 2006 über diesen freiwil- zwei großen Museen (Industrie- und ums Exponate aus ihren Depots, die ligen Zusammenschluss. Eisenbahnmuseum) übernommen. in den Dauerausstellungen nicht gezeigt werden können. Am Erfolg Der Sprecher des Freundeskreises, Eine erste große Aktion plante dieser 1. Museumsmesse waren Dr. Wolfram Hoschke, äußerte der Freundeskreis zum Chemnit- auch zwei Museen beteiligt, die im sich gegenüber der Zeitung: „Wir zer Stadtfest 2006. Zur Eröffnung Januar 2007 in den Freundeskreis möchten gern erreichen, dass sich des Festes bewegten die fünf Mu- aufgenommen wurden: das Ebers- alle Chemnitzer Museen zu einem seumsdirektoren die Draisine des dorfer Schulmuseum e. V. und das Freundeskreis zusammenschließen.“ Industriemuseums, die vorher von Sächsische Nutzfahrzeugmuseum Aber leider ist das bis heute ein den Straßenbahnfreunden für den Hartmannsdorf e. V. Beide Museen Wunsch geblieben, im Gegensatz zu öffentlichen Verkehr tauglich ge- bereicherten mit interessanten Ex- unserer französischen Partnerstadt macht wurde, mit Muskelkraft vom ponaten wie einem historischen Mulhouse, wo dies schon seit vielen Straßenbahnmuseum Kappel ins Schulzimmer die Ausstellung. Inter- Jahre realisiert ist. Stadtzentrum. Auf der Brückenstra- nationales Flair wurde durch die Teil- ße wurden sie von der Bürgermei- nahme der technischen Museen der Bereits am 21. März 2006 empfing sterin Frau Lüth begrüßt. In zwei Partnerstadt Mulhouse erreicht. Die die damalige Bürgermeisterin für Straßenbahnwagen präsentierten Teilnahme der Oberbürgermeisterin Jugend und Familie, Soziales, Ge- sich die fünf Mitglieder des Freun- Barbara Ludwig und von Vertretern Foto: Archiv Industriemuseum sundheit, Kultur und Sport, Heide- deskreises und verteilten den ge- der Staatsregierung Sachsens an marie Lüth, die Vertreter des neuen meinsamen Flyer. Stadtfestbesucher der Eröffnungsveranstaltung zeigte, Freundeskreises zu einem Gespräch. konnten sich auf extra verlegten dass der Freundeskreis in dem einen Sie begrüßte seine Ziele und ver- Gleisen im Draisinefahren erproben. Jahr seines Bestehens viel erreicht sprach, sie mit den Mitteln der Stadt hatte. zu fördern, was sie in ihrer Amtszeit Nach gewissenhafter Vorbereitung auch tat. zeigten die fünf technikhistorischen Museumskurier_Dez_13.indd 4 04.12.2013 12:06:52
5 12|2013 Museumskurier Die 2. Museumsmesse der nunmehr sieben dem Freundeskreis angehö- renden Museen wurde vom 29. bis 31. August 2008 im Eingangsbe- reich des Industriemuseums durch- geführt. Hier zeigte es sich, dass die Platzverhältnisse nicht ausreichend waren und man über bessere Lö- sungen nachdenken sollte. So kam die Einladung der Messe Chemnitz, auf der am 20. September 2009 stattfindenden Oldtimermesse in der Chemnitzarena mit einem gemein- samen Stand aufzutreten, gerade recht. Seitdem gehört die jährlich durchgeführte Oldtimermesse zum festen Bestandteil der Präsentation des Freundeskreises. Höhepunkt war dabei die Gestaltung des 250 m² großen Hauptstandes anlässlich des Jubiläums „125 Jahre Wanderer“ im Festumzug zum 100. Geburtstag des Neuen Rathauses Chemnitz im September 2011 Jahr 2010. Wie der große Festumzug mit dem Im Jahr 2011 gestaltete der Freun- menschluss von Museen und Ver- Lokomotivtransport im Hartmann- deskreis, der nunmehr auf zehn einen, die sich der Industriekultur Jahr 2009, der vom Eisenbahnmuse- Museen angewachsen war, mit verbunden fühlen. Die gleichberech- um maßgeblich unterstützt wurde, Unterstützung der Chemnitzer tigten Mitglieder pflegen fachlichen werden die jährlich im September Wirtschaftsförderungsgesellschaft Austausch, unterstützen einander stattfindenden „Tage der Indus- CWFG einen neuen Flyer. Auf Grund und unternehmen gemeinsame Ak- triekultur“ hauptsächlich von der der neuen Mitglieder Technikmu- tivitäten“ sich verwirklicht. Chemnitzer Wirtschaftsförderungs- seum Seilablaufanlage, Eisenbahn- und Entwicklungsgesellschaft mbH freunde „Richard Hartmann“ Chem- In diesem und den kommenden Hef- und den technikhistorischen Mu- nitz e. V., Bergbaumuseum Oelsnitz/ ten des Museumskuriers stellen sich seen getragen. Erzgebirge, Motorradausstellung die einzelnen Museen vor. DKW/MZ im Schloss Wildeck Zscho- pau heißt er nun „Freundeskreis Technikhistorische Museen, Region Chemnitz“. Die 2012 bzw. 2013 dem Freundes- kreis beigetretenen neuen Mitglie- der Textil- und Rennsportmuseum Hohenstein-Ernstthal und Eisen- bahnfreunde Chemnitztal e. V. be- reicherten den Gemeinschaftsstand der Oldtimermesse schon wesent- lich. Mit dem Anstieg der Mitgliederzahl von fünf im Jahr 2006 auf zwölf im Jahr 2013 wird deutlich wie gut der Leitgedanke „Der Freundeskreis Plakat der Museumsmesse 2007 Technikhistorische Museen, Region Chemnitz, ist ein freiwilliger Zusam- Museumskurier_Dez_13.indd 5 04.12.2013 12:06:52
6 Museumskurier 12|2013 Erlebnis Eisenbahn − Das Sächsische Eisenbahnmuseum Katharina Adler| Jürgen Kabus In Hilbersdorf dampft, raucht und netz. Das Verkehrsaufkommen Ende Rauchgasabführung ausgerüstet, qualmt es noch immer − mehr als des 19. Jahrhunderts stieg stetig an. welche über vier jeweils 40 Meter 110 Jahre nach der Errichtung des Die Mechanisierung und Maschini- hohe Schornsteine entlüftete. Heu- Bahnbetriebswerkes. Heutzutage sierung waren einer der Faktoren, te steht weithin sichtbar nur noch sind es nicht ausschließlich mehr weswegen das Warenangebot ex- ein Schornstein auf dem Areal. Zur Güterzug- oder Rangierlokomotiven, pandierte. Mit den bestehenden Wasserversorgung des Komplexes die im Stadtteil Hilbersdorf für einen Transportkapazitäten des Chem- diente anfänglich ein Sammel- „eisenbahnromantischen Traum" nitzer Bahnhofes sowie des nahen brunnen. Dieser reichte aufgrund sorgen. Die Mitglieder des Säch- Güter- und Rangierbahnhofes wa- der steigenden Kapazitäten und sischen Eisenbahnmuseums e. V. ren die großen Warenmengen nicht Anforderungen bald nicht mehr bieten ihren großen und kleinen mehr zu bewältigen. Mit der Errich- aus und führte zu Versorgungseng- Gästen einen spannenden Einblick tung des Ablaufberges für den Gü- pässen. Eine bessere Versorgung − eine Zeitreise − in die Welt der terverkehr im Jahre 1896 wurde der mit Brauchwasser erfolgte durch Eisenbahn. Egal ob Modellbahn, Grundstein für das spätere Bahnbe- die Errichtung der Talsperre Euba, Feldbahn oder Regelspur, das Säch- triebswerk gelegt. welche ab 1914 das Bahnbetriebs- sische Eisenbahnmuseum und sei- Die ursprünglichen Pläne sahen den werk versorgte. Zwischen 1928 und ne Exponate faszinieren. In langer Bau von drei Ringlokschuppen vor, 1930 errichtete die Firma Heckel ehrenamtlicher Arbeit konnten die mit einer Kapazität von 26 Lokomo- eine Seilablaufanlage für den Ab- vorhandenen Gebäude und Anlagen tivständen pro Schuppen. Zwischen laufberg, welche den Rangierbe- bewahrt und somit der Öffentlich- den Jahren 1899 und 1900 errich- trieb beschleunigte. Die elektrischen keit zugänglich gemacht werden. tete die Deutsche Reichsbahn auf Anlagen hierfür stammten von den dem hiesigen Areal zwei Heizhäuser. Siemens-Schuckert-Werken. Diese In den 1850er Jahren erfolgte die An- Zwei Ringlokschuppen konnten Ende für die damalige Zeit moderne Au- bindung des Industrie- und Lebens- Oktober 1900 den Betrieb auf- tomatisierungstechnologie ermögli- raumes Chemnitz an das stetig nehmen. Jeder der beiden Lok- chte die tägliche Auflösung von 100 wachsende sächsische Eisenbahn- schuppen war mit einer zentralen Zügen. Die Zahl der in Hilbersdorf behei- Foto: Ralf Bechmann, 2010 (l.u.), Ralf Bechmann, 2013 (r.u.), Archiv CWE (r.o.) mateten Lokomotiven stieg relativ konstant an, so dass die beste- henden Behandlungs- und Versor- gungsanlagen für die Lokomotiven bald nicht mehr ausreichten. Eines der Wahrzeichen des Sächsischen Eisenbahnmuseums ist der im Jahr 1956 errichtete Kohlehochbunker. So ästhetisch wie zur Nachtfo- toparade des Heizhausfestes sah dieses technikhistorische Zeugnis nicht immer aus. In seiner „Glanz- zeit" bedeckte ihn eine dicke Ruß-, Staub- und Schmutzschicht. Der von der Firma Ardelt in den 1920er Jahren entwickelte Hochkohle- Schwarzer Qualm und ein signifikantes Pfeifen verkünden weithin in Chemnitz ein industrie- bunker hatte ein Fassungsvermögen kulturelles Highlight von 100 Tonnen und ermöglichte die gleichzeitige Versorgung von Museumskurier_Dez_13.indd 6 04.12.2013 12:06:52
7 12|2013 Museumskurier motiven verschiedener Baureihen sowie einige historische Personen- und Güterwagen. Auf dem Gelände ist ebenfalls eine Feldbahnanlage mit 600 mm Spurweite verlegt. Des Weiteren gehören mehrere Modell- bahnanlagen in den Spurweiten H0 und Spur 1 zum Museum. Das Sächsische Eisenbahnmuseum e. V. präsentiert und vermittelt sei- nen Besuchern und Besucherinnen auf dem Außen- und Innengelän- de des ehemaligen Bahnbetriebs- werkes Chemnitz-Hilbersdorf Tech- nik- und Industriegeschichte zum Anfassen mit einem Schwerpunkt auf Sächsischen und Ostdeutschen schienengebundenen Fahrzeugen. In speziellen Workshops können El- tern zusammen mit ihren Kindern das Erlebnis Eisenbahn hautnah er- fahren. Der authentische Lokschup- pen lädt zu Veranstaltungen mit einer ganz individuellen Note ein, beispielsweise zu Kindergeburtsta- gen, Firmenveranstaltungen, Früh- stücksbuffet oder Präsentationen. Die museumseigene Feldbahn fährt fast jedes Wochenende. Mitfahrten auf Regelspurfahrzeugen werden Faszination Eisenbahn − ein Erlebnis für Groß und Klein jedoch nur zu Großveranstaltungen angeboten. Das Sächsische Eisen- bis zu vier Dampflokomotiven. Die historisches Technisches Denkmal bahnmuseum ist nur teilweise be- technischen Anlagen des Werkes der Produktions- und Verkehrsge- hindertengerecht ausgebaut. sind bis heute nahezu vollständig schichte dar. erhalten geblieben. Die Deutsche Anschrift: Bahn nahm das Bahnbetriebswerk Im Fahrzeugbestand des Muse- Sächsisches Eisenbahnmuseum e. V. Chemnitz-Hilbersdorf im Jahr 1996 ums befinden sich unter anderem An der Dresdner Bahnlinie 130 c außer Betrieb. Es stellt ein wichtiges Dampf-, Diesel- und Elektroloko- 09131 Chemnitz Kontakt: Telefon 0371 92092848 sowie 0157 39446646 E-Mail: info@sem-chemnitz.de Öffnungszeiten: 18. April bis 14. Dezember 2014 samstags und sonntags sowie an allen sächsischen Feiertagen, außerdem Zusatzveranstal- tungen und Sonderöffnungs- Ein ästhetisches Erlebnis der besonderen Art zeiten unter www.sem-chemnitz.de Museumskurier_Dez_13.indd 7 04.12.2013 12:06:53
8 Museumskurier 12|2013 Das Deutsche SPIELEmuseum e. V. Chemnitz „Wir spielen immer… wer’s weiß, ist klug“ − diese Weisheit Arthur Schnitzlers wurde zum Motto des Deutschen SPIELEmuseums Chemnitz. Cynthia Kempe-Schönfeld Zur Geschichte Das Deutsche SPIELEmuseum ist ein lebendiger Ort, der das Kulturgut Spiel in seiner Vielfältigkeit zeigt und die aktive Kommunikation zwi- schen den Kulturen und Generati- onen fördert. Es wurde 1986 in Hamburg gegrün- det. Nach neun Jahren erfolgreicher Arbeit in der Hansestadt erfolgten der Umzug und damit die Verlegung des Vereinssitzes nach Chemnitz. 1995 errichtete der solaris Unter- nehmensverbund das Gebäude für das Museum − damit war es der erste Museumsneubau in den neuen Bundesländern. 2011 erfolgte zur Sicherung und Gewährleistung des Standortes Chemnitz die Übernah- me der einzigartigen Sammlung in falt ihrer Anlage. Es ist gelungen, cher − knapp 12.000 im Jahr 2012 den gemeinnützigen Bereich des so- eine nahezu lückenlose Genealogie − entdecken können: laris Unternehmensverbundes (sola- aufzubauen, die die Geschichte und ris Stiftung). Veränderung sowie das thematische Games of Skill − Spiele der Fähigkei- Das Deutsche SPIELEmuseum wird Spektrum des Kulturguts Spiel zeigt. ten und Fertigkeiten betrieben durch den Deutsches Ob Schifffahrt, Eisenbahn, Auto, Lie- die Auseinandersetzung mit der SPIELEmuseum e. V. Eigentümerin be, Tod, Gesundheit, Religion, Sport, Natur, soweit wir sie begreifen und der Sammlung wie auch der Muse- Mode, Geld, Natur, Tiere… es gibt erforschen können, z. B. Baukästen, ums-Immobilie ist die solaris Stif- keinen Lebensbereich ohne Spiel. So Puzzles, Lehr- und Lernspiele, Quiz tung. gelten Spiele immer auch als Spie- gel der Zeit, in der sie entstehen. Games of Chance − Spiele des Zu- Die Sammlung falls Die Sammlung besteht aus über Besonders stolz sind wir auf unsere das Erleiden von Konsequenzen, 35.000 historischen Objekten aus Sammlung an Spielen des Jugend- über die wir keine Kontrolle haben, den letzten zehn Jahrhunderten, stils, die es in diesem Umfang kein z. B. Würfel-, Kugel-, Kreisel- und Foto: Archiv Deutsches SPIELEmuseum e. V. Chemnitz die in der Dauerausstellung, wech- zweites Mal gibt. Kartenspiele, Lotto selnden Sonderausstellungen sowie Wanderausstellungen präsentiert Die Ausstellung Games of Strategy − Strategische werden. Neben Brettspielen umfasst Die Ausstellung „Historische SPIELE Spiele der Fundus alle Spielmaterialien mit aus aller Welt“ lädt ein zu ei- die Reaktionen und Verhaltenswei- Regeln. Die Bibliothek verzeichnet ner spannenden Entdeckungsreise sen von Mitmenschen bei gleichen alte und neue Bücher der Spielli- durch die Geschichte der Spiele ein. Ausgangsbedingungen, z. B. Schach, teratur sowie Kataloge, Dokumente Sie zeigt nach der Folk Model Theo- Dame, Halma, Reversi, Go und andere spielnahe Exponate, rie, dass Spiele die vier wichtigsten Grafiken, Plakate. Lebensbereiche widerspiegeln, mit Mixed Games − Mischung der drei denen sich die Menschen auseinan- vorgenannten Kategorien Der Reiz der Sammlung − und damit dersetzen. Daraus ergeben sich vier die Simulation und Diskussion von der größte Schatz − liegt in der Viel- Spielkategorien, die unsere Besu- komplexen Zusammenhängen un- Museumskurier_Dez_13.indd 8 04.12.2013 12:06:54
9 12|2013 Museumskurier vom 1. bis 3. November kleine und große, junge und jung gebliebene spielbegeisterte zu den Spieletagen „Chemnitz SPIELt!“ ein. Drei Tage lang drehte sich alles um aktuelle Brett- und Kartenspiele, die vor Ort nach Herzenslust ausprobiert wer- den konnten. Sandmännchen-Spiel serer Zivilisation, z. B. Wirtschafts-, Chemnitz SPIELt! − Unsere größte Kriminal-, Reise- und Fantasyspiele Spieleaktion für Chemnitz Für das lokale Publikum sind die Im Spieleraum des Museums kön- ausgestellten Spiele aus DDR- nen die Besucher/innen über 2.700 Zeiten (Sandmännchen-Spiel, aktuelle traditionelle und elektro- Hütchen-Spiel, Wir sammeln Pilze nische Spiele ausprobieren und oder Der bunte Würfel) besonders spielen. Es finden regelmäßig the- spannende Exponate, da Chemnitz/ menspezifische Workshops, Spiele- Fröbels Bauschule Karl-Marx-Stadt eine reiche Spiele- aktionen und -veranstaltungen kultur besaß. Ob bei den Verlagen statt. Brückner, Zinke oder Lederbogen Pöppel, Meeple, Würfel und Co. oder unter der bekanntesten Marke machten sich auch 2013 wieder SPIKA − es erschienen zahlreiche auf den Weg in die Sachsen Allee Gesellschaftsspiele und bei nähe- Chemnitz. Gemeinsam luden das rem Hinsehen entpuppt sich die Deutsche SPIELEmuseum, die Vieh- Elektro- heutige Stadt der Moderne als ein weg Spielwaren und Freizeit GmbH nischer Baukasten Zentrum der Spieleproduktion. (Rabattz) und die Sachsen Allee Anschrift: Deutsches SPIELEmuseum Neefestraße 78 a 09119 Chemnitz Kontakt: Tel. 0371 306565 Fax 0371 3540031 E-Mail: deutsches-spielemuseum @t-online.de www.deutsches-spielemuseum.de www.facebook.com/SPIELEmuseum Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag, 13–18 Uhr Samstag, Sonntag, Feiertage, 13–19 Uhr Stadt-Land-Spielt im September 2013 Museumskurier_Dez_13.indd 9 04.12.2013 12:06:55
10 Museumskurier 12|2013 Moderne Anlagen der Automobilindustrie im Industriemuseum Die Mitglieder der AG Werkzeugmaschinen berieten mehrfach über die Aktualisierung der bestehenden Dauerausstellung. Ein Thema war die Beschaffung und Ausstellung eines neuen Roboters, der realitätsnah einen Produktionsprozess widerspiegeln sollte. Naheliegend war die Beschaffung von Robotern aus der VW- Produktion des Werkes Mosel. Jochen Schmidt Überraschend schnell ergab sich die Erfüllung dieses Wunsches, denn im VW-Werk Mosel stellte man Ende 2012 die Produktion des Golf VI ein. Die komplette Fertigungslinie sollte demontiert werden. Dank der Anregung der Arbeitsgruppe Werk- zeugmaschinen nahm die Leitung des Industriemuseums Kontakt zur Volkswagen Sachsen GmbH Zwi- ckau auf. Kurzfristig bestätigte VW unsere Bitte zur Bereitstellung eines Schweißroboters. Bei einem Besuch in Mosel erhielten Klaus Riediger, Achim Dresler und Klaus Rietschel schließlich das Angebot zur Über- Schweißanlage AFO 230 im Industriemuseum nahme einer kompletten Zelle mit vier Robotern des Herstellers KUKA Roboter GmbH Augsburg. Eingesetzt tatkräftig das Industriemuseum das Fließband liefen. So konnten wir waren sie in der Anlage der Rohbau- zu unterstützen. Vom 5. bis 7. No- erahnen, wie in etwa der Produkti- karosseriefertigung für den GOLF VI vember 2012 fuhren Hans Klein, onsablauf war. Doch viel Zeit konn- sowie einer Karosserie als Objekt zur Jochen Schmidt, Lothar Grimm, Rai- ten wir nicht dafür verwenden, galt Vorführung. ner Gründig, Klaus Rietschel, Bernd es doch, so schnell wie möglich aus Schlegel und Jürgen Hofmann aus dem Gewirr von Kabel-, Pneumatik- Die Umsetzung ging rasant schnell. den Arbeitsgruppen Werkzeugma- und Rohrtrassen die gewünschten Das Industriemuseum wurde kurz- schinen und Steuerungstechnik ge- vier Roboter zu demontieren. fristig darüber informiert, dass in- meinsam mit den Mitarbeitern des nerhalb von drei Tagen die Demon- Industriemuseums Achim Dresler Schwierig war für die Kollegen der tage des ausgewählten Objektes mit und Frank Reinholdt zu den Demon- Arbeitsgruppe Steuerungstechnik, den Kräften des Industriemuseums tagearbeiten nach Mosel. Insgesamt aus der Unmenge von Kabeln die für sowie des Fördervereines erfolgen erbrachten die beiden Arbeitsgrup- den Museumsbetrieb notwendigen muss. Nun waren die AG Werk- pen über 100 Arbeitsstunden in Mo- Kabel herauszufinden, zumal diese zeugmaschinen und Steuerungs- sel. durch den jahrelangen Betrieb in technik gefragt, da die Mitarbeiter den Kabeltrassen mit Schweißrück- des Industriemuseums allein nicht Beeindruckend für uns war die Di- ständen zugebacken waren bzw. in der Lage waren, diese umfang- mension der Fertigungsstraße, auf durch die Gesamtvernetzung aller reichen Arbeiten durchzuführen. der ca. 1,2 Mio. Golf V- und Golf Informationspunkte der Produkti- Unsere „Jugendbrigade“ mit dem VI-Karosserien gefertigt wurden. Bei onslinie große Mengen von Kabel Foto: Mingxi Li Altersdurchschnitt von über 70 Jah- der Demontage vor Ort beobachte- auch durch unsere Schweißstati- ren, sprich die erfahrenen Hasen, ten wir in unmittelbarer Nachbar- on führten. Die Roboterdemontage war gefordert, bei diesen Arbeiten schaft, wie Passat-Karosserien über setzte die Demontage dieser Kabel- Museumskurier_Dez_13.indd 10 04.12.2013 12:06:57
11 12|2013 Museumskurier kanäle zunächst voraus. In mühe- der Einhaltung des vorgesehenen einer Beleuchtung durch eine Rot- voller Handarbeit wurde diese De- Ablauftermins. Grünsteuerung, die den Karosse- montage termingerecht geschafft Aber auch die Mitglieder der AG rietransport simulieren soll. Durch und ein Transport nach Chemnitz Steuerungstechnik, die Herren Dr. eine aufblitzende LED-Lampe wird konnte erfolgen. Im Nachgang stell- Weber, Schlegel und Hofmann, der Schweißvorgang dargestellt. ten wir fest, dass alle notwendigen mussten intensiv an den Steuerungs- Schließlich bestand die Aufgabe, die Baugruppen für einen Neuaufbau schränken die „Arbeitsspuren“ be- Roboter neu zu programmieren und zur Verfügung standen. seitigen. Parallel zu diesen Reini- in Betrieb zu nehmen. Dafür konnte gungsarbeiten hatte Walter Grün- Jürgen Langer, ehemaliger Mitar- Doch mit der Anlieferung der Robo- thal, AG Werkzeugmaschinen, die beiter bei VW Chemnitz, verpflichtet ter im Depot begann die eigentliche Aufgaben der konstruktiven Bear- werden. Seine Leistungen und Ideen Arbeit sowohl für die Mitarbeiter der beitung. Dazu gehörten neue Bau- führten das Projekt letztendlich mit beteiligten Arbeitsgruppen als auch gruppen und die Aufstellungspläne. zum Erfolg. für uns wichtige Partner. Unter Lei- Es mussten neben den Aufstellungs- tung von Klaus Rietschel wurde eine varianten auch Sicherheitsaspekte Die Übergabe der Roboterzelle er- Arbeitsgruppe „Roboter“ gegründet. berücksichtigt werden. Am 17. April folgte am 25. September 2013 un- Aufgabe war es, die technische und 2013 wurde mit der Aufstellung der ter Teilnahme von Vertretern aus zeitliche Abfolge der notwendigen Baugruppen begonnen. Die Firma Wirtschaft, Politik und Medien so- Arbeiten sinnvoll zu organisieren. Es Voith GmbH bekam den Auftrag für wie den Helfern aus dem Förder- musste u. a. die Robotersteuerung, diese Leistungen, einschließlich der verein und dem Industriemuseum. die Montage der gesamten Roboter- Verlegung von erforderlichen Ver- Die Direktorin Andrea Riedel sprach station und viele Kleinarbeiten über sorgungleitungen. Voith übernahm allen Beteiligten den Dank aus und das IMC in Auftrag gegeben werden. auch den Aufbau und die Erweite- konnte hierzu die Oberbürgermei- Dazu waren entsprechende Ange- rung der Umhausung. Für die letzt- sterin und Vorsitzende des Zweck- bote einzuholen und zu bewerten. genannte Leistung trat Voith auch verbandes Barbara Ludwig, den Neben diesen vielen Koordinations- als Sponsor auf. Geschäftsführer von VW Sachsen arbeiten war es auch notwendig, die Herrn Rothenpieler und Herrn Sand- finanzielle Seite dieser Arbeiten ab- Besonderer Verdienst am Erfolg mann aus dem Werk Mosel, Herrn zusichern. Allein für den Transport gebührt auch den Vertretern der Früh vom Staatsministerium und von Mosel nach Chemnitz stellte Firma SRA GmbH Chemnitz, dem Ge- weitere Persönlichkeiten begrüßen. unser Förderverein etwas mehr als schäftsführer Herrn Schneider und Auch Presse und Fernsehen berich- 5.000 € zur Verfügung. seinem Mitarbeiter Herrn Greulich. teten von diesem Ereignis. Im Rah- Die Firma SRA übernahm die Neuer- men dieser Übergabe konnte Herr Um die Roboter und alle zugehö- arbeitung des Steuerungsprojektes. Rothenpieler den übernommenen rigen Einrichtungen im Museum Dazu erfolgten die Umrüstung in Anteil der Anlage von VW als Ge- präsentieren zu können, mussten der Steuerung, eine komplette Neu- schenk an das Industriemuseum die Ausrüstungen von den über Jah- programmierung der Zellensteue- übereignen. Gleichzeitig gab er das re angefallenen Schweißrückstän- rung sowie das neue Kabelprojekt. Versprechen ab, eine weitere gute den befreit werden. Dies erwies sich Auch hier wurden Teilleistungen ge- Zusammenarbeit mit dem Industrie- als sehr aufwändig und zeitraubend. sponsert. Stefan Sommerschuh, AG museum zu unterstützen. Einesteils sollten nach den Vorgaben Werkzeugmaschinen, befasste sich des Restaurators die Patina und die mit den Problemen der pneuma- Mit dieser Aktion hat das Industrie- Arbeitsspuren zu sehen sein, ande- tischen Steuerung und wirkte spä- museum in Zusammenarbeit mit rerseits sollten die Oberflächen vom ter aktiv bei der Inbetriebnahme der dem Förderverein ein bedeutendes Schmutz befreit werden. Besonders Pneumatik mit. Weitere notwendige Exponat zugewonnen. Wir sind si- die Flächen, die im Spritzbereich der Aktivitäten bei der Aufstellung und cher, dass die Freude unserer Mit- Schweißzangen lagen, erforderten Inbetriebnahme wurden von der arbeiter bei der Beschaffung dieses viel Zeit und Mühe. AG Werkzeugmaschinen erbracht. Exponates auch Freude und auf Dabei nahmen wir gern die Hil- Die Darstellung der Lichteffekte reges Interesse bei künftigen Besu- feleistung der Glauchauer Firma im Roboterzyklus mittels farbiger chern stoßen wird. Die Anlage findet Metzeroth in Anspruch. Sie unter- LED-Leuchtbänder programmierte nämlich auch in den Planungen der stützte uns einen vollen Tag mit Dr. Roland (Unterstützung AMEC neuen Dauerausstellung ihren Platz. zwei Arbeitskräften. Dieser außer- e. V.) und testete sie erfolgreich. Der planmäßige Einsatz verhalf uns zu Ablauf beginnt mit der Zuschaltung Museumskurier_Dez_13.indd 11 04.12.2013 12:06:57
12 Museumskurier 12|2013 Die Fliegs. Heyms Familie und ihre Firmen|Teil 2 Die Firma Flieg & Karmann oder das Geheimnis einer Brieftasche Jürgen Nitsche In der Sammlung des Industriemuse- den zahlreichen jüdischen Welt- ums befindet sich eine dunkelbrau- kriegsteilnehmern gehörte. Noch in ne Brieftasche mit einem Eindruck. Schrimm hatte er sich im Dezember Auch wenn die leicht ramponierte 1916 mit der um zehn Jahre jün- Brieftasche weder Geldscheine geren Erna Friedeberger vermählt. noch Ausweise oder Visitenkarten Damit hätte er nach Ansicht seines enthält, könnte sie viele Geschich- Schriftstellerneffen in „die jüdische ten erzählen. Der in goldenen Let- Aristokratie“ eingeheiratet. Die Ehe- tern gehaltene Eindruck lüftet das leute hatten zwei Kinder. Geheimnis ihrer Herkunft: „Flieg & Karmann, CHEMNITZ, Neumarkt 7“. Daniel Flieg, der schon seit 1912 in Brieftasche Flieg & Karmann Begeben wir uns auf Spurensuche! Chemnitz lebte, kannte offensicht- Stefan Heym erwähnte in seiner lich schon länger den aus Press- Neumarkt 7 (Am Plan), das im Besitz Autobiografie „Nachruf“, dass sich burg (heute Bratislava, Slowakei) der Erben des Möbelstofffabrikan- sein Onkel David Flieg dank Un- stammenden Kaufmann Josef Kar- ten Heinrich Clemens Zöllner war. terstützung des Vaters „mit einem mann. 26-jährig war dieser Ende Daniel Flieg und Josef Karmann wa- Herrn Karmann als Partner in einem 1914 nach Chemnitz gekommen. ren Mitglieder des verdienstvollen Konfektionsgeschäft am Neumarkt Kriegsbedingt musste der damalige Chemnitzer Vereins „Kunsthütte“. etabliert“ hätte. Es war kein Zu- Handlungsgehilfe, der die unga- Die Firma bot vier Männern und fall, dass Daniel Flieg, Heyms Vater, rische Staatsbürgerschaft besaß, im elf Frauen Arbeit. Darunter könnte seinen jüngsten Bruder mit Josef August 1915 die Stadt verlassen. sich der Besitzer der Brieftasche Karmann zusammenbrachte. David Im November 1918 kehrte er als befunden haben. Karl Karmann, Flieg war erst im Januar 1920 aus Kriegsinvalide zurück. ein älterer Bruder des Mitinhabers, Schrimm (bis dahin Provinz Posen) Josef Karmann vermählte sich im war als Reisender für die Firma nach Chemnitz gezogen. Zur An- Juni 1920 in Zschopau mit der fast tätig. Zum konkreten Warenange- meldung legte er den Behörden gleichaltrigen Kaufmannstochter bot können mangels Belege kaum einen Provisorischen Militärpass Erna Messerschmidt. Wenige Mo- aussagekräftige Angaben gemacht vor, der dokumentierte, dass er zu nate später wurde ihr einziger Sohn werden. Überliefert ist, dass eine in der Staatlichen Frauenklinik ge- Stammkundin aus Reichenbrand im boren. Durch die Heirat wurde Josef Sommer 1927 Wischtücher und Ta- Karmann ein Verwandter der Familie schentücher kaufte, im Herbst 1936 Foto: Archiv Nitsche (r.o.), privat (l.u., r.u.), Industriemuseum (l.o.) Flieg, denn Agnes Messerschmidt, entschied sie sich für Läufer und seine Schwiegermutter, war eine Damast-Meterware. Die Umsätze geborene Primo. Dies erklärt wahr- der Firma stiegen kontinuierlich. scheinlich, wieso Josef Karmann Ihre jährlichen Reinerlöse beliefen und David Flieg in dieser Zeit Ge- sich auf bis zu 60.000 RM. schäftspartner wurden. Die Firma erlaubte den Familien der In den Folgejahren entwickelte sich Teilhaber ein Leben in Wohlstand: die Firma Flieg & Karmann, die Mit- David Flieg verlegte um 1930 seinen glied des Reichsverbandes des Stoff- Wohnsitz in den Vorort Schönau, großhandels war, zu einer pros- wo er die Villa Pestalozzistraße 3 perierenden Großhandlung für Lei- (heute Göbelstraße) erworben hat- nen- und Baumwollwaren. Män- te. Mit seiner Familie lebte er fortan nerhemden wurden auch verkauft. in dem Haus, wo sein Sohn Arthur Josef Karmann in Gesellschaft Ihren Sitz hatte die Firma in dem 1931 Bar Mizwa (Sohn der Pflicht) mehrgeschossigen Geschäftshaus wurde. Nach mehreren Umzügen in Museumskurier_Dez_13.indd 12 04.12.2013 12:06:57
13 12|2013 Museumskurier der Innenstadt zog Josef Karmann die Fabrikanten die Auswanderung mit seiner Familie auf den Kaßberg aus Deutschland vor. (Ulmenstraße 57). Außerdem kaufte Heyms Onkel David Flieg „verkaufte“ er im Frühjahr 1932 das prächtige am 28. Dezember 1938 sein Wohn- Mietshaus Barbarossastraße 20, da- haus in Schönau an den namhaften mals noch Kaiserstraße. Die Familie Chemnitzer Fabrikbesitzer John E. bezog erst später eine Wohnung im Greve, den Gründer der Astra-Werke. 2. Obergeschoss. Im Mai 1939 erhielt er die Erlaub- Die Machtübertragung an die nis, nach Bolivien auszuwandern. NSDAP blieb nicht ohne Folgen Auf dem Weg dahin beschlossen die für die jüdischen Firmeninhaber. Eheleute, einen vierwöchigen Zwi- Obwohl das Unternehmen bereits schenhalt bei ihrer Tochter Lena in im April 1933 auf der Boykottliste London einzulegen. Ein Herzanfall des „Chemnitzer Aktionsausschus- von David Flieg verzögerte die Wei- ses“ stand, blieb es trotz Hetze und terreise um Wochen. Der Kriegsaus- Ächtung wirtschaftlich „gesund“. bruch machte diese schließlich ganz Dr. Walter Linse, der Beauftragte unmöglich. Im Oktober 1940 wurde der IHK Chemnitz, trat daher für die Familie ausgebürgert. Zehn Jah- eine „Arisierung“ des Handelsun- re später sollte es ein Wiedersehen ternehmens Flieg & Karmann ein. mit seinem Bruder Karl, der nach Ernst Markert aus Zwickau und Otto Brasilien ausgewandert war, in den Barbarossastraße 20, heute Kurt Müller aus Planitz boten sich Vereinigten Staaten geben. Die Ehe- als Käufer an. Sie besaßen nicht leute wohnten bis zu ihrem Tod in die Farm mit seinem Sohn Heinz nur nötige Übernahmekapital, son- London, wohin später auch ihr Sohn Joachim bewirtschaften und kauf- dern hatten auch den erforderlichen Arthur emigriert war. te deswegen im Januar 1940 in „Ariernachweis“ erbracht. Die Firma Hainichen zwei Bodenfräsen und führte ab dem 31. Januar 1939 den Josef Karmann, der im Mai 1939 andere landwirtschaftliche Ma- Namen „Markert & Müller“. sein Mietshaus „verkauft“ hatte, schinen. Für seinen Sohn hatte David Flieg und Josef Karmann ge- verfolgte in den Folgewochen die er zudem „Schlipfs Handbuch der hörten zu den Chemnitzer Juden, Absicht, nach Kanada auszuwan- Landwirtschaft“ erworben. Die NS- die während des Novemberpogroms dern. Zu diesem Zwecke erwarb er Finanzbehörden lehnten jedoch die Ausfuhr der Maschinen ab. Die Fa- milie, die zuletzt zur „Untermiete“ in einem „Judenhaus“ gelebt hatte, nutzte daher eine der letzten Gele- genheiten, um im Mai 1940 nach Schanghai auszuwandern. Ihre Aus- bürgerung folgte auf dem Fuße. Erst Jahre später konnte die Familie in die USA weiterreisen und ließ sich in Los Angeles nieder. Bereits 1948 meldete er bei der Stadt Chemnitz Restitutionsansprüche auf das Haus Barbarossastraße 20 an. Die Brieftasche könnte ferner be- richten, dass eine Mitarbeiterin der Firma für ihren Sohn die abgelegten David und Karl Flieg, um 1950 Sachen von Arthur Flieg erhielt. Und sie wurde stumme Zeugin, wie das 1938 in „Schutzhaft“ genommen im Sommer 1939 von einem Ber- Haus Neumarkt 7 bei den Luftan- und in das KZ Buchenwald ver- liner Kaufmann eine 26 Morgen griffen auf die Stadt im Frühjahr schleppt worden waren. Unmittel- große Farm in der Provinz Sas- 1945 ausgebombt wurde. bar nach ihrer Entlassung bereiteten katchewan. Josef Karmann wollte Museumskurier_Dez_13.indd 13 04.12.2013 12:06:58
14 Museumskurier 12|2013 Durch Nacht zum Licht? Vor 150 Jahren, am 23. Mai 1863, wurde in Leipzig der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) gegrün- det. Dies war Anlass für das TECHNOSEUM, das Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim, die Geschichte und gegenwärtige Situation der Arbeiterbewegung in einer Sonderausstellung aufzugreifen. Das Industriemuseum Chemnitz, das bereits bei der Planung der Ausstellung beteiligt war, zeigt diese Sonder- schau bis zum 1. Mai 2014. Rita Müller Zur Entstehung der Ausstel- die Ausstellung bietet mehr als 40 Geschrieben hat es der Bergmann lung Jahre indoktriniertes, instrumenta- Heinrich Kämpchen (1847-1912), lisiertes Wissen zur Geschichte der der 1889 als „Streikführer“ entlas- Sachsen ist nicht nur ein Pionier- Arbeiterbewegung – und das ist un- sen wurde. Seinen Lebensunterhalt land der Industrialisierung, sondern sere Hoffnung. verdiente er von da an mit seinen spielt auch in der Geschichte der Liedern, Gedichten und Texten, Arbeiterbewegung eine große Rolle. Durch Nacht zum Licht? die er in zahlreichen Arbeiter-Zei- Ein Grund, weshalb die Kollegen aus tungen veröffentlichen konnte. Aus Mannheim schon recht früh das In- Die Ausstellung trägt den Titel dem Bergmann wurde so ein früher dustriemuseum angesprochen und „Durch Nacht zum Licht?“. Mit Aus- Arbeiterdichter in Deutschland, des- um Unterstützung gebeten haben. nahme des Fragezeichens ist dieser sen Texte die harte Arbeitswelt, die Daraus entstand die Idee, die Aus- Titel ein Zitat aus dem „Internati- schlechte soziale Lage der Arbeiten- stellung nicht nur in Mannheim, onalen Knappenlied“. Seine erste den und immer wieder ihr Aufbe- sondern auch in Chemnitz zu zei- Strophe lautet: gehren thematisierten. gen. Und wir waren uns sehr schnell Populär war das Lied nicht nur we- einig, dass wir eine Ausstellung ma- „Glück auf, Kameraden, durch gen seines Textes. Zu seiner mobi- chen möchten, die sowohl die Ent- Nacht zum Licht! lisierenden Wirkung trug auch die wicklung in der BRD als auch der Uns sollen die Feinde nicht Melodie bei. Sie war 1889 schon DDR berücksichtigt. kümmern: fast 100 Jahre alt und zur Vertonung Wir hatten so manche von Versen aus Friedrich Schillers In Mannheim wurde die Idee, eine verzweifelte Schicht „Wallensteins Lager“ geschrieben Ausstellung zur Geschichte der Ar- Und sahen die Sonne doch worden. Unter dem Titel „Wohlauf, beiterbewegung zu machen, zu- schimmern. Kameraden, aufs Pferd“ avancierte nächst sehr unterschiedlich aufge- Nur einig, einig müssen wir sein, diese Melodie in den antinapoleo- nommen. Einige Befragte reagierten So fest und geschlossen wie Erz nischen Freiheitskriegen ab 1803 zu verhalten gegenüber dem Thema, und Gestein!“ einem richtigen Soldaten-Hit. andere empfahlen Dr. Horst Stef- fens, dem Projektleiter der Ausstel- lung, die Finger davon zu lassen. Wieder andere reagierten aber auch sehr positiv auf das Projekt - und sie sollten recht behalten. Denn im Ergebnis war die Ausstellung in Mannheim ein großer Erfolg. Über 61.000 Besucherinnen und Besu- cher zählte das TECHNOSEUM von Februar bis August dieses Jahres. Wir wissen, dass wir in Chemnitz Foto: Bianca Ziemons nicht so viele Besucher erwarten können und wir wissen auch, dass dieses Thema durch die 40 Jahre DDR anders besetzt ist (s. dazu das Statement von Achim Dresler). Doch Museumskurier_Dez_13.indd 14 04.12.2013 12:06:59
15 12|2013 Museumskurier In der Ausstellung erklingt dieses Lied nicht nur im inszenierten Berg- werksstollen, der ABB-Roboter IRB 140 am Ende des Rundgangs durch die Ausstellung interpretiert eine moderne Fassung des Liedes neu. Was bietet die Ausstellung? Drei Säulen bestimmen die Aus- stellungskonzeption: die „Arbeit“ − denn ohne Arbeit keine Arbeiterbe- wegung −, das Thema „Bewegung“ und die „Arbeiterinnen und Arbei- ter“, also die Akteure. Dabei wird der Begriff der „Arbeiterbewegung“ sehr weit gefasst. Er beschränkt sich nicht auf die Entwicklung der poli- Die Ausstellung ist als Maschine inszeniert. tischen und gewerkschaftlichen Or- ganisationen, sondern versteht da- runter gleichermaßen auch soziale es geht auch um das Hier und Heu- sind eine Erstausgabe des Haupt- und kulturelle Bewegungen. te. Denn nach wie vor kämpfen Ar- werkes von Karl Marx „Das Kapital“, beitnehmer und Arbeitnehmerinnen die Totenmaske von Ferdinand Las- Am Anfang der Ausstellung werden um ihre Rechte – und das nicht nur salle, persönliche Gegenstände von die Besucherinnen und Besucher in Deutschland. Erschreckend sind August Bebel und eine Erstausgabe von einem hölzernen Pflug und ei- die Parallelen, streiken doch Texti- seines zeitgenössischen Bestsel- ner Kniehebelpresse sowie Pokalen larbeiterinnen in Bangladesch nicht lers „Die Frau und der Sozialismus“. und Überresten der Gesellenkultur nur für höhere Löhne, sondern auch Seltenheitswert haben auch ein empfangen. Sie stehen für die Zeit, für die Durchsetzung ihrer Men- Kleiderbügel aus einem Hotel Zim- in der sich die Arbeiterbewegung schen- und Freiheitsrechte. mer, in dem Wladimir Iljitsch Lenins entwickelt hat. Am Ende der Aus- übernachtete sowie ein Gehrock von stellung verabschiedet der bereits Highlights der Ausstellung Karl Liebknecht. Das Gemälde „Frei- oben erwähnte Industrieroboter, heit − Gleichheit − Brüderlichkeit“ der ausdauernd, fleißig, präzise und Über 500 Exponate von über 70 kann eine besondere Geschichte er- unbeirrt sein Programm ausübt, die Leihgebern wurden für die Ausstel- zählen. Besucherinnen und Besucher. Die lung zusammengetragen, fast ein Ausstellung wirft so nicht nur einen Drittel stammt aus Sachsen. Beson- Blick auf das 19. und 20. Jahrhudert, dere, da selten gezeigte, Exponate Ein Gemälde kehrt nach Sachsen zurück Achim Dresler Was für eine spannende Geschich- „G. Jakob, Schneeberg i. S., 1891“, punkt wider, als nach zwölf Jah- te verbirgt das Bild, das derzeit ge- mehr aber auch nicht. Ist über den ren die Sozialistengesetze gefallen genüber der Lokomotive, gleich vor Maler nichts weiter bekannt, so lie- waren. Das Verbot abgeschüttelt, dem Eingang der Sonderausstellung gen doch seine Motive herzensof- hatte sie nicht weniger vor, als eine hängt! fen. Er erzählt in überbordender De- neue Gesellschaft zu schaffen: „Bald tailverliebtheit und humorvoll-naiv steigt der Morgen hell herauf!“ lau- „Freiheit – Gleichheit – Brüderlich- den Kampf der Arbeiterbewegung, tet ein Vers aus der ersten Strophe keit“ lautet der Titel des Aquarells gleich einem Comic-Strip. Jakobs der Arbeiter-Marseillaise von 1864, auf Papier und seine Signatur unten Bild spiegelt das Selbstbewusstsein einer populären Hymne der Partei rechts verrät über seine Entstehung der Sozialdemokratie zu dem Zeit- und vom Maler im unteren Bilddrit- Museumskurier_Dez_13.indd 15 04.12.2013 12:07:01
16 Museumskurier 12|2013 tel in großen Buchstaben festgehal- Bleiben die ersten Jahrzehnte des das Bild während der NS-Zeit unter ten. Im Übrigen gesellt er im Bild Bildes weitgehend im Dunkeln, so Stroh auf dem Dachboden. Dort ge- ausdrücklich den deutschen Arbei- lässt sich seine Geschichte ab 1920 riet es in Vergessenheit, bis es der tern ihre internationalen Klassenge- besser verfolgen. Damals war sein Enkel Willi Geyer bei der Entrüm- nossen hinzu, wie die Aufschriften Besitzer der Sozialdemokrat Fried- pelung vor rund zehn Jahren wie- der Fahnen „Frankreich, Russland, rich Geyer aus Sonneberg in Thü- der entdeckte. Er schenkte es der Norwegen usw.“ bekunden − von ringen, der nach Speyer am Rhein IG Metall, die das Gemälde restau- wegen provinzielles Erzgebirge. verzog. Seine Familie versteckte rieren ließ und in ihrer nationalen Bildungsstätte in Sprockhövel/ Nordrhein-Westfalen aufhing. Erst in deren letzten Tagen kam es zur Sonderausstellung am Standort Mannheim hinzu. Wir sind stolz, das Bild nun für eine Zeit lang nahe seines Entstehungsorts Schneeberg präsentieren zu können. Aquarell „Freiheit − Gleichheit − Brüderlichkeit“ Gehört die Geschichte der Arbeiterbewegung ins Industriemuseum? Achim Dresler Diese Frage haben sich einige Mit- spielsweise die Fahne der Presto-Ar- men und Branchen (Gießerei, Süß- glieder des Fördervereins gestellt, beiter. So wie im Übrigen umgekehrt waren, Haribo) aus, die ganz selbst- Foto: Mingxi Li (l.), Bianca Ziemons (r.o.), Archiv Industriemuseum (r.u.) als sie im Oktober die Einladungen nun einige Maschinen, darunter eine verständlich als unser Auftrag von zur Eröffnung der aktuellen Sonder- schöne Kniehebelpresse, auch die unseren Besuchern angenommen ausstellung erhielten. Ausstellung zur Arbeiterbewegung wurden. Insofern klingt der gehörte bereichern. Ganz so, wie schon eine Vorwurf eines Unternehmers, die Na freilich, antworte ich ihnen da- Sonderausstellung zum 125. Jahres- aktuelle Sonderausstellung wür- rauf, unser Museum sammelt und tag des Zehn-Stunden-Streiks der de Gräben in der Gesellschaft auf- vermittelt Industriegeschichte in all Chemnitzer Metallarbeiter 1871, reißen, unsouverän. Um im Bild zu ihren Facetten. Dazu steuerten auch noch am alten Standort des Indus- bleiben, gräbt das Museum im „Gar- die Menschen bei, die in den Berg- triemuseum in der Annaberger Stra- ten der Geschichte“ nichts auf, son- werken und Fabriken Sachsens zu- ße, um technische Exponate zum dern präsentiert den Besuchern aus sammenströmten und sich für ihre Thema Arbeitszeiterfassung ergänzt der Vielfalt der industriegeschicht- Interessen und eine bessere Zukunft wurde. Die Mischung macht`s! lichen Blumenpracht diesmal die einsetzten. roten Nelken. In der aktuellen Dauerausstellung In den vergangenen Jahren richte- finden sich hierfür ausgewählte te das Museum mehrfach Sonder- Das Angebot, zum 150. Jahrestag Belege, die sich schlüssig zu den ausstellungen zu Unternehmern der ADAV-Gründung diese große technischen Exponate gesellen, bei- (Richard Hartmann) und Unterneh- Sonderausstellung mit Mannheim Museumskurier_Dez_13.indd 16 04.12.2013 12:07:02
17 12|2013 Museumskurier auszurichten, bildete für mich einen geschichte nicht aus. Abschließende Glücksfall. Das gilt besonders in der Bewertungen sind aber im Museum Wahl des Zeitpunktes, nämlich im nicht zu erwarten. Wir bieten eine gebotenen Abstand von 24 Jahren zeitgemäße Nacherzählung mit Ex- nach der Wende. Denn ich weiß, es ponaten und Dokumenten an, hilf- gibt verbreitet ein besonderes Un- reich für die Erinnerungsarbeit der behagen zum Thema, das für man- Erlebnisgeneration wie für die Neu- che nach dem Erleben der DDR-Zeit gier der Nachgeborenen. Prüfen Sie verbrannt ist. Doch heute, fast eine es selber nach! Generation weiter, kann der Blick zurück gelassener ausfallen. Am 3. April 2014 stellen wir in einer Tagung im Begleitprogramm dann Blick auf die Geschichte der DDR Die Arbeiterbewegung gilt es für die direkt die Frage: „Gehört die Ge- Älteren wieder und für die Jüngeren schichte der DDR zur Geschichte der neu zu entdecken als Phänomen, Arbeiterbewegung?“ Darüber gibt es das ohnehin sehr weit über die 40 sicher geteilte Meinungen und wir Jahre „realer Sozialismus“ hinaus sind neugierig auf die Antworten reicht. Dabei klammert die Ausstel- der Wissenschaftlerinnen und Wis- lung aber die geteilte Nachkriegs- senschaftler. Begleitprogramm zur Sonderausstellung „Durch Nacht zum Licht?...“ 26.01., 23.03. und 01.05. 26. Februar 2014 | 18 Uhr 19.03.2014 | 19 Uhr jeweils 14 Uhr „Die hellen Haufen" Dr. Karlheinz Schaller Öffentliche Führung Lesung und Gespräch mit Volker „Zwangsarbeiter in Chemnitz" Braun, Schriftsteller, Berlin Vortrag in Kooperation mit der 14.01.2014 | 19 Uhr Gesprächsleitung Markus Schlim- Rosa-Luxemburg-Stiftung Prof. Ulrike Brummert und bach, stellv. Vorsitzender des DGB Sachsen e. V. Prof. Dr. Stefan Garsztecki, Bezirks Sachsen TU Chemnitz Volker Braun liest und diskutiert 02.04.2014 | 19 Uhr „Jean Jaurès, Rosa Luxemburg und eine erfundene Geschichte über „Flashmob, Boykott, Streiks & Co. − Józef Pilsudski: Vaterland & Prole- Arbeiter im Mansfelder Land, die Neue und alte Formen des Arbeits- tariat" sich Anfang der 1990er Jahre nicht kampfes", Diskussion einfach abwickeln lassen sondern Moderation: Dr. Torsten Bewernitz, 11.02.2014 | 19 Uhr als „Haufen“ durch Ostdeutschland Technoseum Mannheim Dr. Willy Buschak ziehen. Was wäre wenn? „Chemnitz im Ersten Weltkrieg" 03.04.2014 Vortrag in Kooperation mit dem 12.03.2014 | 18 Uhr „Gehört die Geschichte der DDR DGB Bezirk Sachsen und dem Pro- „Schöne neue Welt“ zur Geschichte der jekt „1914-1918 war was“ der mit dem Undercover-Reporter Arbeiterbewegung?“ TU Chemnitz Günter Wallraff Tagung in Kooperation mit der Lesung und anschließende Diskus- Universität Mannheim, der TU sion, Veranstaltung in Kooperation Chemnitz und dem Technoseum mit dem DGB Bezirk Sachsen Mannheim Eintritt: 5 Euro 06.04.2014 | 14 Uhr „Auf den Spuren der Chemnitzer Sozialdemokratie" Stadtrundgang mit Thomas Mehnert, Treffpunkt: Roter Turm Museumskurier_Dez_13.indd 17 04.12.2013 12:07:03
18 Museumskurier 12|2013 Die Schirmfabrik Alban Classnitz Alexander Hallasch Am Anfang der Geschichte steht ein nachging. Seit 1893 betrieb er ei- Nr. 5697, ab 1938 die Umschreibung Heiratsgesuch eines Herrn Schubert nen Schirmhandel im Nebenerwerb auf HRA 947. Aufgrund seiner Ge- an die Chemnitzer Agentur Argus, und erlernte den Bau von Schirm- schäftstüchtigkeit vergrößerte sich die älteste Tochter von Max Alban gestellen, den er eingehend stu- sein Unternehmen rasch und er Classnitz, Else, betreffend. Aber was dierte. Von 1897 bis 1899 betrieb beschäftigte 1909 ca. 30 Personen kann eine Detektivauskunft zur Er- er schließlich seine erste Firma für in und 20 weitere außer Hause. Zu forschung einer fast vergessenen Schirmfabrikation. Nach zwei Jah- diesem Zeitpunkt galt seine Schirm- Chemnitzer Firmengeschichte bei- ren unternehmerischen Erfolges fabrik als zweitgrößte in Chemnitz tragen? Die Antwort lautet sehr viel, versuchte er sich 1899 an einer me- nach der von L. Hausding Nachf. wenn, wie in diesem Fall, die Chem- chanischen Weberei in Schönbach nitzer Archivlage recht übersichtlich bei Neumark zu beteiligen. Dieses Anhand der Notizen von Kurt Class- ist. Investment beendete er jedoch be- nitz auf der Rückseite des dem Mu- reits nach kurzer Zeit. Über den Um- seum übermittelten Fotos lässt sich In der Erinnerungskultur bezüglich weg Dresden kehrte er kurze Zeit nachvollziehen, dass die Werkstatt ehemaliger Branchen und Firmen später nach Chemnitz zurück. im Jahre 1909 mit drei Drehbän- in Chemnitz spielt die Schirmpro- ken und Arbeitstischen ausgestat- duktion − abgesehen vielleicht von 1900 eröffnete er wieder seine tet war. Mindestens fünf Arbeiter dem VEB Schirmfabrik − so gut wie Schirmfabrik auf dem Grundstück sowie mehrere Näherinnen sind zu keine Rolle. Am 24. September 2002 Karlstraße 3 am Brühl, das nach erkennen. Classnitz genoss einen wurde die Enkelin des Besitzers, In- dem Zweiten Weltkrieg abgebro- guten Leumund und galt als sozial grid Anders, durch einen Artikel in chen wurde. Classnitz erwarb das engagiert. Von der Stadt wurde er der FAZ auf das Industriemuseum Haus für 30.000 Mark, richtete im als Armenpfleger für den 31. Bezirk aufmerksam und sandte dem Muse- Erdgeschoss die Fabrik und in der bestellt. Ab Mitte 1915 zog die Fa- um eine CD mit Filmmaterial, zwei 1. Etage die Wohnräume ein. Am 1. milie in ein Wohn- und Geschäfts- Fotos der Familie und der Fabrik aus Dezember 1905 erfolgte die Eintra- haus in der Poststraße 39, das Al- der Zeit um 1909 sowie die besagte gung in das Handelsregister des Kö- ban Classnitz 1918 erwarb. Das Detektivauskunft zu. Es sollten je- niglichen Amtsgerichtes unter der Gebäude befand sich gegenüber doch elf Jahre vergehen, bis die Ge- schichte fortgeschrieben wurde. Dank der besagten Detektivaus- Foto: Ingrid Anders, Hamburg (l., r.u.), Archiv Industriemuseum (r.o.) kunft können wir die Geschichte der Schirmfabrik Alban Classnitz besser rekonstruieren und so lassen sich viele Informationen über die Firma gewinnen. Darin erfahren wir, dass Max Alban Classnitz am 28. März 1865 in Neudörfel (Neudörfchen) geboren wurde und am 6. März 1890 in Hainichen die von dort stammende Auguste Selma Neubert ehelichte. Seit 1890 wohnte Familie Classnitz mit ihren sieben Kindern in Chem- nitz in der Gartenstraße 3, wo Alban Familie Classnitz 1909 seinem erlernten Beruf als Weber Museumskurier_Dez_13.indd 18 04.12.2013 12:07:04
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