Krankenpflegeschule Rankweil - Dreier Bernhard Rankweil am 25.02.2011

 
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Krankenpflegeschule Rankweil - Dreier Bernhard Rankweil am 25.02.2011
Musik gegen
Depression
Fachbereichsarbeit an der Psychiatrischen Gesundheits‐ und
Krankenpflegeschule Rankweil.

                                                   Dreier Bernhard
                                            Rankweil am 25.02.2011

                                                                     0
Abstract

Musik gegen Depression:
Musik wird bereits seit der Geschichtsschreibung als Heilmittel erwähnt und angewendet.
Die Bibel berichtet über den wirkungsvollen Einsatz von Musik, und römische Ärzte
setzten später Musik gegen Depressionen ein. Dies ist jedoch schon lange her, wie sieht es
in der heutigen Psychiatrie aus?
Musik ist so alt, wie die Menschheit selbst, aber was macht sie so besonders?
Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, dieses Thema unter die Lupe zu nehmen und folgende
Fragen zu beantworten:

   •   Kann rezeptive Musik den Heilungsprozess depressiv erkrankter Menschen positiv
       beeinflussen?
   •   Wie wirkt sich die Musik psychophysiologisch auf den depressiven Menschen aus?
       Was sagt die Hirnforschung?
   •   Wie können diese Erkenntnisse in die pflegerische Praxis implementiert werden?

Nach dem Beschreiben der Methodik und der Vorgehensweise, definiere ich die Begriffe:
Musik, rezeptive Musik, Depression und Emotion. Danach beschreibe ich im allgemeinen
Teil einige charakteristische Fassetten der Musik. Im Hauptteil beschreibe ich zu Beginn
den physiologischen Ablauf vom menschlichen Hören. Wie gelangt Schall zum Ohr,
welche Vorgänge spielen sich im Gehörorgan ab, und wo geschieht die Umwandlung von
mechanischen zu bioelektrischen Impulsen. Neue Ergebnisse der Gehirnforschung zeigen,
welche Gehirnkerne und Regionen durch Musik stimuliert werden, und was für Vorgänge
im Zentralnervensystem getriggert werden.
Dazu stelle ich vier verschiedene Studien vor, die belegen, dass rezeptive Musik positiv
auf depressiv erkrankte Menschen wirkt. Die letzte und auch aktuellste Studie gilt als
Grundlage der Firma Sanoson, die eine speziell für depressiv erkrankte Menschen
individuell zugeschneiderte Audio-Kur anbietet. Eine neue und einzigartige Behandlung
der Depression, die viele Vorteile mit sich bringt. Ein neues Produkt, das aus
wissenschaftlicher Sicht erfolgreich als Mono- oder Komplementärtherapie einzusetzen ist.
Im pflegerischen Sinn ist sie ein wichtiger Beitrag in der Psychoedukation und Prävention.
Mein Resultat der Recherchen ist eindeutig: Rezeptive Musik kann den Heilungsprozess
depressiv erkrankter Menschen positiv beeinflussen.

                                                                                        1
Inhaltsverzeichnis

     Abstract
     Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ......................................................................................................................... 1
        1.1 Fragestellung dieser FBA ........................................................................................ 2

2. Methodik .......................................................................................................................... 3
        2.1 Literatur-Recherche ................................................................................................. 3
        2.2 Google Bücher ......................................................................................................... 3
        2.3 Google Scholar ........................................................................................................ 4

3. Definitionen ..................................................................................................................... 5
        3.1 Musik ....................................................................................................................... 5
        3.2 Rezeptive Musik ...................................................................................................... 6
        3.3 Depression................................................................................................................ 7
        3.4 Emotion .................................................................................................................... 9

4. Musik, ein kleiner Überblick ....................................................................................... 10
        4.1 Musik und die Forschung ...................................................................................... 10
        4.2 Musik als Medium, das uns bewegt ....................................................................... 10
        4.3 Musik und die Mythologie ..................................................................................... 10
        4.4 Musik in den Religionen ........................................................................................ 11
        4.5 Musik und Stil ........................................................................................................ 11
        4.6 Musik und ihr Tempo ............................................................................................ 12
        4.7 Musik im Alltag ..................................................................................................... 13

5. Der Physiologische Weg der Musik ............................................................................. 14
        5.1 Von der Musik zum Schall .................................................................................... 14
        5.2 Das Ohr, Anatomie und Physiologie ..................................................................... 14
        5.3 Verarbeitung der bioelektrischen Impulse im Gehirn ............................................ 15
        5.4 Molekularbiologische Mechanismen ..................................................................... 16

                                                                                                                                    2
6. Musik in der Forschung ............................................................................................... 17
        6.1 Der Mozart Effekt .................................................................................................. 17
        6.2 Musik und Emotionen ............................................................................................ 18
        6.3 Musik fördert das Wohlbefinden ........................................................................... 20
        6.4 Einsatz einer Klangliege bei depressiven Patienten............................................... 21
        6.5 Die Wirksamkeit rezeptiver Musiktherapie bei der Behandlung von Depression. 24

7. Sanoson, Musik die wirkt ............................................................................................. 30

8. Resümee ......................................................................................................................... 33

9. Danksagung und Eigenständigkeitsbestätigung ........................................................ 37

10. Literaturnachweis ......................................................................................................... 38

                                                                                                                                3
1. Einleitung

Musik spielt in meinem Leben eine sehr wichtige Rolle.
Inspiriert von meinem Vater, der selber lange aktiver Sänger war, habe ich schon als
kleiner Junge die Leidenschaft entwickelt, selber Musik zu machen. Ich spielte und sang in
verschiedenen Musikgruppen. Die Bandbreite reichte von Klassik bis Rock. Ich merkte
sofort, dass Musik ein ganz bestimmter Zauber besitzt, der nicht nur mich als aktiver
Musiker zu erfüllen vermochte, sondern auch diejenigen erreichte, die die Musik hörten.

Letztere Auswirkung, und die Bestätigung dafür, durfte ich persönlich erfahren.
Wir hatten    mit meiner damaligen Band eine CD produziert, die auch eine sehr
gefühlsvolle Ballade beinhaltete. In diesem Lied wurden die Themen Sehnsucht,
Leidenschaft und Trauer in Bezug eines nahestehenden Menschen sehr emotional
behandelt. Eines Tages kam ein junger Mann auf mich zu und bedankte sich für dieses
Lied, welches ihn durch eine sehr schwere Zeit getragen habe.
Das ist nur eines von vielen Beispielen, von denen mir schnell klar wurde, dass Musik
mehr ist als nur Schall, oder lediglich ein Aneinanderreihen verschiedener Töne.

„Musik hat Auswirkung auf den Menschen!“

Seit Uhrzeiten ist Musik ein elementares, nicht wegzudenkendes Muss bei Ritualen,
Festen, religiösen Versammlungen oder Heilungszeremonien. Die Bibel berichtet, um 1000
vor Christus, von König Saul der des öfteren von einem „bösen Geist, der ihn ängstigte“
überfallen wurde (In anderen Übersetzungen wird dieser Geist auch als Schwermut
bezeichnet, was als die damalige Bezeichnung von Depression galt). So berichtet die Bibel:

„Immer wenn der böse Geist über Saul herfiel, griff David zur Harfe und begann zu
spielen. Und immer wieder brachte die Musik Saul Erleichterung. Er fühlte sich besser,
und der böse Geist ließ ihn in Ruhe.“
(1. Samuel 16,23)

                                                                                          1
In der Zeit um Christi Geburt wendete der römische Arzt und Gelehrte „Celsus“ Musik bei
depressiv erkrankten Menschen an. Seiner Meinung nach helfen dem Depressiven bei
seiner Verstimmung am besten Lärm, Zimbelklang und Musikstücke. Gegen
Schlaflosigkeit, Geisteskrankheiten und Depressionen setzte auch „Medicus Galen“, ca.
200 nach Christus, Musik ein.

Damals schon erkannten viele weise Männer die Wirkung von Musik und setzten diese bei
depressiv erkrankten Menschen ein.

Aber wie sieht es nun im 21. Jahrhundert aus?

Die Wissenschaft macht jährlich Meilensprünge, die Untersuchungen werden immer
genauer und die Möglichkeiten vielseitiger. Sind diese antiken Erkenntnisse bereits
veraltet, oder sind es wichtige Ressourcen, die wir nur noch zu wenig in Augenschein
genommen haben?
Ich denke, dass Musik, und dabei speziell die rezeptive Musik eine wichtigere Rolle im
Pflegealltag mit depressiv erkrankten Menschen spielen sollte. Durch meine persönlichen
Erfahrungen und mein Interesse, stellte ich mich der Herausforderung, herauszufinden, ob
und wie dieser verborgene Schatz in der Pflege depressiv erkrankter Menschen zu
implementieren sein könnte. Folgende Fragen, möchte ich in dieser Fachbereichsarbeit
behandeln:

1.1. Fragestellungen dieser FBA

   •   Kann rezeptive Musik den Heilungsprozess depressiv erkrankter Menschen positiv
       beeinflussen?

   •   Wie wirkt sich die Musik psychophysiologisch auf den depressiven Menschen aus?
       Was sagt die Hirnforschung?

   •   Wie können diese Erkenntnisse in die pflegerische Praxis implementiert werden?

                                                                                        2
2. Methodik

2.1. Literatur-Recherche

Meine    Fachbereichsarbeit    wurde      anhand   einer   Literatur-Recherche   erstellt.
Dazu nahm ich mehrere verschiedene Plattformen in Anspruch. Als erstes kontaktierte ich
unsere Musiktherapeutin im LKH Rankweil, die mir gute Literaturtipps gab, aus denen ich
auch einiges entnehmen konnte. Als weitere Plattform verwendete ich unser heute wohl
meistgebrauchtes Kommunikationsmittel, das Internet. Viele meiner Ergebnisse waren in
englischer Sprache, und nur wenige wurden auf Deutsch übersetzt. Ich habe unter einigen
Begriffen gesucht, die für meine Fachbereichsarbeit von Wichtigkeit sein könnten. Anhand
einer Tabelle möchte ich kurz die Suchergebnisse mit den jeweiligen Suchbegriffen
nachvollziehbar darstellen.

2.2. Google Bücher

                                                     Für diese FBA keine brauchbare
    Neurobiologie +Musik          1810 Treffer
                                                                Literatur
                                                     Für diese FBA keine brauchbare
   Musik gegen Depression         5170 Treffer
                                                                Literatur
                                                     Für diese FBA keine brauchbare
    Therapie der Depression      76200 Treffer
                                                                Literatur
    Therapie der Depression            32.100        Für diese FBA kaum brauchbare
            +Musik                     Treffer                  Literatur
    Therapie der Depression
                                   68 Treffer              1 brauchbares Buch
        +rezeptive Musik
                                                     Für diese FBA keine brauchbare
 Depression +rezeptive Musik      123 Treffer
                                                                Literatur

                                                                                        3
2.3. Google Scholar (Seiten auf Deutsch)

   Musik +Gehirnforschung          1010 Treffer    Für diese FBA brauchbare Literatur
                                                    Für diese FBA kaum brauchbare
      Musik +Depression             484 Treffer
                                                                Literatur
                                                    Für diese FBA keine brauchbare
Neurowissenschaft +Depression      8690 Treffer
                                                                Literatur
 Neurowissenschaft +rezeptive                       Für diese FBA kaum brauchbare
                                    74 Treffer
            Musik                                               Literatur
      Musikpsychologie              698 Treffer           1 brauchbares Buch
                                                    Für diese FBA keine brauchbare
       Musik Psychiatrie           25809 Treffer
                                                                Literatur
                                                    Für diese FBA keine brauchbare
Musik Psychiatrie +Depression      19500 Treffer
                                                                Literatur
 Rezeptive Musik Psychiatrie                        Für diese FBA keine brauchbare
                                    285 Treffer
         +Depression                                            Literatur
                                                    Für diese FBA kaum brauchbare
      Depression +Musik            18700 Treffer
                                                                Literatur

Da die Suche für eine gut wissenschaftlich fundierte FBA über das Internet zu nur
geringfügigen Ergebnissen gelangte, entschied ich mich auch noch für die Suche in der
Landesbibliothek in Bregenz, wo ich auch schneller fündig wurde. Ich habe einige Bücher,
Fachzeitschriften und wissenschaftliche Forschungsergebnisse durchgearbeitet und habe
mich für eine geringe Anzahl an Büchern entschieden, die zur Beantwortung meiner
Fragen durchaus hilfreich waren.
Zusätzlich habe ich mich mit der Leiterin des Forschungsprogramms „Musik-Medizin“,
Frau Vera Brandes, von der Medizinischen Privatuniversität Paracelcus in Salzburg in
Verbindung gesetzt. Sie leitet dort die Forschungen an der „Audio-Therapie“, welche aus
meiner Sicht, in Bezug auf die Behandlung von depressiven Menschen, ein großes
Potential beinhaltet. In meiner Arbeit werde ich diese neuen wissenschaftlichen
Erkenntnisse natürlich auch miteinbeziehen.

Viel Spaß beim Lesen.

                                                                                        4
3. Definitionen

Zu Beginn der Arbeit möchte ich noch gewisse Begriffe, die für diese Fachbereichsarbeit
wichtig sind, definieren. Es ist wichtig zu wissen, welche Bezeichnung die moderne
Wissenschaft ihnen gibt, um diese im Kontext richtig zu verwenden. Weiteres werde ich
mit einem „allgemeinen“ Teil in meine FBA einstimmen. Damit möchte ich die Bedeutung
und Auswirkung von Musik etwas erläutern und somit die Brücke zum Thema schlagen.

3.1. Musik („ musische Kunst")

Musik ist ein Wort mit so vielen Bedeutungen, wie es wohl Menschen auf dieser von Gott
erschaffenen Erde gibt. Ich erinnere mich an die Zeit, als damals Techno und die ganze
Elektronik-Sound Welle uns erreichte, und man von vielen empört sagen hörte: „Das ist ja
keine Musik!“.

Was ist Musik denn überhaupt?

Als Erstes ist wohl zu sagen, dass Musik wenig mit einer bestimmten Musikrichtung zu tun
hat. Eine einheitliche Definition gibt es aber auch nicht. Die Wissenschaft gibt je nach
Ansatz verschiedene Beschreibungen von Musik. Ihre Definition ist schon seit langem ein
Debatten-Thema zwischen Philosophen, Musikern und neuerdings auch verschiedener
Sozial- und Naturwissenschaftlern. Ich habe zwei Definitionen gefunden, die ich als sehr
ausführlich und als gut zutreffend empfunden habe sowie Platos´ Erklärung von Musik.

Musik ist:
„die organisierte Form von Schallereignissen. Zu ihrer Erzeugung wird akustisches
Material – Töne und Geräusche innerhalb des für den Menschen hörbaren Bereichs –, das
einerseits physikalischen Eigengesetzlichkeiten, wie zum Beispiel der Obertonreihe oder
Zahlenverhältnissen unterliegt, andererseits durch die Art seiner Erzeugung mit der
menschlichen Stimme, mit Musikinstrumenten, elektrischen Tongeneratoren oder anderen
Schallquellen gewisse Charakteristika aufweist, vom Menschen geordnet. Aus dem Vorrat
eines Tonsystems werden Skalen gebildet; deren Töne können in unterschiedlicher
Lautstärke und Klangfarbe erscheinen und Melodien bilden.

                                                                                       5
Aus der zeitlichen Folge der Töne und Geräusche von verschieden langer Dauer entstehen
Rhythmen. Aus dem Zusammenklang mehrerer Töne von jeweils anderer Tonhöhe
erwächst Mehrstimmigkeit, aus den Beziehungen der Töne untereinander entsteht
Harmonik. Die begriffliche Erfassung, systematische Darstellung der Zusammenhänge und
deren Deutung leistet die Musiktheorie, die ihrerseits in der Musikpädagogik gelehrt
wird.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Musik; Download 4.1.2011 15:10Uhr)

Das Institut für theoretische Physik definiert Musik wie folgt:
„Musik sind in zeitlicher Abfolge ablaufende Geräusche, welche beim aufmerksamen
Zuhörer komplexe Assoziationen bewirken, die einzeln klar trennbar und schlüssig sind,
aber ebenso einen konkreten Gesamtbewusstseinseindruck hervorrufen, dessen Stärke mit
der wirklichen Größe der Musik skaliert. Dieser entspricht einem starken Strom vom
Unterbewusstsein zum Bewusstsein und umgekehrt. Musik versetzt in einen Zustand der
eigenen Klarheit mit sich und allem anderen. Der Kanal zu Gott wird freigelegt; man tritt
in Dialog mit der Wahrheit.“ (http://www-nonlinear.physik.uni-
bremen.de/~nagler/musikdef.html; Download 4.1.2011 15:28Uhr)

„Musik ist ein moralisches Gesetz. Sie verleiht dem Universum eine Seele, dem Geist
Flügel, der Phantasie Flugkraft, der Traurigkeit einen Zauber, und allen Dingen Freude
und Leben. Sie ist der Inbegriff der Ordnung und führt zu allem, was gut, gerecht und
schön ist.“ Plato

3.2. Rezeptive Musik

„rezeptiv“ = „aufnehmen/empfangen/empfänglich“
Bei   der   rezeptiven    Musik    steht   das   Hören    von     Musik   im   Mittelpunkt.
Die Musikpsychologie versteht unter dem Begriff Musikrezeption „die verstehende und
geistig erfassende Aufnahme von Musikstücken“ (Gembris 1999, 25)
Hier wird nicht das aktive Musizieren gemeint, sondern ausschließlich das Aufnehmen von
Musik. Dabei ist es egal, ob die Musik von einer CD, MP3 Player, Orchester, Therapeuten
oder einer Musikgruppe ausgeht; der Zuhörer ist lediglich der Empfänger und lässt die
Musik auf sich wirken.

                                                                                         6
3.3. Depression

„deprimere“ = herunter-, niederdrücken
Die Depression zählt zu den sogenannten „affektive Störungen“. Hauptmerkmale einer
Depression sind verminderter Antrieb und Stimmung. Nach Schätzungen der
Weltgesundheitsorganisation   (WHO)      erleiden   8-11%   der   Weltbevölkerung   eine
Depression.

„Experten gehen davon aus, dass jeder Vierte in seinem Leben wenigstens einmal eine
Depression erfahren hat. 15% der an schweren Depressionen erkrankten Menschen
nehmen sich das Leben.
Bereits 1997 warnte die WHO davor, die Bedeutung der Depression in den
Industrienationen nicht zu unterschätzen. Sie liegt vor allen anderen körperlichen und
psychiatrischen Volkskrankheiten, was die Schwere der Beeinträchtigung und die Dauer
der Erkrankung betrifft“ (Salvesen & Brandes, 2005, 195).

Folgende Symptome begleiten eine Depression:

   •   Körperliche Symptome:
       Geminderter Antrieb, Schlafstörung, Appetitstörung, Gewichtsverlust, vielfältig
       Magen-Darm-Beschwerden. Atemenge, Herz- und Kreislauf-Störungen, Kloß im
       Hals, Muskelschmerzen, Mundtrockenheit und Hitzewallungen. Die Stimme ist
       eher leise und monoton, die Haltung gebeugt, kraftlos. Dazu kann noch eine
       Libido- und Potenzstörung kommen.

   •   Psychosoziale Konsequenz:
       Isolationsneigung, Rückzug aus dem sozialen Umfeld. „Innerliches Erkalten“, was
       sich auf Partner und Familie negativ auswirken kann. Leistungsabfall und die damit
       verbundene Gefahr, den Arbeitsplatz zu verlieren. Oft neigen Menschen, die für
       Depressionen anfällig sind, zu einem übertriebenen Pflichtbewusstsein bis hin zum
       zwanghaften Perfektionismus. Dabei sind sie freundlich, warmherzig und
       mitfühlend, wobei es gelegentlich zu unerklärlichen Episoden von Aggressivität
       kommen kann.

                                                                                       7
•   Seelische Symptome:
       Affektflachheit, Niedergeschlagenheit (nicht zwingend, es gibt auch maskierte, ja
       lächelnde Depressionen), Freudlosigkeit, Genussunfähigkeit, Interesselosigkeit,
       Energielosigkeit (meist als Tagesmüdigkeit), unerklärliche Dauer-Mattigkeit oder
       Kraftlosigkeit. Ein „Innerlich wie Tod“ Gefühl, oder umgekehrt, eine innere
       Unruhe, Nervosität oder Angespanntheit. Sie sind oft mutlos, voller Angstzustände
       und Minderwertigkeit, reizbar, oder          etwa aggressiv. Auch Merk- und
       Konzentrationsstörungen, ständiges Gedankenkreisen und Problemgrübeln können
       Anzeichen sein. Ein Gefühl, als säße man unter einer Glasglocke, aus der man
       nicht heraus kommen kann, und niemand kommt mehr an einen heran.
       (Vgl. Salves & Brandes, 2006, 196ff)

Der Begriff Depression wird in unserem Sprachgebrauch oft allzu beliebig verwendet.
Jeder kennt die Phasen der Niedergeschlagenheit, Verzagtheit, Freudlosigkeit oder innere
Erschöpfung. Verstimmung und Trauer sind ganz normale Reaktionen der Psyche auf
gewisse Ereignisse wie z.B. eine Trennung, Misserfolg oder etwa den Verlust eines
geliebten Menschen. Sie ist jedoch nur vorübergehend und hellt nach einer gewissen Zeit
wieder auf.

Eine Depression im medizinischen Sinn geht jedoch über diese normale Reaktion hinaus.
Sie bedeutet für den Betroffenen eine enorme Einschränkung der Lebensqualität.
Kriterien zur Diagnosestellung sind Dauer (mindestens 14 Tage anhaltend), gewisse genau
festgelegte Symptomkombinationen, und eine ausführliche Anamnese. Wobei der
Antriebsstörung und der Hoffnungslosigkeit eine große Bedeutung zugemessen wird. Die
Klassifikation wird nach ICD-10 in leichte, mittelgradige oder schwere Episode eingeteilt.
Charakteristisch für eine Depression ist auch, dass sie oft „ohne Grund“ auftritt. Dies kann
für die Menschen, welche sich im unmittelbaren Umfeld des Betroffenen befinden zu
Unverständnis führen. Unter der Last der Depression leiden die Betroffenen selbst, ihre
Familien, Freunde und Arbeitgeber. (Vgl. Kasper et al. 2008, 12)

In Europa wurden die jährlichen durch Depression verursachten direkten und indirekten
Kosten auf insgesamt 118 Milliarden Euro geschätzt, was 1% des Gesamten BIP der EU-
Staaten entspricht. (Sobocki et al. In Brandes, 2010, 17)

                                                                                          8
3.4. Emotion

Emotion (v. lat.: ex „heraus“ und motio „Bewegung, Erregung“)
Emotion ist ein psychophysiologischer Prozess, der durch die bewusste und/oder
unbewusste Wahrnehmung und Interpretation eines Objektes oder einer Situation
ausgelöst wird und mit physiologischen Veränderungen, spezifischen Kognitionen,
subjektivem Gefühlserleben und einer Veränderung der Verhaltensbereitschaft einhergeht.
(http://woerterbuch.babylon.com/emotional/; Download 16.01.2011. 18:53)

Primäre Emotionen sind dazu da, in entscheidenden Lebenssituationen das Verhalten zu
steuern und entsprechende Energien bereitzustellen. Wenn Emotionen auftreten, dann sind
viele körperliche Veränderungen, gleichzeitig oder aufeinander folgend, mitbeteiligt.
Emotionale Zustände sind klar beschreibbar durch denjenigen, der sie erlebt und für ihn
sind sie sehr bewusst, also ein Zustand besonders großen Selbst-Bewusstseins. Dieses
Phänomen nimmt einen überaus bedeutenden Platz im Denken und Fühlen des Menschen
ein. Über alle Kulturen hinweg werden zudem einige Emotionen auf gleiche Weise erlebt
und ausgedrückt. Emotionen scheinen also nicht erlernt zu sein, sondern zur Biologischen
„Grundausstattung“ zu gehören. Bei Freude wird gelacht, bei Ekel wird die Nase gerümpft,
bei Trauer die Augenbrauen zusammengeschoben oder geweint. Das sind nur einige Arten,
wie Emotionen ausgedrückt werden, diese Reaktionen sind über den Erdball universell.
(De la Motte-Haber et al, 2005, 285f)

Emotion hat subjektive, physiologische, behaviorale Aspekte und beinhaltet:
   •   Gefühl          subjektiver Aspekt der Emotion
   •   Affekt           heftige, kurzzeitige Emotion
   •   Stimmung         schwache, langandauernde Emotion
   •   Motivation       beinhaltet Emotion (Lust/Unlust)

Emotionen sind demnach Zustände und keine Persönlichkeitsmerkmale. Dispositionen zu
bestimmten      Emotionen    (z.   B.   Ängstlichkeit,     Eifersucht)   können   jedoch
Persönlichkeitsmerkmale sein. In meiner Fachbereichsarbeit werde ich darauf eingehen,
wie, und ob Musik auf die subjektiven und physiologischen Aspekte einwirkt und
Emotionsregungen hervorbringt.

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4. Musik, ein kleiner Überblick

4.1. Musik und die Forschung

Die Erforschung der Musik und ihre Auswirkung auf unseren Körper ist ein sehr junges
Gebiet, was eigentlich sehr verwunderlich ist, da Musik, und speziell deren Auswirkung
schon lange bekannt sind. Es gibt auch empörte Stimmen, die sagen, dass Musik überhaupt
nicht erforscht gehöre, da sie eine intime und individuelle Angelegenheit sei, die
niemanden etwas angehe. Womöglich ist dies auch ein Grund, warum die Musikforschung
noch in den Kinderschuhen steckt.

4.2. Musik als Medium, das uns bewegt

Musik bewegt den Menschen sprichwörtlich. Sei es beim Tanzen oder Marschieren, aber
auch auf der emotionalen Ebene wirkt sich Musik auf den Organismus Mensch aus. In
Begleitung mit Musik heiraten wir und werden beerdigt, wir freuen uns und trauern „mit
ihr“. Musik kommt in allen Kulturen vor und es gibt sie, wie Instrumentenfunde eindeutig
belegen, spätestens seit der Jungsteinzeit. Musik trägt ein wichtiger Beitrag zu unserem
heutigen Stand der Entwicklung und Kultur bei.

4.3. Musik in der Mythologie

Viele Mythen und Sagen erzählten schon von der gewaltigen Kraft, welche die Musik in
sich trägt. Da war zum Beispiel „Orpheus“, der in der griechischen Mythologie als der
Sohn der Muse und des Apollos bezeichnet wurde. Orpheus konnte mit seinem Gesang
und dem Lyra-Spiel (sie gilt als Vorgänger der Harfe) Götter, wilde Tiere, Menschen,
Pflanzen und Steine „betören“. Der Mythos berichtet, wie er getrieben von der Liebe den
Willen der Götter beeinflussen konnte, und das alles nur mit seiner Stimme und dem
Spielen der Lyra. Für die Griechen galt er als der Erfinder der Musik und des Tanzes und
wurde somit ein wichtiger Teil in deren Kultur, was bis heute auch noch anhält.

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4.4. Musik in den Religionen

Es gibt weltweit kein religiöses Fest, in dem Musik nicht ein wichtiger Teil der Zeremonie
darstellt. Manche trommeln sich in Trance, andere tanzen bis zum Umfallen.
In Manchen Kulturkreisen ist die „Heilung“ während einer Zeremonie nur möglich, wenn
ein bestimmtes Lied gespielt wird. Im Schamanismus wird Musik zum Medium, um in
Kontakt mit der übernatürlichen Kraft zu treten.
Auch im Christentum spielt Musik eine wichtige Rolle. Nicht nur im Alten Testament, wie
anfangs erwähnt, sondern auch heute noch ist sie von großer Bedeutung. In den
„Anbetungszeiten“ wird sehr emotionale, melodiöse Musik gespielt, und so mancher
berichtet, dass er in dieser Zeit ein Gefühl der Liebe, Freude oder Freiheit spüre.

4.5. Musik und Stil

Mein Versuch herauszufinden, wie viel Musikstile es weltweit gibt, ist schon im Ansatz
kläglich gescheitert. Ich kann mich erinnern, als mich ein Bekannter fragte, was wir denn
für eine Art von Musik als Band spielen? Ich musste lange überlegen, was am treffendsten
sein könnte. Dennoch haben ihn meine Antworten mehr verwirrt als aufgeklärt. Von Post-
Grunge, Nu-Metall und Independence versuchte ich ihn aufzuklären, als ich sagte:
„Moderner Rock“ war alles klar.
Es gibt unzählige Musikstile. Jeder Einzelne entsteht aus verschiedenen Einflüssen und
Hintergründen und hat seine Berechtigung. Betrachten wir die kulturelle Vielfalt, so ist es
nicht verwunderlich, dass es vielfältige Musikrichtungen gibt.
Beispielsweise hört sich türkische Musik für den Europäer oft fremdartig an. Kein Wunder,
sie ist auch auf einem anderen musikalischen „Schema“ aufgebaut und wiederspiegelt
ihren Lebenssinn und ihre Kultur. Das ist aber nur ein Beispiel von vielen.

Interessant ist, dass der Großteil der Musikstudien, mittels klassischer Musik durchgeführt
wurde. Eine genaue Begründung konnte ich keine herausfinden. Was die klassische Musik
jedoch so einzigartig macht, ist das Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Instrumente.
Harmonie, Dynamik, Klangbild und Frequenzspektrum sind dabei so vielfältig, dass sie
wahrscheinlich die beste Voraussetzung für Untersuchungen beinhaltet.

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4.6. Musik und ihr Tempo

Anlässlich des Kongresses „Mozart & Science“ wurde eine Special Edition CD-Reihe
veröffentlicht, die hervorragend entweder beruhigend oder anregend wirken soll.
Entscheidend für das Aktivitätsniveau des Gehirns sind Tempo, Dynamik und
Frequenzspektrum. Die Special Edition beinhaltet klassische Musik, welche teils mit
Naturklängen zu neuen Kompositionen arrangiert wurde. Acht verschiedene CD’s mit
unterschiedlichen Titeln und Tempi sollen in verschiedenen Situationen eine positive
Wirkung hervorrufen. Unterteilt werden sie in bpm (beats per minute), welche die Takt-
Schläge pro Minute bezeichnet.

   •   SLOWDOWN Tempo: 30-60 bpm
       bewirkt intensive Entspannung
   •   MEMORY Tempo: 50-60 bpm
       hilft zu konzentrieren und stärkt das Gedächtnis
   •   INTUITION Tempo:60-90 bpm
       weckt die Inspiration und Intuition
   •   ATTENTION Tempo: 70-130 bpm
       regt Konzentration und Aufmerksamkeit an
   •   BRAINWORK Tempo: 50-60 bpm
       steigert Denk- und Lernfähigkeit
   •   IMPULSE Tempo: 120-140 bpm
       gibt Motivation und frischen Antrieb
   •   CREATIVITY Tempo: 50-60 bpm
       regt kreatives Denken an und inspiriert zu neuen Ideen
   •   RECREATION Tempo: 40-60 bpm
       wirkt beruhigend und revitalisierend
       (http://www.mozart-science-cds.at; Download 7.1.2011 18:49)

Natürlich trägt das Gesamtbild eines Liedes auch maßgeblich zum emotionalen Erleben
bei. Dennoch spielt das Tempo (bpm) eine wichtige Rolle. Denken wir an die berühmte
„Chill-out-music“ - sie ist zum Relaxen und Entspannen gut geeignet; oder die „Autofahrer
CD“ - auf der schnelle, bekannte Lieder die Wachheit und Aufmerksamkeit steigern, was
sie auch können, lässt sich der Zuhörer darauf ein.

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4.7. Musik im Alltag

Kennt nicht jeder diese Momente, die die Wissenschaft als „Thrills“ oder „Chills“
bezeichnet? Gemeint ist die Reaktion unseres Körpers beim Hören eines bestimmten
Liedes. Mancher bekommt eine Gänsehaut, einen schnelleren Puls oder ein vertrautes
Gefühl, das den Hörer in eine andere Zeit oder eine andere Situation zu versetzen vermag.
Das unten angeführte Beispiel dient zu demonstrieren, dass Musik eine besonders starke
Kraft hat (ähnlich wie olfaktorische Reize), Erinnerungen an frühere Situationen, in denen
diese Musik gehört wurde, auszulösen.

„Ein altes Mutterl sitzt in ihrem Zimmer vor dem Radio und hört sich das Sonntags-
Wunschkonzert an. Plötzlich beim Lied „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus…“
fängt sie laut zu schluchzen an. Schon viele Jahre lang hat sie nicht mehr so
herzzerreißend geweint wie bei dieser Erinnerung an ihren Sohn, den sie das letzte Mal
sah, als er unter den Klängen dieses Liedes in den Krieg zog… Kein Bild, kein anderes
Informationsmedium wäre imstande gewesen, diesen Gefühlsausbruch in so mächtiger
Weise auszulösen wie die Musik“
(Harrer, 1982, 9).

In der Musikpsychologie ist dieses Phänomen auch unter dem Namen „Darling, they’re
playing our tune“ bekannt. Ein Musikstück, das wir in einem wichtigen Moment unseres
Lebens gehört haben – z.B. mit einem geliebten Menschen zu Beginn einer Beziehung –
kann ein Leben lang Emotionen, die damit verbunden sind, auslösen, wenn es wieder
gehört wird. Die Art und Weise der Reaktionen sind natürlich individuell und von Mensch
zu Mensch unterschiedlich, und können zum Teil absolut konträr sein. Emotionale
Reaktionen auf Musik sind also sehr unterschiedlich und komplex.

Nun, so offensichtlich die Auswirkung von Musik auf das emotionale Befinden für den
Großteil der Menschen ist, so gibt es verhältnismäßig nur geringe wissenschaftliche
Untersuchungen dazu. Möglicherweise sind die Zusammenhänge dermaßen offensichtlich,
dass es kaum jemand für notwendig hält, diese Auswirkungen mit empirischen Fakten und
Daten zu belegen.

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5. Der Physiologische Weg der Musik

In diesem Kapitel möchte ich den Weg, welcher die Musik vom Sender bis zu unserem
Gehirn zurücklegt, kurz beschreiben.
Ich denke, es ist wichtig zu wissen, wie sich die Musik generell auf unseren Organismus
auswirkt, um daraufhin Ansatzpunkte zu finden, die in der Pflege depressiv erkrankter
Menschen anzuwenden sein könnten. Außerdem ist dies die Vorgehensweise, die in der
modernen Medizin generell praktiziert wird. Ich werde nur einen kurzen und sehr
vereinfachten Ausflug in die Physiologie unseres Körpers antreten, da der Umfang, der ja
mehrere spezifische Fachgebiete umfasst, sonst den Rahmen dieser FBA komplett
sprengen würde.

5.1. Von der Musik zum Schall

Von der Schallquelle (zum Beispiel einer Stimme, einer CD, einem Orchester oder einem
Lautsprecher) breitet sich der Schall wellenförmig aus. Die Luft dient ihm dabei als
„Transportmittel“. Man unterscheidet dabei zwischen dem für die Lautstärke maßgeblichen
„Schallpegel“, gemessen in Dezibel, und der die Tonhöhe bezeichnenden „Frequenz“, sie
wird gemessen in der Maßeinheit Hertz.

5.2. Das Ohr, Anatomie und Physiologie

Anatomisch gliedert sich das Ohr in drei Abschnitte: Außenohr, Mittelohr und Innenohr.
Das Außenohr ist unser Schalltrichter. Durch seine asymmetrische Form ermöglicht es uns
den Schall zu orten, damit bestimmt werden kann, ob ein Geräusch von vorne oder von
hinten kommt. Dies geschieht durch die unterschiedlichen Ohrmuschelwölbungen, welche
dem jeweiligen Schall eine andere Klangfarbe geben. Der äußere Gehörgang bietet einen
gewissen Schutz für das Trommelfell, einer 0,55cm² großen Membran. Dieses gilt als
Trennpunkt vom Außenohr zum Mittelohr. Am Trommelfell ist der Hammer (Malleus),
einer der drei Gehörknöchelchen, angebracht. Der Schall erreicht das Trommelfell, bringt
dieses und den Hammer zum Schwingen.

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Der Hammer leitet die Schwingungen weiter über den Amboß (Incus) zum Steigbügel
(Stapes), der seinerseits die Schwingungen auf die nächste Membran überträgt. Durch die
Hebelwirkung der Gehörknöchelchen-Kette werden die Schwingungen um das rund 20-
fache verstärkt. Dieses nächst geschaltete Membran, das „Ovale Fenster“, ist zugleich die
Trennung vom Mittelohr zum mit Lymphflüssigkeit gefüllten Innenohr. Ein komplexes
Zusammenspiel von Muskeln im Mittelohr und der Eustachischen Röhre bietet einen
Schutz gegen großen Schalldruck. Dies hat außerdem den Effekt, dass die Wahrnehmung
körpereigener Laute und Geräusche verringert wird. Der Schall wird nun in das Innenohr
weitergeleitet. Das Hörorgan wird als Schnecke (Cochlea) bezeichnet, da es Windungen
aufweist, welche an ein Schneckenhaus erinnern. Sie ist wiederum in drei Kanäle
unterteilt. Die untere Scala tympani wird durch die Basilarmembran von dem mittleren
Kanal, der Scala media, getrennt. Der obere Kanal, die Scala vestibuli, wird wiederum
durch die Reissner-Membran vom mittleren Kanal getrennt. Der Schall bringt nun die
Flüssigkeit in der Schnecke in Bewegung. Die Intensität der Bewegung ist je nach
Frequenz unterschiedlich. Auf der Basilarmembran befindet sich das Corti-Organ. Dieser
Teil des Innenohrs wandelt die mechanischen Impulse mit Hilfe der Stereocilien
(Haarförmige Fortsätze) in bioelektrische Impulse (Nervenimpulse) um. Diese wiederum
werden von den Fasern des Hörnervs (8. Hirnnerv = Nervus vestibulocochlearis)
aufgenommen und zum Hörzentrum im Gehirn geleitet.
(Vgl. de la Motte-Haber, Rötter, 2005, 33f)

5.3. Verarbeitung der bioelektrischen Impulse im Gehirn

Mit unterschiedlichen Entladungsfrequenzen und unterschiedlichen Neuronen gelangen
diese Impulse zum Hirnstamm. Über die Hörbahn, ein komplexes Verschaltungssystem, in
dem die Impulse vorverarbeitet werden, gelangen sie zum akustischen Kortex. Sind im
Innenohr ca. 3.500 Neuronen an der Reizweiterleitung beteiligt, so steigt die Zahl im
akustischen Kortex auf ca. 100 Mio. Dies belegt die Komplexität der Verarbeitung und
Vernetzung akustischer Reize. Die Reize werden weitergeleitet zum primären akustischen
Rindenfeld. Daraufhin schalten sich das motorische Sprachzentrum, der Gyros
postcentralis, und das Limbische System unter ständigem Abwägen, Bewerten und
Assoziieren ein. (Vgl. de la Motte-Haber, Rötter, 2005, 41f)

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5.4. Molekularbiologische Mechanismen

Ein weiterer Aspekt der Beobachtung von den gehirnphysiologischen Prozessen ist die
Analyse biochemischer Veränderungen durch äußere Reize. Zum Einen handelt es sich um
Hormonveränderungen in gewissen Hirnregionen (z.B. in der Hypophyse und im
Hypothalamus), welche durch Musikwahrnehmung ausgelöst werden und Auswirkung auf
den gesamten Körper haben können, zum anderen um Aktivierung verschiedener
Neurotransmitter. Die Musikpsychologie hat in diesem Bereich erst sehr wenige
Untersuchungen durchgeführt. Die meisten konzentrieren sich dabei auf die hormonellen
Korrelate der Musikwirkung. Insbesondere sind die Stresshormone ACTH und Prolaktin
(werden in der Hypophyse gebildet), sowie das körpereigene Opiat Beta-Endorphin
gemessen worden.
Für ACTH und das damit abhängige Kortisol können Veränderungen in Abhängigkeit von
der affektiven Bedeutung der Musik nachgewiesen werden, z.B. unter Techno-Musik war
ein signifikanter Anstieg von ACTH zu beobachten. Beta-Endorphin kann während
angenehmer Musik, z.B. chillout-Music, vermehrt ausgeschüttet werden.
Veränderungen von Neurotransmittern durch kognitive Vorgänge sind beim Menschen nur
sehr schwer zu untersuchen. In einer Studie konnte nachgewiesen werden, dass affektiv
negativ bewertete Musik zu einer erhöhten Ausschüttung von Serotonin führt, das einen
anregenden Neurotransmitter im zentralen Nervensystem darstellt.
Die Moderne Psychiatrie nimmt als Ursache der Depression ein Ungleichgewicht von
Serotonin und Noradrenalin an.

Ist womöglich gerade hier ein Ansatzpunkt, um diese wissenschaftlichen Erkenntnisse im
Stationären Setting mit depressiv erkrankten Menschen anzuwenden?
Natürlich macht es wenig Sinn, einem depressiv erkrankten Menschen affektiv negativ
bewertete Musik vorzuspielen, zumal sie ohnehin schon gedrückter Stimmung sind.
Dennoch, kann diese Erkenntnis nicht doch ein Schritt in die richtige Richtung sein?
Die Wissenschaft hat jedoch zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren spezifischen
Untersuchungen vorgenommen, um diese Möglichkeit zu untermauern.
Anwendungen finden sich jedoch bereits in der Schmerztherapie, und diese laut
Patientenberichten mit gutem Erfolg.
(Vgl. de la Motte-Haber, Rötter, 2005, 46)

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6. Musik in der Forschung

6.1. Der Mozart Effekt

Wie bereits erwähnt, steckt die Musikforschung noch in den Kinderschuhen.
Das die Musik unser Gehirn stimuliert, haben wir ja bereits gelesen. Dennoch hat die
moderne Wissenschaft nur wenige Aspekte herausgehoben, welche untersucht wurden.
Ende der 90er- Jahre erlangte der Komponist und Musikpsychologe Don Campbell in den
USA mit „The Mozart Effect“ (Auf Deutsch “Die Heilkraft der Musik“) einen Bestseller.
Basierend auf den Erkenntnissen des französischen Arztes Alfred A. Tomatis gibt
Campbell an, dass beim Hören von Mozart die Intelligenz und Kreativität gesteigert wird.
Verantwortlich dafür sei die rhythmische Variabilität, die spielerisch fließenden Melodien,
die klare Struktur der Form und der bevorzugte Einsatz heller Klänge, die die Musik von
Mozart prägt. Eine Studie der Universität Kalifornien in Irvine belegte, dass sich nach 10
Minuten Mozart-Musik (D-Dur-Sonate für zwei Klaviere, KV 448) bei 36 Probanden der
räumliche IQ-Test um etliche Punkte verbessert habe. Grund dafür sei, dass die Musik von
Mozart das Gehirn anregt, und viele neue Kontakte zwischen Neuronen bildet. Der
amerikanische Psychologe und Komponist Joshua Leeds meinte sogar, dass der Klang für
das Nervensystem ebenso wichtig wie Nahrung für den Körper sei. Diese Weltneuheit
löste einen „Boom“ aus und die Musikwissenschaft erwachte, wenn auch nur zaghaft, aus
dem Dornröschenschlaf.
Mozarts Musik wurde als Gehirntraining gewertet.
Hans- Ulrich Balzer, Forscher am Salzburger Mozarteum analysierte, dass beim Hören von
Mozarts Musik es zu einer erstaunlich schnellen Synchronisation mit den körpereigenen
Rhythmen kommt.
Ein Orchester besteht aus ca. 65 Instrumenten, die exakt zusammenspielen und eine
enorme Bandbreite an Frequenz, Rhythmik und Melodie hervorbringt. Ein komplexes
Konstrukt eben. Betrachtet man unser Gehirn, so weiß man, dass es ebenfalls ein
Komplexes, exakt zusammenspielendes Konstrukt ist (natürlich um einiges komplexer),
womöglich ist dies der Grund, warum Mozarts Musik eine solche Auswirkung auf den
Menschen hat. (Vgl. Salvesen und Brandes, 2006, 124ff)

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Ab jenem Ereignis, dem „Mozart Effekt“, wurden neue Türen geöffnet, die
Musikpsychologie begann zu florieren.
Es entstanden z.B. eigene „Kaufhaus-Musik“ Labels, diese versprachen mit ihrer Musik
die Kaufkraft der Kunden zu steigern, was jedoch noch sehr umstritten ist. Die
Werbungsindustrie setzte gezielt Musik ein, und auch in Kinofilmen wird eine
eindrückliche Szene erst mit der richtigen Musik intensive.
Die CD-Produktionen mit dem Titel „Hallo, Erdling!“ mit speziellen Klängen für
Schwangere, sie sollen den Neuen Erdenbürger begrüßen und auf Herz und Atemfrequenz
positiv wirken. Es gibt Musik „vor der Geburt“ und „nach der Geburt“, Musik gegen
Schlafstörung, Musik zur Entspannung und Musik gegen Liebeskummer. Die Palette ist
variabel weiterzuführen. Musik wird in vielen Bereichen bereits erfolgreich eingesetzt,
aber wo findet die moderne Psychiatrie ihren Platz?

6.2. Musik und Emotionen

„Musik verändert Stimmungen. Die Musik hilft dem Individuum, aus einem weniger
erwünschten psychischen Zustand in einen erwünschteren zu wechseln. Dies zeigt sich in
Antworten wie: „Musik entspannt mich, wenn ich angespannt und ängstlich bin“, oder:
„Musik bringt mich wieder zu mir selbst, wenn meine Gefühle durch Stress unterdrückt
werden oder unzugänglich sind“ (Schönberger, 2006, 11f)

So beginnt Jörg Schönberger sein Buch „Musik und Emotionen“. Laut seinen Recherchen
gibt es kein Zweifel, dass Musik unsere Emotionen positiv und nachhaltig beeinflusst. In
den meisten Büchern, die ich gelesen habe, wird vor allem dieses Thema „Musik und
Emotionen“ genauer unter die Lupe genommen.

Im Allgemeinen ist Musik, in Verbindung mit Emotionen, auch mehr oder weniger an den
Zeitgeist gebunden. Die Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft hat auch nicht vor der
Musikindustrie halt gemacht. Neue Trends und Hits erklimmen den Musikmarkt fast
monatlich. Sie erzählen Geschichten, die Emotionen freisetzen. Oft können sich die Hörer
mit dem Lied identifizieren, fühlen sich verstanden. Lieder der Sehnsucht oder des
Ausbrechens aus dem normalen Leben sprechen die Menschen an, und versetzen sie in
eine neue, aufregende Welt, denn: Musik spielt sich im Kopf ab.

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Eine der nur wenigen
             w       emppirischen Untersuchun
                                  U         ngen bezügllich der em
                                                                 motionalen Reaktion
                                                                            R
bei Musik
    M     hat der engliscche Musik--Psychologee Professorr John A. Sloboda vo
                                                                            orgelegt.
83 Musikhörer
   M          aus Großßbritannien mussten einen
                                          e     Frageebogen in Hinblick auf
                                                                        a ihre
körperlichen Reeaktionen auuf Musik auusfüllen. Beteiligt warren 34 proffessionelle Musiker,
                                                                                    M
33 Amateure
   A        unnd 16 Laienn, die im Allter von 16 bis 70 Jahrren lagen. G
                                                                       Gefragt wurrden sie,
ob und wenn jaa, welche köörperlichenn Reaktionen
                                                n auf Musiik während der letzten
                                                                               n 5 Jahre
bei ihnen aufgeetreten seienn. Zusätzlicch sollten die
                                                   d Testperssonen bis zuu drei Mussikstücke
angeben, bei deenen sie siich erinnernn konnten, eine oder mehrere soolcher körp
                                                                               perlichen
Reakktionen versspürt zu haaben. Die Ergebnisse
                                     E          sind
                                                s    in der unten angeeführten Taabelle zu
sehenn.
Die Probanden konnten diie Häufigkeeit auf eineer fünfstufiggen Skala einschätzen
                                                                                n. In der
Tabeelle ist linkss der Mittelw
                              wert der anngegebenen Häufigkeit für das jew
                                                                         weilige Ereig
                                                                                     gnis und
rechtts die Häufiigkeit (in Prrozent) angeegeben, die das Erlebniis in den veergangenen 5 Jahren
erlebbt haben. Diie damit häuufigste emootionale-körrperliche Reeaktion auf M
                                                                            Musik ist so
                                                                                       omit das
(posiitive) „eiskaalt über-denn-Rücken-Laufen von Gänsehaut“
                                                  G

(Spitz
    tzer et al, 20005)

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6.3. Musik fördert das Wohlbefinden

Ende der 90er Jahre wurde eine bildgebende Untersuchung mittels Positronen-
Emissionstomographie (PET) zur emotionalen Begleiterscheinung des Musikhörens von
Anne J. Blood und Robert J. Zatorre durchgeführt.

Sie hatten als spezielles Hauptaugenmerk dieses Gefühl der Gänsehaut im Rücken,
welches sie genauer erforschten. Die Auswertungen der PET-Daten ergaben, dass mit
zunehmender Gänsehaut die Aktivität in einigen Arealen zunahmen, in anderen dagegen
abnahmen. Eine Zunahme der Aktivität fand sich unter anderem im dopaminergen
Belohnungs- bzw. „Bedeutungsgebungs-System“, d.h. im ventralen tegmentalen Bereich,
im Nucleus accumbens (eine Kernstruktur im unteren basalen Vorderhirn) und im
orbitofrontalen Kortex. Dieses System ist bekanntermaßen zuständig für die positive
Bewertung und beispielsweise auch dann aktiv, wenn ein Suchtstoff wie Kokain
eingenommen wird.

Andererseits wurde eine Abnahme der Aktivität beim Hören angenehmer Musik im
Bereich der Amygdala (Mandelkern) beobachtet, also dem System, das für das Erleben von
Angst im Rahmen von Angstkonditionierungen von besonderer Bedeutung ist. Musik
bewirkt damit prinzipiell das Gleiche wie andere biologisch außerordentlich wichtige
Reize wie beispielsweise Nahrung oder soziale Signale. Sie stimuliert das körpereigene
Belohnungssystem, was mit der Ausschüttung von Dopamin aus Neuronen der Area A10
im Nucleus accumbens einhergeht, sowie mit der Ausschüttung von endogenen Opioiden
aus Neuronen des Nucleus accumbens in weite Teile des Frontalhirns. Umgekehrt wird
durch angenehm empfundene Musik die Aktivierung zentralnervöser Strukturen, die für
unangenehme Emotionen, wie Angst und Aversion zuständig sind, vermindert. Durch das
Experiment kamen sie zum Ergebnis, dass sich Musik in doppelter Weise positiv auf den
emotionalen Zustand des Menschen auswirkt.

„Wir haben hiermit gezeigt, dass Musik neuronale Systeme für Belohnung und Emotionen
aktiviert, die denen entsprechen, die auf spezifische biologische   relevante Stimuli - wie
beispielsweise Nahrung oder Sex - antworten, bzw. künstlich durch Rauschdrogen aktiviert
werden.

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Dies ist bemerkenswert, denn Musik ist streng genommen weder für das Überleben noch
zur Reproduktion notwendig, ebenso wenig ist Musik eine Substanz im pharmakologischen
Sinn.
Die Tatsache, dass Musik die Eigenschaft besitzt, solch intensive Glücksgefühle zu
bewirken und körpereigene Belohnungssysteme zu stimulieren, legt nahe, dass Musik,
wenn sie auch nicht für das Überleben der Art Mensch unbedingt notwendig ist, doch
einen deutlichen Beitrag zu unserem geistigen und körperlichen Wohlbefinden leisten
könnte“ (Blood & Zatorre, 2001, 11823).

6.4. Einsatz einer Klangliege bei depressiven Patienten

Jene zwei Untersuchungen nahmen Wissenschaftler des Universitätsklinikum Ulm als
Grundlage ihrer Studie „Erste Ergebnisse zum Einsatz einer Klangliege bei depressiven
Patienten“. Diese Untersuchung empfinde ich interessant und für diese Fachbereichsarbeit
von Bedeutung.

Die Pilotuntersuchung begann 2004 an der Ulmer Abteilung für Psychiatrie mittels einer
Klangliege, welche die Schweizer Firma Sonodynamic bereitstellte. Diese Klangliege fand
Verwendung, um das „Therapeutikum“ Musik zu untersuchen.
Die Anordnung der Lautsprecher an der Klangliege versprach dem Probanden vollkommen
von Musik umgeben zu sein, und diese nicht nur zu hören, sondern auch körperlich zu
spüren. Dazu wurden speziell niederfrequente Tieftöne im Bassbereich hinzu geführt,
welche das Musik-Erleben zusätzlich positiv beeinflussen sollten.
In einem randomisierten Prä-post-Untersuchungsdesign sollte die Auswirkung des
Musikhörens auf subjektive Befindlichkeit, Zustandsängstlichkeit und vegetative
Parameter     untersucht   werden.    Untersucht   wurden    15     Patienten   mit   einem
Durchschnittsalter von 41,5 Lebensjahren, welche unter einer Major Depression (DSM-IV:
259.XX) litten, und sich in offener stationärer Behandlung befanden. Vor der
Untersuchung wurden die Probanden bezüglich Ablauf und Zielsetzung der Untersuchung
aufgeklärt.

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Studiendesign:

Die 15 Patienten wurden zufällig auf jede der insgesamt acht Experimentalsitzungen
verteilt. Zu den Bedingungen Musikhören mit und ohne zusätzliche niederfrequente
Vibration erfolgten jeweils eine Prä- und Post-Messung. Eine Stimulationseinheit mit
Musik umfasste 20 Minuten. Die Dauer der musiktherapeutischen Intervention war für die
Bedingungen mit und ohne Vibration gleich lang. Als Musikstück zur jeweiligen
Intervention wurde ein eher ruhiges Musikstück nach Wahl des Patienten verwendet. Zu
jedem der acht Untersuchungstermine wurden vor und nach der musiktherapeutischen
Intervention Skalen zur subjektiven Befindlichkeit vorgegeben, sowie vegetative
Parameter bestimmt (Herzfrequenz, systolischer und diastolischer Blutdruck). Unter der
Bedingung mit Vibration erfolgte zusätzlich zum Musikhören eine niederfrequente
Vibrationsstimulation im Bereich bis 20 Hz, die mittels Basslautsprecher unter dem
liegenden Patienten appliziert wurde. Die Vibrationsdauer entsprach der Länge der
musiktherapeutischen Intervention.

Erhebungsinstrumente:

Subjektive Befindlichkeit Skalen:
Zur Messung der emotionalen Befindlichkeit vor und nach der jeweiligen Intervention
wurden eigens analog-visuelle subjektive Beurteilungsskalen entwickelt. Zu den
Dimensionen „Gefühl der Entspanntheit“, „Gefühl des Gelöstseins“ und „Gefühl des
allgemeinen Wohlbefindens“ konnten die Versuchspersonen auf einer Skala von 100
Millimetern durch Markierung den jeweiligen subjektiven Eindruck markieren. Die Skalen
wurden vor und nach den einzelnen Untersuchungen den Probanden vorgelegt mit jeweils
vertauschter Reihenfolge. Die Angaben der Probanden wurden digital erfasst. Hohe
Werte repräsentierten die „negative“ Ausrichtung des jeweils erfassten subjektiven
Eindrucks, die Richtung war für alle der Skalen gleich.
(Spitzer in Nervenheilkunde 3/2005, 200)

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Psychopathologische Skalen:
Zum Beurteilen des psychopathologischen Zustandes wurden die Skalen der „State-Trait-
Anxiety-Inventory“ in deutscher Übersetzung verwendet. Die Stata-Skala erhebt das
momentane Befinden des Probanden, die Trait-Skala das situationsunabhängige
Allgemeinbefinden. Für diese Untersuchung wurde nur die Stata-Skala verwendet, wegen
den vergleichsweise kurzfristigen Zustandsänderungen. Die Intensitätsangabe zum
momentanen Befinden wurde auf einer vierstufigen Ratingskala dargestellt. Je höher der
Summenscore der Skala, desto höher ist die Zustandsangst des jeweiligen Patienten.

Ergebnis:

Wie in der graphischen Darstellung deutlich zu erkennen ist, gab es bei der Prä- und Post
Messung markante Unterschiede. Wobei die Graphik zeigt, dass die Interventionen mit
dem Faktor Vibration (MV = Mit Vibration) keinen Unterschied gegenüber dem Faktor
ohne Vibration (OV = Ohne Vibration) brachten. Was mich sehr verwunderte, da ich
dachte, dass die Intensität des Musikhörens dadurch um einiges größer sei, und dass sich
dies im Ergebnis auswirken müsse, was aber nicht geschah.

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Signifikante Veränderungen in der Selbsteinschätzung nach den musiktherapeutischen
Interventionen sind jedoch in den Bereichen „Gefühl der Entspanntheit“, „Gefühl des
Gelöstseins“ und „Gefühl des allgemeinen Wohlbefindens“ zu erkennen. Dies bedeutet,
dass die Patienten nach der musiktherapeutischen Intervention eine klare, subjektive
Verbesserung ihres Gefühlslebens verspürten. Dieses Ergebnis ist aus meiner Sicht ein
wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Untersuchung hat in diesem Setting generell
positive Ergebnisse aufgezeigt.

Diskussion:

Was mir bei dieser Untersuchung fehlt, ist, ob und wie lange dieses subjektiv positive
„Gefühl“ anhielt, und ob dadurch der Krankheitsverlauf positiv beeinflusst wurde. Auch
wurden keine Kontrolluntersuchungen durchgeführt. Auf Grund des Settings und „widriger
Umstände“ (Umbau der Klinik) war leider keine Kontrolluntersuchung innerhalb derselben
Patientengruppe durchzuführen. Weiters empfinde ich die Anzahl der Probanden (15
Patienten) sehr gering und deswegen nicht als ausreichend aussagekräftig.
Diese Erkenntnis ist also noch nicht Beweis genug, um Musik als wirkungsvolles
Behandlungsinstrument im stationären Alltag einzusetzen.

6.5. Dir Wirksamkeit rezeptiver Musiktherapie bei der Behandlung von Depressionen

Mit dem Ziel, die Evidenz der potentiellen Wirksamkeit von rezeptiver Musik bei der
Behandlung von depressiv Erkrankten zu untermauern, führte die Medizinische
Privatuniversität Paracelcus in Salzburg eine randomisierte und placebokontrollierte
Pilotstudie durch. Frau Vera Brandes, Leiterin der Privatuniversität, schreibt in ihrer
Einleitung:
„Aktuelle Behandlungsansätze für Depression besteht in verschiedenen Formen
psychosozialer Therapie und dem Einsatz antidepressiver Medikamente. Metaanalysen
ergaben im Wesentlichen ähnliche Erfolgsraten für beide Behandlungseinsätze, wobei am
häufigsten eine Symptomreduktion, jedoch keine vollständige Remission erreicht wurde.
Bei einem vollen Drittel der monotherapeutischen behandelten Patienten wird weniger als
50% Symptomreduktion erzielt“. (Brandes, 2010, 17)

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