NÄHE - Ausgabe Unterfranken

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NÄHE - Ausgabe Unterfranken
3•2020
                                                            DAS MAGAZIN
                                                            DER AWO BAYERN
                                                            74. Jahrgang des „Helfer“

      NÄHE
                                                          U N F T
                                                      ZUK
       N AT U R
                         N A C H H A LT I G K E I T

                                                      GLÜCK

                                                            DIE AWO IN
                                                            UNTERFRANKEN

                                                            AWO Lädchen für Alles
                                                            Hier wird immer

Gesellschaft auf NULL.                                      nett bedient.

Was WIR aus der Krise                                       Jugendwerk
lernen.                                                     Weiter aktiv – trotz
                                                            Corona.
NÄHE - Ausgabe Unterfranken
WIR IN BAYERN                                     WIR IN UNTERFRANKEN
Aus der AWO                                   3
Bayern ist ein Sozialstaat: Festschrift zum       Editorial                                11
100-jährigen Bestehen + AWO trauert um            Hier wird immer nett bedient –
Martin Seibert + Kamm Stiftung: Preise für        AWO Lädchen für Alles                    14
gute Ideen                                        AWO Leben                                17
                                                  Jugendwerk                               21
Unser Thema: Gesellschaft auf NULL.
                                                  AWO Impulse                              22
Was WIR aus der Krise lernen                  6
AWO l(i)ebt Demokratie                            AWO Menschen                            28
Sozial-ökologische Wende JETZT – AWO und          Service                                  32
Bund Naturschutz für mehr Nachhaltigkeit +        Kreuzworträtsel                         38
Interview Prof. Karlheinz Ruckriegel

Liebe Leserinnen und Leser,

„alles ist anders wegen Corona“ – ein Satz, den wir in den letzten Monaten oft gehört
haben. Ein Satz, der leider sehr zutreffend ist. Wir haben im letzten Heft unserer WIR
einen Einblick gegeben in die Belastungen und Einschränkungen, die die Pandemie auch
für die Arbeiterwohlfahrt in Bayern, ihre Einrichtungen, aber vor allem für Diejenigen mit
sich bringt, die sich täglich für die Menschen engagieren, die sich uns anvertrauen. Dafür
sage ich aus vollem Herzen „Danke“.
In der bewussten Auseinandersetzung mit der Krise, ihren Symptomen und Auswirkungen
liegt aber auch die Möglichkeit, den Blick zu schärfen für das, was uns wirklich wichtig sein
sollte; und auch für das, was falsch läuft in unserer Gesellschaft. Die Corona-Krise wirkt
hier wie ein Brennglas. Vieles wird plötzlich deutlich sichtbar. Gegen das dumpfe „weiter
so“ müssen wir den Blick öffnen für neue Wege und neue Gedanken. Das beschreibt auch
das Leitmotiv dieser WIR. Sie berichtet mit der Kooperation der AWO mit dem Bund Natur-
schutz in Bayern auch von einem ganz persönlichen Wunschprojekt. Nicht erst seit dem
Grundsatzprogramm von 2019 öffnet sich die AWO stärker dem Gedanken, dass auch und
gerade Fragen von Ökologie und Nachhaltigkeit immer auch Themen eines gerechten
gesellschaftlichen Miteinanders sind. Das ist gut so!
„Alles anders wegen Corona“, das gilt auch für unseren Verband. Viele Kreiskonferenzen
und alle Bezirkskonferenzen dieses Jahres mussten verschoben werden. Weil keine Dele-
gierten neu gewählt werden konnten, wird die AWO Bundeskonferenz nicht Ende November
2020 abgehalten, sondern erst im Juni nächsten Jahres. Und auch die Landeskonferenz,
auf der wir Mitte September in Nürnberg mit einem neuen Team an der Spitze die Weichen
für die Zukunft stellen wollten, wird nun erst im Anschluss an die für Februar 2021 geplan-
ten Bezirkskonferenzen stattfinden, voraussichtlich im April 2021.
Dass dies für die AWO in Bayern keinen Stillstand bedeutet, belegt die neue Ausgabe unseres
Mitgliedermagazins. Ich wünsche viel Freude bei der Lektüre.

Ihr
Thomas Beyer
Landesvorsitzender
NÄHE - Ausgabe Unterfranken
Bayern ist ein
                                                      Sozialstaat

                                                                                                                          AUS DER AWO
                                                      Festschrift zum
                                                      100-jährigen Bestehen der
                                                      AWO in Bayern erscheint

                                                      Es soll ein besonderes Geschenk sein, ein Geschenk der
                                                      AWO in Bayern an alle, die für ein Soziales Bayern ein-
                                                      stehen: die Festschrift zum einhundertsten Geburtstag.
                                                      Schon der aus der Bayerischen Verfassung entlehnte
Frist verlängert: 5 Preise für gute                   Titel macht klar, dass es um keine herkömmliche Leis-
Ideen gegen Corona                                    tungsschau eines Verbandes geht. 25 Autorinnen und
                                                      Autoren geben Antworten auf aktuelle Herausforderun-
In ihrer zweiten Ausgabe 2020 hat die WIR-Re-         gen für die Wohlfahrtspflege – vom sozialpolitischen
daktion um die Einsendung von Projekten gebe-         Auftrag über die Modernisierung des Mitgliederverban-
ten, die in der AWO initiiert wurden, um das Le-      des, von Nachhaltigkeit und Digitalisierung bis hin zu
ben in Zeiten von Corona ein bisschen besser zu       den Wirkungen der Corona-Krise.
machen. Einige Einsendungen haben uns bereits
erreicht, doch wir sind sicher, dass die Mitglieder   Und natürlich geht es um die Stellung der Arbeiterwohl-
und Ehrenamtlichen der Bayerischen AWO noch           fahrt in der sozialen Landschaft des Freistaates: selbst-
viel mehr getan haben – ob mit dem Nähen von          bewusst zum Erreichten, aber auch selbstkritisch zu den
Mundschutz oder mit Musik gegen Traurigkeit.          aktuellen Gefährdungen. Für die historische Perspektive
                                                      bürgt in besonderer Weise der Mitherausgeber Professor
   Deshalb verlängern wir die Frist für die Teil-     Hermann Rumschöttel, langjähriger Generaldirektor der
nahme bis zum 30. September. Es reicht eine           Staatlichen Archive Bayerns und einer der profiliertesten
kurze Beschreibung des Projektes mit ein paar         Kenner der hiesigen Kultur- und Sozialgeschichte.
Fotos. Diese einfach an die Bertold Kamm Stif-
tung c/o AWO Landesverband Geschäftsstelle               Beyer/Rumschöttel (Hrsg.), Bayern ist ein Sozialstaat,
Nürnberg, Bartholomäusstraße 26d , 90489              Gebr. Geiselberger GmbH Druck und Verlag Altötting,
Nürnberg, Mail nicole.rossnagel@awo-bayern.de         erscheint Mitte September 2020,
senden.                                               ISBN 978-3-87245-126-2

Die 2017 in Erinnerung an den langjährigen
Landes- und Ehrenvorsitzenden der Bayerischen
AWO gegründete Bertold Kamm Stiftung stiftet          DVD zum Film „Zu weit weg“
5 mal 200 Euro für gute Ideen in der Corona-          zu gewinnen
Krise. Auswahlgremium ist der Stiftungsvorstand
und der AWO Landesvorsitzende als Vorsitzender        In der ersten Ausgabe der WIR 2020 hatten wir Fan-
des Stiftungsrates. Der Rechtsweg ist ausge-          Pakete des Films „Zu weit weg“ verlost. Viele Zuschriften
schlossen. Die prämierten Ideen werden in der         haben uns erreicht. Nachdem der Filmstart wegen Corona
Ausgabe 4-2020 der WIR vorgestellt.                   auf den Juli verschoben werden musste, verlosen wir in
                                                      der nächsten Ausgabe drei DVDs des Jugendfilms um
                                                      eine Fußballfreundschaft. Die DVDs kommen erst im
                                                      September auf den Markt, sind also brandaktuell.

                                                        Wer teilnehmen möchte, sendet bitte bis
                                                      30. September 2020 eine E-Mail mit dem Kennwort
                                                      „Zu weit weg“ und der Angabe von Name und Anschrift
                                                      an petra.dreher@awo-bayern.de.
                                                      Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

                                                                                   WIR • Das Magazin der AWO Bayern   1
NÄHE - Ausgabe Unterfranken
DIE „WIR-REDAKTION“
                          Sie haben Anregungen, Lob oder
                          Kritik? Ihre Anmerkungen zum
                          aktuellen Heft nehmen wir gerne auf.
                          Sie erreichen uns hier:
AUS DER AWO

                          Arbeiterwohlfahrt
                          Landesverband Bayern e.V.
                          Edelsbergstraße 10, 80686 München
                          Telefon 089 546754–0
                          redaktion@awo-bayern.de

              Den Führerstand                                    Ein Helfer kommt
                                                                 selten allein
              verlassen                                          Eine Geschichte für Senior*innen

              In seinem Beruf als Lokführer war                  Ein heftiger Rheumaschub zwingt Re-
              er auf allen Führerständen zuhause:                nate Wolfrum vorübergehend bei der
              vom ICE bis zum betriebsfähigen                    Familie ihres Sohnes zu wohnen. Doch
              Nachbau der ersten deutschen                       obwohl sie nicht allein zurechtkommt,
              Lokomotive, dem Adler des Nürn-                    will sie weder den Jungen zur Last fal-
              berger Verkehrsmuseums. Nun hat                    len noch eine professionelle Kurzzeit-
              Martin Seibert wenige Tage nach                    pflege in Anspruch nehmen. Da orga-
              seinem 67. Geburtstag das Führer-                  nisiert ihre beste Freundin Marie Helfer
              haus völlig unerwartet für immer                   aus dem engeren Kreis von Verwand-
              verlassen müssen. Für seine Familie                ten, Freunden und Nachbarn, sodass
              und Freunde, auch die in der Arbei-                Renate trotz Krankheit in ihr eigenes
              terwohlfahrt, ist dies ein großer und              Reich zurückkehren kann. Doch nicht
              schmerzlicher Verlust. Martin Seibert              immer ist es leicht für einen normaler-
              war seit 1984 Vorsitzender des AWO                 weise allein lebenden Menschen, so
              Kreisverbandes Amberg und seit                     oft von „helfenden Händen“ umgeben
              2008 stellvertretender Bezirksvorsit-              zu sein …
              zender. 2016 wurde er zum Mit-                     Die Geschichte für Senior*innen eignet
              glied des Landesvorstandes gewählt                 sich gut zum Lesen und zum Vorlesen.
              und vertrat den Bezirk Niederbay-
              ern/Oberpfalz im Landesauschuss                       Helga Blum / Wiltrud Weltzer
              und im Stiftungsrat der Bertold                    Ein Helfer kommt selten allein
              Kamm Stiftung. Für die nächste                     Eine Geschichte für Senior*innen
              Amtsperiode hatte er die Bereit-                   1. Auflage 2019. 97 Seiten. Großdruck
              schaft zur weiteren engagierten                    (978-3-497-02851-1) kt
              Mitarbeit in den Gremien des Lan-                  € [D] 9,90 / € [A] 10,20
              desverbandes schon erklärt. Jetzt                  (alle Preise inkl. gesetzlicher MwSt.)
              bleibt sein Platz dort leer. Wir ver-
              missen Martin. Sein Wirken für die
              Arbeiterwohlfahrt bleibt. Wie sein
              Andenken.

              2   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
NÄHE - Ausgabe Unterfranken
AWO l ebt
                                                           In folgenden Demokratiewerkstätten können
                                                           sich Menschen flexibel und themenspezifisch
                                                           engagieren:

Demokratie                                                 Team Toleranz Jeden ersten Mittwoch im Monat
                                                           von 18 bis 19.30 Uhr dreht sich alles rund um
Werkstätten bieten Plattform für Austausch und             das Thema Diversität, z.B. um gruppenbezogene
Weiterbildung                                              Menschenfeindlichkeit, Rassismus, Klassismus

                                                                                                                     AUS DER AWO
                                                           oder Gleichstellung. Die Teilnehmer*innen
                                                           werden für unterschiedliche Diskriminierungs-
Das neue Projekt „AWO l(i)ebt Demokratie“ der Bayeri-      formen sensibilisiert und es wird diskutiert, wie
schen AWO kommt in Schwung: Seit August gibt es die        Jede*r sich im Alltag für Vielfalt und Toleranz
„AWO Demokratiewerkstätten“, in denen sich Menschen        einsetzen kann.
online zu Themen informieren, austauschen und enga-
gieren können.                                             Team Erinnerungskultur In dieser Demokratie-
                                                           werkstatt liegt der Schwerpunkt auf dem
In den monatlichen Online-Zoom-Treffen der verschie-       Themenkomplex Erinnerungskultur, weitere
denen „AWO Demokratiewerkstätten“ halten Expert*in-        Themen sind Antisemitismus sowie der Um-
nen Kurzfortbildungen zu aktuellen Fragestellungen. Ziel   gang mit Rechtsextremismus und Populismus.
ist es, neben der Weiterbildung eine Plattform zu schaf-   Sie findet jeden dritten Mittwoch des Monats
fen, auf der sich die Teilnehmer*innen austauschen,        von 18 bis 19.30 Uhr statt.
diskutieren und vernetzen können. Es ist ein betont in-
teraktives Angebot: „Die Mitglieder der jeweiligen Teams   Team Umwelt und Nachhaltigkeit Jeden zweiten
können die Themenauswahl mitbestimmen und eigene           Mittwoch des Monats, von 18 bis 19.30 Uhr,
Ideen einbringen und umsetzen“, so Projektkoordina-        geht es in dieser Demokratiewerkstatt um um-
torin Julia Gerecke vom AWO Landesverband.                 weltbezogene Themen und darum, wie jeder
                                                           Einzelne einen Beitrag für die nachhaltige
Doch es geht auch ums Handeln: Gemeinsam mit dem           Entwicklung unserer Gesellschaft leisten kann.
„AWO l(i)ebt Demokratie“-Team werden Aktionen und
Veranstaltungen in ganz Bayern geplant, um so auch vor     Team Politischer Lesezirkel Jeden vierten Diens-
Ort neue Impulse in den Verband zu senden.                 tag des Monats, 18 bis 19.30 Uhr, wird ein
                                                           Buch mit politischem Kontext gemeinsam
Die Teilnahme an den „AWO-Demokratiewerkstätten“           besprochen. Die Lektüre-Auswahl wird von den
ist kostenlos. Das Programm wird koordiniert und orga-     Teilnehmer*innen mitbestimmt, spannende
nisiert durch ein Projektteam im „Aktionsbüro Demo-        Sachbücher stehen dabei ebenso auf dem
kratie“ des AWO Landesverbandes Bayern e.V.. Es ist Teil   Programm wie politische Romane.
des Bundesprogramms „Zusammenhalt durch Teilhabe“
und wird gefördert durch das Bundesministerium des         Team Demokratie-Chor Stimme erheben – mal
Innern, für Bau und Heimat.                                anders! Der Chor rund um Chorleiter Dominik
                                                           Schauer studiert an jedem zweiten Dienstag
Das Aktionsbüro beantwortet gerne Fragen, Koopera­         des Monats von 18.30 bis 20 Uhr einen Song
tions­wünsche und Veranstaltungsanfragen im Demokra-       mit politischem Hintergrund in einer gemein-
tiekontext. Außerdem koordiniert es die Ausbildung der     samen Online-Chorprobe ein. Singen für die
Demokratiepartner*innen, die im November erstmals          Demokratie!
startet und ist Anlaufstelle, an die sich AWO-Aktive bei
Konfliktsituationen im Kontext von antidemokratischen         Interesse? Der AWO Landesverband freut sich
Vorfällen und Diskriminierung wenden können.               über viele Teilnehmer*innen.
                                                           Hier geht es zum Projekt und zu den Demokratie-
                                                           werkstätten:
                                                           Aktionsbüro Demokratie
                                                           AWO Landesverband Bayern e.V.
                                                           Edelsbergstr. 10, 80686 München
                                                           zdt@awo-bayern.de
                                                           www.facebook.com/awodemokratie
                                                           www.instagram.com/awodemokratie
                                                           www.awo-bayern.de

                                                                              WIR • Das Magazin der AWO Bayern   3
NÄHE - Ausgabe Unterfranken
Gesellschaft auf NULL.
                Was WIR aus der Krise lernen
ZUKUNFT JETZT

                Weiter machen wie bisher wäre ein großer Fehler - darin sind sich die Baye-
                rische Arbeiterwohlfahrt und der Bund Naturschutz in Bayern einig. In einem
                gemeinsamen Thesenpapier fordern sie von Politik und Wirtschaft, die Aus-
????????

                wirkungen der Corona-Pandemie zum Anlass für nachhaltige Veränderungen
                zu nehmen und eine soziale und ökologische Wende einzuleiten.
                                                                            träge und Soloselbstständigkeit werden seit Jahren

               T
                                                                            von der Wirtschaft missbraucht, um sich aus der Verant-

     ZUK U N F                                                              wortung zu nehmen“, so Beyer. „Hier ist dringend ein
                                                                            Gegensteuern nötig.“

                                                                            Auch sei über Wochen das enorme Gefährdungspoten­
                                                                            tial der Gemeinschaftsunterkünfte für Asylsuchende

GLÜCK                                                                       geleugnet und dezentrale Unterbringungen nicht ein­
                                                                            geleitet worden. „Die staatliche Schutzpflicht für die
                                                                            Gesundheit wurde nicht allen Menschen gegenüber
                                                                            mit gleichem Nachdruck wahrgenommen. Das ist nicht
                                                                            hinnehmbar.“

                Dass die beiden großen und traditionsreichen Zivilorga-     Die Krise zeige auch, dass die zuvor als vermeintlich
                nisationen im Jahr 2020 den Schulterschluss für die         ineffizient abgebauten Kapazitäten des Gesundheitssys-
                Nachhaltigkeit suchen, ist kein Zufall: „Die Corona-Krise   tems jetzt an allen Ecken und Enden fehlen. „Dies hat
                hat den Blick einmal mehr auf das gelenkt, was in den       zu einer zusätzlichen Verschärfung der Bedrohungslage
                vergangenen Jahren, zum Teil wider besseren Wissens,        durch die Pandemie geführt“. Das System müsse drin-
                verschlafen oder bewusst nicht auf den Weg gebracht         gend einer Reform unterzogen werden. „Dafür braucht es
                wurde“, so AWO Landesvorsitzender Prof. Dr. Thomas          jetzt das Konjunkturpaket, nicht für die Stärkung einzel-
                Beyer gegenüber der WIR. „Wir müssen uns jetzt klar         ner Branchen wie der Automobilindustrie“, so Beyer.
                werden, wie wir unsere Gesellschaft, unsere Welt,
                letztlich unsere Zukunft nach und mit den Erfahrungen       Auch außerhalb einer unmittelbaren Systembedrohung
                von Corona sozial und ökologisch gestalten wollen.“         seien im Gesundheits- und Pflegesektor und im Bereich
                                                                            des Handels ökologisch nachhaltige und sozial gerechte
                Denn die Pandemie, die mittlerweile in fast allen           Strukturen und Lieferketten künftig zu stärken, heißt es
                Ländern der Erde verheerende Auswirkungen hat, ist in       in dem Papier. „Tätigkeitsbereiche, die in der Krise als
                ihren Folgen auch Ausdruck einer Schieflage im gerech-      systemrelevant erkannt werden, müssen künftig besser
                ten Zugang zu Ressourcen. „Sie ist ein Symptom“, so         entlohnt werden. So müssen etwa für die Altenpflege
                Beyer und Mergner in ihrem gemeinsamen Thesen­              die laufenden Bemühungen um einen allgemein-
                papier, das im Juli veröffentlicht wurde.                   verbindlichen Tarifvertrag erfolgreich zum Abschluss
                                                                            gebracht werden“, fordert der AWO Landesvorsitzende.
                Aus Sicht beider Verbände zeigt die Krise deutlich die
                ausbeuterischen Wirkungen der Strukturen unseres              Das Papier zum Lesen und Download gibt es unter
                Wirtschaftssystems auf Mensch und Natur: So seien die       www.awo-bayern.de/aktuelles/projekte-und-aktionen/
                massenhaften Infektionsausbrüche bei Beschäftigten          sozial-oekologische-wende-jetzt/
                der Fleischindustrie eine fast zwangsläufige Entwicklung
                gewesen, kritisieren Beyer und Mergner, und weisen
                auf die prekären Arbeitsbedingungen der überwiegend
                                                                                                  VERANT
                aus dem Ausland rekrutierten Arbeiter hin. „Werkver­
                                                                                                                      WO RT U N
                                                                                                                                        G
                4   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
NÄHE - Ausgabe Unterfranken
„Sozial-ökologische
Wende JETZT!“
                                                                               N AT U R

                                                                                                                              ZUKUNFT JETZT
Herr Mergner, die Corona Krise kostet
viel Geld. Haben Sie Sorge, dass das
zu Lasten des Klima – und Umwelt-

                                                                                                                              ????????
schutzes geht?
Die habe ich durchaus. Und ich sage
ganz deutlich: Das darf nicht sein!
Die Krise darf nicht dazu genutzt       ketten und der industrialisierten      Also nicht immer höher, weiter, mehr?
werden, nötige oder bereits be-         Fleischwirtschaft geführt hat. Das     Durch die Corona-Krise verstehen
schlossene klima-, umwelt-, oder        ist längst bekannt, doch es wurde      die Menschen zum ersten Mal viel-
sozialpolitische Regelungen auszu-      nicht gehandelt. Im Gegenteil. Es      leicht, dass das der falsche Weg ist,
setzen, zu verschieben oder generell    wurde sogar politisch gefördert.       und am Ende mehr Verlierer als
wieder in Frage zu stellen bzw. an      Doch was jetzt billig ist, kommt uns   Gewinner erzeugt. So wie sie auch
ihnen einzusparen. Wir müssen die       am Ende alle teuer zu stehen.          erstmals vielleicht wirklich bewusst
Klimakrise und den Schwund natür-                                              wahrnehmen, wie Menschen zum
licher Ökosysteme ebenso ernst          Was fordern Sie?                       Teil in diesem und anderen Ländern
nehmen wie die Covid-19-Pande-          Wir müssen das hyper-globalisierte,    leben müssen. Wir haben jetzt die
mie, denn es gibt gemeinsame Ur-        auf Konkurrenz und Profitmaxi­         Chance, innezuhalten und nicht
sachen und Wechselwirkungen zwi-        mierung gepolte Wirtschaftssystem      weiter zu machen wie bisher.
schen diesen drei Krisen. Vor allem     hinter uns lassen, weil es den
bedrohen alle drei Krisen unsere        Klima­wandel vorantreibt, Arten zum    Warum ist die AWO für Sie der richtige
Gesundheit und das Leben der            Aussterben bringt und lebensbe-        Partner?
Menschheit.                             drohliche Krankheiten verbreitet.      Weil uns, neben allen Unterschied-
                                        Wir brauchen eine Ökonomie der         lichkeiten, eines vereint: Das Bemü-
Können Sie ein Beispiel nennen für      Fürsorge und der Gemeinwohl-           hen um Gerechtigkeit. Die Krise hat
gemeinsame Ursachen und Wechsel-        Orientierung. Und wir müssen un-       Ungerechtigkeiten an allen Ecken
wirkungen?                              seren ökologischen Fußabdruck          und Enden aufgezeigt, sozial wie
Nehmen wir die Agrarwirtschaft. Der     verkleinern, um einen gerechten        ökologisch. Wenn wir nicht gegen-
Skandal im Schlachtbereich ist Aus-     Anteil des vorhandenen Raums für       steuern, verstärken sich diese noch.
druck eines menschenunwürdigen          andere Völker und für andere Arten
und Tierleid erzeugenden Systems,       übrig zu lassen.                       Interview: Isabel Krieger
zu dem die Macht der Handels­

                                                                               Richard Mergner, hier mit AWO Lan-
                                                                               desvorsitzendem Prof. Dr. Thomas
                                                                               Beyer, ist seit April 2018 Vorsitzen-
                                                                               der des BUND Naturschutz, Bayerns
                                                                               größtem und ältestem Natur- und
                                                                               Umweltschutzverband mit rund
                                                                               250.000 Mitgliedern und Förderern,
                                                                               die in einem Netz von 76 Kreisgrup-
                                                                               pen und 668 Ortsgruppen organi-
                                                                               siert sind. Der Bund Naturschutz
                                                                               wurde 1913 gegründet und versteht
                                                                               sich als Naturschutz- und Verbrau-
                                                                               cherorganisation.

                                                                                       WIR • Das Magazin der AWO Bayern   5
NÄHE - Ausgabe Unterfranken
E IT
                                                                                                                              IG   K
                                                                                                                          H T
                Hunger breitet sich aus                                                                           E   C
                Weltweit hat die Corona Pandemie die Menschen fest im                                      G   ER
                Griff, neben den süd- und nordamerikanischen Ländern
                trifft sie derzeit auch Afrika mit voller Wucht.
ZUKUNFT JETZT

                Ende März bereits hatte sie das westafrikanische Mali er-     In Mali trifft die Corona Pandemie auf ein Land, das nicht
                reicht. Seither hat sich die Situation in dem politisch und   nur zu den zehn ärmsten Ländern der Welt zählt. Es
                wirtschaftlich in schwierigen Zeiten befindlichen Land für    steckt zudem seit 2012 in einer vielschichtigen Krise fest:
                die arme Bevölkerung weiter verschärft, berichtet Gudrun      Die instabile Sicherheitslage im Norden des Landes hat
????????

                Kahl von der LAG Mali, die das Land noch im Frühjahr          sich trotz starker militärischer Präsenz verschlechtert und
                besucht hatte.                                                in den letzten Jahren auf zentrale Regionen Malis ausge-
                                                                              dehnt. Bewaffnete Konflikte und Überfälle, die auch im
                Bis Mitte Juli hatten sich in Mali offiziell 2.412 Menschen   benachbarten Burkina Faso und Niger zugenommen
                mit dem Virus infiziert, 121 starben. Angesichts der ge-      haben, führten zu weiteren Fluchtbewegungen. Ende Mai
                ringen Testkapazitäten sind diese Zahlen allerdings mit       2020 lebten 296.750 Geflüchtete in Mali, davon sind
                einem großen Fragezeichen zu versehen. Vielmehr ist von       251.000 Binnenflüchtlinge.
                einer hohen Dunkelziffer an Erkrankungen auszugehen.
                Frühzeitig, noch bevor die ersten Fälle von COVID 19 im       Die Enttäuschung und fehlendes Vertrauen der malischen
                Land bekannt wurden, hatte die malische Regierung den         Bevölkerung in die amtierende Regierung kennzeichnen
                Flugverkehr eingestellt und die Landesgrenzen geschlos-       eine weitere, politische, Dimension von Malis Krise. Und
                sen, ebenso Schulen und Universitäten. Versammlungs-          diese spitzt sich zu: Seit dem 5. Juni demonstrierten
                verbote, nächtliche Ausgangssperren und die Schließung        zehntausende Malier regelmäßig in Bamako und anderen
                von Hotels und Restaurants folgten.                           Städten und forderten den Rücktritt von Präsident Keita.
                                                                              Mitte Juli eskalierte der Protest.
                Die strikten Beschränkungen führten in den städtischen
                Zentren zu einem deutlichen Rückgang der wirtschaft­          Corona und die damit verbunden Maßnahmen zur Ein-
                lichen Aktivitäten. Allein in der Hauptstadt Bamako           dämmung der Pandemie verschärfen die Armut und
                verloren nach Berichten der Weltbank 50 Prozent der           vermutlich auch die politischen Spannungen im Land.
                Haushalte ihre Arbeit. Problematisch auch, weil viele         In letzter Konsequenz droht vielen Menschen Mangel­
                der Menschen dort nicht auf soziale Sicherungssysteme         ernährung und Hunger – vor allem in den Städten und
                zurückgreifen können.                                         in den Krisengebieten.

                Infolge der weltweiten Corona-Krise gingen auch die           Gudrun Kahl
                Geldüberweisungen der außer Landes lebenden Malier
                zurück. Nicht wenige Haushalte in Mali sind auf diese           Mehr Informationen zur LAG Mali und ihren Projekten:
                Transfers angewiesen und können seither ihren Bedarf          www.lag-malihilfe.de
                an Nahrungsmitteln nicht mehr ausreichend decken,             Spendenkonto der LAG Mali:
                zumal auch die Lebensmittelpreise deutlich angestiegen        VR meine Bank eG Fürth/Neustadt
                sind. Das trifft vor allem diejenigen, die ohnehin schon      IBAN: DE65 7606 9559 0003 2590 05
                „von der Hand in den Mund“ leben und über keine               BIC: GENODEF1NEA
                Reserven verfügen. Laut Umfragen hungern derzeit rund
                zehn Prozent der malischen Haushalte.

                Stolz und dicht gedrängt stehen die
                Frauen unter dem schützenden Dach
                ihres Getreidespeichers. Vor gut vier
                Monaten, als das Bild beim Besuch der
                malischen Projektdörfer entstand, war
                Abstand halten noch kein Thema in
                Mali. Das hat sich geändert.

                6   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
NÄHE - Ausgabe Unterfranken
INTERVIEW                                                                           Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel,

„Positiv denken
                                                                                    Jahrgang 1959, lehrt und forscht
                                                                                    seit vielen Jahren zum Thema
                                                                                    Glück. Der Volkswirtschaftler

macht glücklicher“
                                                                                    hat zahlreiche Beiträge zur inter-
                                                                                    disziplinären Glücksforschung
                                                                                    veröffentlicht.
Interview: Isabel Krieger

                                                                                                                                  ZUKUNFT JETZT
Herr Prof. Ruckriegel, hinter vielen     Negative konzentrieren. Plötzlich ist
Menschen liegen harte Monate. Die        dann alles schlecht. Das kann man
Corona Pandemie hat das Leben mas-       trainieren, dass man diese Einstel-

                                                                                                                                  ????????
siv verändert, noch immer ist offen,     lung nicht zulässt.
wie es weitergeht. Fühlt man sich da
als Glücksforscher überflüssig?          Im Frühjahr hatte die Corona Pande-
Ganz im Gegenteil! Die Glücksfor-        mie die Gesellschaft fest im Griff. Gab
schung hat nach Krisen immer einen       es da auch Glück?
Aufschwung erlebt. 2013, als die         Das gab es ganz bestimmt. Manchen
Finanzkrise so langsam abflaute,         Menschen zum Beispiel kam die             Menschen. Nachhaltige Wirtschafts-
hat die UN den World Happiness Day       zwangsweise Entschleunigung in            politik hingegen setzt auf Wohlbe-
ausgerufen. Das war ein bewusstes        diesen Wochen entgegen. Sie hatten        finden und Lebensqualität als Ziel,
Statement den Menschen zu sagen:         mehr Zeit für sich. Also quasi einen      nicht nur für jetzige, sondern auch
Hey, egal was ist, ihr dürft und soll-   unerwarteten Zeitwohlstand. Andere        für zukünftige Generationen. Also
tet auch Glück empfinden.                hatten Probleme, den Alltag zu be-        auf eine glückliche Gesellschaft, die
                                         wältigen, waren beruflich und fami-       auch bereit ist, Lasten miteinander
Was ist denn Glück? Die Bedürfnis­       liär sehr gefordert und hatten noch       zu tragen. Dazu braucht es Investi­
pyramide des Einzelnen ist doch sehr     weniger Zeit. Die Krise hat die Men-      tionen in Richtung Wohlbefinden
individuell.                             schen unterschiedlich stark getroffen.    von Menschen.
Glück können wir empfinden, wenn         Hätte man eine Erhebung gemacht,
unsere subjektive Gefühlsbilanz          so hätte man sicher festgestellt, dass    Hat der Corona-Lockdown auch positiv
stimmt, wir also mehr positive als       das subjektive Wohlbefinden in die-       gewirkt?
negative Empfindungen haben. Das         ser Zeit insgesamt zurückgegangen         Im Einzelnen sicher. Für viele Men-
passiert meist dann, wenn wir die        ist. Es gibt Schätzungen, wonach          schen zum Beispiel entfiel das tägli-
Möglichkeit haben, auf das Einfluss      rund ein Drittel der Menschen wäh-        che Pendeln zur Arbeit, sie arbeiten
zu nehmen, was unser Leben aus-          rend des Lockdowns entschieden            seither mehr im Home-Office, nut-
macht. Das ist in der Tat bei jedem      hat, in Zukunft anders leben zu wol-      zen die Möglichkeiten der digitalen
Menschen etwas anders gelagert.          len. Mit weniger Arbeit und mehr          Kommunikation. Wenn wir das ge-
Aber Themen wie gelingende Bezie-        Zeit. Und vielleicht glücklicher.         schickt weiterspinnen, gewinnen wir
hungen, Zeit, Gesundheit, persön­                                                  dadurch auch Freiheiten und fördern
liches Wachstum und sinnhaftes Tun       Aus ihrer Sicht ist Glück ein wichtiger   die Work-Life-Balance. Gleichzeitig
sind schon sehr bestimmend. Im           ökonomischer Faktor. Warum? Ich           hat die Krise auch gezeigt, dass es
Grunde geht es um Lebensqualität.        kann damit ja nicht bezahlen …            Menschen gibt, die in einer Art und
                                         Das Postulat vieler Wirtschaftswissen­-   Weise leben, die wir nicht für mög-
Was passiert, wenn die Gefühlsbilanz     schaftler heißt bis heute schneller,      lich hielten. Es ist eine Chance, da
nicht stimmig ist?                       weiter, höher. Das kommt noch aus         jetzt etwas zu verändern, beispiels-
Das ist der Fall, wenn die eigenen       den Wirtschaftswunderjahren, als          weise durch mehr Investitionen in
Ziele, Wünsche und Erwartungen           wir in Deutschland sehr wenig hat-        Bildung oder Umweltstandards.
aus welchen Gründen auch immer           ten. Doch Ludwig Erhard wird
unbefriedigt bleiben. Das wirkt sich     gründlich missverstanden mit seiner       Haben Sie ein Glücksrezept?
dann oft auf die Gesundheit aus.         Forderung nach „Wohlstand für Alle“.      Ich führe seit vielen Jahren ein
                                         Das hieß nämlich nie, dass es un­         Dankbarkeitstagebuch, in dem ich
Kann man an der Gefühlsbilanz selbst     begrenztes Wachstum geben muss.           täglich notiere, was ich an Gutem
etwas ändern?                            Denn das macht weder glücklich,           erlebt habe. Und ich versuche, mich
Natürlich, jeder kann seine Einstel-     noch basiert es auf Fairness, wie wir     nicht mehr so viel aufzuregen, denn
lungen ändern. Oft ist es so, dass       jetzt, in der Krise, in einigen Bran-     das hilft ja meist eh nicht. Kurzum,
mehr Positives als Negatives vorhan-     chen gesehen haben. Fairness wie-         ich bemühe mich, an mir selbst zu
den ist, wir uns aber nur auf das        derum ist ein Grundbedürfnis des          wachsen. Das hat sich bewährt.

                                                                                           WIR • Das Magazin der AWO Bayern   7
NÄHE - Ausgabe Unterfranken
Ihre Spenden helfen!
                Fleißig gespendet haben AWO Gliederungen und Mitglieder beim
                Weihnachtsspendenaufruf 2019 des AWO Landesverbandes. Die Spenden in
                Höhe von 15.357 Euro kommen in diesem Jahr der Internationalen Arbeit
                der AWO zugute. „Eine überaus erfreuliche Summe“, so AWO Landes­
ZUKUNFT JETZT

                geschäftsführer Andreas Czerny. „Ich bedanke mich bei jedem, der diese
                ermöglicht hat“. Der AWO Landesverband hat die Summe um 643 Euro auf
                16.000 Euro aufgestockt. AWO International, die LAG Mali und die AG Aus-
                landshilfe des Bezirksverbands Oberbayern wurden bedacht. Sie verwen-
????????

                den das Geld aus aktuellem Anlass vor allem für Maßnahmen gegen die
                Auswirkungen der Corona-Pandemie.
                                                                                                 AWO International unterstützt in elf
                                                                                                 Ländern der Erde die Menschen im Kampf
                6.400 Euro für Ernährung                                                         gegen Corona.
                Selbst verwaltete Getreidespeicher, Saatguthilfen und
                bewirtschaftete Gartenanlagen – nachhaltige Projekte,
                wie sie die LAG Mali in den ländlichen Gebieten des
                                                                             6.400 Euro für Corona-Nothilfe
                westafrikanischen Landes seit vielen Jahren unterstützt,     AWO International ist derzeit mit insgesamt elf Projekten
                basieren immer auf der Initiative und Mitarbeit der          in neun Ländern im Kampf gegen Corona. Unter ande-
                beteiligten Landfrauen. In Krisenzeiten und – wie            rem verteilen Mitarbeiter der Organisation Hygiene­
                aktuell – bei steigenden Nahrungsmittelpreisen durch         materialien wie Handschuhe und Desinfektionsmittel,
                die Corona-Krise (siehe Bericht auf Seite 8 der WIR)         sie errichten Handwaschstationen an öffentlichen
                „retten“ sie die bäuerlichen Haushalte über Engpässe         Plätzen, unterstützen ausgelastete Quarantänezentren
                in der Nahrungsmittelversorgung. Geplant ist, das Geld       mit zusätzlichen Betten und Fieberthermometern und
                aus dem Weihnachtsspendenaufruf für ein Projekt zur          sorgen mit weitläufigen Aufklärungskampagnen dafür,
                Ernährungssicherung einzusetzen, das Frauen in einer         dass auch Menschen in abgelegenen Regionen der Erde
                ländlichen Kommune unterstützt. Herzlichen Dank an           alles Wichtige über das Virus und vor allem präventive
                alle, die sich daran aktiv beteiligt haben!                  Schutzmaßnahmen erfahren. Die 6.400 Euro aus der
                                                                             Weihnachtsspendenaktion sind auch hier gut investiert,
                                                       Wasser ist das        nämlich in den Schutz der Menschen vor Corona.
                                                       zentrale Element,
                                                       um die Versorgung
                                                       der armen Bevöl-
                                                       kerung Malis zu                3.200 Euro für Essen und Hygiene
                                                       sichern.
                                                                                      Seit 2008 gibt es die AG Auslandshilfe, eine
                                                                                      Initiative des AWO Bezirksverband Oberbayern.
                                                                                      Bedingt durch die Corona- Pandemie und die
                                                                                      meist zur Risikogruppe gehörenden Ehrenamt-
                                                                                      lichen der AG konnten dieses Jahr noch keine
                                                                                      Transporte nach Rumänien und Bosnien durch-
                                                                                      geführt werden. Die Situation für einen Groß-
                            Lebensmittel sind                                         teil der Bevölkerung dort ist schwierig, da es
                            rar in vielen Teilen                                      schon vor Corona eine große Arbeitslosigkeit
                            Bosniens.                                                 gab und das soziale Netz in diesen Ländern
                                                                                      sehr grobmaschig ist. In Sanski Most (Bosnien),
                                                                                      Satu Mare und Nitchidorf (Rumänien) wird die
                                                                                      AG Auslandhilfe dank der Weihnachtspenden
                                                                                      Menschen und Familien in Notlagen sowie
                                                                                      hilfsbedürftige, behinderte und alleinstehende
                                                                                      Personen unterstützen. Dazu werden Lebens-
                                                                                      mittel, Hygieneartikel und Medikamente von
                                                                                      unseren Partnern vor Ort organisiert und ver-
                                                                                      teilt. Danke für die Unterstützung!

                8   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
WIR                                           Inhalt
                                              12 AWO Leben
IN UNTERFRANKEN                               Wussten sie schon, dass … • AWO macht Schlagzeilen •
                                              Fleißige Kuchenbäckerinnen • Spende an Schwebheimer

                                                                                                                                           EDITORIAL / INHALT
                                              Seniorenheim
Liebe AWO-Mitglieder,
die Planungen für den Sommer 2020
wurden durch die Coronakrise bei ­vielen
von uns über den Haufen geworfen.
Urlaub im Ausland war und ist nach wie
vor ein Spiel mit dem Feuer, denn keiner

                                                                                                                 Foto: Viola Zierold
weiß, wie sich das Coronavirus weiter
ausbreitet und wo in kürzester Zeit neue
Brennpunkte entstehen, die dann zu                                                                   14
eventueller Panik und Rückholaktionen         Das „Lädchen für alles“ hat viel zu bieten
mit anschließender Quarantäne führen.
Urlaub daheim, also in Deutschland, war
                                              14 Thema: AWO Schwerpunkt
                                              Hier wird man immer gut bedient –
auch nur bedingt möglich, denn viele          Alzenauer „tegut-Lädchen für Alles“ in der Coronakrise
Urlaubsorte waren einfach überfüllt, weil
sie zusätzlich zu den normalen Beher-         16 AWO Leben
bergungsgästen noch die eigentlich ins        Hilfe durch Malen • Spende an Sternstunden • Video­
Ausland wollenden Gäste aufnehmen             meeting in Ochsenfurt • Trauer um Alfred Kümmel •
                                              Gutscheine für Mitarbeitende • Jugendwerk in ­Corona-
sollten. Das führte vor allem an Nord-
                                              Zeiten • Spende der Bayern-Fans
und Ostsee sowie in den Alpen zu Zustän-
den, die mit Auftritten am Ballermann
                                              22 AWO Impulse
auf Mallorca vergleichbar waren.
                                              Maskenhalter für Seniorenzentrum Schwebheim •
Jetzt im Herbst und dann im Winter wird       ­Generationengarten in Schwebheim eröffnet •
sich zeigen, ob Corona nochmal mit einer       Besuchscontainer im Seniorenheim • Tagesimpulse für
zweiten Welle zurückschlägt. Bleibt zu         Bernhard-Junker-Haus • AnsprechBar hat wieder
hoffen, dass es sich nur um ein kleines        ­geöffnet
Wellchen handelt und nicht um einen
Tsunami.                                                                                             30
In diesem Sinne bleiben Sie wachsam
                                                                                                                 Foto: Hans-Sponsel-Haus

und vorsichtig und passen Sie weiter auf
sich und Ihre Mitmenschen auf, ganz im
Sinne der Leitlinien der AWO.
Redaktionsschluss für die nächste
­Ausgabe ist der 30. September 2020.          Geschenktasche von der Bürgerstiftung Würzburg für
                                              alle Mitarbeitenden im Hans-Sponsel-Haus
                    Ihr
                    Matthias Ernst            28 Menschen
                    Redakteur                 Pilotprojekt am AWO Frauenhaus • Spende Vogel
                                              ­Communications • Spende Ikea • Mit dem Rad zur Arbeit
                                               • Irene Görgner gibt Leitung ab
                    Kontakt:
                    Tel: 0931 29938-247
                    (Di. und Do., 9–15 Uhr)   32 Service
                    Mobil: 0176 38740644      Inklusionsbistro eröffnet • Gewinnspiel • Veranstaltun-
                    E-Mail: matthias.ernst@   gen • Mitgliedervorteile • Rechtstipp
                    awo-unterfranken.de

                                                                         WIR • Das Magazin der AWO Bayern   11
Wussten Sie schon, dass ...
                                                                                             ... es ein neues Parkdeck für Besucher der Ge-
                                                                                             schäftsstelle und der Geriatrischen Rehaklinik in
                                                                                             der Würzburger Kantstraße 45 gibt? Geschäftsfüh-
                                                                                             rer Martin Ulses weihte vor kurzem das neue Park-
                                                                                             deck ein, das in Zukunft die Parkpkatznot lindern
                                                                                             soll. Hier können Besucher*innen und Angestellte
AWO LEBEN

                                                                                             gleichermaßen einen Parkplatz finden, während
                                                                                             ihres Aufenthaltes in der Klinik oder in der Ge-
                                                                                             schäftsstelle. Auf dem Gelände des alten Parkplat-
                                                                                             zes ist durch eine Erhöhung des Parkdecks zusätz-
                                                                                             licher Parkraum entstanden, der den Druck für die
                                                                                             vielen Angestellten in der Geschäftsstelle und in
                                                                                             der Rehaklinik bei der täglichen Parkplatzsuche
                                                                                             nimmt. Beide Einrichtungen haben einen jeweils
                                                                                             gekennzeichneten Bereich für ihre Mitarbeiten-
                                                                                             den. Alle anderen Parkplätze sind für Besucher
            Foto: Matthias Ernst

                                                                                             frei zugänglich. Das mit Holz verkleidete Bauwerk
                                                                                             ist auch schon ein Hinweis auf den Baufortschritt
                                                                                             des Erweiterungsgebäudes der Geschäftsstelle, das
                                                                                             langsam Formen annimmt.

                                   ... das InHotel zu den besten Tagungshotels Deutsch-
                                   lands zählt? In der 19. Ausgabe des Buches „Die bes-
                                   ten Tagungshotels Deutschland“ wird auch das Inklu-
                                   sionshotel des AWO Bezirksverbandes Unterfranken in
                                   Marktbreit aufgeführt. Es ist eines von 250 Häusern,
                                   die ein strenges Auswahlverfahren erfolgreich durch-
                                   laufen haben. Die Entscheidung über die Aufnahme
                                   oder Ablehnung eines Hotels ist an die Einhaltung ei-
                                   nes sieben Eckpunkte umfassenden Kriterienkataloges
                                   sowie den persönlichen Prüfbesuch eines Journalisten
                                   vor Ort gebunden. Zu den Aufnahme- und Bewer-
                                   tungskriterien gehören unter anderem die Beschaf-
                                   fenheit und Lage der Tagungsräume einschließlich der
                                   Pausenzonen, das vom Hotel zur Verfügung gestellte
                                   Informationsmaterial, das Angebotsverhalten, die
                                   hoteleigene Gastronomie, die Qualität der gebotenen
                                   Serviceleistungen sowie der Logisbereich und das Ta-
                                   gungsumfeld. All diese Kriterien erfüllt auch das InHo-
                                   tel Mainfranken.
                                   Das Haus unter der Leitung von Joachim Beck verfügt
                                   über 38 Zimmer. Mit seinen fünf Tagungsräumen und
                                   dem gepflegten Park bietet es auch Möglichkeiten für
                                   Events, Familien- und Firmenfeierlichkeiten, Hochzei-
                                   ten etc. Dabei richtet sich das Haus seit Jahren ganz
                                   besonders für den Tagungs- und Businessmarkt aus.
                                                                                                                                                  Foto: InHotel Mainfranken

                                   „Diese Aufnahme ist für uns als Inklusionsbetrieb
                                   mit 3 Sternen gleichzeitig eine Auszeichnung und die
                                   Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind“,
                                   so Angela Endres, die Stellvertreterin des Direktors im
                                   ­InHotel Mainfranken.

                                   12   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
Einladung für die Kuchenbäckerinnen
                                   Engagement sollte auch belohnt           die harmonische und fröhliche
                                   werden. So treffen sich einmal im        Stimmung. „Schön war‘s, nächstes
                                   Jahr die „guten Engel“, welche die       Jahr wieder“, versprach die Orts-
                                   AWO-Senior*innen in Höchberg je-         vorsitzende Christina Sachs.
                                   den Donnerstag mit Kaffee und Ku-
                                                                                                                                                     AWO MACHT SCHLAGZEILEN
                                   chen sowie Abendimbiss verwöh-
                                   nen. Die Senior*innen danken in                                                                                    Pflegekräfte nach Corona

                                                                                                                     Foto: AWO-Ortsverein Höchberg

                                                                                                                                                                                                  AWO LEBEN
                                   Form einer Spende für die Kaffee-                                                                                 Unter der Überschrift: „Wertschät-
                                   kasse, als kleine Belohnung. Dies-                                                                                zung von Pflegern: Erst beklatscht,
                                   mal besuchten sie das Bäckerei-                                                                                   dann vergessen?“, schrieb die
                                   museum mit Führung in Kitzingen.                                                                                  Main-Post am 17. Juli über die
                                   Hier wird die alte Konditorenkunst                                                                                Pflegekräfte in der Zeit nach Coro-
                                   aus dem 18. Jahrhundert lebendig.                                                                                 na. Weiter hieß es da, dass Corona
                                   Wunderschöne Gebilde in Hand-                                                                                     den Pflegeberuf nicht aufgewertet
                                   arbeit entstanden durch Konditor-        Am Ausflug vor der Coronazeit                                            hat. Darin seien sich Betroffene
                                   meister Albert Ziegler aus München,      nahmen teil: hinten von links:                                           aus Unterfranken einig. Und jetzt
                                   die an die Kunst der früheren Hof-       Anke Klinger, Maria Schelhorn, Re-                                       bekämen Krankenpfleger nicht
                                   konditoreien erinnern. Ein kleiner       nate Brammer, Maria Siedler, Mo-                                         einmal den Corona-Bonus ausge-
                                   Stadtbummel schloss sich an, be-         nika Schäfer, Ute Friedrichs, Inge-                                      zahlt. Bundesgesundheitsminister
                                   vor man sich zum Schlusshock im          lore Angele, Christina Sachs, Gerda                                      Jens Spahn hatte den Pflegeberu-
                                   Waldhaus Rottendorf zum Schlem-          Langhirt, Inge Rothbächer; vorne                                         fen 1000 Euro Bonus versprochen,
                                   men traf. Dieses entspannte Treffen      von links: Gerda Hupp, Belinda                                           den die Länder oder Arbeitgeber
                                   ohne Stress tat allen gut, das verriet   Riepel.                                                                  steuerfrei um weitere 500 Euro
                                                                                                                                                     aufstocken können. Klar geregelt
                                   EMS-Lounge spendet an Schwebheimer Seniorenzentrum                                                                sei die 1000 Euro Corona-Prämie
                                                                                                                                                     aber nur für die Altenpflege. Im
                                   In den letzten Wochen und Monaten        kräfte verteilte - als Dankbarkeit für                                   Krankenhausbereich würden viele
                                   der Corona-Pandemie haben die            deren Einsatz in der Krise. Mit dem                                      Pflegende leer ausgehen.
                                   Mitarbeitenden im Schwebheimer           Ziel: „Dem Menschen zu helfen“
                                   AWO-Seniorenzentrum, wie auch            bietet die EMS-Lounge effizientes                                         Blühene Geschenke
                                   in vielen anderen Einrichtungen,         Ganzkörpertraining bei nur 20 Mi-
                                                                                                                                                     Unter der Überschrift: „Blühende
                                   „unter Volldampf“ gearbeitet, um         nuten in der Woche mit persönlicher
                                                                                                                                                     Geschenke für AWO Seniorenheim“
                                   die Bewohner zu pflegen und zu           Betreuung an. Durch regelmäßige,
                                                                                                                                                     berichtete die Main-Post am 8.
                                   betreuen. Eine körperliche Arbeit,       individuell abgestimmte Elektro-
                                                                                                                                                     Juni über eine Blumenspende an
                                   die oft mit Verspannungen und            Muskel-Stimulationen werden
                                                                                                                                                     das Marie Juchacz Haus in Würz-
                                   Schmerzen im Rücken einhergeht,          muskuläre Dysbalancen abgebaut,
                                                                                                                                                     burg. Weiter heißt es: „Mit 120
                                   wie Thomas Ries, Geschäftsführer         Muskeln aufgebaut und die Tiefen­
                                                                                                                                                     Blumenstöckchen überraschten
                                   der EMS-Lounge in Schweinfurt            muskulatur gestärkt, erläutert Tho-
                                                                                                                                                     die Carneval-Freunde-Zellerau
                                   weiß und deshalb nun „Solidari-          mas Ries bei der Übergabe der Soli-
                                                                                                                                                     die Senioren und Mitarbeiter der
                                   tätsgutscheine“ an die 75 Pflege-        daritätsgutscheine. Der Kontakt zum
                                                                                                                                                     AWO-Einrichtung Marie-Juchacz-
                                                                            AWO-Seniorenzentrum ist durch
                                                                                                                                                     Haus in der Zellerau. Die Geschen-
                                                                            AWO-Mitarbeiterin Katja Eckert ent-
Foto: Seniorenzentrum Schwebheim

                                                                                                                                                     ke übergab CFZ-Präsident Jürgen
                                                                            standen, wie Einrichtungsleiterin
                                                                                                                                                     Wohlfahrt im Namen des Präsidi-
                                                                            Monika Müller berichtet, die in der
                                                                                                                                                     ums. Eva Bauer vom Sozialdienst
                                                                            EMS-Lounge bereits gute Erfahrun-
                                                                                                                                                     der AWO bedankte sich herzlich
                                                                            gen gemacht und nun die solida-
                                                                                                                                                     bei den Zellerauer Narren für die
                                                                            rische Geschichte mit Gesundheit-
                                                                                                                                                     Überraschung. Schon an Ostern
                                                                            saspekt ins Rollen gebracht hat. Vier
                                                                                                                                                     hatten die Kinder der Karneva-
                                                                            Wochen können die AWO-Mitarbei-
                                                                                                                                                     listen selbstgemalte Osterbilder
                                                                            tenden nun mit Personaltrainern
                                                                                                                                                     an das AWO-Seniorenheim über-
                                   Einrichtungsleiterin Monika Müller,      das EMS-Konzept kostenlos auspro-
                                                                                                                                                     reicht.
                                   EMS-Geschäftsführer Thomas Ries          bieren und das Interesse ist groß,
                                   und Pflegedienstleiterin (stationär)     wie Monika Müller aus den vielen
                                   Alina Kohl.                              positiven Rückmeldungen schließt.

                                                                                                                                                          WIR • Das Magazin der AWO Bayern   13
AWO SCHWERPUNKT

                                                                                                                                           Fotos: Viola Zierold
                  Das Alzenauer „tegut-Lädchen für alles“ der AWO hat sich in der Krise bestens bewährt

                  Hier wird immer nett bedient
                  Wer hat schon einen Job, zu dem er ohne Wenn und Aber         jeder Art von Handicap hilft, einen Job zu bekommen.
                  Ja sagen kann. Oft passt zumindest eine Kleinigkeit nicht     Der ifd stellte dann auch den Kontakt zum AWO-Läd-
                  ganz. Judith Tenbrink hat so eine Traumstelle gefunden:       chen in Alzenau her.
                  Seit fünf Jahren arbeitet die junge Frau aus Mömbris im
                                                                                Weil Inklusion in der Arbeitswelt noch eine soziale Uto-
                  Alzenauer „tegut-Lädchen für alles“ der AWO. Das tut sie
                                                                                pie ist, braucht es Projekte wie das Alzenauer Lädchen,
                  als sogenannte Inklusionsmitarbeiterin: Judith Tenbrink
                                                                                das der Bezirksverband der Arbeiterwohlfahrt Unter-
                  hat leichte Handicaps, die es ihr schwermachen, einen Job
                                                                                franken mit dem Lebensmittelversorger tegut vor fünf
                  auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Rechts trägt sie ein
                                                                                Jahre auf den Weg brachte. „Gerade der Einzelhandel
                  Hörgerät: „Außerdem bin ich etwas langsamer als andere.“
                                                                                eignet sich sehr gut dafür, Menschen mit einer seeli-
                  Ob sie es wohl vermag, in einem Laden zu bedienen?            schen Behinderung zu integrieren“, sagt Viola Zierold,
                  Wird sie mit der Kasse fertig? Und werden die Kunden          die das Lädchen von Anfang an leitet. Als sie vor fünf
                  nett zu ihr sein? Als Judith Tenbrink im Oktober 2015         Jahren in den Inklusionsbetrieb der AWO einstieg, betrat
                  in ihren neuen Job einstieg, waren die Ängste groß. Zu        auch sie Neuland. Zierold hatte bis dahin noch nie Mit-
                  Beginn klappte auch vieles nicht. Doch niemand war            arbeiter mit einer psychischen Einschränkung gehabt.
                  böse. Fehler zu machen, ist in einem Inklusionsunter-         Doch sie fand sich schnell in ihre Aufgabe hinein.
                  nehmen erlaubt. Auch wird genug Zeit gelassen, alles
                  zu lernen, was notwendig ist. So tauchte die heute
                  25-Jährige ganz allmählich in die Kunst des Einzelhan-        Das also ist eine Physalis
                  dels ein. Sie lernte die verschiedenen Tasten der Kasse       Auch für Judith Tenbrink tat sich eine neue Welt auf:
                  kennen. Erfuhr, was man wie eintippt. Und wie man             Mehrere der 3500 Produkte, die es im „tegut-Lädchen
                  Prozente berechnet.                                           für alles“ zu kaufen gibt, waren ihr unbekannt. „Ich
                  In der Zwischenzeit ist all das für Judith Tenbrink Routi-    wusste zum Beispiel nicht, wie Physalis oder Feigen
                  ne. „Es läuft nun wie am Schnürchen“, sagt die Verkäu-        aussehen“, sagt sie. Neu waren aber natürlich vor allem
                  ferin stolz. Dass Tenbrink die Chance erhielt, all das zu     auch die Kundinnen und Kunden. Doch wegen ihrer
                  erlernen, was sie heute kann, hat sie der Arbeitsagentur      sympathischen Art fand Tenbrink nach kurzer Zeit einen
                  zu verdanken. Weil sie nach der Hauswirtschaftsschule         guten Draht zu den Menschen, die regelmäßig im Läd-
                  keinen Job hatte, wandte sich Tenbrink an eine Arbeits-       chen einkaufen. Da ist zum Beispiel die ältere Dame, die
                  vermittlerin. Die erkannte, dass sich die junge Frau,         immer mit ihrem Rollator kommt: „Wir unterhalten uns
                  obwohl sie ein sehr einnehmendes Wesen hat, auf dem           fast jedes Mal.“ Die Dame erzählt, wie es ihr im Moment
                  Arbeitsmarkt schwertun würde. Und verwies sie an den          geht. Und wie sie die Corona-Krise erlebt hat. Nicht nur
                  Integrationsfachdienst der AWO (ifd), der Menschen mit        diese Dame ist eine treue Kundin, verrät Viola Zierold:

                  14   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
AWO SCHWERPUNKT
Judith Tenbrink steht bei den Kunden des Alzenauer „tegut-Lädchen für alles“ der AWO hoch im Kurs.

„Viele Menschen kommen in Alzenau ganz bewusst zu         Der Glaube, dass Menschen mit Handicap nichts leisten
uns, weil sie unser Lädchen unterstützen wollen.“ Ge-     können, ist barer Unsinn, beweist das Projekt der AWO.
rade in der Corona-Krise gelang es deshalb sogar, den     Gerade Männer und Frauen mit Einschränkungen sind
Umsatz zu steigern. Leichte Irritationen gab es allen-    oft hochmotiviert. So auch Judith Tenbrink. Rund um
falls in der Anfangszeit. „Mehrere Kunden hatten nicht    das tegut-Lädchen gibt es nichts, was die 25-Jährige
gewusst, dass wir ein Inklusionsunternehmen sind“,        nicht gern machen würde. Tenbrink kassiert. Sie schaut
erzählt die Chefin von Judith Tenbrink und zwei weite-    im Obstregal nach, ob die Früchte in Ordnung sind. Oder
ren Inklusionsmitarbeitern. Nahm Viola Zierold fragende   sie begibt sich in den Cafébereich, um Brötchen zu be-
Blicke wahr, folgte sie den Kunden dezent vor die Türe:   legen. Sogar das Reinigen macht ihr Spaß: „Genau das
„Dort habe ich erklärt, warum unsere Mitarbeiter für      habe ich ja in der Hauswirtschaftsschule gelernt.“ Gera-
manches ein bisschen länger brauchen.“                    de in der Corona-Krise, die als sehr intensive Zeit erlebt
                                                          wurde, bewährten sie und die anderen Inklusionsmit-
                                                          arbeiter sich hervorragend.
                                                          Judith Tenbrink möchte keinen Job, wo man ständig
                                                          am Schreibtisch sitzen muss. Auch eine Tätigkeit in
                                                          einer Werkstatt für Menschen mit einer seelischen Be-
                                                          einträchtigung käme für sie nicht in Frage. Die junge
                                                          Frau aus Mömbris möchte „ganz normal“ und mitten
                                                          im Leben beschäftigt sein. Sozialversicherungspflichtig,
                                                          wie alle anderen. Sinnvoll. Und mit Kontakt zu netten
                                                          Kolleginnen und Kollegen. „Mit allen aus unserem Team
                                                          komme ich sehr gut aus“, schwärmt sie. Jeden Montag
                                                          freut sie sich, ihre Kollegen zu sehen. Und natürlich die
                                                          Kunden. Die sie immer nett und gut gelaunt bedient.

                                                          Text: Pat Christ

Das „Lädchen für alles“ hat viel zu bieten

                                                                                      WIR • Das Magazin der AWO Bayern   15
Hilfe durch Malen

            Wie die Kunst durch die
            ­Coronakrise helfen kann
                                                                                                schlimm, dass es ihr nicht mehr möglich war, arbeiten
AWO LEBEN

                                                                                                zu gehen. Seitdem ist sie zu Hause, mit sehr wenig Geld
                                                                                                und kaum Kontakten außerhalb des Tageszentrums.
                                                                                                Andere treffen jede Woche Freunde. Je älter sie wird,
                                                                                                umso schmerzlicher vermisst sie es auch, keine eigene
                                                                                                Familie zu haben. Wie sehr sehnt sie sich nach Kindern.
                                                                                                Doch auch das war durch die Krankheit, an der sie seit
                                                                                                ihrer Jugend leidet, nicht möglich.
                                                                                                In ihren Bildern lebt sie ihre Wunschträume aus. Immer
                                                                                                wieder malt sie idyllische Bauernhöfe. Dort tummeln
                                                                                                sich eine Menge Tiere. Glückliche Tiere „die niemals
                                                                                                geschlachtet werden.“ Und Kinder springen herum. Un-
                                                                                                beschwert, so wie Anja Kriegisch früher, als noch nicht
                                                                           Foto: Tageszentrum

                                                                                                jene schlimmen Dinge passiert waren, die ihr ganzes
                                                                                                Leben aus dem Gleis geworfen hatten.
                                                                                                Vielleicht traut sie sich in ein oder zwei Jahren, einmal
                                                                                                öffentlich zu zeigen, was sie malt. Doch noch wagt Anja
            Es gab Dinge in ihrem Leben, die hat Anja Kriegisch seelisch                        Kriegisch dies nicht. „Ich weiß, meine Bilder wirken
            nie verkraftet. „Deshalb bin ich krank geworden“, erzählt                           sehr kindlich“, gibt sie unumwunden zu. Aber dieses
            die 51-Jährige aus Miltenberg. Kriegisch leidet unter massi-                        kindliche Gefühl in ihr, eben das sei ihre Kraftquelle.
            ven Ängsten. Am schlimmsten ist die Angst vor Einsamkeit.                           Das erwachsene Leben hat ihr viel zu viel Leid beschert,
            Die war in den vergangenen Wochen wegen des Lockdowns                               sie zu oft unglücklich gemacht. Die Vorstellung, selbst
            extrem: „Ich habe es so sehr vermisst, ins Tageszentrum zu                          wieder Kind oder von fröhlichen Kindern umgeben zu
            können.“ Doch dieses Zentrum der Miltenberger Arbeiter-                             sein, macht Anja Kriegisch glücklich. „Ich schaue auch
            wohlfahrt war geschlossen.                                                          gerne Kinderfilme an“, erzählt sie. Zum Beispiel Michel
                                                                                                aus Lönneberga. Den sie natürlich auch schon gemalt
            Im Tageszentrum findet Anja Kriegisch Menschen, die
            sie mit Rat und Tat unterstützen. Alles kann sie dort                               hat.
            ansprechen, was auch immer sie bewegt oder bedrückt.                                Einige Bilder zeigen die sturmumtoste Burg Tannenwald.
            Eine Mitarbeiterin der AWO gab ihr auch zu Beginn der                               Wer diese Burg in der Wirklichkeit sucht, wird schwer
            Krise einen guten Tipp: „Versuchen Sie doch mal, jeden                              fündig: „Sie existiert nur in meiner Fantasie.“ Roman-
            Tag ein Bild zu malen.“ Und das tat Anja Kriegisch. Sie                             tisch ist diese Burg. In den hohen Räumen flackert ein
            ging wie gewohnt ins Zentrum, begab sich in den In-                                 Feuer im Kamin. Freundliche Menschen sitzen darum
            nenhof und malte dort meist zwei Bilder, die sie den                                herum. Vertreiben sich gemeinsam die Zeit, während
            AWO-Mitarbeitenden schenkte. „Wenn ich male, geht                                   der Sturm allmählich abflaut. Das Malen heitert sie im-
            es mir gut“, sagt die Miltenbergerin, die sehr erleichtert                          mer etwas auf, sagt Anja Kriegisch. Greift sie zu Papier
            ist, dass sie nun wieder ins Tageszentrum gehen kann.                               und Buntstiften, öffnet sich gewissermaßen ein Tor,
            In der AWO-Einrichtung trifft Kriegisch Menschen, die                               das sie ins Reich der Fantasie führt. Niemals, betont die
            auf der gleichen Wellenlänge sind. Menschen, die wis-                               51-Jährige, könnte sie nach fremden Vorgaben malen.
            sen, was es heißt, mit Ängsten zu leben. Die „norma-                                Oder auf Kommando: „Auch Mandalas sind gar nichts
            len“ Leute haben oft wenig Verständnis: „Sie denken                                 für mich.“ Dass ihr die Ideen ausgehen, davor hat die
            oder sagen, dass wir faul sind, dass wir nur nicht arbei-                           Miltenbergerin überhaupt keine Angst. Verfügt sie doch
            ten wollen, und dass wir uns ›anstellen.“ Anja Kriegisch                            über eine unerschöpfliche Fantasie. Auch schlummern
            würde nur zu gern wieder arbeiten. Bis vor neun Jahren                              in ihr so viele Träume, die in der Realität unerreichbar
            hatte sie auch einen Job: „Ich war Zimmermädchen.“                                  sind: „Nur in meinen Bildern werden sie wahr“.
            Und zwar 23 Jahre lang. Dann wurde die Krankheit so

            16   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
Ortsverein Güntersleben spendet dank Erika Schnak

1200 Euro gehen an Sternstunden e.V.
Bereits nach Durchführung des 7. Weihnachtsmarktes konn-
ten der Ortsverein Güntersleben dank der Spendenbereit-
schaft der Günterslebener Bevölkerung an den Förderverein
Sternstunden e.V. einen Betrag von 555 Euro spenden. Nun

                                                                                                                                                      AWO LEBEN
kam eine weitere Spende hinzu.
Das Vorstandsmitglied Erika Schnok hat im Zuge der
Corona-Krise verschiedene Formen von Mund- und
Nasenmasken genäht. Die ersten 60 Masken hatte sie
noch an Familienangehörige und Bekannte verschenkt.
Als aber immer mehr Nachfragen kamen, startete sie
die Sternstundenaktion. Alle Materialien, die sie benö-
tigte, sind von ihr kostenlos zur Verfügung gestellt wor-
den. Nach etlichen Stunden Näharbeit wurden zuerst
AWO-Freunde, Bekannte und Günterslebener Bürger
versorgt. Auch außerhalb der Gemeinde fanden diese
Gesichtsmasken reißenden Absatz. Zirka 370 Masken
wurden auf diese Weise von ihr genäht.
Erika Schnok hat diese Mund- und Nasenmasken gegen
eine freiwillige Spende abgegeben und immer darauf
hingewiesen, dass die Einnahmen hierfür an den Verein
Sternstunden e.V. weitergeleitet werden. Inzwischen
sind 1200 Euro zusammengekommen, die sie mit gro-
ßer Freude für Kinderhilfsprojekte spendet.

                                                                                                                              Foto: OV Güntersleben
Wir danken Frau Schnok recht herzlich für diese tolle
Aktion, so Petra Stieber von der AWO-Vorstandschaft. Zu
erwähnen ist noch, dass sie den Ortsverein das ganze
Jahr über mit ihrem Einfallsreichtum in jeglicher Form
unterstützt. Auch der große Erfolg der AWO-Verkaufs-
hütte bei den bisher stattgefundenen Weihnachtsmärk-        Erika Schnok nähte für den Verein Sternstunden
ten ist zum großen Teil ihr Verdienst.                      Mund-Nasenbedeckungen

 Geriatrische Rehabilitationsklinik Würzburg: Neuer Internetauftritt
 Neben dem offensichtlichen
 optischen „Facelift“ hat sich
 auch strukturell und inhaltlich
 an der Internetseite vieles ge-
 ändert. Die Navigation ist nun
 benutzerfreundlicher gestaltet
 und führt ab sofort mit einer
 klaren Struktur durch die ein-
 zelnen Bereiche und Leistun-
 gen der Geriatrischen Rehakli-
 nik. Außerdem ist die gesamte
 Internetseite nun auch auf
 dem Tablet und Smartphone
 bequem lesbar.
    www.geratriewuerzburg.de

                                                                                      WIR • Das Magazin der AWO Bayern   17
Digital geht es auch

                               1. Videomeeting in Ochsenfurt
                               ­erfolgreich absolviert
                               Auch das AWO-Internetcafé für Senioren Ochsenfurt geht
AWO LEBEN

                               in der jetzigen Krise neue Wege. So lud Trainer und Leiter
                               Peter Honecker zur Videokonferenz neudeutsch: „Meeting“
                               ein. Eine Reihe von Besuchern folgte seiner Einladung. So
                               trafen sich: Margarete Kriener (Aub), Susanne Richter (Gie-
                               belstadt), Ulrike Stockert (Eibelstadt), Marianne Kadletz und

                                                                                                                                                             Screenshot: Peter Honecker
                               Ingrid Stryjski (Ochsenfurt) bei Peter Honecker im virtuellen
                               Wohnzimmer.
                               Allerdings hatte das Programm auch seine Tücken mit
                               Ton- und BIldausfällen, die noch analysiert werden
                               müssen - vielleicht lag es auch am Feiertag, dass der
                               Server Probleme hatte. Einige versuchten allerdings
                               vergebens sich mit dem Server zu verbinden. Dennoch             Treffen am PC: obere Reihe: Susanne Richter, Peter
                               waren sich alle einig, die virtuellen Treffen fortzusetzen,     Honecker, mittlere Reihe: Ulrike Stockert, Ingrid Stryjski,
                               bis die Treffen wieder im AWO-Clubheim möglich sind.            unten: Marianne Kadletz, Margarete Kriener.

                               Waldkindergarten Gerbrunn

                               Eröffnung verschob sich
                               wegen Corona
                                                                                               Anlässlich der Betriebsgenehmigung für den neuen Wald-
                                                                                               kindergarten besuchte der ehemalige Landrat Eberhard
                                                                                               Nuß als eine seiner letzten Amtshandlungen die Gemeinde
                                                                                               Gerbrunn. Das Projekt Waldkindergarten haben er und die
                                                                                               Mitarbeitenden der Fachabteilungen des Landratsamtes eng
                                                                                               und unterstützend begleitet. Nuß zeigte sich begeistert
                                                                                               vom Standort und dem gewählten „Zirkuswagen“, der für
                                                                                               die Kinder an sich schon eine Attraktion darstellt.
                                                                                               Bürgermeister Stefan Wolfshörndl, der auch Bezirks-
                                                                                               vorsitzender der AWO ist, bedankte sich bei diesem
                                                                                               Termin auch für die gute Zusammenarbeit in den ver-
                                                                                               gangenen Jahren. Beide Kommunalpolitiker verbindet
                                                                                               eine 12-jährige gemeinsame Zeit im Landratsamt. Zum
            Foto: Anna Stark

                                                                                               einen war Wolfshörndl einige Jahre stellvertretender
                                                                                               Landrat und ist seit 2014 als Fraktionssprecher der
                                                                                               SPD im Kreistag „Gegenspieler im positiven Sinne“ und
                                                                                               Partner in der politischen Debatte. Ursprünglich war
                               Der Bauwagen für den Gerbrunner Waldkindergarten                eine offizielle Eröffnung des Waldkindergartens für den
                               steht schon, die Eröffnung verschob sich allerdings             30. April geplant. Dies verschob sich um nun um meh-
                               ­wegen der Coronakrise.                                         rere Wochen.

                               18   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
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