Hier betreten Sie Neuland - Handbuch Neulandgewinner - Robert Bosch Stiftung
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Handbuch Neulandgewinner Hier betreten Sie Neuland Neulandgewinner. Zukunft erfinden vor Ort 2013 – 2019 Thünen-Institut für Regionalentwicklung e. V.
2 WIR WOLLEN FREIRÄUME GESTALTEN 3 Vorwort In ländlichen Räumen in Ostdeutschland verändern sich kommunale und soziale Gefüge beson- In den bislang drei Ausschreibungsrunden gingen über 1.000 Bewerbungen ein. Das ist eindrucks- ders prägnant. Kaum eine europäische Region war in den vergangenen Jahren so von vielfältigen voller Beleg für das enorme zivilgesellschaftliche Potenzial in Ostdeutschland. Auch 27 Jahre Transformationsprozessen betroffen wie der Osten Deutschlands. Der gesellschaftliche Zusam- nach dem Mauerfall und gerade in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spannungen wol- menhalt und die Lebensverhältnisse der Menschen vor Ort haben sich dadurch stark verändert. len wir Zivilgesellschaft in ihrer Rolle als sozialer Kitt und Innovationslabor von Gesellschaft Doch viele Menschen vor Ort machen sich auf die Suche nach Ansätzen, um die Gesellschaft in stärken. Wir freuen uns außerordentlich, dass wir dabei zukünftig auf die Unterstützung dieser Phase mitzugestalten. Sie begreifen die entstandenen »Lücken« als Freiräume, die von ostdeutscher Bundesländer zählen dürfen, mit denen wir gemeinsam die »Neulandgewinner Zivilgesellschaft, Verwaltung, Politik und Wirtschaft gemeinsam gestaltet werden können. Dazu der Länder« ins Leben gerufen haben. Der Aufbau starker Partnerschaften, der Austausch mit braucht es ein offenes Veränderungsklima, in dem die kreativen Potenziale einer aktiven Zivil- anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren – auch aus Westdeutschland – und die systematische gesellschaft erkannt und deren Initiativen unterstützt werden. Aufarbeitung der Neulandgewinner-Erfahrungen stehen bei unseren zukünftigen Bemühungen zur Stärkung einer übergreifenden Bewegung im Mittelpunkt. Um dieses Veränderungsklima zu befördern und mutige zivilgesellschaftliche Akteure zu unterstützen, haben wir 2012 das Programm »Neulandgewinner. Zukunft erfinden vor Ort« ins Die anstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen können nur mit einer starken Zivilge- Leben gerufen. Wir sind überzeugt, dass die aktive (Mit)Gestaltung von Veränderung Menschen sellschaft bearbeitet werden. Ich freue mich daher, dass wir mit dem Programm einen Beitrag braucht, die Visionen formulieren, Ideen entwickeln und dabei unkonventionelle Wege auspro- zur Unterstützung der Menschen dabei leisten und wünsche den Neulandgewinnern viel Erfolg bieren und vorangehen. Menschen, die aus einer Mischung von Verantwortung, Mut und Eigen- bei Ihrer wertvollen Arbeit. sinn die »Gestaltung des Unplanbaren« angehen – Menschen, die auf die eine oder andere Weise Uta-Micaela Dürig, Neuland betreten. Daher fördern wir diese Persönlichkeiten und ihre Projekte mit finanziellen Geschäftsführerin der Robert Bosch Mitteln, durch begleitendes Mentoring und durch intensive Vernetzung. Stiftung GmbH Die mittlerweile über 50 geförderten Initiativen experimentieren u.a. mit neuen Lebens- und Arbeitsmodellen, erproben neue Mobilitäts- oder Energiekonzepte auf dem Land oder nutzen Kunst und Kultur als Weg zu mehr Gemeinschaft und Mitgestaltung. Unter den Neulandgewin- nern findet sich etwa ein Kita-Förderverein, der die Essensversorgung der Region wieder auf einen regionalen, nachhaltigen Weg gebracht hat. In einem verwaisten Stadtteil in Görlitz hat ein Verein ein ehemaliges Kühlhaus zu einem Kulturhaus umfunktioniert und belebt den Stadtteil somit wieder neu. Es sind Orte des Zusammenhalts entstanden, die anderen Menschen Mut ma- chen, selbst anzupacken und Perspektiven für sich und ihr Umfeld zu schaffen.
4 EINFÜHRUNG 5 Sundhagen 25 23 Großkarrendorf HOHER NORDEN Greifswald 26 WIR WOLLEN FREIRÄUME GESTALTEN Vorwort von Uta-Micaela Dürig 2 Anklam 21 18 Usedom 2 Qualitz Gatschow 22 3 Witzin Grambow 13 1 Mestlin Schwerin Siggelkow 7 14 Wangelin 20 Schönfeld WEITER INSELN DES AUFBRUCHS Bresch 9 11 Diemitz Interview mit Thomas Leppert Rheinsberg OSTEN 4 12 Menz 5 Perleberg 24 Welsow Kossebau 10 Klein 6 Neuruppin und Andreas Willisch 6 8 17 Lunow-Stolzenhagen Leppin Reichenow 19 15 Oderaue Kalbe 30 Hansestadt 33 Stendal 16 Märkische Schweiz Berlin UNSERE PROJEKTE MITTLERER 28 Parey Potsdam 36 Nuthetal WESTEN Magdeburg 31 Bad Belzig 32 Baruth/Mark Dessau-Rosslau 27 38 Kemberg Quetzdölsdorf 34 37 Bad Düben ÜBERBLICKSKARTE 12 12 50 Finsterwalde 35 Bischofferode Halle (Saale) 29 41 45 Weißwasser Orte des Gelingens: Grimma 40 48 Mügeln OT Glossen Ebersbach- 49 39 Görlitz HOHER NORDEN 15 Erfurt 43 Zeitz Erlau 46 Dresden Neugersdorf 51 Heidenau Alle Standorte der Neuland- 42 Freiberg gewinner-Projekte auf einen WEITER OSTEN 28 TIEFER Blick, zusammengefasst auf 44 Kleingeschwenda 15 – 60 Ranis 47 SÜDEN 54 So geht Aufbau Ost: Alle einer Karte MITTLERER WESTEN 38 Altes erneuern: Im 120 Neulandgewinner und ihre Jahre alten Bahnhof von Projekte im Kurzporträt Erlau wird gehämmert und TIEFER SÜDEN 48 geschlagen, abgerissen 1 ERSTE STIPENDIATEN 51 und aufgebaut. Der Verein »Generationenbahnhof Im neuen Denklabor 59 Erlau« lässt das zerfallene Gebäude als Begegnungs- stätte wieder auferstehen PROGRAMM 48 DER ABLAUF IM ÜBERBLICK 62 Orte beleben: Das Kühl- GEMEINSAM IST MAN WENIGER ALLEIN haus am Stadtrand von Görlitz war lange Zeit ein Mentoren und Unterstützer 64 29 totes Gebäude, heute Erfahrungen sammeln: Das LASST UNS REDEN! brennt dort die Luft. Der Projekt Heim(at)arbeit im Verein Kühlhaus Görlitz Werkstätte, Foren, Events 66 Oderbruch bringt Schüler hat ein lebendiges Haus der 8. und 9. Klasse für Partys, Konzerte und WERDEN SIE ZU MACHERN DES WANDELS zusammen mit Menschen Werkstätten aufgebaut aus ihrer Region, die sich Bewerbung und Jury 68 bewusst für ihre Heimat 62 entschieden haben KONTAKTE UND IMPRESSUM 70 Foren, Werkstätte, Men- toring: Was wie und wann 38 in den zwei Jahren eines Aufblühen lassen: In Förderzeitraums passiert, Dessau hat die Stiftung ist eine ganze Menge. Bauhaus Dessau karge 47 Für Eilige gibt es hier die Rasenflächen in bunte Begegnungen schaffen: schnelle Übersicht Gärten für die Bürger ABLAUFPLAN »NEULANDGEWINNER« 3. Runde Der Verein MerkMal bringt verwandelt. Dort gedeihen IV. Forum VI. Forum in der Region Anhalt- NLG IN DER GESELLSCHAFT Kartoffeln, Salat und Möh- V. Forum Wittenberg engagierte ren. Und natürlich ganz Auftakt- & Abschluss- Wissen/Themen 4. Quartal 2017 Wissen/Themen Auftakt- & Abschluss- Menschen zusammen, um viel Gemeinsinn veranstaltung weitergeben weitergeben veranstaltung größere Projekte realisieren 01.12.2016 4. Quartal 2018 NLG Denklabor NLG Denklabor zu können wie Lernreisen Handbücher Handbücher NLG IM NETZWERK und Geocoaching Vernetzung Werkstatt #1 Werkstatt #2 Werkstatt #3 Werkstatt #4 16./17.03.17 14./15.09.17 1. Quartal 2018 3. Quartal 2018 17 Mentoring Gemeinschaft bilden: Der NEULANDGEWINNER VOR ORT Bereisung Verein Allerhand in Qualitz Anrufen & Mailen hat eine »Werkstatt für Externe Fachberatung lebenslanges Lernen« 4. Quartal 2017 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4.Quartal 2018 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4.Quartal 2019 geschaffen, an dem alle Generationen zusammen kommen, um zu arbeiten – Um die Lesbarkeit zu vereinfachen, wird auf die zusätzliche Formulierung der weiblichen Form verzichtet. Wir möchten deshalb darauf hinweisen, und Spaß zu haben dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form explizit als geschlechtsunabhängig verstanden werden soll.
»Inseln des 7 Aufbruchs« Das Neulandgewinner-Programm geht in Im Gespräch: Thomas Leppert von der Robert Bosch Stiftung (r.) und Andreas Willisch vom die dritte Runde. Was wurde bisher erreicht? Thünen-Institut für Regionalentwicklung eG Welche Erfahrungen haben wir gemacht? Was bringt die Zukunft? Mit der dritten Förderrunde geht das Projekt der Neulandgewinner schon ins fünfte Jahr. Es scheint Ihnen Spaß zu machen … Thomas Leppert von der Robert Bosch Stiftung Leppert (lacht): Ja, natürlich! Es ist ein großes Privileg für mich, Menschen zu unterstützen, die und Andreas Willisch vom Thünen-Institut für die Welt verbessern wollen. Aber damit uns das Projekt Freude macht, ist auch viel Arbeit nötig – nicht nur von unserem Kooperationspartner, dem Thünen-Institut, sondern auch und insbeson- Regionalentwicklung eG ziehen Bilanz – dere von den Projekten und deren Verantwortlichen selbst. und schauen nach vorn. Wie fällt Ihre bisherige Bilanz aus? Leppert: Positiv. Wir freuen uns sehr darüber, was wir mit dem Programm bewirken konnten und können. Es unterstützt Gesellschaftsgestalter, also relevante und mutige zivilgesell- schaftliche Akteure in den ostdeutschen Bundesländern. Wir sind überzeugt, dass für die aktive Gestaltung von Veränderungen genau solche Menschen benötigt werden, die Visionen formulieren, Ideen entwickeln und umsetzen, die unkonventionelle Wege ausprobieren und andere mitnehmen. Oder einfacher ausgedrückt: Menschen, die Neuland betreten, um Gesell- schaft zu gestalten. Warum ist das insbesondere in Ostdeutschland notwendig? Willisch: Auch nach mehr als 25 Jahren Wiedervereinigung gibt es eine Ost-West-Schere, das sollten wir akzeptieren. Wir haben es in den neuen Ländern noch immer mit einem tiefen gesellschaftlichen Veränderungsprozess zu tun. Es fehlt nach wie vor die zivilgesellschaftliche Infrastruktur, wie sie sich über Jahrzehnte in Westdeutschland entwickelt hat.
8 Das heißt, Westdeutschland dient Ihnen als Blaupause? Was sagen die Neulandgewinner selbst, was ihnen wichtig ist? 9 Willisch: Nein, überhaupt nicht. Die Neulandgewinner bauen tatsächlich an einer neuen Gesell- Leppert: Letztlich – und das finde ich sehr erfreulich – scheinen die Neulandgewinner dieselben schaft, an einer eigenen Identität – das ist ihr Anspruch. Sie wollen sich nicht mit den eingefah- Motivationen anzutreiben, wie wir sie auch andernorts bei zivilgesellschaftlichen Akteuren fest- renen Stereotypen – alle wandern ab, hier leben die Nazis und man stellen: Sie wollen vor Ort etwas zum Positiven verändern, die eigene Zukunft aktiv mitgestalten kann ohnehin nichts machen – zufriedengeben. Sie suchen nach neuen und Verantwortung für sich und ihr Umfeld übernehmen. Dazu gehört aufgrund seiner Ausrich- Das Programm in Kürze Modellen insbesondere des Zusammenlebens. tung des Programms eben auch, dass es um den Erhalt der Lebensqualität im ländlichen Raum »Neulandgewinner. Zukunft gewinnen vor geht und häufig darum, mit den lokalen Ressourcen nachhaltig umzugehen. Ort« ist ein Förderprogramm der Robert Bosch Stiftung. Alle zwei Jahre erhalten Lässt sich das ausschließlich mit der spezifischen bis zu 20 von einer Jury ausgewählte ostdeutschen Sozialisation erklären? Und all das mit ganz neuen Ansätzen? Personen eine finanzielle Förderung im Gesamtwert von jeweils rund 50.000 Euro Thünen-Institut Willisch: Nicht nur – immerhin haben ein Drittel der Programmteilneh- Willisch: Ja. Die Robert Bosch Stiftung hat mit dem Programm einen zur Umsetzung ihrer Neulandgewinner- Das Thünen-Institut für Regionalent- mer eine West-Sozialisation erfahren, andere sind von der Großstadt genialen Schachzug gemacht: Weg von der Defizitbeschreibung, hin zu Idee. Ziel ist die Stärkung der Zivilgesell- wicklung eG setzt im Auftrag der Robert schaft insbesondere im ländlichen Raum zurück in die Provinz gezogen und einige wenige leben schon immer da, Lösungen. Am Anfang waren wir skeptisch und wussten nicht, ob es Bosch Stiftung das Neulandgewinner-Pro- in Ostdeutschland. Im Förderzeitraum be- wo sie heute Veränderung wagen wollen. Es geht dabei weniger um ost- solche Menschen überhaupt gibt. Aber es gibt sie! In den bislang drei gramm um. Die Genossenschaft hat ihren gleiten Mentoren des Thünen-Instituts die algische Gefühle als vielmehr um Gestaltungsräume und -möglichkei- Ausschreibungsrunden gingen über tausend Bewerbungen ein. Das hat Sitz in Berlin, Vorstände sind Andreas Teilnehmer, vernetzen sie untereinander ten, die der Umbruch im Osten offenbar mehr bietet als der im Westen. alle unsere Erwartungen übertroffen. Heute können wir sagen, dass an Willisch und Ines Hagenloch. Das Thünen- und über die Grenzen des Programms Institut wurde zunächst als Verein in vielen Orten Inseln des Aufbruchs entstanden sind, die anderen Mut hinaus mit Akteuren und Vertretern aus Bollewick (Mecklenburg-Vorpommern) Leppert: Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir es mit einer Beson- machen, selbst anzupacken und Perspektiven für sich und ihr Umfeld Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Die gegründet und hat es sich zur Aufgabe Umsetzung des Programms liegt beim derheit im Osten Deutschlands zu tun haben: Die Menschen verfügen zu schaffen. gemacht, Akteure der Transformation zu Thünen-Institut. hier über vielfältige Transformationserfahrungen, die sich im Aufglei- identifizieren und zu stärken. Namens- sen und in den Inhalten der Projekte widerspiegeln. Leppert: Es geht insbesondere darum, Ideen aus der Zivilgesellschaft zu geber ist der Agrar- und Wirtschaftswis- fördern, die der gesellschaftlichen Herausforderung sich verändernder senschaftler Johann Heinrich von Thünen (1783–1850), der u.a. bekannt wurde Welche Erfahrungen sind das konkret? Lebensräume begegnen. Die Veränderungen in ländlichen Regionen durch die Begründung der landwirt- stellen die Menschen vor schwierige, auch ganz persönliche Proble- schaftlichen Betriebslehre und regional- Leppert: Ich kann letztlich natürlich nur mutmaßen – aber die Vermutung liegt nahe, dass gerade me. Wenn diese zivilgesellschaftlich getragenen Ideen dann auch dazu spezifische Forschung. im Zusammentreffen gleich mehrfacher auch individuell erlebter Veränderungen ein Schlüssel führen, dass diese Probleme konstruktiv bearbeitet werden, haben wir zum Verständnis liegt. Da geht es um die Neuorientierung in einem anderen politischen und unsere Mission erfüllt. auch wirtschaftlichen System. Um die teilweisen Verluste und die Reorganisation persönlicher Bindungen. Das berufliche Umfeld hat sich häufig drastisch geändert, oft auch der räumliche Wenn wir nach Ostdeutschland blicken, hören wir im Moment aber vor allem neue Bezug. Das sind Veränderungen, die für ein ganzes Leben reichen. Die Menschen in Ostdeutsch- rechtsnationale Töne, Stichwort Pegida, AfD und noch extremere Gruppierungen … land haben das alles innerhalb weniger Jahre verarbeiten müssen. Dass das prägt und eine ganz eigene Dynamik für die Menschen und ihr Miteinander entwickelt, scheint mir einleuchtend. Leppert: Daher ist es so wichtig, dass wir andere Geschichten aus dem Osten unseres Landes erzählen können. Die Neulandgewinner-Bewegung ist zwar nicht organisiert politisch aktiv, ob- Wie drückt sich das in den Projekten aus? wohl jeder Dritte von ihnen sich lokal politisch engagiert. Wichtig aber ist, dass die Neulandge- winner überall zur Stärkung der Zivilgesellschaft beitragen. Auch um gegen den aufkeimenden Willisch: Einerseits geht es immer wieder um die Bildung von vertrauensvoller Gemeinschaft, um Kris- Rechtsextremismus anzukämpfen. tallisationspunkte im ländlichen Raum. Zum Zweiten mühen sich viele um das In-Gang-Bringen von regionalen Wirtschaftskreisläufen und bilden eigenständige Lebens- und Arbeitsgemeinschaften auf dem Land. Zum Dritten geht es auch um politische Selbstwirksamkeit: Wer sich tagtäglich ganz prak- tisch müht, neue Strukturen zu etablieren, der kommt schnell dahin, dass Dauerhaftigkeit nur durch die Übernahme politischer Verantwortung, zumindest durch politisches Engagement zu erreichen ist.
10 Ist dieses Ziel die Hauptintention der Stiftung? Wo steht das Programm in zehn Jahren? 11 Leppert: Unter anderen. Es ist für uns als westdeutsche Stiftung wichtig, auch im Osten aktiv Leppert: Wir sollten vorsichtig mit Prognosen sein. Aber wenn es uns gelingt, die zivilgesell- zu sein, weil wir durch die Förderung dieser Projekte – quasi über Bande – die Zivilgesellschaft schaftliche Bewegung und relevante Akteure in Ostdeutschland nachhaltig zu stärken, wären insgesamt stärken, die dann auch resilient ist gegen jede Form von Extremismus. Ein demokra- wir sehr zufrieden. Dazu gehört sicher auch, dass wir den Austausch zu westdeutschen »Neu- tisches, soziales und solidarisches Gemeinwesen kann nur mit einer starken Zivilgesellschaft landgewinnern« stärken wollen – Herausforderungen, Lösungsansätze und Erfahrungen sind gedeihen. Darum geht es uns. dort oft vergleichbar und bieten viel Stoff für gegenseitiges Lernen. Nicht zuletzt sehen wir, dass die Förderlandschaft insgesamt noch vielfältiger und leistungsfähiger werden muss. Dazu wol- Nun gehen Sie den nächsten Schritt mit der Schaffung von Stipendi- len wir unseren Beitrag leisten, auch durch weitere Kooperationen mit anderen Partnern. Robert Bosch Stiftung en innerhalb des Programms. Warum? Die Robert Bosch Stiftung GmbH ge- hört zu den bedeutenden Stiftungen in Leppert: Wir wollen ergründen, was strukturell und systemisch not- Deutschland und Europa. Seit ihrer Grün- dung 1964 folgt die unternehmensver- wendig ist, um noch mehr Neuland zu gewinnen. Wir vergeben erst- bundene Stiftung dem philanthropischen mals drei Stipendien an Menschen innerhalb des Neulandgewinner- Vermächtnis des Firmengründers Robert Programms, damit sie ein halbes Jahr forschen können zu Fragen wie: Bosch (1861–1942). Mit der Gründung Wie kann eine Anschlussfinanzierung für die Projekte aussehen? Wie des Unternehmens »Werkstätte für Fein- müssen wir mit Politikern und Kommunalbehörden sprechen, damit mechanik und Elektrotechnik« in Stuttgart wir verstanden werden? Die Ergebnisse dieser kleinen Feldforschun- legte dieser 1886 den Grundstein für den heute international tätigen Weltkonzern gen werden zusammengefasst und für alle zugänglich gemacht. (Umsatz 2015: 70 Mrd. Euro; Mitarbeiter: 375.000). Die gemeinnützige Stiftung Ein Forschungsprojekt aus dem Neuland für mehr Neuland … hält 92 Prozent des Stammkapitals der Robert Bosch GmbH. Geschäftsführer Leppert: Genau. Das ist grundsätzlich unsere Herangehensweise: ge- sind Uta-Micaela Dürig und Prof. Dr. Andreas Willisch (l.) meinsam voneinander und miteinander lernen, gemeinsam Ziele ver- Joachim Rogall, 140 Mitarbeiter arbeiten und Thomas Leppert an den Standorten Stuttgart und Berlin an folgen – und das mit hoher Gestaltungsfreiheit. Das setzt unser Partner, wollen in der kommen- den Förderrunde wieder jährlich etwa 800 Eigen- und Fremdpro- das Thünen-Institut und seine Mentorinnen und Mentoren, vorbildhaft gemeinsamen Projekte jekten. Themenbereiche der Stiftung sind um, auf die Steuerung des gesamten Prozesses können wir uns absolut für die Gemeinschaft und ein besseres Miteinander Gesundheit, Wissenschaft, Gesellschaft, verlassen. Gleichzeitig erlaubt uns die tiefe Kenntnis der ostdeutschen nach vorne bringen. Bildung, Völkerverständigung, Amerika Zivilgesellschaft und der interdisziplinäre Blick von Andreas Willisch und Asien sowie Europa und seine Nach- barn. Seit Gründung hat die Organisation und seinem Team das gemeinsame Reflektieren und Weiterentwickeln 1,3 Milliarden Euro vergeben. des Programms. Diese analytische Ebene schätzen wir sehr, das macht den besonderen Charakter der Zusammenarbeit aus. Gibt es auch Honig für die Robert Bosch Stiftung? Willisch (lacht): Klar. Die Robert Bosch Stiftung hat durch das Programm eine starke Stimme in Ostdeutschland bekommen. Das sieht man unter anderem daran, dass wir mit einigen ostdeut- schen Landesregierungen vergleichsweise unkompliziert eine Kooperation zur Ausweitung des Programms verabreden konnten mit dem Ergebnis, dass wir jetzt noch einige Neulandgewinner der Länder mehr ins Programm aufnehmen konnten.
12 1 Förderperiode 2 Förderperioden Denklabor Schwerin Weiter Osten 2013 – 2019 Hoher Norden Schwerin Weiter Osten Hoher Norden Sundhagen 25 23 Großkarrendorf HOHER Greifswald Schwerin Weiter Osten26 NORDEN Hoher Norden Anklam 21 18 Usedom 2 Qualitz Gatschow 22 3 Witzin Grambow 13 1 Mestlin Berlin Schwerin 14 Potsdam Wangelin 20 Schönfeld KARTE DER NEULANDGEWINNERPROJEKTE Siggelkow 7 Berlin Bresch 9 WEITER Magdeburg Potsdam 11 Diemitz OSTEN Rheinsberg 4 12 Menz 5 Perleberg 24 Welsow Mittlerer Westen 6 Neuruppin Kossebau 10 Magdeburg 8 Klein Berlin 17 Lunow-Stolzenhagen Leppin Potsdam Mittlerer Westen Reichenow 19 15 Oderaue Kalbe 30 Hansestadt Magdeburg 33 Stendal 16 Märkische Schweiz Berlin Mittlerer Westen MITTLERER 28 Parey Potsdam 36 Nuthetal WESTEN Magdeburg 31 Bad Belzig Dresden Erfurt 32 Baruth/Mark Dresden Erfurt Dessau-Rosslau 27 Tiefer Süden 38 Kemberg Quetzdölsdorf 34 37 Bad Düben Tiefer SüdenDresden 50 Finsterwalde Erfurt35 Bischofferode Halle (Saale) 29 41 45 Weißwasser Grimma 40 48 Mügeln OT Glossen Tiefer Süden Ebersbach- 49 39 Görlitz Dresden Neugersdorf 43 Zeitz Erfurt Erlau 46 51 Heidenau 42 Freiberg 44 Kleingeschwenda TIEFER Ranis 47 SÜDEN 13
Neuland Hoher 15 in Sicht! Norden Sie bauen Werkstätten auf und Garagen Großräumig bespielbar zu Läden um, sie denken Mobilität neu und schaffen eigene Lokal-Währungen, sie Die Kulturhäuser der DDR bildeten ein Ge- gengewicht zum Arbeitsalltag der Menschen. kümmern sich um Flüchtlinge und um Kinder, In ihren Räumen wurde Kultur gelebt und Bil- Jugendliche und Alte. Die Neulandgewinner dung weitergegeben. So auch in Mestlin. Das neoklassizistische Gebäude war der Mittel- sind eine besondere Spezies Mensch: Sie punkt des Ortes – und im Leben vieler Einhei- mischer. »Manche haben hier die wichtigsten geben sich nicht damit zufrieden, wie die Stationen ihres Lebens gefeiert«, sagt Claudia Stauß vom Verein Denkmal Kultur Mestlin, Dinge sind, sie packen an und suchen nach »Einschulungsfeier, Jugendweihe, Hochzeit«. Lösungen, um das Leben für die Menschen Seit 2008 bemüht sich der Verein, den bis Mitte der Neunziger als Diskothek genutzten insbesondere auf dem Land zu verbessern – Prachtbau wieder zu einem Treffpunkt für die Menschen zu machen. Denn für Veranstal- immer in dem Bemühen, die Gemeinschaft zu tungen – Ausstellungen, Feste und Konzerte – gibt es keinen besseren Ort, sagt die gelernte stärken. Zu finden sind sie überall – und es Bühnenmeisterin Stauß. Bereits seit 2008 Projekt »Mestlin – ein »Muster- werden immer mehr. finden Veranstaltungen statt, 2009 begannen dorf« auf dem Weg – mit parallel die Umbauarbeiten. »Es geht Schritt der Geschichte in die für Schritt voran«, sagt Claudia Stauß. Zukunft« Neulandgewinner Claudia Stauß, Denk- mal Kultur Mestlin, e.V. Internet www.denkmal-kultur- mestlin.de Kontakt info@denkmal-kultur- mestlin.de 1 Claudia Stauß und das Förderrunde 2 Kulturhaus Mestlin 2015 – 2017
16 Ideen bis unters Dach 17 Ein fröhliches, belebtes Haus, dessen Türen für alle offen stehen: Das wollte der Verein Allerhand für die Menschen in Qualitz schaf- fen. 2014 kaufte ein Landwirt den leerste- henden Hof im Dorf, holte den Verein als Mieter ins Haus. Seitdem bieten Laien und Experten in der »Werkstatt für lebenslanges Lernen« fast täglich wechselnde Aktivitäten an: Montags tagt auf Wunsch der Schulkinder ein Mathekreis, dienstags ist die neu einge- richtete Fahrradwerkstatt geöffnet, mitt- wochs wird in der Holzwerkstatt gewerkelt und ein Chor aus Eltern und Kindern trifft sich zum Singen, donnerstags wird gemein- sam gekocht und gegessen, freitags finden oft Vorträge und Diskussionsrunden statt. Das »Aller«, wie die Kinder es nennen, bereichert so das Leben von über 100 Menschen. Wenn es nach dem Verein geht, dürfen es gerne noch mehr werden. Besonders über ältere Leute, die mitmachen, würden die Mitglieder sich freuen. Projekte »Gründung einer Werk- statt für lebenslanges Lernen in Qualitz« und »Auf Übertragbarkeit prüfen« Neulandgewinner Barbara Wetzel, Aller- hand e.V. Oben: Barbara Wetzel bei Internet der Eröffnung einer Aus- www.allerhandverein. stellung mit Jugendlichen com in der Kreativwerkstatt in Qualitz. Kontakt werkstatt@posteo.de Mit Schnecken gegen Nazis: Vor der Landtags- Förderrunde 2 und 3 wahl in Mecklenburg-Vor- 2015 – 2017 pommern im September 2017 – 2019 2016 bastelten die kleinen und großen Mitglieder vom Verein Allerhand bunte 2 Papp-Tiere (rechts unten) und brachten sie an Stra- ßenschilder und -lampen in Qualitz an (rechts oben) – und besetzten so den von rechtsextremen Parteien für Wahlwerbung gern genutzten Platz.
18 Junges Gemüse 4 Kaffee, Haus, Kultur 19 Kinder, die auf dem Land aufwachsen, kennen An pittoresken Bauten mangelt es in der machen: als »kreatives Rathaus«. Im Oktober sich aus in der Natur. Daran hatte die gelernte ehemaligen Hansestadt Perleberg nicht. 2013 eröffneten sie im Erdgeschoss ein Café, Gärtnerin Katrin Wagner keinen Zweifel. Doch Doch zwischen den Fachwerkhäusern am ausgestattet mit von Bürgern gespendeten, die Schnitzeljagd, die sie während eines Kin- Großen Markt ragt die Nummer 15 mit ihrem grün gestrichenen Stühlen. In den Räumen dergeburtstages veranstaltete, führte zu einer spitzen Giebel wortwörtlich heraus. Erbaut darüber sollte eine Kunstschule ihren Platz überraschenden Erkenntnis. »An einem See wurde das Steinhaus im 15. Jahrhundert finden, auf deren Lehrplan Bildende Kunst, sollten die Kinder sagen, welche Fische darin als Handelssitz. Seitdem war es Wohnhaus, Radio-Sendungen, Tanzkurse und Theater- leben«, erinnert sie sich. Die Gäste aus Berlin Café, Kreisstelle der FDJ und Bibliothek – an workshops stehen sollten. Doch leider konn- wussten: Barsch und Hecht. Den Kindern aus Letzteres erinnert noch der schnörkelige te die Kunstschule nie realisiert werden – und der Region waren die Fische jedoch fremd. Schriftzug an der Fassade. Ab 2000 stand es bloße Cafébetreiber wollten die Künstler nie Ihre Antwort: Hai und Delfin. Ein AHA-Erleb- weitgehend leer. Schade, fanden die Theater- werden. Also betrieben sie nur bis Ende 2015 5 nis für Wagner: »Kinder können naturnah auf- macherin Kerstin Süske und ihre Mitstreiter das Café. Seitdem wird ein Pächter gesucht. wachsen und trotzdem keinen Bezug zu ihrer vom Verein Relais. 2012 begannen sie, das Die Vereinsmitglieder wandten sich wieder Umwelt haben.« Mit ihrem 2015 gegründeten Gebäude Stück für Stück wieder nutzbar zu mehr ihren eigenen Kunst-Projekten zu. Verein Solanum vermittelt sie deswegen unter anderem in Schulen und Kitas praktisches Projekt 3 Wissen über die Herkunft und Entstehung lokaler Lebensmittel. Grundlage dafür ist das »Relais – Raum für Kunst und Gesellschaft. Das kreative Rathaus in schulbegleitende Bildungsprogramm der Ge- Perleberg« Überland-Orchester müseAckerdemie Potsdam. Mit Zweitklässlern Neulandgewinner Kerstin Süske, Relais der Grundschule Rheinsberg, deren Lehrerin e.V Annett Welzien und dem ehrenamtlichen Internet Alle Jahre wieder treffen sich in der Witziner Mentor Marc Marquardt bepflanzte Wagner www.relais-perleberg.de Dorfkirche Hobbymusiker, um den 4. Advent ein Beet mit 25 Gemüsesorten, das diese seit- Kontakt mit einem Weihnachtskonzert zu begehen. dem zweimal pro Woche pflegen und ernten. info@relais-perleberg.de Und jährlich werden es mehr. Zu verdanken Ihre Erfolge stellten die Kinder während des Förderrunde 1 ist das dem Bürgermeister Hans Hüller, dem ebenfalls vom Verein in der Stadt initiierten, 2013 – 2015 Gründer der Witziner Dorfmusikanten. »Be- viertägigen kulinarischen Solanum-Festivals gonnen haben wir 2012 mit drei Bläsern – und vor. Als nächstes möchte Wagner mit Schülern wir waren grottenschlecht«, erinnert er sich. Projekt einen Schulgarten, das Schulgelände und die Aber Übung macht bekanntlich besser. Und »Gründung eines daran angrenzenden Brachen eines Wohn- Spiellaune steckt an. Im vergangenen Winter offenen Orchesters«, quartiers beackern. Damit den Rheinsberger Witzin spielten bereits 50 Musiker auf, unterstützt Kindern bald niemand mehr einen Rotkohl für Neulandgewinner vom Kirchenchor. Damit die gemeinsamen eine Rübe vormachen kann. Hans Hüller, Witziner Auftritte nicht auf einen Tag im Jahr be- Dorfmusikanten Oben: Marktplatz mit dem »kreativen Rathaus« in schränkt bleiben, möchte Hüller ein offenes Internet Projekt Perleberg »Ackern, Ernten, Essen«, Orchester gründen: Instrumente und Noten www.in-witzin.de/ Musik/ Rheinsberg Unten: Kerstin Süske und anschaffen, Räume suchen, Freiwillige gewin- Jost Löber vom Relais e.V. Kontakt Neulandgewinner nen. So soll es jedem Musikfan in der Region Katrin Wagner, Buergermeister@In- ermöglicht werden, zu üben und mit anderen Witzin.de Solanum e.V. zu spielen. Auch denen, die kein Geld haben, Internet Förderrunde 3 um sich selbst eine teure Trompete oder No- 2017 – 2019 www.solanum-verein.de ten anzuschaffen. Vor allem Kinder möchte Kontakt info@solanum-festival.de Hüller erreichen. Damit die schöne Tradition des wachsenden Weihnachtskonzerts noch Förderrunde 3 2017 – 2019 viele Jahre fortgesetzt wird.
20 Mehr als ein Strohfeuer 21 7 Projekt »Luftschloss 2.0«, Neuruppin Neulandgewinner Wenn der ehemalige Sozialwissenschaftler Oliver Leonhardt, Heinz Niemann über die Gemeinde Siggel- Jugendwohnprojekt Mittendrin e.V. kow spricht, gerät der sonst eher rationale Internet Mann ins Schwärmen: »Ich hänge mit jeder www.jwp-mittendrin.de Faser an diesem Dorf.« Niemann ist in Siggel- Kontakt kow aufgewachsen. Genau wie seine Kinder www.jwp-mittendrin.de und Enkel. Doch um die Jahrtausendwende Förderrunde 2 veränderte sich das Leben in der Gemein- 2015 – 2017 de: Den Geschäften fehlten die Kunden und manche Einrichtung musste infolge mangeln- der Auslastung geschlossen werden. Immer längere Arbeitswege zwangen manche der Einwohner, aus ihrem Dorf wegzuziehen. Höchste Eisenbahn Zurück blieben die Älteren. Die Situation bedrückte nicht nur Niemann. Aus Gesprä- chen während der 775-Jahrfeier entstand Mit seinem Uhrturm und dem großen Vorplatz erst eine Bürgerinitiative und 2013 dann der sieht der ehemalige Bahnhof in Neuruppin Verein »Zukunft Gemeinde Siggelkow«. Mit eigentlich aus wie ein Amtsgebäude. Seit 2015 wissenschaftlichen Methoden analysierte ist dort jedoch einiges los: Die ehemaligen dieser die Lage, setzte Ziele: Infrastruktur 6 Büros wurden in Veranstaltungs- und Wohn- erhalten, Versorgung der Älteren sicherstel- räume umgewandelt. Jugendliche treffen sich len, der wachsenden Verschuldung durch dort, um mit ihren Bands zu proben oder um eigene wirtschaftliche Tätigkeit entgegen- in der Werkstatt ihre Fahrräder zu reparie- treten, nachhaltige Energieversorgung Oben links: ehemaliger ren. Fahrten zu Demos werden geplant. Es Bahnhof Neuruppin aufbauen. Und das durch bürgerschaftliches gibt Ausstellungen, Poetry Slams, Diskussi- Engagement. Vieles wurde direkt realisiert: onsrunden und gemütliche Kinoabende. So- Projekt Der Verein suchte einen neuen Betreiber „Initiative Zukunft für bald der Konzertsaal fertig ist, werden auch für den Lebensmittelladen und richtete im Siggelkow“ größere Events stattfinden. Möglich macht ehemaligen Jugendklub eine Tauschbörse als Neulandgewinner das der Verein Mittendrin. Das Jugendwohn- Dr. Heinz Niemann, Kommunikationszentrum ein, die vor allem projekt hat das leerstehende Gebäude 2013 Zukunft Gemeinde von der älteren Generation genutzt wird. Ein gekauft und ist seitdem mit der Sanierung Siggelkow e.V. wöchentlicher Beschäftigungs- und Betreu- beschäftigt. »Wir vereinen viele sozial-poli- Internet ungstag für Senioren sowie mehrere Senio- www.gemeinde- tische Aktivitäten unter einem Dach, für die rentreffs wurden etabliert. Nun soll alterna- siggelkow.de sonst in der Stadt kein Raum wäre«, erklärt tive Energie das Dorf schuldenfrei machen: Kontakt Oliver Leonhardt die Entscheidung, das niemann38.1@gmx.de Die Gemeinde will sich am Betrieb eines imposante Gebäude zu übernehmen. Platz Förderrunde 1 Windparks beteiligen. Verhandlungen mit ist dort genug – und für den Bahnhof sind 2013 – 2015 dem Netzbetreiber laufen. Parallel dazu wird die neuen Besitzer die Rettung. »Noch drei nach einer alternativen Wärmeversorgung Jahre und das Dach wäre eingestürzt«, sagt für Siggelkow gesucht. Heinz Niemann hat Leonhardt. Bis 2017 soll der Umbau fertig Oben: Seniorentreff und sogar einen geeigneten Rohstoff ausgemacht: Spiele-Nachmittag in der sein. Dass in den alten Mauern neue Zeiten ehemaligen Schule in ein in der Region verbreiteter Reststoff aus angebrochen sind, ist aber schon jetzt zu se- Siggelkow Schaf-Schwingel, einem Gras, das nicht als hen: Dank einer LED-Installation kommt die Unten: Infobroschüre der Futtermittel taugt und deshalb günstig zur Bahnhofsuhr zu neuen Ehren. Sie leuchtet in Region Verfügung steht. allen Regenbogenfarben.
22 Volle Fahrt voraus Aufgeblüht 9 23 Wenn im Dorf Klein Leppin eine neue Oper Das Landleben ist eine feine Sache, findet To- Gemeinden an einen Tisch zu bringen: »Ich inszeniert wird, ist das nicht nur ein Be- bias Schweitzer. Auch wenn er anfangs Mühe möchte die Menschen mobilisieren, sie dazu suchermagnet. Manche der Chorsänger hatte, sich damit zu arrangieren. Der Liebe bringen, sich für die Orte, in denen sie leben, kommen aus 60 Kilometern Entfernung, um wegen war der Landschaftsarchitekt nach zu engagieren«, sagt Schweitzer. Mit Konzep- bei den Proben dabei zu sein. Die Freude, Bresch in der Prignitz gezogen. Die Liebe ten und Informationen möchte der Verein mit der die Klein Leppiner seit 2005 Hoch- ging, er aber blieb. Und begann, sein Umfeld dabei helfen, aus Ideen konkrete Projekte kultur in der Prignitz zelebrieren, ermutigte umzugestalten. Weil »nur an der Tankstelle zu entwickeln, die dann mit vereinter Kraft die Projektorganisatorin Christina Tast, ihr Projekt Kaffee ausgeschenkt wurde«, öffnete er sein umgesetzt werden – und die nicht nur gut für Engagement auszuweiten: Mit einer mobilen »Ruhner Land – eine Zuhause für Nachbarn und Gäste. Der bezau- die Orte sind, sondern auch bestenfalls deren Region erfindet sich Kulturwerkstatt will der FestLand-Verein bernde Garten des Landhauses lockte erst wirtschaftliche Bedingungen verbessern. selbst«, Bresch nun über die Dörfer fahren. Untergebracht ist die Medien, dann Hochzeitsgesellschaften »Wir versuchen Ansätze zu finden, die so Neulandgewinner diese Werkstatt in einem Leutewagen – einem Tobias Schweitzer, an. Im nahen Ziegendorf half Schweitzer den noch nicht gedacht und ausprobiert wurden in sonnigen Farben gestrichenen Anhänger, Neues Landleben e.V. Landfrauen beim Gärtnern. 2013 erhielten – eben eine neue Art Landleben.« Dass der in dem früher Landarbeiter auf dem Feld ihr Internet diese die Auszeichnung »Schönste Straße Verein etwas bewegen kann, hat er bereits Mittagessen einnahmen. Weil den nur ein www.neues-landleben- Deutschlands«. Seit 2015 arbeiten nun sieben gezeigt: egal ob Pfarrhaussanierung, Poeten- e-v.de Traktor ziehen kann, ist die Kulturwerkstatt Gemeinden entlang der Grenze zwischen stube, Streuobstwiese, das Vermarkten der Kontakt eher gemächlich unterwegs, kann Werke kre- Mecklenburg-Vorpommern und Branden- Gegend als »Hochzeitsland«, die geplante Re- tobias.schweitzer@ ativer Menschen hier einsammeln und dort gmx.net burg daran, ihr »Ruhner Land« attraktiver zu kultivierung des zwischen Rostock und Bad vorzeigen. Ideen, was man in dem zehn Qua- Förderrunde 3 machen. Zu den Initiatoren und Unterstüt- Wilsnack verlaufenden Jakobswegs oder der dratmeter großen Raum alles anstellen kann, 2017 – 2019 zern gehört auch der von Tobias Schweitzer »Bienenhighway« – mit jedem Projekt rückt hatten Tast und ihre Helfer aber sofort parat: gegründete Verein Neues Landleben. Des- die Region ein wenig zusammen, wird grüner. Fotokurse, kleine Ausstellungen, Minikino, sen Ziel war und ist es, die Akteure aus den So, wie man sich die Landidylle eben vorstellt. Rentnertreff, rollende Bibliothek. Projekt »Der Leutewagen – eine Projekt mobile Kulturwerk- »Frische Küche für statt«, Klein Leppin Jung und Alt aus der Neulandgewinner Region«, Kossebau Christina Tast, Fest- Neulandgewinner Land e.V. Anne-Kathrin Musch- Internet ke, Förderverein Kita www.dorf-macht-oper. Wichtelhausen e.V. 10 de Topfgucker Internet Kontakt www.kitawichtel kontakt@festland- hausen.de 8 prignitz.de Kontakt Förderrunde 2 »Mama, ich mag kein rumgefahrenes Essen.« Fördervereinsmitglieder die Kita-Küche. akmuschke@gmail.com 2015 – 2017 Klare Worte, die Anne-Kathrin Muschke von Seit 2013 wird nicht mehr nur für die Kinder Förderrunde 1 ihrer Tochter zu hören bekam. Jahrelang wa- gekocht, auch interessierte Senioren werden 2013 – 2015 Oben: der Leutewagen bei ren die Kinder der Kossebauer Kita »Wichtel- beliefert. Für die täglich bis zu 80 Portionen der Oper »Don Quichotte«, in Klein Leppin eingesetzt. hausen« schon morgens zu Köchin Ilka Bethge verarbeitet Köchin Ilka Bethge vor allem Mitte: Schauspieler und geflitzt, um in deren Töpfe zu schauen. Doch lokale Produkte und das »immer lecker«, wie Zuschauer beim Wechsel 2012 sollte Bethges Küche wegrationalisiert die Vereinsvorsitzende Anne-Kathrin Musch- der Aufführungsorte werden. Ersetzt durch geliefertes Fertig ke sagt. Eine Bereicherung für alle. Nur die Unten: Requisiten für die essen. Mit dem Förderverein Kita Wichtel- Tochter von Anne-Kathrin Muschke kommt Inszenierung hausen e.V. stemmten sich die Eltern dagegen. nicht mehr in den Genuss. Sie ist zu alt für die Gemeinsam sanierten Erzieher, Eltern und Kita – und schimpft über das Schulessen.
24 25 Auf’s richtige Pferd gesetzt Ob sie der Hafer gestochen hat, als sie sich 30 Pferde einhandelte? Über diese Frage muss Renate Strohm lachen. Die Agrarwis- senschaftlerin hatte zwar lange vom eigenen Landidyll geträumt. Die LPG-Pferde über- nahm sie 1994 aber eher aus Liebe zu den Tieren und einer Notsituation: »Sonst wollte sie niemand haben.« Bis der passende Hof – eine ehemalige Broilermast – gefunden war, dauerte es noch einige Jahre. Seitdem ist die vierbeinige Belegschaft kontinuierlich gewachsen: Neben den Pferden, Eseln und Ponys leben in Diemitz etwa 50 Schafe, acht Ziegen, sechs Katzen, zwei Hunde, einige Kaninchen und Hühner. Und das Hofschwein Rudi, das mit seinen sieben Zentnern aus- sieht »wie ein kleiner Elefant«. Sie alle helfen mit, wenn Kinder- und Jugendgruppen auf Projekt »Landerlebnis Diemitz den Hof kommen, um für einen Nachmittag – Vielfalt und Begeg- oder eine Woche Landluft zu schnuppern. nung auf dem Dorf« Die Kinder – oft aus einkommensschwachen Neulandgewinner Familien – lernen im Umgang mit den Tieren, Dr. Renate Strohm, Landerlebnis Diemitz e.V. wie verantwortungsbewusste Zusammenar- Internet beit funktioniert. Füttern, striegeln, misten www.landerlebnis- aus und sammeln Eier ein. Das verbindet: diemitz.de »Neulich begleitete der Sohn eines stadtbe- Kontakt kannten Rechten syrische Flüchtlinge bei renate.strohm@ t-online.de unserer Pferdewanderung am Wummsee«, erinnert sich Renate Strohm. »Hautfarbe, Förderrunde 1 2013 – 2015 Herkunft oder die Größe des Geldbeutels – diese Kategorien spielen hier auf dem Hof Oben und unten rechts: 11 einfach keine Rolle.« Mit den Mitgliedern Renate Strohm bei einem des Vereins Landerlebnis Diemitz setzt sie Reitausflug mit Kindern im sich dafür ein, dass dies auch so bleibt. Sei es Landerlebnis Diemitz durch enge Kooperation mit der Horteinrich- Oben rechts: Trainings- stunden auf dem Holz- tung des für Diemitz zuständigen Familien- pferd zentrums oder der Jugendarbeit in Wittstock.
26 Heimat kann man selber Gemeinschaftsgefühl to go Immer weiter wachsen 27 12 machen Vom Wirtschaftsministerium in den Tante- Manche Leute haben einen grünen Daumen. Emma-Laden: Paul Todt hatte nicht damit Klaus Hirrich hat zwei grüne Hände. Weil die Menz ist ein Bilderbuchdorf im Naturpark gerechnet, dass er mal Lebensmittel ver- Landschaft in und um die Dörfer Wangelin Stechlin-Ruppiner Land, umgeben von Wald kaufen, Brötchen belegen und Kaffee to go und Gnevsdorf »so leer geräumt aussah«, und Seen. Der eigentliche Schatz des Dorfes ausschenken würde. Doch dem Verwaltungs- begann der gelernte Schlosser in den Neunzi- aber sind seine Menschen, ihre Kreativität beamten im Ruhestand macht die Freiwilli- gern mit vielen Mitstreitern Bäume zu pflan- und Talente. Das wurde den Menzern viel- genarbeit Spaß: »Ich dachte, ich kenne die zen. Und hörte nicht mehr damit auf: 50.000 leicht erst richtig klar, als sie aus der geplan- meisten Dorfbewohner. Aber es kommen müssen es mittlerweile sein, sagt er. Die ten 725-Jahrfeier 2015 einfach ein ganzes immer mal wieder neue Gesichter vorbei.« Begrünung ist nur eines von vielen Projekten Feierjahr machten. Mario Ledderhose, da- Todt ist Vereinsvorstand bei Unser Grambow des Vereins FAL. Im Schatten der gepflanz- mals noch recht neu im Ort, schloss sich dem e.V. Mit seinen Mitstreitern richtete er 2014 ten Bäume blüht der Wangeliner Garten, der Festkomitee an. Unterschiedliche Menschen, in einer ehemaligen Garage des Grambower Touristen in das Dorf bringt. Ein Holzschup- viele Ideen: Eine Ausstellung in der Kirche Gemeindehauses einen Laden ein – das Dorf pen wurde zum Tauschhaus umfunktioniert. Projekt »HEIMATschule Menz – illustrierte 125 Jahre Dorfleben anhand von entschied gemeinsam über den Standort. Er Aus der Idee, mit Lehm günstigen Wohnraum Wir lassen die Zukunft Bildern aus privaten Fotoalben. Bei einer ist die einzige Einkaufsmöglichkeit im Ort, zu bauen, entwickelte sich die Europäische im Dorf« Schatzsuche kreuz und quer durch das Dorf was vor allem für die Älteren eine große Bildungsstätte für Lehmbau: Gäste aus ganz Neulandgewinner Projekt erlebten Kinder es aus ganz ungewohnten Erleichterung ist. Im genossenschaftlich be- Europa und darüber hinaus lassen sich dort Mario Ledderhose, »Werkstatt des guten Dorfverein Menz e.V. Perspektiven. Und beim »Picknick in Weiß« triebenen Laden – viele Dorfbewohner haben Lebens«, Wangelin im Lehmbau ausbilden. Auch viele der Häu- Internet tafelte das Dorf einen Nachmittag lang auf Anteile gekauft – bekommen sie Zahnpasta, ser im Ort wurden mit dem Baustoff Lehm Neulandgewinner www.dorfverein-menz. dem Friedensplatz. Das gemeinschaftliche frisches Brot und Molkereiprodukte, Gemü- Klaus Hirrich, Verein saniert. Kunsthandwerker zogen ein. Ihre de Tun habe dem Dorfleben neuen Schwung se in Bioqualität, abgepackte Wurst. Dinge, zur Förderung öko- Produkte – Keramik, Filz, Aufstriche, Kör- Kontakt logisch-ökonomisch gegeben, sagt Mario Ledderhose: »Wir sahen, für die sie sonst ins 10 Kilometer entfernte be – verkauft der FAL e.V. im eigenen Laden. mario.ledderhose@ angemessener Lebens- gmx.de wie leicht man Dinge um sich herum verän- Schwerin fahren müssten. »Natürlich können verhältnisse – FAL e.V. Als nächstes will der Verein gemeinsam mit dern kann, wenn viele zusammen an einem wir preislich nicht mit den Discountern dort Internet Flüchtlingen Lehmhäuser für integriertes Förderrunde 3 2017 – 2019 Strang ziehen.« Um das zu bewahren, grün- konkurrieren«, sagt Paul Todt. Dafür orga- www.fal-ev.de Wohnen bauen. »Wir haben Großes vor«, sagt dete sich der Dorfverein Menz. In den Klas- nisiert der Verein aber Kaffeenachmittage, Kontakt Klaus Hirrich. Sein Dorf scheint der richtige senräumen der alten Schule und im Internet Lesungen oder Grillfeste, die das Gemein- fal@fal-ev.de Nährboden dafür zu sein. will er eine Anlaufstelle für alle Menzer schaftsgefühl im Dorf stärken. Und das ist Förderrunde 1 und 2 Oben: Theater beim Garten- 2013 – 2015 schaffen. Als »Möglichkeitsplattform« soll sie bekanntlich unbezahlbar. 2015 – 2017 fest in Wangelin die Lust am Selbermachen wecken. Wer Un- Unten: Wegweiser im terstützung sucht, seine Ideen umzusetzen, Projekt Wangeliner Garten 14 »Dorfladen Grambow findet sie hier. Werkzeuge und Geräte etwa, – Ein Laden als neues die nicht jeder hat oder ständig braucht, Dorfzentrum« werden hier geteilt. Interessieren sich Leute Neulandgewinner für ein Thema, von Filmschnitt bis Wohnen Paul-Wilhelm Todt, im Alter, werden Experten und der Rahmen Förderverein Unser Grambow e.V organisiert, in dem alle mit- und voneinander Internet lernen können. Und hat mal wieder jemand www.dorfladen- eine Idee für eine tolle Veranstaltung, findet grambow.de er hier den Raum und ganz bestimmt auch Kontakt 13 Gleichgesinnte. Bis zum nächsten Dorfjubilä- pawito44@web.de um will in Menz nämlich keiner mehr warten. Förderrunde 1 2013 – 2015
Weiter 29 Osten Nie überfragt Wer mit Anne Hartmann zusammenarbei- ten Gesprächspartnern: zum Beispiel einer tet, muss damit rechnen, dass ihm die ganz Korbflechterin, die nebenbei ein Museum großen Fragen gestellt werden: »Warum bist betreibt. Oder einer Berufschullehrerin, Du hier?« oder »Was erhoffst Du Dir vom Le- die jeden Tag bereitwillig 1,5 Stunden zur 15 ben?« Das Tolle ist, dass sich im Oderbruch Arbeit pendelt, weil sie an ihrem Zuhau- immer wieder Menschen finden, die darauf se hängt. Ebenfalls in Hartmanns Kartei: bereitwillig antworten. Ohne diese Frei- ein Förster, ein Senfproduzent, ein Kfz- Oben: In der Oberschule Salvador Allende in Wiezen willigen wäre das Projekt »Heim(at)arbeit« Mechaniker, eine Grafikerin, ein Tierarzt. führt Anne Hartmann in nicht möglich. Gemeinsam mit dem Verein Menschen mit zum Teil »eckigen Biografien, Projekt das Projekt ein. »Heim(at)arbeit«, Akademie für Landschaftskommunikation die sich bewusst entschieden haben hier zu Oben links und unten rechts: Oderaue hat die Landschaftsplanerin Anne Hartmann leben und mit den Umständen klarzukom- Dorothea Giese erklärt den Neulandgewinner Jugendlichen den Beruf das Unterrichtsmodul für Schüler der 8. und men«, sagt Hartmann. Nach der Exkursion Anne Hartmann, Aka- der Krankenschwester und 9. Klasse entwickelt. Indem die Jugendli- diskutieren die Schüler ihre Eindrücke. 260 demie für Landschafts- andere Pflegeberufe. kommunikation e.V. chen den Projektpartnern, aber auch ihren Jugendliche haben so seit 2012 ihre Heimat Eltern oder Lehrern Fragen stellen, sollen erkundet. Sie selbst lerne das Oderbruch Internet www.oderbruch sie mögliche Lebensentwürfe im Oderbruch auch jedes Mal ein bisschen besser kennen, pavillon.de/bildung.html kennenlernen. Die seien oft bunter als sagt die Initiatorin. Jetzt muss Anne Hart- Kontakt die Schüler das erwarten, sagt Hartmann. mann das Projekt aber erstmal abgeben: a.hartmann@oder Besonders anschaulich wird das während Sie hat ein Kind bekommen. Was wird sie bruchpavillon.de des gemeinsamen Ausflugs in die Region. ihm einmal über das Oderbruch erzählen? Förderrunde 1 und 2 2013 – 2015 Einen Tag lang fahren Betreuer mit bis zu Abwarten, sagt Hartmann. »Ich hoffe, dass 2015 – 2017 vier Jugendlichen im Auto zu ausgewähl- es mir ganz viele Fragen stellt.«
Eine Kuh macht Muh – Watt für ‘ne Energie 17 30 31 viele Kühe machen Mühe Wenn Usedom etwas reichlich hat, dann sind es Sonne, Wind und Wellen. Touristen lieben Bühne auf Rädern Mit Milch Geld zu verdienen, ist schwierig geworden. Da macht sich Anja Hradetzky die Insel dafür. Der Ingenieur Frank Haney würde diese Ressourcen seiner Heimatinsel nichts vor. Sie versucht deswegen einen an- jedoch auch gern anders nutzen: zur Energie- Andere Männer träumen vom Sportwagen. deren Ansatz als die herkömmlichen Milch- gewinnung. Seit 2010 versuchen er und seine Das Sehnsuchtsgefährt von Fabian Brauns betriebe. Die Kühe, die Hradetzky und ihr Mitstreiter von BIRNE e.V. zur Verbreitung dagegen ist nicht schnell. Nur groß. »Ein Mann gekauft haben, dürfen Tag und Nacht Erneuerbarer Energien auf Usedom beizutra- erdgasbetriebener Reisebus, ausgestattet in der Uckermark auf der Weide stehen, gen: Sie informieren mittels Ausstellungen, mit Küchenzeile, Ton- und Lichttechnik und haben Hörner und ihre Kälbchen werden entwickeln Energiekonzepte und suchen vielleicht sogar einer Dachterrasse«, be- nicht vom Gumminuckel gesäugt, sondern Lösungen für Anwender. »Nachhaltig und schreibt Brauns seine Vision. Ab 2017 soll von einer Ammenkuh. Das kostet mehr. Hra- dezentral« ist die Versorgung, die Frank Ha- dieser Bus des Jugendfördervereins Chance detzky glaubt aber, dass ihre Kunden bereit ney vorschwebt. Wenn die Usedomer selbst Projekt e.V. bunt angesprüht als mobile Bühne über sind, für mehr Bio und Ethik in der Landwirt- »Junge Landwirtschaft Strom und Wärme produzieren, sollen sie Land fahren, um zum Beispiel Politisches schaft auch höhere Preise zu zahlen. Nicht im zum Miterleben«, auch etwas davon haben. Erste Erfolge: die Lunow-Stolzenhagen Theater zu Kulturfestivals zu bringen. Oder Supermarkt – der ist gar nicht ihr Ziel. »Wir 2013 von Bürgern gegründeten Inselwerke, Oben: Installation einer Neulandgewinner umgekehrt: Menschen auf den Dörfern können nur erfolgreich sein, wenn wir direkt neuen Ladestation auf eine Energiegenossenschaft. Diese versorgt Anja Hradetzky, Oder- einsammeln, damit diese an Veranstaltun- mit den Verbrauchern in Kontakt treten.« Jungbauern-Netzwerk Usedom ein Technikmuseum mit Sonnenstrom. In der gen teilnehmen können. Denn die Lücken im Ihre Kunden sollen sie kennen, ihr vertrauen. Internet Mitte: Energiezapfsäule Gemeinde Stolpe wurden die Straßenlater- öffentlichen Nahverkehrsnetz in der Region Deswegen bloggt sie über ihren Hof »Stolze am Kunsthaus Usedom in nen 2016 auf LEDs umgerüstet. Klar, dass die www.stolzekuh.de Neppermin Märkisch-Oderland sind groß und »wer nur Kuh«, postet auf Facebook, sammelt Geld für Kontakt mit Ökostrom betrieben werden. In Zukunft Unten: Detailaufnahme ein Fahrrad hat, ist aufgeschmissen«, sagt die geplante Käserei über Crowdfunding ein. anja.feierabend@ einer Ladestation will sich der Verein verstärkt für Elektromo- posteo.de Brauns. Einen ersten Freiwilligen konnte der Obwohl der Hof ihr dafür kaum Zeit lässt. bilität einsetzen. Frank Haney fährt selbst ein Unten rechts: Frank Haney Förderrunde 3 Verein schon als Busfahrer akquirieren. Beim Mit ihrem Engagement hat sie die Nachbarn vor der Solaranlage im E-Auto und schätzt dessen Zuverlässigkeit 2017 – 2019 Umbau des Busses sollen Flüchtlinge einge- angesteckt. Gemeinsam veranstalten sie im Technik- und Zweiradmu- – selbst, wenn die Batterie fast leer ist: »Dann seum in Dargen bunden werden. Denn die sind – genau wie Dorf nun Workshops: Mal geht es um Ge- geht es eben ein bisschen langsamer voran. die Jugendlichen in der Region – am stärksten müseanbau, mal darum, wie man auch im Aber stehen bleibt es nie.« Genau wie der auf Transportangebote angewiesen. Wenn kleinen Garten Hühner halten kann. Jeder ganze Prozess, die bürgergetragene Energie- die Menschen nicht zur Kultur kommen kön- kann teilnehmen – Landwirte genau wie neu- wende auf Usedom. Projekt nen, muss die Kultur eben zu den Menschen gierige Städter mit ihren Kindern. Hradetz- »Erneuerbare Energien kommen. Mit wenig PS. Aber ganz viel Platz. kys Hoffnung: mehr Aufmerksamkeit auf die erFahrbar machen – E-Mobility für die Insel- Alternativen zu lenken, die es zu den riesigen region«, Usedom Projekt Agrarbetrieben gibt. Ist doch viel netter, Neulandgewinner »BEGEGNUNGSBUS«, wenn man die Kuh, von der die Milch stammt, Frank Haney, Bildungs- Buckow persönlich kennt. InitiativeRegeNerative Neulandgewinner Energien BIRNE e.V., Fabian Brauns, Jugend- Netzwerk Regionale förderverein Chance e.V. Energie M-V e.V. Internet Internet www.jfv-chance.de www.birne-ev.de www. regionale-energie- Kontakt mv.de fabian@brauns-sozial- forschung.de Kontakt 16 Förderrunde 3 2017 – 2019 18 2frankhaney@gmail.com Förderrunde 1 und 2 2013 – 2015 2015 – 2017
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