Neue Führungsqualität - Unternehmenskultur 44 - Mindful Finance Institute

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Neue Führungsqualität - Unternehmenskultur 44 - Mindful Finance Institute
44                    Praxis und Management

Unternehmenskultur

Neue Führungsqualität
Vertrauen, Wertschätzung und Sinnvermittlung sind die Kernpfeiler des kooperativen
Führungsstils. Sie alle brauchen Oxytocin, um wirksam zu werden. Es gibt aber keinen
Grund, sofort in die Apotheke zu eilen. Denn jeder verfügt über diesen Stoff – näm-
lich als Botenstoff im Gehirn. Was die Neurowissenschaften und das Achtsamkeits-
konzept zur Selbstführung zu kooperativer Führung beitragen, soll im Folgenden
deutlich werden.

                      Friedhelm Boschert

                     N
                                och vor der Jahrhundert-          Im Alltag von Führungskräften      sie das eben anders als bisher an-
                                wende hieß Selbstfüh-          und Mitarbeitern gleichermaßen        gehen. Das neue Motto heißt: in-
                                rung in erster Linie Selbst-   schlägt sich das nieder als starker   nere Stabilität – bei sich selbst be-
                                organisation und Zeitma-       Arbeitsdruck, andauernde Unsi-        ginnen. Der Weg nach innen führt
                      nagement. Das mag heute gerade           cherheit, oftmals mit Verlust an      über Achtsamkeit. Darin sieht das
                      noch ausreichen, hier und da den         Überblick und Kreativität, wieder-    Manager Magazin gar einen lang-
                      Stress ein Quäntchen zu reduzie-         kehrenden Ängsten und Entschei-       fristigen Trend und schreibt: „Die
                      ren, reicht aber keinesfalls, den ra-    dungsschwierigkeiten.                 Schulung des Geistes hat Sport und
                      dikal geänderten Anforderungen              Um damit umzugehen, braucht        Fitness als wichtigste Kraftquelle
                      einer VUKA-Welt zu entsprechen.          man eine besondere persönliche        für viele Topmanager abgelöst“.
                      Schon gar nicht als Führungskraft        Kompetenz jenseits aller Fach- und        Achtsamkeit ist eine Schulung
                      und Bankvorstand.                        Führungskompetenzen. Eine über-       des Geistes: Achtsamkeit ist eine
                         Wie sieht sie aus, die VUKA-­         geordnete Metakompetenz: das          mentale Fähigkeit, die hilft, eigene
                      Welt, in der wir bereits zu leben        Steuern der eigenen Gedanken,         Wahrnehmungs-, Denk- und Ver-
                      beginnen? Hohe Veränderungs-             Emotionen und Haltungen. Genau        haltensautomatismen besser zu
                      geschwindigkeit (Volatilität) geht       hier setzt das Konzept der Acht-      erkennen und zielgerichtet zu len-
                      einher mit wachsender Unvorher-          samkeit an.                           ken. Dazu lernt man „mentale Prä-
                      sehbarkeit, klare Ursache-Wir-                                                 senz“. Nicht länger der Getriebene
                      kungs-Beziehungen verschwinden           Achtsamkeit in der Wirtschaft         seiner eigenen Gedanken, seiner
                      hinter einer stark zunehmenden           „Und wenn Gedanken aufkommen,         Unruhe und Ängste zu sein, son-
                      Komplexität mit mehrdeutigen Er-         dann, ohne sich zu ärgern, wieder     dern wieder selbst auf dem Fah-
                      klärungsmustern (Ambiguität).            zurück zum Atem“, sagt die ruhige     rersitz Platz zu nehmen und sich
                                                               und tiefe Stimme eines Trainers,      selbst besser zu steuern.
                                                               während 20 Bankmanager mit ge-            Das lässt sich am besten an
                                                               schlossenen Augen auf Stühlen im      einer Situation aus dem Führungs-
             Dr. Friedhelm Boschert, Hon.Prof. (FH), berät     Kreis sitzen. 20 Minuten lang keine   alltag schildern: Die Führungskraft
             Führungskräfte, wie sie mit Achtsamkeit           Gedanken festhalten, konzentriert     hat ein Gespräch mit einem Mit-
             ­besser führen. Er ist Gründer von Mindful-­
              Solutions.de und Mindful-Finance.org sowie
                                                               und doch entspannt nur dem eige-      arbeiter und seine Gedanken
              Mitglied der „Initiative Wertvolle Unter­        nen Atem folgen.                      schweifen ständig ab zu anderen
              nehmenskultur“.                                     Diese Führungskräfte trainieren    Themen. Achtsamkeit heißt: Er be-
             E-Mail: boschert@mindful-solutions.de             die Verbesserung ihrer Wirksam-       merkt das sehr rasch und ist so in
                                                               keit als Führungskraft. Nur, dass     der Lage, die Aufmerksamkeit

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                                     Beim kontemplativen
wieder auf das Gespräch und das      Bogenschießen üben die   schiedlichen Arten der Achtsam-       plastizität – die gezielte Formbar-
Zuhören zurückzulenken. Das ist      Teilnehmer Fokussieren   keitsmeditation, wie etwa lang­       keit des Gehirns. Achtsamkeits-
                                     und Loslassen
keine Frage der Konzentration,                                sames und bewusstes Gehen oder        übungen gelten dabei als einer der
sondern die Fähigkeit der Selbst-                             „Za Zen“, das Sitzen in Stille. Man   wichtigsten Hebel, um Verknüp­
wahrnehmung. Damit lassen sich                                übt Präsenz.                          fungen und Strukturen im Gehirn
nicht nur Gedanken besser lenken,                                                                   zu beeinflussen – also, das Gehirn
sondern auch Emotionen.                                       Neue Forschung bestätigt die          wie einen Muskel zu trainieren.
   Mit Achtsamkeit trainiert man                              alte Tradition                           „Alles, was nicht digitalisiert
also die Fähigkeit zur Distanzie-                             Da es um eine zentrale mentale        werden kann, wird unendlich wert-
rung, sich selbst, seine Gedanken                             Fähigkeit jedes Menschen geht,        voll werden“, sagt der Zukunfts-
und Gefühle – gewissermaßen von                               beschäftigen sich die Neurowis-       forscher Gerd Leonhard und meint
oben aus Helikoptersicht – zu beo­                            senschaften sehr intensiv mit den     damit vor allem Empathie, Intui-
bachten. Das ist die vorhin er-                               Themen Achtsamkeit und Medi-          tion, Kreativität, Resilienz, Weis-
wähnte Metakompetenz. Doch                                    tation. Die Arbeitsweise des Ge-      heit, Ethik und Vertrauen. Vieles
dazu muss Achtsamkeit regelmä-                                hirns unter Stress, bei Emotionen,    von dem, was man heute noch als
ßig trainiert werden.                                         bei Entscheidungen lassen sich        Hard Skills lehrt und lernt – etwa
   Das beginnt mit ganz einfachen                             heute im Magnetresonanztomo-          Projektmanagement, Sprachen,
Atemübungen, geht über Übun-                                  graphen sichtbar machen.              Präsentationstechniken, Wissens-
gen zur verfeinerten Wahrneh-                                    Ebenso auch eine der aufre-        management oder Finanzanalysen
mung – auch des eigenen Körpers.                              gendsten Neuentdeckungen der          – wird schon bald von ­Robotern
Und führt bis hin zu den unter-                               vergangenen Jahre: die Neuro-         und KIs übernommen werden. Die
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                                                                                                      Bank drei Monate nach einem
                                                                                                      Achtsamkeitstraining. Nur so kann
                                                                                                      Wertschätzung gedeihen und Ver-
                                                                                                      trauen entstehen. Beides sind zen-
                                                                                                      trale Elemente des Cooperative
                                                                                                      Leadership.

                                                                                                      Innovation und Improvisation
                                                                                                      Innovationsfähig muss sie sein, die
                                                                                                      Bank der Zukunft. Doch Innova-
                                                                                                      tion fällt nicht vom Himmel. Ohne
                                                                                                      Führungskräfte mit schöpferischen
                                                                                                      Kompetenzen wird das nicht ge-
                                                                                                      hen. Sie müssen zum einen in der
                                                                                                      Lage sein, ihren Mitarbeitern krea-
                                                                                                      tive Freiräume zu schaffen, und
                                                                                                      ­andererseits ihre eigene Intuition
                                                                                                       hören und verstehen. Ihr Bauch-
                                                                                                       gefühl nicht nur wahrzunehmen,
                                                                                                       sondern auch noch richtig zu re­
                                                                                                       flek­tieren.
                                                                                                          Dazu braucht man ein seltenes
Selbstführung beginnt                                                                                  Gut: Stille. Sich immer mal wieder
mit Konzentration auf   heute noch leider oft abfällig als    Freiburger Neurobiologieprofes-          für ein paar Minuten aus dem
den Atem                Soft Skills beschriebenen Fähigkei-   sor Joachim Bauer.                       Lärm des Alltags zurückzuziehen,
                        ten dagegen sind die zentralen            Genau hier liegt der Grund, wa-      durchatmen, nicht denken, nur
                        Führungsmerkmale der Zukunft.         rum Wertschätzung so elementar           spüren. Die Stille in sich selbst er-
                           Mit den Fähigkeiten des Coope-     für die Wirksamkeit von Führung          zeugen können, auch wenn außen
                        rative Leadership ergeben sich da-    und für den Erfolg von Unterneh-         Lärm und Chaos herrschen. Das
                        raus vier große Kompetenzberei-       men ist. Aber Wertschätzung              muss geübt werden, jeden Tag.
                        che, über die die Führungskraft       braucht die Fähigkeit, zuhören zu           Gleichzeitig schafft man so die
                        der Zukunft idealerweise verfü-       können. Und das ist alles andere         Grundlage für ein weiteres Gebot
                        gen sollte: Selbstführungskompe-      als selbstverständlich in einer Welt,    der VUKA-Welt: das Improvisieren.
                        tenz, Beziehungskompetenz und         in der viele Führungskräfte nur da-      Unvorhersehbarkeit und poten-
                        schöpferische Kompetenz. Die          rauf warten, selbst endlich reden        zielle Krisen fordern gerade die
                        vierte, die Metakompetenz „Acht-      zu können und nach gefühlten 1,5         Führungskraft als Improvisations-
                        samkeit“, hilft, die anderen Kom-     Sekunden dem Mitarbeiter bereits         künstler. Einer, der aus dem Stand
                        petenzen zu entwickeln und wirk-      ins Wort fallen.                         heraus agieren kann, das Richtige
                        sam einzusetzen.                          Hier kann Achtsamkeit Wunder         erspürt und tut.
                                                              wirken. Insbesondere durch die              Dafür muss die Führungskraft
                        Wertschätzung und                     Anwendung von zwei grundle-              eines beherrschen: das Loslassen.
                        ­Vertrauen                            genden Prinzipien: „Nicht sofort         Nämlich vom „Ich kann das nicht“,
                        Selbstführungs- und Beziehungs-       urteilen“ und „Mit den Augen des         über das „Ja, aber …“ bis zum „So
                        kompetenz braucht man, um Wert-       Anfängers sehen lernen“. Die Füh-        haben wir das immer gemacht“.
                        schätzung zu geben und Ver-           rungskraft ist dadurch besser in der     Denn das sind nicht nur satte Denk-
                        trauen aufbauen zu können.            Lage, sich selbst – in Gesprächen,       blockaden, sie verhindern auch ef-
                        Menschliche Beziehungen sind          Sitzungen, beim Coaching – zu be-        fektiv jede kreative Lösung. Loslas-
                        durch das Streben nach Zuwen-         obachten und damit auch sich             sen muss allerdings auch geübt sein.
                        dung, Wertschätzung und Koope-        selbst auf die Schliche zu kommen.       Die Achtsamkeitsübung „Distanzie-
                        ration bestimmt. „Wir sind – aus          „Wir spüren eine andere Ar­          rung“ hilft beim Loslassen von Ge-
                        neurobiologischer Sicht – auf so-     beitskultur. Achtsam zuzuhören           danken und Emotionen.
                        ziale Resonanz und Kooperation        hat das Miteinander verändert“,             Nachhaltig erfolgreich ist eine
                        angelegte Wesen“, schreibt der        sagte mir der Bereichsleiter einer       Führungskraft dann, wenn es ihr

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                                                                                                     In der Aprilausgabe der BI erscheint ein
                                                                                                     weiterer Artikel zum Thema. Er stellt unter
                                                                                                     anderem die Ergebnisse der Leadership-Um-
gelingt, die Unternehmenskultur           Daneben ist es wichtig, dass                               frage vor, die unter 913 Volks­banken und
zu gestalten. Das heißt, gewünsch-     Chef, Führungskräfte und Mit-                                 Raiffeisenbanken durch das Forschungsin-
te Denk- und Verhaltensweisen als      arbeiter beginnen, Achtsamkeits-                              stitut ADG Scientific – Center for Research
Selbstverständlichkeit im Unter-       prinzipien systematisch auf den                               and Cooperation durchgeführt wurde.
nehmen zu verankern. Unterneh-         Alltag im Unternehmen anzuwen-
menskultur ist im Grunde ja nichts     den, um Selbstverständlichkeiten
anderes als die Summe der Selbst-      zu durchbrechen, Denkweisen zu
verständlichkeiten in einem Unter-     öffnen für ein flexibles Zugehen
nehmen.                                auf Veränderungen und um Meta-
   Das macht sie ja auch so verän-     perspektiven ermöglichen. Wobei
derungsresistent. Wer bemerkt          das Ganze natürlich mit der Ge-            zieren wir zusammen? Wie wirken
schon, was selbstverständlich ist?     schäftsleitung beginnen sollte.            wir nachhaltig?
Und noch wichtiger, wer gibt das          Mit Achtsamkeit bei sich und               Sinn und Zweck werden heraus-
Selbstverständliche schon gerne        im Team bereitet man den Boden,            geschält, daraus die Mission, Wer-
auf? Das macht das Unternehmen         auf dem die Unternehmenskultur             te und der Spirit abgeleitet. Und
ja gerade erst so stabil.              wächst. Das Mindset aller Beteilig-        immer werden mit Achtsamkeit
   Man sollte keinesfalls versu-       ten wird offen, flexibel und locker.       Kopf, Herz und Geist der Be­
chen, den Kulturwandel mit Werte­      Offen für Reflexion, bereit für Ver-       teiligten gleichermaßen einbe­
katalogen, Unternehmensgrund­          änderungen. Es sind Fragen zu be-          zogen, eine achtsame Führungs-
sätzen oder Kulturbeauftragten         antworten wie: Warum gibt es               kultur gelebt. Kooperative Füh-
zu beginnen. Den Boden für den         unsere Bank? Welchen Unter-                rung ge­staltet so die genossen-
Wandel bereitet man durch eine         schied machen wir? Was treibt uns          schaftliche Unternehmenskultur
fundierte Ist-Kultur-­Analyse.         an? Wie arbeiten und kommuni-              der Zukunft.                    BI

        Neu!
                                                         Onboarding – Grundlagenwissen
                                                         für Auszubildende
                                                            Verschiedene Schulungshefte in einer Broschüre
                                                            Sicherheitsthemen in der Bank
                                                            Auftreten und Selbstorganisation im Berufsalltag
                                                            Hilfen für den Praxistransfer
                                                            Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Genossenschaften

                                                         11. Auflage 2019, 296 Seiten, DIN A4, kartoniert
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