Noch nicht das Ende - Landesbezirk Niedersachsen-Bremen

 
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Noch nicht das Ende - Landesbezirk Niedersachsen-Bremen
noch
                   .
             Kultur.Netz
K U L T U R Z E I T S C H R I F T
#1

                                nicht
2021

                                    das
                               Ende.
Noch nicht das Ende - Landesbezirk Niedersachsen-Bremen
noch nicht das Ende.

                                                                                                      Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es noch
Editorial                                                                                             nicht das Ende.“
Sabine Prilop: noch nicht das Ende. _______________________ 2                                            Dieses Zitat, das Oscar Wilde zugeschrieben wird, möchte
#Kulturgesichter053 __________________________________________ 2                                      ich unserem ersten KulturNetz 2021 voranstellen. Noch ist
Nachrufe _______________________________________________________ 3                                    nicht alles gut. Aber es wird (wieder) gut werden. Auch für
Sabine Prilop: Nähe auf Distanz –                                                                     uns Künstler*innen. Davon bin ich überzeugt. Deshalb lasst
Ein Fotokunstprojekt in ungewöhnlichen Zeiten. __________ 4                                           uns diesen Weg gehen, auch wenn es für viele kein leichter
Literatur                                                                                             Weg ist und noch sein wird. Es könnte und müsste mehr ge-
Harro Bebert: The Beatles im Ashram                                                                   tan werden für diejenigen, die unter der Pandemie leiden,
(Rishikesh, 1968) ______________________________________________ 8                                    die von ihrer Kunst leben wollen und müssen und es derzeit
Axel Klingenberg: Die Krone der Schöpfung _____________ 8                                             nur sehr begrenzt oder überhaupt nicht bewerkstelligen kön-
Wolfgang Uster: „Zeitengewirr.99 Gedichte“ __________ 10                                              nen, tätig zu sein. Es ist beachtenswert, dass die Kreativität
Vorgestellt                                                                                           zwar leidet, aber dennoch nicht untergeht. Es gibt viele neue
Martina Burandt „Der Ausgang meiner Kunst liegt im                                                    Ideen, die umgesetzt werden und helfen, diese Zeit zu über-
Erzählerischen“ _______________________________________________ 11                                    stehen. Auch viele Beiträge in dieser KN-Ausgabe zeugen von
Veranstaltungen                                                                                       neuen Ideen, und über sie zu berichten, bereichert unsere
Hardy Crueger: Unter ungewöhnlichen Umständen–                                                        Zeitschrift. Lasst Euch überraschen!
Eine Lesereihe in einem Pflegeheim zu Corona-Zeiten __ 12
Veranstaltung zum Thema Urheberrecht __________________ 12                                            Bleibt gesund!
Sieben Segel später – Lyriklesung mit Musik ______________ 13
Bücher                                                                                                Mit herzlichen Grüßen
Buchbesprechungen _________________________________________ 13                                        aus der KN-Redaktion
Bücherkiste ___________________________________________________ 15                                    Eure Sabine Prilop
Impressum ____________________________________________________ 16
Achim Engstler: Error 404 _________________________________ 16

                                                                                                      #Kulturgesichter053
                                                                                                      Am 14.2.2021 rief die Initiative „Kulturgesichter“ für den
                                                                                                      Vorwahlbereich 053 zu der Demonstration „Kulturzug“ in
                                                                                                      Braunschweig auf, um auf die prekäre Lage der Branche auf-
                                                                                                      merksam zu machen, die seit fast einem Jahr im Lockdown
                                                                                                      ist. Mit dabei waren „Dienstleister und Personen, die hin-
                                                                                                      ter den Kulissen, aber auch auf den Bühnen, arbeiten“, also
                                                                                                      auch Schreibende neben Tontechnikern, Bühnenbauern,
                                                                                                      Lichttechnikern, Veranstaltungskaufleute, Schauspielern etc.
                                                                                                      Ein paar Wochen vorher wurden Termine vereinbart, um die
                                                                                                      Fotografien herzustellen, die im Kulturzug unter dem Motto
                                                                                                      „Ohne uns ist es still!“ von allen Teilnehmenden getragen
                                                                                                      wurden.
                                                                                                         Der Mann mit der Maske ist unser Vorstandmitglied
                                                                                                      Hardy Crueger, der stellvertretend für den VS an der Aktion
                                                                                                      teilgenommen hat.

                                                                                                      Weitere Infos direkt auf deren Seite
                                                                                                      https://www.kulturgesichter053.de
                                                        „Kulturzug“, 14.2.2021
                                                                                 Foto: W. Stegemann

                                                                                                      2
                                       Hardy Crueger,
                        Abbildungen:
Noch nicht das Ende - Landesbezirk Niedersachsen-Bremen
Ein Stück Bremer VS-Geschichte
                       In Memoriam                                                       Nachruf
            Luise Preuß-Braun                                                  Mat thias Göke
                 * 29.01.1941 † 26.12.2020                                      * 05.01.1962 † 21.01.2021

Damals in den 80ger und 90er Jahren, als es in der Bremer         Matthias Göke, der unsere Mitgliederzeitschrift, das
Kulturbehörde noch ein eigenes Literaturreferat gab, kom-         KulturNetz, viele Jahre als Grafiker betreut hat, ist im
munizierten wir vertrauensvoll in persönlichen Gesprächen         Januar 2021 nach langer schwerer Krankheit im Alter
mit der damaligen Literaturreferentin Luise Preuß-Braun.          von 59 Jahren verstorben.
So machte sie zum Beispiel die VS-Gruppe Bremer Schrift-             Matthias Göke war Veranstalter, Verleger, Mode-
stellerinnen und Schriftsteller auf die Antragsfristen für Pro-   rator, Texter, Publizist. Er war Pionier und Gastge-
jekte und Stipendien oder auf förderungswürdige Themen            ber der Literaturszene in Hannover, wo er lebte. Er
aufmerksam. Da unsere Kontakte nicht übers Internet oder          veranstaltete zahlreiche Lesungen und brachte dabei
mails liefen, sind die damaligen Literaturaktivitäten auch        Autor*innen und ihr Publikum zusammen. Bekann-
nicht digital gespeichert, sondern bruchstückhaft in der Er-      te Künstler*innen traten ebenso auf wie unbekannte,
innerung aufbewahrt.                                              die später zu Ruhm und Ehrungen gelangen sollten.
   Damals veranstalteten wir viele gemeinsame Lesungen            Die Texte von Debüt-Autor*innen veröffentlichte er
und auf Anregung von Luise Preuß-Braun eine der ersten            und nannte sie „Fliegenfalter“, angelehnt an seine
zweisprachigen Lesung gemeinsam mit Bremer Schriftstel-           Lesungsreihe „Fliegenköpfe“, die zwischen 1998 und
lerinnen und Schriftstellern und Autorinnen und Autoren           2010 stattfand. Mit Ton- und Videoaufnahmen doku-
aus anderen Ländern und Sprachen.                                 mentierte Matthias Göke die Lesungen und bewahrte
   So förderte sie auch den Kulturaustausch zwischen Bre-         sie für die Nachwelt auf. Als Grafikdesigner erarbei-
men und den Partnerstädten Danzig und Riga, indem sie             tete er Layout und Druckvorstufe für Veranstaltungs-
die Kontakte zwischen den Schriftstellerverbänden in poli-        flyer, Broschüren, Bücher und Zeitschriften wie das
tisch dramatischen Zeiten, auch zur Zeit des Kriegsrechts         KulturNetz. In den Ausgaben, die er betreute, lebt er
in Polen, mit Lesungen und gemeinsamen zweisprachigen             fort. Wir werden ihn nicht vergessen.
Veröffentlichungen unterstützte.
   Durch ihr Engagement hat Luise Preuß-Braun auch die                                                      Sabine Prilop
Literaturreihe Landschaft im Text mit auf den Weg gebracht,
die seit der ersten Projektförderung über Jahre mit Schrift-
stellerinnen und Schriftstellern aus Bremen und Nieders-
achsen in Dangast stattfand mit Lesungen und gemeinsa-
men Wanderungen in der Landschaft am Jadebusen.
   Luise war nie eine „Behördenfrau“ im bürokratischen Stil,
rückhaltlos setzte sie sich ein für Literatur, Menschen und
Projekte, die sie schätzte und als unterstützungswürdig be-
fand. Freundschaftlich war sie überregional und internatio-
nal mit Literaten verbunden, so auch mit Erich Fried, der bei
seinen Lesereisen in Bremen in ihrem Haus in der Mozart-
straße wohnte.
   Zu einem späteren Zeitpunkt übernahm Luise Preuß-
Braun das Referat im Bremer Überseemuseum, wo sie mit
Leidenschaft Projekte initiierte, die ihr am Herzen lagen. So
organisierte sie eine große Ausstellung mit Unikaten Leben-
de Tote. Totenkult in Mexiko, in diesem Rahmen lasen auch
Bremer Schriftstellerinnen eigene Texte zum Thema Tod
und Sterben.
   Für ihre Arbeiten recherchierte Luise nicht „am grünen
Tisch“. Für die Totenkult-Ausstellung war sie eigens nach
Mexiko gereist mit einem Container-Schiff vom Bremer Ha-
fen aus. Freundinnen und Freunden verabschiedeten sie am
Anleger für ihre Abenteuereise.

                                         Inge Buck, Bremen
                               Konstanze Radziwill, Dangast
Noch nicht das Ende - Landesbezirk Niedersachsen-Bremen
Nähe auf Distanz –
Ein Fotokunstprojekt in
ungewöhnlichen Zeiten.
von Sabine Prilop                                                                                                                 Marco Sagurna
Vor ungefähr einem Jahr erfuhr ich das erste Mal von                                                                              Marco Sagurna, *1961 in Wiesbaden. Schriftsteller und
dieser neuen Kunstform: Webcam-Fotografie. Foto-                                                                                   Journalist. Lebt seit 1999 in Hannover. Zuletzt erschie-
grafen verabredeten sich mit ihren Modellen zu Video-                                                                             nen: „Warmia“ – Roman (2018) und „Minimal“ – Ge-
konferenzen, erarbeiteten gemeinsam mit ihnen Out-                                                                                dichte (2019), beide im Pop Verlag, Ludwigsburg.
fit, mögliche Motive und das Setting. Anschließend                                                                                 Zusammen mit Ralf-Rainer Rygulla Herausgeber von
gab der Fotograf seine Anweisungen, die das Modell                                                                                „Ost Südost! Poetische Töne aus Europa“ (in Vor-
umsetzte, und fotografierte den Bildschirm des Lap-                                                                                bereitung). Clips „Poesie gegen Pandemie“ auf You-
tops, Tablets oder Smartphones ab. Der Rahmen und                                                                                 Tube.
das kleine Foto des Fotografen verblieben im Bild und
unterstrichen die Entstehungsart der Fotoarbeit.                                                                                  KulturNetz: Woran arbeitest Du zurzeit?
                                                                                                                                  Marco Sagurna: „Es ist mir ergangen wie vielen Schrift-
Diese Art der Fotografie interessierte mich; ich be-                                                                                 steller*innen in diesen Zeiten: Die Veröffentlichung
fasste mich mit der dafür notwendigen Technik und                                                                                   meines neuen Buchprojekts wurde vom Verlag
der Philosophie, die diese Idee trägt. Nach einer Zeit                                                                              von einem Monat auf den anderen verschoben. Ich
der Versuche, der Verfeinerung der Herangehenswei-                                                                                  wusste zeitweise nicht, ob es überhaupt zu einem
se, der Optimierung der Ergebnisse begann ich mein                                                                                  guten Ende kommen würde. Mittlerweile ist eine
Projekt „Künstlerporträts auf Distanz“.                                                                                             Veröffentlichung wieder in greif bare Nähe gerückt.
                                                                                                                                    Meine neuen beiden Projekte sind Gedichte Über-
Als es immer schwieriger wurde, Interviews und Fo-                                                                                  Kunst und eine Novelle. Das wird mich zwei Jahre
tos für das KulturNetz „vor Ort“ zu produzieren, be-                                                                                beschäftigen. Bis dass zwei feine Bücher daraus ge-
schloss ich, meine Ideen auch für meine Arbeit als                                                                                  worden sind.
Redakteurin zu nutzen.                                                                                                            KN: Was vermisst Du am meisten in dieser Zeit?
   Unter dem Thema „Künstler*innen in Zeiten des                                                                                  MS: Das Reisen: die Inspiration dabei, die Begegnun-
Lockdowns“ bat ich Kolleg*innen der vier Kunstfach-                                                                                 gen mit Menschen und Orten. Und die Lesungen
gruppen um ein Webcam-Shooting. „Woran arbeitest                                                                                    mit Publikum natürlich. Und, ehrlich: die Buch-
Du zurzeit?“ und „Was vermisst Du am meisten?“                                                                                      Messen, sogar die großen.
lauteten die zentralen Fragen der während des Shoo-                                                                               KN: Vielen Dank Marco!
tings von mir durchgeführten Interviews.

Marco Sagurna, Gabriele Schnars und Axel Schnell
habe ich für dieses Projekt interviewt und fotogra-
fiert.
                                                                       Gabriele Schnars,
                                                                                           Dr. Axel Schnell,
                                                      Marco Sagurna,

                                                                                                               Fotos: S. Prilop
                                       Abbildungen:
Sofaliegende –
ein Gemälde von Michael Ramsauer,
ein Gedicht von Marco Sagurna.

MICHAEL RAMSAUER : SOFALIEGENDE

Sie schwebt Nein sie liegt Auf
dem Sofa schwebt sie Nein
über dem Sofa liegt sie in einem
anderen Blau Nein in diesem Blau
Dieses Blau ist es Sie liegt dieses

Blau Nein sie schwebt in
einem anderen Blau Sie träumt
blau ihr Blau träumt sie sich
Sie träumt sich ihr Blau Ein
anderes Blau eben Das andere

Blau das berühmte das legendäre
Sie ist es sie selbst ist dieses
andere Blau nicht ein anderes
Dieses andere Sie schwebt träumt
liegt es sie rekelt es sich Ihr

Blau Ihr Blau ist nicht eines
Ihr Blau ist das Blau Es
gehört ihr und sie gehört ihm
Diesem Blau das träumt
und schwebt und liegt

und liebt Nicht ohne ein Sofa
                                      Gedichte ÜberKunst: „Michael Ramsauer: „Sofaliegende“,

                                      Mehr von Marco Sagurna unter: https://marcosagurna.de
                                      mehr auf https://www.galerielake.com.

                                                                                               Courtesy : Courtesy: Galerie Lake, Oldenburg
                                      Marco Sagurna
Gabriele Schnars
Gabriele Schnars wurde 1963 in Zeven/Niedersachsen
geboren. Seit 1995 lebt und arbeitet sie in Berne im
Landkreis Wesermarsch.
   Zwischen 1983 und 1989 studierte Gabriele Malerei/
Grafik an der staatlichen Akademie der Bildenden
Künste in Karlsruhe bei Prof. van Dülmen.
   Gabriele Schnars ist Meisterschülerin von Prof. van
Dülmen, sie erhielt diverse Stipendien und Auszeich-
nungen. Ihre Werke zeigte sie in zahlreichen Einzel-
und Gemeinschaftsausstellungen; ihre Bilder finden
sich in öffentlichen Einrichtungen und Wirtschaftsun-
ternehmen.

KulturNetz: Woran arbeitest Du zurzeit?
Gabriele Schnars: Während langer Spaziergänge in der
  Natur ist mir klar geworden, dass die Zeit für etwas
  Neues gekommen ist. Der Stil, in dem ich meine Bil-
  der entstehen lasse, wird sich ändern, meine Darstel-
  lung der Architektur der Natur eine neue werden. Ich
  bin gespannt und freue mich auf meine neuen Werke.
KN: Was vermisst Du am meisten in dieser Zeit?
GS: Die Art Kraft zu tanken, die ich liebe: mit Freun-
  den ein Glas Wein zu trinken, gemeinsame Ausf lü-
  ge, gute Gespräche zu führen.
KN: Vielen Dank Gabriele!

Mehr von Gabriele Schnars unter:
Atelier Malerei/Grafik – Home (schnars.de)
           Hadrian 2020, Acryl, Sand auf Nessel, 60�90 cm, Repro: G. Schnars
A xel Schnell
Dr. Axel Schnell ist promovierter Literaturwissen-
schaftler (Doktorarbeit über Brechts ‚Baal‘), über die
das Brecht-Jahrbuch in einer durchweg positiven Be-
sprechung urteilte: „Dieses kleine Buch liest sich wie
eine große Archäologie des Bösen“. Er arbeitete zehn
Jahre als Tageszeitungsredakteur und war unter an-
derem Leiter des Volkswagen-Konzern-Pressebüros
Hannover. Seit etlichen Jahren lebt er als freier Autor
mit seiner Familie auf einem Runenberg und schreibt
Romane, in denen es immer irgendwie um „das                           Buchauszug:
Böse“ geht. Als Ghostwriter verfasst er ganz andere
Texte wie Namensartikel und Reden für Vorstände           Irgendwo da draußen ist mein
von DAX-Unternehmen sowie führende Politiker. Au-
ßerdem schreibt er Firmen-Bücher. Axel ist Mitglied       Feind. Ich werde ihn töten, wenn
im Bund Deutscher Kriminalbeamter.
                                                          ich ihn finde. Denn ich bin ein
KulturNetz: Woran arbeitest Du zurzeit?
Axel Schnell: Zurzeit arbeite ich am zweiten Teil mei-    Mörder. Der Mann soll langsam
  ner Atlantis-Trilogie, in dem besonders bösartige
  Engel und üble Götter eine wichtige Rolle spielen.      sterben. Natürlich könnte ich ihn
  Es geht in den Weltraum und die Hauptfigur ist ein
  Halbgott, der sein Geld als bester Auftragskiller des   schneller töten, aber ich genieße
  Universums verdient.
KN: Was vermisst Du am meisten in dieser Zeit?            das, und auch die Guten haben ein
AS: Ich bin ein begeisterter Taucher, die Unterwasser-
  welt faszinier t mich. Die Reisen zu spannenden         wenig Spaß verdient.
  Tauchdomizilen sind es, die mir am meisten fehlen.
  Das Foto mit Teilen meiner Tauchausrüstung illus-        Nein, nichts Ernstes, ich bin
  triert es!
                                                          kein Psychopath. Ich morde ein-
Autoren-Website: http://axel-schnell.info
                                                          fach, um die Welt zu retten. Nicht,
   dass sie es wirklich verdient hätte, aber einer muss es ja tun. Und ich
   war gerade in der Nähe, als es losging, natürlich mit einer Blondine
   und viel Sex. Außerdem war ich wahrscheinlich betrunken.
     Ich heiße Wolff. Mir gehört eine miese kleine Klitsche, die vielleicht
   nur meine Mutter freundlicherweise Detektivbüro nennen würde.
                                                                                         Gegenstromschwimmer Verlag, Barbing 2021

   Leider ist sie nach meiner Geburt abgehauen. Ich war runter, weit
   runter, als mich ein Auftrag in ein kleines Fischerstädtchen in der
   Bretagne führte.
                                                                                         Atlantis. Krieg der Wölfe
                                                                                         Axel Schnell
Die Krone der Schöpfung
von Axel Klingenberg

Die Seuche kam aus China hierher                   Und alle Menschen reden nur von:
und fiel in Urlaubsgebiete ein.                     Corona, Corona, Corona
Von dort verbreitete sie sich rasch
und interessierte anfangs kein Schwein.            Selig der, der einen Partner hat!
                                                   Die anderen stehen muckelnd in der Ecke.
Dann war sie auch bei uns zu sehen                 Manchem reicht auch ein Knuffelkontakt
– oder eben auch nicht.                            und einer baumelt von der Zimmerdecke.
Denn das Virus ist so winzig klein
– ein mieser, fieser Wicht.                         Die Beerdigung fand im kleinsten Kreise statt,
                                                   so wie heute jedes Abschiednehmen.
Und im Fernsehen sieht man:                        Auf dem Friedhof standen zehn Menschen am Grab,
Corona, Corona, Corona                             ihre Trauer ist kaum zu zähmen.

Die Kranken sterben still und stumm,               Und die Wanduhr tickt traurig:
sie können weder atmen noch schrei’n.              Corona, Corona, Corona
Man müsste sie auf die Straße tragen
und öffentlich um sie wein’.                       Keine Kultur und keine Kneipe,
                                                   so geht es schon seit langem.
Auf den Wegen weichen einem die Menschen aus,      Rettung ist noch nicht in Sicht,
so wie früher nach ’ner durchzechten Nacht.        wir müssen noch weiter bangen.
Im Supermarkt trägt man modische Masken,
für die Sicherheit sorgt die Schließ- und Wach’.   Gerne würde ich auf ein Eiland flüchten,
                                                   Doch der Flugverkehr ist eingestellt:
Und in der Zeitung liest man:                      Aus der Traum von der Südsee-Insel,
Corona, Corona, Corona                             deine Wohnung ist deine ganze Welt.

Dr. Drosten mahnt zur Besonnenheit,                Und im Kopf da hört man Tag und Nacht:
und liefert die neuesten Zahlen.                   Corona, Corona, Corona
Ballweg macht ein gutes Geschäft
und erzählt von schlimmen Qualen.                  Man kann sich jetzt auch online treffen:
                                                   „Wollen wir heut’ mal wieder jitsen?“
Nazis berufen sich aufs Grundgesetz,               Dann haben ich und Müllers Kuh
Attila erstürmt das Mikrofon.                      zumindest getrennt einen sitzen.
Xavier zetert dazu Mordio!
Und in Berlin demonstrieren 80 Millionen.          Die Anette ist heute wirklich ziemlich leise,
                                                   den Frank kann ich nur abgehackt verstehen.
Und ein Autokorso hupt dazu:                       Die Beate ist sogar eingefroren
Corona, Corona, Corona                             und Bernd, der musste offline gehen.

Mit Freunden darf sich niemand treffen,            Und auf dem Startbildschirm da sieht man:
nur mit einem oder am besten kein’.                Corona, Corona, Corona
Silvester hat man still verschlafen
und Weihnachten war man allein.                    Wir hamstern Nudeln und Klopapier,
                                                   fast wie nach dem letzten Kriege.
Auch wenn man andere Menschen trifft,              Und halten wir die Beute endlich in der Hand
weiß man sich nichts zu erzählen.                  schreien wir ganz leise: Ich siege.
Passiert ist in der Zwischenzeit ja nichts
und es wird auch nicht viel passieren.             Die Seuche sorgt für Gerechtigkeit,
                                                   so wollte es der gute Hirte schon:
                                                   Die Reichen sind reicher und die Armen ärmer.
                                                   Der Herr schuf dafür Lidl und Amazon.
Und auf dem Kontoauszug erkennt man:
Corona, Corona, Corona

Für Krankenschwestern haben wir viel über,
vor allem warme Worte.
Nur mit dem Geld da knausern wir
und fahren fort mit dem Gehorte.

                                                     The Beatles im Ashram
In der Freizeit dürfen wir fast nichts,
wie gut, dass wir zur Arbeit gehen!

                                                     (Rishikesh, 1968)
Nach Feierabend bleibt nur streamen und spazieren.
Und das Virus bleibt vor dem Werkstor stehen.

Nur bei Netflix sieht man kein:                       von Harro Bebert, 10.01.21
Corona, Corona, Corona
                                                     das weiße Album. 8000 Kilometer von Europa… verbannt…
Die Rettung naht: Astra, Sputnik, AZD                Ketten Verträge. Täuschende Charts. Atmendes Nichts. umgeben
– komm, wir lassen uns jetzt alle impfen!            Von Dschungelgrün. Tierlaute. wo man Buddhas Schweigen erahnt
Als erstes Alte, Kranke, Würdenträger!               Stille. Rohmaterial für Klaviaturen. Sich mit der Silbe Om verweben
Jetzt reicht’s , höre ich da andere schimpfen!
                                                     Ein Jogi & seine Eleven. Opiumduft. Wogender Gewänder Gespinst...
Manche Menschen haben Angst,                         Erlauschen den ewigen Ganges. Türkisfarben fließt er gemächlich dahin
dass sie heimlich werden gechippt.                   Gurgelnd Klarheit, die er aus dem Blütenschnee des Himalayas gewinnt
Doch die Hardware ist von Microsoft                  Wo Vishnu Brahma gebiert. Meditation vor dem, was aus Felsen sprießt
und damit schon bald nicht mehr hip.
                                                     Jedes ich trägt seine lackierte Maske... Schönheit glüht Lüge zu Asche
Und im Podcast heißt es noch und noch:               „Jeder hat etwas zu verbergen außer mir und meinem Affen...“ unrasiert
Corona, Corona, Corona                               Rabindranath Tagore. Im Schneidersitz. Kletten im Bart. Keine Masche
                                                     Transzendenztraining. Information stillt Laffen. Zeit die Seele kastriert
Die Seuche hat uns fest im Griff.
Und dieser will noch nicht mal schmerzen.            „Hey Mr. Postman“ gehts auch ohne Freimachen von Briefmarken?
Er ist so sanft und scheu und still,                 Tiger in schattigen Mangrovenwäldern der Sundarbans. Mit Zähnen
er geht einem fast zu Herzen                         Im Gesicht. Ganeshas Elefantenköpfe. Sanft zupfen Rüssel an Saiten
                                                     der Sitar das Kamasutra. Für Pilzköpfe aus einem englischen Ghetto
Und irgendwann wird es dann heißen:
so und so viele sind am Virus verreckt.              Stahlkocheridyll. Gandhis piepsige Stimme. „All you Need is Love“
Die allermeisten jedoch haben überlebt               bricht die Gitterstäbe. Rilkes Panther, wo nichts passiert. Panta rhei
und der Rest hält sich noch immer versteckt.         Alles in Gewissheit Erstarrte versinkt. Ihr Yellow Submarine taucht
                                                     Auf. Maya, eine schöne Bajadere. Glöckchen am Fuß. Tandaradei
Und aus dem Orbit tönt
bis in alle Ewigkeit:                                Ihre schwingenden Hüften. Jahrtausende ihres gezähmten Tanz’
Corona, Corona, Corona                               Ohne dass die Utopie eines erleuchteten Königs, der s’ Schwert
                                                     Weg warf... Sonne ward. Schach der Gier. Schach der Ignoranz
                                                     Schach der Taubheit des Herzens! Ashokas irdisches Nirvana

                                                     Aufscheint in John Lennons Dissonanzen. Erdbeerfelder
                                                     Überwuchern Kasten. Strawberry Fields. Köstlichkeiten
                                                     Für Unberührbare. Forever. Sankt Paulis Hafenkneipe
                                                     Brennende Lampions dümpeln im Ganges. Ungeduld
„Zeitengewirr.99 Gedichte“
Auszüge
geplanter Gedichtband, Frühjahr 2022
von Wolfgang Uster

Wolfgang Uster                                               Wolfgang Uster           Wolfgang Uster
Selbstbetrachtung im Fischeimer                              Cello                    Betrachtung am Wellenkamm

Die glubschen Augen aus dem Schädel vorgetreten,             Am Gate sechzehn A       Die maximale
in grauser Welt so atemlos und fischig wandelnd               erscheint                nach oben gerichtete
durch fremde Räume, stickige Umhüllung spürend,              die blinde Cellistin,    Wasserspiegelauslenkung
ein Zucken hilflos quält zum aufgebäumten Wollen,             aufrecht,                mit schaumiger Kante
noch stachelnd richtet sich die spitze Rückenflosse           ein edles Bild           und ohne Verrenkung
sinnlos zum Kampf dem unsichtbaren Feind entgegen,           im Raum                  des Materials
gebläht die roten Kiemen bis die Knochenklappen              voll brausendem Klang.   in die Fülle gefügt,
sich knirschend nun im fremden Leibgemenge spreizen.         Der schlanke Rücken      pfeilschnell vom Snapper
                                                             meistert                 und Thunfisch durchpflügt,
Ganz leise fließt die Energie aus Wirbelsträngen,             das schwere Gerät.       den Algenschopf bürstender
die warm im Loch der Rückengräte noch pulsieren,                                      Wellenkamm
schon nähert sich erschreckt das angsterfüllte Rauschen.     Im tastenden Sehstock    auf messerscharfer
Da schlägt die Flosse, doch schon dumpf im Wahn der Sinne    erfühlt                  sich brechender Krümmung
lechzt Fisch an Fisch verträumt sein Medium ersehnend,       der Weg die Menge,       in glitzernder, diamantener Stimmung
ein letztes Zucken hier und da ein armes Schlängeln,         zaubert                  aus sprühenden Prismen
wie einst der Cat-Fish es gewohnt an Land zu kriechen        ein zärtliches Meer      in brennenden Streifen
und fort zu streifen durch die feuchten Tümpelketten.        der Ruhe
                                                             den lächelnden Körper.   gebietet mir
Dann ist es furchtbar still und silbrig schuppig schmiegen   Schon öffnen die Wogen
nun glatt und welsig wie auch an die schlaffen Flanken       den Pfad                 Einhalt und tiefe Betrachtung,
der grünen Barsche sich die Fresser und die Opfer,           durch stumpfes Gebräu    bewunderndes Staunen,
die einstmals noch nach anderen Gesetzen fließend                                      dann: Selbstverachtung
in Wasserlachen die Begegnung sicher meidend,                voll leerer Blicke,      der satten Selbstverständlichkeit,
einander an als fremd und friedlich Unbelebte,               verstört                 die alles nur nimmt,
als Beute nun im Tode ungewöhnlich eng umschlungen,          in trüben Augen          nichts versteht, nichts verzeiht.
dem Fressfeind Nahrung jenseits unserer nassen Welt.         sieht
                                                             ein sehendes Nichts      Die Welle bricht
                                                             kein Wesen               in tosendem Fließen:
                                                             im Lichtsinn geformt,    Ich möchte hinein
                                                             schamlos vergeudet       und das Chaos genießen!
                                                             die Schwingung
                                                             des inneren Bilds.
Mar tina Burandt
„Der Ausgang meiner Kunst
liegt im Er zählerischen“
KulturNetz: Martina Burandt lebt in Bremen. Sie arbeitet als
  freiberufliche Journalistin, Schriftstellerin, Yogalehrerin
  und bildende Künstlerin. Sie ist VS-Mitglied und arbeitet
  seit 2018 im VS-Vorstand mit.

Martina Burandt: Mein Ausgangspunkt ist meistens der
 Wunsch zu erzählen, sei es in Buchstaben, Bildern, Zeich-
 nungen, Theater, Bewegung oder Skulptur.
    Ich fand es schon immer befreiend, Dingen, die mich
 beschäftigen, die mich und mein Leben umgeben, in ir-
 gendeiner Form Ausdruck zu verleihen – angefangen beim
 Tagebuchschreiben bis hin zum Bild oder Tanz.
    So finden sich in meinen Werken Geschichten – seien es                                                  M. B: Die Pixiebücher habe ich bereits in meiner Kindheit ge-
 erfundene, selbst erlebte oder die, die ich irgendwo erzählt                                                 liebt. Seit ich daran arbeite, finde ich immer wieder neue
 bekommen, aufgeschnappt oder gelesen habe.                                                                   auf Flohmärkten oder bekomme welche geschenkt. Zuerst
    Sie sammeln sich in Büchern, Heften, auf Leinwän-                                                         übermale ich Bilder, wobei ich oft Teile sichtbar lasse, weil
 den und Papier – und anschließend wiederum verstaut in                                                       sie mir als Thema für meine Motive gelten – diese zeichne
 Schubladen, Kisten u.ähnl.“                                                                                  ich oder ich collagiere oder bringe kleine Scherenschnitte
                                                                                                              darauf.
                                                                                                                 Ich finde dieses kleine Format super – ich bewahre sie
                                                                                                              in Schachtel aus Holz und Metall aus, nehme sie auch
                                                                                                              gerne mit auf Reisen (mit oder ohne Wohnwagen) wo ich
                                                                                                              mich dann gerne weiter inspirieren lasse und sie weiter-
                                                                                                              bearbeite.

M. B: „Diese Arbeit ist erst im Herbst 2020 in Zusammen-
  arbeit mit dem Bremer Künstler Zilman Rothermel ent-
  standen; ein sog. Vive Pauvre – in diesem Fall streich-
  holzschachtelgroß – zu dem mich Tilman eingeladen hat,
  einen kleinen Text zu erfinden und auf das vorgegebene
  Minibuch zu schreiben, 4-fache Ausführung: 1 Exemplar
  geht in eine Sammlung nach Frankreich, ein Exemplar auf
  einer Wanderausstellung durch die ganze Welt, eins geht
  zum Künstler Tilman Rothermehl zurück und eins ist wie-
  der bei mir gelandet.
     Eine schöne Sache – hat Spaß gemacht!
     Nachdem ich meinen Text erdacht und aufgeschrie-                                                            Verschiedene Motive – meist Text und Motiv – aus Künstler*
  ben hatte, gingen die Büchlein aber zuerst an Tilman                                                        innenbücher unterschiedlicher Formate sowie Ausstellungs-
  zurück – davon inspiriert illustrierte er sie.                                                              präsentationen
                                                                                  Repros: Martina Burandt
                                                 Pixiebücher übermalt
                    Abbildungen:
                                   Vive Pauvre

                                                                        Diverse
Unter ungewöhnlichen                                                gestellt, aber auch zu mir und meiner Arbeit. Insge-

Umständen –
                                                                    samt war es in dieser kulturarmen Zeit eine schöne
                                                                    Abwechslung für beide Seiten.

Eine Lesereihe in einem
                                                                       Eine Mitteilung über das innovative Projekt an die
                                                                    örtliche Presse sowie das NDR Studio Braunschweig

Pflegeheim zu Corona-Zeiten
                                                                    verpuffte leider im Nirvana der Redaktionen, obwohl
                                                                    auch dieses kleine Kulturangebot in einem der gerade
                                                                    schwer leidenden Pflegeheime es wert gewesen wäre,
von Hardy Crueger, Februar 2021                                     diese Idee zu verbreiten. Das Interesse ist da (siehe
                                                                    oben).
„Ein wunderbares Beispiel für ein virtuelles Lockdownange-
bot im Pflegeheim liefert der Schriftsteller Hardy Crueger,
der für die Bewohner im Pflegeheim ST. THOMAEHOF eine
Livestream-Lesung abhielt, die von einer Alltagsbegleiterin
organisiert wurde!
   Man fragt sich natürlich als Professioneller (Alltagsbeglei-
ter, A.d.A.): hat das funktioniert? Ist es nachahmenswert?
Was könnte anders/besser gemacht werden? Auf jeden Fall
zunächst mal HUT AB vor der grandiosen Idee, sowas über-

                                                                          Veranstaltung zum Thema
haupt auszuprobieren!“
   Das meinte zumindest der Betreiber der facebook-Seite:

                                                                          Urheberrecht
„Betreuungsalltag. Ein kritischer Blick hinter die Kulissen“
zu der Lesereihe, für die ich im Januar 2021 seitens der All-
tagsbegleitung in einem Braunschweiger Pflegeheim ge-                      VS Niedersachsen/Bremen und das Bremer
bucht wurde.                                                              Literaturkontor luden zum Webinar
   Natürlich war ich skeptisch, denn meine bisherigen Er-
fahrungen mit der Video-telefonie oder Video-Konferenz-                   Was müssen Autor*innen beachten, wenn es um das
Schaltungen via Internet waren nicht die besten. Ruckelnde                Thema Urheberrecht geht? Wie steht es mit Trade-
Bilder mögen noch erträglich sein, aber abgehackte, unvoll-               marks, Zitaten, Songtexten oder Querverweisen auf
ständige Sätze, gerade wenn die Dramatik in einer Story kul-              die Texte anderer? Wo werden nur ähnliche Ideen be-
miniert, sind natürlich furchtbar. Aber egal – die Lesungen               spielt und wo ist die Grenze zum Plagiat? Gibt es ver-
sollten honoriert werden und das ist in Zeiten physischer                 steckte Stolpersteine? Und was können Autor*innen
Auftrittsverbote ein gewichtiges Argument.                                tun, wenn ihre eigenen Texte unrechtmäßig von Drit-
   Initiatorin war Frau Christina Jasper, die Leiterin des Pflege-         ten verwendet werden?
heims St. Thomaehof, die auch das Honorar bewilligt hat-                     Am Mittwoch, 7. Oktober 2020, um 20 Uhr luden
te. Nach ersten Gesprächen planten die Organisatorin und                  der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schrift-
ich folgende Lesereihe: An jedem der vier Montage im Ja-                  steller (Landesverband Niedersachsen/Bremen) und
nuar sollte ich mich ab 15:30 bei Skype einwählen und den                 das Bremer Literaturkontor zu einem Webinar zum
Bewohner*innen ca. 40 Minuten vorlesen. So bekamen die                    Thema „Urheberrecht für Autor*innen“.
Gäste insgesamt neun meiner seichteren Okergeschichten-                      Valentin Döring (Bereichsleiter Kunst und Kultur
zu hören, Kurzkrimis, die an oder sogar auf dem hiesigen                  bei ver.di und Experte für Urheberrecht) gab eine kur-
Flüsschen Oker spielen. Was sich als eine gute Wahl heraus-               ze Einführung in die Thematik und stand anschließend
stellte, weil das Vorlesen einer Story nur zwischen zehn und              für Fragen zur Verfügung. Die Moderation übernahm
dreißig Minuten dauert und der Spielort den Zuhörer*innen                 Janika Rehak (Vorstand VS Niedersachsen/Bremen
bekannt ist.                                                              und Mitglied im Literaturkontor Bremen). Die Fragen
   Das Heim verfügte bereits über die entsprechende                       der Teilnehmer*innen bezogen sich teilweise auf sehr
Technik – Laptop, W-Lan, Beamer und Leinwand – ich las                    konkrete Erfahrungen oder auf aktuelle Projekte, ei-
also bequem von Zuhause aus und mein Konterfei wurde                      niges ergab sich jedoch auch spontan als Rückfrage
im Gesellschaftsraum auf eine Leinwand projiziert, wo sich                zum Vortrag oder aus allgemeinem Interesse. Die
die Mitglieder einer Wohngruppe mit Abstand versammeln                    Veranstaltung dauerte knapp zwei Stunden. Von vie-
durften. Skype ruckelte ab und zu, aber insgesamt kamen                   len Teilnehmer*innen gab es im Anschluss positives
die Lesungen gut an. Ich fragte mehrmals, ob der Ton in                   Feedback.
                                                                                          dem VS (Landesverband
                                                                                          als Kooperationsprojekt
                                                                                          Die Veranstaltung fand

Ordnung sei und dann ging es auch schon los. Nach jeder
                                                                                          Literaturkontor und

Story wurde applaudiert, es wurden Fragen zu den Krimis
                                                                                          Niedersachsen/
                                                                                          Bremen) statt.
                                                                                          vom Bremer
Sieben Segel später –                                                                 Buchbesprechungen
         Lyriklesung mit Musik
                                                                                               Hans Kruppa: Ein Lächeln für jeden Tag.
         Ich hörte dich sagen, es sei                                                          Gedichte, Märchen und Gedanken
         Über dem See, ein Sturm
         Und unten am Grund, ein Lied                                                          Die Bücher, die Hans Kruppa schreibt, sind Wohlfühlbücher.
         Das dem Sturm den Rhythmus leiht                                                      Die wunderbar liebevolle Gestaltung, die der Coppenrath
         Und aufsteigt in ihm (...)“ © M.Burandt                                               Verlag ihnen zuteilwerden lässt, tut ein Übriges, das Wohl-
                                                                                               gefühl zu unterstreichen.
         Sieben Segel später“, so der Titel der jüngsten Lyriklesung                             Ein Lächeln für jeden Tag – wer für uns könnte das nicht
         von Martina Burandt, geht das Leben immer noch seinen                                 gebrauchen?
         Gang – weiter und weiter, immer weiter. Auch in Zeiten von
         Flucht, Vertreibung, Klimawandel und Pandemien gibt es                                Ein gutes Gedicht
         kein Ende des Lebens – nur Veränderung, ständiger Wandel,                             schafft immer ein hilfreiches Gegengewicht.
         Transformation.,                                                                      Man muss es nur auf die Gemütswaage legen –
            Martina Burandt ist eine Autorin, die hinhört, hinschaut,                          und schon entfaltet sich sein Segen.“
         hinfühlt.“ So beschreibt sie eine Kollegin. In der „Villa Spon-                       (aus: Ein gutes Gedicht)
         te“ stellte sie nicht allein Lyrik aus ihrem ersten Buch „Ihre
         seidenen Flügel an Wäscheleinen“ (Verlag Omnino, Berlin)                              Die Gemütswaage – welch schönes Bild! Wenn die Stim-
         vor, sondern las auch Werke ihrer neuen Sammlung, die bald                            mung die eine Schale der Waage sinken lässt, bringt ein gu-
         Platz in einem zweiten Lyrikband finden sollen.                                        tes Gedicht auf der anderen Seite alles wieder ins Lot. Wer
            Es war ein unsicheres „Wackeln“ bis zum Schluss, ob denn                           hätte nicht Freude an Lyrik, die das vermag?
         die Lesung der Bremer Künstlerin und Schriftstellerin in der
         stimmungsvollen „Villa Sponte“ am Bremer Osterdeich noch                              Offenbarung
         stattfinden kann. Denn im Oktober gingen die Covid19-In-
         fektionszahlen, wie erwartet, wieder in die Höhe. Doch noch                           In scheinbar
         kurz vor dem Start des zweiten Pandemie-Lockdowns konnte                              grundlosem Lächeln
         die Veranstaltung am 22. Oktober über die Bühne gehen.                                offenbart sich
            Unter den eingehaltenen Abstandsregeln gewährte Ida Büs-                           die Natur der Seele.
         sing von der „Villa Sponte“ knapp zwanzig Besucher*innen
         den Einlass und die Veranstaltung war ausverkauft.                                    Hans Kruppa schafft es, Gedankentiefe leichtfüßig daher-
            Aufmerksam folgte das Publikum der Textauswahl, die in                             kommen zu lassen: „Und alles fließt, fließt über/ist sich
         fünf verschiedene Themenbereiche wie „In den Zeiten von                               mehr als genug“ [Grenzenlose Weite]. Niemals sind seine
         C.“, „Liebesbriefe“, „Vergänglichkeit“, „Kleine Fluchten“ und                         Texte bemüht, nicht um Wirkung, nicht um Aussage um ih-
         „Gehen oder Bleiben“ eingeteilt war.                                                  rer selbst willen. Dieser Dichter lebt das, was er schreibt,
            Zwischen diesen Kapiteln wurde die Lesung vom Duo                                  er lebt und wirkt in seinen Texten, nicht für sie, nicht für
         „2Cale“ (Olaf Liebert und Karin Gerhard) mit Bass, Akustik-                           das Schreiben: für seine Anschauungen und Erfahrungen,
         Gitarre und Ukulele begleitet. Mit einer passenden Musik-                             die das Leben ihm beschert, und deren Beschreibung ihm
         auswahl machten die Akteur*innen die gut einstündige Ver-                             später aus der Feder fließt.
         anstaltung zu einer gelungenen Klang-Fusion aus Text und
         Musik.                                                                                Überall und jederzeit
            Dazu gab es eine Buchauswahl auf dem Büchertisch der
         Buchhandlung Buntentor, dessen Inhaber Sven Odens sich                                Glücklich ist, wer sich selbst erkannt hat.
         für die Unterstützung der Lesung durch den Förderverein                               Er sucht das Glück nicht mehr, denn es findet statt –
         Buch eingesetzt hatte. Ein insgesamt stimmungsvoller                                  an jedem Ort, in jedem Augenblick.
         Abend, der lange nachhallt.                                                           Sich selbst wirklich zu kennen, bedeutet Glück.
Ihre seidenen Flügel an Wäscheleinen.

                                                                                               Hans Kruppa hat dieses Glück gefunden, und er lässt seine
170 Seiten, ISBN 9783958940963

                                                                       Coppenrath Verlag, Münster 2021
Vom Kommen – Bleiben – Gehen

                                                                       Gedichte, Märchen & Gedanken

                                                                                               Leser*innen daran teilhaben. „Kleine Schätze am Weges-
                                        www.martinaburandt.de oder:
                                        Autor | Literaturhaus Bremen
Überall im Buchhandel oder

                                                                                               rand“ lautet eine Kapitelüberschrift in diesem Buch. Krup-
                                        Weiteres siehe auch unter:

                                        (literaturhaus-bremen.de)
16,99 € (E-Book 14,99 €).

                                                                                               pas umfassendes Werk möchte ich als großen Schatz be-
                                                                       Ein Lächeln für jeden Tag
www.omnino-verlag.de

                                                                                               zeichnen, den zu heben sich lohnt.
Martina Burandts

                                                                                                                                             Sabine Prilop
                                                                       157 Seiten, 12,95 €
                                                                       Hans Kruppa
195 Seiten, 10,16 €
                                                         © Christel Mey
                                                         Verdichtete Gedanken
                                                         Auf den Flügeln bunter Träume
                                                         Christel Mey
Christel Mey.
Auf den Flügeln bunter Träume.
Verdichtete Gedanken.
Verdichtete Gedanken – so lautet der Unterti-                                            Gelernt, in mich selbst zu verkriechen“ –
tel des Buches von Christel Mey. Am Telefon                                              (das fehlende „mich“ nehme ich als
erzählte mir die Autorin, dass dieses für sie                                            Ausdruck künstlerischer Freiheit – diese
wichtige Buch ihr Leben in Lyrik und einigen                                             Aussage charakterisiert die Texte dieses
Prosatexten erzählt.                                                                     Buches trefflich. Christel Mey deutet an,
   Gelernt, in mich selbst zu verkriechen, er-                                           bleibt vage, „in sich selbst verkrochen“.
kennen auch meine Kinder mich nur teilwei-                                               Leser*innen, die ihre Biografie nicht
se“ erfahren wir in einem der ersten Prosa-                                              kennen, lassen die „Lebenstexte“ oft
texte und damit, dass die Autorin Kinder hat.                                            ratlos zurück. In der Fotografie gibt es
Das greift der Lebenserzählung weit vor, er-                                             die Definition: zeige ich ein Bild, das für
scheint mir allerdings wie ein Schlüsselsatz.                                            mich mit Erinnerungen, Emotionen be-
Davon später mehr.                                                                       haftet ist, ist es ein besonderes Bild – für
   Wie geht es weiter im Text? Mit der Schil-                                            mich. Für den fremden Betrachter bleibt
derung einer Kindheit in Kinderheim und/                                                 es stumm, wenn es nicht gelingt, diese
oder Internat und einer schwierigen Mutter-                                              Emotionen zu transportieren. So ähnlich
Tochterbeziehung. Unvermittelt folgen Ge-                                                ergeht es mir bei den Texten in diesem
dichte über die Liebe, dann wieder Sequen-                                               Buch: Dinge werden geschildert, nicht
zen aus der Kindheit, einer pubertären Flucht                                            gezeigt. Sie würden vielleicht berühren,
aus dem Elternhaus; wieder Gedichte, die            Ein Prosatext fasst das Zu-          wenn man die Emotionen lesen könnte,
sich um einen Mann drehen. Dieser Mann           sammenleben mit diesem Mann             die sie begleitet haben. So bleibt das so
fährt dann offenbar mit einer Nebenbuhlerin      zusammen. Der Titel „Schein-            omnipräsente „Ich“ in seinem Versteck.
in Urlaub, was eine Trennung zur Folge hat,      bar geborgen“ lässt schon ah-              Warum ich das Buch dennoch emp-
wie man in die folgenden Gedichte über das       nen, wie es endet: Mit der Schei-       fehle? Weil in den Texten Lebenserfah-
Verlassen, Verlassensein und die Trauer darü-    dung. Davor liegen Jahre, in            rung steckt, die Menschen, die Ähnli-
ber hineininterpretieren könnte.                 denen Kinder geboren wer-               ches erfahren haben, aufhorchen lassen
   In einem Prosaeinschub schildert Mey          den (ein Schock: „Zu früh“ be-          können, weil zu spüren ist, dass die Au-
„Wie das Malen begann“. Leser*innen erfah-       schreibt ein totes Kind) und ein        torin an ihre Texte glaubt – und weil das
ren, dass die Autorin sich auch als Malerin      Leben mit vielen Annehmlich-            Buch Anstoß sein kann, sich mit dem
betätigt (hat?). Dann: ein Gedicht über das      keiten (Domizil auf Teneriffa,          Leben von Christel Mey zu beschäftigen,
Meer, zwei über Liebesbegegnungen (selbst        Wohlstand). Doch der Autorin            das ein durchaus interessantes Leben
erfahrene?).                                     fehlt es an körperlicher Nähe,          war und ist.
   Ein erneuter Prosaeinschub: „Der Weg der      ein Ehebruch lässt sich aus                                          Sabine Prilop
Stimme“. Hier ist zu lesen, dass die Autorin     dem Text herauslesen, schließ-
ein Gesangsstudium absolviert hat und die        lich lässt sie sich scheiden. Ein
Kammersängerin Erika Köth – den Älteren          neuer Mann, der sie betrügt.
durchaus noch ein Begriff – ihre Lehrerin        Wieder ein neuer Partner. Lie-
gewesen ist. Ihr widmet die Autorin im An-       besgedichte. Ehepläne deuten
schluss einen lyrischen Text: „Erika“. „Im       sich an, und tatsächlich: Ein
Rampenlicht“ erzählt, dass die Verfasserin als   weiterer Prosatext beschreibt
Sängerin auf der Bühne gestanden hat. Wie-       die Hochzeitsfeier. In der Folge:
der einige Liebesgedichte, Episoden aus dem      lyrische Texte über die Ehe, Ehe-
Beisammensein mit einem Mann. Eine Liebe,        probleme, die Aussicht auf eine
die offenbar der Tod beendet „Das letzte Ge-     Silberhochzeit.
spräch“. Trauer, erneute Liebessehnsucht, ein       Nicht versäumen möchte ich
neuer Mann, der in das Leben tritt.              zu erwähnen, dass zwischen
                                                 den Lebenschilderungs- (andeu-
                                                 tungs?-)texten Lyrisches steht,
                                                 dass allgemeine Themen be-
                                                 handelt, diese beinhalten kein
                                                 lyrisches Ich, ebenso wenig wie
                                                 die „Lebenstexte“: dort steht
                                                 das Ich für die Autorin.
Hans-Helmut Decker-Voigt                                                Bücherkiste
Ein besonderes Stück Zeitgeschichte                                     Neuerscheinungen der VS-Mitglieder
Eine Kolumne kann ihren eigenen Charme haben. 1499 Kolumnen,            Hans Kruppa
jeden Dienstag pünktlich und über alle Hindernisse hinweg der           Ein Lächeln für jeden Tag
Allgemeine Zeitung der Lüneburger Heide geliefert, müssen dazu          Gedichte, Märchen & Gedanken
noch Selbstbewusstsein besitzen, wenn sie inmitten der chamä-           Coppenrath Verlag, Münster 2021
leon-gleichen Medienwelt bestehen und unangefochten 40 Jahre
am Platz bleiben wollen.                                                Chris tel Mey
   Das ist umso wichtiger, als ihre Inhalte sich erlauben, Famili-      Auf den Flügeln bunter Träume
enfama, Begegnungen, Beobachtetes, Ärgernisse, Irrtümer, Faux-          Verdichtete Gedanken
Pax’s, oft, oft von ironischen Randbemerkungen flankiert, in Kurz-       ISBN 9798553886851
form so zu inszenieren, dass man ihnen nicht entkommt.                  Kindle Direct Publishing (amazon), 2020
   Da kann in der Kolumne „Anfall von Romantik“ Mörike im Ver-
ein mit den Vögeln Autobahnlärm und Traktoren übertönen.                De tlef M. Pl aisier
   Das können Hühner weinen über zu teure Impfgebühren.                 Grenzgänger | Over de grens
   Da wird ein falsch interpretiertes Ultraschallbaby zum Satelliten.   Eine Biografie aus dem Rheiderland.
   Da kommen hungrige Studenten auf die Idee, die grausamen             Zweisprachig Deutsch / Holländisch.
Kochkünste ihrer Zimmerwirtinnen zum Genuss zu erheben.                 edition Kronzeugen, Westrhauderfehn 2020
   Da spielen sich Eltern beim Kindergeburtstag ihrer Sprösslinge
halb zu Tode.                                                           Sabine Prilop
   Da macht man sich Gedanken, warum eine Sanitär-Warte-                Die Kraft der Kräuter für Frauen
schleife Mozarts Nachtmusik spielt und ein Heiratsinstitut Schi-        Sachbuch / Ratgeber
wagos Lara-Motiv.                                                       Beuroner Kunstverlag, Beuron 2021
   Oder darüber, ob GOTTES Schöpfungs-Marathon schuld daran
ist, dass Mistkäfer voll-kommener sind als Menschen.                    A xel Schnell
   Oder ob eine zugeflogene Taube auf der Kanzel die Predigt auf-        Atlantis. Krieg der Wölfe
möbeln kann.                                                            Phantastische Literatur
   Und die Hasch-Pflanze im Erntedankstrauß unterm Altar mehr            Gegenstromschwimmer Verlag, Barbing 2020
bewirken wird als die Möhren und Gurken.
   Weil man eineinhalbtausend Kolumnen aus 40 Jahren nicht              Atlantis. War of the Wolves
hintereinander weg lesen sollte, hat HHDV sie vorsortiert. Aber         Gegenstromschwimmer Verlag, Barbing 2020
auch dann genießt man sie durch Herauspicken mehr. So entdeckt
man auch besser die kleinen Sprachschöpfungen des Autors:               Freundschaften und Cromwells Kopf
Missbrauchsanweisungen. Be-gutachten, nicht be-schlechtachten.          Philosophische Unterhaltungsliteratur
Brand-aktualisieren.                                                    BookRix, München 2020
   „Corona“ als Thema kann erst dieses Jahr durch HHDVs Kopf
gegangen sein und hat gleich Kolumnen über das Luft-Anhalten,           Krupp. Expos und PR-Pioniere
über die ursprünglichen Wertschätzungen des Begriffs „Krone“,           Industrie-, Expo- und Kommunikationsgeschichte
über selbstbestimmtes Handeln oder über verschwundene Mün-              BookRix, München 2020
der ausgelöst. Aber das Schmunzeln verebbt diesmal, denn der
Musiktherapeut, Wissenschaftler und Romanautor ist auch ein             Engel aus Staub
Freund mit viel Menschenkenntnis und Taktgefühl.                        Drama in zehn Runden
   Seine Lieblingsheilige ist Theresa von Avila, weil sie ihn weg von   BookRix, München 2020
Selbstdarstellung und hin zu so mancher Pointe geführt hat. Sie
möge ihn weiter so verlässlich dabei begleiten, den 10. Aktenband
mit Kolumnen zu füllen.
                                                    Eva Korhammer
                        Erschienen in der Allgemeinen Zeitung
                        Leben mit Kolumnen 1980-2020
                        Hans-Helmut Decker-Voigt

                        Becker Verlag, Uelzen 2020.
                        ISBN 978-3-920079-63-9
                        der Lüneburger Heide
                        Immer dienstags

                        14,80 €
Kultur.Net
                                                                               z –Zeitsch
                                                                                             rift der ver.d
                                                                 Herausgeb                                   i
                                                                               er: Vereinte
                                                                                                Dienstleis
                                                                 Landesbe                                    tungsgewer
                                                                             zirk Niede                                     kschaf t (v
                                                                                           rsachsen-B                                    er.di)
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                                                                              10 , 30159 H                                gruppe 8 (M
                                                                                              annover                                     edien, Kuns
                                                               Redak tion:                                                                              t+Industri
                                                                              Sabine Prilo                                                                         e) ,
                                                                                               p, Huntew
                                                               Telefon : 0                                  eg 2 b, 370
                                                                           551 / 7 70 12                                  81 Göt tinge
                                                                                          42 , E- Mail:                                  n,
                                                              Fotos: Mar                                 kontak t@
                                                                            tina Buran                                 sabine -pri
                                                                                          dt , Ralf La                             lop. de
                                                              Satz und Ti                              ke , Sabine
                                                                           telgestaltu                                Prilop, Gab
                                                                                         ng : Mat th                                riele Schn
                                                             Druck : Uni                               ias Langer                               ars, W. Steg
                                                                          druck Han                                  , Varel (ml@                             emann
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                                                             Die Recht                                 0 511 / 7 0 0                                ger.net)
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                                                                         e Artikel un                              gen bei de
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                                                                       e KulturNet                                    mit der M                              ng.
                                                                                      z-Ausgabe                                  einung de
                                                           Redak tions                               erscheint                                r Redak tio
                                                                       schluss is                                 im Juni 20                               n überein.
                                                                                    t der 15 . M                               21.
                                                                                                  ai 2021.

Error 404
Aus unserer Reihe „Zurecht übersehene Künstler“.
von Achim Engstler

Wadland Hüner, sein Geburtsjahr verschweigt er, aber               sche geben. Da setze er an. Wäre die Unbestimmtheit
die Quersumme seines Alters sei zehn, ist Bildhauer.               einmal aufgespürt, gehe der Rest wie von selbst: Ein
Jeden Morgen geht Hüner zum Kiosk zwei Ecken weiter                IRRBAU entsteht, eine falsche, von der Bausatz-Bau-
und erwirbt dort ein Überraschungsei, dessen braunwei-             anleitung gleichwohl zugelassene Konstruktion. So
ße Schokoladenschale er, wieder zuhause angekommen,                könne aus einem Propellerflugzeug schon mal ein
frühstückt. Anschließend öffnet er die gelbe Innenverpa-           Fliegenpilz werden. Betrachte der Betrachter nicht
ckung, was manchmal knifflig wäre. Enthält das innere Ei           nur das Modell, sondern zugleich die Bausatz-Bau-
eine der sogenannten Gimmick-Figuren, wirft er sie in den          anleitung, die er seinen Modellen stets beilege, führe
Briefkasten seiner Nachbarin. Die hat schon eine ganz              das zu manchem Aha-Erlebnis. Kunst muss provozie-
schöne Sammlung, sagt Hüner und schmunzelt. Birgt der              ren, so Hüner.
Plastikdotter jedoch einen Bausatz, macht er sich an die              Ob sich davon leben lasse, fragen wir. Wadland Hü-
Arbeit.                                                            ner verneint. Darauf komme es nicht an. Erfolge kann
   Hüners Kunst besteht darin, jeden Überraschungsei-Bau-          er dennoch verbuchen. So hatte er letzten Herbst un-
satz falsch zusammenzubauen. Das bedarf höchster Kon-              ter dem Titel Uovo Indeterminativo eine nette Aus-
zentration, denn die Bausätze seien ja, wie Hüner betont,          stellung in der Cassa di Risparmio, Pavia, und wird im
für Kinder ab drei gedacht, denen Enttäuschungen erspart           Frühjahr einige seiner Irrbauten in der Kreditabteilung
werden müssten. Deshalb wäre falscher Zusammenbau von              der Volksbank Gütersloh-Kattenstroht präsentieren.
seiten des Herstellers, der Ferrero S.p.A., geradezu ausge-        Hüners größter Wunsch ist bisher allerdings unerfüllt
schlossen. Er sage nur Urvertrauen. In jeder Bausatz-Bauan-        geblieben: dass Ferrero ihm eine Abmahnung schickt.
leitung gebe es jedoch eine Unbestimmtheit, wie klein und          Dann geht’s los, sagt Hüner.
scheinbar belanglos auch immer. Bausatz-Bauanleitungen                Nach dem Gespräch besteht der sympathische
seien letztlich Algorithmen, formale Systeme also, jedes for-      Künstler darauf, uns an seinem Kiosk ein Ü-Ei zu kau-
male System weise aber, wie der große Logiker Kurt Gödel           fen, das er, nach langwierigem Schütteln und Beklop-
gezeigt habe, Unbestimmtheit auf. Es gibt im System wah-           fen, für ein Bausatz-Ei erklärt. Porsche Panamera aus
re Sätze, die mit den Mitteln des Systems nicht bewiesen           der limitierten Sonderedition? Gegebenenfalls bitte
werden können. Wenn es aber unbeweisbare wahre Sätze               Bescheid geben. Wir öffnen das Ei, als er außer Sicht-
gibt, muss es auch, erklärt Wadland Hüner, beweisbare fal-         weite ist. Ein Nachtwächterschlumpf.
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