Noch nicht das Ende - Landesbezirk Niedersachsen-Bremen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
noch nicht das Ende. Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es noch Editorial nicht das Ende.“ Sabine Prilop: noch nicht das Ende. _______________________ 2 Dieses Zitat, das Oscar Wilde zugeschrieben wird, möchte #Kulturgesichter053 __________________________________________ 2 ich unserem ersten KulturNetz 2021 voranstellen. Noch ist Nachrufe _______________________________________________________ 3 nicht alles gut. Aber es wird (wieder) gut werden. Auch für Sabine Prilop: Nähe auf Distanz – uns Künstler*innen. Davon bin ich überzeugt. Deshalb lasst Ein Fotokunstprojekt in ungewöhnlichen Zeiten. __________ 4 uns diesen Weg gehen, auch wenn es für viele kein leichter Literatur Weg ist und noch sein wird. Es könnte und müsste mehr ge- Harro Bebert: The Beatles im Ashram tan werden für diejenigen, die unter der Pandemie leiden, (Rishikesh, 1968) ______________________________________________ 8 die von ihrer Kunst leben wollen und müssen und es derzeit Axel Klingenberg: Die Krone der Schöpfung _____________ 8 nur sehr begrenzt oder überhaupt nicht bewerkstelligen kön- Wolfgang Uster: „Zeitengewirr.99 Gedichte“ __________ 10 nen, tätig zu sein. Es ist beachtenswert, dass die Kreativität Vorgestellt zwar leidet, aber dennoch nicht untergeht. Es gibt viele neue Martina Burandt „Der Ausgang meiner Kunst liegt im Ideen, die umgesetzt werden und helfen, diese Zeit zu über- Erzählerischen“ _______________________________________________ 11 stehen. Auch viele Beiträge in dieser KN-Ausgabe zeugen von Veranstaltungen neuen Ideen, und über sie zu berichten, bereichert unsere Hardy Crueger: Unter ungewöhnlichen Umständen– Zeitschrift. Lasst Euch überraschen! Eine Lesereihe in einem Pflegeheim zu Corona-Zeiten __ 12 Veranstaltung zum Thema Urheberrecht __________________ 12 Bleibt gesund! Sieben Segel später – Lyriklesung mit Musik ______________ 13 Bücher Mit herzlichen Grüßen Buchbesprechungen _________________________________________ 13 aus der KN-Redaktion Bücherkiste ___________________________________________________ 15 Eure Sabine Prilop Impressum ____________________________________________________ 16 Achim Engstler: Error 404 _________________________________ 16 #Kulturgesichter053 Am 14.2.2021 rief die Initiative „Kulturgesichter“ für den Vorwahlbereich 053 zu der Demonstration „Kulturzug“ in Braunschweig auf, um auf die prekäre Lage der Branche auf- merksam zu machen, die seit fast einem Jahr im Lockdown ist. Mit dabei waren „Dienstleister und Personen, die hin- ter den Kulissen, aber auch auf den Bühnen, arbeiten“, also auch Schreibende neben Tontechnikern, Bühnenbauern, Lichttechnikern, Veranstaltungskaufleute, Schauspielern etc. Ein paar Wochen vorher wurden Termine vereinbart, um die Fotografien herzustellen, die im Kulturzug unter dem Motto „Ohne uns ist es still!“ von allen Teilnehmenden getragen wurden. Der Mann mit der Maske ist unser Vorstandmitglied Hardy Crueger, der stellvertretend für den VS an der Aktion teilgenommen hat. Weitere Infos direkt auf deren Seite https://www.kulturgesichter053.de „Kulturzug“, 14.2.2021 Foto: W. Stegemann 2 Hardy Crueger, Abbildungen:
Ein Stück Bremer VS-Geschichte In Memoriam Nachruf Luise Preuß-Braun Mat thias Göke * 29.01.1941 † 26.12.2020 * 05.01.1962 † 21.01.2021 Damals in den 80ger und 90er Jahren, als es in der Bremer Matthias Göke, der unsere Mitgliederzeitschrift, das Kulturbehörde noch ein eigenes Literaturreferat gab, kom- KulturNetz, viele Jahre als Grafiker betreut hat, ist im munizierten wir vertrauensvoll in persönlichen Gesprächen Januar 2021 nach langer schwerer Krankheit im Alter mit der damaligen Literaturreferentin Luise Preuß-Braun. von 59 Jahren verstorben. So machte sie zum Beispiel die VS-Gruppe Bremer Schrift- Matthias Göke war Veranstalter, Verleger, Mode- stellerinnen und Schriftsteller auf die Antragsfristen für Pro- rator, Texter, Publizist. Er war Pionier und Gastge- jekte und Stipendien oder auf förderungswürdige Themen ber der Literaturszene in Hannover, wo er lebte. Er aufmerksam. Da unsere Kontakte nicht übers Internet oder veranstaltete zahlreiche Lesungen und brachte dabei mails liefen, sind die damaligen Literaturaktivitäten auch Autor*innen und ihr Publikum zusammen. Bekann- nicht digital gespeichert, sondern bruchstückhaft in der Er- te Künstler*innen traten ebenso auf wie unbekannte, innerung aufbewahrt. die später zu Ruhm und Ehrungen gelangen sollten. Damals veranstalteten wir viele gemeinsame Lesungen Die Texte von Debüt-Autor*innen veröffentlichte er und auf Anregung von Luise Preuß-Braun eine der ersten und nannte sie „Fliegenfalter“, angelehnt an seine zweisprachigen Lesung gemeinsam mit Bremer Schriftstel- Lesungsreihe „Fliegenköpfe“, die zwischen 1998 und lerinnen und Schriftstellern und Autorinnen und Autoren 2010 stattfand. Mit Ton- und Videoaufnahmen doku- aus anderen Ländern und Sprachen. mentierte Matthias Göke die Lesungen und bewahrte So förderte sie auch den Kulturaustausch zwischen Bre- sie für die Nachwelt auf. Als Grafikdesigner erarbei- men und den Partnerstädten Danzig und Riga, indem sie tete er Layout und Druckvorstufe für Veranstaltungs- die Kontakte zwischen den Schriftstellerverbänden in poli- flyer, Broschüren, Bücher und Zeitschriften wie das tisch dramatischen Zeiten, auch zur Zeit des Kriegsrechts KulturNetz. In den Ausgaben, die er betreute, lebt er in Polen, mit Lesungen und gemeinsamen zweisprachigen fort. Wir werden ihn nicht vergessen. Veröffentlichungen unterstützte. Durch ihr Engagement hat Luise Preuß-Braun auch die Sabine Prilop Literaturreihe Landschaft im Text mit auf den Weg gebracht, die seit der ersten Projektförderung über Jahre mit Schrift- stellerinnen und Schriftstellern aus Bremen und Nieders- achsen in Dangast stattfand mit Lesungen und gemeinsa- men Wanderungen in der Landschaft am Jadebusen. Luise war nie eine „Behördenfrau“ im bürokratischen Stil, rückhaltlos setzte sie sich ein für Literatur, Menschen und Projekte, die sie schätzte und als unterstützungswürdig be- fand. Freundschaftlich war sie überregional und internatio- nal mit Literaten verbunden, so auch mit Erich Fried, der bei seinen Lesereisen in Bremen in ihrem Haus in der Mozart- straße wohnte. Zu einem späteren Zeitpunkt übernahm Luise Preuß- Braun das Referat im Bremer Überseemuseum, wo sie mit Leidenschaft Projekte initiierte, die ihr am Herzen lagen. So organisierte sie eine große Ausstellung mit Unikaten Leben- de Tote. Totenkult in Mexiko, in diesem Rahmen lasen auch Bremer Schriftstellerinnen eigene Texte zum Thema Tod und Sterben. Für ihre Arbeiten recherchierte Luise nicht „am grünen Tisch“. Für die Totenkult-Ausstellung war sie eigens nach Mexiko gereist mit einem Container-Schiff vom Bremer Ha- fen aus. Freundinnen und Freunden verabschiedeten sie am Anleger für ihre Abenteuereise. Inge Buck, Bremen Konstanze Radziwill, Dangast
Nähe auf Distanz – Ein Fotokunstprojekt in ungewöhnlichen Zeiten. von Sabine Prilop Marco Sagurna Vor ungefähr einem Jahr erfuhr ich das erste Mal von Marco Sagurna, *1961 in Wiesbaden. Schriftsteller und dieser neuen Kunstform: Webcam-Fotografie. Foto- Journalist. Lebt seit 1999 in Hannover. Zuletzt erschie- grafen verabredeten sich mit ihren Modellen zu Video- nen: „Warmia“ – Roman (2018) und „Minimal“ – Ge- konferenzen, erarbeiteten gemeinsam mit ihnen Out- dichte (2019), beide im Pop Verlag, Ludwigsburg. fit, mögliche Motive und das Setting. Anschließend Zusammen mit Ralf-Rainer Rygulla Herausgeber von gab der Fotograf seine Anweisungen, die das Modell „Ost Südost! Poetische Töne aus Europa“ (in Vor- umsetzte, und fotografierte den Bildschirm des Lap- bereitung). Clips „Poesie gegen Pandemie“ auf You- tops, Tablets oder Smartphones ab. Der Rahmen und Tube. das kleine Foto des Fotografen verblieben im Bild und unterstrichen die Entstehungsart der Fotoarbeit. KulturNetz: Woran arbeitest Du zurzeit? Marco Sagurna: „Es ist mir ergangen wie vielen Schrift- Diese Art der Fotografie interessierte mich; ich be- steller*innen in diesen Zeiten: Die Veröffentlichung fasste mich mit der dafür notwendigen Technik und meines neuen Buchprojekts wurde vom Verlag der Philosophie, die diese Idee trägt. Nach einer Zeit von einem Monat auf den anderen verschoben. Ich der Versuche, der Verfeinerung der Herangehenswei- wusste zeitweise nicht, ob es überhaupt zu einem se, der Optimierung der Ergebnisse begann ich mein guten Ende kommen würde. Mittlerweile ist eine Projekt „Künstlerporträts auf Distanz“. Veröffentlichung wieder in greif bare Nähe gerückt. Meine neuen beiden Projekte sind Gedichte Über- Als es immer schwieriger wurde, Interviews und Fo- Kunst und eine Novelle. Das wird mich zwei Jahre tos für das KulturNetz „vor Ort“ zu produzieren, be- beschäftigen. Bis dass zwei feine Bücher daraus ge- schloss ich, meine Ideen auch für meine Arbeit als worden sind. Redakteurin zu nutzen. KN: Was vermisst Du am meisten in dieser Zeit? Unter dem Thema „Künstler*innen in Zeiten des MS: Das Reisen: die Inspiration dabei, die Begegnun- Lockdowns“ bat ich Kolleg*innen der vier Kunstfach- gen mit Menschen und Orten. Und die Lesungen gruppen um ein Webcam-Shooting. „Woran arbeitest mit Publikum natürlich. Und, ehrlich: die Buch- Du zurzeit?“ und „Was vermisst Du am meisten?“ Messen, sogar die großen. lauteten die zentralen Fragen der während des Shoo- KN: Vielen Dank Marco! tings von mir durchgeführten Interviews. Marco Sagurna, Gabriele Schnars und Axel Schnell habe ich für dieses Projekt interviewt und fotogra- fiert. Gabriele Schnars, Dr. Axel Schnell, Marco Sagurna, Fotos: S. Prilop Abbildungen:
Sofaliegende – ein Gemälde von Michael Ramsauer, ein Gedicht von Marco Sagurna. MICHAEL RAMSAUER : SOFALIEGENDE Sie schwebt Nein sie liegt Auf dem Sofa schwebt sie Nein über dem Sofa liegt sie in einem anderen Blau Nein in diesem Blau Dieses Blau ist es Sie liegt dieses Blau Nein sie schwebt in einem anderen Blau Sie träumt blau ihr Blau träumt sie sich Sie träumt sich ihr Blau Ein anderes Blau eben Das andere Blau das berühmte das legendäre Sie ist es sie selbst ist dieses andere Blau nicht ein anderes Dieses andere Sie schwebt träumt liegt es sie rekelt es sich Ihr Blau Ihr Blau ist nicht eines Ihr Blau ist das Blau Es gehört ihr und sie gehört ihm Diesem Blau das träumt und schwebt und liegt und liebt Nicht ohne ein Sofa Gedichte ÜberKunst: „Michael Ramsauer: „Sofaliegende“, Mehr von Marco Sagurna unter: https://marcosagurna.de mehr auf https://www.galerielake.com. Courtesy : Courtesy: Galerie Lake, Oldenburg Marco Sagurna
Gabriele Schnars Gabriele Schnars wurde 1963 in Zeven/Niedersachsen geboren. Seit 1995 lebt und arbeitet sie in Berne im Landkreis Wesermarsch. Zwischen 1983 und 1989 studierte Gabriele Malerei/ Grafik an der staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe bei Prof. van Dülmen. Gabriele Schnars ist Meisterschülerin von Prof. van Dülmen, sie erhielt diverse Stipendien und Auszeich- nungen. Ihre Werke zeigte sie in zahlreichen Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen; ihre Bilder finden sich in öffentlichen Einrichtungen und Wirtschaftsun- ternehmen. KulturNetz: Woran arbeitest Du zurzeit? Gabriele Schnars: Während langer Spaziergänge in der Natur ist mir klar geworden, dass die Zeit für etwas Neues gekommen ist. Der Stil, in dem ich meine Bil- der entstehen lasse, wird sich ändern, meine Darstel- lung der Architektur der Natur eine neue werden. Ich bin gespannt und freue mich auf meine neuen Werke. KN: Was vermisst Du am meisten in dieser Zeit? GS: Die Art Kraft zu tanken, die ich liebe: mit Freun- den ein Glas Wein zu trinken, gemeinsame Ausf lü- ge, gute Gespräche zu führen. KN: Vielen Dank Gabriele! Mehr von Gabriele Schnars unter: Atelier Malerei/Grafik – Home (schnars.de) Hadrian 2020, Acryl, Sand auf Nessel, 60�90 cm, Repro: G. Schnars
A xel Schnell Dr. Axel Schnell ist promovierter Literaturwissen- schaftler (Doktorarbeit über Brechts ‚Baal‘), über die das Brecht-Jahrbuch in einer durchweg positiven Be- sprechung urteilte: „Dieses kleine Buch liest sich wie eine große Archäologie des Bösen“. Er arbeitete zehn Jahre als Tageszeitungsredakteur und war unter an- derem Leiter des Volkswagen-Konzern-Pressebüros Hannover. Seit etlichen Jahren lebt er als freier Autor mit seiner Familie auf einem Runenberg und schreibt Romane, in denen es immer irgendwie um „das Buchauszug: Böse“ geht. Als Ghostwriter verfasst er ganz andere Texte wie Namensartikel und Reden für Vorstände Irgendwo da draußen ist mein von DAX-Unternehmen sowie führende Politiker. Au- ßerdem schreibt er Firmen-Bücher. Axel ist Mitglied Feind. Ich werde ihn töten, wenn im Bund Deutscher Kriminalbeamter. ich ihn finde. Denn ich bin ein KulturNetz: Woran arbeitest Du zurzeit? Axel Schnell: Zurzeit arbeite ich am zweiten Teil mei- Mörder. Der Mann soll langsam ner Atlantis-Trilogie, in dem besonders bösartige Engel und üble Götter eine wichtige Rolle spielen. sterben. Natürlich könnte ich ihn Es geht in den Weltraum und die Hauptfigur ist ein Halbgott, der sein Geld als bester Auftragskiller des schneller töten, aber ich genieße Universums verdient. KN: Was vermisst Du am meisten in dieser Zeit? das, und auch die Guten haben ein AS: Ich bin ein begeisterter Taucher, die Unterwasser- welt faszinier t mich. Die Reisen zu spannenden wenig Spaß verdient. Tauchdomizilen sind es, die mir am meisten fehlen. Das Foto mit Teilen meiner Tauchausrüstung illus- Nein, nichts Ernstes, ich bin triert es! kein Psychopath. Ich morde ein- Autoren-Website: http://axel-schnell.info fach, um die Welt zu retten. Nicht, dass sie es wirklich verdient hätte, aber einer muss es ja tun. Und ich war gerade in der Nähe, als es losging, natürlich mit einer Blondine und viel Sex. Außerdem war ich wahrscheinlich betrunken. Ich heiße Wolff. Mir gehört eine miese kleine Klitsche, die vielleicht nur meine Mutter freundlicherweise Detektivbüro nennen würde. Gegenstromschwimmer Verlag, Barbing 2021 Leider ist sie nach meiner Geburt abgehauen. Ich war runter, weit runter, als mich ein Auftrag in ein kleines Fischerstädtchen in der Bretagne führte. Atlantis. Krieg der Wölfe Axel Schnell
Die Krone der Schöpfung von Axel Klingenberg Die Seuche kam aus China hierher Und alle Menschen reden nur von: und fiel in Urlaubsgebiete ein. Corona, Corona, Corona Von dort verbreitete sie sich rasch und interessierte anfangs kein Schwein. Selig der, der einen Partner hat! Die anderen stehen muckelnd in der Ecke. Dann war sie auch bei uns zu sehen Manchem reicht auch ein Knuffelkontakt – oder eben auch nicht. und einer baumelt von der Zimmerdecke. Denn das Virus ist so winzig klein – ein mieser, fieser Wicht. Die Beerdigung fand im kleinsten Kreise statt, so wie heute jedes Abschiednehmen. Und im Fernsehen sieht man: Auf dem Friedhof standen zehn Menschen am Grab, Corona, Corona, Corona ihre Trauer ist kaum zu zähmen. Die Kranken sterben still und stumm, Und die Wanduhr tickt traurig: sie können weder atmen noch schrei’n. Corona, Corona, Corona Man müsste sie auf die Straße tragen und öffentlich um sie wein’. Keine Kultur und keine Kneipe, so geht es schon seit langem. Auf den Wegen weichen einem die Menschen aus, Rettung ist noch nicht in Sicht, so wie früher nach ’ner durchzechten Nacht. wir müssen noch weiter bangen. Im Supermarkt trägt man modische Masken, für die Sicherheit sorgt die Schließ- und Wach’. Gerne würde ich auf ein Eiland flüchten, Doch der Flugverkehr ist eingestellt: Und in der Zeitung liest man: Aus der Traum von der Südsee-Insel, Corona, Corona, Corona deine Wohnung ist deine ganze Welt. Dr. Drosten mahnt zur Besonnenheit, Und im Kopf da hört man Tag und Nacht: und liefert die neuesten Zahlen. Corona, Corona, Corona Ballweg macht ein gutes Geschäft und erzählt von schlimmen Qualen. Man kann sich jetzt auch online treffen: „Wollen wir heut’ mal wieder jitsen?“ Nazis berufen sich aufs Grundgesetz, Dann haben ich und Müllers Kuh Attila erstürmt das Mikrofon. zumindest getrennt einen sitzen. Xavier zetert dazu Mordio! Und in Berlin demonstrieren 80 Millionen. Die Anette ist heute wirklich ziemlich leise, den Frank kann ich nur abgehackt verstehen. Und ein Autokorso hupt dazu: Die Beate ist sogar eingefroren Corona, Corona, Corona und Bernd, der musste offline gehen. Mit Freunden darf sich niemand treffen, Und auf dem Startbildschirm da sieht man: nur mit einem oder am besten kein’. Corona, Corona, Corona Silvester hat man still verschlafen und Weihnachten war man allein. Wir hamstern Nudeln und Klopapier, fast wie nach dem letzten Kriege. Auch wenn man andere Menschen trifft, Und halten wir die Beute endlich in der Hand weiß man sich nichts zu erzählen. schreien wir ganz leise: Ich siege. Passiert ist in der Zwischenzeit ja nichts und es wird auch nicht viel passieren. Die Seuche sorgt für Gerechtigkeit, so wollte es der gute Hirte schon: Die Reichen sind reicher und die Armen ärmer. Der Herr schuf dafür Lidl und Amazon.
Und auf dem Kontoauszug erkennt man: Corona, Corona, Corona Für Krankenschwestern haben wir viel über, vor allem warme Worte. Nur mit dem Geld da knausern wir und fahren fort mit dem Gehorte. The Beatles im Ashram In der Freizeit dürfen wir fast nichts, wie gut, dass wir zur Arbeit gehen! (Rishikesh, 1968) Nach Feierabend bleibt nur streamen und spazieren. Und das Virus bleibt vor dem Werkstor stehen. Nur bei Netflix sieht man kein: von Harro Bebert, 10.01.21 Corona, Corona, Corona das weiße Album. 8000 Kilometer von Europa… verbannt… Die Rettung naht: Astra, Sputnik, AZD Ketten Verträge. Täuschende Charts. Atmendes Nichts. umgeben – komm, wir lassen uns jetzt alle impfen! Von Dschungelgrün. Tierlaute. wo man Buddhas Schweigen erahnt Als erstes Alte, Kranke, Würdenträger! Stille. Rohmaterial für Klaviaturen. Sich mit der Silbe Om verweben Jetzt reicht’s , höre ich da andere schimpfen! Ein Jogi & seine Eleven. Opiumduft. Wogender Gewänder Gespinst... Manche Menschen haben Angst, Erlauschen den ewigen Ganges. Türkisfarben fließt er gemächlich dahin dass sie heimlich werden gechippt. Gurgelnd Klarheit, die er aus dem Blütenschnee des Himalayas gewinnt Doch die Hardware ist von Microsoft Wo Vishnu Brahma gebiert. Meditation vor dem, was aus Felsen sprießt und damit schon bald nicht mehr hip. Jedes ich trägt seine lackierte Maske... Schönheit glüht Lüge zu Asche Und im Podcast heißt es noch und noch: „Jeder hat etwas zu verbergen außer mir und meinem Affen...“ unrasiert Corona, Corona, Corona Rabindranath Tagore. Im Schneidersitz. Kletten im Bart. Keine Masche Transzendenztraining. Information stillt Laffen. Zeit die Seele kastriert Die Seuche hat uns fest im Griff. Und dieser will noch nicht mal schmerzen. „Hey Mr. Postman“ gehts auch ohne Freimachen von Briefmarken? Er ist so sanft und scheu und still, Tiger in schattigen Mangrovenwäldern der Sundarbans. Mit Zähnen er geht einem fast zu Herzen Im Gesicht. Ganeshas Elefantenköpfe. Sanft zupfen Rüssel an Saiten der Sitar das Kamasutra. Für Pilzköpfe aus einem englischen Ghetto Und irgendwann wird es dann heißen: so und so viele sind am Virus verreckt. Stahlkocheridyll. Gandhis piepsige Stimme. „All you Need is Love“ Die allermeisten jedoch haben überlebt bricht die Gitterstäbe. Rilkes Panther, wo nichts passiert. Panta rhei und der Rest hält sich noch immer versteckt. Alles in Gewissheit Erstarrte versinkt. Ihr Yellow Submarine taucht Auf. Maya, eine schöne Bajadere. Glöckchen am Fuß. Tandaradei Und aus dem Orbit tönt bis in alle Ewigkeit: Ihre schwingenden Hüften. Jahrtausende ihres gezähmten Tanz’ Corona, Corona, Corona Ohne dass die Utopie eines erleuchteten Königs, der s’ Schwert Weg warf... Sonne ward. Schach der Gier. Schach der Ignoranz Schach der Taubheit des Herzens! Ashokas irdisches Nirvana Aufscheint in John Lennons Dissonanzen. Erdbeerfelder Überwuchern Kasten. Strawberry Fields. Köstlichkeiten Für Unberührbare. Forever. Sankt Paulis Hafenkneipe Brennende Lampions dümpeln im Ganges. Ungeduld
„Zeitengewirr.99 Gedichte“ Auszüge geplanter Gedichtband, Frühjahr 2022 von Wolfgang Uster Wolfgang Uster Wolfgang Uster Wolfgang Uster Selbstbetrachtung im Fischeimer Cello Betrachtung am Wellenkamm Die glubschen Augen aus dem Schädel vorgetreten, Am Gate sechzehn A Die maximale in grauser Welt so atemlos und fischig wandelnd erscheint nach oben gerichtete durch fremde Räume, stickige Umhüllung spürend, die blinde Cellistin, Wasserspiegelauslenkung ein Zucken hilflos quält zum aufgebäumten Wollen, aufrecht, mit schaumiger Kante noch stachelnd richtet sich die spitze Rückenflosse ein edles Bild und ohne Verrenkung sinnlos zum Kampf dem unsichtbaren Feind entgegen, im Raum des Materials gebläht die roten Kiemen bis die Knochenklappen voll brausendem Klang. in die Fülle gefügt, sich knirschend nun im fremden Leibgemenge spreizen. Der schlanke Rücken pfeilschnell vom Snapper meistert und Thunfisch durchpflügt, Ganz leise fließt die Energie aus Wirbelsträngen, das schwere Gerät. den Algenschopf bürstender die warm im Loch der Rückengräte noch pulsieren, Wellenkamm schon nähert sich erschreckt das angsterfüllte Rauschen. Im tastenden Sehstock auf messerscharfer Da schlägt die Flosse, doch schon dumpf im Wahn der Sinne erfühlt sich brechender Krümmung lechzt Fisch an Fisch verträumt sein Medium ersehnend, der Weg die Menge, in glitzernder, diamantener Stimmung ein letztes Zucken hier und da ein armes Schlängeln, zaubert aus sprühenden Prismen wie einst der Cat-Fish es gewohnt an Land zu kriechen ein zärtliches Meer in brennenden Streifen und fort zu streifen durch die feuchten Tümpelketten. der Ruhe den lächelnden Körper. gebietet mir Dann ist es furchtbar still und silbrig schuppig schmiegen Schon öffnen die Wogen nun glatt und welsig wie auch an die schlaffen Flanken den Pfad Einhalt und tiefe Betrachtung, der grünen Barsche sich die Fresser und die Opfer, durch stumpfes Gebräu bewunderndes Staunen, die einstmals noch nach anderen Gesetzen fließend dann: Selbstverachtung in Wasserlachen die Begegnung sicher meidend, voll leerer Blicke, der satten Selbstverständlichkeit, einander an als fremd und friedlich Unbelebte, verstört die alles nur nimmt, als Beute nun im Tode ungewöhnlich eng umschlungen, in trüben Augen nichts versteht, nichts verzeiht. dem Fressfeind Nahrung jenseits unserer nassen Welt. sieht ein sehendes Nichts Die Welle bricht kein Wesen in tosendem Fließen: im Lichtsinn geformt, Ich möchte hinein schamlos vergeudet und das Chaos genießen! die Schwingung des inneren Bilds.
Mar tina Burandt „Der Ausgang meiner Kunst liegt im Er zählerischen“ KulturNetz: Martina Burandt lebt in Bremen. Sie arbeitet als freiberufliche Journalistin, Schriftstellerin, Yogalehrerin und bildende Künstlerin. Sie ist VS-Mitglied und arbeitet seit 2018 im VS-Vorstand mit. Martina Burandt: Mein Ausgangspunkt ist meistens der Wunsch zu erzählen, sei es in Buchstaben, Bildern, Zeich- nungen, Theater, Bewegung oder Skulptur. Ich fand es schon immer befreiend, Dingen, die mich beschäftigen, die mich und mein Leben umgeben, in ir- gendeiner Form Ausdruck zu verleihen – angefangen beim Tagebuchschreiben bis hin zum Bild oder Tanz. So finden sich in meinen Werken Geschichten – seien es M. B: Die Pixiebücher habe ich bereits in meiner Kindheit ge- erfundene, selbst erlebte oder die, die ich irgendwo erzählt liebt. Seit ich daran arbeite, finde ich immer wieder neue bekommen, aufgeschnappt oder gelesen habe. auf Flohmärkten oder bekomme welche geschenkt. Zuerst Sie sammeln sich in Büchern, Heften, auf Leinwän- übermale ich Bilder, wobei ich oft Teile sichtbar lasse, weil den und Papier – und anschließend wiederum verstaut in sie mir als Thema für meine Motive gelten – diese zeichne Schubladen, Kisten u.ähnl.“ ich oder ich collagiere oder bringe kleine Scherenschnitte darauf. Ich finde dieses kleine Format super – ich bewahre sie in Schachtel aus Holz und Metall aus, nehme sie auch gerne mit auf Reisen (mit oder ohne Wohnwagen) wo ich mich dann gerne weiter inspirieren lasse und sie weiter- bearbeite. M. B: „Diese Arbeit ist erst im Herbst 2020 in Zusammen- arbeit mit dem Bremer Künstler Zilman Rothermel ent- standen; ein sog. Vive Pauvre – in diesem Fall streich- holzschachtelgroß – zu dem mich Tilman eingeladen hat, einen kleinen Text zu erfinden und auf das vorgegebene Minibuch zu schreiben, 4-fache Ausführung: 1 Exemplar geht in eine Sammlung nach Frankreich, ein Exemplar auf einer Wanderausstellung durch die ganze Welt, eins geht zum Künstler Tilman Rothermehl zurück und eins ist wie- der bei mir gelandet. Eine schöne Sache – hat Spaß gemacht! Nachdem ich meinen Text erdacht und aufgeschrie- Verschiedene Motive – meist Text und Motiv – aus Künstler* ben hatte, gingen die Büchlein aber zuerst an Tilman innenbücher unterschiedlicher Formate sowie Ausstellungs- zurück – davon inspiriert illustrierte er sie. präsentationen Repros: Martina Burandt Pixiebücher übermalt Abbildungen: Vive Pauvre Diverse
Unter ungewöhnlichen gestellt, aber auch zu mir und meiner Arbeit. Insge- Umständen – samt war es in dieser kulturarmen Zeit eine schöne Abwechslung für beide Seiten. Eine Lesereihe in einem Eine Mitteilung über das innovative Projekt an die örtliche Presse sowie das NDR Studio Braunschweig Pflegeheim zu Corona-Zeiten verpuffte leider im Nirvana der Redaktionen, obwohl auch dieses kleine Kulturangebot in einem der gerade schwer leidenden Pflegeheime es wert gewesen wäre, von Hardy Crueger, Februar 2021 diese Idee zu verbreiten. Das Interesse ist da (siehe oben). „Ein wunderbares Beispiel für ein virtuelles Lockdownange- bot im Pflegeheim liefert der Schriftsteller Hardy Crueger, der für die Bewohner im Pflegeheim ST. THOMAEHOF eine Livestream-Lesung abhielt, die von einer Alltagsbegleiterin organisiert wurde! Man fragt sich natürlich als Professioneller (Alltagsbeglei- ter, A.d.A.): hat das funktioniert? Ist es nachahmenswert? Was könnte anders/besser gemacht werden? Auf jeden Fall zunächst mal HUT AB vor der grandiosen Idee, sowas über- Veranstaltung zum Thema haupt auszuprobieren!“ Das meinte zumindest der Betreiber der facebook-Seite: Urheberrecht „Betreuungsalltag. Ein kritischer Blick hinter die Kulissen“ zu der Lesereihe, für die ich im Januar 2021 seitens der All- tagsbegleitung in einem Braunschweiger Pflegeheim ge- VS Niedersachsen/Bremen und das Bremer bucht wurde. Literaturkontor luden zum Webinar Natürlich war ich skeptisch, denn meine bisherigen Er- fahrungen mit der Video-telefonie oder Video-Konferenz- Was müssen Autor*innen beachten, wenn es um das Schaltungen via Internet waren nicht die besten. Ruckelnde Thema Urheberrecht geht? Wie steht es mit Trade- Bilder mögen noch erträglich sein, aber abgehackte, unvoll- marks, Zitaten, Songtexten oder Querverweisen auf ständige Sätze, gerade wenn die Dramatik in einer Story kul- die Texte anderer? Wo werden nur ähnliche Ideen be- miniert, sind natürlich furchtbar. Aber egal – die Lesungen spielt und wo ist die Grenze zum Plagiat? Gibt es ver- sollten honoriert werden und das ist in Zeiten physischer steckte Stolpersteine? Und was können Autor*innen Auftrittsverbote ein gewichtiges Argument. tun, wenn ihre eigenen Texte unrechtmäßig von Drit- Initiatorin war Frau Christina Jasper, die Leiterin des Pflege- ten verwendet werden? heims St. Thomaehof, die auch das Honorar bewilligt hat- Am Mittwoch, 7. Oktober 2020, um 20 Uhr luden te. Nach ersten Gesprächen planten die Organisatorin und der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schrift- ich folgende Lesereihe: An jedem der vier Montage im Ja- steller (Landesverband Niedersachsen/Bremen) und nuar sollte ich mich ab 15:30 bei Skype einwählen und den das Bremer Literaturkontor zu einem Webinar zum Bewohner*innen ca. 40 Minuten vorlesen. So bekamen die Thema „Urheberrecht für Autor*innen“. Gäste insgesamt neun meiner seichteren Okergeschichten- Valentin Döring (Bereichsleiter Kunst und Kultur zu hören, Kurzkrimis, die an oder sogar auf dem hiesigen bei ver.di und Experte für Urheberrecht) gab eine kur- Flüsschen Oker spielen. Was sich als eine gute Wahl heraus- ze Einführung in die Thematik und stand anschließend stellte, weil das Vorlesen einer Story nur zwischen zehn und für Fragen zur Verfügung. Die Moderation übernahm dreißig Minuten dauert und der Spielort den Zuhörer*innen Janika Rehak (Vorstand VS Niedersachsen/Bremen bekannt ist. und Mitglied im Literaturkontor Bremen). Die Fragen Das Heim verfügte bereits über die entsprechende der Teilnehmer*innen bezogen sich teilweise auf sehr Technik – Laptop, W-Lan, Beamer und Leinwand – ich las konkrete Erfahrungen oder auf aktuelle Projekte, ei- also bequem von Zuhause aus und mein Konterfei wurde niges ergab sich jedoch auch spontan als Rückfrage im Gesellschaftsraum auf eine Leinwand projiziert, wo sich zum Vortrag oder aus allgemeinem Interesse. Die die Mitglieder einer Wohngruppe mit Abstand versammeln Veranstaltung dauerte knapp zwei Stunden. Von vie- durften. Skype ruckelte ab und zu, aber insgesamt kamen len Teilnehmer*innen gab es im Anschluss positives die Lesungen gut an. Ich fragte mehrmals, ob der Ton in Feedback. dem VS (Landesverband als Kooperationsprojekt Die Veranstaltung fand Ordnung sei und dann ging es auch schon los. Nach jeder Literaturkontor und Story wurde applaudiert, es wurden Fragen zu den Krimis Niedersachsen/ Bremen) statt. vom Bremer
Sieben Segel später – Buchbesprechungen Lyriklesung mit Musik Hans Kruppa: Ein Lächeln für jeden Tag. Ich hörte dich sagen, es sei Gedichte, Märchen und Gedanken Über dem See, ein Sturm Und unten am Grund, ein Lied Die Bücher, die Hans Kruppa schreibt, sind Wohlfühlbücher. Das dem Sturm den Rhythmus leiht Die wunderbar liebevolle Gestaltung, die der Coppenrath Und aufsteigt in ihm (...)“ © M.Burandt Verlag ihnen zuteilwerden lässt, tut ein Übriges, das Wohl- gefühl zu unterstreichen. Sieben Segel später“, so der Titel der jüngsten Lyriklesung Ein Lächeln für jeden Tag – wer für uns könnte das nicht von Martina Burandt, geht das Leben immer noch seinen gebrauchen? Gang – weiter und weiter, immer weiter. Auch in Zeiten von Flucht, Vertreibung, Klimawandel und Pandemien gibt es Ein gutes Gedicht kein Ende des Lebens – nur Veränderung, ständiger Wandel, schafft immer ein hilfreiches Gegengewicht. Transformation., Man muss es nur auf die Gemütswaage legen – Martina Burandt ist eine Autorin, die hinhört, hinschaut, und schon entfaltet sich sein Segen.“ hinfühlt.“ So beschreibt sie eine Kollegin. In der „Villa Spon- (aus: Ein gutes Gedicht) te“ stellte sie nicht allein Lyrik aus ihrem ersten Buch „Ihre seidenen Flügel an Wäscheleinen“ (Verlag Omnino, Berlin) Die Gemütswaage – welch schönes Bild! Wenn die Stim- vor, sondern las auch Werke ihrer neuen Sammlung, die bald mung die eine Schale der Waage sinken lässt, bringt ein gu- Platz in einem zweiten Lyrikband finden sollen. tes Gedicht auf der anderen Seite alles wieder ins Lot. Wer Es war ein unsicheres „Wackeln“ bis zum Schluss, ob denn hätte nicht Freude an Lyrik, die das vermag? die Lesung der Bremer Künstlerin und Schriftstellerin in der stimmungsvollen „Villa Sponte“ am Bremer Osterdeich noch Offenbarung stattfinden kann. Denn im Oktober gingen die Covid19-In- fektionszahlen, wie erwartet, wieder in die Höhe. Doch noch In scheinbar kurz vor dem Start des zweiten Pandemie-Lockdowns konnte grundlosem Lächeln die Veranstaltung am 22. Oktober über die Bühne gehen. offenbart sich Unter den eingehaltenen Abstandsregeln gewährte Ida Büs- die Natur der Seele. sing von der „Villa Sponte“ knapp zwanzig Besucher*innen den Einlass und die Veranstaltung war ausverkauft. Hans Kruppa schafft es, Gedankentiefe leichtfüßig daher- Aufmerksam folgte das Publikum der Textauswahl, die in kommen zu lassen: „Und alles fließt, fließt über/ist sich fünf verschiedene Themenbereiche wie „In den Zeiten von mehr als genug“ [Grenzenlose Weite]. Niemals sind seine C.“, „Liebesbriefe“, „Vergänglichkeit“, „Kleine Fluchten“ und Texte bemüht, nicht um Wirkung, nicht um Aussage um ih- „Gehen oder Bleiben“ eingeteilt war. rer selbst willen. Dieser Dichter lebt das, was er schreibt, Zwischen diesen Kapiteln wurde die Lesung vom Duo er lebt und wirkt in seinen Texten, nicht für sie, nicht für „2Cale“ (Olaf Liebert und Karin Gerhard) mit Bass, Akustik- das Schreiben: für seine Anschauungen und Erfahrungen, Gitarre und Ukulele begleitet. Mit einer passenden Musik- die das Leben ihm beschert, und deren Beschreibung ihm auswahl machten die Akteur*innen die gut einstündige Ver- später aus der Feder fließt. anstaltung zu einer gelungenen Klang-Fusion aus Text und Musik. Überall und jederzeit Dazu gab es eine Buchauswahl auf dem Büchertisch der Buchhandlung Buntentor, dessen Inhaber Sven Odens sich Glücklich ist, wer sich selbst erkannt hat. für die Unterstützung der Lesung durch den Förderverein Er sucht das Glück nicht mehr, denn es findet statt – Buch eingesetzt hatte. Ein insgesamt stimmungsvoller an jedem Ort, in jedem Augenblick. Abend, der lange nachhallt. Sich selbst wirklich zu kennen, bedeutet Glück. Ihre seidenen Flügel an Wäscheleinen. Hans Kruppa hat dieses Glück gefunden, und er lässt seine 170 Seiten, ISBN 9783958940963 Coppenrath Verlag, Münster 2021 Vom Kommen – Bleiben – Gehen Gedichte, Märchen & Gedanken Leser*innen daran teilhaben. „Kleine Schätze am Weges- www.martinaburandt.de oder: Autor | Literaturhaus Bremen Überall im Buchhandel oder rand“ lautet eine Kapitelüberschrift in diesem Buch. Krup- Weiteres siehe auch unter: (literaturhaus-bremen.de) 16,99 € (E-Book 14,99 €). pas umfassendes Werk möchte ich als großen Schatz be- Ein Lächeln für jeden Tag www.omnino-verlag.de zeichnen, den zu heben sich lohnt. Martina Burandts Sabine Prilop 157 Seiten, 12,95 € Hans Kruppa
195 Seiten, 10,16 € © Christel Mey Verdichtete Gedanken Auf den Flügeln bunter Träume Christel Mey Christel Mey. Auf den Flügeln bunter Träume. Verdichtete Gedanken. Verdichtete Gedanken – so lautet der Unterti- Gelernt, in mich selbst zu verkriechen“ – tel des Buches von Christel Mey. Am Telefon (das fehlende „mich“ nehme ich als erzählte mir die Autorin, dass dieses für sie Ausdruck künstlerischer Freiheit – diese wichtige Buch ihr Leben in Lyrik und einigen Aussage charakterisiert die Texte dieses Prosatexten erzählt. Buches trefflich. Christel Mey deutet an, Gelernt, in mich selbst zu verkriechen, er- bleibt vage, „in sich selbst verkrochen“. kennen auch meine Kinder mich nur teilwei- Leser*innen, die ihre Biografie nicht se“ erfahren wir in einem der ersten Prosa- kennen, lassen die „Lebenstexte“ oft texte und damit, dass die Autorin Kinder hat. ratlos zurück. In der Fotografie gibt es Das greift der Lebenserzählung weit vor, er- die Definition: zeige ich ein Bild, das für scheint mir allerdings wie ein Schlüsselsatz. mich mit Erinnerungen, Emotionen be- Davon später mehr. haftet ist, ist es ein besonderes Bild – für Wie geht es weiter im Text? Mit der Schil- mich. Für den fremden Betrachter bleibt derung einer Kindheit in Kinderheim und/ es stumm, wenn es nicht gelingt, diese oder Internat und einer schwierigen Mutter- Emotionen zu transportieren. So ähnlich Tochterbeziehung. Unvermittelt folgen Ge- ergeht es mir bei den Texten in diesem dichte über die Liebe, dann wieder Sequen- Buch: Dinge werden geschildert, nicht zen aus der Kindheit, einer pubertären Flucht gezeigt. Sie würden vielleicht berühren, aus dem Elternhaus; wieder Gedichte, die Ein Prosatext fasst das Zu- wenn man die Emotionen lesen könnte, sich um einen Mann drehen. Dieser Mann sammenleben mit diesem Mann die sie begleitet haben. So bleibt das so fährt dann offenbar mit einer Nebenbuhlerin zusammen. Der Titel „Schein- omnipräsente „Ich“ in seinem Versteck. in Urlaub, was eine Trennung zur Folge hat, bar geborgen“ lässt schon ah- Warum ich das Buch dennoch emp- wie man in die folgenden Gedichte über das nen, wie es endet: Mit der Schei- fehle? Weil in den Texten Lebenserfah- Verlassen, Verlassensein und die Trauer darü- dung. Davor liegen Jahre, in rung steckt, die Menschen, die Ähnli- ber hineininterpretieren könnte. denen Kinder geboren wer- ches erfahren haben, aufhorchen lassen In einem Prosaeinschub schildert Mey den (ein Schock: „Zu früh“ be- können, weil zu spüren ist, dass die Au- „Wie das Malen begann“. Leser*innen erfah- schreibt ein totes Kind) und ein torin an ihre Texte glaubt – und weil das ren, dass die Autorin sich auch als Malerin Leben mit vielen Annehmlich- Buch Anstoß sein kann, sich mit dem betätigt (hat?). Dann: ein Gedicht über das keiten (Domizil auf Teneriffa, Leben von Christel Mey zu beschäftigen, Meer, zwei über Liebesbegegnungen (selbst Wohlstand). Doch der Autorin das ein durchaus interessantes Leben erfahrene?). fehlt es an körperlicher Nähe, war und ist. Ein erneuter Prosaeinschub: „Der Weg der ein Ehebruch lässt sich aus Sabine Prilop Stimme“. Hier ist zu lesen, dass die Autorin dem Text herauslesen, schließ- ein Gesangsstudium absolviert hat und die lich lässt sie sich scheiden. Ein Kammersängerin Erika Köth – den Älteren neuer Mann, der sie betrügt. durchaus noch ein Begriff – ihre Lehrerin Wieder ein neuer Partner. Lie- gewesen ist. Ihr widmet die Autorin im An- besgedichte. Ehepläne deuten schluss einen lyrischen Text: „Erika“. „Im sich an, und tatsächlich: Ein Rampenlicht“ erzählt, dass die Verfasserin als weiterer Prosatext beschreibt Sängerin auf der Bühne gestanden hat. Wie- die Hochzeitsfeier. In der Folge: der einige Liebesgedichte, Episoden aus dem lyrische Texte über die Ehe, Ehe- Beisammensein mit einem Mann. Eine Liebe, probleme, die Aussicht auf eine die offenbar der Tod beendet „Das letzte Ge- Silberhochzeit. spräch“. Trauer, erneute Liebessehnsucht, ein Nicht versäumen möchte ich neuer Mann, der in das Leben tritt. zu erwähnen, dass zwischen den Lebenschilderungs- (andeu- tungs?-)texten Lyrisches steht, dass allgemeine Themen be- handelt, diese beinhalten kein lyrisches Ich, ebenso wenig wie die „Lebenstexte“: dort steht das Ich für die Autorin.
Hans-Helmut Decker-Voigt Bücherkiste Ein besonderes Stück Zeitgeschichte Neuerscheinungen der VS-Mitglieder Eine Kolumne kann ihren eigenen Charme haben. 1499 Kolumnen, Hans Kruppa jeden Dienstag pünktlich und über alle Hindernisse hinweg der Ein Lächeln für jeden Tag Allgemeine Zeitung der Lüneburger Heide geliefert, müssen dazu Gedichte, Märchen & Gedanken noch Selbstbewusstsein besitzen, wenn sie inmitten der chamä- Coppenrath Verlag, Münster 2021 leon-gleichen Medienwelt bestehen und unangefochten 40 Jahre am Platz bleiben wollen. Chris tel Mey Das ist umso wichtiger, als ihre Inhalte sich erlauben, Famili- Auf den Flügeln bunter Träume enfama, Begegnungen, Beobachtetes, Ärgernisse, Irrtümer, Faux- Verdichtete Gedanken Pax’s, oft, oft von ironischen Randbemerkungen flankiert, in Kurz- ISBN 9798553886851 form so zu inszenieren, dass man ihnen nicht entkommt. Kindle Direct Publishing (amazon), 2020 Da kann in der Kolumne „Anfall von Romantik“ Mörike im Ver- ein mit den Vögeln Autobahnlärm und Traktoren übertönen. De tlef M. Pl aisier Das können Hühner weinen über zu teure Impfgebühren. Grenzgänger | Over de grens Da wird ein falsch interpretiertes Ultraschallbaby zum Satelliten. Eine Biografie aus dem Rheiderland. Da kommen hungrige Studenten auf die Idee, die grausamen Zweisprachig Deutsch / Holländisch. Kochkünste ihrer Zimmerwirtinnen zum Genuss zu erheben. edition Kronzeugen, Westrhauderfehn 2020 Da spielen sich Eltern beim Kindergeburtstag ihrer Sprösslinge halb zu Tode. Sabine Prilop Da macht man sich Gedanken, warum eine Sanitär-Warte- Die Kraft der Kräuter für Frauen schleife Mozarts Nachtmusik spielt und ein Heiratsinstitut Schi- Sachbuch / Ratgeber wagos Lara-Motiv. Beuroner Kunstverlag, Beuron 2021 Oder darüber, ob GOTTES Schöpfungs-Marathon schuld daran ist, dass Mistkäfer voll-kommener sind als Menschen. A xel Schnell Oder ob eine zugeflogene Taube auf der Kanzel die Predigt auf- Atlantis. Krieg der Wölfe möbeln kann. Phantastische Literatur Und die Hasch-Pflanze im Erntedankstrauß unterm Altar mehr Gegenstromschwimmer Verlag, Barbing 2020 bewirken wird als die Möhren und Gurken. Weil man eineinhalbtausend Kolumnen aus 40 Jahren nicht Atlantis. War of the Wolves hintereinander weg lesen sollte, hat HHDV sie vorsortiert. Aber Gegenstromschwimmer Verlag, Barbing 2020 auch dann genießt man sie durch Herauspicken mehr. So entdeckt man auch besser die kleinen Sprachschöpfungen des Autors: Freundschaften und Cromwells Kopf Missbrauchsanweisungen. Be-gutachten, nicht be-schlechtachten. Philosophische Unterhaltungsliteratur Brand-aktualisieren. BookRix, München 2020 „Corona“ als Thema kann erst dieses Jahr durch HHDVs Kopf gegangen sein und hat gleich Kolumnen über das Luft-Anhalten, Krupp. Expos und PR-Pioniere über die ursprünglichen Wertschätzungen des Begriffs „Krone“, Industrie-, Expo- und Kommunikationsgeschichte über selbstbestimmtes Handeln oder über verschwundene Mün- BookRix, München 2020 der ausgelöst. Aber das Schmunzeln verebbt diesmal, denn der Musiktherapeut, Wissenschaftler und Romanautor ist auch ein Engel aus Staub Freund mit viel Menschenkenntnis und Taktgefühl. Drama in zehn Runden Seine Lieblingsheilige ist Theresa von Avila, weil sie ihn weg von BookRix, München 2020 Selbstdarstellung und hin zu so mancher Pointe geführt hat. Sie möge ihn weiter so verlässlich dabei begleiten, den 10. Aktenband mit Kolumnen zu füllen. Eva Korhammer Erschienen in der Allgemeinen Zeitung Leben mit Kolumnen 1980-2020 Hans-Helmut Decker-Voigt Becker Verlag, Uelzen 2020. ISBN 978-3-920079-63-9 der Lüneburger Heide Immer dienstags 14,80 €
Kultur.Net z –Zeitsch rift der ver.d Herausgeb i er: Vereinte Dienstleis Landesbe tungsgewer zirk Niede kschaf t (v rsachsen-B er.di) Goseriede re men | Fach 10 , 30159 H gruppe 8 (M annover edien, Kuns Redak tion: t+Industri Sabine Prilo e) , p, Huntew Telefon : 0 eg 2 b, 370 551 / 7 70 12 81 Göt tinge 42 , E- Mail: n, Fotos: Mar kontak t@ tina Buran sabine -pri dt , Ralf La lop. de Satz und Ti ke , Sabine telgestaltu Prilop, Gab ng : Mat th riele Schn Druck : Uni ias Langer ars, W. Steg druck Han , Varel (ml@ emann nover, Tel.: mat thiaslan Die Recht 0 511 / 7 0 0 ger.net) e an den ei 00 00 nzelnen B eingesandt eiträgen lie e Artikel un gen bei de d Bilder üb n Verfasse Gezeichne ernimmt di rn . Für unve te Beiträge e Redak tio rlangt stimmen ni n keine Ve Die nächst cht immer rant wor tu e KulturNet mit der M ng. z-Ausgabe einung de Redak tions erscheint r Redak tio schluss is im Juni 20 n überein. t der 15 . M 21. ai 2021. Error 404 Aus unserer Reihe „Zurecht übersehene Künstler“. von Achim Engstler Wadland Hüner, sein Geburtsjahr verschweigt er, aber sche geben. Da setze er an. Wäre die Unbestimmtheit die Quersumme seines Alters sei zehn, ist Bildhauer. einmal aufgespürt, gehe der Rest wie von selbst: Ein Jeden Morgen geht Hüner zum Kiosk zwei Ecken weiter IRRBAU entsteht, eine falsche, von der Bausatz-Bau- und erwirbt dort ein Überraschungsei, dessen braunwei- anleitung gleichwohl zugelassene Konstruktion. So ße Schokoladenschale er, wieder zuhause angekommen, könne aus einem Propellerflugzeug schon mal ein frühstückt. Anschließend öffnet er die gelbe Innenverpa- Fliegenpilz werden. Betrachte der Betrachter nicht ckung, was manchmal knifflig wäre. Enthält das innere Ei nur das Modell, sondern zugleich die Bausatz-Bau- eine der sogenannten Gimmick-Figuren, wirft er sie in den anleitung, die er seinen Modellen stets beilege, führe Briefkasten seiner Nachbarin. Die hat schon eine ganz das zu manchem Aha-Erlebnis. Kunst muss provozie- schöne Sammlung, sagt Hüner und schmunzelt. Birgt der ren, so Hüner. Plastikdotter jedoch einen Bausatz, macht er sich an die Ob sich davon leben lasse, fragen wir. Wadland Hü- Arbeit. ner verneint. Darauf komme es nicht an. Erfolge kann Hüners Kunst besteht darin, jeden Überraschungsei-Bau- er dennoch verbuchen. So hatte er letzten Herbst un- satz falsch zusammenzubauen. Das bedarf höchster Kon- ter dem Titel Uovo Indeterminativo eine nette Aus- zentration, denn die Bausätze seien ja, wie Hüner betont, stellung in der Cassa di Risparmio, Pavia, und wird im für Kinder ab drei gedacht, denen Enttäuschungen erspart Frühjahr einige seiner Irrbauten in der Kreditabteilung werden müssten. Deshalb wäre falscher Zusammenbau von der Volksbank Gütersloh-Kattenstroht präsentieren. seiten des Herstellers, der Ferrero S.p.A., geradezu ausge- Hüners größter Wunsch ist bisher allerdings unerfüllt schlossen. Er sage nur Urvertrauen. In jeder Bausatz-Bauan- geblieben: dass Ferrero ihm eine Abmahnung schickt. leitung gebe es jedoch eine Unbestimmtheit, wie klein und Dann geht’s los, sagt Hüner. scheinbar belanglos auch immer. Bausatz-Bauanleitungen Nach dem Gespräch besteht der sympathische seien letztlich Algorithmen, formale Systeme also, jedes for- Künstler darauf, uns an seinem Kiosk ein Ü-Ei zu kau- male System weise aber, wie der große Logiker Kurt Gödel fen, das er, nach langwierigem Schütteln und Beklop- gezeigt habe, Unbestimmtheit auf. Es gibt im System wah- fen, für ein Bausatz-Ei erklärt. Porsche Panamera aus re Sätze, die mit den Mitteln des Systems nicht bewiesen der limitierten Sonderedition? Gegebenenfalls bitte werden können. Wenn es aber unbeweisbare wahre Sätze Bescheid geben. Wir öffnen das Ei, als er außer Sicht- gibt, muss es auch, erklärt Wadland Hüner, beweisbare fal- weite ist. Ein Nachtwächterschlumpf.
Sie können auch lesen