DAS THEATER FESTIVAL 30. April - 9. Mai 2021

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DAS THEATER FESTIVAL 30. April - 9. Mai 2021
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                                             APRIL 2021 05 THEATERZEITUNG   1

SPIELZEIT 2020|21    HEIDELBERGER STÜCKEMARKT

                                         I TA L
   DAS                             D I G
   THEATER
   FESTIVAL
   30. April – 9. Mai 2021

                          www.heidelberger-stueckemarkt.de
DAS THEATER FESTIVAL 30. April - 9. Mai 2021
2       05 THEATERZEITUNG APRIL 2021                                                                                                                             NETZMARKT

NETZMARKT

Theater zwischen Zoom,
Gaming und Film
Kuratorin Lea Goebel über die Auswahl der »Netzmarkt«-Produktionen

»A
            successful experiment in sub-
            jective storytelling«, schrieb die
            New York Times Anfang des
Jahres über den digitalen Theaterabend
»werther.live«. Das neu gegründete Kollek-
tiv punktlive denkt digitales Theater als
neue Kunstform und holt Goethes Brief-
roman mithilfe von Zoom, eBay-Kleinan-
zeigen und WhatsApp-Nachrichten in die
Gegenwart. Während des Live-Streams
tauschen die Zuschauer*innen dank Wer-
thers Desktop in seine Welt und die Figu-
renkonstellationen ein: Jeder Ordner, je-
des Hintergrundbild und jeder offene
Reiter des Internetbrowsers ist von Be-
deutung für die Narration, ebenso die
fiktiven Instagram-Profile der Figuren,
mit denen man in Kontakt treten kann.
Punktlive fusioniert in diesem klassi-
schen Stoff Social Media mit Film und
                                                 »werther.live«                                                         »Homecoming«, Foto Barbara Lenartz
Theater und bringt ihn in eine neue Er-
zählform.
                                                 Sehnsucht nach Theater erzählt und nach
Eine auch eher unbekannte Erzählform
                                                 den Anforderungen an Räume fragt, in
                                                                                                                                                »werther.live«
haben machina eX für ihr Projekt »Home-                                                                                                         9. Mai 2021, 18.30 Uhr
                                                 denen Frauen sich frei bewegen, entwi-
coming« gewählt. Das Kollektiv arbeitet
                                                 ckeln und emanzipieren können. Der ei-
seit Jahren an der Schnittstelle von Thea-
                                                 gens für die Kopfhörer produzierte Sound
                                                                                                                                                »Home­coming«
ter und Gaming. Nun haben sie sich für                                                                                                          4. Mai 2021, 17.00 und 20.00 Uhr
                                                 sticht dabei hervor.
den Messenger Dienst Telegram ent-
schieden. Ein Abend, der sehr auf Inter-                                                                                                        »A Room of Our Own«
aktion, auf mitchatten, recherchieren und                                                                                                       4. Mai 2021, 20.30 Uhr
mitraten ausgelegt ist und sich inhaltlich                                                                                                      Streaming
mit den physischen und psychischen Fol-                                                                                                         www.theaterheidelberg.de
gen der Pandemie auseinandersetzt. In
diesem Online-Escape-Room scheint die
EU-Behörde Euravoid, mit dem SHEL-
                                                   Wer entscheidet über die Preise?
TER-Schutzprogramm einen neuen Lö-
sungsansatz geschaffen zu haben: Sie               Die Jury des Heidelberger Stückemarkts
lockt mit vereinfachtem Zugang zu prä-
ventiven Maßnahmen, um besser durch
die Pandemie zu kommen. Doch welchen
                                                   Mitglieder der Jury beim 38. Heidelberger Stückemarkt sind Björn Hayer, Stefan Horn-
Preis sind wir als Zuschauer*innen dafür           bach, Laura Linnenbaum, Carola Unser und Jürgen Popig. Die Jury vergibt den deutsch-
bereit zu zahlen?
»Eine Frau muss Geld und ein eigenes
                                                   sprachigen und den internationalen Autor*innenpreis, den Nachspielpreis sowie ge-
Zimmer haben, um schreiben zu kön-                 meinsam mit der Jugendjury den Jugendstückepreis.
nen«, so Virginia Woolf 1929 in ihrem
Essay »A Room of One’s Own«. Diese                 Björn Hayer ist Germanist, Universitätsdo-   Leiche« war für den Heidelberger Stücke-      Jürgen Popig ist seit 2011|12 Leitender
Forderung scheint in der aktuellen Situa-          zent, Autor verschiedener Bücher und ar-     markt nominiert, gewann den Osnabrücker       Schauspieldramaturg am Theater und Or-
tion dringender denn je. Das Perfor-               beitet als Theater- und Literaturkritiker    Dramatikerpreis und wurde zu den Auto-        chester Heidelberg und künstlerischer Lei-
mance- und Medienkunstkollektiv                    unter anderem für SPIEGEL Online, NZZ,       rentheatertagen Berlin eingeladen.            ter des Heidelberger Stückemarkts.
Swoosh Lieu hat für den Mousonturm in              Deutschlandfunk Kultur, Freitag und Thea-    Laura Linnenbaum inszeniert seit 2011 als     Carola Unser leitet seit der Spielzeit
Frankfurt eine audiovisuelle Bearbeitung           ter der Zeit.                                freischaffende Regisseurin. 2017 und          2018|19 gemeinsam mit der Regisseurin
des Essays, eine »Vorstellung für Browser          Stefan Hornbach arbeitet als Schauspieler    2019 wurde sie von der Zeitschrift Theater    Eva Lange als Intendantin das Hessische
und variables Publikum« erarbeitet. Ein            und Theaterautor. Sein Stück »Über meine     heute als Regisseurin des Jahres nominiert.   Landestheater Marburg.                JP
technisch versierter Kurzfilm, der von der
DAS THEATER FESTIVAL 30. April - 9. Mai 2021
HERZLICH WILLKOMMEN                                                                                                      APRIL 2021 05 THEATERZEITUNG        3

HERZLICH WILLKOMMEN!

Sveiki atvykȩ!
»D
            ie Wirklichkeit wird brüchig     tor*innenwettbewerb und in aufregenden
            und die Welt bekommt Risse.      Gastspielen aus Vilnius zeigt der Heidel-
            Dahinter tun sich Abgründe       berger Stückemarkt in diesem Jahr Ge-
auf, die das bequeme Leben zu verschlin-     schichten aus dem »Regenland«.
gen drohen.« So begann das Grußwort,         Apropos Digitalität: Neu im Stücke-
das wir für 2020 geschrieben hatten.         markt-Programm ist ein eigenes digitales
Was damals ein allgemeines Lebensge-         Programm, der »Netzmarkt«. Hier präsen-
fühl ausdrücken sollte, ist durch die Pan-   tieren wir drei beispielhafte, sehr unter-
demie unerbittliche Realität geworden.       schiedliche Möglichkeiten des Theaters im
Der Heidelberger Stückemarkt 2020            digitalen Raum. Ein Format, das nicht nur
musste, bis auf den Autor*innenwettbe-       durch die Pandemie immer mehr an Be-
werb, ausfallen – erstmals in der Ge-        deutung gewinnt und dessen enormes
schichte des Festivals. Das soll in diesem   künstlerisches Potenzial wir erst zu entde-
                                                                                              Liebes Publikum,
Jahr anders sein. Der Heidelberger Stü-      cken beginnen. Gehen Sie mit uns auf Ent-
ckemarkt 2021 findet statt, wenn auch        deckungsreise! Herzlich willkommen!
anders als gewohnt.                          Holger Schultze, Intendant
                                                                                              Der 38. Heidelberger Stückemarkt wird ein digitales Festival. Das
Das Gastland Litauen präsentiert sich        Jürgen Popig, Künstlerischer Leiter
aufgrund der Corona-Krise digital. Seit      Felix Heimbach, Produktionsleiter und            stellt uns alle vor ganz besondere Herausforderungen. Zunächst
Jahren macht Litauen durch eine innova-      künstlerische Mitarbeit
                                                                                              die eingeladenen Theater, die ihre Produktionen nun als Live-
tive und lebendige Theaterszene auf sich     Giedrė Liugaitė, Kuratorin für das Gastland-
aufmerksam. Beim internationalen Au-         programm                                        Streams umzusetzen haben. Für die Bereitschaft dazu danke ich
                                                                                              schon mal ganz herzlich allen Beteiligten, speziell auch den tech-
                                                                                              nischen Abteilungen der eingeladenen Häuser. Besondere Heraus-
                                                                                              forderungen kommen aber auch auf uns zu, das Theater und Or-
                                                                                              chester Heidelberg als Gastgeberin und Veranstalterin des
                                                                                              Stückemarkts. Und nicht zuletzt sind Sie, das Publikum, gefordert.
                                                                                              Statt in den Zwinger, in den Marguerre-Saal, den Alten Saal oder
                                                                                              auf den Theaterplatz zu kommen, können Sie sich in diesem Jahr
                                                                                              eine Auswahl der eingeladenen Stücke ganz bequem zuhause an-
                                                                                              sehen. Aber bitte nicht verpassen!
                                                                                              Auch beim digitalen Stückemarkt gibt es die gewohnten Publi-
                                                                                              kumsgespräche nach jeder Lesung und nach jedem Gastspiel. Sie
»A Room of Our Own«, Foto Swoosh Lieu
                                                                                              können live aus Ihrem Wohnzimmer daran teilnehmen. Es wird eine
                                                                                              extra Chat-Moderation eingerichtet für die Beiträge und Fragen aus
                                                                                              dem Publikum. Und natürlich können Sie auch in dieser 38. Fes-
                                                                                              tival-Ausgabe über den Publikumspreis abstimmen, und zwar auf
                                                                                              unserer Homepage. Ich bin schon sehr darauf gespannt, welches
                                                                                              der sechs deutschsprachigen und drei litauischen Stücke die meis-
                                                                                              ten Publikumsstimmen gewinnen kann und den Preis des Freun-
 Neu: SWR2 Hörspielpreis                                                                      deskreises erhält!
 Erstmals kooperiert der Heidelberger        Philosophie, Theater-, Film- und Fern-
                                                                                              Sie sehen also: Der Stückemarkt 2021 findet statt. Es wird alles
 Stückemarkt mit dem Südwestrundfunk         sehwissenschaft an der FU Berlin. Dra-
 und lobt einen neuen Preis aus: den         maturg am Schauspiel Essen, Ausbil-              etwas anders als sonst. Aber nicht weniger schön!
 SWR2 Hörspielpreis. Er geht an eins der     dung zum Funkregisseur und ab 1994
                                                                                              Ihr
 für den Autor*innenpreis nominierten        Hörspieldramaturg beim Hessischen
 Stücke, ist mit 5.000 Euro dotiert und      Rundfunk. Seit 2011 Chefdramaturg
 wird vom SWR2 als Hörspiel produziert.      beim SWR Hörspiel. Verantwortlich für
 Die Ursendung erfolgt beim nächsten         vielfach preisgekrönte Hörstücke sowie
 Stückemarkt. Für den Hörspielpreis wird     für Großprojekte wie Raoul Schrotts
 die Jury ergänzt um den Chefdramatur-       »Die Ilias des Homer«, »Ulysses« nach
 gen beim SWR Hörspiel, Manfred Hess.        James Joyce und »Gravity’s Rainbow«
 Manfred Hess studierte Germanistik,         nach Thomas Pynchon.                             Holger Schultze
DAS THEATER FESTIVAL 30. April - 9. Mai 2021
4       05 THEATERZEITUNG APRIL 2021                                                                                                     GASTSPIELPROGRAMM I

GASTSPIELPROGRAMM I

Realität oder Reality?
Über Blicke und Blickwinkel auf die Gesellschaft
Informationen lassen sich heute so einfach und schnell beschaffen wie noch nie –
das verlangt jedoch eine neue Form des Umgangs mit ihnen.

S
       eit Corona hat sich unser Leben na-     zerische Schauspielerin legt in »Ich
       hezu komplett ins Digitale verlagert.   bin‘s Frank« von den Münchner Kam-
       Doch schon vor der Pandemie konn-       merspielen eine bezaubernde Perfor-
ten wir rasante Umschwünge in vielen Be-       mance hin, in der sich die Welten zwi-
reichen des täglichen Lebens beobachten:       schen erträumter Fan-Fantasie und
ob in Politik oder Unterhaltung – die Kom-     Wirklichkeit vermischen.
munikation hat sich in den letzten Jahren
stark gewandelt und dadurch auch die           Abseits der visuellen Medien lässt sich
Gesellschaft als solche. Im Zuge dessen        aber zudem ganz aktuell eine weitere star-
kann das 21. Jahrhundert als ein Auf-          ke Tendenz entdecken. Seit einiger Zeit
bruch in ein neues, mediendominiertes          gibt es interessanterweise ebenfalls eine
Zeitalter betrachtet werden.                   starke Strömung hin zum Auditiven: Pod-
Einen Blick zurück in die Anfänge dieser       casts, Sprachnachrichten, Sprachsteue-
medialen Umwälzung wirft Boris Nikitin         rung und Co. erleben aktuell einen regel-
mit seinem Stück »Erste Staffel. 20            rechten Boom. Aber schließt der rein auf
Jahre Großer Bruder« (Staatstheater            das Akustische reduzierte Trend eine nicht
Nürnberg), wo wir originale Szenen aus         zu vergessende Menschengruppe, näm-
der ersten Big Brother-Show nachgespielt       lich gehörlose Menschen, aus? Noam Bru-
zu sehen bekommen. Vor zwanzig Jahren          silovsky unternimmt an den Münchner
sorgte diese neue Show in Deutschland          Kammerspielen ein spannendes Experi-
für großes Aufsehen. Die Tatsache, dass        ment dazu. Sein »Gehörlosen-Hör-
man Menschen 24/7 beim Sein zusah,             spiel« ist der Versuch des Unmöglichen:
war revolutionär. Anstatt wie in Soaps und     Buchstäblich wie es dem Titel zu entneh-
Telenovelas gespielte, gab es hier nun         men ist, nimmt uns das Ensemble mit
echte Dramen mit echten Menschen zu            hinter die Kulissen einer Hörspielproduk-
sehen. Die Sendung gab die Initialzün-         tion für Gehörlose und regt »zu einer po-
dung zu einer ganz neuen Berufsform: die       etischen Auseinandersetzung mit den ei-
des Reality-Stars, welcher heute nicht         genen Wahrnehmungsbedingungen an«.
mehr aus der Fernsehlandschaft wegzu-          Wie lässt sich eine gemeinsame Sprache
denken ist. Der Ruf nach Authentizität         finden, die es eigentlich nicht gibt? Auch
und »Personality« wurde laut. Und dieser       hier gibt es großes Änderungspotenzial –
Trend setzt sich bis heute fort: TikTok,       hin zu einer offeneren Kommunikation.
Instagram, YouTube etc. bieten heute eine      Die Vielfalt, die das Internet zur Informa-
Bühne für die eigene Reality-Persönlich-       tionsbeschaffung bietet, die Tatsache,
keit unabhängig von Casting-Hürden, ein-       dass jedes Individuum sich seine eigene
fach aus dem heimischen Wohnzimmer             Bühne auf Social Media erschaffen kann
heraus. Die Grenzen zwischen Reali-            und die multiplen Informationskanäle ver-
ty-Stars aus TV und selbstvermarktender        ändern also unsere Gesellschaft. Spätes-
Influencer*innen sind inzwischen fast          tens seit dem Arabischen Frühling wissen
gänzlich verschwunden. Inwiefern diese         wir, welche Kraft die neuen Medien ent-
produzierte »Reality« aber die Wirklichkeit    falten können. Facebook hat dort im
                                                                                             In »Erste Staffel. 20 Jahre großer Bruder« vom Staatstheater Nürnberg setzt sich
zeigt, bleibt nicht nur angesichts der gro-    wahrsten Sinne des Wortes ganze Länder
                                                                                             Regisseur Boris Nikitin und sein Ensemble mit den Wurzeln des Reality-TV ausein-
ßen Werbedeals, welche diesen Berufs-          revolutioniert. Und während sich Men-
                                                                                             ander. Im Bild: Tjark Bernau; Foto Konrad Fersterer
zweig hauptsächlich finanzieren, fraglich.     schen einerseits online gegen ihre totali-
                                               tären Herrscher organisieren, lässt sich in   selbst gesperrt wurde, zeigt ebenfalls die    teiligten werden in kürzester Zeit in Frage
Jedenfalls scheinen uns die Stars von          der westlichen Gesellschaft ein deutlicher    große Relevanz der Online-Plattformen         gestellt. Darf man mit der BILD-Zeitung
heute so nah wie noch nie. Und das Be-         Rechtsruck beobachten. Am 6. Januar           für unser Weltgeschehen.                      kooperieren, wenn es dabei eben nun
dürfnis nach Nähe zu den angehimmelten         diesen Jahres zeigte sich in den USA          Mit der Frage nach Objektivität und kriti-    einmal um die Weltrettung geht? Und wie
Persönlichkeiten gab es schon immer. Ju-       schockierend an der Erstürmung des Ka-        schem Medienkonsum beschäftigt sich           sensationsheischend muss Berichter-
lia Häusermann zum Beispiel ist Fan –          pitols in Washington, wozu populistische      auch »Deutsche Feiern« vom Theater            stattung sein, damit auch die junge Le-
und das schon seit den guten alten Zeiten,     Hetze und die Verbreitung »alternativer       Münster, geschrieben von Lars Werner.         serschaft des SPIEGEL-Ablegers »bento«
als eben hauptsächlich noch Dailysoaps         Fakten« auf Social Media führen können.       Als einzige darf die junge Journalistin       sich dafür interessiert? (»bento« war das
für Unterhaltung sorgten. Auf der Bühne        Auch das mediale Echo auf die Tatsache,       Lara über ein Start-up-Unternehmen mit        Jugendmagazin des SPIEGELS und wur-
nennt sie sich Frank nach der Figur Frank      dass der ehemalige US-Präsident darauf-       Potenzial zum Weltretten berichten.           de aber zwischenzeitlich eingestellt – An-
Levinsky aus Verbotene Liebe. Die schwei-      hin von den Twitter-Verantwortlichen          Doch die anfangs großen Ideale aller Be-      merk. d. Red.)
DAS THEATER FESTIVAL 30. April - 9. Mai 2021
GASTSPIELPROGRAMM                                                                                                              APRIL 2021 05 THEATERZEITUNG                  5

Die Geburtsstunde der Reality-Stars: »Erste Staffel. 20 Jahre großer Bruder« Im Bild: Maximilian Pulst, Julia Bartolome
Foto Konrad Fersterer

Letzten Endes von Sensationslogik getrie-      STAATSTHEATER NÜRNBERG
ben ist auch die Protagonistin Pearl aus       »Erste Staffel – 20 Jahre
Magdalena Schrefels »Ein Berg (vie-
le)« (Schauspiel Leipzig). Mit großen
                                               Großer Bruder«
                                               3. Mai 2021, 20.30 Uhr
                                                                                         Telefon-Kanon
Idealen möchte sie einen Dokumentarfilm        www.theaterheidelberg.de                  von She She Pop | HAU Hebbel am Ufer, Berlin
drehen über die Erfindung eines Bergs auf
                                                                                         In Zeiten der Pandemie ist der Theater-         diesen Zeiten: das individuelle Telefon-
dem afrikanischen Kontinent durch einen        MÜNCHNER KAMMERSPIELE
                                                                                         besuch eine ferne Erinnerung, die lang-         gespräch. Telefonkette, Seelsorge, Hot-
britischen Geografen im 18. Jahrhundert.       »Ich bin‘s Frank«                         sam zu verblassen droht. Doch She She           line: »Telefon-Kanon« ist keine Show,
Entlarvend und aufklärerisch soll die Re-      7. Mai 2021, 20.30 Uhr
                                                                                         Pop tragen die lodernde Flamme weiter.          sondern Service. Wer anruft, hört von
portage sein, die koloniale Vergangenheit      www.theaterheidelberg.de
                                                                                         Mit lückenhaften Berichten beschwören           einem unverzichtbaren Moment mit den
aufarbeitend. Doch mit ihren eigenen Ras-
                                                                                         sie unvergessene Bühnen-Momente aus             darstellenden Künsten. Der Kanon ist
sismen setzt sie sich nicht auseinander
                                                                                         der Erinnerung wieder herauf und bilden         aber auch offen für eigene Erzählungen
und trägt so, ganz unreflektiert, zur Re-
                                                                                         erzählend einen Kanon − Abend für               und Einträge.
produktion von Vorurteilen und einer euro-
                                                                                         Abend neu und gemeinsam mit ihrem               Anleitung zum Mitmachen:
zentristischen Sichtweise bei. Auch hier
                                                                                         Publikum. Dafür wechseln She She Pop            www.theaterheidelberg.de
stellt sich die Frage nach realistischer Be-
                                                                                         zu einem Medium, das genauso flüchtig
richterstattung oder einer in passende
                                                                                         ist wie das Theater, nicht so öffentlich,        3. Mai 2021, 18.30–20.00 Uhr
Form gebrachte Variante davon.
                                                                                         aber dafür weniger anfällig, zumindest in        5. Mai 2021, 18.30–20.00 Uhr
So birgt die unkontrollierbare Informations-
flut eben auch Gefahren. Selbst die Outputs
großer Medienhäuser bedürfen einer persön-
                                                                                          Diskussionen
lichen Einordnung. Doch während Journa-
list*innen in Deutschland einem bestimm-
ten Ethos unterstehen, tun die Millionen                                                  HARTE PROBE – 1001 Wege, die
Twitter-Nutzer*innen das nicht. Im Internet
verschwimmen außerdem die Grenzen zwi-                                                    Krise für Theater schönzureden
schen bloßer Unterhaltung, Fakten und poli-
tischen Statements. Und wo jede*r Einzelne                                                Ohnmacht oder Innovationsboom? Wo steht das Thea-
kaum gefiltert Meinungen als Tatsachen
ausgeben kann, wird den Konsumenten eine
                                                                                          ter nach einem Jahr Ausnahmezustand?
enorme Selbstverantwortung in der Einord-                                                 Die Krise bietet die Chance für die Theater,   der Autor Björn SC Deigner und Lea
nung dieser Informationen zuteil. Was ist                                                 sich neu zu erfinden, doch das Analoge         Goebel, die Kuratorin des »Netz-
noch Realität und was schon Reality?  LB                                                 des Theaters bleibt Alleinstellungsmerk-       markt«-Programms.
                                                                                          mal in einer digitalen Welt. Müssen
                                                                                          Theaterschaffende ihre Komfortzone              Diskussion
                                                                                          verlassen und neue Wege einschlagen             Moderation: Susanne Burckhardt
                                                                                          oder ist der starre Apparat gänzlich un-        (Deutschlandfunk Kultur).
                                                                                          beweglich? Darüber diskutieren: Brit            Sonntag, 2. Mai 2021
                                                                                          Bartkowiak, die neue Oberspielleiterin          18.00 Uhr
                                                                                          des Schauspiels am Theater Heidelberg,          www.theaterheidelberg.de
DAS THEATER FESTIVAL 30. April - 9. Mai 2021
6       05 THEATERZEITUNG APRIL 2021                                                                                                  GASTSPIELPROGRAMM

GASTSPIELPROGRAMM II

Wir haben es in der Hand
Das Politische in der Kunst hat Hochkonjunktur in Krisenzeiten
– auch beim Heidelberger Stückemarkt
                                                                                            endet, mit dessen zweitem Teil »Und dann
                                                                                            kam Mirna« sie bereits zum Stückemarkt
                                                                                            2016 eingeladen war. Erneut seziert sie
                                                                                            erbarmungslos unsere Welt, wie wir sie
                                                                                            kennen. Dieses Mal unter anderem auf
                                                                                            Krankenhausfluren. LG

                                                                                             DEUTSCHES SCHAUSPIELHAUS
                                                                                             HAMBURG»
                                                                                             Wir haben getan, was
                                                                                             wir konnten«
                                                                                             1. Mai 2021, 20.30 Uhr
                                                                                             www.theaterheidelberg.de

                                                                                            Longlist Gastspielprogramm:

                                                                                             ETA HOFFMANN THEATER BAMBERG
                                                                                             »Die Polizey«
»Wir haben getan, was wir konnten«, Foto Arno Declair

»A
                                                                                             SCHAUSPIELHAUS DÜSSELDORF
           ls politische Anstalt beweist     der aus Habgier Krebsmedikamente
           das Deutsche Schauspielhaus       streckte, von einer Krankenschwester, die
                                                                                             »Volksfeind for Future«
           Hamburg mit dieser Inszenie-      sich als Herrscherin über Leben und Tod
                                                                                             MAXIM GORKI THEATER BERLIN
rung, dass eine Gesellschaft ohne so ein     gerierte, und einem Pfleger, der unter den
lebendiges Theater am Puls der Zeit wohl     Augen seiner Kolleg*innen unzählige Pa-
                                                                                             »Und sicher ist mit mir
dringend reanimiert werden müsste.«          tientenmorde begehen konnte. Statt das
                                                                                             die Welt verschwunden«
schreibt das wichtigste deutsche Inter-      Dokumentarische zu skandalisieren, setzt
                                                                                             MÜNCHNER VOLKSTHEATER
netportal für Theaterkritik und Theater-     Tuǧsal Moǧul auf fantastische Live-Ba-
                                             rockmusik. Die Zuschauer*innen tauchen
                                                                                             »Gehörlosen-Hörspiel«
berichterstattung – nachtkritik.de – über
die Inszenierung »Wir haben getan, was       ein in wirklichkeitsferne barock-philoso-
                                                                                             THEATER MÜNSTER
wir konnten« von Tuǧsal Moǧul. Die Coro-   phische Fragestellungen von (Über-)Le-
                                             ben und Tod – und sehen zugleich Men-
                                                                                             »Deutsche Feiern«
napandemie wirkt wie ein Brennglas für
gesellschaftliche Probleme – und selten      schen, die in den durchökonomisierten
                                                                                             SCHAUSPIEL LEIPZIG
haben sich diese Probleme derartig klar      Krankenhauswelten des 21. Jahrhunderts
und massiv im Programm des Heidelber-        ihre Seele verlieren. »Dieses Stück ist«,
                                                                                             »Ein Berg (viele)«
ger Stückemarkts artikuliert – von Rassis-   so Moǧul, »allen im Gesundheitswesen
mus über Klimawandel und Genderunge-         arbeitenden Menschen gewidmet«.
rechtgkeit bis hin zu fehlendem Vertrauen    Ähnlich wie Tuǧsal Moǧul legen auch Björn
in unser gesellschaftliches System.          SC Deigner mit »Die Polizey« und Lo-
Das Gesundheitswesen taucht als Dring-       thar Kittstein mit »Volksfeind for Fu-
lichkeitsthema der Stunde gleich in meh-     ture« den Finger auf akute gesellschaft-
reren Gastspielen des Stückemarkts auf,      liche Wunden, indem sie nicht nur die
am prominentesten in »Wir haben ge-          Gegenwart befragen, sondern auch die
tan, was wir konnten«. Autor und             Vergangenheit. Während Deigner sich
Regisseur Tuǧsal Moǧul nennt seinen        Schillers gleichnamiges Fragment vor-
Theaterabend im Untertitel eine »medizi-     nimmt und schlaglichtartig durch Jahrhun-
nisch–theatrale Recherche über Leben         derte jagt, um das polarisierende Verhält-
und Tod im deutschen Gesundheitswe-          nis von Polizei, Staat und Gesellschaft bis
sen« und als ausgebildeter Anästhesist,      ins Hier zu beleuchten, hat Kittstein Ibsens
der immer noch in Teilzeit praktiziert,      Klassiker »Volksfeind« überschrieben und
weiß Moǧul genau, worüber er sein En-       radikal um die Stimmen von jungen Um-
semble sprechen lässt. Sein Theatertext      weltaktivist*innen ergänzt. Ganz originär
wirft einen hochkonzentrierten Blick auf     dagegen hat die Grand Dame der Apoka-
drei medizinische Fälle, die es in die       lypse Sibylle Berg mit »Und sicher ist
Schlagzeilen der letzten Jahre geschafft     mit mir die Welt verschwunden«
haben: er erzählt von einem Apotheker,       fulminant ihre vierteilige Theaterserie be-
DAS THEATER FESTIVAL 30. April - 9. Mai 2021
FESTIVALPROGRAMM                                                                                                       APRIL 2021 05 THEATERZEITUNG                7

 FR 30.04.21                                                  20.30–21.05 Uhr
19.30 Uhr                                                     A ROOM OF OUR OWN
ERÖFFNUNG DES 38. HEIDELBERGER STÜCKEMARKTS                   von Swoosh Lieu in Koproduktion mit dem Künstlerhaus
                                                              Mousonturm Frankfurt
20.00 Uhr                                                     Der Theaterfilm ist für die Dauer des Festivals online
DAS WEISE DORF                                                verfügbar.
von Teresa Dopler in der Regie von Ron Zimmering              Infos unter www.heidelberger.stueckemarkt.de
Theater und Orchester Heidelberg                              NETZMARKT
Autor*innenpreis 2019/Premiere                                 MI 05.05.21
SA 01.05.21                                                   18.30–20.00 Uhr
13.30 Uhr                                                     TELEFON-KANON
DEUTSCHSPRACHIGER AUTOR*INNENWETTBEWERB TEIL I                von She She Pop in Koproduktion mit HAU Hebbel am Ufer,
                                                              Berlin
 13.30 Uhr                                                    20.30–21.50 Uhr
 EINFACHE LEUTE                                               DAS HÄSSLICHE UNIVERSUM
 von Anna Gschnitzer                                          von Laura Naumann in der Regie von Sapir Heller
 14.30 Uhr                                                    Münchner Volkstheater
 GELBES GOLD                                                  Nachspielpreis
 von Fabienne Dür                                              DO 06.05.21
 15.30 Uhr                                                    18.30–20.20 Uhr
 MARIA MAGDA                                                  FRÜHLINGS ERWACHEN
 von Svenja Viola Bungarten                                   von Lucien Haug in der Regie von Suna Gürler
20.30–21.45 Uhr                                               Schauspielhaus Zürich
WIR HABEN GETAN, WAS WIR KONNTEN                              In schweizerdeutscher Sprache mit deutschen Untertiteln
eine medizinisch–theatrale Recherche von Tuğsal Moğul       Jugendstückepreis
Schauspielhaus Hamburg
                                                               FR 07.05.21
SO 02.05.21
                                                              20.30–21.25 Uhr
13.30 Uhr                                                     ICH BIN’S FRANK
DEUTSCHSPRACHIGER AUTOR*INNENWETTBEWERB TEIL II               von Eliane Bertschi, Anna Fierz, Julia Häusermann,
                                                              Nele Jahnke, Mehdi Moradpour, Hans-Jakob Christian
 13.30 Uhr                                                    Mühlethaler, Maxi Schmitz, Sabina Winkler in der Regie von
 FISCHER FRITZ                                                Nele Jahnke
 von Raphaela Bardutzky                                       Münchner Kammerspiele
 14.30 Uhr                                                    In schweizerdeutscher Sprache mit deutschen Untertiteln
 HYPNOS
 von Wilke Weermann                                           SA 08.05.21
 15.30 Uhr                                                    13.30 Uhr
 PEELING ORANGES                                              INTERNATIONALER AUTOR*INNENWETTBEWERB
 von Patty Kim Hamilton
18.00–19.30 Uhr                                                13.30 Uhr
HARTE PROBE                                                    IDENTIFY
1001 Wege, sich die Krise für Theater schönzureden             von Ieva Stundžytė
Podiumsdiskussion/Eintritt frei!                               14.30 Uhr
20.30–21.15 Uhr                                                MÜTTER UND IHRE SÖHNE
HAVE A GOOD DAY! – GEROS DIENOS!                               von Matas Vildžius
von Vaiva Grainytė, Lina Lapelytė, Rugilė Barzdžiukait      15.30 Uhr
produziert von Operomanija (Vilnius)                           IMMOBILIENDRAMA
In litauischer Sprache mit deutschen Untertiteln               von Gabrielė Labanauskaitė
                                                              18.00–19.30 Uhr
 MO 03.05.21
                                                              THEATERSZENE LITAUEN
18.30–20.00 Uhr                                               Podiumsgespräch/Eintritt frei!
TELEFON-KANON                                                 20.30–21.45 Uhr
von She She Pop in Koproduktion mit HAU Hebbel am Ufer,       REGENLAND – LIETAUS ŽEMĖ
Berlin                                                        von Aidas Giniotis und Ensemble in der Regie von Aidas
20.30–22.55 Uhr                                               Giniotis
ERSTE STAFFEL. 20 JAHRE GROSER BRUDER                         Vilniaus miesto teatras Atviras ratas (Vilnius)
von Boris Nikitin mit Texten aus dem Reality-TV, von Orwell
und anderen in der Regie von Boris Nikitin                     SO 09.05.21
Staatstheater Nürnberg                                        18.30–20.15 Uhr
                                                              WERTHER.LIVE
 DI 04.05.21
                                                              ein digitales Theaterstück von »Freies Digitales Theater« in
17.00 und 20.00 Uhr                                           der Regie von Cosmea Spelleken
HOMECOMING                                                    NETZMARKT                                                       Das gesamte Programm findet online
von machina eX in Koproduktion mit HAU Hebbel am Ufer,        21.00 Uhr                                                       statt. Für weitere Informationen, Tickets
FFT Düsseldorf und HELLERAU- Europäisches Zentrum der         PREISVERLEIHUNG                                                 und den Zugang zu den Streams und
Künste                                                        Eintritt frei!
Gefördert durch: Berliner Senatsverwaltung für Kultur und                                                                     jeder Lesung besuchen Sie
Europa und vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der                                                                      www.theaterheidelberg.de.
Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien                                                                        Nach jeder Vorstellung findet ein Pub-
NETZMARKT                                                                                                                     likumsgespräch statt!
DAS THEATER FESTIVAL 30. April - 9. Mai 2021
8       05 THEATERZEITUNG APRIL 2021                                                         NACHSPIELPREIS

NACHSPIELPREIS

Noch einmal mit Gefühl
Die Nominierungen für den Nachspielpreis

W
          eltweit einzigartig dürfte er sein,
          der Nachspielpreis des Heidel-
          berger Stückemarkts. Er wird
verliehen für die beste Zweit- oder Dritt-
inszenierung eines zeitgenössischen
Theaterstücks. Damit verfolgt der Preis
ein theaterpolitisches Interesse. Denn all-
zu oft verschwinden Theatertexte, auch
hoch gelobte, nach ihrer Uraufführung in
der Versenkung oder in der Vergessen-
heit. Warum? Weil die Theater oft mehr
am Label »Uraufführung« interessiert
sind als einem interessanten Theater-
stück, das anderswo schon aufgeführt
wurde. Diesem fragwürdigen Trend möch-
te der Nachspielpreis entgegenwirken. Er
ist verbunden mit einer Einladung ins
Rahmenprogramm der renommierten Au-
torentheatertage am Deutschen Theater
Berlin. Das kann eine begehrte Auszeich-
nung sein gerade für kleinere Theater, die
sich mit einer Zweitaufführung an ein
neues Stück gewagt haben – wie zum
Beispiel der letzte Preisträger, das Hessi-
sche Landestheater Marburg.
Auch in diesem Jahr sind interessante
neue Stücke in überzeugenden Neuinsze-
nierungen für den Nachspielpreis nomi-
niert. Sie kreisen sogar um ein gemeinsa-       »Das hässliche Universum« Foto Arno Declair
mes Thema: Macht und Moral. Alle drei
Autor*innen waren schon mehrfach zu             schen Identität und Anpassungsfähigkeit,
Gast beim Heidelberger Stückemarkt.             während die Schere zwischen Arm und
In Laura Naumanns Stück »Das häss-              Reich immer weiter auseinanderklafft.
liche Universum« aus dem Jahr 2017              Die Debüt-Inszenierung des jungen Re-
wird eine Nachricht global an jeden exis-       gisseurs Dennis Duszczak am Schauspiel
tierenden Bildschirm verschickt: »Alles         Dortmund ist eine echte Entdeckung!
muss brennen.« Absender: Rosa. Hoff-
nungsträgerin für die einen, Projektions-       AND THE WINNER IS:
fläche ihrer Wut für die anderen. Während
die Welt, wie wir sie kennen, zu Grabe           MÜNCHNER VOLKSTHEATER
getragen wird, spielt eine Band ihr letztes      »Das hässliche Universum«
Konzert. Regisseurin Sapir Heller macht          5. Mai 2021, 20.30 Uhr
daraus am Münchner Volkstheater eine             www.theaterheidelberg.de
fulminante »Goodbye Show«.
Konstantin Küsperts Collage »sklaven
leben« zeigt Missstände auf, die in einer       Weitere Nominierungen:
menschlichen Welt längst Geschichte
sein sollten. Nach einer Studie leben zur-       MEININGER STAATSTHEATER
zeit 40 Millionen Menschen in einem Zu-
                                                 »sklaven leben«
stand, der als Sklaverei bezeichnet wer-
den muss. Das rückt uns, die wir davon           SCHAUSPIEL DORTMUND
profitieren, im Bewusstsein immer ferner.
                                                 »La Chemise Lacoste«
Am Meininger Staatstheater inszenierte
Juliane Kann eine groteske Revue, bei der
einem das Lachen im Hals stecken bleibt.
Die Figuren in Anne Leppers Stück »La
Chemise Lacoste« aus dem Jahr
2015 stehen vor einer Zerreißprobe zwi-
DAS THEATER FESTIVAL 30. April - 9. Mai 2021
AUTOR*INNENPREIS                                                                                                              APRIL 2021 05 THEATERZEITUNG              9

AUTOR*INNENPREIS

Weite und Widerstände
Autorin Teresa Dopler im Interview
Mit der deutschen Erstaufführung von »Das weiße Dorf«
wird der Heidelberger Stückemarkt eröffnet, 2019 gewann
Teresa Dopler dafür den Autor*innenpreis des Stücke-
markts. Ruth und Ivan begegnen sich auf einer Fluss-
kreuzfahrt auf dem Amazonas wieder. Es ist Jahre her,
dass sie für kurze Zeit ein Paar waren, inzwischen sind sie
neu vergeben, beruflich erfolgreich, alles ist gut. Oder? Die
österreichische Dramatikerin Teresa Dopler entwirft ein
Porträt zweier Menschen, das unter dem Mantel großer
Leichtigkeit fragwürdige Lebensentscheidungen in Frage
stellt. Im Gespräch mit Dramaturgin Maria Schneider gibt
sie Einblicke in ihre Schreibarbeit.

Was war dein erster Impuls, das Stück zu       wie ihre Figuren. Selbst in Momenten, in
schreiben?                                     denen scheinbar emotionale Dinge gesagt
Einerseits das Setting, der Amazonas, die      werden, verhindert dieser Duktus eine
Schwüle und die Vorstellung dieser de-         echte Begegnung zwischen den beiden
kadenten Kreuzfahrt, andererseits der          und ein Aufbrechen ihrer Fassaden. Ruth
Dialog zwischen den beiden Figuren – ich       und Ivan sind ja wie alle Theaterfiguren
war süchtig danach, sie miteinander spre-      durch ihre Art zu sprechen definiert und
chen zu lassen.                                begrenzt, der Kern ihres eigenartigen Di-
                                               lemmas liegt also vielleicht dort begraben.
Deine Setzungen in dem Text sind sehr
konsequent – zwei Figuren, ein Ort, eine       Bei aller Formalität birgt dein Text auch
Situation. Wie hast du zu dieser Form ge-      durchaus das Potenzial für einen abgründi-
funden?                                        gen Humor. Wie entsteht das Zusammen-         Teresa Dopler wurde 2019 unter anderem mit dem Autor*innenpreis des Heidelberger
Reduktion und ein enges Korsett halte ich      spiel von Komik und inhaltlichem Tiefgang?    Stückemarkts ausgezeichnet. Foto Rafael Sonntag
für eine der wichtigsten Voraussetzungen,      Diese Komik in den Dialogen habe ich
um ein Stück zu schreiben. Sich als Au-        erst nach und nach entdeckt, als die ers-
                                                                                              PREMIERE
tor*in keine Regeln zu setzen bedeutet         ten Szenen schon standen und mir auf-
nicht Freiheit, sondern das Gegenteil, zu      gefallen ist, dass die Figuren in dieser
                                                                                              »Das weiße Dorf«
                                                                                              von Teresa Dopler
viele Möglichkeiten hemmen – ich glaube,       ständig sich wiederholenden Selbstbestä-
                                                                                              Deutsche Erstaufführung
zu einer echten Weite findet ein Text nur,     tigung plötzlich etwas sehr Komisches
                                                                                              30. April 2021, 20.00 Uhr
wenn er bestimmten Widerständen ausge-         haben. Ich glaube es ist ein ganz eigener
setzt ist. In dem Stück ist die Begrenzung     Humor, der auch von den vielen Wieder-
                                                                                              Livestream
natürlich auf die Spitze getrieben, trotzdem   holungen lebt und nicht ganz planbar ist
                                                                                              www.theaterheidelberg.de
habe ich in keinem Moment die Lust an          – eine absurde Komik. Es war mir aber
                                                                                              sowie nach dem Festival im
diesem Spiel verloren, die beiden könnten      wichtig, dass die beiden nicht zu Karika-
                                                                                              normalen Repertoire
noch ewig dort an der Reling stehen …          turen verkommen, von denen man sich
                                               dann leicht distanzieren kann. Aber viel-
Die Sprache des Stücks ist ebenfalls sehr      leicht sind es auch diese Momente, in
bewusst eingesetzt, sie ergibt eine fast       denen die Figuren in ihrer Lächerlichkeit
musikalisch anmutende Komposition.             wieder liebenswert werden.
Was interessiert dich an der Sprache dei-
ner beiden Figuren?                            Findest du Ivan und Ruth eigentlich sym-
Es ist eine eigenartige Sprache, sie tut so    pathisch?
alltäglich und ist doch recht künstlich. Es    Weder noch, genau das hat mich interes-
hat mich interessiert, wie unverblümt und      siert. Es sind sehr fragwürdige Figuren,
direkt Ruth und Ivan miteinander spre-         sie beunruhigen mich, und ich kann sie
chen können, und wie kühl und distanziert      nicht ganz greifen. Ein klares Verhältnis
der Dialog dabei bleibt. Diese Sprache         zu meinen Figuren würde mich wahr-
verliert nie die Haltung, genau so wenig       scheinlich langweilen.
DAS THEATER FESTIVAL 30. April - 9. Mai 2021
10     05 THEATERZEITUNG APRIL 2021                                                                                           AUTOR*INNENWETTBEWERB

DEUTSCHSPRACHIGER AUTOR*INNENWETTBEWERB

Lieblingsstücke
Die Dramaturgie des Theaters und Orchesters Heidelberg hat aus 102 Einsendungen sechs Theaterautorinnen und
Theaterautoren ausgewählt, deren noch nicht uraufgeführten Stücke am 1. und 2. Mai 2021 in Lesungen vorgestellt
werden und um den mit 10.000 Euro dotierten Autoren*innenpreis konkurrieren. Das Heidelberger Team stellt sei-
ne Lieblingsstücke vor.

»Einfache Leute« von Anna Gschnitzer                       »Gelbes Gold« von Fabienne Dür                                 »Maria Magda« von Svenja Viola Bungarten»
Auf dem Weg nach oben hat Alex eine Menge hinter sich      »Gelbes Gold« heißt die kriselnde Frittenbude, in der          2021 ist ein starker Jahrgang beim Heidelberger Stücke-F
gelassen: Heimat, Familie und Freunde. Sie wollte raus     sich Anas Vater in letzter Zeit immer länger einschließt,      markt – und Svenja Viola Bungarten sticht mit »Mariat
aus diesen bescheidenen Verhältnissen und etwas er-        um die perfekte Formel für seine Pommes Frites zu fin-         Magda« für mich auf ganz besondere Weise heraus. Dasf
reichen in ihrem Leben. Nun zwanzig Jahre später ist sie   den. Kurz vor ihrem Studienabschluss kommt Ana in die          Setting: Ein Internat für verhaltensauffällige Schülerin-n
dort angekommen – »Oben«. Sie arbeitet als Kuratorin       Kleinstadt zurück, ohne zu wissen, wie sie weitermachen        nen. Das Thema: 2000 Jahre (Bibel-)Geschichte, erzähltv
in einem Museum für zeitgenössische Kunst. Aber um-        soll. Und trifft auf Menschen in der Krise: Ihr Vater und      aus einer nicht-patriarchalen Perspektive. Das Genre:n
geben von snobistischen Kolleg*innen stellt sich kein      dessen Freundin, die lieber als Floristin statt in der Frit-   Ein Horrorfilm. Svenja Viola Bungarten verbindet Hoch-w
Gefühl von Zugehörigkeit ein. Warum denkt sie, Erfolg      tenbude arbeiten würde, ihre Kindheitsfreundin Lisa,           politisches mit maximalem Lustprinzip, setzt Diskurs-f
stünde ihr nicht zu? Auf der Suche nach einem Platz in     deren Ehe scheitert.                                           abgeklärtheit gegen die Kraft des Übernatürlichen undw
dieser Welt reist sie zurück in ihre Vergangenheit.        Liebevoll beschreibt Dür in ihrem Stück das Gefühl vom         öffnet den Kopf durch überraschende Assoziationen undr
Die Autorin Anna Gschnitzer schafft ein schmerzliches,     Heimkommen und Erwachsengewordensein, von Le-                  jede Menge schräger Fantasie: Ein Textgeschenk fürl
aber auch amüsantes Szenario über die Sehnsucht, so-       benskrisen und Entscheidungen.                                 hoffentlich viele zukünftige Regieteams!                 
ziale Klassen zu überwinden und die Frage, ob Herkunft                                             Felix Heimbach,                          Lene Grösch, Schauspieldramaturgin
dein Leben von Geburt an bestimmt.                                 Produktionsleitung und Künstlerische Mitarbeit
              Michael Letmathe, Schauspieldramaturg
AUTOR*INNENWETTBEWERB                                                                                                         APRIL 2021 05 THEATERZEITUNG             11

  Deutschsprachiger
  Autor*innenwettbewerb:
  1. und 2. Mai 2021
  Die Lesungen sind im Anschluss an
  den Wettbewerb bis zum 9. Mai 2021
  auf Abruf verfügbar.
  www.theaterheidelberg.de

  Preisverleihung:
  9. Mai 2021, 21.00 Uhr
  www.theaterheidelberg.de

»Fischer Fritz« von Raphaela Bardutzky                         »Hypnos« von Wilke Weermann                               »Peeling Oranges« von Patty Kim Hamilton
Fischer Fritz ist ein großartiges Stück über das (mono-        Im Zugabteil, Rauschen. Und da ist diese Stimme,          Patty Kim Hamilton schafft eine multisensorische Atmo-
tone) Leben und dessen Ende! Wunderbar lakonisch, mit          schlecht zu hören durch das Bordradio. »Bitte, wachen     sphäre mit dem sanften Fluss, in dem ihre Figuren mit-
feinem Sprachgefühl für hochdeutsch, bayrisch, pol-            Sie auf«. Immer wieder bricht sie ab, verschwimmt wie     einander agieren. Das Drama »Peeling Oranges« handelt
nisch und SMSisch, erzählt die Autorin ganz unaufgeregt        die Landschaft hinter den Fenstern. Die Umgebung ver-     von den Geschichten von drei Frauen mit koreanischen
vom Fischer Fritz, der sich gegen den Willen seines Soh-       ändert sich: ein Krankenbett. Ein verschwommener          Wurzeln in Amerika, von ihren Geistern, Familie und Er-
nes lieber zuhause von der polnischen Pflegekraft Piotra       Mann in Gelb. Und immer dringender die Frage: »Warum      innerung. Ihr Schreiben arbeitet an der Fläche von Kör-
waschen und bekochen lässt, statt im Pflegeheim zu             wollen sie dich davon abhalten, mehr zu erfahren? War-    pern, Familie, Sprache und Heilung. Die Worte, die sie
fremdeln. Einsamkeit, Sprachlosigkeit und Fremdsein            um halten sie dich davon ab, aufzuwachen?«                sprechen, verhalten sich wie kleine Steine am Fluss, in
werden schonungslos direkt und witzig, aber auch berüh-        Wilke Weermann zeichnet in seinem Stück ein atmo-         den Raum geworfen, ziehen sie Kreise, überlagern und
rend beschrieben. Ein raues, fast skurriles Stück mit tröst-   sphärisches Bild des Graubereichs zwischen Leben und      verweben sich, und schaffen ein Ereignis, das dieser
lichem Schluss, trotz tödlichem Ende für Fischer Fritz.        Tod. Gefangen in einem Zugabteil befindet sich die Ko-    fragilen Beziehung der Mutter mit ihren entfremdeten
                                   Natascha Kalmbach,         mapatientin auf einer Fahrt zwischen Traum und Wirk-      Töchtern Rechnung trägt.
                      Leiterin Junges Theater Heidelberg       lichkeit. Wo wird die Reise hingehen?                            Mathilde Lehmann, Dramaturgin Junges Theater
                                                                                 Laura Becker, Dramaturgieassistentin
12     05 THEATERZEITUNG APRIL 2021                                                                                                            JUGENDSEITEN

JUGENDSEITEN

Das Rennen um
den Jugendstückepreis
Nominiert für den Jugendstückepreis sind drei bemerkenswerte und außerordentlich unterschiedliche Aufführungen.
Ins Rennen des Jugendstückepreises gehen 2021 das Theaterstück und Klassenzimmer-Format »Harder, Faster,
Stronger« vom LTT Tübingen, die Neubearbeitung von »Frühlings Erwachen« vom Schauspielhaus Zürich sowie die
Uraufführung »Movie Star« vom tjg. theater junge generation dresden.

»Harder, Faster, Stronger« Foto Tobias Metz               »Movie Star« Foto Marco Prill                               »Frühlings Erwachen« Foto Zoé Aubry

LTT TÜBINGEN                                   12+       TJG. THEATER JUNGE GENERATION                               SCHAUSPIELHAUS ZÜRICH  14+
»Harder, Faster, Stronger«                                DRESDEN                                                     »Frühlings Erwachen«
Ein Kunststück über die Leistungs-                        »Movie Star«                                    14 +       Wenn Jugendliche und Erwachsene zusammen über
                                                                                                                      Sex sprechen, heisst es schnell – Stopp! Denn: Sex gilt
gesellschaft                                              Am 13. Februar 2008 wurde der 15-jährige Lawrence           als gefährlich, noch immer. Frank Wedekinds Skandal-
                                                          »Larry« King von seinem 14-jährigen Mitschüler Bran-        stück »Frühlings Erwachen« wurde 1891 in Berlin zen-
Höher, schneller, weiter – geht da nicht immer noch
                                                          don McInerney während einer Unterrichtsstunde im            siert, in Zürich jedoch publiziert. »Frühlings Erwa-
mehr? Bloß nicht unproduktiv wirken in einer Welt, in
                                                          Computerraum erschossen. Die Verteidigung im Ge-            chen« von Suna Gürler und Lucien Haug aus dem
der jede*r ersetzbar erscheint. Schon als Jugendliche*r
                                                          richtsprozess plädierte für ein geringes Strafmaß, da das   Jahre 2020 cancelt sich selbst: »Frühlings Erwachen
kann ich meine Freizeit durchplanen, meinen Lebens-
                                                          Opfer mehrfach durch seine Sexualität provoziert hätte.     ist abgesagt – aber wir müssen reden.« Vom Coro-
lauf optimieren, meine Rente im Voraus berechnen …
                                                          Sowas nennt sich »Gay Panic«-Strategie: Das Opfer wird      na-Lockdown unfreiwillig in die Isolation katapultiert,
Also häufe ich mein Selbstwertgefühl zunehmend durch
                                                          zum Täter herabgewürdigt und einmal mehr seiner Stim-       begibt sich das Team aus jungen und erwachsenen
Leistung an. Um darüber nachzudenken, was das mit
                                                          me beraubt. Eine an sich fiktive Geschichte wird ange-      Menschen nun wieder in Berührung mit All- und Un-
mir macht, müsste ich eigentlich bewusst innehalten
                                                          reichert um dokumentarisches Bild- und Textmaterial         wissenheit und stürzt sich in die Gefahrenzone von
und zurückschauen. Aber einfach so anhalten ist ganz
                                                          aus den Ermittlungen, aber auch um aktuelle Beispiele       Scham, Neugierde, Experiment und verspielter Macht,
schön schwierig, wenn ich mir eine Auszeit nur noch als
                                                          von Hate Crime gegenüber queeren Menschen in Sach-          die nicht nur mit sexy Posen auf Instagram oder In-
Belohnung vorstellen kann – hart erarbeitet und eben
                                                          sen, Deutschland und der Welt.                              stant-Posensex auf Youporn zu tun hat.
nicht mehr einfach so. »Leistung muss sich schließlich
                                                          Uraufführung nach dem Roman von Raziel Reid in einer        Uraufführung | von Lucien Haug | Regie: Suna Gürler
lohnen«, hat sogar schon mal ein Außenminister gesagt.
                                                          Fassung von Julia Fischer und Matthias Köhler | Regie:
Was bedeutet es, sich in einem Koordinatensystem aus
Leistung, Wert und Belohnung zurechtzufinden? Wie
                                                          Matthias Köhler                                             AND THE WINNER IS:
kann ich herausfinden, wo meine Belastungsgrenze
                                                                                                                       SCHAUSPIELHAUS ZÜRICH
liegt? Und was kann ich der Angst vor dem Überflüssig-
sein entgegensetzen?
                                                                                                                       »Frühlings Erwachen«
                                                                                                                       6. Mai 2021. 18.30 Uhr
Uraufführung | Klassenzimmerstück | Regie: Annette
                                                                                                                       www.theaterheidelberg.de
Müller
JUGENDSEITEN                                                                                                                APRIL 2021 05 THEATERZEITUNG               13

JUGENDJURY

Jungen Menschen
eine Stimme geben
Die Jugend-Jury des 38. Heidelberger Stückmarkts stellt sich vor

Auch beim 38. Heidelberger Stückemarkt wird der Jugendstückepreis vergeben. Eine Gruppe jugendliche*r Theater-
begeisterte*r aus der Region bildet die dreiköpfige Jugend-Jury. Die Jugendlichen diskutierten die gesehenen Auf-
führungen aus der Perspektive der Zielgruppe. Im Zentrum steht die Haltung junger Menschen zu dem Gesehenen.
Was hat sie begeistert, bewegt, überrascht oder nachdenklich gestimmt?

Lydia Sittig:                                               Emil Schilling                                            Helena Willeke
Ich bin Lydia Sittig, 15 Jahre alt und seit 5 Jahren beim   Emil Schilling ist 13 Jahre alt und geht in die siebte    Helena Willeke ist 16 Jahre alt und geht gerade in die
Jungen Theater Heidelberg in den Spielclubs. Klavier        Klasse der Waldparkschule. Geboren ist er in Mannheim,    elfte Klasse. Sie freut sich immer, neue Sachen zu ma-
spielen und Sport machen mir Spaß, aber Theater ist         aber gewohnt hat er vor Heidelberg schon in Leipzig,      chen. Sie reitet, tanzt sehr gerne in der Tanzschule und
die Leidenschaft, welche mich, seit ich denken kann,        Ingolstadt und Oldenburg. Wenn er gerade nicht mit        schwimmt jetzt seit über 10 Jahren. Helena liebt die
begleitet und mir sehr wichtig ist. Ich beschäftige mich    Freunden abhängt, spielt er leidenschaftlich Unterwas-    Aufregung und Nervosität vor einem Wettkampf. Außer-
außerdem gerne mit Geschichte und dazu passend ex-          serrugby und Basketball. Sein Berufswunsch ist Journa-    dem spielt sie Querflöte und ist jetzt zum dritten Mal im
perimentiere ich mit historisch inspirierter Mode. Eine     list, aber auch Tierarzt ist noch im Rennen. Einen Hund   Jugendclub beim Jungen Theater in Heidelberg. Sie liebt
Auszeit von meinem Alltag nehme ich mir gerne, indem        erlauben ihm seine Eltern leider nicht. Ein gutes Buch    es, zu lesen und neue Bücher zu entdecken, aber genau-
ich meiner Fantasie freien Lauf lasse und meine Ge-         hat für ihn über 500 Seiten. Seine Lieblingsserie auf     so gern schaut sie Filme. Am besten ist ein Star-Wars-
danken in Form von Kurzgeschichten veranschauliche.         Netflix ist zurzeit »Locke & Key«. Emil geht gerne wan-   Marathon mit Popcorn, Salzstangen und ein paar Gum-
Genauso begeistert diskutiere und argumentiere ich und      dern und fotografiert dabei Naturphänomene.               mibärchen.
kämpfe für meine Überzeugungen.
14      05 THEATERZEITUNG APRIL 2021                                                                                                      GASTLAND LITAUEN

GASTLAND LITAUEN

Geschichten
aus dem Regenland
Gastspiele aus Vilnius, digital zu Gast beim Heidelberger Stückemarkt

Litauen, ein in Deutschland noch weitgehend unbekanntes Theaterland, macht seit einigen Jahren durch eine inno-
vative und lebendige Theaterszene auf sich aufmerksam. Der 38. Heidelberger Stückemarkt präsentiert beispiel-
hafte Gastspiele, die aufgrund der Corona-Pandemie digital gestreamt werden.

Giedrė Liugaitė, Foto Justas Tertelis                                                      »Regenland«, Foto Dainius Putinas

Wer steckt hinter dem Gastlandprogramm?                                                        Podiumsdiskussion Litauen

Z
      usammengestellt wurde das litaui-        turpolitik an der Kunstakademie in Vilnius.
      sche Programm von der Kuratorin          Sie produzierte Arbeiten renommierter li-       Theaterszene Litauen
      Giedrė Liugaitė in Zusammenarbeit      tauischer Regisseur*innen und des finni-
                                                                                               Über das Gastland des diesjährigen      gramms). Die Moderation übernimmt
mit dem Team des Heidelberger Stücke-          schen Regisseurs Kristian Smeds. Von
                                                                                               Stückemarkts diskutieren: Ana Abla-     der Theaterkritiker und Kenner der li-
markts. 1978 in Vilnius geboren, ist Giedrė   2003 an arbeitete sie als Koordinatorin des
                                                                                               monova (Produktionsleiterin von Ope-    tauischen Theaterlandschaft Thomas
Liugaitė Theatermanagerin, internationale     internationalen Theaterfestivals NEW DRA-
                                                                                               romanija, »Have a Good day!«), Aidas    Irmer (u. a. Theater der Zeit).
Projektmanagerin und Produzentin. Sie          MA ACTION. Seit 2009 ist Giedrė Liugaitė
                                                                                               Giniotis (Gründer des ersten unabhän-
studierte Sozialwissenschaften an der Bil-     Projektmanagerin des Atviras ratas Thea-
                                                                                               gigen Theaters in Litauen), Gabrielė
                                                                                                                                        Podiumsdiskussion
dungsakademie der Vytautas-Magnus-Uni-         ters und Initiatorin des alternativen Thea-                                              8. Mai 2021, 18.00  – 19.30 Uhr
                                                                                               Labanauskaitė (Autorin) und Giedrė
versität sowie Kulturmanagement und Kul-       terfestivals OUT OF(F) CIRCLE in Vilnius.                                                www.theaterheidelberg.de
                                                                                               Liugaitė (Kuratorin des Gastlandpro-

 IMPRESSUM
 Die Theaterzeitung ist eine Sonderveröffentlichung der Rhein-Neckar-Zeitung.
 Titelillustration: gutegründe GbR, Gestaltung: M. Stufferin, Fotos Seiten 10, 11,
 13: privat, Foto Editorial: Susanne Reichardt
 Konzept: M. Stufferin, Gestaltung: RNZ Grafik, Redaktion: J. Tydecks
 Anzeigen: A. Miltner (verantw.), Druck: Heidelberger Mediengestaltung HVA GmbH
GASTLAND LITAUEN                                                                                                     APRIL 2021 05 THEATERZEITUNG               15

Tag für Tag an der Supermarktkasse: »Have a Good Day!«, Foto Modestas Endriuska
                                                                                                                              Kauf dich glücklich?
                                                                                                                              »Einen schönen Tag noch!« Der Aus-
                                                                                                                              spruch, der Kundinnen und Kunden je-
                                                                                                                              den Tag von den Supermarktkassen
                                                                                  Land des Regens,                            entgegenschallt, wird in der Mu­      sik­
                                                                                  Land der Erinnerung                         theater-Performance »Have a Good Day!«
                                                                                  Um Litauen und seine bewegte Geschich-      zum Programm. Die »Oper für 10 Kassie-
                                                                                  te geht es in »Regenland«, das in seinem    rerinnen, Supermarkt-Sounds und Kla-
                                                                                  Titel auf den gleichen Wortursprung des     vier« hinterfragt eben diese Phrase und
                                                                                  Landesnamens und des litauischen Wor-       versucht zu ergründen, was sich hinter
                                                                                  tes für Regen anspielt (»Lietaus Žemė«).   dem aufgesetzten Lächeln und der me-
                                                                                  Die Stückentwicklung zeigt Geschichten      chanischen Freundlichkeit verbirgt. Wel-
                                                                                  von der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg,     che Lebensgeschichten streifen wir täg-
                                                                                  währenddessen und danach, von der Ok-       lich, ohne an ihnen Anteil zu nehmen:
                                                                                  kupation Litauens durch die Sowjetunion     eine alleinerziehende Mutter, eine Mig-
                                                                                  und von der deutschen Besetzung. Alle       rantin, eine Vorstadtbewohnerin, eine
                                                                                  Personen und Begebenheiten basieren         arbeitslose Absolventin der Kunstge-
                                                                                  auf den Erinnerungen von Großeltern, El-    schichte. Auf die Bühne gebracht hat die
                                                                                  tern, Onkeln und Tanten der Schauspie-      Performance ein Künstlerinnen-Trio, das
                                                                                  ler*innen, die sie im Lauf der Perfor-      auch international schon für Furore sorg-
                                                                                  mance als persönliche Biografien ihrer      te: Für ihre Oper »Sun & Sea (Marina)«
                                                                                  Figuren erzählen. Um den Eindruck der       sind Librettistin Vaiva Grainytė, Kompo-
                                                                                  Authentizität zu steigern, haben die        nistin Lina Lapelytė und Regisseurin Ru-
                                                                                  Schauspieler*innen die Freiheit, spontan    gilė Barzdžiukaitė bei der Kunstbiennale
                                                                                  zu improvisieren, so dass jede Auffüh-      2019 in Venedig mit dem Goldenen Lö-
                                                                                  rung einen etwas anderen Verlauf nimmt.     wen ausgezeichnet worden.

                                                                                   »Regenland«                                 »Have a Good Day!«
                                                                                   8. Mai 2021, 20.30 Uhr                      2. Mai 2021, 20.30 Uhr
                                                                                   www.theaterheidelberg.de                    www.theaterheidelberg.de
16     05 THEATERZEITUNG APRIL 2021                                                       INTERNATIONALER AUTORENWETTBEWERB

INTERNATIONALER AUTORENWETTBEWERB

Einzigartigkeit vs. Uniformität
Der internationale Autor*innenwettbewerb

                                                                                  I
Drei neue Stücke aus Litauen sind nominiert für den inter-                           eva Stundžytė versammelt in »Identify«
                                                                                     kaleidoskopisch und vielstimmig ein       8. Mai 2021
nationalen Autor*innenpreis. Ein solcher Blick über den                              Gesellschaftspanorama vereinzelter
                                                                                                                               Die Lesungen sind im Anschluss an
                                                                                                                               den Wettbewerb bis zum 9. Mai 2021
Tellerrand des eigenen Kulturkreises hinaus gehört zu den                         Menschen in Auseinandersetzung mit
                                                                                                                               auf Abruf verfügbar.
                                                                                  sich und der Welt. In Matas Vildžius’
Höhepunkten jedes Stückemarkts. Die Stücke werden extra                           »Mütter und Söhne« spielt ein Paar Situ-
                                                                                                                               www.theaterheidelberg.de

für das Heidelberger Festival ins Deutsche übersetzt. Oft                         ationen aus seiner Vergangenheit nach,
                                                                                                                               »Identify«
                                                                                  um die Gegenwart zu bewältigen. Gabrie-
ist es in den vergangenen Jahren gelungen, Stücke aus dem                         lė Labanauskaitė dagegen schickt ihre
                                                                                                                               8. Mai 2021, 13.30 Uhr
                                                                                                                               im Anschluss Nachgespräch
Gastland für deutsche Verlage und das deutsche Theater                            Heldin auf eine Odyssee durch das Di-
                                                                                  ckicht des Wohnungs- und Finanzmark-
zu gewinnen. Das möchte man, egal wer gewinnt, auch den                           tes im heutigen Vilnius – ein wahres »Im-
                                                                                                                               »Mütter und ihre Söhne«
                                                                                                                               Nachgespräch 8. Mai 2021, 14.30 Uhr
drei diesjährigen Stücken wünschen, reizvollen Mischungen                         mobiliendrama«.
                                                                                                                               im Anschluss Nachgespräch
aus spezifisch litauischen und allgemeingültigen Themen.
                                                                                                                               »Immobiliendrama«
                                                                                                                               Nachgespräch 8. Mai 2021, 15.30 Uhr
 Eintrittspreise                                                                                                               im Anschluss Nachgespräch

 6,00 €, ermäßigt 3,00 €.               Gerne können Sie auch ein »Unterstüt-
 Ermäßigungsberechtigt sind Kinder,     zer«-Ticket mit einem Betrag Ihrer Wahl
 Jugendliche, Schwerbehinderte, Bun-    erwerben.
 desfreiwillige, Auszubildende, Inha-   Tickets ausschließlich über
 ber*innen des Heidelberg-Passes.       www.theaterheidelberg.de.

 Wir bedanken uns bei allen Unterstützer*innen, Kooperations- und Medienpartnern sowie Berater*innen
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