OASEN IN DER STADT - 2 Euro - Arge für Obdachlose
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Arge für Obdachlose Stra enzeitung von Randgruppen und sozial Benachteiligten JUNI 2021 ı 1 Euro bleibt den VerkäuferInnen ı Achten Sie auf den Verkaufsausweis 2 Euro OASEN IN DER STADT
IMPRESSUM LESERBRIEFE UND REAKTIONEN Die Straßenzeitung Kupfermuckn ist ein Angebot zur Selbsthilfe für Wohnungslose und für Menschen an oder Collage aus unter der Armutsgrenze. Unsere Zeitung versteht sich Kupfermuckn-Bildern als Sprachrohr für Randgruppen und deren Anliegen. Der Zeitungsverkauf und das Schreiben bringen neben Hallo liebes Kupfermuckn-Team! dem Zuverdienst das Gefühl, gemeinsam etwas ge- schaffen zu haben. Von Wohnungslosigkeit Betroffene Mein Name ist Mary Mayrhofer, bilden mit Mitarbeitern des Vereins »Arge für Obdach- ich bin 18 Jahre alt und bin Schü- lose« in partnerschaftlichem Verhältnis die Redaktion. lerin an der HBLA für künstleri- sche Gestaltung in Linz. Ich Redaktion Straßenzeitung Kupfermuckn, Marienstraße 11, 4020 kaufe fast jeden Monat ein Exem- Linz, Tel. 0732/770805-13, kupfermuckn@arge-ob- plar der Kupfermuckn-Zeitung, dachlose.at, www.kupfermuckn.at wann und wo und wie ich auch Projektleitung, Koordination, Layout, Fotos: immer dazu komme und lese ge- Heinz Zauner (hz), Chefredakteur spannt durch all die vielseitigen Daniela Warger (dw), Leitung Redaktion Geschichten, Artikel und Be- Daniel Egger (de), Redaktion Katharina Krizsanits (kk), Vertrieb, Layout richte. Vieles davon bleibt mir Walter Hartl (wh), Technik lange im Gedächtnis und lässt mich nachdenken. Das Interview Redakteure: Anna Maria, August, Christine, Claudia, Helmut, Heinz, Hermann, Johannes, Leo, Manfred F., mit dem Papst aus der Dezember- Manfred R., Manfred S., Sonja, Ursula, Walter; ausgabe von 2015 zum Beispiel. Ich hätte nie gedacht, dass das ein Titelfoto (hz): Manfred S. im Schillerpark Auflage: 27.000 Exemplare Mensch ist, der Mark Twain liest und Fußball spielt. Andererseits Bankverbindung und Spendenkonto gibt es auch so Einiges, was mich Arge für Obdachlose, Marienstraße 11, 4020 Linz IBAN: AT461860000010635860, BIC: VKBLAT2L zum Schmunzeln bringt (»...habe meinen Lehrer in den Kasten ge- Ausgabe in Linz, Wels, Steyr und Vöcklabruck sperrt, um statt nachzusitzen, Menschen, die in Armut leben und ihren Lebensmittel- punkt in Oberösterreich haben, können sich Montag bis schwimmen zu gehen...«). Be- Freitag zwischen 8 und 12 Uhr bei den Ausgabestellen sonders wunderbar finde ich auch melden und erhalten einen Verkäuferausweis. 50 Pro- die Bilder, die ihr immer für eure Zeitung chen. Neulich habe ich eine Collage gemacht, zent des Verkaufspreises verbleiben den Verkäufern. verwendet. Ich mache sehr gern Collagen aus die nur aus Bildern, Fotos und Artikeln eurer Arge für Obdachlose, Marienstraße 11, 4020 Linz, Tel., Papier. Dabei arbeite ich viel mit Bildern, Zei- Zeitung besteht und wollte damit meinen 0732/770805-19 tungen, Magazinen, Postkarten, Fotos, Zeich- Missmut gegenüber der schwierigen Gesamt- Soziales Wohnservice Wels, E 37, Salzburgerstraße 46, 4600 Wels, Tel. 07242/290663 nungen, Briefmarken und lasse aus Teilen da- situation ausdrücken. Ich möchte das gerne Verein Wohnen Steyr, B 29, Hessenplatz 3, 4400 Steyr, von völlig neue Bilder entstehen. Für mich ist mit euch teilen, zum einen, weil ich hoffe, Tel. 07252/50 211 das Arbeiten an solchen Werken wie ein dass es euch eine Freude macht, und zum an- Verein Wohnungslosenhilfe Mosaik, Gmundner Straße 102, 4840 Vöcklabruck, Tel. 07672/75145 Puzzle, bei dem man sich die Teile selbst aus- deren, weil es eines meiner absoluten Lieb- suchen kann. Nach dem Lesen kommt die lingsbilder geworden ist. Danke vielmals für Medieninhaber und Herausgeber Kupfermuckn bei mir also nie in den Müll – die beste Straßenzeitung überhaupt! Alles Vorstand des Vereines »Arge für Obdachlose«, Vorsit- zende Mag.a Elisabeth Paulischin, Marienstraße 11, ich hebe alle Exemplare auf und blättere oft Liebe euch und euren Schreiberlingen, Mary 4020 Linz, www.arge-obdachlose.at wieder durch, um daraus etwas Neues zu ma- Mayrhofer International Die Kupfermuckn ist Mitglied beim »International Network of Street Papers« INSP Achten Sie bitte auf den Verkaufsausweis www.street-papers.com Liebe Leserinnen und Leser! Bitte kaufen Sie die Kupfermuckn ClimatePartner.com/53401-2105-1005 ausschließlich bei Verkäuferinnen und Verkäufern mit sichtbar getrage- nem und aktuellem Ausweis. Nur so können Sie sicher sein, dass auch wirklich die Hälfte des Ertrages der Zielgruppe zu Gute kommt: Woh- nungslosen und Menschen, die in Ar- mut leben und ihren Lebensmittel- punkt in Oberösterreich haben. 2 06/2021
Als Schwarzfahren noch notwendig war Erinnerungen an die mühsamen Zeiten vor dem Aktivpass Als ich obdachlos war, immer leisten. Und da ich kein regelmäßiges kehrsmitteln herumfahren. Diese Gedanken Einkommen habe, ist mir die Monats-Karte kommen gerade an Sonntagen in mir hoch, wo war ich Schwarzfahrerin viel zu teuer. So fahre ich halt schwarz, in der zumindest im Sommer nur die Wärmestube Hoffnung, dass ich nicht erwischt werde. Das offen hat und ich nirgends hineingehen kann. Rückblick: Wieder einmal sitze ich in der Gefühl dabei ist aber nicht gerade berau- Heute ist wieder so ein Tag. Endlich öffnet die Straßenbahn und fahre eine Runde nach der schend. »Was mache ich, wenn die Kontrol- Wärmestube ihre Pforten. Wieder fahre ich anderen, von der Uni in Urfahr bis zur Solar- leure mich irgendwann rausschmeißen«, frage dahin, ohne Fahrkarte. Wieder einmal habe City. Ich bin seit einiger Zeit obdachlos. Ich ich mich immer. Wie peinlich wäre das vor ich Glück. Ich werde nicht erwischt. Bezahlen habe zwar kein Geld, jedoch unendlich viel den anderen Fahrgästen. An solchen Tagen könnte ich die Strafen nicht. Dann müsste ich Zeit. Die letzten Sonntage besaß ich immer wünsche ich mir eine Wohnung oder zumin- das für ein paar Tage absitzen. Was ja auch eine Tages-Karte. Dieses Mal jedoch nicht. dest ein Zimmer zu haben. Dann müsste ich nicht schlimm wäre, denn so hätte ich für ei- Denn, eine solche kann und will ich mir nicht nicht stundenlang mit den öffentlichen Ver- nige Stunden ein Dach über dem Kopf. Ob- 06/2021 3
ren wollte. Oft schaute der Kontrolleur nicht genau. Ich stellte mich blöd und sagte: »Es tut mir leid, ich war so in Eile!« Aber dieses Mal wollte die Kontrolleurin mir eine Strafe in Höhe von 60 Euro geben. Ich musste warten, weil er seinen Kollegen rief und noch andere Fahrgäste zu kontrollieren hatte. Zufällig ging die Straßenbahntüre auf und ich stieg schnell aus und lief davon. Er lief mir nicht nach, ich hatte Glück. Ein Freund von mir war lange ohne Arbeit. Er probierte auch, mit der U- Bahn »schwarz« zu fahren, aber er fuhr lange Strecken und irgendwann wurde er von einer Kontrolleurin nach seinem Fahrschein ge- fragt, den er nicht vorweisen konnte. Er wurde zu 60 Euro Strafe verdonnert. Mein Freund war nicht zur Vernunft zu bringen und fuhr über Jahre hinweg mit den Öffis für über 1.500 Euro »schwarz«. Zehn Mal wurde er erwischt. Inkasso Haydn in Linz schickte ihm eine Rechnung. Die hohe Strafe musste er mit Mahnspesen zu monatlichen Raten von 50 Euro begleichen. Schwarzfahren zahlt sich nicht aus. Mit dieser hohen Strafe kann man sich ein gebrauchtes Auto kaufen. Monika Ich bin schon seit jeher ein bewusster Schwarzfahrer Andreas saß schon viele Male aufgrund Schwarzfahrens im Häfn. Foto: dw Unzählige Male wurde ich wegen Schwarz- fahrens angezeigt. Noch heute zahle ich diese Strafen in unregelmäßigen Abständen zurück. wohl dies natürlich auch keine optimale Lö- dem mit einem Wochenendticket mitfahren Was Schwarzfahren betrifft, habe ich alles sung ist. So habe ich damals meine Tage ver- dürfte, weil es für fünf Personen galt. Die schon erlebt. Wegrennen, sobald die Kontrol- bracht. Heute lebe ich wieder eigenständig in meisten Fahrgäste fuhren alleine, und ich fand leure vor mir standen, war meine Taktik. Drei, einer Wohnung und fahre nicht mehr schwarz. immer einen netten Herrn oder eine Dame, die vier Mal war ein sportlicherer Kontrolleur Seit langer Zeit gibt es ja auch den leistbaren mich kostenlos mitfahren ließen und mir au- schneller als ich. Mit der Zeit kannte ich jeden Aktivpass. Damit kann man sich sehr viel ßerdem oft ihre Wochenendfahrkarte als Ge- einzelnen, sie kannten mich. Auch wenn sie in Geld und Ärger sparen. (Autorin der Redak- schenk am Zielbahnhof gaben. Ich fuhr also Gruppen unterwegs waren und neue dabei wa- tion bekannt) nicht »schwarz« mit der Deutschen Bahn. Ei- ren. Damals waren die Strafen noch nicht so nen Fahrgast um eine Mitfahrgelegenheit zu saftig wie heute. Mittlerweile kostet Schwarz- fragen, hat mir noch niemand verboten. Im fahren 80 Euro. Wenn man bestraft wird und Dieses Mal bekam ich eine Sommer 2019 wurde das leider eingestellt. nicht gleich bezahlt, läuft das Prozedere wie Strafe von 60 Euro Als ich arbeitslos war, fuhr ich öfters ohne folgt ab: Sie nehmen die Daten auf, dann be- Fahrschein mit dem Zug. Ich sperrte mich in kommt man Post. Nach der dritten Mahnung Nach dem Mauerfall 1989, nach 28 Jahren der Toilette ein und fuhr bis Wien »schwarz«. geht es zum Gericht. Das Gericht fordert die DDR, war ich auf Urlaub in Berlin. Ich fuhr Das ging so lange gut, bis jemand auf's Klo Strafe über die Polizei ein. Dann heißt es end- mit der U-Bahn. An jenem Tag hatte ich ver- musste. Dann machte ich die Tür von der Toi- gültig: zahlen oder die Strafe absitzen. Früher gessen, eine Fahrkarte zu lösen und kam in lette auf und ging in ein Zugsabteil. Dort war- landete das noch beim Inkasso-Büro. Da eine Fahrkartenkontrolle. Der Kontrolleur tete ich ein paar Minuten und suchte wieder wuchs der Betrag von Mahnung zu Mahnung packte mich und riss meinen Arm nach hinten, eine freie Toilette. Der Schaffner ging zwar an ordentlich an. Bis zu 750 Euro forderten sie weil ich keinen Ausweis bei mir hatte. Schließ- mir vorbei, aber er kontrollierte mich nicht. ein. Bei mir erschien eines Tages der Gerichts- lich ließ er von mir ab und gab mir einen Ein- Hingegen in Wien mit der Straßenbahn oder vollzieher. Mit ihm vereinbarte ich eine Ra- zahlungsbeleg. Die Polizei wurde gerufen und U-Bahn »schwarz« zu fahren, ist schon tenzahlung. Seither stottere ich die Strafen ab. überprüfte meinen Namen und Adresse auf schwieriger. Ich fuhr immer nur ein, zwei Sta- Sitzen ist mir bisher erspart geblieben. Heute der Polizeistation. Am darauffolgenden Tag tionen und schaute genau, ob ein Kontrolleur gibt es den Aktivpass. Aufgrund meiner Such- bezahlte ich die Strafe beim Verkehrsbüro der kam. So fuhr ich durch Wien. Einmal er- terkrankung bin ich aber nicht immer bei kla- Berliner Linien. Das schöne Wochenendticket wischte mich ein Kontrolleur in der Nähe vom rem Verstand. So vergesse ich es durchaus, war 1995 eines der ersten pauschalen Nahver- Westbahnhof in der Straßenbahn. Ich hatte nur den Aktivpass zu verlängern. Wobei ich auch kehrsangebote der Deutschen Bahn. Am einen Fahrschein, der auf der Rückseite ent- oft absichtlich schwarz fahre, da derzeit coro- Bahnhof im Zug fragte ich, ob ich bei jeman- wertet war, weil ich damit mehrere Tage fah- nabedingt selten kontrolliert wird. Eine oder 4 06/2021
zwei Strafen sind günstiger als eine Jahres- Aufgrund der Heldentat Personalausweis hatte ich bei mir. Nur eine karte. So bin ich derzeit überzeugter Schwarz- E-Card. »Die zeige ich aber auch nicht her«, fahrer. Autor der Redaktion bekannt wurde ich eingesperrt dachte ich mir. Der Mann in Uniform wollte wissen, wie ich heiße. Ich nannte ihm einen Als ich noch auf der Straße lebte, fuhr ich oft falschen Namen. Kaum erreichten wir die So wurden Strafen ausgestellt, schwarz. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich Haltestelle »Goethekreuzung«, hieß es: »Aus- die ich absaß erwischt wurde. Bestimmt einige hundert steigen!« Kaum standen wir draußen, wurde Male. Das machte mir aber nichts aus, da ich die Polizei verständigt. Als die Beamten ein- Als ich noch in der Notschlafstelle lebte, fuhr mir ohnehin nie eine Fahrkarte kaufte. Damals trafen, fragten sie mich auch nach den Aus- ich öfters schwarz. Ich besaß zwar einen Ak- hatte ich ein geringes Einkommen von 600 weis. »Ich habe leider keinen«, antwortete ich. tivpass, doch selten hatte ich einen gültigen Euro. Dieses gab ich lieber für den Kauf von Auch sie fragten nach meinem Namen. Nun, Fahrschein. Mit den zehn Euro, die ich pro Alkohol und Zigaretten aus. Ich hatte ja sonst da ich schon bei den Kontrolleuren einen fal- Tag bekam, machte ich als Raucher, der auch keine Freude. Es war für mich wichtiger, als schen Namen angegeben hatte, gab ich ihn Durst hatte, keine weiten Sprünge. Und eine Aktivpasskarte um zehn Euro zu kaufen. auch bei der Polizei an. Da es Winter war, schließlich hatte ich auch Hunger. Wobei das Immer wieder wurde ich dafür im Polizeian- hatte ich unter einer dickeren Jacke eine dün- eigentlich nicht das große Problem war, da haltezentrum in Linz aufgrund meiner »Hel- nere an, in welcher auch meine Geldbörse man in Linzer Einrichtungen reichlich Essen, dentat« eingesperrt, aber das war mir mehr eingesteckt war. In der äußeren Jackentasche um nur wenige Cent oder gratis bekam. Als recht als schlecht. Ich hatte ein Bett, bekam hatte ich eine Klopapierrolle eingesteckt, da ich Schnupfen hatte. Der eine Beamte fragte über Funk meine Daten ab. Der andere meinte, »Unzählige Male wurde ich wegen Schwarzfahrens angezeigt. in der Brusttasche sei meine Geldbörse. Doch Noch heute zahle ich die Strafen in unregelmäßigen Abständen ich sagte: »Nein, das ist nur Klopapier«, und zurück. Auch Ersatzfreiheitsstrafen musste ich absitzen.« zeigte es ihm. Währenddessen erfuhr der an- dere Beamte, dass es den Namen nicht gibt. »Ich komme aus Vorderstoder«, erklärte ich ihnen. Die Polizisten meinten dann zu mir, Obdachloser war es trotzdem hart. Da hatte drei Mal am Tag etwas zu essen und Medika- wenn ich die Strafe nicht einzahle, würden ich oft keinen Cent dabei. Einen Aktivpass mente, wenn ich welche brauchte. Diesen Lu- sich mich suchen und zogen ab. Es passierte gab es auch nicht ohne Meldeadresse. Das Ti- xus hatte ich in Freiheit die meiste Zeit gar nichts. Ich bin noch öfters erwischt worden, cket konnte ich mir nur leisten, wenn ich im nicht. Nach der Entlassung ging dann alles aber einen falschen Namen gab ich nicht mehr Trödlerladen arbeitete. Meistens ging ich zu wieder von Neuem los: Saufen, rauchen und an. Einige Male saß ich sogar eine Ersatzfrei- Fuß. Aus Bequemlichkeit fuhr ich auch mit kein Geld für ein Ticket. Also hieß es bald heitsstrafe ab, da ich nicht zahlen konnte. Seit der BIM, in der Hoffnung, nicht kontrolliert wieder: »Ab in den Knast!« Seit ich wieder in ich den Aktivpass habe, brauche ich nicht zu werden. Da wurde ich dann oft erwischt. einer Wohnung lebe, ist endlich Schluss mit mehr schwarz zu fahren. Manfred S. Das war unangenehm da meist auch die Poli- dem Scheiß. Seit 2019 bin ich auf der Polizei zei verständigt wurde. So wurden Strafen aus- schuldenfrei, Schwarzfahren kommt nicht gestellt, die ich nicht begleichen konnte. Und mehr in Frage. Leo Viele Male hatte ich Pech. Und so dann stapelten sich die Anzeigen. Ich wurde musste ich die Strafe absitzen von der Polizei aufgegriffen und in die Nietz- schestraße verfrachtet, wo man die Geldstrafe Einige Male saß ich Für einen Obdachlosen, der sich ohne finanzi- absaß, meist ein knappes Monat. Seit ich wie- sogar die Strafe ab elle staatliche Unterstützung seit vielen Jahren der einen festen Wohnsitz habe, fahre ich nicht durch den Alltag kämpft, ist oftmals sogar ein mehr schwarz, was mir Ärger und Haftstrafen Als ich das erste Mal beim Schwarzfahren er- Aktivpass noch viel zu teuer. Jedenfalls kann erspart. Es ist ja doch eine verlorene Zeit, die wischt wurde, war ich obdachlos. Da ich das ich mir diesen nich leisten, da ich jeden Cent man da in der Zelle abhockt, überhaupt bei wenige Geld anderswertig investierte, besaß umdrehen muss, bevor ich ihn ausgebe. Meis- herrlichem Wetter im Sommer. Manfred R. ich keinen Fahrschein. Nicht einmal einen tens marschiere ich ohnehin zu Fuß zu mei- 06/2021 5
nem Schlafplatz im Freien, der außerhalb der Leute gibt, die in einer ähnlichen Situation Strafen und musste auch Ersatzfreiheitsstrafen Stadt liegt. Es gibt jedoch Tage, an denen ich sind wie ich, würde ich mir für die Zukunft für absitzen. Vor fünf Jahren bekam ich dann von körperlich nicht so fit bin. Dann bin ich froh, mich und Meinesgleichen Folgendes wün- der Linz AG das Angebot, meine Schulden in wenn ich in ein öffentliches Verkehrsmittel schen: Kostenlose Fahrten für Obdach- und Höhe von über 2.500 Euro durch die Bezah- steigen kann. Ich bin leider auf das Linzer Wohnungslose! Da würde sich der Staat eini- lung von nur 800 Euro zu tilgen. Das nahm ich Stadtzentrum angewiesen, denn nur dort kann ges ersparen. Denn, eine Nacht im Häfn und dankend an. Heutzutage fahre ich mit dem ich täglich die Kupfermuckn-Zeitung an den der ganze Personaleinsatz kosten in Summe Aktivpass um nur 14 Euro im Monat. Das Mann bringen. Das ist notwendig, da ich jeden mehr als Freifahrtscheine für uns. Eine Nacht kann ich mir immer leisten. Gandhi Tag aufs Neue schauen muss, wie ich über die im Häfn kostet ungefähr hunder Euro. Ich bin Runden kommen kann. Schnorren liegt mir auch schon zwei Wochen lang aufgrund des nicht. Außer dem Of(f)'nstüberl, wo ich täg- Schwarzfahrens gesessen. Andreas Ich vergaß, die Monatskarte lich frühstücke, mich wasche und rasiere, zu stempeln meide ist jegliche Sozialeinrichtung. Es gibt nun Tage, da geht es mir in der Früh ziemlich Ich war einfach zu faul, Früher war ich einmal stolzer Besitzer eines schlecht. Aus unterschiedlichen Gründen. um zu Fuß zu gehen BMW. Durch sein Alter wurde die Karre dann Und da schaffe ich es dann nicht, die vielen aber reparaturanfällig, sodass ich den Wagen Kilometer zu Fuß zu gehen. In meiner Not Meine erste Schwarzfahrt war von Stuttgart irgendwann schweren Herzens verkaufen steige ich dann in ein öffentliches Verkehrs- nach München, weil ich umsteigen musste musste. Ich ließ mir einen Aktivpass ausstel- mittel ein. Oftmals hatte ich bei solchen Fahr- und im Eifer des Gefechts meine Geldbörse len, da mein Einkommen am Rande des Exis- ten viel Glück. Niemand kam, um nach einem samt Zugticket im Abteil liegen gelassen habe. tenzminimums war. So kaufte ich mir zum gültigen Ticket zu fragen. Viele Male jedoch So musste ich schwarz bis nach München fah- ersten Mal in meinem Leben eine Monats- hatte ich Pech. Ich bin keiner, der davonrennt, ren, wo ich Bekannte hatte, die mir aus der karte, trug die Nummer ein, vergaß aber diese wenn die Kontrolleure auf einen zusteuern. Patsche halfen. Zum Glück wurde ich nicht abzustempeln. Der Teufel schläft nicht. Zu Trotzdem versuchte ich es auch mit Ausreden, erwischt. Ein anderes Mal bin ich von Düssel- meinem Unglück wurde ich ausgerechnet an die ich mir im Vorfeld schon gut einstudiert dorf nach Linz schwarz gefahren. Dabei habe diesem Tag kontrolliert. »Scheiße«, dachte ich habe, wie etwa: »Ui, heute habe ich leider die ich vom Schaffner einen Erlagschein bekom- mir. Ich erklärte der Kontrolleurin mit hoch falsche Jacke angezogen, das Ticket ist im men, weil ich ihm gebeichtet habe, dass ich rotem Gesicht, was los war. Sie war unbeein- Anorak von gestern.« Je nach Kontrolleur kein Geld bei mir hätte. Den Erlagschein habe druckt von meinen Entschuldigungen und funktionierte dieser Trick. Doch oftmals ich aber nie einbezahlt. Als ich vor fast 40 schrieb meine Daten auf. Danach drückte sie musste ich die Konsequenzen für meine Taten Jahren von Innsbruck nach Linz fuhr, stellte mir den Zahlschein in die Hand und stürtzte selbst tragen: So saß ich unzählige Male Ver- ich mich jedes Mal, wenn der Schaffner kam, sich wieder ehrgeizig in ihre Arbeit. Wider- waltungsstrafen einfach ab. Viele Leute wür- schlafend. Unglaublicherweise hat das funkti- willig steckte ich diesen ein. Zwei Tage später den nun meinen, dass es im Winter für einen oniert. In Linz bin ich dann hängen geblieben. wollte ich dann die Rechnung sofort beglei- Obdachlosen ein Segen sei, wenn er in einer Auch dort bin ich schon oft schwarz gefahren. chen. Ich wurde gefragt, warum ich nicht ge- Zelle übernachten könne. Bei mir ist das nicht Meistens wurde ich zwischen der Station stempelt habe. Nach meinen Erklärungen ver- der Fall. Ich bin noch nie gerne ins Häfn ge- Volksgarten und dem Bahnhof erwischt. In ließ die Dame kurz das Büro. Als sie zurück gangen. Seit jeher bin ein freiheitsliebender früheren Zeiten, als ich noch Alkohol trank, kam, sagte sie, die Angelegenheit sei erledigt, Mensch. So lehne ich auch jede Unterstützung war ich oft zu faul, den Weg in betrunkenem nahm meinen Zahlschein, zerriss ihn vor mei- wie etwa Notschlafstellen ab. Ich bin und Zustand zu Fuß zurück zu legen. Unzählige nem Augen und wünschte mir einen schönen bleibe ein Einzelkämpfer. Da es mehrere Male wurde ich erwischt, bekam eine Menge Tag. Walter Aktivpass – Aushängeschild sozialer Leistungen Der Aktivpass gilt als Aushängeschild sozi- inz Linien: Monatskarte zum Preis von nur L aler Leistungen der Stadt Linz. 14 Euro. Linz Service: Eintritt in Bäder, Museen, Wer hat Anspruch? Galerien, Theater und viele andere städti- sche Einrichtungen frei oder ermäßigt. Anspruch darauf haben alle Linzerinnen und Veranstaltungen von LIVA, Musikschule der Linzer, die ihr 18. Lebensjahr vollendet und Stadt Linz, Posthof, OK im oö. Kulturquar- ein monatliches Netto-Einkommen bis zu tier, Landestheater, Ars Electronica Center, 1.294 Euro haben. Zusätzlich anspruchsbe- Lentos, Nordico Stadtmuseum, Landesgale- rechtig sind Jugendliche unter 18 Jahren, die rie Linz, Schlossmuseum Linz, Tabakfabrik keinen Anspruch auf Ermäßigung haben Handy- und Internetvergünstigungen bei Magenta und Liwest Shops Ermäßigungen und Leistungen Botanischer Garten Volkshochschule, Stadtbibiliotheken Mit dem Pass sind unter anderem folgende Nähere Infos: 0732/70 70–0, info@mag.linz.at Ermäßigungen verbunden: Foto: hz
Migration ist kein Verbrechen! Rede des Schriftstellers Kurt Palm beim Solidaritätscamp für Moria am Linzer Martin-Luther-Platz Im Sommer 1946 hielten sich alleine in verletzen sich selbst oder bringen sich aus Oberösterreich 153.000 Flüchtlinge auf. Verzweiflung um. Auf die dramatische Situa- Die meisten von ihnen waren staatenlos, tion der Flüchtlinge auf den griechischen In- besitzlos, arbeitslos und weitgehend recht- seln angesprochen, meinte Innenminister Ne- los. Und auch, wenn sie nicht besonders hammer, dass auch ihn als Familienvater die freundlich aufgenommen wurden, hat man Bilder erschüttern und aufwühlen würden. ihnen immerhin die Möglichkeit gegeben, Nach dem Brand in Moria habe Österreich für ihren eigenen Unterhalt zu sorgen. Ob- Griechenland allerdings besonders schnell mit wohl in Österreich damals Hunger und Ar- Sachleistungen unter die Arme gegriffen. Al- mut herrschten, wurden im Gegensatz zum les andere, so Nehammer, wären »falsche Sig- Jahr 2021 keine Flüchtlingsfamilien von nale«. Weiters warnte er vor einer »Destabili- der Polizei in Nacht- und Nebelaktionen sierung« und einem »Moria-Effekt«, sollte aus ihren Betten geholt und abgeschoben. man Menschen aus den Lagern in Österreich Heute liegt Österreich beim materiellen aufnehmen. Kein Wunder also, dass die Mehr- Wohlstand in der EU auf dem dritten Platz, heit in unserem Land die restriktive Flücht- trotzdem weigert sich die türkis-grüne Re- lingspolitik der Regierung unterstützt. Was gierung seit Monaten Flüchtlinge aus den die vom Innenminister erwähnten »Sachleis- nicht mehr Herr werden. Wir müssen die De- Elendslagern in Griechenland, Bosnien tungen« betrifft, so wissen wir, dass diese auf batte de-emotionalisieren, wir müssen sie rati- oder Spanien aufzunehmen. Lesbos nie angekommen sind. Kara Tepe ist onalisieren.« Aber die Menschen aus Afrika, Syrien, Afghanistan oder dem Irak flüchten Jeder kennt die Horrormeldungen, die uns täg- »Kara Tepe ist nach wie vor ein nicht, weil sie gerne reisen, sondern weil sie lich aus Kara Tepe auf Lesbos, aus Lipa in das Leiden, weil sie der Krieg, weil sie der Bihac oder aus den Lagern auf den Kanari- provisoriches Zeltlager, in dem Hunger aus ihrer Heimat vertrieben hat. In- schen Inseln erreichen. Und wir kennen auch für 8.200 Menschen 1.000 nenminister Nehammer behauptete, dass Ös- die Bilder von den leck geschlagenen Sommerzelte zur Verfügung terreich im vergangenen Jahr 5.000 unbeglei- Schlauchbooten im Mittelmeer und den er- tete Flüchtlinge aufgenommen hätte, obwohl trunkenen Frauen, Männern und Kindern, die stehen.« es Wirklichkeit nur 190 waren. Gleichzeitig auf der Flucht vor Armut, Hunger und Krieg wurden 67 Minderjährige mit familiärer Be- und in der Hoffnung auf ein besseres Leben gleitung abgeschoben, wobei Nehammer be- einen qualvollen Tod erlitten haben. Als 2016 nach wie vor ein provisorisches Zeltlager, in tonte, dass die Beamten in solchen Fällen be- Bilder von im Mittelmeer ertrunkenen Flücht- dem für etwa 8.200 Menschen 1.000 Sommer- sonders sensibel vorgehen würden. Wenn lingskindern um die Welt gingen, kommen- zelte zur Verfügung stehen und in dem 1.200 Bundespräsident Alexander van der Bellen im tierte das der damalige Außenminister Sebas- unbegleitete Minderjährige in fünf Großzelten Zusammenhang mit dem Ibiza-Skandal ge- tian Kurz mit den Worten: »Es wird nicht ohne untergebracht sind. Von den fünf Großzelten meint hat: »Wir sind nicht so«, dann muss ich hässliche Bilder gehen«. Im Klartext heißt das sind nur zwei mit Stockbetten ausgestattet, in ihm im Kontext der Flüchtlingspolitik der ös- nichts anderes, als dass der Tod von Flüchtlin- den anderen liegen die Kinder auf dem Boden. terreichischen Regierung antworten: Das gen im Mittelmeer, an den EU-Außengrenzen Es gibt zu wenig Toiletten, zu wenig Duschen, stimmt, wir sind noch viel schlimmer. Und oder in den zahllosen Lagern ganz bewusst in es mangelt an passender Kleidung und pro was ist mit den Grünen? Vizekanzler Kogler Kauf genommen wird. Adonis Georgiadis, der Tag wird nur eine kleine Mahlzeit ausgegeben hat vor einigen Monaten angekündigt, dass Vizeparteichef der konservativen griechischen und die ist kalt. die Grünen alles tun würden, um zumindest Regierungspartei »Neue Demokratie« hat es Und obwohl auch Außenminister Schallen- einhundert Familien aus Kara Tepe in Öster- auf den Punkt gebracht: »Damit die Flücht- berg um die Zustände weiß, erklärte er vor reich aufzunehmen, geschehen ist bisher linge aufhören zu kommen, müssen sie hören zwei Wochen im Parlament: »Wir bleiben bei nichts. Kurt Palms (gekürzte) Rede vom 10. und sehen, dass es denen, die hier sind, unserer Linie, keine Flüchtlinge aus den grie- April schlecht geht.« Nehmen wir als Beispiel das chischen Lagern aufzunehmen. Wir haben Lager Kara Tepe, in dem rund 2.500 Kinder in eine klare Linie, und die heißt: Wir erreichen Das Protest- und Solidaritätscamp Wo- Kälte und Schlamm leben, wobei leben ei- mehr und sind schneller, wenn wir vor Ort chenende für Moria geht weiter. Seit Jän- gentlich das falsche Wort ist. Viele von ihnen helfen.« Weiter Originalton Schallenberg: ner übernachten Menschen in Zelten an sind krank, Babys werden in nassen Zelten »Wir müssen sehr vorsichtig sein, dass wir unterschiedlichen Plätzen in Linz, um ihre von Ratten gebissen und minderjährige hier nicht Signale ausschicken, die dann eine Solidarität mit Geflüchteten in Österreich Flüchtlinge sind ständiger Gewalt ausgesetzt, Kettenreaktion auslösen, der wir vielleicht und der EU zu zeigen. 06/2021 7
Wohnraum unter freiem Himmel Parks in der Innenstadt bieten Wohnungslosen oft einen wertvollen Lebensraum Wer obdachlos ist oder in einer Wohnung ohne Balkon oder eigenem Garten lebt, muss in öffentliche Parkanlagen oder in die Natur ausweichen, wenn er ein wenig Sonne tanken möchte oder gar auf der Suche nach einer Schlafstät- te ist. Einige Redakteure haben ihr Platzerl in der Stadt gefunden. Sandburg neben dem Brucknerhaus Wenn es die Sonne und ihre Wärme erlauben, bin ich sehr gern dort, bis zum Sonnenuntergang. Ich lese, schreibe, döse, schlafe, bete oder hänge einfach nur meinen Gedanken nach. In der Sandburg ist in Nicht-Corona-Zeiten immer Hochbetrieb, mit cooler Musik, mit Palmen und mit wahnsinnig vielen Lie- gestühlen und auch einigen Hängematten. Es gibt in der weit- aus größten Zone, dort, wo der viele Sand liegt, keinen Kon- sum-Zwang. Nur in dem relativ kleinen Bereich mit Stühlen und Tischen und dem Blätterdach herrschen normale Gastro- Bedingungen. Die Sandburg ist eines meiner Lieblings-Platzln in Linz, auch in der Vor- und Nach-Saison. Foto: dw, Text: Jo- hannes Der Schillerpark - ein Gedicht! Jo im Schiller-Park, do is oft lustig, oiwei aloan, do wirst jo frustig. Ma muas a weng unta d'Leit, da Supamoakt is a net weit. A poar Euro hama scho im Tascherl, a poar Doserl oder Flascherl. De Polizei, de schaut uns zua, mir reissn uns zaum und gebn a Rua. Waun daun do oana spinnt, kimts net drauf au, das oana gwinnt. Mir doan jo auf'n Friedn gleitn, sölten muas die Exekutive einschreitn. Des Virus hot Schillerpark-Verbot, mia haltn Abstand, ois im rechten Lot. San in da frischn Luft, wo des Virus eh vapufft. Miassn a schaun, das ma umikemman und uns ned in Räumlichkeiten drängan. Foto: hz, Text: Manfred S. 8 06/2021
Grillen im Wasserwald – ein besonderes Erlebnis Es gibt in Linz Plätze, wo öffentliches Grillen noch erlaubt ist. Mein Freund Joe und ich treffen uns öfters im urgemütlichen Wasserwald beim Pavillon im englischen Garten. Eines Tages wollten wir dort auch einmal selbst gegrillte Speisen essen. Joe ist sehr geschickt und baut aus Dingen, die andere wegwerfen, brauchbare Sachen. So baute er einen, mit der Kraft der Sonne betriebenen Griller. Dazu brauchte er einen beschichteten alten Karton, eine gusseiserne Pfanne und ein silbernes Powertape. Am nächsten Tag sagte der Wetterbericht 36 Grad Celsius voraus. Ideale Vor- aussetzungen für den ersten Versuch. Wir gossen Öl in die Pfanne. Nach einer Stunde stiegen leichte Rauchschwaden auf. Die von der Sonne ge- bratenen Käsekrainer schmeckten vorzüglich. Es war ein besonderes Er- lebnis. Foto: hz, Text: Manfred F. Eine Nacht auf der Parkbank Bei Schönwetter verbrachte ich die Tage oft auf einer Bank im Park. Dass ich jedoch einmal auf einer solchen übernachten werde, hätte ich mir nie gedacht. Eines Tages hatte ich Streit mit meinem betrunkenen Ex- Mann. Als ich von der Arbeit nach Hause kam, ließ er mich nicht in die Wohnung. Ich wusste nicht wohin. Bis zur Sperrstunde blieb ich bei einem Wirten auf einen Kaffee. In meiner Hilflosigkeit ging ich dann zu meiner Parkbank und legte mich drauf. Ich hatte große Angst, von der Polizei vertrieben zu werden. Alles lief gut. Am nächsten Tag konnte sich mein Lebenspartner nicht mehr erinnern. Ich schwor mir, beim nächsten Raus- wurf ein Pensionszimmer zu nehmen oder bei einer Freundin zu schlafen. Foto: de, Text: Anna Maria Alkoholfrei im Hessenpark Als ich noch in der Mozartstraße wohnte, hatte ich es nicht weit zum Hes- senpark. Damals durfte man dort noch Alkohol trinken und Freunde tref- fen. Das hatte Flair. Zum Einkaufen gingen wir in den Penny-Markt am Rande des Parks, unsere Notdurft erledigten wir in der Wirtschaftskam- mer. Wenn meine Freundin mit ihren zwei Kindern vorbeikam, die beliebt waren, konnten sich sogar die hartgesottenen Alkoholiker für eine Zeit lang zusammenreißen. Es lief relativ ruhig ab. Ansonsten war es meist sehr laut im Park. Das eine oder andere Mal ging einer unfreiwillig im Brunnen baden. Aber ansonsten passte alles. Es war eine schöne Zeit, die damit endete, dass Verbote kamen und die Leute andere Parks aufsuchten. Foto: hz, Text: Sonja 06/2021 9
Am Bahnhofs-Park gelandet In meiner zweijährigen Zeit als Obdachloser lernte ich viele Parks kennen. Ich konnte mir die Miete nicht mehr leisten. Zum Glück war das zu Sommerbeginn. So hatte ich nur einen Feind: Den Regen. Meine erste Schlaf-Bank befand sich am Linzer Bahnhof. Ich war je- doch nicht der Einzige, der auf Schlafplatz-Suche war. Eine Bank stand unter einer Laube, die als perfektes Vordach fungierte. Das wäre ein toller Schlafplatz, dachte ich mir. Kurz vor Anbruch der Dunkel- heit ging ich zu dieser Bank. Sie war noch nicht besetzt. Die erste Nacht war ruhig und angenehm. Ich lernte sogar einen Freund, der sich auf die Nachbar-Bank legte, kennen. Er bot mir an, bei ihm im Keller zu schlafen, falls es regnen sollte. So hatte ich dann auch bei Regen einen trockenen aber harten Schlafplatz. Heute, acht Jahre spä- ter, wohne ich in einer GWG-Wohnung und bin glücklich darüber. Foto: de, Text: Helmut Grüne Wohlfühloase Meine Wohnung, die ich über den Sozialverein B37 bekommen habe, liegt gleich neben dem Wasserwald, einem Naherholungsgebiet mit ausgedehnten Wald- und Wiesenflächen für Naturliebhaber. Im Park befinden sich genügend Parkbänke als Sitzgelegenheit. Ich sammle in diesem Park jedes Jahr meine Heilkräuter wie etwa Brennesseln, Lö- wenzahn und Spitzwegerich, die ich als Salat- oder Teemischungen zubereite. Mit meinem Rad kann ich alle Plätze im Park schnell und ideal erreichen. Manches Mal nehme ich die Isodecke mit, suche mir ein ruhiges Platzerl, nehme ein Buch zur Hand oder lasse meine Seele baumeln. Oft habe ich auch eine Jause dabei. Leider mangelt es dann jedoch an guter Gesellschaft. August Viele Tage im Lentia-Park Früher arbeitete ich als Schausteller. Zwei Jahre hintereinander hatte ich nach der Saison keine Unterkunft. Damals verbrachte ich den gan- zen Tag draußen, wobei ich die meiste Zeit im Park neben dem Lentia anzutreffen war. Wir waren eine Gruppe von ungefähr zehn Leuten, die sich täglich dort trafen und ein paar Bier tranken. Am Abend, wenn es dunkel und kalt wurde, ging ich ins Lentia, das damals in der Nacht noch offen war. Man musste den Eingang durch die Tiefgarage nut- zen, konnte sich dann aber ein ruhiges, warmes und vor allem trocke- nes Schlafplätzchen aussuchen. Bis irgendein Idiot auf die Idee kam, Mistkübeln und Kinderwägen anzuzünden. Von da an war das Lentia nachts geschlossen. Foto: de, Text; Gandhi 10 06/2021
Rätselecke − Sudoku Die Grundfläche besteht aus 9 mal 9 Zellen. Mehr oder weniger gleichmäßig verteilt befinden sich dort bereits 2 bis 5 Ziffern. Je mehr Ziffern vorgegeben sind, desto einfacher fällt die Lösung. Alle leeren Zellen sollen so aufgefüllt werden, dass jede Ziffer in einer Spalte (senkrecht), in einer Zeile (waagrecht) und in einem Block (3 mal 3 Zellen) nur einmal vorkommt. Die Rätsel wurden uns gratis von Dr. Bertran Steinsky zur Verfügung gestellt. Unfall mit Fahrerflucht Ein Unfall mit anschließender Fahrerflucht hat sich am Samstag, 10. April, knapp vor 21 Uhr an der Ecke Mozart- und Dametzzstraße ereignet. Das Opfer: Der obdachlose Kupfermuckn-Verkäufer Andreas. An den Unfall-Hergang selbst kann er sich nicht mehr erinnern. Nach einer Behand- lung im AKH erzählt er jedoch, was davor und danach pas- siert ist und hofft nun, einen Augenzeugen zu finden. Andreas erzählt, was geschah: »Es war schon dunkel. Leider war ich komplett schwarz gekleidet. Da ich derzeit in der Stadt bleibe, war ich auf dem Weg zu einem Schlafplatz im Freien. Knapp vor der Kreuzung Mozartstraße/Dametzstraße wurde es dann dunkel um mich herum. Ich erinnere mich erst wieder, dass ich auf dem Straßenrand liegend wie aus einem Tiefschlaf er- wachte. Als ich zu mir kam, rann das Blut über mein linkes Auge. Auch die Nase blutete. Mein Körper tat ziemlich weh. Ich hatte starke Kopf- und Nackenschmerzen. Auch mein Brustkorb tat weh. Um mich herum war es menschenleer. Unfall-Opfer Andreas sucht dringend nach Augenzeugen Ich weiß ja nicht einmal mehr, wie lange ich am Straßenrand gelegen bin. Irgendwie schaffte ich es dann, zu einem nahegele- genen Schlafplatz zu kommen. Dort schlief ich mehr schlecht als recht ein. Als ich in der Früh erwachte, sah ich, dass ich voller Blut war. Die Decke, die Hände, alles war rot gefärbt. Zuerst ging ich – wie jeden Tag – ins Of(f)'nstüberl. Duschen und Früh- stücken. Ein Sozialbetreuer rief dann sofort die Polizei und die Rettung, nachdem meine Pupillen beim Leuchten nicht reagiert hatten. Bevor ich ins Krankenhaus kam, machte ich bei den Po- lizisten noch eine »Anzeige gegen Unbekannt«. Im AKH wurde ich untersucht: Röntgen, Schädel-CT, Pupillen-Check. Abends hieß es nochmals: »Zur Kontrolle«. Schmerzmittel wurden mir angeboten, ich lehnte sie ab. Nun – drei Wochen später – spüre ich immer noch einen Schmerz in den Rippen. Falls jemand der Leserinnen oder Leser den Unfall beobachtet hat, bitte ich Sie, Auflösung auf Seite 22 diesen zu melden.« Foto und Aufzeichung: dw 06/2021 11
Die erste große Liebe Als würden wir einen terlinge im Bauch. Wenn man die sammen, denn die erste große am 23. November 2017 als Fern- erste große Liebe trifft, fühlt man Liebe bleibt für immer. Wenn beziehung. Mittlerweile sehen hohen Berg besteigen sich vollständig. Die erste große dein Partner nicht bei dir ist, wir uns schon öfters in der Wo- Liebe übersteht mehrere Kilome- fühlst du dich unvollständig und che, wenn sich mein Freund Ur- Die erste große Liebe im Leben ter und kann Berge versetzen. es bleibt die Zeit stehen. Der erste laub nimmt. Wir erleben die Be- eines Menschen hinterlässt tiefe Man will zusammenziehen, denkt Kuss fühlt sich an, als ob man ziehung, als würden wir einen Spuren im Herzen. Man erlebt auch über eine Hochzeit nach. fliegen könnte. Die Stimme klingt Berg besteigen. Es liegen auf dem zum ersten Mal im Leben alles Man will sein ganzes Leben nur wie Musik, sein Duft wird zu dei- Weg auch Steine, die wir aus dem zusammen und nicht alleine. mit der einen Person verbringen. nem liebsten Geruch, die Nähe ist Weg räumen müssen. Man kann Auch spürt man noch die Schmet- Jeder Streit bringt einen näher zu- unbezahlbar. Bei uns begann alles über jedes Hindernis hinwegkom- 12 06/2021
men, wenn man zusammenhält. Wir sind wie Pech und Schwefel, wir halten immer zusammen. Wenn es Probleme gibt, können wir uns aufeinander verlassen. Auch wenn wir gerade nicht zu- sammen die Zeit verbringen, kön- nen wir wenigstens telefonieren. Oder wir reden auch ab und zu nicht miteinander, aber wenn es drauf ankommt, sind wir trotzdem füreinander da. So wie jetzt, wo ich erfahren habe, dass wir ein Kind erwarten. Es wird nicht ein- fach werden, aber wir müssen uns erst auf die Situation einstellen. Es ist schwer, damit klarzukom- men, denn mein Freund hat an- dere Pläne. Wir freuen uns trotz- dem schon beide sehnsüchtig auf unsere kleine Familie, und end- Charly hat ein großes Herz für seine Frau und seine Hündin Daisy. Foto: dw lich die zweite große Liebe in un- seren Armen halten zu können. Durch die wahre Liebe kann man gangen. Wir fuhren nach Linz in später sahen wir uns wieder. Ab Es bedurfte nur eines alles überstehen. Ich hoffe für einen Techno-Club. Es war eine diesem Tag waren wir dann un- euch alle, dass ihr ebenso die Megaparty. Im Lokal tanzten alle. zertrennlich. Heute weiß ich, dass Blickes in die Augen große Liebe findet oder bereits Beim DJ-Pult gab es eine Ecke, es Schicksal war, denn wir hatten gefunden habt. Dann seid auch ihr so eine Art Lounge. Dort konnte vieles durchgemacht. Jahre später Wie alles begann und wie alles im siebten Himmel. Jaqueline S. man chillen, was ich dann auch verliebte ich mich in den Freund endete: Die erste große Liebe machte. Dort saß ein Typ. Wenn meiner Schwester. Ich arbeitete meines Lebens, die ich bewusst ich heute so darüber nachdenke, damals in einem Wettbüro. Da erleben durfte, war Barbara. Ich Oft frage ich mich: dann frage ich mich, gibt es Zu- kam eines Tages eine Zigeunerin dachte zwar zuvor, dass ich die- »Gibt es ein Schicksal?« fälle oder ist es Schicksal? Keine herein und fragte mich, ob sie ses einzigartige Gefühl schon er- lebt hatte. Doch im Nachhinein Ab meinem 18. Lebensjahr entpuppte es sich als reine puber- machte ich die ersten Erfahrun- »Den Bauch voller Schmetterlinge, Herzklopfen täre sexuelle Affäre, mit der ich gen mit Männern. Daraus wurde bei jeder Berührung und ein tränenreicher machen konnte, was ich wollte. aber nie wirklich eine Liebesbe- Abschied« Ursula Sie hat so lange gedauert, bis sich ziehung. Ich ging in Kremsmüns- mir meine wahre Liebe endlich ter in die Schule. Ich weiß nicht, vorgestellt hatte. Erst als ich die- ob das heute auch noch so der ses Geschöpf sah, das von einer Brauch ist, aber wir führten da- Ahnung, warum ich gerade ihn Geld haben könne, sie würde mir anderen Welt zu sein schien, be- mals Stammbücher. In meiner angesprochen habe. Ich fragte auch aus der Hand lesen. Sie sagte griff ich die Worte und Zustände Klasse war ein Mädchen, welches ihn, wie er heißt. Er sagte: »Da- zu mir, dass ich zwei Menschen von »Begierde«. Ich verstand, mit Nachnamen »Schippani« niel.« Anscheinend hatte ich ei- liebe, und dass ich verflucht sei. was es heißt, die ganze Zeit Lust hieß. Ich wünschte mir, auch so nen etwas komischen Gesichts- Ich liebte Daniel über alles, aber zu verspüren, jede einzelne Mi- zu heißen, denn mir gefiel der ausdruck, denn er fragte mich, ob der andere reizte mich dann auch nute mit ihr verbringen zu wollen Name sehr. Ich war damals neun ich einen Geist gesehen hätte. Ich sehr. Ich verbrachte mit ihm zwei und sie einfach auf jede erdenkli- Jahre alt. Ich beendete die Schule erzählte ihm, dass ich als Junge Wochen in Indien. Als ich zurück- che Art und Weise glücklich zu und ging nach Rohrbach in die immer gerne so geheißen hätte. kam, verbrachte ich die schlimms- machen. Ich weiß es noch, als Berufsschule. Dann lebte ich Wir haben dann stundenlang ge- ten Jahre mit dem anderen. Ent- wäre es gerade geschehen. Keine mein Leben und dachte nie wie- redet. Wir verstanden uns sehr weder, sie hatte mich damals ver- drei Monate vor Weihnachten ha- der daran. Eines Tages überrede- gut. Und, wie es der Zufall wollte, flucht oder es war eben mein ben wir uns auf einer Party unse- ten mich ein paar Freunde, mit war er auch Berufsschüler in Schicksal. Heute sind Daniel und rer Freunde das erste Mal getrof- ihnen fortzugehen. Ich hatte null Rohrbach. Wir tauschten dann die ich sehr gute Freunde. (Autorin fen. Wir sahen uns in die Augen. Lust, bin dann aber doch mitge- Nummern aus. Erst drei Wochen der Redaktion bekannt) Es dauerte keine zwei Minuten, 06/2021 13
konnte natürlich nicht lange gut Gespräch miteinander gesucht, gehen. Ich war dann bereits so viel gelacht, viel geschäkert, auch süchtig, dass der Stoff für mich ernsthaft geredet, und da und dort wichtiger war, als sie. Ohne Dro- ist es auch schon zu ersten – sehr gen konnte ich nicht mehr exis- vorsichtigen – körperlichen Be- tieren. Und so trennten wir uns, rührungen gekommen. Die Wo- was ich heute noch bereue. Mike che war natürlich viel zu schnell vorbei. Danach hat eine Brief- freundschaft begonnen, auch an Erste Liebe während des eine Kassette mit Liebesliedern Priesterseminars kann ich mich noch sehr gut erin- nern, die ich von dir bekommen Ich möchte etwas schreiben zu ei- habe und immer, immer wieder, ner meiner ersten, ganz großen sicher unzählige Male abgespielt Liebe, über die Petra. Ich weiß habe. Einmal habe ich dich dann gar nicht, ob ich irgendwann ein- bei dir zu Hause in Pollham be- mal so verliebt war. Da hat‘s sucht, und einmal haben wir uns wirklich gefunkt, obwohl wir ei- in Wien getroffen – bei einem gentlich nie wirklich zusammen Treffen der Don-Bosco-Jugend. waren, nie wirklich ein Paar wa- Da hatten wir allerdings nicht ren. Ich war noch Mitglied und wirklich viel Zeit füreinander. Student im Wiener Priestersemi- Doch die Zeit blieb nicht stehen, nar. Als katholischer Priester meine Studienzeit war schon weit muss man bekanntlich auf Ehe fortgeschritten, und der Druck und Familie verzichten. Ich hatte »Weihe oder Austritt« wurde grö- Manfred und Sonja teilen ihre Liebe für die Black Wings. Foto: hz eine gewisse Entwicklung durch- ßer, ja gewaltig groß. Und da war gemacht - von sehr streng zu of- eben leider, für eine erotische Be- fen auch im Hinblick auf meine ziehung kein Platz (mehr). Das, bis wir uns unterhielten. Auf das, nen, dass ich damit den Höhe- eigenen Bedürfnisse, auch hin- was dann von mir verlangt war, was jetzt kommt, bin ich zwar punkt meines Glückes erreichte sichtlich Erotik, Zärtlichkeit und war wirklich sehr, sehr hart: nicht stolz, trotzdem gehört es zu und es von da an nur mehr bergab das andere Geschlecht. Ich konnte »Nein« zu sagen zu einer Bezie- meiner Geschichte. Bis zu die- ging. In meinem ersten Job habe da in meinem Kopf mehr zulas- hung mit dir, Petra, die ich doch sem Abend konnte ich ohne Al- ich mich hoch gearbeitet und sen, ohne mich selber dafür zu so geliebt habe. Das hat mich kohol fast nie Spaß haben. Doch auch in meinem zweiten Job lief verurteilen. Es gab nur ein Prob- viele schwere, lange Nächte im an diesem Abend redeten wir nur. es sehr gut. Ich wurde ins Taktik- lem: die Sieben-Jahres-Klausel: Gebet in der Kapelle gekostet, ein Wir waren ganz vertieft in unsere Management geholt. Insgesamt Nach den Regeln sollte man sich langes, mühsames, schweres Rin- Gespräche. Es war dann früh arbeitete ich gefühlte 20 Stunden nach sieben Jahren im Seminar gen. Und schließlich habe ich Morgens, als ich sie nach Hause pro Tag. Mein Mentor sagte im- definitiv für den geistlichen Beruf mich zum Diakon weihen lassen in ihr »Schloss« fuhr. Wir beide mer: »Glaubst du, während du samt Zölibat entscheiden– oder und es tatsächlich auch geschafft, waren nach dieser einen Nacht schläfst, macht die Welt Pause?« austreten. Und dann war da auf den Zölibat zu versprechen. Auch ein Paar. Was ich bis dahin nicht wenn meine Gefühle für dich wei- wusste, war, dass ihren Eltern – ter sehr groß und stark waren, da zwar ein bisschen übertrieben – »Hätte ich das wirklich von dir erwarten kön- war es zu spät. Du hattest dann halb Kremsmünster gehörte. Also nen, dass du so lang, unter so widrigen Um- später keinen Platz mehr für mich hatte ich den Jackpot geknackt: ständen auf mich warten würdest? « Johannes in deinem Leben. Natürlich war Schön, klug lebensfroh, reich und das ein großer Schmerz für mich. sie war genau so verliebt in mich Doch wie hätte ich es dir verübeln wie ich in sie. Die ultimative sollen? Hätte ich das wirklich er- Traumfrau für mich. Doch damit Das blieb mir hängen. Der Kon- einmal die Petra. Kennengelernt warten können, dass du so lang, beginnt erst das Glück meines sum von Drogen wurde sowohl haben wir uns in einer Sommer- unter so widrigen Umständen, wo Lebens. Ich bin mir sogar sicher, bei mir, als auch bei meinen Kol- woche für junge Leute, die sich ich mich ja klar für den anderen dass zwischen dem zehnten und legen von der Geschäftsleitung für einen kirchlichen Beruf inter- Weg entschieden hatte, auf mich 16. August 2006 die glücklichs- geduldet, zumal sie uns leistungs- essieren. Liebe Petra! Wir waren warten würdest? Nein, so was ten Tage meines Lebens waren. fähiger machten. Privat durften sehr jung damals, ich 24, du über- kann man von keinem Mädchen Damals saß ich auf der Stiege ih- weder meine Liebste noch ihre haupt erst 16, also wirklich noch erwarten, auch wenn man sie res Elternhauses und blickte in Eltern mitbekommen, dass ich sehr jung. Beim Baden und bei noch so sehr liebt. So schwer es die untergehende Sonne. Zu die- mittlerweile total abhängig von den Wanderungen haben wir im- war, das Kapitel »Petra« musste sem Zeitpunkt konnte keiner ah- diesem Zeug geworden war. Das mer wieder den Kontakt und das ich irgendwann abschließen. Wie 14 06/2021
das Leben weitergegangen wäre stand. Wie ein Betrunkener weiß mit dir? Es wäre vielleicht eine ich nicht mehr, wie ich an diesem schöne Zukunft. Naja, man wird Tag nach Hause gekommen bin. ja noch träumen dürfen. Seufz! Ich hatte wohl Flügel. Es war ma- Großer Seufzer. Johannes gisch, ein wunderschönes Gefühl. Leider hielt dies nicht ewig an. Es ist jedoch noch tief in meiner Er- Eingetaucht in einer innerung gespeichert. Das erste rosaroten Wattewolke Mal so richtig verliebt. Wie es ihr wohl so ergangen ist im Leben? Sie war sechs Jahre alt und im Ich weiß es leider nicht. Damals ersten Schuljahr. Ich war in der haben sich unsere Wege noch ein dritten Klasse. Kaum, dass ich sie paar Mal gekreuzt. Leider war gesehen habe, war ich in sie ver- dann immer ihre beste Freundin »Ich hatte wohl Flügel, ein wunderschönes Ge- fühl. Leider hielt es nicht ewig an. Es ist jedoch in meiner Erinnerung gespeichert.« Heikü Antikörper-Schnell-Test Im November vorigen Jahres erkrankte ich an Corona. Ich habe über meinen schwierigen Krankheitsverlauf bereits liebt. Sie war das hübscheste dabei. Diese hat sie dann regel- in der Kupfermuckn berichtet. Zum Glück leide ich nicht Mädchen von allen im Dorf, die recht von mir weggezogen. an Langzeitschäden. Als geselliger Mensch kann ich es nun ich bisher kannte. Eines Tages Schade eigentlich. Heikü kaum erwarten, wieder unbekümmert meine Freunde tref- kam mir der Zufall zuhilfe. Ich fen zu können. Ein Antikörper-Schnelltest sollte Klarheit hatte Klassendienst oder wie das über meine Immunreaktion bringen. auch immer hieß. Das bedeutete, Sandkasten-Freund und man musste das Klassenzimmer dann endlich Manfred Anfang April machte ich mich auf den Weg ins Passage-Kauf- auswischen und auskehren. Dabei haus. Wo früher noch ein Optiker war, wurde nun eine Teststa- entdeckte ich einen helblauen Seit meiner ersten großen Liebe tion eingerichtet. Ich schnappte mir eine Info-Broschüre, die Plastikstein eines Ringes aus dem sind mittlerweile schon viele an einem Tisch auflag und stellte mich in die Schlange der Kaugummi-Automaten. Ich sehe Jahre vergangen. Meine erste Wartenden. Ein Antikörper-Schnelltest um 39 Euro war das es noch vor mir, wie ich damals Liebe fand ich im Sandkasten. Er den Stein in ihr Federpenal unter wohnte im Nachbarhaus, wir tra- eine Haltetasche schob. Die Zeit fen uns regelmäßig am Nachmit- »Der Antikörper-Schnelltest war so harm- verging und ich genoss das Ge- tag und spielten gemeinsam. los wie den Blutzuckerspiegel messen.« fühl meiner ersten Verliebtheit. Doch mehr als ein Bussi war nicht Eines schönen Tages – die Tage drinnen. Schließlich waren wir damals waren dann überhaupt nur beide ja auch noch sehr jung. Richtige für mich. Der Testablauf wurde in der Broschüre ge- schön –, kam ein Zauberer in un- Dennoch sind die Erinnerungen nau beschrieben. Endlich war ich an der Reihe. Zuerst musste ser Dorf. Es sollte eine große an diese Zeit noch sehr wach. ich bezahlen, leider nicht mehr mit Bargeld, nur noch mit Kre- Show werden. Ich ging hin, sie Gerne denke ich an ihn zurück. ditkarte. Die hatte ich bei mir. Das Geld wurde mir dann dan- war glücklicherweise auch dort. Bis zu seinem Tod blieb er damals kenswerterweise von der Kupfermuckn retour gegeben. An- Der Saal war riesig. Eine große mein bester Freund und heimli- schließend wurde ich zum Eingang »Test 2« geschickt. Dort Kinderschar drängelte sich bis zur cher Geliebter. Leider verstarb er wartete bereits ein junger Herr mit Schutzanzug und Mund- Bühne vor. Ich weiß nicht mehr, viel zu früh. Mit nicht einmal 18 Nasenmaske auf mich. Es war kurz und schmerzlos. Durch was dann geschah. Irgendwie Jahren kam er durch einen schlim- einen kleinen Stich in die Fingerspitze wurde mir ein Tropfen hatte sie wohl das Heft in die men Unfall ums Leben. Vor eini- Blut abgenommen. Das war so harmlos wie den Blutzucker Hand genommen. Wir stellten uns gen Jahren habe ich dann die messen. Danach wartete ich draußen auf das Ergebnis, da ich in den hinteren Reihen auf zwei große Liebe meines Lebens ge- keine Mailadresse habe. Nach einer Viertelstunde kam der Stühle. Von der Zaubershow be- funden. Mit Manfred gehe ich Herr zu mir mit einer schriftlichen Ergebnisübermittlung. kamen wir glaube ich nichts mit. seitdem durch dick und dünn. Wir Demnach habe ich bereits Antikörper aufgrund der vorange- Wir standen nur da und hielten haben viele Tiefen miteinander gangenen Infektion mit dem Virus gebildet. Drei Monate sei uns an den Händen, eingetaucht gemeistert, momentan kriselt es der Test gültig. Ich solle den Test noch von meinem Hausarzt in einer rosaroten Wattewolke. aber leider ein wenig. Ich hoffe bestätigen lassen. Nun kann ich mit gutem Gewissen wieder Während der gesamten Show ge- wir bekommen das wieder hin. die Kupfermuckn verkaufen und hoffentlich bald wieder ohne nossen wir diesen Schwebezu- Sonja Mundschutz meine Freunde treffen. Foto: dw, Text: Hermann 06/2021 15
Licht am Ende des Tunnels Daniel gibt uns exklusive Einblicke in das Leben eines Alkoholikers Daniel wuchs teilweise bei sei- hatte mein Vater. Eigentlich bin Die Zeit in der Spattstraße habe ter übersiedeln konnte. Für mich nen Eltern, Großeltern und ich aber immer bei meinen Groß- ich dennoch positiv in Erinnerung war das ein schöner Moment. Zu auch im Heim auf. Dieses ewige eltern gewesen. Im Alter von fünf behalten. Es war wie meine der Zeit, als mich meine Mutter Hin und Her hat bei ihm Spu- Jahren steckte mich mein Vater zweite Familie. Als meine Mutter mit ihrem neuen Lebensgefährten ren hinterlassen, die er mit Al- ins Heim – ins »Zentrum Spatt- und mein Stiefvater von meinem und meiner Halbschwester Bi- kohol zu verwischen versucht straße« nach Linz. Den Grund da- leiblichen Vater erfuhren, dass ich anca wieder zu sich geholt hat, hat. Viermal war er nun schon für habe ich nie erfahren, obwohl in der Spattstraße sei, kamen sie war ich acht Jahre alt. Bianca war auf Therapie, aber jetzt hat er ich ihn mehrmals gefragt habe. mich regelmäßig besuchen. erst ein paar Monate alt. Der Kon- gute Aussichten. Wahrscheinlich passte ich ihm takt zu diesem Teil der Familie ist nicht in die Familienplanung mit Meine Mutter holte mich noch heute intakt. Zuerst wohnten Ich wurde 1982 in Schärding ge- seiner neuen Lebensgefährtin. wir in Auwiesen, aber die Woh- wieder nach Hause zurück boren. Teilweise wuchs ich bei Heute habe ich nur sporadischen nung wurde zu klein und wir zo- meiner Mutter auf und teilweise Kontakt zu ihm. Die Beziehung Sie wollten mich zu ihnen holen, gen in die Nähe der Heimbach- bei meinen Großeltern. Meine El- zu ihm ist nach wie vor schwierig was gar nicht so einfach war. Ins- siedlung. Ich besuchte die tern ließen sich scheiden, als ich – er ist ein sehr eigener Mensch, gesamt hat es mehrere Monate Karlhofschule, wo ich durch drei Jahre alt war. Das Sorgerecht an den man schwer herankommt. gedauert, bis ich zu meiner Mut- meine Vorkenntnisse aus der 16 06/2021
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