Oberjosbacher Dorfzeitung - Oberjosbacher Dorfzeitung Ausgabe Nr: 45/ November 2021
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Oberjosbacher Dorfzeitung Seite 1 Oberjosbacher Dorfzeitung Herausgeber: Förderverein - 800 - Jahre - Oberjosbach Ausgabe Nr: 45/ November 2021
Seite 2 Oberjosbacher Dorfzeitung Der Blick der Kerbemädcher + -Burschen zur 500jährigen Kerb Redaktion: Nov. 2021 über die vielen Jahrhunderte regelmäßig ge- Außer in den Jubiläumsjahren 1994/1999 Wir haben uns orientiert bei den aktiven halten (gefeiert) wurde. In den Kriegsjahren wurden am Turnplatz in Oberjosbach„ Zeltker- Kerbe-Mädcher und -Burschen mit der Fra- des 19. Jahrhunderts verlor die Kerb leider an ben“ gefeiert. Von den Zeltkerben wird bis ge: „Was bedeutet euch „ 500 Jahre Stellenwert. Es wurde eine Zeit lang keine heute noch geschwärmt. Kerb in Oberjosbach?“. Sie haben uns Kerb gefeiert. Ab 1945 bis Ende der 1950-iger Im Jahre 2000 wechselte der Kerbe Ort voll- nett und hoffnungsvoll geantwortet. Stell- Jahre feierte man mit Tanz, Schaustellern, in ständig zum Dorfgemeinschaftszentrum. Es vertretend für die aktiven Mitglieder des den Gasthäusern und im Dorf, traditionell die wurde auch deswegen gebaut, weil es die Kerb mit Umzug, Baum und Gickelschlag. Kerb erforderte. Auch hier wird das Brauch- Vereins. Der 1. Vorsitzende Phillip Martin, In den Folgejahren schien die Kerb verloren zu tum bis heute gelebt und gefeiert. die 2. Vorsitzende Rebecka Kleber, die gehen. Mit der Initiative des Pfarrgemeindera- Pressewartin Jacqueline Thieme. tes wurde 1968 die Tradition wiederbelebt, so- Wie war unsere letzte Kerb? dass sich die damalige Jugend entschied, wie- Aufgrund des Covid-19-Virus musste unser Was bedeutet die Kerb für uns? der eine gemeinsame Kerb zu feiern. geliebtes Fest im Jahre 2020 leider zum ers- Werfen wir zuerst mal einen Blick auf die Zum Glück! Aus dem gemeinsamen Feiern ten Mal in der Vereinsgeschichte der Kerbe- Entstehung und Geschichte unseres Verei- folgte 1974 die Vereinsgründung der Kerbege- gesellschaft Veilchenblau e.V. abgesagt wer- nes. Im Oktober 2021 hat die Kerbegesell- sellschaft Veilchenblau, ein eingetragener Ver- den. Diese Entscheidung fiel uns nicht leicht, schaft Veilchenblau in Oberjosbach, wie vor ein. wie ihr euch bestimmt vorstellen könnt. Im 500 Jahren die Kerb gefeiert. In den Jahrhunderten zuvor wurde die Ober- Jahr 2021 konnten die Oberjosbacher Feier- Unsere geliebte Kerbe Tradition, die bis josbacher Kerb durch die Wirte des Dorfes un- wütigen endlich wieder Kerb feiern – auch heute über viele Generationen sich stolz terstützt. Mit der Einweihung des Gemein- wenn in eingeschränkter Form. fortsetzte, wurde das erste Mal 1521 er- schaftszentrum wurde es über das zweite Ok- Die Vorbereitungen begannen in den frühen wähnt. Es ist anzunehmen, dass die Kerb toberwochenende immer zur Kerbe-Residenz. Freitagmorgenstunden, wo auch ein Baum
Oberjosbacher Dorfzeitung Seite 3 Der historische Nachweis von 1521 Mit dem Gottesdienst, welcher in diesem Baumstellen Kerb 2019 zur Oberjosbacher Kerb Jahr schon freitags in der Kirche Sankt Mi- chael stattfand, wurde die Kerb 2021 eröff- von Wulf Schneider net. Tradition muss sein! Da es sich bei der Was für ein Ereignis – 500 Jahre Kerb in Kerb um das Kirchweihfest handelt, sollte Oberjosbach – stolz auf die Geschichte sein dieser Termin auch ein fester Bestandteil darf man auch als Josbacher, vor allem, wenn dieses Festes sein. Im Anschluss wurde die es um die Kerb geht. Es wird berichtet, dass Kerb eingeweiht in der Gaststätte zum Lin- 1321 die neu erbaute Kapelle zu Ehren der denkopf. heiligen Jungfrau Petronella und des heiligen Bei traumhaftem blauem Himmel konnte Bekenners Pankratius eingeweiht wurde. De- samstags der obere Parkplatz des Dorfge- ren Reliquien hier liegen. Man könnte anneh- meinschaftszentrums in ein Festgelände men, dass von da an eine Kirchweih gefeiert verwandelt werden. Die Freiwillige Feuer- wurde. wehr Oberjosbach stellte uns die Fahrzeug- Der reale historische Nachweis zu diesem halle zur Verfügung, sodass wir eine Bühne Termin datiert später, über eine Bluttat wird für unsere Band aufbauen konnten. berichtet, die 1521 schon die Gemüter der Jo- Auch die Oberjosbacher Vereine unterstüt- sbacher erregt hatte. Was war passiert an der zen sich gegenseitig. Am Nachmittag wurde Kerb 1521 ? die Kerb mit der Hessentaler Partyband und In der Chronik wird vermerkt: „Bei der Kirch- vielen Kerbebegeisterten und Freunden or- weih zu Oberjosbach wird ein Angehöriger dentlich gefeiert. des Grafen Phillipp des Altherrn namens Sonntags ging es dann pünktlich um 8 Uhr Junghenne von Königshofen im Selbacher für unsere Kerbeborsch und Kerbemäd- Grund, von einem königsteinischen Diener scher auf zum Weckruf. Dieser endete dann namens Heinrich Eppstein, der dort Wein zum Frühschoppen mit der Blaskapelle schenkte, „ohne hochbewegliche Ursachen“ Kunterbunt, unter der Leitung unseres mit dem Messer erstochen. Auf Bitten der hin- „Meckes“, bei strahlendem Sonnenschein terlassenen Erben desselben fordert der Graf wieder auf dem oberen Parkplatz des Ge- Philipp am 22. Okt. 1521 jedermann auf, dem meinschaftszentrums, wo dann noch bis Eppsteiner keinen Vorschub zu leisten, son- zum Nachmittag gefeiert wurde. dern das Rechtsverfahren wider ihn zu för- pe, im Vereinsleben einbinden und bis zu den dern. Nun zu der Frage, was bedeutet aktiven Kerbeborsch und Kerbemädcher be- die Kerb für uns? gleiten. Auch nach 500 Jahren verstehen es die Wir Oberjosbacher profitieren von einer groß- durch unsere Kerbeburschen und fleißigen Oberjosbacher/innen zu feiern und gemein- artigen Gemeinschaft und einem super Zu- Helfer aus dem Wald geholt, geschmückt und sam etwas auf die Beine zu stellen. Die Tra- sammenhalt im ganzen Ort. Ein Verein ist nur samt Schlagges in der Ortsmitte aufgestellt dition wird nach wie vor über Generationen so gut, wie seine Mitglieder. wurde. So wusste jeder – „In Gussbach do is übertragen, sodass wir unsere Kleinsten, Auf die Frage, was die Kerb für uns bedeutet, Kerb“ die Kerbemäuse und auch die Jugendgrup- wird wahrscheinlich jeder etwas anderes ant- worten. Für die einen ist es das Wiedersehen seiner Jugendfreunde, die Tradition des nächt- lichen Eierbackens, der Weckruf am Morgen mit seinen Stationen, der gemeinschaftliche Umzug, der legendäre Kerbetanz, vielleicht auch der Apfelwein oder Fanta Korn - einfach das Miteinander, wenn wieder der ganze Ort aufgeregt seit Wochen auf dieses eine beson- dere Wochenende im Oktober hin fiebert. Wenn die Eltern unseren Kleinsten noch ein- mal das Kerbegeld für die Süßigkeitentüte auf- stocken und jeder mit anpackt, damit wir die Kerb zu einem legendären Event zusammen gestalten können. Und was uns die letzten zwei Jahre gelehrt ha- ben, der Kerbeverein schätzt die Traditionen, gibt sie an die nächsten Generationen weiter, aber ist auch flexibel. Gemeinsam können wir uns auch an neue Situationen anpassen, sind spontan und schon voller Vorfreude auf die nächsten 500 Jahre. It's a Hard Life in the Mountains Die Kerbegesellschaft Veilchenblau e.V. freut sich auf viele weitere Kerbejahre gemeinsam Kerb 2021 mit euch in unserem schönen Oberjosbach.
Seite 4 Oberjosbacher Dorfzeitung Der historische Aussichtsturm auf dem Küppel von Oberjosbach und Ehlhalten Von Bernhard Heckmann, Gerhard Brusius und Wulf Schneider Auf älteren Ansichtskarten aus der Zeit um 1900 ist auf dem Küppel (Berggipfel bei Ober- josbach / Ehlhalten, früher: Kippel genannt) ein Aussichtsturm abgebildet. Was hat es damit auf sich? Heute sind auf dem Küppel noch die Reste von 4 Betonfun- damenten mit Eisenbeschlägen vorhanden. Diese Relikte haben uns bewogen, die Ge- schichte des ehemaligen Aussichtsturms auf dem Küppel aufzuarbeiten und unsere Er- kenntnisse der Oberjosbacher Bevölkerung mitzuteilen. ßen (1890 – 1905) wurde der Küppel wegen Der frühere Aussichtsturm seiner sehr guten Rundumsicht als Standort Der Aussichtsturm auf dem Küppel wurde für Trigonometrische Punkte (TP) III. Ord- 1895 durch das „Hessische Pionier-Bataillon nung ausgewählt. Nr. 11“ errichtet, das zu dieser Zeit in Mz- Kastel stationiert war und gleichzeitig einen Der nassauische TP, der um 1860 festgelegt neuen Weg durch das Silberbachtal bei Ehl- wurde, ist örtlich nicht mehr sichtbar, der halten baute. Der Turm wurde aus Eichen- preußische TP, der 1903 mit Granitpfeiler stämmen gebaut, hatte näherungsweise ei- nen quadratischen Grundriss und eine Höhe von etwa 10 m. Die Aussichtsplattform war et- wa 3 m x 3 m groß und über 2 (oder 3) Lei- tern zu erreichen . Die heute noch erhaltenen Fundamentreste bilden ein unregelmäßiges Viereck mit Sei- tenlängen zwischen 3,5 m und 3,9 m. Sie weisen darauf hin, dass die vier Turmecken grob nach den vier Haupt-Himmelsrichtungen Nord (N), Ost (O), Süd (S) und West (W) aus- gerichtet waren. Der Küppelturm vermarkt wurde, dagegen schon. Er ragt et- Der Kippel ist eine etwa 434 m hohe Erhe- wa 25 cm aus dem Boden heraus und steht bung zwischen Oberjosbach und Ehlhalten. zurzeit etwas schief. Der nassauische TP Die Gemarkungsgrenze zwischen beiden Or- liegt etwa 9,5 m südöstlich des preußischen ten, die gleichzeitig Kreisgrenze zwischen TP. dem Rheingau-Taunus-Kreis und dem Main- Taunus-Kreis ist, verläuft darüber. Seinerzeit wurden auf diesen TP mit einem Theodolit die Horizontalwinkel zu anderen Punkt der Landesvermessung. benachbarten TP gemessen, die meist auch Dass sich vor rund 120 Jahren auf dem Kip- auf den höheren Erhebungen festgelegt pel ein Aussichtsturm befunden hat, ist nicht wurden (z.B. Rossert und Kellerskopf). ungewöhnlich. Denn auch bei den früheren Landesvermessungen des Herzogtums Nas- sau (1853 – 1862) und des Königreichs Preu-
Oberjosbacher Dorfzeitung Seite 5 Die vier Fundamente sind in diesem Bild durch Betonfundamente der Eisenschienen ausgeragt. Heute sind nur noch kleine Eisen- Steinkreise gekennzeichnet: Links unten das reste an den Betonfundamenten zu finden. West-Fundament (W), rechts unten das Süd- Fundament (S), rechts oben das Ost- Interessant ist, dass sich der 1903 festgeleg- Fundament (O) und links oben das Nord- te preußische TP innerhalb der vier Turmfun- Fundament (N). damente befindet. Da die Preußische Lan- destriangulation primär zu militärischen Zwe- Die Unterhaltung des Turmes als Aussichts- cken durch den damaligen Generalstab er- turm oblag der örtlichen Sektion des Taunus- folgte, liegt es nahe, dass der Aussichtsturm Clubs. Er hat den 1. Weltkrieg noch überdau- auch für die Landesvermessung genutzt wur- ert, wurde allerdings 1920 „niedergelegt“ bzw. de. Die Bauart des Turmes lässt allerdings geordnet abgebaut. Die Eisenschienen an den darauf schließen, dass es lediglich ein Erkun- Betonfundamenten, an denen die vier Eck- dungsturm gewesen sein kann, kein Be- pfosten des Turmes befestigt waren, haben obachtungsturm. noch in den 1950er Jahren über 1 m her- Blick vom Küppel in das Silberbachtal
Seite 6 Oberjosbacher Dorfzeitung Der Heimatforscher Johann Jungels (Niederjosbach) berichtet zum Küppelturm Vor 1900 1909 1924 Das Gerüst des Turmes wurde von Preußi- Es wurden kleine Schäden behoben, vom In der von der Bau-Abteilung des Stammclubs schen Pionieren (Pionierbataillon Nr. 11) auf wem ist nicht bekannt, denn der Ehlhalter geführten Liste aller Bauwerke des Gesamt- dem Küppel in 434m Höhe gebaut. Es war Taunusclub wurde im selben Jahr aus der Taunusclubs war der Küppelturm nicht mehr etwa 10 m hoch, seine Plattform betrug ca. 3 Mitgliederliste des Gesamtvereins gestri- aufgelistet. x 3 m und war aus Eichenstämmen errichtet. chen. 1914 Nach Aussage von Karl Bischoff, dem Leiter Der Turm wurde nach der Wehrübung vom Der Bau-Abteilung des Taunusclubs der Bauabteilung, ist dieser Turm unmittelbar Ehlhalter Taunusclub übernommen und zu ei- (Stammklub) wurden größere Schäden am nach Kriegsende niedergelegt worden. nem Aussichtsturm ausgebaut. Über die ent- Turm gemeldet. Man fühlte sich aber dafür standenen Kosten ist heute nichts bekannt. nicht zuständig, da der Verein (Ehlhalten) nicht mehr Mitglied war. Stationen des Pionierbataillon Nr: 11 Quelle: Auler: "Geschichte des Hessischen Pionier-Bataillons Nr. 11", Stiftungstag: 27.08.1866: Aus 6 verschiedenen Formati- 24.01.1899: Durch allerhöchste Kabinettorder 1.März 1842 (AKO 27.08.1866) onen (aus der Kurfürstlichen Hessischen die Tradition der vormals hessischen Pionier– Pionier Bataillon Nr. 11, Pionierkompanie, dem Herzoglich Nassaui- Einheiten verliehen. Das Bataillon führte seit- 02.10.1866 schen Pionier-Detachement, den zwei her die Bezeichnung "Hessisches Pionier- Hessisches Pionier-Bataillon Nr. 11, Preußischen Reservepionierkompanien Bataillon Nr. 11“. 07.11.1867 aus den Bundesfestungen Mainz und Lu- 07.07.1867: Verleihung der Fahne Kurhessisches Pionier-Bataillon Nr. 11, xemburg sowie der 1. und 2. Pionierkom- 05.11.1866 bis 30.09.1901: Mainz-Kastel ab 27.01.1902 panie des I. Reserve-Korps (Danzig und 01.10.1901: Hannoversch Münden, Bataillons-Parademarsch Deutz)) durch Kabinettsorder zusammen- Pionierkaserne "Großherzog Friedrich von Baden“ gestellt als Pionier-Bataillon Nr. 11 in Mainz 02.08.1914 Mit der Mobilmachung stellte das -Kastel stationiert. Pionier-Bataillon zwei Feld-Bataillone, zu je 3 Kompanien, und einen Scheinwerfer-Zug auf. Hessisches Pionierbataillon Nr. 11, bei der Errichtung „Küppelturm 2021“, Hochsitz am TP Messpunkt eines Aussichtturmes (Foto: Stadtarchiv Eppstein) Foto: Redaktion
Oberjosbacher Dorfzeitung Seite 7 Leben mit der Natur Vogel des Jahres 2021 Rotkehlchen Von Andrea Kerremans „Mehr Gartenvielfalt“ – so lautete der Slogan für das Rotkehlchen, das damit in der ersten öffentlichen Wahl des NABU und des LBV (Landesbund für Vogelschutz) zum aktuellen Vogel des Jahres gewählt wurde. Die Resonanz war so groß, dass nun jährlich von Oktober bis Mitte November öffentlich über den nächsten Vogel des Jahres abge- stimmt werden soll. Das Rotkehlchen trägt den Titel nach 1992 bereits zum zweiten Mal und lenkt nun wieder die Aufmerksamkeit auf den wohl bekanntes- ten Gartenvogel. Das Rotkehlchen ist in un- serer Gegend meist ganzjährig in Gärten und Parks präsent. Zur Brut sucht es gerne Wäl- der mit genügend Unterholz in der Nähe von Gewässern auf. Rotkehlchen gehören zu den barem wie Insekten, Würmern, Spinnen klingt manchmal etwas traurig, wenn er sich unerschrockenen Gartenvögeln und trauen oder Schnecken erleichtert wird. Bei Ge- zum Ende hin in einzelnen Tönen verliert. sich gerne in die Nähe des Menschen, vor al- fahr lassen sie ein kurzes und hartes „tick“ Rotkehlchen leben in Westeuropa und sind lem, wenn bei der Gartenarbeit durch die auf- oder ein hohes „siiip“ ertönen. Ihr Gesang sogar in Sibirien zu finden. Je südlicher ihr gelockerte Erde der Zugang zu etwas Fress- aus schnellen, hohen und feinen Tönen Lebensraum, umso eher bleiben sie auch im Winter vorort und beginnen im Dezember mit der Balz. Anfang April beginnt dann die Brut- zeit, die bis Ende Juli andauert. Zwischen drei und sieben Eier legt ein Weibchen und nach 12 – 15 Tagen schlüpfen die Küken. Da diese bereits nach ca. 15 Tagen das Nest verlassen ist eine zweite Brutzeit eines Paares nicht sel- ten. Aktuell gilt das Rotkehlchen als nicht gefähr- det, der Rückgang von offenen Landschaften und eine zunehmende Bebauung lassen die Zahlen jedoch sinken. In Südeuropa ist zu- sätzlich die Jagd auf die Vögel verantwortlich. Was kann man für das Rotkehlchen tun? Der Verzicht auf Gärten aus Stein und stattdessen eine vielfältige, artenreiche und gerne auch mit dichteren Hecken und Sträuchern ergänz- te Gartengestaltung können der Arterhaltung nutzen. (Quelle: https://www.nabu.de/)
Seite 8 Oberjosbacher Dorfzeitung Baum des Jahres 2021 Europäische Stechpalme (Ilex aquifolium) Von Andrea Kerremans Die Europäische Stechpalme (Ilex aquifolium) ist der 33. - Baum des Jahres. Eine Palme, die keine ist? Der Baum wurde schon im 16. Jahrhundert Stechpalme ge- nannt, was mit dem Palmsonntag zusammen- hängt: Aus Mangel an echten Palmen nutzte man in Mitteleuropa Stechpalmenzweige bei den Prozessionen. Im Nordwesten Deutsch- lands nennt man sie auch „Hülse“ (in den Niederlanden Hulst), im englischsprachigen Raum „Holly“. „Sie wirkt wie eine Exotin in unserer mitteleu- ropäischen Landschaft. Alle heimischen Laubbäume werfen hier im Herbst ihre Blätter ab. Die Stechpalme tut es nicht. Sie ist im- mergrün und behält ihre Blätter sommers wie winters, jedes über drei Jahre und länger. Un- gewöhnlich sind auch ihre satt dunkelgrün glänzenden Blätter. Sie sind ledrig-steif und haben einen welligen und mit unangenehm spitzen Stacheln bewehrten Blattrand. Nicht wenige werden sich fragen, ob sie über- haupt ein Baum ist. Man kennt sie doch eher als ein strauchartiges Gehölz in Laubwäldern, meist ein, zwei Meter, gelegentlich auch mal bis zu fünf Meter hoch, doch eher in die Brei- te gehend, umgeben von Ablegern aus be- wurzelten Seitenästen und ausgetriebenen Wurzelsprossen. Die Antwort ist einfach: Die Stechpalme kann beides – Baum oder Strauch sein – abhängig von den Lichtver- hältnissen. Auf sehr lichten Waldstandorten oder in Grünanlagen oder Gärten – dort kann man sie sehen, hoch aufgeschossen, oft mit einem geraden, bis in die Spitze ziehenden Stamm, vom Wuchs her an die kegelförmige Gestalt von Nadelbäumen erinnernd.“ ( Dr. Rudolf Fenner, Stiftung Baum des Jahres) Die Stechpalme ist in Europa heimisch, auch wenn hier vor über zwei Millionen Jahren
Oberjosbacher Dorfzeitung Seite 9 uns als Weihnachtsschmuck weitgehend ver- schwunden. Im Stechpalmenland Großbritan- nien und in Nordamerika spielt sie aber im- mer noch eine prägende Rolle in der Weih- nachtszeit. In den USA deckt man den enor- men Bedarf durch große Stechpalmen- Plantagen („holly-farms“). Gut zu wissen: Im hessischen Braunfels steht die wohl stärkste Stechpalme: Stammumfang 3 Meter, 8 Meter hoch, geschätzt mehr als 270 Jahre alt. In England und Irland finden sich 20 Meter hohe und um die 500 Jahre alte Bäume. Harry Potters magischer Zauberstab bestand aus einem geschnitzten Ast einer Stechpal- me. Früher nutzte man das Holz tatsächlich wegen seiner Härte auch für Zahnräder, Fla- schenzüge, Werkzeugstiele oder auch Spa- zierstöcke. Franz Liszt hatte einen, Johann eher subtropisches Klima herrschte. Sie Vögeln gefressen, für den Menschen sind Wolfgang von Goethe sogar zwei. Sie sind passte sich den sich ändernden Verhältnissen sie auch in kleinen Mengen giftig. im Goethe-Haus in Weimar zu besichtigen. an und ist somit als Relikt aus einem ande- Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhun- ren Erdzeitalter erhalten geblieben. derts erfreuten sich die dunkelgrünen Zwei- (Quelle: Wodarz - Stiftung www.baum-des- Die Stechpalme blüht meist zart rötlich oder ge vor allem als Weihnachtsschmuck beson- jahres.de) cremefarben im Mai, teilweise bis in den Juni derer Beliebtheit, so dass große Mengen in hinein. Die männlichen und weiblichen Blüten den Wäldern geerntet und sogar per Eisen- wachsen an getrennten Bäumen. Ab Juli bil- bahn exportiert wurden. Die Art drohte aus Blattausbildungen der Europäischen den sich kleine kugelige leuchtend rote den Wäldern zu verschwinden und so steht Stechpalme (Ilex aquifolium). Früchte, die meist bis zur nächsten Blüte am die wildwachsende Stechpalme in Deutsch- Baum bleiben. Eher selten werden sie von land seit 1935 unter Naturschutz. Sie ist bei Links ein Blatt aus ca. 1,50 m Höhe, rechts eines aus ca. 4–5 m Höhe, bei dem nur drei Stacheln ausgebildet sind: ein normaler an der Blattspitze, ein verkleinerter links unten sowie ein extrem verkleinerter rechts unten. (Foto: Quelle Wikipedia)
Seite 10 Oberjosbacher Dorfzeitung Die Idee kommt aus Oberjosbach Publikums Bester 2021 bei „JUGEND GRÜNDET“ „JUGEND GRÜNDET“ ist eine Initiative für Robert Schöninger Nathanael Menn Jonas Becker Ennio Eberwein Schüler in Deutschland, mit guten Ideen, die den Erfolg ihrer Idee durch vermarkten lernen sollen. Zum Beispiel, wie gründe ich eine Fir- ma, die meine Produktidee herstellt und ver- markten kann. Diese Aktion wird bundesweit ausgeschrieben und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt, ähnlich „Jugend forscht“. 665 Teams haben 2021 am Wettbewerb mit 3726 Schülern teilgenom- men. 3.128 Webseitenbesucher haben im Rahmen des Bundesfinales online abgestimmt. Das Team „MyTrest“ von der Internatsschule Schloss Hansenberg in Geisenheim konnte die meisten Stimmen für sich gewinnen. Ihre Produktidee ist nachhaltig und zu 100 Prozent recyclingfähig. Die Schale für Obst und Ge- müse ist in kürzester Zeit kompostierbar .“ So der Text der Veröffentlichung bei „Jugend Gründet“. Was hat Oberjosbach damit zu tun? Eine der Ideen, die es unter die Besten 10 und auf den 1. Platz der Online-Abstimmung gebracht hat, nahm in der „Bohnheck“ (Straße in Oberjos- bach) ihren Anlauf. Ennio Eberwein, Schüler werten, brachten ihn mit seinem Team auf Auszug aus dem Bewerbungstext im Schloss Hansenberg (Rheingau), wohnt in die Idee ein nachhaltiges Verpackungsma- der Nachbarschaft der Kelterei „Apfelundwein der Schüler. terial mit Zukunftspotential aus Apfeltrester Schülerteam: Ennio Eberwein, Jonas Becker, -Oberjosbach GbR“. Seine Beobachtungen herzustellen. Die Kelterei lieferte dazu das am Kelterort und die Idee den Trester Nathanael Menn, Robert Schöninger Rohmaterial. (Teamsprecher) (ausgepresste Apfelschnitzel) sinnvoll zu ver- Jeder kennt es: Dick in Plastik verpacktes Obst und Gemüse. Muss das sein? Diese Frage haben wir uns gestellt, und wir kamen zu einem klaren Ergebnis: Nein! Wir haben mit „MyTrest“ eine natürliche Alternative ge- schaffen, die nicht nur der Umwelt, sondern auch Ihnen hilft Umweltverschmutzung, Kli- mawandel, Gesundheitsgefährdung zu ver- meiden. Viele Millionen Tonnen Plastikmüll treiben in unseren Ozeanen. Die Produktion von Plastik und auch Alternativen verbraucht viel Wasser und treibt mit hohen CO2 Ausstö- ßen den Klimawandel voran und Mikroplastik verseucht die Umwelt und die Körper von Le- bewesen. „MyTrest“ liefert eine neue, natürliche Alterna- tive – zum Beispiel eine kompostierbare Öko- Schale. Wir haben eine flexible Schale aus natürlichen Rohstoffen entwickelt, die recyc- lingfähig ist. Natürlich hergestellt aus Ap- feltrester und Pilzmycel ist sie simpel in der Produktion. Durch die 100%ige Kompostier-
Oberjosbacher Dorfzeitung Seite 11 barkeit nützt sie der Umwelt. MyTrest setzt keinerlei giftige Stoffe ein, um Mensch und Umwelt zu schützen. Und ehrlich: Wer isst schon gerne Mikroplastik im Obst? Weitere Themen der Bewerbung. Der Rohstoff ist na- türlich und lokal erhältlich. Er ist ökologisch, vielseitig verwendbar und günstig. Umwelt und Kundschaft haben viele Vorteile mit „MyTrest“. Was ist die Vision von „MyTrest“? Unser Pro- duktionsverfahren ist vielseitig einsetzbar. Langfristig wollen wir für alle Verpackungen eine umweltfreundliche Alternative bieten können. Mit flexiblen neuen Formen und neu- en Mischungen der Rohstoffe können wir „MyTrest“ ständig für die Kunden weiterentwi- ckeln und neue Formen gestalten. Beispiele: Eierkartons, Schachteln für unterschiedliche Anwendungen. Unsere Vision ist es, die Um- welt vor Müll zu beschützen und dem Klima- wandel entgegenzuwirken! Der „Braune Bär“ ist Schmetterling des Jahres 2021 Der „Braune Bär"(Arctia caja), ein Nachtfalter, ist der Schmet- terling des Jahres 2021. Der Braune Bär ist in den letzten Jah- ren seltener geworden. Man findet ihn auf Wiesen, Waldrän- dern und Gärten. Er ist Nahrungsquelle für Fledermäuse. Weltweit zählen rund 11.000 Arten zu den Bärenspinnern (Arctiinae). In Mitteleuropa kommen 61 Arten vor. Oftmals han- delt es sich um auffällig gefärbte Falter, die über eine sog. "Warntracht" verfügen, um Fressfeinde abzuschrecken. Der Name Bärenspinner rührt von den stark behaarten Raupen. Mittlerweile steht er auf der Vorwarnliste der Roten Liste be- drohter Arten in Deutschland. Schmetterlinge gelten als Bioin- dikatoren von Lebensräumen. Flügelspanne ca. 65 mm Brauner Bär Raupe des „Braunen Bären“ - 10 bis 60 mm Größe Text entnommen: Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, Foto: T. Lauxmann
Seite 12 Oberjosbacher Dorfzeitung Die Apfelseite Hofheimer Glanzrenette Hessische Lokalsorte 2021 Herkunft und Verbreitung Grundstücken der ehemaligen Baumschule gesund zu wachsen, an ungepflegten Bäu- Reineke. Inzwischen wurden Reiser ge- men und schlechten Standorten kann Schorf schnitten und die Sorte konnte im Sorten- und Fruchtmonilia auftreten. Der Überlieferung nach handelt es sich um ei- garten Medenbach angesiedelt werden. nen Zufallssämling der Goldparmäne. Der Mutterbaum soll am Elektrizitätswerk in Hof- Wuchs und Pflege heim gestanden haben und durch sein schö- Baumbeschreibung Der Wuchs ist in der Jugend als auch im Alter nes Laub und die glänzende Rinde aufgefal- mittelstark bis stark. Der Baum bildet eine len sein. Er wurde in den Vorgarten eines Standort und Anfälligkeit hochgehende, breitrunde Krone. Die Äste städtischen Landhauses verpflanzt und muss Die Sorte bevorzugt leichte bis mittelschwe- sind gut verzweigt und gehen lang hinaus. wohl um 1930 herum bereits mehrere ansehn- re Lösslehmböden, durchlässig und ausrei- Das Laub ist groß und gesund. Ein gezielter liche Ernten gebracht haben. Richard Zorn, chend feucht, weitere Standortbedingungen Erziehungs- und regelmäßiger Erhaltungs- Obstzüchter und Pomologe aus Hofheim, hat- sind nicht bekannt. Die Sorte scheint relativ schnitt sind empfehlenswert. Für alle Baum- te die Sorte anscheinend benannt und in sei- formen geeignet. nem Werk Apfelsorten Band I (1934-39) abge- bildet und beschrieben. Auch in seinem zwei- ten Band (1940-44) ist die Sorte zu finden. Zorn bezeichnete damals die Hofheimer Glanzrenette als neue edle Apfelsorte, die sich bald in den deutschen Obstgärten ver- breiten würde. In anderen Werken wurde sie leider nicht beschrieben und hat sich wahr- scheinlich nicht weiterverbreitet. Letztlich ist die damals gelobte Sorte in Vergessenheit ge- raten. Erst in jüngerer Zeit konnte sie an zwei Standorten in Hofheim mit insgesamt fünf Alt- bäumen wiederentdeckt werden. Die ca. 80- 90 Jahre alten Bäume wurden von dem Gärt- ner Josef Reineke gepflanzt. Sie stehen auf
Oberjosbacher Dorfzeitung Seite 13 Ertrag und Verwendung Die Sorte scheint früh in den Ertrag zu kom- men. Der Ertrag ist hoch und regelmäßig. Sehr guter Tafelapfel für den Frischverzehr, wahrscheinlich auch für die häusliche Verar- beitung, aber weniger gut für die Apfelwein- herstellung (geringe Säure). Reife Die Baumreife (Pflückreife) liegt zwischen En- de September und Anfang Oktober. Die Ge- nussreife liegt im Herbst/Winter, nach frühe- ren Angaben Dezember bis März ( Zorn, 1935 ), wobei nach längerer Lagerung die Konsistenz und das Aroma deutlich nachlas- sen werden. Stielseite Regionale Obstsorten Stielgrube mitteltief bis tief, mäßig weit, erhalten Fruchtbeschreibung mehr oder weniger feinstrahlig grünlich- Beerbacher Taffetapfel, Friedberger Bohnap- braun berostet, Stiel kurz bis mittellang, hol- Form und Größe zig dick. fel oder Himbacher Grüner sind alte hessi- Form flachrund bis rund, im Querschnitt et- sche Apfelsorten, die nur selten und regio- was unregelmäßig, stumpf konisch nal auf unseren heimischen Streuobstwiesen (Parmänen artig), stielbauchig, Kernhaus vorkommen. Da sie meist robust und wider- Frucht mittelgroß. Kelchhöhle groß, kegeltrichterförmig, Kern- standsfähig sind und eine kulturhistorische haus mittig bis stielnah, Achsenhöhle ge- Bedeutung in Bezug auf Regionalität, Ge- schlossen bis leicht geöffnet, eng, Gefäß- schmack und Verarbeitungsform haben, soll- Schale bündel hochzwiebelförmig, Kernhauswände Glatt und trocken, später geschmeidig und ten sie geschützt und erhalten werden. Ge- ohrenförmig, glatt bis fein gerissen, Kerne meinsam mit anderen Apfelfreunden macht glänzend, weißgelb bis hellgelb, sonnen- und vollkommen ausgebildet, breitrund und kurz stielseits verwaschen zart rot, zahlreiche helle der Pomologen Verein auf solche Sorten auf- gespitzt, dunkelbraun. merksam. Auch Sie können etwas zum Erhalt und bräunliche Schalenpunkte, die in der Deckfarbe rot umhöft erscheinen, vereinzelt alter Obstsorten und des Lebensraums hellbraune Korkwarzen (Rostwarzen) mög- Fruchtfleisch Streuobstwiese beitragen, indem Sie einen lich, Schale duftend und druckfest. Fleischfarbe gelblich-weiß, mittelfest, etwas Baum der „Hessischen Lokalsorte des Jah- mürbe werdend, leicht schaumig, vorwie- res“ pflanzen oder regionale Obstprodukte gend süß, kaum Säure, Renetten artig ge- aus heimischen Streuobstbeständen kaufen. Kelchseite würzt und leicht parfümiertes Aroma. Kelchgrube leicht eingesenkt (flach bis mittel- Ausführliche Informationen zu alten Obstsor- tief), schüsselförmig, Kelch groß, halboffen ten und unseren Aktivitäten finden Sie auf un- bis offen, von feinen Falten umgeben, Verwechslersorten serer Homepage unter www.pomologen- Kelchwölbung eben bis schwach wulstig, Weilburger, Mensfelder Glanzrenette, Edel- verein.de/hessen und in der Broschüre Kelchblätter breit, nach innen geneigt und borsdorfer. „Erhaltenswerte Obstsorten für Hessen“. Spitzen zurückgeschlagen, am Grunde ge- trennt. Literatur und Quellen Kaiser, U. (Hrsg.): Richard Zorn – Verzeich- nis aller in Deutschland angebauten Kern- obstsorten, Wiebelsheim 2019,S. 406. Hofheimer Glanzrenette: SOMSO - Fruchtmodell der Fa. Marcus Sommer SOM- SO Modelle GmbH, Coburg 2019/20, Nr. 03/149 Hrsg. und © 2020: Pomologen-Verein e. V. – Landesgruppe Hessen, Text: Steffen Kahl • Gestaltung: Ro- bert Scheibel, Fotos: Steffen Kahl, Karl-Heinz Schon (Baum)
Seite 14 Oberjosbacher Dorfzeitung 75 Jahre Flüchtlinge und Vertriebene in Oberjosbach Entlassungsschein von Franz Drexler Hochzeit von Elisabeth + Edgar Ernst, 1959 können, wie der Neubeginn hier damals laust wurde man damals überall, wo man neu Von Regina Schmack war. ankam! Im Bus ging ein Transport nach We- hen im Taunus, von wo man die Heimatver- 1946, also vor 75 Jahren, kamen als Folge Elisabeth Ernst, geb. Dolak, Jahrgang 1935, triebenen auf die Dörfer der Umgebung ver- des im Mai 1945 beendeten Krieges aus den und ihre vier Jahre jüngere Schwester Bri- östlichen Gebieten viele Menschen hier in gitte Drexler kommen aus Mährisch Neu- Deutschland an, weil sie vor den russischen stadt in der damaligen Tchechoslowakei Truppen geflohen oder aus ihrer Heimat aus- (heute Unikov in Tchechien). Im April 1946 gewiesen worden waren. In Oberjosbach wur- haben sie mit ihrer Mutter Marie Dolak, de- den 1946 225 Personen aufgenommen. Es ren Schwester Franziska Kundler und ihren gibt noch einige Zeitzeuginnen, die erzählen beiden Söhnen ihr Zuhause verlassen und wurden in einem Viehwaggon von Mährisch Neustadt nach „Fuhrt im Wald“ gefahren. Ihr Vater war 1944 gefallen. Pro Person durfte 20 kg Gepäck mitgenommen werden. Elisa- beth hatte eine kleine Puppe und Brigitte ei- nen Kasper aus ausgestopftem Stoff dabei. In solchen Transporten von Ausgewiesenen befanden sich zwischen 300 und 1200 Per- sonen. Familie Dolak befand sich in einem Zug, der sie nach Westdeutschland brachte. In Furth im Wald endete ihre Fahrt, wo sie nach Ver- Entlausungspapier lassen der Waggons als erstes „entlaust“ Frau Dolak mit Brigitte (links) und von Franz Drexler wurden und dies bescheinigt bekamen. Ent- Elisabeth (rechts)
Oberjosbacher Dorfzeitung Seite 15 bene) einziehen, wo sie zwei Zimmer beka- men und die Küche mit benutzten. Sie blie- ben bis 1959, als Elisabeth heiratete. Mit Hilfe der Witwen- und Waisenrente und Arbeiten bei Bauern, darunter auch als Helfe- rinnen bei der Himbeerernte, sowie als Haus- haltshilfe im Pfarrhaus kam die Familie gut durch. Im Frühjahr 1948 ging Brigitte zur ers- ten heiligen Kommunion, das Kleid hatte ihr die Mutter aus verschiedenen weißen Stoffen genäht. Elisabeth machte es viel Spaß, nach der Schule bei Bauern mitzuarbeiten – für Essen. Nach Beendigung der Volksschule 1951 be- suchte sie ein halbes Jahr die Berufsschule in Idstein und später die Handelsschule in Wiesbaden. Zum 1.4.1952 kam sie zu Jo- Hochzeitsfeier Elis. + Edgar Ernst. hann Faust auf dem „Gaaßberg“, wo sie im Rechts: Pfarrer Manstein und Ehepaar Faust. Haushalt und in der Landwirtschaft half. Als Faust dann Bürgermeister in Oberjosbach wurde, riet er ihr, sich um eine Stelle als teilte. Beide Familien verschlug es nach Kröf- risch Neustadt in Oberjosbach unterge- Schreibkraft im Rathaus zu bewerben. Sie ar- tel, wo die Dolaks bei einem Bauern und des- bracht war, bekam das mit und setzte mit beitete zunächst ein paar Stunden auf dem sen Mutter untergebracht wurden. Einen Hilfe des Flüchtlingsobmannes Josef Neu- Bürgermeisteramt, da es damals noch nicht Raum hatten sie zur Verfügung. Dafür und für gebauer einiges in Bewegung, sodass Frau so viel Schriftliches zu erledigen gab wie heu- karge Mahlzeiten hatte die Mutter auf dem Dolak und ihre Töchter nach Oberjosbach te, und die restliche Zeit im Haus und auf Bauernhof zu arbeiten. Elisabeth ging in die umziehen konnten. dem Feld. Dorfschule, Brigitte wurde später in Oberjos- Elisabeth war in Oberjosbach beschäftigt bis bach eingeschult. Sie kamen bei der Familie Ickstadt in der 1976 durch die Gebietsreform die Gemeinde- Untergasse unter, in zunächst nur einem verwaltung nach Niedernhausen kam und sie Die harte Arbeit auf dem Feld und im Stall Zimmer, aber es ging ihnen dort so gut, hier als Verwaltungsangestellte übernommen machten der Mutter zu schaffen und es ging dass sie bis 1953 blieben. Dann konnten sie wurde. ihr immer schlechter. Hermann Niessner, der in das neu gebaute Haus der jungen Familie mit anderen Heimatvertriebenen aus Mäh- Schmack (ebenfalls Flüchtling und Vertrie- Altbürgermeister Johann Faust mit den Helferinnen der Himbeerlese
Seite 16 Oberjosbacher Dorfzeitung Ihr privates Glück fand Elisabeth in ihrem Schulkameraden Edgar Ernst. 1959 heirate- ten sie und bezogen das noch nicht ganz fer- tige Haus in der Kapellenstraße, wo sie bis heute lebt. Ihre Mutter war mit eingezogen und lebte dort bis sie 1964 verstarb. Brigitte, die mit 7 Jahren hierher kam, hatte sich ganz gut eingelebt, obwohl es „in der Schule auch schwer war“. Teilweise wurden sie als „Kartoffelkäfer“ beschimpft, da Flücht- linge die abgeernteten Kartoffel- und Getrei- defelder nach liegen gebliebenen Knollen oder Ähren absuchten. Nach der Volksschule besuchte sie1954 in Wiesbaden eine Gewer- beschule (heute Hauswirtschaftsschule) und arbeitete später als Wäsche-Näherin bei der Firma Freund in Hofheim. Positiv waren für alle neben der Hilfsbereit- schaft im Dorf die Kontakte mit Menschen aus der Heimatstadt Mährisch Neustadt, die im Dorf und in der näheren Umgebung unter- gebracht waren. So auch Frau Drexler, deren Mann Johann seit dem 1.3.1944 in Ostpreu- ßen vermisst wurde. Mit ihrem Sohn Franz lebte sie zunächst in Dasbach, später zogen sie nach Oberjosbach zum Bauern Horne in der damaligen Hauptstr. 48. Vor der Auswei- Riege der Oberjosbacher Turnerinnen (1950er Jahre) sung kannten sich die Familien gar nicht, gefühl, und im Laufe der Zeit verliebten sich Racky in der heutigen Königsteiner Straße ei- doch die gemeinsame Erinnerung an die alte Brigitte und Franz ineinander. 1957 heirate- ne Ein-Zimmer-Wohnung mit kleiner Küche. Heimat brachte ein Zusammengehörigkeits- ten die beiden und bekamen bei Alfons Mit zwei Kindern, die bald zur Welt kamen, Kommunionkinder Oberjosbach, 1948
Oberjosbacher Dorfzeitung Seite 17 wurde es langsam eng und da Franz Maurer Der damalige Bürger- war, bauten sie in der Wiesenstraße ein meister Johann Dietz Haus, in das sie 1962 mit Frau Drexler zogen. IV kümmerte sich um Kurz darauf kam 1963 das dritte Kind zur die Vertriebenen und Welt. Brigitte lebt noch heute gemeinsam mit sagte immer wieder: ihrer jüngsten Tochter in diesem Haus. „Ich bringe euch den Ihr Resümee nach 75 Jahren: Beide leben Vater zurück!“ Tatsäch- gerne in Oberjosbach. Dank der Hilfsbereit- lich sollte es nach eini- schaft und des Zusammenhalts im Dorf ha- ger Zeit so kommen: ben sie sich gut integriert und brachten sich Der aus der Gefangen- ein, wo es nötig war. schaft heimkehrende Josef Neugebauer war Auch Erika Podmelle, geb. Neugebauer, wur- nach Niedernhausen de 1939 in Mährisch-Neustadt im Sudeten- gekommen, wo er bei land geboren. Mit ihrer Mutter Aurelia Neuge- anderen Vertriebenen bauer, ihrer Großmutter sowie dem 1934 ge- aus Neustadt, den Ge- borenen Bruder Otto wurde sie 1945 aus ihrer schwistern Parsch, Heimat vertrieben. Der Vater war noch in Ge- nach seiner Familie for- fangenschaft. Trotz der beschränkten Menge schen wollte. Im Ort an Gepäck hatte die Sechsjährige ihre große traf er zufällig auf den Puppe mitnehmen dürfen, was für sie ein Bürgermeister aus Glück war. Auch sie wurden im Viehwaggon Oberjosbach und fragte nach Deutschland transportiert. Nach ver- diesen, ob er eine Frau schiedenen Auffanglagern (das letzte in Vill- Kauer (die Großmutter) mar) kam die Familie nach Oberjosbach. Hier und Frau Neugebauer wurde sie bei der Familie Kinkel in der Nie- mit zwei Kindern kenne derjosbacher Straße untergebracht. Auch sie … – So brachte der bekamen einen Raum zum Wohnen, Kochen Bürgermeister tatsäch- und Schlafen. Immerhin hatten sie ein eige- lich den Vater zur Fa- nes Plumpsklo rechts neben dem Misthaufen. milie! Otto war gerade Erika hatte anfangs große Angst und ver- am Laufen auf Stelzen, Oberjosbachs Junge Damen (1950er Jahre) steckte sich mit ihrer Puppe oft im Hühner- und Erika hatte Angst pferch und beobachtete von dort die anderen vor ihm und versteckte sich unter dem die Familie noch einen weiteren kleinen spielenden Kinder. Später spielte sie mit ihrer Tisch, denn er sah ganz anders aus, als sie Raum unter dem Dach dazu bekam. Wenn Freundin Inge Grosmann (heute Rosenber- ihn in Erinnerung hatte, da er abgemagert samstags die Wanne im Zimmer zum Baden ger), die auch dort wohnte, im Treppenhaus: war und einen Bart hatte. gefüllt wurde, mussten Erika und ihr Bruder „Jede bekam 3 Stufen zum Spielen.“ so lange zu Grosmanns. Für die Versorgung Pfarrer Anton Thies war den Flüchtlingen der Familie mussten alle mit anpacken. Der immer gut gesonnen und schaffte es, dass Vater war Steinmetz und bekam bei Kinkels (L. n. r. - geä. 31.12.2021) Franz + Brigitte Drexler, Walter Dorn, Erich Boschek, Günter Kaus, Gerhard Grosmann, 1956
Seite 18 Oberjosbacher Dorfzeitung die Sudetendeutschen für den bekannten le- ckeren Mohnkuchen brauchten. Allerdings Kommunionkind Erika Podmelle war es recht schwer, die Kapseln zu öffnen, um an die Samen zu kommen. Ab und zu machte die Mutter aus Butter, Zucker und Milch Bonbons. Für die Kinder war das ein Traum, und sie kratzten die kleinsten Reste vom Blech runter. Erika ging mit Brigitte Dolak in die Schule. Meist saß sie neben ihr oder Roswitha Mül- ler. Nach den Hausaufgaben halfen die Kin- der immer bei Bauern, z.B. bei der Kartoffel- ernte oder beim Heu einfahren – für Essen. Auch beim Beeren pflücken (Himbeeren, Erd - und Johannisbeeren) mussten die Kinder helfen. (Die Sammelstelle befand sich in der Niederjosbacher Staße.) Als auch für sie 1948 die erste Heilige Kom- munion anstand, erhielt Erika von Margret Ickstadt, für deren Mutter Aurelia Neugebau- er nähte, das Kleid. Allerdings war es zu groß. Daher trennte sie es auf und fertigte ein passendes schönes Kommunionkleid, in einen Raum zur Verfügung gestellt, in dem er das sie einen Spitzeneinsatz einarbeitete, arbeiten konnte. Die Mutter konnte als gelern- den sie von ihrem eigenen Brautkleid bei der Nach der Schule machte Erika ihre Lehre in te Schneiderin etwas dazuverdienen. Später Ausweisung mitgenommen hatte. Pfarrer Frankfurt bei der Siedlungsgesellschaft arbeitete sie in der Niedernhausener Asbest- Thies besorgte für die Kommunionkinder aus (Ackermann-Gemeinde) als kaufmännische Fabrik. Im Wald sammelten sie Holz und Rei- Flüchtlingsfamilien Mehl und Backzutaten, Angestellte, wo sie bis auf eine Unterbre- sig sowie Pilze, die man teilweise auf Schnü- sodass sie zu diesem Festtag mehrere Ku- chung dann auch arbeitete. Dort lernte sie re gefädelt über dem Herd trocknen ließ. chenbleche zum Bäcker Kieser (das erste Adolf Podmelle kennen, einen Vertriebenen Auch Bucheckern, die bei der Mühle abgege- Haus links in der Kapellenstraße) zum Ba- aus Lauterbach in Böhmen. Dieser lebte in ben wurden, wofür sie Öl erhielten. Zugute cken bringen konnten. Später bekam die Fa- einem Wohnheim der Ackermann-Gemeinde, kam ihnen, dass der Hausherr ihnen ein milie Neugebauer mit der Großmutter eine da, wo Erika arbeitete. Bei einem organisier- Stück Land überließ, auf dem Gemüse ange- Wohnung in dem Haus in der Jahnstraße, in ten Spanienurlaub der Vertriebenenorganisa- baut wurde. Aber vor allem auch Mohn, den dem auch Niessners wohnten. tion kamen sie sich näher und verliebten sich. Der obere Teil der Jahnstr. in den 50er Jahren (Siedlungsraum) Ende Dezember 1961 wurden Adolf und Eri- ka Podmelle von Pfarrer Manstein getraut und zogen mit Adolfs Großeltern und seinem Bruder Erich ins neu gebaute Haus in der Weidenstraße ein. Nach dem Tod der Groß- eltern kamen Erikas Eltern, die bis dahin „bei Niessners“ gewohnt hatten, mit ins Haus. Eri- ka arbeitete in Frankfurt bis 1963 das erste Kind zur Welt kam. Es folgten noch zwei Mädchen und ein Sohn. Erika lebt immer noch in diesem Haus und ist froh, nach Ober- josbach gekommen zu sein, wo sie mit ihrer ganzen Familie lebt. Eva Neugebauer, geborene Krüger, wurde im August 1935 in Langwalde im Ermland (Ostpreußen) geboren. Ihre Eltern bewirt- schafteten ein landwirtschaftliches Gut, eine „Gastwirtschaft Paul Krüger“ und der Vater betrieb eine Raiffeisenbank. Als sie neun Jahre alt war, musste sie im extrem kalten Februar 1945 mit ihrer Mutter und drei Ge- schwistern ihre Heimat verlassen. Der Vater konnte sie bis „vor dem Haff“ ** begleiten.
Oberjosbacher Dorfzeitung Seite 19 Die Familie floh vor der herannahenden russi- nemark umkehren und nach Swinemünde in Oberjosbach bleiben wollte, wurden sie im schen Armee in Richtung Westen. Acht Wo- fahren, da die Anlandung verweigert wurde. April 1960 von Pfarrer Manstein bzw. Pater chen dauerte die Flucht. Losgezogen waren Von dort ging es mit einem Gefängnisschiff Paul von der Ackermann-Gemeinde in der Kir- sie mit einem Planwagen, den zwei Pferde nach Ueckermünde. Die letzte Strecke wur- che St. Michael getraut. Bei Familie Dietz in zogen, mit allerlei Ausstattung wie Zudecken, de kurz vor Ostern auf einem Viehwagen bis der Limburger Straße fand das Paar eine Pelzen und Lebensmitteln, doch mussten sie nach Bad Schwartau (Holstein) zurückge- schöne Wohnung, in der genug Platz für den bald fast alles abgeben. Geplant war über legt. „In diesen acht Wochen immer in Klei- 1961 geborenen Sohn Achim war. Als 1965 das zugefrorene Frische Haff bis nach Pillau dern geschlafen, immer ohne ein Bett.“ ** die Tochter Dagmar dazu kam, zog man in die zu kommen und von dort mit einem Schiff bis Kapellenstraße zu Elisabeth und Edgar Ernst. Gotenhafen (heute Gdingen). Schon der Weg Nach diesen Strapazen begann endlich ein Später baute die Familie in der Jahnstraße in einem Schneesturm über das Eis, das „normales“ Leben! Die Mutter Gertrud und ein Haus, in das sie 1973 einzog. Hier machte schon „überall am Rand brach“, sodass Pfer- die vier Kinder waren mit der Schwester der Otto, der von seinem Vater den Beruf des de und Wagen einbrachen, war schlimm, aber Mutter bei einem Bauern in Pohnsdorf in Steinmetzes gelernt hatte, sehr vieles selbst. auch die Beschüsse aus Fliegern und Artille- zwei Zimmern untergebracht, der vor allem Eva Neugebauer lebt noch immer hier und rie. für die Kinder immer etwas zusteckte. Hier fühlt sich sehr wohl. Dennoch sagt sie: „Ich gab es zumindest Milch und Kartoffeln. Eva bin und bleibe eine Ermländerin und werde Vor Lauenburg wurde dann klar, dass man in besuchte das Gymnasium. Die Mutter spiel- keine Hessin mehr!“ „einen Kessel“ gelangt war („der Russe drei te in der Kirche bei Gottesdiensten die Or- Zweimal war sie in ihre alte Heimat gefahren km“ von der Stadt entfernt) und es keinen gel. Der Vater Paul kam nach 2 Jahren Ge- und besuchte alle Orte ihrer Kindheit, aber Ausweg mehr gab, als über das Meer weiter- fangenschaft aus Dänemark zu seiner Fami- das ganze Dorf Langwalde war zerstört und zukommen. Und sie hatten nach allem, was lie. Später zogen sie nach Weilburg, wo sich die Gebäude abgerissen. man über versenkte Schiffe wie die Gustlov bereits Verwandte niedergelassen hatten Aus ihrem Garten nahm sie Erde mit. Sie gehört hatte, nicht über das Meer fahren wol- und der Vater eine Arbeitsstelle fand. möchte, dass die Heimaterde eines Tages mit len! Ende März kamen sie mit einem Boot bis in ihr Grab kommt. zur Halbinsel Hela (heute Hel), von dort soll- Eva machte nach der Schule eine Ausbil- ten sie auf einem Minensuchboot, zwei gro- dung zur Einzelhandelskauffrau und arbeite- ** siehe auch die Tagebuchaufzeichnungen ßen Schiffen mit 7000 Personen und zwei Be- te sieben Jahre in Wetzlar. In ihrer Freizeit ihrer Mutter im Buch „Lebenslinien“ („Die gleitschiffen nach Dänemark gebracht wer- besuchte sie eine Jugendgruppe der katholi- Flucht aus Ostpreußen über das Frische den. Doch nach zwei Tagen auf dem Wasser schen Kirche. Hier lernte sie Otto Neuge- Haff“ ) musste der Flüchtlingstransport kurz vor Dä- bauer kennen und bald auch lieben. Da Otto Franz Drexler mit seinem Motorrad auf dem Alteburger Markt 1954
Seite 20 Oberjosbacher Dorfzeitung GUSSBÄJER SPEISEKÄRTJE Ein Jahr vergeht schnell. Schon suchen wir wieder nach „neuen Rezepturen“ für die ODZ. Wie in den vergangenen Jahren frage ich bei Franziska, der Chefin vom Felsenkeller in Idstein nach. „Hast du was für uns?“ Wie aus der Pistole geschossen kommt die Antwort. „Schwarze Nüsse, das wäre doch was“. Ich stelle mir was mit Schokolade vor und überlege: „Schwarze Nüsse für die Oberjosbacher Dorfzeitung, eigentlich passt es ! “ Jetzt meine Frage: „Was ist das ?“ „Grüne Walnüsse“, und eine komplizierte Erklärung zu dem Rezept, mit dem Hinweis, probiere mal, dann wirst du schon schmecken, was „Schwarze Nüsse“ ausmacht. Waoww! Ich probiere und höre zu. „Die Nüsse werden auf der heimischen Streuobstwiese vom Walnussbaum früh im Juni geerntet und am Ende einer langen Bearbeitungszeit steht ein ein- maliges Geschmackserlebnis. Das wäre doch was für die Oberjosbacher Kochseiten im Jubilä- umsjahr. Mal was Südbadisches oder Fränkisches auf den Tisch zu stellen, was Neues . “ Jetzt hatte sie mich gefangen. Das ist schwäbische Logik. Was Neues! Mal was ausprobieren, was es so noch nicht bei uns gibt. Das ist für die Dorfzeitung die richtige Anregung, es geht auch mal progressiv. Gruß vom Herd - Wulf Schneider Wir machen es! Die Josbacher treffen sich im Winter 2022, oder besser im Jubiläumsjahr 2021+1, zum Schwarze-Nüsse-Essen mit Backes-Leckereien und `nem schönen Käse oder Schmandhand- käs im Wiegeraum. Auch darf ein Likörchen oder der passende Dessertwein aus heimischen Äp- feln nicht fehlen. Schwarze-Nüsse-Rezeptur Zutaten: 4. Am vierten Tag die Nüsse mit dem Si- 2 kg unreife, grüne Walnüsse rup aufkochen und 15 Min. köcheln las- 1,8 kg Zucker sen. Die Muskatnuss halbieren, Zimt, 1 Muskatnuss Ingwer, Nelken und Zitrusfrüchtescha- 2 Zimtrinden len zugeben und einmal aufkochen las- 12 Gewürznelken sen. 4 Scheiben Ingwer Streifen von unbehandelter Zitronen- 5. Früchte und Sirup mit den Gewürzen schale und Orangenschale gleichmäßig in sterile Einmachgläser füllen, gut verschließen und 14 Tage zie- Anwendung: hen lassen. Die eingelegten Nüsse sind 1. Walnüsse mehrmals einstechen etwa 1 Jahr haltbar. Beginn: (Ideal: Rolladennadeln) und in kaltem Wir müssen im ersten Schritt den Nuss- Wasser 3 Wochen wässern, im Kühl- baum finden der uns im Juni den Roh- schrank aufbewahren, Wasser täglich stoff liefert. 2x wechseln, bis sich die Nüsse am En- Kalorien Wert pro 100 g de der Einweichzeit dunkel verfärbt Ernteregel: haben. Die Nüsse abgießen. Energie 622 kcal Die grünen Walnüsse Anfang bis Mitte (Kilokalorien) Juni, bis spätestens zum Johannistag 2. Aus dem Zucker und 1,5 Liter Was- (24. Juni), pflücken. Der Kern ist dann Energie 2603 kj ser einen klaren Sirup kochen, den er- voll entwickelt, die Schale noch weich kalteten Sirup (ca. 40 Grad) über die und durchlässig. Mit Nadel-Einstichen Nüsse gießen und weitere 24 Stunden Schwarze Nüsse schmecken zu ? prüfen, ob die Reife stimmt. Lässt sie ziehen lassen. sich durch die ganze Nuss stechen, sind Nüsse schmecken in dünne Scheibchen die Nüsse perfekt. Unbedingt Hand- geschnitten zu Käse, Schinken, Paste- 3. Sirup abgießen, einmal aufkochen ten und zu Wildgerichten. Auch zu Va- schuhe tragen beim Ernten und Bear- und wieder auf 40 Grad abkühlen las- nille- oder Walnusseis geben sie einen beiten. Sie Färben hartnäckig ab. sen. Den Sirup über die Nüsse gießen spannenden Begleiter. Besonders gut und wieder 24 Stunden ziehen lassen. schmeckt Schwarze Walnussmarmela- Diesen Vorgang dreimal wiederholen. de zu Käse.
Oberjosbacher Dorfzeitung Seite 21 Frisch geerntete Nüsse Aufgekocht am 4. Tag In Einmachgläsern 14 Tage ziehen lassen Ab in die Einmachgläder Geschnitten serviert Mineralstoff Wert pro 100 g Schwarze Walnüsse reich an Biotin Calcium 58 mg Sie sind reich an Biotin. Mit einer Men- Kalium 524 mg ge von 100 g nimmt man bis zu 30 µg Magnesium 202 mg des Vitamins zu sich. Das Vitamin ist wichtiger Bestandteil verschiedener Natrium 1 mg Enzyme. Es ist sowohl relevant für die Phosphor 464 mg Aktivierung von Energiereserven als auch für den Stoffwechsel von Amino- säuren und Fettsäuren.
Seite 22 Oberjosbacher Dorfzeitung Kindheitserinnerungen - Waldarbeiter von Alois Ernst abgekühlt, war es Ein Artikel im Niedernhausener Anzeiger vom ein Leichtes, es im 22. Oktober 2020 „Trockenheit und Borkenkä- Behälter über dem fer – der Wald leidet“ hat in mir Kindheitserin- Feuer wieder auf- nerungen erweckt. zuwärmen. Mein Vater Heinrich (Jahrgang 1919) war Hatten wir Kinder Landwirt und arbeitete in den Wintermonaten keine oder wenig der 50er und 60er Jahre gemeinsam mit Jo- Hausaufgaben auf- hann Wohlfahrt und Josef Hermann (in Ober- bekommen, durften josbach als Berke Josef bekannt) im Oberjos- wir uns auch man- bacher Gemeindewald. Auch mein Onkel, ches Mal mit ans Walter Ernst, gehörte zeitweise zu dieser Feuer setzen oder Gruppe der Waldarbeiter. Gemeinsam fällten sogar mitessen. sie im Auftrag der Gemeinde die vom Förster Den Duft brennen- markierten Bäume und sägten sie in spaltba- den Holzes mochte Waldarbeiter im Oberjosbacher re Holzstücke. Nicht nur bei Wind und Wetter ich damals schon Wald in 1950er Jahren eine körperlich anstrengende Arbeit! und mag ihn heute Nun durften manchmal meine ältere Schwes- noch gerne. Ledig- ter und ich nach der Schule unserem Vater lich wenn das Holz nass war und arg wir Kinder staunten nicht schlecht, ihn in ei- zur Mittagszeit das in einen Essenstender ge- qualmte, verzogen wir uns rasch wieder mit nem gut erhaltenen, dicken Militärparka zu füllte warme Essen in den Wald bringen. Zur juckenden und tränenden Augen. sehen. Stolz berichtete er, dass er einen großen Freude unseres Vaters! Wie sagte da- Auch war es uns einige Male erlaubt, beim Christbaum gegen dieses wunderbare Klei- mals meine Oma immer: „Das Essen Fällen der Bäume und weiteren Arbeiten mit dungsstück getauscht hatte. schmeckt doppelt so gut, wenn die Vögel dar- der Motorsäge (Marke Dolmar®) zuzu- In Zeiten von schneereichen Wintern und in über gepfiffen haben.“ schauen, allerdings in gebührendem und Anbetracht der Tatsache, dass es keine ge- Mein Vater nahm jeden Tag sein Frühstücks- respektvollem Abstand. eignete Winterkleidung für Holzfäller gab, ein brot und seinen Kaffee mit, aber eine warme Ich erinnere mich noch sehr gut an ein wertvoller Tausch, über den sich nicht nur un- Mahlzeit im Wald war schon etwas Besonde- überaus freudiges Erlebnis meines Vaters. ser Vater, sondern auch die ganze Familie un- res. Auch kam es schon mal vor, dass sich Das amerikanische Militär führte in dieser säglich freute. die Männer am offenen Feuer selbst Speck Zeit gelegentlich Manöver im Oberjosba- Mit zwinkerndem Auge muss ich anmerken, und Eier backten oder Wurst auf einen Holz- cher Wald durch. Eines Tages, es war be- dass ich heute nicht mehr weiß, ob mein Va- stock gespießt brieten. War das mitgebrachte reits der erste Schnee gefallen, kam mein ter für den Tannenbaum der Gemeinde jemals Essen, weil wir wieder mal getrödelt hatten, Vater nach Hause, und meine Mutter und einen finanziellen Ausgleich erstattet hatte. Zeugen der Geschichte - Guldenmühle Niedernhausen von Manfred Racky Länder sogenannte Zeugen, Tonscherben, und Niedernhausen. Endgültig kam dann die- Nicht nur die 825 Jahre Oberjosbach, son- in einer bestimmten Anordnung in die Setz- ses Gebiet bei der neuen Grenzfestlegung zu dern weitere runde Jahreszahlen prägen die grube gelegt und akribisch dokumentiert. Oberjosbach, Cur-Mainz. Auch ein Gulden- Geschichte im Jahr 2021. Als einmalig kann die Grenzmarkierung - müller liefert Grenzdokumente. Für Oberjos- So haben vor 300 Jahren die Landesherren Nabe des Mühlrades der Guldenmühle - an- bach war die "Bannmühle" in Eppstein zustän- von Cur-Mainz und Nassau-Idstein festgelegt, gesehen werden. Die Nabe reichte in Main- dig. Gemahlen wurde jedoch in der Bannmüh- ihre Grenze modern zu kennzeichnen. Nach zer Gebiet und es fehlte der Platz für einen le Guldenmühle (Nassau). Der Müller flog auf Beilegung vieler kleiner Grenzprobleme, dem Stein. Das Original ist erhalten und steht, und eine riesige Gerichtsakte entstand. Zerfall von Gebückbepflanzungen, Gräben wie die Grenzsteine, usw. kam die Moderne in Form von Grenz- unter Denkmalschutz. steinen. Oberjosbach war für Nach einer akribischen Vermessung in Ruten diese Brücke im Ver- - die Bremthaler Rute von 4,71 m - und dem lauf der "Alten Main- Schuh von 29,4 cm - wurde zunächst mit zer Straße" zuständig. Holzpfählen gearbeitet. Immer im Team der beiden Länder. Ab 1724 wurden Steine ge- Auch ein " Uralt Natur- setzt. grenzstein", den Drei- Einmal der Wappenstein mit dem Nassauer eckten Stein, aus Löwen und dem Mainzer Rad, Cur-Mainz. Da- Taunusquzarzit ist zu zwischen kamen "Läufer", kleinere Steine mit besichtigen. Dieser CM, Cur-Mainz, und NI, Nassau-Idstein. Alles Stein war ein Vorläu- in korrekten und protokollierten Abständen zu- fer der Grenzfestle- einander. gung in einem stritti- Die Nabe des historischen Mühlrades Damit jederzeit ein "Grenzsteinfrevel", Verset- gen Gebiet, in der steht unter Denkmalschutz zung eines Steines, festgestellt werden konn- strittigen Heck, zwi- te, wurden unter Beisein von Vertretern beider schen Oberjosbach
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