Ohne Orientierung? Mehr mediale Kompetenz tut not - Verschwörung - Bayerischer Journalisten Verband
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Michael Busch bleibt BJV-Vorsitzender
Dietmar Schmidt wird Ehrenmitglied
Das Imperium der Passauer
Presseausweis-Antrag 2022
Ausgabe 5/2021 www.bjv.de / www.djv.de
Verschwörung Ohne
Orientierung?
Mehr mediale
Kompetenz tut not
Fake News
Meinung
Influencer
Pressestellen A bis Z im BJVreport
Ab Seite 18 finden Sie die Einträge von Pressestellen aus den Bereichen Bildung/Wissenschaft (BW),
Messen/Ausstellungen (MA), Finanzen (F), Versicherungen (V), Energie (E), Netz (N), Verkehr (VK), Unternehmen (U),
Kammern (K), Verbände (VB), Soziales/Kirche (SK):
A G/H T/U
AFAG Messen und GVB Genossenschaftsverband TUM Technische Universität
Ausstellungen (MA) Bayern (F) München (BW)
AUDI (U) Hanns-Seidel-Stiftung (BW)
V
B/C I/J/K VAG Verkehrs-
Bauindustrie Bayern/ Interhyp Gruppe (F) Aktiengesellschaft (VK)
Bayerischer VdK Bayern Sozialverband (SK)
Bauindustrieverband (VB) L/M Versicherungskammer Bayern (V)
Bayerische LEW Lechwerke (E) VGN Verkehrsverbund
Landesärztekammer (K) LMU Ludwig-Maximilians- Großraum Nürnberg (VK)
Bayerische Universität München (BW)
Landeszahnärztekammer (K) W
Bayerischer Jagdverband (VB) N
wbg Nürnberg Immobilien (U)
Bayerngas (E) N-ERGIE (E)
Bayernhafen (VK) NÜRNBERGER
Versicherungsgruppe (V)
Bayernwerk (E) Dank auch den Sonderinserenten:
Bischöfliche Aktion Adveniat (SK) O/P/R • AFAG Messen und
BMW Group (U) OMV Deutschland (U) Ausstellungen GmbH
• Akademie der Bayerischen
D S Presse
DIEHL Diehl Stiftung (U) Schwaben Netz (N) • Presse-Versorgung
Sparkassenverband Bayern (F) (Versorgungswerk der Presse)
E
St. Theresien-Krankenhaus
Erdgas Schwaben (E) Nürnberg (U)
E-T-A Elektrotechnische StWN Städtische Werke
Apparate (U) Nürnberg (U)
Süddeutscher Verband
reisender Schausteller und
Handelsleute (VB)
Kontaktbörse „Pressestellen“
Die Rubrik „Pressestellen“ im BJVreport ist ein gern genutzter „Treffpunkt“
für Kammern, Verbände, Organisationen, Dienstleister und Unternehmen aus
vielen Bereichen, die regelmäßige und fundierte Pressearbeit betreiben.
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nur 1.450,– EUR zzgl. MwSt.
Das Medienmagazin BJVreport erscheint 6 x jährlich, jeweils zur Monatsmitte
im Februar, April, Juni, August, Oktober und Dezember • Anzeigenschluss
vier Wochen vorher • Mediadaten unter www.bjv.de • Planung/Abwicklung:
Mediasüd, Robert Macher, Telefon 09 11 / 988 11 264, Fax 09 11 / 988 11 265,
robert.macher@mediasued.de
Inhalt
Luft nach oben Kaleidoskop
4 Medienköpfe
In einer Studie wollte die Stiftung Neue Verant-
wortung herausfinden, wie es um die digitale 5 Social Media auf Papier
Medienkompetenz der Menschen bestellt ist. Verband
Fazit: Es ist noch viel Luft nach oben. Nur ein
6 „Jetzt ist nicht die Zeit für einen Richtungskampf“
Beispiel: Lediglich die Hälfte der mehr als 4000
BJV-Mitglieder wählen Michael Busch erneut zum Vorsitzenden
Befragten wusste, dass Nachrichten über einen
Bundesminister oder eine Bundesministerin Titel
ohne Genehmigung des Ministeriums publi-
10 „Jeder kann bei uns reinschauen“
Michaela Schneider ziert werden dürfen. Kein Wunder also, dass Es braucht ein neues Bewusstsein für den Wert der Pressefotografie
Leitende Redakteurin gleichzeitig an der Unabhängigkeit des Journa-
Foto: Stefan Gregor 13 Noch mal die Schulbank drücken
lismus gezweifelt wurde. Investigativjournalist
„ Journalismus macht Schule“ – ein Erfahrungsbericht
Bastian Obermayer erklärte kürzlich in einer
Gesprächsrunde: Bei der Süddeutschen Zeitung habe man viele Jahre das 14 Wenn Frank schwurbelt
Mantra vertreten „Wir wollen die Welt aber nicht uns selbst erklären. Wir Bestimmte ältere Zielgruppen sind schwer zu erreichen
müssen aber genau das Gegenteil machen: Wir müssen viel mehr erklä- 16 „Verstehen, was hinter der Digitalisierung steckt“
ren, was und wie wir etwas machen.“ Wie Journalist*innen sonst noch Schülersprecher*innen reflektieren Medienbildung in den Schulen
dazu beitragen können, Menschen aller Altersgruppen in ihrer Informati-
18 Presseausweis 2022
onskompetenz zu stärken, wollte das BJVreport-Team herausfinden – mit
der Suche nach Projektbeispielen aus dem redaktionellen Alltag und in 21 Pressestellen
Gesprächen mit einer Kommunikationswissenschaftlerin, Pädagog*innen Medienszene
und Schüler*innen. Ab Seite 10
25 Und jetzt kimmt Ihr!
Mutmacher*innen: MUH, die Zeitschrift für „Bayerische Aspekte“
Michael Busch setzte sich beim ersten hybriden Bayerischen Journalisten-
tag gegen eine Mitbewerberin durch und tritt damit seine fünfte Amtspe- 26 Verleger-Monopoly in Ostbayern
riode als BJV-Vorsitzender an. Neu im Vorstandsteam: Wolfgang Greben- Kauf der Mittelbayerischen Zeitung sorgt für Unruhe
hof als Stellvertreter und Jürgen Schleifer als Schatzmeister. Ab Seite 6 28 Die Radikaldigitalen von München
Rasantes Wachstum bei Ippen Digital
Mit dem Kauf der Mittelbayerischen Zeitung weitet die Verlagsgruppe der
Verband
Passauer Neuen Presse ihr Einflussgebiet deutlich aus, gleichzeitig geht die
Mediengruppe Attenkofer mit einer neuen Zeitung für Regensburg an 29 Im Nachhinein
den Start. Auch werfen wir in der Medienszene einen Blick auf die Ex- Auf ein Wort mit Michael Busch
pansion bei Ippen Digital. Ab Seite 26 30 Aus dem Verbandsleben
32 Ein Europäer in München
Unser Titelbild Officestory: Stefan Leifert leitet das ZDF-Landesstudio München
Was ist richtig, was „Fake“? Wo beginnt Mei- 34 Der Junior übernimmt
nung, wo endet die Nachricht? Wird manipu- BJV-Geschichte(n): Zwanzig Jahre leitete Ernst Müller-Meiningen
den BJV
liert? Und: Wen interessiert’s überhaupt?
Mehr und mehr Reize strömen aus zig Kanä- 36 Im Herzen des Ruhrgebiets
len. Die Medienwelt ist unübersichtlich, Der DJV-Verbandstag 2021 findet in Bochum statt – oder digital
wächst weiter und kann mitunter gefährlich Service
werden. Gelingt es Journalist*innen nicht
Wolf Heider-Sawall 37 Rechtstipp
mehr, die Menschen mit seriösen Nachrich- Foto: Julie Sawall VG Bild-Kunst darf Schutz vor Framing verlangen
ten zu erreichen, geht es am Ende um die Da-
seinsberechtigung des Berufsstands. Wolf Heider-Sawall sah sich an 38 Unsere Tipps
einen chaotischen Verkehrsschilderwald erinnert. Aufgabe des Jour- Zur Person
nalismus ist es auch, wieder zu mehr Klarheit beizutragen, wie der
39 Jubilare
freie Münchner Fotograf in der Fotomontage zur Titelstrecke verbild-
licht. 2017 hatte Heider-Sawall den Gesamtsieg beim Wettbewerb 40 Nachrufe, Impressum
Pressefoto Bayern geholt. Neben der politischen Fotografie konzen
Sagen Sie mal...
triert er sich vor allem auch auf die Porträtfotografie, etliche berühm-
te Persönlichkeiten standen vor seiner Kamera. 41 „Quoten sind im Privatfernsehen nicht alles“
Einblicke unter www.heider-sawall.com. Deshalb investiert RTL ZWEI ins Genre Dokumentation.
Ein Gespräch mit Chefredakteurin Konstanze Beyer.
BJVreport 5/2021 3
M e dien -Szene
Mit Roman Dei- in den Ruhestand geht. Walther
ninger, 43, hat Steinhuber, zuletzt Produkte-Chef bei
die Süddeutsche RTL, führt gemeinsam mit Johannes
Zeitung wieder Hauner die Digital-Geschäfte. Auch
Foto: SZ / Jakob Berr
einen Chefrepor- Controller Marko Marquardt gehört
ter. Seit Stefan zum neuen SZ-Führungsboard.
Klein 2016 in den
Ruhestand ging, war diese Stelle va- Laura Terberls
kant. Deininger arbeitet seit 2007 für (@terberl) Aufga-
die SZ. be als Teamleite-
Foto: SZ / Daniel Hofer
rin Audio und
Christoph Landsgesell (@landsge) ist Video bei der
Chefredakteur der deutschen Ausgabe Südde ut s che n
von Sports Illustrated, die am 13. De- Zeitung erfährt
zember erstmals in der DACH-Regi- „Ein Leben ohne Radio ist möglich, aber sinnlos“, findet Katrin Müller- eine Aufwertung: Die 32-Jährige wur-
on erscheint. Der 36-Jährige war zu- Hohenstein, 56, und hat aus mehr als zehnjähriger Radio-Abstinenz Kon- de zur Ressortleiterin Audio und Vi-
letzt bei Condé Nast Textchef von GQ. sequenzen gezogen: Seit Septemberanfang führt die prominente Sportmo- deo befördert. Außerdem richtet Ent-
Zuvor leitete er das Sport-Ressort der deratorin des ZDF durch den Promi-Talk „Sonntagsfrühstück“ auf Anten- wicklungschef Wolfgang Jaschensky
Abendzeitung München. ne Bayern. Es ist eine Rückkehr zu ihren Radiowurzeln. Die gebürtige mit den Artdirektoren Christian
Erlangerin moderierte bis 2007 unter anderem „Guten Morgen Bayern“. Tönsmann (Print) und Astrid Müller
Arno Makowsky, ehemals Chefre- 2006 wurde sie als „Lattenkracher“ (Nikolaus Brender) vom ZDF entdeckt. (Online) zum neuen Jahr ein Visual
dakteur der Münchner Abendzeitung, „KMH“ übernimmt bei Antenne Bayern die Sendung von Florian Weiss, Desk ein. Von dort aus soll die Exper-
verantwortet beim neuen Wirtschafts- der zum ZDF nach Düsseldorf wechselt. Sie selbst bleibt beim ZDF im tise fürs Visuelle auf allen SZ-Kanälen
magazin Triple A, das allen Titeln der gleichen Umfang im Einsatz. Foto: Aljoscha Kostomlatsky gebündelt werden.
SWMH (SZ, Stuttgarter Zeitung etc.)
beiliegt, die Regionalteile. Fürs Über- Siegmund Gottlieb, bis 2017 Chefre- samtkommunikation in der Daniel Staffen-Quandt (@d_staffen-
regionale ist Magazin-Profi José Re- dakteur des BR, hat kurz vor seinem ARD-Programmdirektion. quandt) übernimmt zum Jahreswech-
dondo-Vega zuständig. Makowsky ar- 70sten eine neue Aufgabe gefunden sel die Chefredaktion des epd-Landes-
beitet weiter frei für Spiegel u.a. als Herausgeber des Debattenmaga- Richard Gutjahr dienstes Bayern. Der 40-jährige
zins The European aus der Weimer (@gutjahr) zieht Journalist folgt auf Achim Schmid,
Christiane Hoff- Media Group. Er folgt auf Ansgar es nach Wa der in den Ruhestand geht.
Foto: Michaela Schneider
mann (@Hoff- Graw, der aus Singapur für die Kon- shington. Der
Hoffmann), Soci- rad-Adenauer-Stiftung arbeitet. frühere BR-Mo- Claudia Kundigraber verstärkt auf
ety-Kolumnistin derator will künf- eigenen Wunsch nicht mehr die Pres-
Foto: Frank Zauritz
der Bild-Zeitung, Oliver Das Gup- tig aus der US- searbeit der Deutschen Journalisten-
ersetzt bei ta (@oliverdas- Hauptstadt als freier Journalist und schule. Ihre Stelle wird erstmal nicht
Burdas People- gupta) hat bei der Korrespondent für verschiedene deut- neu besetzt.
Foto: Andrea Wolleschensky / AnLi Fotografie
Magazin Bunte Tanja May, 48, aller- Süddeuts chen sche Tageszeitungen arbeiten.
Foto: Daniel Hofer
dings nicht in der Position Vize-Chef- Zeitung gekün- Liane Rothen-
redakteurin, sondern Editor at Large. digt und arbeitet Martin Wunnike, seit 2014 vorsitzen- berger, 40, ist In-
May ist nach 21 Jahren bei Bunte zu- jetzt frei für Spie- der Geschäftsführer der Mittelbayeri- haberin der neu-
rück zur Bild, wo sie als Vize-Chefre- gel und Der Standard. Er gehörte zum schen Zeitung, scheidet im Zuge des en Professur für
dakteurin für die Unterhaltung zu- Reporterteam, das mit seinen Recher- Zeitungsverkaufs an die Verlagsgrup- Medien und Öf-
ständig ist. chen die „Ibiza-Affäre“ auslöste. pe Passauer Neue Presse aus dem Un- fentlichkeit mit
ternehmen aus. Auf Wunsch der dem Schwer-
Verleger Timo Busch, der im Dezem- Kevin Amour leitet mit Jonas MZ-Verlegerfamilie Esser wird er punkt Migration in Eichstätt-Ingol-
ber nach einem Streit mit Mee- Schlatterbeck die Planung in der noch bis Jahresende den Übergang stadt. 2008 promovierte sie an der KU
dia-Chefredakteur Matthias Oden ARD-Programmdirektion. Amour begleiten (siehe auch S. 26). mit einer Arbeit über die Programm
selbst die Chefredaktion des Bran- war zuvor in verschiedenen Funk- entwicklung des Kulturkanals Arte.
chenmagazins übernommen hatte, tionen für ProSiebenSat.1 tätig. Er Christian Wegner, Chef der SZ-Mut-
befördert Stefan Winterbauer (@ löst bei der ARD Andrea Wich ab, ter SWMH, ist seit Oktober Co-Ge- Aleksandra Solda-Zaccaro (@Sol-
swinter) zum Chefredakteur. Der die Planungskoordinatorin von schäftsführer der Süddeutschen Zei- daAleksandra), die erst im Juni Spre-
51-jährige Medienjournalist gehörte ARD-Alpha und 3sat ist. Zum 1. tung. Zum 1. Januar übernimmt er die cherin der IAA wurde, verlässt die
2008 zum Gründungsteam und war November übernimmt Annika Geschäftsführung dann vollständig Messe München und nimmt sich eine
zuletzt Vize-Chefredakteur. Quisbrock die Leitung der Ge- von Stefan Hilscher (@shilscher), der berufliche Auszeit. Senta Krasser
4 BJVreport 5/2021
@ Net z-Szene
Ran an die GenZ
Die Jungen sind die Zukunft des Journalismus – bloß wie erreichen wir sie?
Vo n T h o m a s Mra z e k
Die Kolleg*innen von der taz sind mal wieder onalen Häusern mitzuwirken“. Ausführlich be-
schonungslos offen und ehrlich. Es dreht sich
Das Fundstück schrieben wir im BJVreport 5/2020, wie der
um die Zielgruppe der Generation Z, abge- DJS-Schüler Tom Kroll bei der Augsburger All-
kürzt GenZ, auf gut Deutsch um die zwischen gemeinen mittels einer Bürgerrecherche über
1995 und 2005 Geborenen. „Diese Generation die Auswirkungen der Pandemie auf den
müsste ja eigentlich von der taz begeistert Augsburger Arbeitsmarkt berichtete (bjvlink.
sein“, schreibt Autor Willi Vogelpohl im Sep- de/fellowship). Die Recherche erfolgte in Zu-
tember in der tageszeitung und zählt dann die sammenarbeit mit Correctiv Lokal. Erfolg-
ganzen Vorzüge auf, die sein Blatt für die jun- reich umgesetzt wurden auch zwei weitere
gen Menschen bietet. Auf diesen Werbeblock Projekte: Die YouTube-Reihe „Kulturbeutel“
verzichten wir. „Das Problem dabei: Diese Ge- von Manuel Andre in Kooperation mit den
neration kennt die taz nicht“, gesteht Vogel- Nürnberger Nachrichten (bjvlink.de/kulturbeu-
pohl ein. Ein Problem, an dem Medienhäuser tel) und das Videoreportagen-Format „Über-
seit einem Vierteljahrhundert leiden, laborie- pfalz“ bei der Mittelbayerischen Zeitung von
ren, lamentieren oder schlichtweg auch he Leon Willner (bjvlink.de/überpfalz). Andreas
rumdilettieren. Nun, die taz hat natürlich auch Immer etwas anders: die taz. Wenleder berichtete beim Bayerischen Rund-
noch nicht den Stein der Weisen entdeckt, der Foto: Peter Endig/imago, taz.de/insta funk darüber: „Regionalzeitung sucht Jugend
Lösungsansatz hört sich aber nicht schlecht auf YouTube“ (bjvlink.de/jugend-youtube). Das
an: „Also müssen wir daran arbeiten, dass sich jektleiter des 2020 von der dpa und dem Ham- Fellowship-Programm zeigt, wie mit experi-
das ändert: mit einer Kampagne für genau die- burger Senat gegründeten Projekts „#UseThe- mentellen Formaten in der Journalistenausbil-
se Generation, die ausschließlich digital auf News, einem bewährten Berufscredo gerecht. dung nicht nur die angehenden Journalist*in-
Instagram, YouTube und TikTok läuft, genau Das #UseTheNews-Playbook wende sich nen in ihrer Ausbildung, sondern auch die
da, wo wir diese Generation erreichen kön- an redaktionelle Praktikerinnen und Praktiker. Medienhäuser bei ihrem Wandel profitieren
nen.“ Die taz lässt sich jetzt nämlich von der Das rund 150-seitige Werk liefert in anspre- können. Mehr über die Regional Fellowships
Hamburger Werbeagentur Überground hel- chender Aufmachung viel Basiswissen unter der DJS unter: bjvlink.de/fellowships.
fen, der Claim lautet „Bereit für Streit“. Die anderem zu den veränderten Einstellungen Was junge Journalist*innen zu leisten ver-
Kampagne sei in großen Teilen von Mitarbei- und Nutzungsgewohnheiten. Vor allem liefern mögen, zeigten – einmal mehr – die Stipendi-
ter*innen entworfen worden, die selbst der die über 50 Expert*innen viele Erfolgsbeispie- at*innen der katholischen Journalistenschule
Generation Z angehören, sagt die Geschäfts- le und Empfehlungen, die „Lust auf die Ent- ifp in München. In seinem Abschlussprojekt
führerin der Agentur, Jo Marie Farwick. Dann wicklung zeitgemäßer journalistischer Nach- widmete sich der Stipendiaten-Jahrgang 2019
schauen wir mal: taz.de/streit. richtenangebote machen“. „Ob eine dem Thema „Bildung. Ein System in Schief
vereinfachte Nachrichtensprache, eine verän- lage“. Hierzu wurden ein Online-Dossier und
Andere Themen, neue Formate derte Themenauswahl, die Erprobung neuer ein Instagram-Format erstellt. Das ifp bietet
Etwas düster sieht es zunächst auch im Formate und Kanäle oder die aktive dialogi- Studierenden eine dreijährige kostenlose jour-
Vorwort der Online-Publikation „#UseThe- sche Einbeziehung der Nutzerinnen und Nut- nalistische Ausbildung, aufgeteilt in elf Wo-
News-Playbook – Nachrichten für die Genera- zer – um gerade auch die Jungen weiterhin für chen Module und 20 Wochen Praktika. Die
tion Z“ aus. Meinolf Ellers, verantwortlich für die Nachricht zu gewinnen, müssen viele Ergebnisse der Arbeit können Sie hier an-
Strategic Business Development bei der dpa, Wege erkundet werden.“ Es macht wirklich schauen: bildung.journalistenschule-ifp.de und
konstatiert: „Neue Phänomene wie Nachrich- Spaß, das Playbook durchzulesen. Download: instagram.com/spotlight.bildung.
tenmüdigkeit („News Fatigue“), Nachrichten- bjvlink.de/playbook.
vermeidung („News Avoidance“), Nachrich- Und was machen die Jungen selbst? Die
ten-Analphabetismus („News Illiteracy“) oder Regional Fellowships der Deutschen Journalis-
Der Autor
die Nachrichtenwüsten („News Deserts“) – tenschule (DJS) sind im Sommer in ihre zwei-
Thomas Mrazek (@tmrazek) arbeitet
immer größere Landstriche ohne lokaljourna- te Runde gegangen. Das 2020 begonnene Pro- als freier Journalist und Dozent in
listisches Angebot – beschäftigen fast alle gramm soll den Journalisten-Schüler*innen München, er betreut die Netzaktivi-
westlichen Demokratien.“ „Sagen, was ist“, einen Anreiz vermitteln, „an der digi talen täten des BJV. Foto: Stefan Gregor
wird der 59-jährige Nachrichtenmann, Pro- Transformation von zukunftsorientierten regi-
BJVreport 5/2021 5
Verband
„Jetzt ist nicht die Zeit für einen Richtungskampf“
Die BJV-Mitglieder wählen Michael Busch bei der ersten hybriden, technisch
herausfordernden Versammlung erneut zum Vorsitzenden.
Vo n A l o i s K n o l l e r
Michael Busch wird den Bay- Michael Busch sieht dies
erischen Journalisten-Ver- deutlich anders. Der BJV sei
band (BJV) eine fünfte Amts- gefragter Gesprächspartner
zeit lang als Vorsitzender der Medien, sei es bei Über-
führen. Ihm zur Seite stehen griffen auf Berichterstatter,
in den nächsten zwei Jahren bei medienethischen Fragen
als Stellvertreter Zeitungsre- oder bei der Übernahme der
dakteur Wolfgang Grebenhof Mittelbayerischen Zeitung
und Rundfunkjournalistin durch die Passauer Neue
Andrea Roth. Schriftführerin Presse. Im Personalrat des
bleibt Anne Webert, neuer Bayerischen Rundfunks ist
Schatzmeister ist Jürgen der BJV jetzt vertreten. In
Schleifer. Bis alle Posten be- der Pandemie stellte er in
setzt sind, geht es bei der ers- kürzester Zeit seine Seminare
ten hybriden Mitgliederver- auf digitale Formen um und
sammlung des BJV allerdings erhielt positive Rückmeldun-
aufregend zu – weil Macht- gen „aus entfernten Regio-
kämpfe um den BJV-Vorsitz Erstmals trafen sich die BJV-Mitglieder zu einer hybriden Versammlung. An nen“. Der Verband konnte
sowie den Schatzmeisterpos- manchen Stellen ruckelte es. alle Fotos auf dieser Doppelseite: Thomas Geiger auch durchsetzen, dass Jour-
ten in Atem halten; und weil nalist*innen als systemrele-
die Technik hier und da holpert. Normalerweise Schatzmeisterin und Redakteurin der Allgäuer vante Personen eingestuft wurden und eine
hätte Michael Busch in rund 80 interessierte Ge- Zeitung, dagegen. Nur 16 Prozent der Mitglie- Impfpriorisierung erhielten. Intensiv beriet
sichter geschaut und ihre spontanen Reaktionen der seien unter 40; „wir brauchen diese Leute, er die Freien in existenzbedrohender Situati-
darin abgelesen. Jetzt ist jedoch alles anders. um den Verband durchsetzungsfähig zu ma- on. Eine ganze Reihe widmete der BJV Fra-
Während der Vorsitzende im Münchner Kol- chen“. Wichtige Stellen in den Fachgruppen gen rund ums Homeoffice.
pinghaus in die Kamera spricht, kämpfen zu- seien nicht besetzt, es brauche Runde Tische Die Leistungsbilanz, bestätigt übrigens durch
hause an den Bildschirmen die Mitglieder mit mit Haupt- und Ehrenamt. Und der BJV lasse die Haushaltsansätze von Stefanie Heckel für
den Tücken der digitalen Technik. Vor allem der es an öffentlicher Relevanz fehlen. 2020 („Das Digitaljahr“), 2021 („Das zweite Kri-
Abstimmungstools, die nicht so recht laufen senjahr“) und 2022 („Post-Pandemisch?“), über-
wollen. „Bleiben Sie dran, es geht gleich weiter“, zeugen offensichtlich die Mitglieder. Zumal Ha-
vertröstet Moderatorin Beke Maisch charmant rald Stocker, vor zwei Jahren sein schärfster
über alle Unterbrechungen hinweg, unter der sie Rivale und Mitbewerber um den Vorsitz, Micha-
und Markus Hack an ihrer Seite ebenso leidet el Busch nun wärmstens („ein Herzensanliegen“)
wie draußen die Kolleg*innen. Immerhin hat zur Wiederwahl empfiehlt. „Jetzt ist nicht die
das Nürnberger Kollegenpaar beim Moderieren Zeit für einen Richtungskampf, gemeinsam müs-
stets eine launige Pausenplauderei auf den Lip- sen wir den Verband aus der Krise herausführen
pen, als hätten die beiden seit Ewigkeit schon in die Normalität“, betont Stocker. Der alte Vor-
Fernseh-Liveschalten souverän gestemmt. sitzende ist dann auch der neue. Mit 48:31 Stim-
Dann bringt sich eine Mitbewerberin um men bestätigen die Mitglieder den fränkischen
den Vorsitz in Stellung. Es wird kontrovers. Die Tageszeitungsredakteur Michael Busch (50) in
Atmosphäre knistert. „Wir haben viel gelernt seinem Amt. Die Kemptener Betriebsrätin Stefa-
seit der letzten Mitgliederversammlung im nie Heckel (40) unterliegt mit 39 zu 61 Prozent
März 2020“, eröffnet der Vorsitzende Michael der Stimmen. Obwohl sie sogar mit der Aussicht
Busch seinen Bericht. Aber noch lange nicht ködert, die bisherige jährliche Aufwandsentschä-
genug, hält Stefanie Heckel, die bisherige Abgestimmt und gewählt wurde digital. digung von 12 000 Euro als Vorsitzende nicht in
6 BJVreport 5/2021
Verband
Nur der geschäftsführende Vorstand und die Vorsitzenden der Fach Beke Maisch und Markus Hack moderierten, als hätten die beiden seit
gruppen und Bezirksverbände waren in München vor Ort. Ewigkeit schon Fernseh-Liveschalten souverän gestemmt.
Anspruch zu nehmen. Busch weist freilich dar- Kampf gegen gewalttätige Übergriffe auf Be- re Arbeitsbedingungen fester und freier Mitar-
auf hin, dass das zeitaufwändige Vorstandsamt richterstatter*innen und auf die Pressefreiheit. beiter*innen. Sie engagiert sich außerdem als
sicher das Vierfache des einen abgegoltenen wö- Auch am Thema Medienkompetenz-Vermitt- Vorsitzende des Fachausschusses Europa im
chentlichen Arbeitstags erfordere. lung will der BJV mit eigenständiger Initiative DJV sowie in der Europäischen Journalisten
„Wir haben in den vergangenen Jahren viel und Expertise dran bleiben. Dazu passt, dass Föderation (EJF), um gemeinsam für die Pres-
bewegt und ernten nun die Früchte unserer Be- Michael Busch beim Fränkischen Tag in Bam- sefreiheit und gegen Verfolgung und Unterdrü-
mühungen“, bilanziert der BJV-Chef. Der BJV berg jüngst zum Volontärsausbilder ernannt ckung von Kolleg*innen in autoritären Staaten
sei ein auf die Zukunft ausgerichteter Verband. worden ist. zu streiten. Sie gehört bereits seit vier Jahren
Dazu gehört die zügige Umstellung der inter- zum BJV-Vorstand. Aus dem Bundesvorstand
nen Kommunikation und der Bildungsarbeit in Gute Tarife, betriebliche zurück in den bayerischen Vorstand wechselt
der Pandemie auf digitale Kanäle, aber auch die Mitbestimmung der Ansbacher Tageszeitungsredakteur Wolf-
enge Vernetzung mit der DJV-Spitze und mit Mit überwältigender Mehrheit werden auch gang Grebenhof (53), Betriebsratsvorsitzender
den anderen Landesverbänden. Die kommende die beiden stellvertretenden Vorsitzenden ge- bei der Fränkischen Landeszeitung. Leiden-
Zeit, so Busch, werde geprägt sein vom Ringen wählt. Die Münchner Rundfunkjournalistin schaftlich streitet er für gute Tarife und betrieb-
um gute Arbeitsbedingungen, um soziale Absi- Andrea Roth engagiert sich als Vize-Vorsitzen- liche Mitbestimmung. Zehn Jahre gehört er
cherung vor allem der freien Journalistinnen de der Fachgruppe Rundfunk und kämpft unter dem Bundesvorstand an, davon sechs Jahre als
und Journalisten sowie vom entschiedenen anderem beim Bayerischen Fernsehen für besse- DJV-Vize.
Sichtlich erleichtert: Der alte und neue Vorsitzende Michael Busch, der ebenso wie seine Auch Anne Webert wurde im Amt der
Stellvertreterin Andrea Roth im Amt bestätigt wurde. Schriftführerin bestätigt.
BJVreport 5/2021 7
Verband
Überraschend deutlich (24:42 Stimmen) Freie will sie hingeben für das Amt des einen Teil des nicht abgerufenen Überschusses
unterliegt Stefanie Heckel auch bei der Neu- DJV-Vize in Grebenhofs Nachfolge. Als Beisit- von 351.000 Euro im Etatjahr 2020 dafür einzu-
wahl des Schatzmeisters. Sie muss ihren Posten zer fungieren künftig Ralph Bauer, Jürgen setzen. Den größeren Teil könne man sonst in
für den Münchner Rundfunkmann Jürgen Dennerlohr, Tamara Link, Sabine Prokscha die Förderung des Nachwuchses und der Fortbil-
Schleifer räumen, der 64 zu 36 Prozent der und Klaus Reindl. dung stecken. Der Gesamtvorstand wird ein
Stimmen auf sich vereint. Er lege Wert auf offe- Konzept über die Jubiläumsfeier bis zur (früher
nen Diskurs und Transparenz und könne auch „Lasst uns feiern!“ terminierten) Versammlung 2022 vorlegen. Die
in stürmischer Zeit die Ruhe und die Übersicht Heiß debattierte wurde auf dem Bayerischen wieder in Präsenz stattfinden und die beim Jour-
bewahren, stellt er sich vor. Als Schriftführerin Journalistentag, ob es doch noch ein Fest zum nalistentag 2021 noch liegen gebliebenen Sachen
bestätigt wird die Dießener freie Journalistin 75-jährigen BJV-Jubiläum geben soll. „Mit Blick aufarbeiten soll. Beschlossen wurde beim Jour-
Anne Webert (56), die als treibende Kraft auch auf die Freien, die um ihre Existenz kämpfen, nalistentag zudem eine neue Beitragssatzung.
in der Fachgruppe Freie wirkt. Nachdem sie hätte eine Feierlichkeit nicht gepasst“, begründete Der BJV will in den kommenden Monaten
während der Pandemie die verbandsinterne der BJV-Chef den Verzicht. Doch die Befürwor- intensiv um den journalistischen Nachwuchs
Kommunikation aufgemöbelt hat, will sie nun ter, allen voran Stefan Primbs („Lasst uns ein werben und hat deswegen unter anderem ent-
eine moderne Außendarstellung des BJV um- Fest der Begegnungen, des Kennenlernens, des schieden, künftig eine Schnuppermitgliedschaft
setzen. Den Vorsitz im Bundesfachausschuss Vernetzens feiern!“) drängten darauf, wenigstens zu einem reduzierten Beitrag anzubieten.
Der „Hardcore-Gewerkschafter“ und der Mann der Zahlen
Die „Neuen” im geschäftsführenden Vorstand Wolfgang Grebenhof und Jürgen Schleifer
Muss man Wolfgang Grebenhof im BJV noch extra vorstellen, diesen
Tausendsassa des Journalistenverbands? Als „Hardcore-Gewerkschafter“
bezeichnete er sich selbst bei seiner Bewerbung als BJV-Vize. Wer ihn als
Redner auf großen Streikkundgebungen kennengelernt hat, weiß, dass er
die Ärmel hochkrempeln und kämpferisch Arbeitgeber ins Gebet neh-
men kann. Er kann aber auch nachdenklich über die Zukunft des Jour-
nalistenberufs diskutieren, klug die deutsche Medienlandschaft analysie-
ren und den Verlegern ins Gewissen rufen, bei allem Wandel den alten
Idealen treu zu bleiben. In seiner Arbeit als Betriebsrat, die er in den
Fachgruppen Betriebsräte und Tageszeitung von der Pike auf gelernt hat,
profilierte sich Wolfgang Grebenhof als Chefstratege für neue Formen
des Arbeitskampfes, auch witzig, frech, unkonventionell und bunt. Der
bekennende Amerika-Fan bleib seit dem Volontariat der Fränkischen
Landeszeitung treu, die Kollegen wählten ihn zum Betriebsratsvorsitzen-
den und 2011 begann sowohl im BJV als auch im DJV seine Vorstands-
karriere. 2015 entschied er sich in der Einer der kämpferisch, aber auch nachdenklich kann: Wolfgang
Nachfolge von Michael Anger ganz Grebenhof, neuer stellvertretender BJV-Vorsitzender. Foto: Sachelle Babbar
für den Stellvertreter im Bundesvor-
stand, den er nun zugunsten von Bay- evangelischer Theologe schon auf der Kirchenkanzel vor seiner Gemein-
ern („back to the roots!“) wieder hin- de. Im Krankenhaus absolvierte er eine Seelsorgeausbildung. Und auch
gibt. den Journalismus hat er in der Kompaktausbildung zum Redakteur an
der Deutschen Journalistenschule (DJS) sowie als Stipendiat der Süddeut-
Er kann mit anvertrautem Geld umge- schen Zeitung von der Pike auf gelernt. Anschließend ging er dann zur
hen, aber auch mit Seelen. Jürgen Stuttgarter Zeitung und wechselte schließlich zum öffentlich-rechtlichen
Schleifer, der neue Schatzmeister, ver- Fernsehen. Dort bewährte er sich unter anderem als Tagesreporter bei
antwortete als Redaktionsleiter im „MDR aktuell”, als BR-Redakteur der „Münchner Runde” und war zu-
Bayerischen Fernsehen schon einen letzt zwei Jahre im Hauptstadtstudio Berlin. Im März kehrte er als Redak-
Millionen-Etat und als Aufsichtsrat teur in der Landespolitik zurück zum Bayerischen Fernsehen nach Mün-
der Diakonie München wachte er chen. Im BJV hat man den stellvertretenden Vorsitzenden der Fachgruppe
über einen Jahresumsatz von fast 300 Rundfunk in den vergangenen Jahren als versierten Moderator auf ver-
Millionen Euro. schiedenen Podien erlebt. Er sei überrascht von dem tollen Wahlergebnis,
Der neue Schatzmeister Jürgen Der Mann kann Zahlen – und sagt der Vater eines Sohnes, der in seiner Freizeit gern Klavier spielt und
Schleifer Foto: Michaela Schneider gleichzeitig stand er als studierter Ski fährt. (ak)
8 BJVreport 5/2021
Verband
„Das Herz auf dem richtigen Fleck“
Daniela Albrecht kandidierte aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr
Als ein sprühendes Energiebündel eine Schwerbehindertenbeauftrag-
und meistens bestens gelaunt – so te im BJV stark gemacht und die-
lernten wir im BJV die Niederbay- ses Amt als erste übernommen,
erin Daniela Albrecht kennen. Als inzwischen haben andere Landes-
31-jährige Redakteurin aus Passau verbände nachgezogen. Albrecht
löste sie 2007 im Bezirksverband will das Amt auch nach ihrem
Niederbayern/Oberpfalz Ernst Ausscheiden aus dem geschäfts-
Hauzenberger ab. Zuvor leitete sie führenden Vorstand für den BJV
bereits den Ortsverband Passau. weiterführen. Die Niederbayerin
In der Fachgruppe Tageszeitungen brachte sich intensiv in die Tari-
ist sie ebenfalls 2007 stellvertre- farbeit ein, forcierte die Stärkung
tende Vorsitzende geworden und der Betriebsräte, beschäftigte sich
war eine der Gründerinnen des mit Zukunftsfragen der journalis-
Netzwerks BJFrau, als der heuti- tischen Ausbildung, arbeitete an
gen Fachgruppe Chancengleich- Ideen, wie man den journalisti-
heit. In Aschaffenburg wurde sie schen Nachwuchs für den BJV be-
2013 zur BJV-Vize gewählt, das Für sie ende eine schöne und bewegende Zeit, verabschiedete sich geistern könne und setzte immer
geliebte Amt, das sie mit viel Herz- Daniela Albrecht zu Tränen gerührt. Foto: Thomas Geiger vor allem auch auf die direkte An-
blut ausgeübt hat, gab sie nun zu sprache. „Und das alles neben der
Tränen gerührt ab. „Für mich endet eine eingebracht. Nie habe ich von dir ein Nein ganz normalen Arbeit als Lokalredakteurin“,
schöne, bewegende Zeit“, sagte sie. Der Ver- gehört, wenn es um Aufgaben ging“, würdigte betont Michael Busch.
zicht geschehe aus gesundheitlichen Grün- sie Michael Busch. Andrea Roth umarmte sie An der Uni Passau studierte sie Germanis-
den. Sie leide immer noch schwer an den mit den Worten: „Du bist wirklich der tik, Psychologie und Politikwissenschaft. Ab
Spätfolgen einer Covid-Infektion und habe Mensch, der alles zusammengehalten hat. Du 2003 volontierte sie bei der Passsauer Neuen
sich bislang nicht erholt, erklärte die 45-Jäh- hast das Herz auf dem richtigen Fleck.“ Lei- Presse. Dort arbeitet sie als Redakteurin beim
rige. „Du hast dich enorm in den Verband denschaftlich hatte Daniela Albrecht sich für Viechtacher Bayerwald-Bote.(ak)
Einer der Ruhigen, aber kein Stiller
Jahrzehnte wirkte Dietmar Schmidt im Aufnahmeausschuss. Jetzt ist er Ehrenmitglied im BJV
Hätte unser neues Ehrenmitglied nicht die fünfzig und ihren Berufsbildern nachzuvollziehen. Wo ist
Jahre im Aufnahmeausschuss noch voll machen die Grenze zwischen Profis und Amateuren? Was
können? Nein, das wollte Dietmar Schmidt nicht. grenzt ins Werbliche, was geht in Gefilde außerhalb
„Mit fast 82 Jahren ist es Zeit aufzuhören“, gab der des Journalismus? Schmidt legte Wert darauf, die
ehemalige Pressesprecher der Ludwig-Maximili- Auswahl des Ausschusses persönlich im Landesvor-
ans-Universität München bekannt. So nüchtern dies stand vorzutragen. Ganz selten war ein Votum da-
klingt, so gerührt war er doch, als ihm BJV-Chef bei, das nicht gepasst hat. „Sie waren immer ein
Michael Busch die Auszeichnung antrug. Vor dem Teamplayer. Sie waren einer der ruhigen Amtsträger
Bildschirm im Homeoffice umarmte ihn zärtlich im BJV, aber kein Stiller. Umso deutlicher war Ihre
seine Frau Hannelore, damit er die Fassung bewahr- Stimme, wo Sie sich in die Debatte eingeschaltet ha-
te. 1973 wurde Dietmar Schmidt erstmals in den ben“, würdigte ihn BJV-Chef Michael Busch. Für sei-
Ausschuss gewählt, in vier Geschäftsstellen, ange- ne eigene Berufsgruppe, die Journalisten in Wirt-
fangen in der Bernheimer, dann Dachauer und schaft und Verwaltung, wie die Fachgruppe
Seidlstraße bis zur St.-Martin-Straße, hat er im Mo- ursprünglich hieß, hat Dietmar Schmidt sich genau-
natsrhythmus gewissenhaft die Aufnahmeanträge Mit 100 Prozent der Stimmen so stark gemacht. 17 Jahre lang bis 1996 im Fach-
ernannte die Mitgliederver
geprüft. 2003 übernahm er den Vorsitz von sammlung Dietmar Schmidt zum gruppen-Vorstand. Und immer brachte er sich im
BR-Kommentator Bernhard Uecker. Schmidt gelang BJV-Ehrenmitglied. Bildungs- und Sozialwerk sowie in der Fachgruppe
es, den radikalen Umbruch in der Medienbranche Foto: Thomas Geiger Europa ein. (ak)
BJVreport 5/2021 9
Titel
„Jeder kann bei uns reinschauen“
Redaktionelle Transparenz, Newsdesk-Besuche, Zeitung in der Schule und
Lehrerfortbildungen: Viele Medienhäuser leisten einen Beitrag zur Stärkung der
Medien- und Informationskompetenz
Vo n Mi c h a e l a S c h n e i d e r
MEDIEN-
KOMPETENZ
10 BJVreport 5/2021Titel
W
ir dürfen nicht zusehen, wie andere schulkurs „Medienkompetenz“ besuchen. (Siehe auch Arti-
das Thema Medienkompetenz beset- kel „Wenn Frank schwurbelt“, Seite 14) „Hier liegt die
zen, denn wir haben das Wissen und Hauptaufgabe bei Ihnen, das müssen Journalistinnen und
das Können“, appelliert BJV-Vorsit- Journalisten machen“, appelliert Weigand.
zender Michael Busch beim Bayeri- Die Geburtsstunde des viel bemühten Medienkompe-
schen Journalistentag an die Verbandsmitglieder. Auch sein tenz-Begriffs datiert in die 1970er Jahre, Medienpädagoge
neuer Vize, Wolfgang Grebenhof, fordert auf, zu helfen, dass Dieter Baacke erklärte seinerzeit: „Medienkompetenz meint
die Menschen wieder unterscheiden könnten, „was leeres grundlegend nichts anderes als die Fähigkeit, in die Welt ak-
Geblubber und was echter Journalismus“ sei. Große berech- tiv aneignender Weise auch alle Arten von Medien für das
tigte Worte, denn am Ende stehen und fallen im Extremfall Kommunikations- und Handlungsrepertoire von Menschen
Demokratien einhergehend mit der Fähigkeit ihrer Bür- einzusetzen.“ Etwas zeitgemäßer formuliert es Kathrin
ger*innen, sich adäquat zu informieren, gute Quellen von Demmler, Direktorin des JFF – Institut für Medienpädago-
schlechten zu unterscheiden, „Fake News“ zu erkennen und gik: Medienkompetenz sei das, was Menschen können müs-
Kommunikationsstrategien zu durschauen. Und es geht um sen und wollen, um in der Gesellschaft, die sich heute sehr
die Daseinsberechtigung des Journalismus. Doch wie kön- digital abspielt, zurecht zu kommen. Journalist*innen rät sie,
nen Journalist*innen zur Stärkung der Informationskompe- „selbst ins Gespräch zu gehen und sich mittenrein zu bege-
tenz beitragen? Der BJVreport suchte nach Praxisbeispielen. ben“ – und keinesfalls zu belehren, sondern zuzuhören, zu
Davon gibt es jede Menge, das ist die gute Nachricht. antworten und verständlich zu argumentieren.
Nicht ganz so erfreuliche Ergebnisse indes lieferte im Früh- Es braucht also vor allem den Dialog, ob über einen hei-
jahr eine Studie der Stiftung Neue Verantwortung, die nach ßen telefonischen oder digitalen Draht in die Redaktion, über
4191 Online-Interviews, wenn auch nicht allzu überra- Formate wie die vielerorts etablierten Leseranwält*innen oder
schend, zeigte: In Sachen digitale Medienkompetenz ist quer über das neue Online-Format „Treffpunkt Redaktion“ der
durch alle Altersgruppen viel Luft nach oben. Schwer fiel Main-Post: Einmal im Monat können Interessierte hier mit
zahlreichen Befragten die Unterscheidung zwischen Infor- Mitgliedern der Chefredaktion auf einer Online-Plattform
mation und Desinformation, Information und bezahlten diskutieren und Fragen zur redaktionellen Arbeit stellen. Die
Werbeinhalten sowie tatsachenorientierter Berichterstattung Transparenz der journalistischen Arbeit spiele eine immer
und Meinung. Entsprechend fordern die Autor*innen der größere Rolle, es gehe auch um das Vertrauen in die Medien-
Studie neben einer besseren digitalen Schul- und Erwachse- berichterstattung, erklärten die Würzburger Kolleg*innen im
nenbildung und einem klareren Plattformdesign transpa- Vorfeld. Etwas anders sieht der Ansatz in Augsburg aus, ver-
rentere journalistische Angebote. folgt werden ähnliche Ziele: In der Serie „Augsburger Allge-
meine Live“ interviewt Chefredakteur Gregor Peter Schmitz
„Wir arbeiten nicht im Dunkeln“ mit Kollegen regelmäßig prominente Gesprächspartner*in-
Hier hat in vielen Redaktionen ein deutliches Umdenken nen vor Publikum (aktuell per Video), auch um journalisti-
eingesetzt. Marcel Auermann, seit Anfang 2020 Gesamt-Chef- sche Arbeitsweisen nachvollziehbar zu machen. Von allen
redakteur der Verlagsgruppe Hof, Coburg, Suhl und Bayreuth,
rät im Gespräch mit dem BJVreport dazu, „Einblicke (zu) ge-
ben, wie Recherchen abgelaufen sind oder Themen angepackt „JFF – Institut für Medienpädagogik“
wurden“. Werde ein Interview nicht persönlich, sondern per Wer sich mit Medienphänomenen und den komple-
xen Prozessen der Medienaneignung von Kindern
Email geführt, kennzeichne man dies in seinen Redaktionen
und Jugendlichen beschäftigt, ist gut beraten, sich
konsequent. Auch sei wichtig, nicht allein die Abonnent*innen
auf der Website des „JFF – Institut für Medienpäda-
zu erreichen, hier taugen Auermanns Erfahrung nach online gogik“ umzuschauen. Ein interdisziplinäres For-
strukturierte Formate wie Faktenchecks. Der Chefredakteur schungsteam untersucht diese; eine Praxisabteilung
plädiert für Offenheit, vor allem auch um „Fake-News“-Vor- entwickelt Projekte, um Teilnehmende darin zu
würfen entgegenzutreten: „Wir arbeiten nicht im Dunkeln. Je- stärken, kreativ mit Medien zu arbeiten und zu
der kann bei uns reinschauen.“ Corona kam seinen Plänen in lernen, mit diesen souverän und selbstbestimmt
umzugehen. „Wir können die Perspektive von Kin-
die Quere, bei Leserstammtischen das direkte Gespräch zu su-
dern und Jugendlichen liefern und zum Beispiel
chen. So bald wie möglich aber wolle er die Idee wieder auf-
Einblicke geben, wie junge Leute online agieren“,
greifen. Journalismus dürfe kein „closed job“ bleiben. sagt JFF-Direktorin Kathrin Demmler. Zum Beispiel
Fotomontage: Wolf Heider-Sawall
Wichtig ist dies vor allem, um vielleicht doch noch jene analysierten JFF-Forscher*innen die politische
Menschen zu erreichen, die sich von klassischen Medien Meinungsbildung Jugendlicher in sozialen Medien,
entfernt haben. „In der Erwachsenenbildung funktioniert untersuchten die Glaubwürdigkeit von YouTube-Vi-
ein defizitorientierter Ansatz nicht“, sagt Verena Weigand, deos aus der Sicht von Zehn- bis Zwölfjährigen oder
befragten im Zuge des aktuellen Projekts „Digitales
stellvertretende Vorsitzende der Stiftung Medienpädagogik
Deutschland“ einen Querschnitt der Gesamtbevölke-
Bayern. Mit anderen Worten: Wer „Fake News“ oder Ver-
rung zu KI-Technologien. Mehr: www.jff.de
schwörungstheorien glaubt, wird kaum einen Volkshoch-
BJVreport 5/2021 11Titel
Veranstaltungen gibt es Live-Streams und Podcasts. Apropos: Unterrichtsmaterialien für Lehrkräfte. Und Morhart nennt
Auch im Podcast „Nachrichtenwecker“ berichten Augsburger eine weitere Kampagne. „Wir suchen die schlausten Azubis
Redakteur*innen von ihren Recherchen. Bewusst Gesicht zei- im Mainviereck“ ist sie überschrieben, das Main-Echo koope-
gen Journalist*innen bei der Mediengruppe Oberfranken. riert mit Handwerkskammer und Industrie- und Handels-
„Um zu zeigen, wie vielfältig wir sind, stellten wir in der Reihe kammer. Um Auszubildende spielerisch an relevante regiona-
„Wer ist eigentlich…?“ die Menschen unserer Redaktion vor. le und globale Themen heranzuführen, schließen
Vom Leitenden Redakteur bis zum Lokalberichterstatter er- Unternehmen aus dem Mainviereck Abonnements für Aus-
zählten diese von ihrem Alltag, ihren journalistischen Vorstel- zubildende ab, gleichzeitig setzt die Redaktion einen The-
lungen, aber auch den Wünschen gegenüber den Lesern“, teilt menschwerpunkt „Ausbildung“.
die Chefredaktion schriftlich mit. Zweite große Medienkompetenz-Initiative der bayeri-
Auch beim Verlag Nürnberger Presse liegen seit einein- schen Zeitungen gemeinsam mit der Bayerischen Landes-
halb Jahren spannende Pläne in der Schublade. Wie dessen zentrale für Neue Medien (BLM) ist der jährliche Lehrerme-
Unternehmenssprecherin Annika Peißker erzählt, sollen dientag, 2021 wird die Fortbildungsveranstaltung virtuell
Newsdesk-Besuche, sobald es Corona zulässt, zentrales Ele- und aus dem Studio der Mediaschool Bayern gestreamt.
ment des Besuchsprogramms werden, das sich früher vor Und: Seit 2019 findet ein „Schülermedientag“ als Kooperati-
allem auf den Druckereirundgang beschränkte. Sowieso ist on der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsar-
dem mittelfränkischen Traditionshaus Medienkompetenz beit mit zahlreichen regionalen und überregionalen Medien-
lange schon ein Anliegen. Mit „Klasse!“ verweist Peißker auf häusern statt, der sich heuer coronabedingt in eine erstmals
den mehr als zwei Jahrzehnte alten Dinosaurier und das bundesweite digitale Schülermedienwoche verwandelt hatte.
größte ureigene Medienkompetenz-Projekt des Verlags. Nicht zu verwechseln ist der vorab erwähnte „Medienführer-
Zielgruppe: Alle Jahrgänge in sämtlichen Schularten. Wäh- schein Presse“ übrigens mit dem „Medienführerschein Bay-
rend früher mit gedruckter Zeitung gearbeitet wurde und ern“ der Stiftung Medienpädagogik Bayern, die Materialien
Journalist*innen in Klassenzimmer gingen, erhalten die für den Elementarbereich, sämtliche Schularten wie auch die
Schulklassen nun ePaper-Zugang und komplett neu erarbei- außerschulische Jugendarbeit entwickelt hat.
tete digitale Unterrichtsmaterialien. Keinesfalls unerwähnt bleiben sollte: Auch der BJV setzt
sich an vielen Stellen für eine Stärkung der Medienkompetenz
Schlauster Azubi im Mainviereck ein. BJV-Chef Michael Busch bringt im Medienkompe-
Vergleichbare Angebote finden sich in vielen anderen Me- tenz-Ausschuss der BLM wie im Vorstand des Mediencam-
dienhäusern, „KLARTEXT“ als medienpädagogisches Vor- pus Bayern sein Expertenwissen ein. Der Verbandschef ver-
zeigeprojekt des Fränkischen Tags etwa. Stefanie Sayle, Leiterin weist auf häufige Hintergrundgespräche, unter anderem mit
der Günter Holland Journalistenschule in Augsburg, benennt Parteien, sagt: „Als BJV sind wir anerkannt und werden
für die Augsburger Allgemeine „Zeitung in der Schule“ wahrgenommen als Gesprächspartner.“ Der Verband beteiligt
(ZiSCH) mit pro Schuljahr rund 1000 beteiligten Schulklas- sich an klassischen Branchenevents wie den Münchner Me-
sen. Für die gymnasiale Oberstufe bietet das Verlagshaus zu- dientagen, aber über die eigene Hochschulbeauftragte etwa
dem für die Dauer von eineinhalb Jahren ein P-Seminar „Zei- auch an Eröffnungstagen von Universitäten, „wo wir auch
tungsjournalismus“ an. Andere Häuser beteiligen sich an Studierende medienferner Fächer erreichen“. Reicht das?
verlagsübergreifenden Angeboten. Main-Echo-Chefreporter „Nein, als BJV sollten wir künftig mehr noch in die Öffent-
Claus Morhart verweist etwa auf den „Medienführerschein lichkeit gehen. Wir haben die Experten der Medienkompe-
Presse“, eine Initiative der bayerischen Zeitungsverlage mit tenz doch an Bord“, betont Busch.
Medienkompetenzprojekte beim Bayerischen Rundfunk
Mit einem eigenem Referat Medienkompetenzprojekte dungen für Lehrer*innen aller Schularten an. Ab diesem
engagiert sich der Bayerische Rundfunk seit Jahren, Schuljahr wird sich das Programm mit virtuellen Klas-
pandemiebedingt hat sich laut Detlef Klusak, Abteilung senbesuchen von Mediencoaches auch direkt an Schü-
Presse, das Angebot derzeit ins Netz verlagert. Größte ler*innen richten. Weiter verweist Klusak auf die Initiati-
Veranstaltung ist der ARD-Jugendmedientag (heuer: 18. ve „so geht MEDIEN“ von ARD, ZDF und Deutschlandradio,
November). Das gemeinsame Projekt der ARD-Landes- federführend produziert wird sie vom BR. Seit Ende
rundfunkanstalten entstand aus dem jährlichen BR-Ju- 2018 finden in mehreren BR-Studios Hintergrund-Veran-
gendmedientag. 2020 nahmen laut Klusak mehr als staltungen für Volkshochschulen statt, um im Gespräch
40.000 Teilnehmer*innen aus ganz Deutschland teil. mit Programmverantwortlichen Grundwerte der Bericht-
Beim Schulradioprojekt TurnOn oder Young Reporters erstattung wie Objektivität, Neutralität, Vielfalt oder
lernen die Jugendlichen journalistische Techniken und, Faktenbasiertheit zu vermitteln. Bei der Publikumsakti-
angeleitet von BR-Mediencoaches, wie man recherchiert on „Mitmischen! Programm machen beim BR“ lernen
und Fakten checkt. Unter dem Motto „BR macht Schule“ etwa 300 Menschen aus ganz Bayern, wie Nachrichten
bietet das Referat Medienkompetenz ein umfangreiches oder Beiträge entstehen. Geplant sind künftig „Medien-
Angebot an praxisnahen medienpädagogischen Fortbil- elternabende“ zum Medienkonsum von Kindern.
12 BJVreport 5/2021Titel
Noch mal die Schulbank drücken
„Journalismus macht Schule“ macht Lust auf Medienbildung. Ein Erfahrungsbericht
Vo n T h o m a s Mra z e k
A
ls Journalist habe ich hunderte Lehrsituatio- tagesschau.de leitete, ist überzeugt, dass „Medienkompetenz
nen erlebt: Ob mit Studierenden an Hoch- – insbesondere Nachrichten- und Informationskompetenz –
schulen im In- und Ausland, mit jüngeren heute so wichtig wie Mathe oder Biologie“ sei.
oder mit älteren Berufskolleg*innen, ob mit Wie einfach die Sache für alle Beteiligten sein kann, zeigt
Berufsgruppen wie Mönchen oder mit ar- die JmS-Website: Die Anmeldung für Journalist*innen, die
beitslosen Menschen; online wie auch vor Ort. An einer an Schulen über ihre Arbeit sprechen möchten, ist in einer
Schule war ich bis dato erst einmal zu Gast. Ich erinnere Minute erledigt. Schulen können sich ebenso unkompliziert
mich gerne an die Diskussion mit 80 Schüler*innen an der mit Journalist*innen vernetzen. Die Termine werden durch
Mittelschule Prien 2017 über die journalistische Arbeit. Ei- die Verantwortlichen in den Ländern koordiniert, in Bayern
gentlich habe ich die Routine. erledigt die Bayerische Landeszentrale für politische Bil-
Trotzdem war ich vor dem gerade mal eineinviertelstün- dungsarbeit das Matching. „Völlig unkompliziert“, lobt Lehrer
digen Online-Termin mit Schüler*innen des Bayernkollegs Gomoll den Service von JmS. Mit viel Sachverstand und sehr
Augsburg Mitte Mai nervös und demütig: Findet das Thema übersichtlich aufbereitete Inhalte auf der JmS-Website dienen
Journalismus überhaupt Anklang bei den Kollegiaten, infor- allen Beteiligten zur Vor- und Nachbereitung. Videos und
mieren die sich nicht vorwiegend Hinweise zu Unterrichtsbesuchen zei-
über Insta & Co.; kann online ein gu-
„Medienkompetenz ist gen Interessenten, wie solche Veran-
staltung ablaufen können. Derzeit
tes Gespräch entstehen, werden die
Zuhörer*innen etwas mitnehmen? heute so wichtig wie sind 600 Journalist*innen bei JmS re-
Das Bayernkolleg ist eine Einrich- Mathe oder Biologie.“ gistriert, berichtet Sadrozinski. Poten-
tung des Zweiten Bildungswegs, es Jörg Sadrozinski, zial sieht er darin, weitere Schulen in
ermöglicht Erwachsenen, die bereits Hamburger Reporterfabrik ganz Deutschland anzusprechen. Es
im Berufsleben gestanden oder einen käme auch auf die Offenheit der je-
Haushalt geführt haben, in drei Jahren das Abitur nachzu- weiligen Schulbehörden an, manche würden die JmS-Aktivi-
holen. Neben einem kurzen Vortrag sollte ich vor allem mit täten als Konkurrenz zu eigenen Vorhaben sehen. Sadrozins-
den Schüler*innen (Alter von zirka 18 bis 35) sprechen. ki sagt aber: „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir peu à peu
Nach hinten raus hätten wir noch Zeit, sagte mir Armin Go- alle überzeugen.“
moll im Vorgespräch. Der 62-Jährige unterrichtet Deutsch
und Geschichte an dem Kolleg. Unser Kontakt entstand Der andere Blick
über das Projekt „Journalismus macht Schule“ (JmS). Offenbar überzeugt waren dann auch „meine“ Schü-
JmS ist eine offene Initiative von Journalist*innen von ler*innen und ihr Lehrer in Augsburg, wir verlängerten den
Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, ARD-Anstalten, ZDF, COR- virtuellen Besuch um eine Stunde. Zur Vorbereitung hatte
RECTIV, Reporterfabrik, Lie Detectors, Netzwerk Recher- ich ihnen neben einem Papier mit Basisinformationen in-
che, Journalistenschulen und Universitäten, Akteuren der klusive Tipps von JmS drei von mir geschriebene Artikel ge-
Lehrerfortbildung, Medienpädagogen, Medienanstalten und mailt, unter anderem über die Probleme von Journalist*in-
Institutionen der politischen Bildung. Seine Ursprünge hat nen bei der Berichterstattung über Demonstrationen. Viel
das JmS-Projekt bei der SZ, hier sind insbesondere die Akti- Diskussionsstoff, viele Fragen aber auch viele Erkenntnisse
vitäten in der Medienbildungsarbeit für Jugendliche der Re- für mich – und ja, es hat mir sehr großen Spaß gemacht.
dakteure Klaus Ott und Tom Soyer hervorzuheben. Im Einige Tage später berichtete mir Gomoll: „Ich habe
Sommer 2020 startete JmS mit seiner Website journalismus- ausschließlich positive Rückmeldungen erhalten. Beson-
macht-schule.org. „Mit Tipps und Tools für den Klassen- ders gut, so der einhellige Tenor, kam an, dass Sie mal ei-
raum wollen wir dazu beitragen, Medienwissen und prakti- nen ganz anderen Blick auf die Themen Journalismus
sche Kenntnisse zu vermitteln, besonders jetzt als Hilfe für und Schreiben ermöglichten.“ Dass wir im Herbst einen
den digitalen Fernunterricht“, hieß es damals. weiteren Schultermin in Präsenz in Augsburg planen –
Koordiniert wird das bundesweite Projekt von der Ham- vielleicht sogar mit 80 oder 90 Schüler*innen –, sehe ich
burger Reporterfabrik. Verantwortlich zeichnet dort Jörg Sa- als weitere Belohnung. Ob ich vor dem Termin wieder
drozinski. Der Journalist, der von 2011 bis 2017 die Deutsche nervös sein werde? Ein bisschen Demut hat noch keinem
Journalistenschule in München und davor die Redaktion von Journalisten geschadet.
BJVreport 5/2021 13Titel
Wenn Frank schwurbelt
Medienkompetenz ist etwas Freiwilliges. Deshalb ist es so schwierig, vor allem auch
bestimmte ältere Zielgruppen zu erreichen
Vo n D a n i e l Hi n z
J ede*r kennt einen Frank. Frank ist um die 50 Jah- sind, werden sich nicht so einfach in ein Seminar über
re alt. Frank ist dieser eine Onkel, Bekannte oder Fake-News setzen.“
Freund, der irgendwie abgedriftet ist. Der auf Fa- Lebenslanges Lernen ist gut und wichtig. In den Schu-
cebook schwurbelt, der auf „Anti-Corona”-De- len wird Kindern bereits der Umgang mit dem Smartpho-
mos pilgert. Der ARD und ZDF „Staatsfunk“ ne oder Laptop beigebracht. Neben technischen Fragen
nennt. Frank ist reingefallen. Auf Desinformation und geht es hier auch um den Umgang mit privaten und inti-
seinen verhängnisvollen Umgang mit Medien. Frank ist men Daten im Netz. Erwachsene müssen sich diese Kom-
nur ein Beispiel, eine Persona. Wieso tun sich manche äl- petenz selbst aneignen. Das Kultusministerium Bayern
tere Erwachsene so schwer erklärt auf Anfrage des BJVre-
mit der Medienkompetenz? port, dass „der Erwachsenen-
Sind sie eine „verlorene Ge- „Menschen, die abgedriftet bildung eine hohe Bedeutung
neration“? Und wie müssen sind, werden sich nicht so zukommt. In einer medial ge-
wir Journalismus betreiben, prägten Welt ist ein aufge-
einfach in ein Seminar über
um Menschen wie Frank zu klärter Umgang mit Medien-
erreichen? Fake-News setzen.“ inhalten und privaten Daten
Kommunikationswissenschaftlerin
Warum Medienkompe- im Netz eine Schüsselkompe-
Claudia Riesmeyer
tenz in dieser Zielgruppe so tenz für mündige Bürgerin-
wichtig ist, zeigen aktuelle nen und Bürger.“ Ja, natür-
Studien. Ältere Erwachsene haben demnach Schwierig- lich. Es gibt Angebote von Institutionen wie den
keiten, Täuschungen zu erkennen und haben eher – im Bayerischen Volkshochschulen, es gibt Projekte zur För-
Vergleich zu jüngeren – mehr Vertrauen in andere Men- derung der Medienkompetenz. Aber sie gehen an Men-
schen. Vertrauen ist keine per se schlechte Eigenschaft. schen wie Frank vorbei, bei denen das Vertrauen in staat-
Geteilte Inhalte in sozialen Netzwerken von Bekannten liche und mediale Institutionen verloren gegangen ist – die
und Freunden werden dadurch aber seltener hinterfragt. sogar misstrauisch sind.
Zusätzlich wird in sozialen Netzwerken nicht so sehr auf Und: Es braucht nun einmal zunächst das Bewusstsein
die Quelle, die Herkunft der Information geachtet. Ins- für die eigenen Schwächen, Zeit und Wille zum Wandeln,
gesamt besteht also die Gefahr, dass Unwahrheiten eher ehe man sich für ein Kompetenz-Steigerungs-Seminars
Glauben geschenkt wird. entscheidet. Präventiv mögen diese Angebote taugen,
aber als Nachbehandlung sind sie keine Lösung. Wie geht
In der Informationskrise man mit Menschen wie Frank um?
Fast die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland ist
während der Corona-Pandemie im Netz auf Fake-News
gestoßen. Expert*innen sprechen deshalb von einer In-
formationskrise – weil Trolle oder Bots bestimmter Ak-
„Smart Surfer“
Umgang mit Internet und Desinformationen im
teure gezielt Desinformation verbreiten. Claudia Ries-
Netz: Das Projekt „Smart Surfer“ soll die Genera-
meyer ist Dozentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin tion 50plus fit machen und richtet sich damit
am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medi- speziell an Menschen, die nicht mit Smartphone
enforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität und Laptop aufgewachsen sind. In der Zusammen-
München. Sie habilitierte im Forschungsbereich Medi- arbeit des Bayerischen Verbraucherschutzministe-
enkompetenz und ist Spezialistin für Medienpsycholo- riums, der Bayerischen Landeszentrale für neue
gie. „Medienkompetenz ist etwas Freiwilliges“, sagt Ries- Medien (BLM), der Verbraucherzentrale Bayern
und des VerbraucherServices Bayern können
meyer und legt damit das Problem offen. „Es ist eine
Kurse besucht werden. Außerdem gibt es passend
große Herausforderung, Medienmündigkeit zu vermit- zum Kurs ein Handbuch. Mehr Informationen gibt
teln. Natürlich gibt es viele Angebote in der Erwachse- es unter www.smartsurfer.bayern.de.
nenbildung. Aber Menschen, die einmal abgedriftet
14 BJVreport 5/2021Sie können auch lesen
