Verirrt im Bilder-Dschungel - Brauchen Fotojournalisten Artenschutz? BJV-Wahlen erstmals digital Dialekte beim Bayerischen Rundfunk In Nürnberg ...
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BJV-Wahlen erstmals digital Dialekte beim Bayerischen Rundfunk In Nürnberg droht weiterer Stellenabbau Die Ära Hans-Eberhard Hess Ausgabe 4/2021 www.bjv.de / www.djv.de Verirrt im Bilder-Dschungel Brauchen Fotojournalisten Artenschutz?
Pressestellen A bis Z im BJVreport Ab Seite 18 finden Sie die Einträge von Pressestellen aus den Bereichen Bildung/Wissenschaft (BW), Messen/Ausstellungen (MA), Finanzen (F), Versicherungen (V), Energie (E), Netz (N), Verkehr (VK), Unternehmen (U), Kammern (K), Verbände (VB), Soziales/Kirche (SK): A G/H T/U AFAG Messen und GVB Genossenschaftsverband TUM Technische Universität Ausstellungen (MA) Bayern (F) München (BW) AUDI (U) Hanns-Seidel-Stiftung (BW) V B/C I/J/K VAG Verkehrs- Bauindustrie Bayern/ Interhyp Gruppe (F) Aktiengesellschaft (VK) Bayerischer VdK Bayern Sozialverband (SK) Bauindustrieverband (VB) L/M Versicherungskammer Bayern (V) Bayerische LEW Lechwerke (E) VGN Verkehrsverbund Landesärztekammer (K) LMU Ludwig-Maximilians- Großraum Nürnberg (VK) Bayerische Universität München (BW) Landeszahnärztekammer (K) W Bayerischer Jagdverband (VB) N wbg Nürnberg Immobilien (U) Bayerngas (E) N-ERGIE (E) Bayernhafen (VK) NÜRNBERGER Versicherungsgruppe (V) Bayernwerk (E) Dank auch den Sonderinserenten: Bischöfliche Aktion Adveniat (SK) O/P/R • AFAG Messen und BMW Group (U) OMV Deutschland (U) Ausstellungen GmbH • Akademie der Bayerischen D S Presse DIEHL Diehl Stiftung (U) Schwaben Netz (N) • Presse-Versorgung Sparkassenverband Bayern (F) (Versorgungswerk der Presse) E St. Theresien-Krankenhaus Erdgas Schwaben (E) Nürnberg (U) E-T-A Elektrotechnische StWN Städtische Werke Apparate (U) Nürnberg (U) Süddeutscher Verband reisender Schausteller und Handelsleute (VB) Kontaktbörse „Pressestellen“ Die Rubrik „Pressestellen“ im BJVreport ist ein gern genutzter „Treffpunkt“ für Kammern, Verbände, Organisationen, Dienstleister und Unternehmen aus vielen Bereichen, die regelmäßige und fundierte Pressearbeit betreiben. Nutzen Sie diese Kontaktbörse, alle zwei Monate, ein ganzes Jahr lang für nur 1.450,– EUR zzgl. MwSt. Das Medienmagazin BJVreport erscheint 6 x jährlich, jeweils zur Monatsmitte im Februar, April, Juni, August, Oktober und Dezember • Anzeigenschluss vier Wochen vorher • Mediadaten unter www.bjv.de • Planung/Abwicklung: Mediasüd, Robert Macher, Telefon 0 91 81 / 29 99-477, Fax 0 91 81 / 29 99-479, robert.macher@mediasued.de
Inhalt Die Welt verändernd Kaleidoskop 4 Medienköpfe Das Foto eines toten Dreijährigen am türki- schen Strand wird 2015 zum weltweiten Symbol 5 Social Media auf Papier für das Leid geflüchteter Menschen. Ein Mann Verband stürzt bei den Terroranschlägen am 11. Septem- 6 Total digital ber 2001 aus einem der Türme des World Trade Mitgliederversammlung mit Wahlen als hybride Veranstaltung Centers. Bilder der ersten Mondlandung schrei- ben Geschichte. Pressefotos berühren, infor- Titel mieren – und manchmal verändern sie die 8 „Du siehst das Bild und brauchst keinen Text mehr“ Michaela Schneider Welt. Und dennoch fehlt es oft an Wertschät- Es erfordert ein neues Bewusstsein für den Wert der Pressefotografie Leitende Redakteurin zung: Die Bebilderung scheint in vielen Publi- Foto: Stefan Gregor 12 „Da verdiene ich mehr, wenn ich Burger brate“ kationen heute beliebig, fest angestellte Foto- Lars Bauernschmitt zu den Folgen des Strukturwandels auf und Bildredakteur*innen gibt es auch in dem Bildermarkt bayerischen Verlagshäusern nicht mehr allzu viele. Liegt der Fotojourna- lismus im Sterben? Das BJVreport-Team machte sich an eine Bestands- 14 „Bilder sind ein zeitgeschichtliches Gedächtnis“ aufnahme. Dafür sprachen wir unter anderem mit zahlreichen Fotojour- Viele analoge Fotoarchive sind gefährdet nalist*innen, um vor allem auch herauszufinden, wie Pressefotografie in 16 Vom Streben nach den Kleinigkeiten Zukunft aussehen könnte. Wir hörten Professor Lars Bauernschmitt, der Pressefotograf Jim Albright lässt in einen veränderten die Studie „Bildermarkt 2021“ verantwortet. Wir begleiteten einen Foto- Arbeitsalltag blicken journalisten durch seinen Arbeitsalltag. Und wir beleuchteten die Bedeu- 18 Pressestellen tung von Pressefotos als historische Zeitdokumente. Ab Seite 8 Medienszene Wie die hybride BJV-Mitgliederversammlung am 18. September ablaufen 22 „Im Film ist der Franke immer der Depp“ könnte, haben andere Landesverbände bereits vorgemacht. Seite 6 Kommen bestimmte Dialekte beim Bayerischen Rundfunk zu kurz? 23 Erneuter Stellenabbau in Nürnberg Kommunikationsforscher*innen haben die 30-jährige Entwicklung des Verlag will sich von 80 Mitarbeiter*innen trennen privaten Rundfunks in Bayern erforscht. Ab Seite 24 24 Als die lokalen Radiopioniere „on Air“ gingen Studie zur Entwicklung des privaten Rundfunks in Bayern Hans-Eberhard Hess prägte den BJV-Wettbewerb Pressefoto Bayern ent- scheidend mit. Er war ein strenger, oft auch ungeduldiger Juror. Einer, mit 26 Unsere Tipps hintergründigem Humor. Ohne ihn wird der Wettbewerb ein anderer Verband sein. Ab Seite 32 27 Die fehlende Feier Auf ein Wort mit Michael Busch Unser Titelbild 28 Aus dem Verbandsleben Technik und Handwerk allein machen noch 30 Der Zeitgeschichtesammler lange kein gutes Pressefoto. Viel entscheiden- Officestory: Daniel Biskup hatte die prominentesten Menschen der ist, ob es mit einem Bild gelingt, Emotio- der Welt vor der Linse nen, Fragen und Neugier zu wecken. Und ob 32 Ein Fotoästhet und harter Kritiker es für sich eine Geschichte erzählt. Im Tech- BJV-Geschichte(n): Hans-Eberhard Hess prägte „Pressefoto Bayern“ nikdschungel gefangen wie auf unserem Co- ver sind Fotojournalist*innen auch, wenn im Jana Margarete Service digitalen Zeitalter soziale Netzwerke (irgend) Schuler 34 Rechtstipp ein Bild brauchen, dessen eigentliche Aussage Foto: Katarina Vikulova Der Eigentümer eines Kulturgutes entscheidet, ob fotografiert aber in den Hintergrund rückt. Jana Marga- werden darf rete Schuler erzählt die Geschichte weiter – und will mit dem Titel- Zur Person strecken-Motiv auf Seite 8 anderen Fotograf*innen Mut machen, sich (wieder) aufs Wesentliche zu konzentrieren. Schuler hatte mit ihrer 35 Jubilare Serie „Im Lockdown“ in der Kategorie „Newcomer Award“ beim 36 Nachrufe, Impressum Wettbewerb Pressefoto Bayern 2020 gewonnen. Die 28-Jährige arbei- tet als selbstständige Fotografin sowie Fotojournalistin in Bamberg Sagen Sie mal... und studiert Fotojournalismus und Dokumentarfotografie in Hanno- 37 „Ich bin zum Glück nicht mehr eine Hanna“ ver. Sie beschreibt sich selbst als „visuelle Geschichtenerzählerin“. Professorin zu werden ähnelt einem Lottospiel. Den „Jackpot“ Mehr unter janamargarete.com. hat die Journalismus-Forscherin Karin Boczek geknackt. BJVreport 4/2021 3
Me dien -Szene Sylvie Stephan ihr Amt bereits im September 2020 (@sylvie_ste vorzeitig niedergelegt hat. phan), seit dem Foto: BR Ralf Wilschewski Vorjahr Kultur- Annette Schu- chefin des BR, macher löst zum wechselt im Janu- 1. Oktober bei Foto: Stefan Naumann ar zu Arte, wo sie der Bayerischen die Hauptabteilung Programmpla- Landeszentrale nung für lineare und nichtlineare An- für neue Medien gebote leiten wird. Außerdem wird sie den bisherigen beim deutsch-französischen Kulturka- Geschäftsführer Thorsten Schmiege nal Stellvertreterin von Programmdi- ab, der dann sein Amt als neuer rektorin Emelie de Jong. BLM-Präsident antritt. Die promo- vierte Juristin kommt von der Bera- Georg Meck, Ressortleiter Wirtschaft Gleich in zwei Kategorien waren Journalistinnen und Journalisten aus tungsfirma Hendricks & Schwarz. sowie „Geld und Mehr“ bei der Frank- Bayern beim Theodor-Wolff-Preis erfolgreich: Das beste lokale Digital- furter Allgemeinen Sonntagszeitung, projekt setzten (v.l.n.r.) Paul Nöllke, Sophie Anfang, Felix Müller, Emely Oliver Friedmann, 36, ist für seinen wird ab Oktober die Redaktion von Engels, Lukas Schauer und Jeanne Jakobs für die Münchner Abendzei- Vater Johannes, 70, in den Herausge- Focus Money führen. Der 54-Jährige tung um. In ihrem Newsletter „München hat die Wahl“ zur Kommunal- berrat der Süddeutschen Zeitung nach- kehrt damit zur Focus-Familie zu- wahl in Bayern am 15. März 2020 verschickten sie an zehn Montagen das gerückt. Die Familie Friedmann hält rück, wo 1994 seine journalistische Wichtigste aus dem Rathaus. Den besten Beitrag zum Thema des Jahres 18,75 Prozent am Süddeutschen Ver- Karriere begann. Bei Burdas Wirt- „Corona – Leben im Ausnahmezustand“ schrieb Elisa Schwarz in der lag. Der promovierte Informatiker schaftstitel folgt Meck auf Frank Pöp- Süddeutschen Zeitung. Alle Texte der Preisträger*innen sind nachzulesen gehört jetzt auch dem vierköpfigen sel, 55, der nach 20 Jahren seinen Hut unter bjvlink.de/wolff. Foto: BDZV/Zumbansen Vorstand der Deutschen Journalisten- nimmt. schule an. Sein Großvater hatte die Christa Catharina Müller (@alias_ Messe-Veranstalter als Leiterin Mar- DJS 1949 als Werner-Friedmann-Ins- Bettina Biller- ccm) hat bei Meedia als Vize-Chefre- keting & Communications tätig. Stra- titut gegründet. beck, bis Ende dakteurin gekündigt. Erst vor einem tegie-Chef Holger Feist übernimmt 2020 Chefredak- halben Jahr trennten sich Verleger den PR-Bereich nun zusätzlich. Klaus Meier, Professor für Journalis- teurin von Schö- Timo Busch und Chefredakteur Mat- tik an der KU Eichstätt, wurde zum 1. Foto: Ilona Haben ner Wohnen, ist thias Oden. Fast das gesamte Perso- Nadine Nordmann und Ulla Juli Vizepräsident für Studium und jetzt für die Lu- nal, das für den Neustart des Bran- Drewitz, einst Chefredakteurin- Lehre. Er folgt auf Markus Eham, der xusmagazine chentitels in München stand, ist nicht nen-Duo bei Bauers Bravo und Joy, in den Ruhestand geht. Madame und Monsieur tätig als „Edi- mehr an Bord. haben Generation Bold gegründet. torial Consultant“. Die 49-Jährige be- Das Beratungsinstitut mit Sitz in Claudia Kundi rät Chefredakteurin Petra Winter; Tom Soyer (@so- München will Generationenkonflikte graber verstärkt deren Vize Kerstin Holzer geht „auf yerthomas), 58, lösen helfen. die Pressearbeit Foto: Marion Ullmann eigenen Wunsch“. hat bei der Süd- der DJS. Die pro- deutschen Zeitung Thorsten Pütsch, mehr als 20 Jahre movierte Politolo- Foto: Jakob Berr Charlotte Haunhorst, ehemals Re- die neu geschaffe- bei ProSiebenSat.1 tätig und zuletzt gin ließ sich selbst daktionsleiterin von jetzt.de bei der ne Stelle eines Le- Senderchef von Kabel Eins Doku, hat in der 30. Lehrre- Süddeutschen Zeitung, wird spätestens seranwalts über- in der Unternehmenskommunikati- daktion ausbilden, bevor sie für zum vierten Quartal beim Handels- nommen. Er gehört der SZ-Redaktion on von Axel Springer in Berlin ange- Frankfurter Rundschau und Südwest blatt als Digitalchefin und Mitglied seit 1991 an. Seine neue Rolle hat sich heuert. Die von ihm nach seiner Pro Presse arbeitete. Neben ihrer Teilzeit- der Chefredaktion von Sebastian Mat- aus seiner Tätigkeit als Leserredakteur Sieben-Tätigkeit in Dießen am Am- stelle als DJS-Pressesprecherin ist sie thes anfangen. der Lokalredaktion entwickelt. Soyer mersee gegründete Marketingagen- als Coach und Trainerin tätig. ist schon länger in der Vereinigung tur Neue Helden gibt es weiterhin. Senta Krasser Bernadette Mittermeier steigt bei der der deutschen Medienombudsleute Looping Group am Standort Mün- aktiv. Horst Ohligschläger wurde ein- So stimmt‘s chen zur Chefredakteurin des News- stimmig zum neuen Vorsitzenden Wir hatten in Heft 3/2021 letters Ping auf. Ihre Vorgängerin Ka- Aleksandra Solda-Zaccaro (@Sol- des Verbands der Zeitschriftenverla- Johannes Hauner, den neuen Geschäftsführer für Digitale thrin Steinbichler, die von der daAleksandra) spricht bei der Messe ge in Bayern gewählt. Der 63-jährige Medien bei der Süddeutschen Süddeutschen Zeitung kam, widmet München für die IAA, die sich in die- Geschäftsführer der Roularta Media Zeitung, versehentlich älter ge sich jetzt voll ihrer Aufgabe als Direc- sem Jahr als Mobilitätsmesse neu er- Deutschland (Frau im Leben u.a.) macht. Richtig ist: Hauner fei tor PR & Communications. finden will. Sie ist seit 2018 bei dem folgt auf Waltraut von Mengden, die erte jetzt den 38. Geburtstag. 4 BJVreport 4/2021
@ Net z-Szene Weg mit dem „Weiter so“? Viel müsste sich im Journalismus ändern. Doch manchmal lohnt sich auch Bewährtes Vo n T h o m a s Mra z e k Alles künftig anders oder wenigstens besser zu Redaktion in Ausnahmesituationen“, betitelte am Das Fundstück machen: Wie oft hatte man sich in oder nach ei- Sonntag darauf Ivo Knahn, stellvertretender ner Krise diesem Vorhaben schon verschrieben. Chefredakteur der Main-Post, einen Beitrag und Weg mit dem „Weiter so!“. Und in unserer Bran- schilderte das Handeln, aber auch die vielfältigen che ist es nicht anders. Ja, es liegt, Corona hin Fragen und Nöte seiner Kolleg*innen: bjvlink.de/ oder her, noch immer einiges im Journalismus messerattacke. Am darauffolgenden Dienstag im Argen. So geht’s nicht weiter – oder doch? produzierten sie eine Sonderausgabe ihrer Was unserem Metier, was einzelnen Journa- „Mordsgespräche“, wobei sie Zweifel äußerten, ob list*innen Orientierung und Inspirationen gibt die Wortwahl in diesem Fall die richtige sei. Im sind Kolleg*innen, die sich mit Problemen aber 53-minütigen Podcast sprechen Knahn und Re- auch Perspektiven im Journalismus auseinander- Innenminister Joachim Hermann spricht nach porter Tim Eisenberger mit Moderator Corbini- setzen. In den letzten Monate sind hierzu einige der Messerattacke in Würzburg mit Journalist* an Wildmeister über verschiedene Aspekte. Zum hörenswerte Podcasts entstanden. innen. Dass die Ereignisse für die Main-Post Einstieg schildern sie den aktuellen Sachstand +++ Naheliegend fangen wir bei unseren eine Herausforderung waren, schildern und wie sie das Geschehene erlebten. Sie geben DJV-Mitstreiter*innen an, dort gibt es „Wir Jour- Kolleg*innen auch im Podcast. Foto: Silvia Gralla Einblicke, wie in einer solchen Ausnahmesituati- nalisten – Der DJV-Podcast mit Paul Eschenha- on Entscheidungen getroffen werden: „Wann ver- gen“. Eschenhagen leitet das Referat Digitale auch Gäste dabei. Fein, dass die erfahrenen Kolle- öffentlichen wir Informationen? Welche Bilder Kommunikation und ist stellvertretender Spre- ginnen uns an ihrem Wissen teilhaben lassen: zeigen wir? Wie schützen wir Opfer? Welche ethi- cher des DJV. Nach ersten Gesprächsrunden un- bjvlink.de/freien-podcast. schen Fragen stellen sich bei der Berichterstat- ter anderem mit dem DJV-Vorsitzenden Frank +++ Unmittelbar ums Handwerk geht’s bei tung?“ Auch kleine Fehler, die auftraten werden Überall und unserer Freien-Vertreterin Anne „Wie haben Sie das gemacht?“, dem gemeinsa- erwähnt: bjvlink.de/podcast2506. Webert waren zuletzt die Kolleg*innen Arndt men Podcast von Reportagen.fm und der Repor- Binnen zwei Stunden hatte das Live-Blog zur Ginzel („Gewalt gegen Journalist*innen) und In- tageschule (Reutlingen). Hiervon gibt es derzeit Messerattacke rund 300.000 Zugriffe, berichtet grid Brodnig („Verschwörungserzählungen und bereits acht Folgen, hier eine Auswahl: Amonte Knahn. Dies kann man auch als Beleg dafür deu- Journalismus“) seine Gäste. Die Gespräche dau- Schröder-Jürss spricht mit Paul Gäbler über ihre ten, wie wichtig die von Journalisten verbreiteten ern zwischen 20 und 60 Minuten: bjvlink.de/ bemerkenswerte halbjährige Recherche („Alle für Informationen im Gegensatz zu den millionen- wir-journalisten. einen“) für das Süddeutsche Zeitung Magazin; fach abgerufenen Seiten in den sozialen Netzwer- +++ Die Redaktion des journalist bietet seit Anne Jeschke spricht mit Julia Friedrichs über die ken sind. Die Zeitung verzichtete darauf, Bilder einigen Monaten den „Druckausgleich“-Podcast, Recherche zu Friedrichs‘ Buch „Working Class“. und Videos des Täters zu zeigen. Kurz erwähnt „in dem junge Medienschaffende über die Her- Auch hier erhält man aus erster Hand interessan- werden im Podcast auch die journalistischen ausforderungen des Berufseinstiegs reden und ei- te und inspirierende Einblicke: bjvlink.de/wie. Leitlinien der Main-Post, die in dieser Situation nen Gegenpol zu überschwänglichen Erfolgsge- hilfreich waren. Das Blatt ist eine der wenigen schichten setzen“. Annkathrin Weis und Luca Medienethisches Lehrstück deutschen Zeitungen, die ihre journalistischen Schmitt-Walz sprechen dabei offen übers Schei- Nicht als Ratgeberpodcast gedacht sind die Leitlinien veröffentlicht haben: bjvlink.de/leitlini- tern, den Umgang mit Kolleg*innen, Work-Li- Mitte Juni gestarteten „Mordsgespräche“ der en. Mit Anton Sahlender hat man zudem seit fe-Balance, die Selbstständigkeit, Selbstzweifel Main-Post. Die Würzburger Kollegen schrieben 2004 den dienstältesten Leseranwalt (wir berich- oder den Sinn von Social Media für unseren Be- zur ersten Folge: „Der neue Podcast ‚Mordsge- teten: BJVreport 1/2019, PDF: bjvlink.de/ombuds- ruf. Obgleich sich das Angebot explizit an Jüngere spräche‘ fasst nicht nur die detaillierte Berichter- leute). Das dokumentierte Vorgehen der Kol- richtet, höre ich als Ü50-Mensch auch gerne rein: stattung, mit der die Redaktion einen solchen Fall leg*innen bei dieser schwierigen Lage könnte als journalist.de/podcast. begleitet, zusammen. Die Reporter lassen im medienethisches Lehrstück dienen. Weiter so! +++ Bereits 13 Folgen produzierten seit Feb- Podcast außerdem ihre Erfahrungen und Gedan- ruar dieses Jahres die Journalistinnen Geraldine ken mit einfließen, die sie während der Recher- Der Autor Friedrich und Francoise Hauser von ihrem „Der che des Falls erlebt und gedacht haben.“ Das war Thomas Mrazek (@tmrazek) arbeitet Freien-Podcast“. Die Themen lauten unter ande- noch vor Freitag, 25. Juni. An jenem Tag erstach als freier Journalist und Dozent in rem „Bücher schreiben im Eigenverlag“, VG ein 24-Jähriger in der Würzburger Innenstadt München, er betreut die Netzaktivi Wort, „Das eigene Online-Magazin“ oder „Will- drei Frauen und verletzte mehrere Menschen täten des BJV. Foto: Stefan Gregor kommen im Freigabe-Zirkus“, zuweilen sind zum Teil schwer. „Messerattacke: So arbeitet die BJVreport 4/2021 5
Verband Mitgliederversammlung 2021 – ziemlich digital Nur wenige werden sich am Ort treffen, die meisten schalten sich am Bildschirm zu Vo n A l o i s K n o l l e r Haarscharf vor dem ersten Lockdown hatte sich müssen alle Mikrofone außer dem Sprecher halbierte Abführungen von den Landesverbän- am 7. März 2020 der Bayerische Journalistentag stumm geschaltet sein („sonst werden Sie ganz den für die Schnuppermitglieder verlangt. Der in Pullach eingefunden. Dieses Jahr dagegen er- irre“). Am besten verzichten alle anderen auch BJV-Beitrag selbst bleibt stabil, sollte aber mehr zwingt die immer noch unsichere Pandemie-La- auf die Kamera. Wortmeldungen sind nur über auf prekäre Einkommenssituationen Rücksicht ge einen hybriden Ablauf der Mitgliederver- einen Kanal möglich, die Hand zu heben im nehmen, wie sie pandemiebedingt vor allem sammlung am Samstag, 18. September. Nur eine Bildschirm genügt nicht. Leicht würde jemand für freie Journalist*innen mangels Aufträgen Kernmannschaft wird an einem Ort im Raum übersehen oder nicht namentlich im Protokoll entstanden sind. Eine Änderung der Satzung München persönlich zusammenkommen. Alle festgehalten werden. Ein echtes Problem stellt ist laut Geschäftsführer Amour erforderlich, anderen Teilnehmer*innen können sich in die zuweilen die mäßige Verbindungsqualität auf- um nach der gesetzlichen Übergangslösung Versammlung digital einklinken. Auch die fälli- weiterhin eine rechtssichere digitale Teilhabe gen Vorstandswahlen werden digital stattfinden. „Die ganze Versammlung war an der Verbandsdemokratie zu ermöglichen. Geschäftsführer Dennis Amour ist zuversicht- ein ziemlich strammer Ritt.“ Schließlich soll die Verfassung des Verbandsge- lich, dass sich der gesamte Ablauf samt der Ab- Heidje Beutel, Landesvorsitzende Thüringen richts an die Vorschriften angepasst werden. stimmungen rechtssicher organisieren lässt. Die „Die Einladung wird satzungsgemäß mindestens Einzelheiten werden gerade noch vereinbart. seiten der Teilnehmer*innen dar, sodass man vier Wochen vor der Mitgliederversammlung er- vom Wortbeitrag dieses Mitglieds schier nichts folgen“, kündigt Dennis Amour an. Darin werde „Sie brauchen ein starres Gerüst“ versteht. man dann alle erforderlichen Angaben finden, Aus anderen Landesverbänden liegen zur di- Für die Wahlen legte NRW die Hürden be- über die momentan der Vorstand noch brütet. gitalen Abwicklung wertvolle Erfahrungen vor, sonders hoch. Um teilnehmen zu dürfen, war Selbst eine corona-konforme Wahl der Tagungs- die auch in die bayerische Planung einfließen. eine Zwei-Wege-Authentifizierung erforderlich. stätte für Vorstand, Tagungspräsidium, Antrags- So hat der DJV Nordrhein-Westfalen schon im Zum Passwort also noch ein zusätzlicher, über kommission und Geschäftsstelle gestaltet sich zweiten Jahr seine Mitgliederversammlung hy SMS versendeter Code. Ausgesprochen kritisch nicht einfach: Pro Person werden zehn Quadrat- brid abgehalten. „Es ging relativ problemlos“, ging die NRW-Geschäftsstelle an den Dienstleis- meter beansprucht. berichtet Sabine Becker-Stils, die als Assistenz ter des Wahltools heran. „Wir hatten 23 Angebo- von Geschäftsführer Volkmar Kah intensiv in te, aber viele konnten eine vollständige Anony- „Ein bisschen andere Leute als sonst“ die Organisation einbezogen war. Freilich seien misierung der Wähler nicht garantieren“, erzählt Mit weit weniger Aufwand kam die Thüringer einige nötige Spielregeln zu beachten, damit die Sabine Becker-Stils. Außerdem sollte das Tool in Landesvorsitzende Heidje Beutel bei der Mitglie- Versammlung sowohl rechtssicher als auch gut der Lage sein, parallele Wahlgänge zu bewerk- derversammlung 2021 zurecht. Vorstand und steuerbar ablaufen kann. Es tagt sich einfach an- stelligen und auch spontan genannte weitere Zählkommission saßen im Landesbüro, an den ders, wenn mehr als 100 Teilnehmer digital an Wahlvorschläge einzupflegen. Es lief noch die Bildschirmen schalteten sich zwei Dutzend Mit- ihren Bildschirmen zugeschaltet sind und ein Wahl der Delegierten, während bereits die Ab- glieder dazu. „Es waren ein bisschen andere Leu- Tagungspräsidium neben der korrekten und ef- stimmung über die Vorstandsmitglieder begann. te, als sonst dabei sind“, erklärt Beutel. Die ganze fizienten Veranstaltungsleitung auch noch einen Letztlich entschied sich NRW für den Anbieter, Versammlung sei „ein ziemlich strammer Ritt“ reibungslosen technischen Ablauf gewährleisten der auch einen persönlichen Problemlöser stell- gewesen, in zwei Stunden war sie vorbei; sonst sollte. „Es muss eine Person anwesend sein, die te, denn nicht jedes Mitglied kommt auf Anhieb nimmt sie fünf Stunden in Anspruch. Verglichen sich ausschließlich auf die Technik konzent- mit der Technik zurecht. mit einer Präsenz-Veranstaltung sei die Zoom- riert“, rät Becker-Stils. „Sie brauchen ein starres Auf der BJV-Mitgliederversammlung wird Konferenz „mitnichten ein Ersatz“ gewesen. Aber Gerüst, sonst entgleitet Ihnen die Tagungslei- turnusgemäß nach zwei Jahren der geschäfts- immerhin holt der Verband die Mitglieder beim tung.“ führende Vorstand wieder gewählt. Auch der digitalen Stammtisch alle zwei Wochen zusam- NRW sorgte für eine strikte Disziplin wäh- Aufnahmeausschuss und wahrscheinlich das men. Nun hofft Heidje Beutel, im Herbst doch rend der Versammlung. Die Redezeit war gene- Verbandsgericht sind mit frischen Mandaten die verschobene Jubiläumsfeier des DJV Thürin- rell auf drei Minuten begrenzt. Denn: „Die Leute zu besetzen. Konkret wird der Schnupperbei- gen als Fest mit den Kollegen feiern zu können. sitzen zuhause im Garten oder auf der Couch trag für neue Mitglieder. In den ersten zwölf und fangen an, endlos zu diskutieren“, erklärt die Monaten sollen sie jeweils nur 9,90 Euro be- Ordentliche Anträge zur BJV-Mitglieder Assistentin die andersartige Konstellation. Jeder zahlen, dann wechseln sie in die ordentliche versammlung sind spätestens zwei Wochen ist ja für sich, eine Rückmeldung aus der Gruppe Mitgliedschaft über – wenn sie nicht kündigen. davor bei der Geschäftsstelle einzureichen. findet kaum statt. Um geordnet zu debattieren, Der DJV unterstützt das Modell, indem er nur Mehr: bjv.de/bjv21 6 BJVreport 4/2021
Foto: Matthias Hoch Pressefoto Bayern 2021 Der BJV sucht die besten Pressefotos des Jahres. Bis zum 18. Oktober können Fotografinnen und Fotografen, die hauptberuflich journalistisch tätig sind, Bilder in sieben Kategorien einreichen. Preise im Wert von insgesamt 11.500 Euro. Infos und Anmeldeformular: www.bjv.de/pressefoto2021 Ein Wettbewerb des Bayerischen Journalisten-Verbandes e.V. facebook.com/bjvde BJVreport 4/2021 twitter.com/bjvde instagram.com/pressefotobayern 7
„Du siehst das Bild und Titel brauchst keinen Text mehr“ Schmuckbilder und Stockfotografie haben mit Fotojournalismus nichts zu tun. Echte Pressefotografie wird zunehmend selten. Es braucht ein neues Bewusstsein für ihren Wert. Vo n Mi c h a e l a S c h n e i d e r 8 BJVreport 4/2021
Titel E s ist ganz entscheidend, dass sich Fotojourna- Mit anderen Worten: In Redaktionen braucht es ein listen auch als solche verstehen“, sagt Felix Kol- Grundverständnis dafür, dass Pressefotografie mit netten, termann. Ihr Job sei es längst nicht nur zu fo- rasch geknipsten Schmuckbildern nichts gemein hat. Und tografieren, sondern auch zu recherchieren, es braucht die Bereitschaft, guten Fotojournalismus finan- Inhalte zu liefern und das Kerngeschäft Jour- zieren zu wollen. Die Realität allerdings erzählt anderes nalismus zu verstehen. Er fordert: Fotojournalisten gehören und Unkenrufe, dass die Pressefotografie im Sterben liege, in die Newsrooms rein. Seit Herbst 2019 arbeitet der sind nicht unbegründet. Während die Allgäuer Zeitung 41-Jährige als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Studien- nach wie vor fünf Fotojournalist*innen in Festanstellung gang „Fotojournalismus und Dokumentarfotografie“ der beschäftigt und als einer der wenigen verbliebenen Verlage Hochschule Hannover und leitet das vom Niedersächsi- überhaupt noch ein Fotovolontariat anbietet, um eigenen, schen Ministerium für Wissenschaft und Kultur geförderte fotojournalistisch ausgebildeten Nachwuchs heranzuzie- Forschungsprojekt „Wandel bildredaktioneller Praktiken im hen, arbeiten andere Häuser wie Der neue Tag in Weiden digitalen Zeitungsjournalismus“. Koltermann nimmt kein oder auch die Mittelbayerische Zeitung nur noch mit freien Blatt vor den Mund: Fotojournalismus werde in Deutsch- Fotograf*innen. land gerade in Zeitungsredaktionen nicht sehr wichtig ge- Die Nürnberger Nachrichten/Nürnberger Zeitung ver- nommen. Es gehe oft kaum mehr um Bildinhalte, sondern zeichnen immerhin noch sechs Festanstellungen, zusätzlich um „ein ansprechendes Layout mit Fotografie“. Hier mache bestehen Pauschalverträge mit einer Sportfotoagentur und sich auch der Einfluss des digitalen Journalismus und der einer Blaulichtagentur. Auch die Redaktionen der Augsburger sozialen Netzwerke bemerkbar, die per se (irgend)ein Bild Allgemeine sind mit fünf Fotojournalist*innen noch recht gut brauchen. Zurückgegriffen wird bestückt, allerdings schreitet der immer stärker aufs kostengünstige „Die Ernsthaftigkeit Stellenabbau voran: Gingen Foto- Agenturmaterial und Stockfotos. graf*innen in Ruhestand, wurde Liegt echte Pressefotografie im unseres Berufs wurde nicht nachbesetzt. Bei der Main- Sterben? in Redaktionen noch Post arbeiten, wie stellvertretender Es gibt noch Lichtblicke – und nie gesehen.“ Chefredakteur Ivo Knahn infor- gerade im Lokaljournalismus kann miert, ein festangestellter Fotograf Thomas Geiger, Vorsitzender guter Fotojournalismus für Auf- der BJV-Fachgruppe Bild sowie elf Fotografinnen und Foto- merksamkeit sorgen. Das zeigte grafen, „die bei uns Tagesdienste sich, als Ralf Lienert, Leiter Bildredaktion bei der Allgäuer und die herausragende Einzelthemen im gesamten Verbrei- Zeitung, einen der ältesten Bergbauern im Allgäu porträ- tungsgebiet übernehmen. Sechs der Freien fotografieren tierte, der entschieden hatte, seine letzten Kühe zu hauptberuflich.“ Noch einen Kollegen in Anstellung beschäf- verkaufen, weil sich die Viehhaltung nicht mehr lohnt. Fo- tigt auch die Fränkische Landeszeitung (siehe Feature zu Jim tos zeigten den 87-Jährigen im Stall zwischen seinen letzten Albrights Arbeitsalltag, Seite 16+17), zwei sind es beim Main verbliebenen Tieren. Sie erzählten ohne Worte von der Echo und drei beim Fränkischen Tag. kalten Stimmung eines Bergmorgens, von Einsamkeit, Me- lancholie, Vertrautheit zwischen Mensch und Tieren, von Hungerhonorare für Freie einem zerbrechenden Lebenswerk und sterbenden Hand- Was zudem auffällt: Fotohonorare für freie Fotograf*in- werk. Mancher Landwirt kritisierte zwar, dass die Zeitung nen variieren selbst in Verlagen extrem – nicht nur inner- statt moderner Betriebe einen so alten Stall zeige. Die posi- halb von Lokalredaktionen, sondern oft auch von Foto- tive Resonanz unter Kolleg*innen aber war laut dem Foto- graf*in zu Fotograf*in. Mit einem Honorar von im Schnitt redakteur gleichzeitig enorm. 50 Euro fürs Bild, spielen die Nürnberger Nachrichten in der Doch wie entstehen Pressefotografien von so authenti- eher oberen Liga mit, wenn auch trotzdem noch weit ent- scher Aussage? „Wenn Dich die Menschen kennen, be- fernt von den empfohlenen Honoraren der Mittelstandsge- achten Sie Dich nicht mehr“, sagt Lienert, der seit 1980 meinschaft Foto-Marketing (mfm). In anderen Häusern für die Allgäuer Zeitung arbeitet. Auf die Alpe fuhr er finden sich immer wieder auch unter zehn Euro fürs Bild eine Stunde vor Beginn der Stallzeit und unterhielt sich auf Honorarlisten. ausgiebig mit dem Älpler-Ehepaar. „Ich bat Kaspar We- Dem Hungerlohn der Zeitungsverlage gegenüber stehen ber: Arbeite als wäre ich nicht da. Das funktionierte aber gleichzeitig hohe Ausgaben. Thomas Geiger, Vorsitzender nur, weil ich schon vorher vor Ort war“, erzählt der der Fachgruppe Bild im BJV und selbst freier Fotojournalist, Foto: Jana Margarete Schuler 57-Jährige. Auf die Frage, was guten Fotojournalismus rechnet dies exemplarisch vor. Der „normale Fotojournalist“ ausmache, gerät Lienert ins Schwärmen: „Du siehst das kommt mit Blick auf Kamera- und PC-Ausrüstung, Bildpro- Bild und brauchst keinen Text mehr. Es setzt Kopfkino gramme und Internetpräsenz im Schnitt auf monatliche frei. Es muss eine Geschichte erzählen, die authentische Kosten von rund 750 Euro, der Sportjournalist gar auf 1300 Stimmung muss zurückkommen. Ein gutes Pressefoto Euro. Noch nicht hineingerechnet hat Geiger in beide Fällen muss Emotionen festhalten.“ Ausgaben für Handy, Auto, Internet-Flatrates, Cloudkosten, BJVreport 4/2021 9
Titel Büro- und Finanzsoftware, Speicherkarten, externe Fest- Schwerpunkt Bildjournalismus und arbeitet seit geraumer platten, Drucker oder auch gelegentliche Zusatzkosten wie Zeit regelmäßig unter anderem für die Bayernredaktion der die Miete von Spezialoptik oder einer Blitzanlage. Wer als Süddeutschen Zeitung. 2020 gewann sie beim Wettbewerb Freier oder Freie nicht etwa auch auf Hochzeiten, Messen Pressefoto Bayern 2020 in der Kategorie „Bayern – Land oder für die Industrie fotografiert, kann heute vom Foto- und Leute“. Für die Münchnerin war im Studium schnell journalismus allein in den seltensten Fällen leben. klar, dass sie sich in keinen inszenierten Welten wie dem Modejournalismus bewegen wolle. „Das bin ich nicht“, sagt Im Idealfall im Team unterwegs sie, ergänzt: „Als Fotojournalistin gehst Du raus, tauchst in Doch das ist für Geiger noch nicht einmal das größte echte Welten ein, hast einen Türöffner zu ganz vielen, inter- Problem, er sagt: „Die Ernsthaftigkeit unseres Berufs wurde essanten Menschen.“ Authentizität und Glaubwürdigkeit in Redaktionen noch nie gesehen.“ Eine eigene Bildredak- hält Sophie Linckersdorff dabei extrem hoch: Selbst, wenn teurin, wie es sie etwa bei der tz München noch gibt, ist sie gebeten werde, später einen Pickel zu retuschieren, er- heute die Ausnahme. Und dass wenig aussagekräftige Fotos klärt sie Porträtierten, weshalb sie dies bei einer fotojourna- entstehen, hat oft auch damit zu tun, dass Redaktionen listischen Arbeit niemals macht. Stichwort Authentizität. kaum Hintergrundinformationen zu den Aufträgen liefern. Dass man – auch wenn es gut läuft – als freie Fotojour- Im Idealfall, aber eben viel zu selten, sollten der textende nalistin nichts geschenkt bekommt: Dessen ist sich die und der fotografierende Journalist im Team zusammenar- 21-Jährige bewusst. Die Motivation und den Antrieb sich beiten, rät Geiger. Auch neue technische Herausforderun- auf den Beruf trotzdem einzulassen, zieht Linckersdorff gen machen seine Arbeit nicht auch aus der Wertschätzung, die leichter. So kam es schon vor, „Als Fotojournalistin gehst sie bei der SZ erlebt. In der Bay- dass der Fotojournalist für ein ernredaktion sei sie fast immer Onlineportal ein einziges Bild du raus, tauchst in echte im Team mit dem Autor oder liefern sollte, das im extremen Welten ein.“ der Autorin unterwegs, manch- Querformat 1:8 auf der Website Sophie Linckersdorff, Fotojournalistin mal einen ganzen Tag lang ohne ebenso funktioniert wie im Zeitdruck. Bild und Text berei- „Fast-Hochformat“ fürs Tablet. Andernorts sind Pressefo- cherten sich, Fotos würden regelmäßig großformatig ge- tos so zu gestalten, dass sich Text einbauen lässt. druckt. Entsteht der Eindruck, dass es kaum mehr um die ei- Dass es bei der jungen Kollegin so gut läuft, hängt sicher gentlichen Inhalte geht nach dem Motto „Hauptsache, es auch damit zusammen, dass sie sich breit aufgestellt hat sieht schön aus“, kann Geiger nur den Kopf schütteln. Im und neben Fotos auf Redaktionsbestellung auch Tonauf- Kolleg*innenkreis erlebt er inzwischen großen Frust, weil nahmen und Bewegtbild liefert. Außer einem externen Mi- gelungene Pressefotografie am Ende kaum gewürdigt wird. krofon sei dafür kein zusätzliches Equipment nötig, sagt sie. Er ist überzeugt: Falls der Fotojournalismus stirbt, dann ge- Multimediale Umsetzungen, Storytelling im Netz und schieht dies wegen mangelnder Anerkennung durch Ver- „Longreads“ hätten enorm an Bedeutung gewonnen. lagsführungen, Redaktionen und Nutzer*innen. Felix Koltermann geht noch einen Schritt weiter und rät Leidenschaftlich forderte im Zuge einer Ausstellungser- künftigen Fotojournalist*innen ganze Projekte anzubieten, öffnung auch Kurt Tauber, Leiter des Deutschen Kamera- gegebenenfalls auch mit Text, und stärker noch innovativ museums in Plech nahe Bayreuth, dass sich am Redakti- nach neuen digitalen Formaten zu suchen. „Klassische onsdenken wieder etwas ändern müsse. Im Gespräch mit Bildgeschichten gibt es zum Beispiel bislang kaum auf Ins- dem BJVreport appelliert er an Engagement, Wagemut und ta“, sagt er. Und: „Bietet Euch nicht nur als Fotograf an, son- Berufsauffassung. Jahrelang hatte der heutige Ruheständler dern als der Fotojournalist, der auch gute Texte mitliefern selbst als Redaktionsleiter in Pegnitz beim Nordbayerischen kann.“ Kurier gearbeitet und in dieser Zeit zum Beispiel Fotos über zwei volle Zeitungsseiten eingeführt oder ganze Bildrepor- tagen zum Fußballspiel des Tages veröffentlicht. Dass Re- daktionen heute lieber Leserreporter*innen knipsen lassen, Hinter der Recherche dass sie auf Fotos der Einsatzkräfte warten statt selbst zum Auch das BJVreport-Redaktionsteam machte Unfall zu fahren oder den Polizeibericht mit einem soge- zunächst den Fehler, dass in der Planungskon nannten Symbolfoto bebildern: Dafür zeigt Tauber wenig ferenz Textjournalist*innen unter sich blieben, Verständnis. Und er sagt: „Heute entstehen und erscheinen um über die Cover- und Titelstreckengestal viele Fotos zufällig.“ Themen aber müssten auch mit Blick tung zu diskutierten. Die BJV-Fachgruppe Bild aufs Pressebild im Vorhinein geplant werden. kritisierte dies zurecht, seitdem schalten wir Dass es auch heute noch anders geht, zeigt sich im Ge- einen Fotojournalisten oder eine Fotojournalis spräch mit Sophie Linckersdorff. Die 21-Jährige belegt im tin zu. Eine klare Win-Win-Situation. Studiengang Fotodesign an der Hochschule München den 10 BJVreport 4/2021
Titel „ „Hast du grad Zeit? Fahr schnell hin!“ Es passiert mehr Unvorhergesehenes als früher“, sagt Klaus Haag, der für Münchner Merkur und tz foto grafiert. Mit kurzfristigen aktuellen Änderungen und spontanen Ideen für Geschichten muss er rechnen. „Hast du grad Zeit? Fahr schnell hin!“ Dabei ist er einer, der sich schon auf dem Weg zum Termin überlegt: Was mache ich für ein „ „Das Armenhaus des Bildjournalismus“ Vielleicht ist das Lokale ja das Armenhaus des Bildjournalismus, es taugt weder zum Status noch zum Reichwerden“, meint Annette Zoepf, die frei in Augsburg arbeitet. „Aber ich mag’s einfach, weil ich dabei Kontakt zu den Leuten in meiner Stadt habe – quer durch den Gemüsegarten.“ Außerdem ist sie seit 26 Jahren sehr Foto? Vor Ort versucht er aus den Mosaiksteinen, die er vor viel für kirchliche Auftraggeber unterwegs. In der Coro findet, ein Bild zusammen zu fügen. Haag erzählt zudem: „Es na-Zeit mag die Eventfotografie stark zurückgegangen sein, gibt Kollegen, die sofort wieder weg müssen. Ich nehme mir aber Gottesdienste haben immer stattgefunden. „Dank allerdings – egal wie pressant es ist – die Zeit, wenigstens meiner bewährten Arbeit – ich bemühe mich immer frühzei die Linien geradezustellen. Heute schickt man möglichst vor tig und auf korrekten Wegen um Akkreditierung und ich Ort schon mit Laptop die Bilder, damit die Kollegen gleich für weiß, wie man sich diskret bewegt, und respektiere die Online planen können. Viele Kollegen machen sich selbst so Würde des Anlasses – durfte ich sogar zur Osternacht in der einen Druck, aber zaubern kann niemand. Aber weil man vor fast menschenleeren Hauskapelle des Augsburger Bischofs Ort schneller ist, wird man von Termin zu Termin gehetzt. als Einzige fotografieren unter sehr beengten Umständen.“ Dadurch verwischt die eigene Handschrift als Fotograf und Sie habe den Eindruck, man bemühe sich, sie nicht verhun man wird austauschbar. Ich habe das Glück, dass ich auch auf gern zu lassen. Auch die Lokalredaktion bemüht sich, Auf Reportage geschickt werde, wo ich mich fotografisch richtig träge gerecht zu verteilen, auch wenn gespart werden muss. austoben kann. Dabei ist mir wichtig, dass sich die Abgebil Leider ist die Stadtteilbeilage für die vertiefte Lokalbericht deten im Bild wiederfinden. Mit guten Bildern bleibt der Leser erstattung verschwunden, für die sie sehr viel fotografiert beim Artikel hängen. Wirklich traurig finde ich, dass in der hat. „Ich sehe eine große Wertschätzung in der Redaktion, Zeitung oft der Platz nicht da ist, ein schönes Foto groß genug inzwischen werden auch Bilder von uns Freien ganz selbst auf die Seite zu bringen. Oder der Layouter schneidet weg, verständlich von der Zeitung archiviert. Bei Symbolbildern was für die Bildgestaltung enorm wichtig ist und das Bild zu wird allerdings gern das Bild von angestellten Kollegen einem Hingucker macht. Online will sowieso immer kleine genommen“, so ihre Erfahrung. Durch Corona habe sich die Bilder – gleichzeitig für beide zu arbeiten haut eigentlich direkte Abstimmung zwischen Fotografin und Reporter*in nicht hin. Immerhin hatte die Redaktion stets das Vertrauen: vertieft, sodass man zielgerichtet zusammenarbeitet. Aktu „ „ Der Haag bringt schon was g’scheits. Heute wollen die Kol elle Bilder schnell zu liefern, ist heute Standard: „Ich habe leg*innen gern draufschauen, welches Bild ich mache.“ technisch das Bildersenden aufs Smartphone verlagert.“ „Voller Spielraum zur kreativen Gestaltung“ „Verständnis für eine unterschiedliche Ästhetik“ Die Wünsche der Auftraggeber haben sich vor allem Für mich ist es eine positive Entwicklung in der dahin gehend geändert, dass die Anzahl der abzulie journalistischen Fotografie, dass der eigene Stil eine fernden Bilder zugenommen hat“, stellt Daniel Kar- immer größere Rolle spielt“, urteilt Jana Margarete mann fest, der als Freier in Nürnberg vorwiegend für dpa foto Schuler, freie Dokumentarfotografin in Bamberg. Während grafiert. Das hat vor allem mit der Zunahme digitaler Präsenz früher Fotografie doch oft als Handwerk verstanden wurde, der Medien zu tun. Für Print bleibt es dabei, die Thematik so sei heute ein Verständnis für die unterschiedliche Ästhetik gut wie möglich in einem Bild oder wenigen Bildern festzuhal der Fotograf*innen vorhanden. Schuler sagt: „Es ist alles ten. Die Aufträge kommen meist recht kurzfristig und beste andere als egal, welchen Fotografen oder welche Fotografin hen meist aus aktuellen journalistischen Themen quer durch man beauftragt. Jeder hat eine eigene Bildsprache, Bildbear diverse Kategorien (Reportage, Wirtschaft, Sport, Politik, beitung und auch im Umgang mit Protagonisten gibt es gro tagesaktuelle Nachrichten …). Karmann sagt: „In meiner Ar ße Unterschiede. So etwas wie ein ‚neutrales‘ Foto gibt es beit habe ich – immer den Umständen vor Ort entsprechend sowieso nicht – mit jeder Motivauswahl entscheiden wir als – vollen Spielraum zur eigenen kreativen Gestaltung der Bil Pressefotograf*innen, was wir zeigen möchten.“ Gleichzeitig der. Es gibt Pflichtbilder und die Kür. Beide sollten in der Aus steige der Anspruch an Flexibilität. Aufträge werden oft sehr wahl vertreten sein.“ Am meisten verändert hat sich laut dem kurzfristig erteilt. Schuler: „Manchmal herrscht die Vorstel Fotojournalisten die Rechte-Problematik seit dem Inkrafttre lung, man säße als selbstständiger Fotograf im Büro und ten der DSGVO. Der Spielraum, um im öffentlichen Raum Men würde auf neue Aufträge warten. Das ist selten so. Es gibt schen zu fotografieren, habe sehr abgenommen. Zum Positiven immer etwas zu tun, man ist viel unterwegs und es kann verändert habe sich, dass der Wunsch nach qualitativer (Pres passieren, dass man in einer anspruchsvollen Fotoreportage se-)Fotografie oft geäußert wird. Viele Medien fordern heute das Mail-Postfach vernachlässigt. Dass diese Flexibilität zusätzlich zu den Fotos auch Video. Karmann: „Je nach Termin überhaupt möglich ist, liegt auch am technischen Fortschritt, ist es schon sehr anstrengend, sich 100-prozentig auf beides der kompaktes, hochwertiges Equipment ermöglicht. Wenn zu konzentrieren wenn man gute Arbeit abliefern möchte. ich Geschehnisse einfange, ist es ein großer Vorteil, dass ich Dafür, dass der Stellenwert des Bildes immer noch – ob ge keine riesige Fotoausrüstung mehr mitschleppen und auf druckt oder digital – der treibende Faktor des Informa bauen muss. Zu viel Krimskrams ist einfach hinderlich: Ich tions-Konsums für jeden ist, hat die Fotografie auf der Ho möchte und muss schnell reagieren können, um gute Mo norierungs-Ebene nicht den angemessenen Stellenwert.“ mente einzufangen.“ Alois Knoller BJVreport 4/2021 11
Titel „Da verdiene ich mehr, wenn ich Burger brate“ Lars Bauernschmitt zu den Folgen des Strukturwandels auf dem Bildermarkt Vo n M a r i a G o b l i r s c h E r berichtet im Interview verringert. Die verkauften Auflagen mit dem BJVreport von sind seither um mehr als die Hälfte einem massiven Rück- gesunken. Werbegelder wandern ins gang der Einnahmen Internet oder zum Fernsehen ab. Es von Bildjournalist*innen wird immer mehr Geld in Werbung während der Corona-Pandemie. Lars gesteckt, aber eben immer weniger in Bauernschmitt, Professor an der die Printmedien, die bisherigen Hochschule Hannover. Hauptauftraggeber der Fotograf*in- nen. So steigt der Kostendruck auf die Sie haben zum vierten Mal die Situati- Redaktionen, den diese auch an die on auf dem Bildermarkt beleuchtet. Bildjournalist*innen weitergeben. Die Wie hart trifft die Corona-Pandemie Zahl der redaktionellen Fotoaufträge Fotograf*innen? sinkt, zudem steht immer weniger Lars Bauernschmitt: Die Situation Zeit für einen Auftrag zur Verfügung. derjenigen, die überwiegend journa- Das bedeutet, es gibt weniger Hono- listisch fotografieren, ist bedenklich. rar. Und wegen der fallenden Aufla- Während Fotograf*innen, die über- gen und des steigenden Bildangebots wiegend werbliche Aufträge erledig- sinken auch die Honorare für Archiv- ten, im Jahr 2019 auf einen Jahresnet- Studienleiter Prof. Lars Bauernschmitt. bilder. toumsatz von mehr als 93.000 Euro Foto: Angelina Vernetti kamen, waren es bei den redaktionell Welchen Einfluss hat die Corona-Pan- arbeitenden nur 32.000 Euro. Im vergangenen Jahr sanken die demie auf die ohnehin schlechtere Auftragslage? Umsätze dann um fast ein Drittel auf 61.000 Euro werblich Die Corona-Pandemie hat Tendenzen verstärkt. Ent- und unter 21.000 Euro redaktionell. Da verdiene ich mehr, wicklungen, die seit 30 Jahren ablaufen, wurden gepusht – wenn ich bei McDonalds Burger brate. Hier stellt sich die Fra- im Positiven wie im Negativen. Die Arbeit im Homeoffice ge, wer in Zukunft unter solchen Bedingungen noch journa- wird von vielen Bildredakteur*innen positiv bewertet. Jahre- listische Bilder liefern wird. lang gewünschte Arbeitsmodelle, die von den Verantwortli- chen blockiert wurden, lassen sich jetzt umsetzen. Kritisch Wo sehen Sie die Ursachen für diese Entwicklung? sehe ich dagegen die Entwicklung in der Herstellung und Die Zahl der Tageszeitungen hat sich seit 1992 um ein Beschaffung journalistischer Bilder. Fotograf*innen haben Viertel, die der Zeitschriften sogar seit 2011 um ein Drittel deutlich weniger Aufträge während der Pandemie, weil Ver- anstaltungen ausfallen. Der Zugang zu Events wird be- schränkt, es werden Pools gebildet. Hier müssen wir auch Zur Person aufpassen, dass solche Pools in Zukunft nicht dazu genutzt Lars Bauernschmitt, Jahrgang 1963, ist seit 2008 werden, unerwünschten Medienvertreter*innen den Zugang Professor an der Hochschule Hannover und seit zu Ereignissen zu verwehren. Ein weiterer Punkt: Verlage 2011 Sprecher des Studiengangs „Fotojournalis versuchen, durch den Einsatz von Archivbildern die Kosten mus und Dokumentarfotografie“. Er studierte Kommunikationsdesign an der Universität Gesamt zu senken. Sie geben an Fotograf*innen keine Aufträge hochschule Essen (Folkwang Schule) und Wirt mehr, bei denen man nicht weiß, wie lange sie dauern und schaftswissenschaften an der Fernuniversität was am Ende dabei herauskommt. Das ist dann eben auch Hagen. Von 1993 bis 2008 war er Geschäftsführer keine visuelle Berichterstattung mehr, sondern nur eine Il- der Fotoagentur VISUM. Seine Lehr- und For lustration des Geschriebenen. schungsgebiete sind Visual Storytelling, multime diale Erzählformate sowie die Entwicklung des Welche Rolle spielen Stock- und Agenturfotos im Wettbewerb? globalen Bildermarktes. 2020 leitete er gemein sam mit Prof. Dr. Karen Fromm das Lumix Festival Auch diese sind zunächst einmal von Fotograf*innen her- für Jungen Bildjournalismus. gestellt worden und werden honoriert, sind also eine wichtige Einnahmequelle. Kritisch sehe ich die Tendenz vieler Zeitun- 12 BJVreport 4/2021
Titel gen und Zeitschriften, Fotos nur noch als Icons einzusetzen, Was macht das mit den Kolleg*innen, die bisher nur auf die den Inhalt eines geschriebenen Beitrags auf ein Pikto- klassischen Ausspielwegen unterwegs sind? gramm reduzieren. Wenn Fotos in journalistischen Publikati- Die werden älter, verlassen langsam die Branche. onen nicht mehr Informationen transportieren als der Weg- weiser zur Toilette auf dem Flughafen, lassen Redaktionen die Die Studie zeigt extreme Einkommensunterschiede zwischen Chancen journalistischer Fotografie in sträflicher Weise unge- männlichen und weiblichen Fotografen. Zwei Frauen verdienen nutzt. danach zusammen nicht so viel wie ein Mann. Ja, auf den ersten Blick wirkt das schockierend. Schaut man Stirbt der Beruf der Fotojournalist*innen langsam aus? sich die Zahlen aber genauer an, fällt auf, dass wenige Spitzen- Nein, das glaube ich nicht. Aber Fotojournalist*innen verdiener in der Werbebranche das Bild beeinflussen. Rechnet müssen stets ihre potenziellen Abnehmer im Blick haben und man das raus, sind die Unterschiede nicht mehr ganz so krass. sich dem Markt anpassen. Der Bedarf an Bildern wird weiter Betrachtet man die letzten drei Jahre, ist zudem eine Annähe- bestehen, es ist nur die Frage, wer am Ende bezahlt. Wir erle- rung zu beobachten. Während die durchschnittlichen Jahres- ben ja, dass journalistisch ausgebildete Fotograf*innen in der nettoumsätze bei den Fotografinnen steigen, sinken sie bei den PR-Branche extrem nachgefragt sind, weil sie authentische männlichen Konkurrenten. Aber wir wissen noch zu wenig Bilder liefern, die ein Unternehmen glaubwürdiger erscheinen über mögliche Ursachen des geringeren Verdienstes der Frau- lassen. Werbung will niemand um ihrer selbst willen sehen. en. Eine mögliche Ursache könnte die bei Frauen höhere Be- Ich suche Inhalte im Netz und nehme dafür Werbung in Kauf. lastung durch die Familienarbeit sein. Um hier mehr zu erfah- Es werden also auch künftig Bilder und Texte benötigt, neben ren, haben wir für 2023 eine größere Erhebung geplant. denen Werbung platziert werden kann. Hier können Foto- graf*innen neue Auftraggeber finden. Was müssen junge Fotograf*innen heute können, um sich am Markt zu behaupten? Das verändert auch die Anforderungen an die Fotografieren- Gesucht wird im Grunde genommen derselbe Typ Foto- den? graf*in wie vor 100 Jahren. Die neugierigen, offenen Ge- Wir stecken mitten im Strukturwandel. Das Berufsbild schichten-Finder*innen und -Erzähler*innen mit der Bereit- wandelt sich, weil sich die Medien verändern. Der Medien- schaft und der Lust, sich mit Menschen und ihren konsum verschiebt sich aus den analogen in die digitalen Me- Lebenswirklichkeiten auseinanderzusetzen. Nur dass wir heu- dien. Mit dem Medienwandel verändern sich die Anforderun- te andere Techniken nutzen können, um diese Geschichten zu gen an die Journalist*innen. Sowohl an die, die bisher nur erzählen. Dass man sich mit Datenvisualisierung beschäftigt schreiben als auch an die, die bisher nur fotografieren. Wir und überlegt: Bringt mir ein Bewegtbild mehr als ein Foto? erleben, dass sich die Berufsfelder immer mehr überlappen. Und wo ist ein O-Ton einfach viel prägnanter? Was sich än- Die Wort-Journalist*innen sind selbstverständlich mit der Ka- dert, ist, dass stärker im Team gearbeitet wird. Also: Der weiße mera unterwegs, Fotojournalist*innen führen auch Interviews männliche Fotograf, der in Springerstiefeln und im Full Metal und liefern zum Bild auch kurze oder längere Texte. Jacket über die Felder läuft, wird eher aussterben. Wie verändert Corona die Bildbranche 2021? Die Arbeitsgruppe „image market – business trends“ Prozent) meldeten aufgeschobene Projekte, über 66 hat unter Leitung von Professor Lars Bauernschmitt eine Prozent der befragten Fotograf*innen Projektabsagen. Befragung unter 30 Bildagenturen und 243 Fotograf*in Über die Hälfte der Fotograf*innen, die an der Studie nen durchgeführt, darunter auch DJV-Mitglieder. Über teilnahmen, nutzte die Zeit seit Februar 2020 zur Wei wiegend sind diese nicht angestellt tätig. terbildung. Ein Viertel der Befragten fotografierte ver Das Fazit: Die Corona-Pandemie hat zu massiven Ein stärkt Archivbilder für die Vermarktung. Bei zwei von brüchen bei den Umsätzen geführt. Acht von zehn be dreien nahm die Sorge um die eigene berufliche Zukunft fragten Fotograf*innen meldeten einen starken Rück während der Corona-Pandemie zu. gang der Fotoaufträge – und damit auch ein geringeres Alarmierend: Journalistisch arbeitende Fotograf*innen Auftragsvolumen. Der durchschnittliche jährliche Net sind von den Folgen der Corona-Pandemie besonders toumsatz lag um fast ein Viertel (23,7 Prozent) niedriger stark betroffen. Wie schon 2020 liegt ihr durchschnittli als vor der Pandemie. Nur etwas mehr als zwei Prozent cher Jahresnettoumsatz bei 20.000 Euro und damit dieses Umsatzverlustes konnten die Befragten durch weit unter dem anderer Tätigkeitsfelder in der Foto staatliche Hilfen ausgleichen. branche. Bei den befragten DJV-Mitgliedern lag 2020 Bei den Bildagenturen verzeichneten 60 Prozent eine der Anteil journalistischer Arbeiten am Umsatz im deutlich geringere Nachfrage nach Archivmaterial Schnitt nur noch bei 28,7 Prozent. (Rückgang Jahresnettoumsatz 26,3 Prozent). Das Jahr Der 33-seitigen Forschungsbericht kann nachgelesen 2020 war geprägt von Absagen. Fast drei Viertel (71,7 werden unter bjvlink.de/Bildermarkt2021 BJVreport 4/2021 13
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