Verirrt im Bilder-Dschungel - Brauchen Fotojournalisten Artenschutz? BJV-Wahlen erstmals digital Dialekte beim Bayerischen Rundfunk In Nürnberg ...

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Verirrt im Bilder-Dschungel - Brauchen Fotojournalisten Artenschutz? BJV-Wahlen erstmals digital Dialekte beim Bayerischen Rundfunk In Nürnberg ...
BJV-Wahlen erstmals digital
                          Dialekte beim Bayerischen Rundfunk
                          In Nürnberg droht weiterer Stellenabbau
                          Die Ära Hans-Eberhard Hess
Ausgabe 4/2021             www.bjv.de / www.djv.de

                         Verirrt im
                  Bilder-Dschungel
                 Brauchen Fotojournalisten
                             Artenschutz?
Verirrt im Bilder-Dschungel - Brauchen Fotojournalisten Artenschutz? BJV-Wahlen erstmals digital Dialekte beim Bayerischen Rundfunk In Nürnberg ...
Pressestellen A bis Z im BJVreport
     Ab Seite 18 finden Sie die Einträge von Pressestellen aus den Bereichen Bildung/Wissenschaft (BW),
Messen/Ausstellungen (MA), Finanzen (F), Versicherungen (V), Energie (E), Netz (N), Verkehr (VK), Unternehmen (U),
                              Kammern (K), Verbände (VB), Soziales/Kirche (SK):

A                                      G/H                                    T/U
AFAG Messen und                        GVB Genossenschaftsverband             TUM Technische Universität
  Ausstellungen (MA)                    Bayern (F)                              München (BW)
AUDI (U)                               Hanns-Seidel-Stiftung (BW)
                                                                              V
B/C                                    I/J/K                                  VAG Verkehrs-
Bauindustrie Bayern/                   Interhyp Gruppe (F)                      Aktiengesellschaft (VK)
 Bayerischer                                                                  VdK Bayern Sozialverband (SK)
 Bauindustrieverband (VB)              L/M                                    Versicherungskammer Bayern (V)
Bayerische                             LEW Lechwerke (E)                      VGN Verkehrsverbund
 Landesärztekammer (K)                 LMU Ludwig-Maximilians-                 Großraum Nürnberg (VK)
Bayerische                              Universität München (BW)
 Landeszahnärztekammer (K)                                                    W
Bayerischer Jagdverband (VB)           N
                                                                              wbg Nürnberg Immobilien (U)
Bayerngas (E)                          N-ERGIE (E)

Bayernhafen (VK)                       NÜRNBERGER
                                        Versicherungsgruppe (V)
Bayernwerk (E)                                                                Dank auch den Sonderinserenten:
Bischöfliche Aktion Adveniat (SK)      O/P/R                                  • AFAG Messen und
BMW Group (U)                          OMV Deutschland (U)                      Ausstellungen GmbH
                                                                              • Akademie der Bayerischen
D                                      S                                        Presse
DIEHL Diehl Stiftung (U)               Schwaben Netz (N)                      • Presse-Versorgung
                                       Sparkassenverband Bayern (F)             (Versorgungswerk der Presse)
E
                                       St. Theresien-Krankenhaus
Erdgas Schwaben (E)                      Nürnberg (U)
E-T-A Elektrotechnische                StWN Städtische Werke
  Apparate (U)                           Nürnberg (U)
                                       Süddeutscher Verband
                                         reisender Schausteller und
                                         Handelsleute (VB)

                                    Kontaktbörse „Pressestellen“
                                    Die Rubrik „Pressestellen“ im BJVreport ist ein gern genutzter „Treffpunkt“
                                    für Kammern, Verbände, Organisationen, Dienstleister und Unternehmen aus
                                    vielen Bereichen, die regelmäßige und fundierte Pressearbeit betreiben.
                                    Nutzen Sie diese Kontaktbörse, alle zwei Monate, ein ganzes Jahr lang für
                                    nur 1.450,– EUR zzgl. MwSt.
                                    Das Medienmagazin BJVreport erscheint 6 x jährlich, jeweils zur Monatsmitte
                                    im Februar, April, Juni, August, Oktober und Dezember • Anzeigenschluss
                                    vier Wochen vorher • Mediadaten unter www.bjv.de • Planung/Abwicklung:
                                    Mediasüd, Robert Macher, Telefon 0 91 81 / 29 99-477, Fax 0 91 81 / 29 99-479,
                                    robert.macher@mediasued.de
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Inhalt

                          Die Welt verändernd                                  Kaleidoskop
                                                                                4 Medienköpfe
                             Das Foto eines toten Dreijährigen am türki-
                             schen Strand wird 2015 zum weltweiten Symbol       5 Social Media auf Papier
                             für das Leid geflüchteter Menschen. Ein Mann      Verband
                             stürzt bei den Terroranschlägen am 11. Septem-
                                                                                6 Total digital
                             ber 2001 aus einem der Türme des World Trade
                                                                                  Mitgliederversammlung mit Wahlen als hybride Veranstaltung
                             Centers. Bilder der ersten Mondlandung schrei-
                             ben Geschichte. Pressefotos berühren, infor-      Titel
                             mieren – und manchmal verändern sie die            8 „Du siehst das Bild und brauchst keinen Text mehr“
Michaela Schneider           Welt. Und dennoch fehlt es oft an Wertschät-         Es erfordert ein neues Bewusstsein für den Wert der Pressefotografie
Leitende Redakteurin zung: Die Bebilderung scheint in vielen Publi-
        Foto: Stefan Gregor                                                   12 „Da verdiene ich mehr, wenn ich Burger brate“
                             kationen heute beliebig, fest angestellte Foto-
                                                                               	Lars Bauernschmitt zu den Folgen des Strukturwandels auf
                             und Bildredakteur*innen gibt es auch in
                                                                                  dem Bildermarkt
bayerischen Verlagshäusern nicht mehr allzu viele. Liegt der Fotojourna-
lismus im Sterben? Das BJVreport-Team machte sich an eine Bestands-            14 „Bilder sind ein zeitgeschichtliches Gedächtnis“
aufnahme. Dafür sprachen wir unter anderem mit zahlreichen Fotojour-              Viele analoge Fotoarchive sind gefährdet
nalist*innen, um vor allem auch herauszufinden, wie Pressefotografie in        16 Vom Streben nach den Kleinigkeiten
Zukunft aussehen könnte. Wir hörten Professor Lars Bauernschmitt, der          	Pressefotograf Jim Albright lässt in einen veränderten
die Studie „Bildermarkt 2021“ verantwortet. Wir begleiteten einen Foto-           Arbeitsalltag blicken
journalisten durch seinen Arbeitsalltag. Und wir beleuchteten die Bedeu-       18 Pressestellen
tung von Pressefotos als historische Zeitdokumente. Ab Seite 8
                                                                               Medienszene
Wie die hybride BJV-Mitgliederversammlung am 18. September ablaufen            22 „Im Film ist der Franke immer der Depp“
könnte, haben andere Landesverbände bereits vorgemacht. Seite 6                   Kommen bestimmte Dialekte beim Bayerischen Rundfunk zu kurz?
                                                                               23 Erneuter Stellenabbau in Nürnberg
Kommunikationsforscher*innen haben die 30-jährige Entwicklung des              	Verlag will sich von 80 Mitarbeiter*innen trennen
privaten Rundfunks in Bayern erforscht. Ab Seite 24
                                                                               24 Als die lokalen Radiopioniere „on Air“ gingen
                                                                                  Studie zur Entwicklung des privaten Rundfunks in Bayern
Hans-Eberhard Hess prägte den BJV-Wettbewerb Pressefoto Bayern ent-
scheidend mit. Er war ein strenger, oft auch ungeduldiger Juror. Einer, mit    26 Unsere Tipps
hintergründigem Humor. Ohne ihn wird der Wettbewerb ein anderer                Verband
sein. Ab Seite 32
                                                                               27 Die fehlende Feier
                                                                                  Auf ein Wort mit Michael Busch
    Unser Titelbild
                                                                               28 Aus dem Verbandsleben
Technik und Handwerk allein machen noch                                        30 Der Zeitgeschichtesammler
lange kein gutes Pressefoto. Viel entscheiden-                                 	Officestory: Daniel Biskup hatte die prominentesten Menschen
der ist, ob es mit einem Bild gelingt, Emotio-                                    der Welt vor der Linse
nen, Fragen und Neugier zu wecken. Und ob
                                                                               32 Ein Fotoästhet und harter Kritiker
es für sich eine Geschichte erzählt. Im Tech-                                     BJV-Geschichte(n): Hans-Eberhard Hess prägte „Pressefoto Bayern“
nikdschungel gefangen wie auf unserem Co-
ver sind Fotojournalist*innen auch, wenn im Jana Margarete                     Service
digitalen Zeitalter soziale Netzwerke (irgend) Schuler                        34 Rechtstipp
ein Bild brauchen, dessen eigentliche Aussage       Foto: Katarina Vikulova
                                                                               	Der Eigentümer eines Kulturgutes entscheidet, ob fotografiert
aber in den Hintergrund rückt. Jana Marga-                                        werden darf
rete Schuler erzählt die Geschichte weiter – und will mit dem Titel-
                                                                               Zur Person
strecken-Motiv auf Seite 8 anderen Fotograf*innen Mut machen, sich
(wieder) aufs Wesentliche zu konzentrieren. Schuler hatte mit ihrer            35 Jubilare
Serie „Im Lockdown“ in der Kategorie „Newcomer Award“ beim                     36 Nachrufe, Impressum
Wettbewerb Pressefoto Bayern 2020 gewonnen. Die 28-Jährige arbei-
tet als selbstständige Fotografin sowie Fotojournalistin in Bamberg            Sagen Sie mal...
und studiert Fotojournalismus und Dokumentarfotografie in Hanno-               37 „Ich bin zum Glück nicht mehr eine Hanna“
ver. Sie beschreibt sich selbst als „visuelle Geschichtenerzählerin“.          	Professorin zu werden ähnelt einem Lottospiel. Den „Jackpot“
Mehr unter janamargarete.com.                                                     hat die Journalismus-Forscherin Karin Boczek geknackt.

BJVreport 4/2021                                                                                                                                     3
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Me dien -Szene

                                                  Sylvie Stephan                                                                                                                                   ihr Amt bereits im September 2020
                                                  (@sylvie_ste­                                                                                                                                    vorzeitig niedergelegt hat.
                                                  phan), seit dem
Foto: BR Ralf Wilschewski

                                                  Vorjahr Kultur-                                                                                                                                                     Annette Schu-
                                                  chefin des BR,                                                                                                                                                      macher löst zum
                                                  wechselt im Janu-                                                                                                                                                   1. Oktober bei

                                                                                                                                                                            Foto: Stefan Naumann
                                                  ar zu Arte, wo sie                                                                                                                                                  der Bayerischen
                            die Hauptabteilung Programmpla-                                                                                                                                                           Landeszentrale
                            nung für lineare und nichtlineare An-                                                                                                                                                     für neue Medien
                            gebote leiten wird. Außerdem wird sie                                                                                                                                                     den bisherigen
                            beim deutsch-französischen Kulturka-                                                                                                                                   Geschäftsführer Thorsten Schmiege
                            nal Stellvertreterin von Programmdi-                                                                                                                                   ab, der dann sein Amt als neuer
                            rektorin Emelie de Jong.                                                                                                                                               BLM-Präsident antritt. Die promo-
                                                                                                                                                                                                   vierte Juristin kommt von der Bera-
                            Georg Meck, Ressortleiter Wirtschaft                          Gleich in zwei Kategorien waren Journalistinnen und Journalisten aus                                     tungsfirma Hendricks & Schwarz.
                            sowie „Geld und Mehr“ bei der Frank-                          Bayern beim Theodor-Wolff-Preis erfolgreich: Das beste lokale Digital-
                            furter Allgemeinen Sonntagszeitung,                           projekt setzten (v.l.n.r.) Paul Nöllke, Sophie Anfang, Felix Müller, Emely                               Oliver Friedmann, 36, ist für seinen
                            wird ab Oktober die Redaktion von                             Engels, Lukas Schauer und Jeanne Jakobs für die Münchner Abendzei-                                       Vater Johannes, 70, in den Herausge-
                            Focus Money führen. Der 54-Jährige                            tung um. In ihrem Newsletter „München hat die Wahl“ zur Kommunal-                                        berrat der Süddeutschen Zeitung nach-
                            kehrt damit zur Focus-Familie zu-                             wahl in Bayern am 15. März 2020 verschickten sie an zehn Montagen das                                    gerückt. Die Familie Friedmann hält
                            rück, wo 1994 seine journalistische                           Wichtigste aus dem Rathaus. Den besten Beitrag zum Thema des Jahres                                      18,75 Prozent am Süddeutschen Ver-
                            Karriere begann. Bei Burdas Wirt-                             „Corona – Leben im Ausnahmezustand“ schrieb Elisa Schwarz in der                                         lag. Der promovierte Informatiker
                            schaftstitel folgt Meck auf Frank Pöp-                        Süddeutschen Zeitung. Alle Texte der Preisträger*innen sind nachzulesen                                  gehört jetzt auch dem vierköpfigen
                            sel, 55, der nach 20 Jahren seinen Hut                        unter bjvlink.de/wolff.                                   Foto: BDZV/Zumbansen                          Vorstand der Deutschen Journalisten-
                            nimmt.                                                                                                                                                                 schule an. Sein Großvater hatte die
                                                                                          Christa Catharina Müller (@alias_          Messe-Veranstalter als Leiterin Mar-                          DJS 1949 als Werner-Friedmann-Ins-
                                                Bettina Biller-                           ccm) hat bei Meedia als Vize-Chefre-       keting & Communications tätig. Stra-                          titut gegründet.
                                                beck, bis Ende                            dakteurin gekündigt. Erst vor einem        tegie-Chef Holger Feist übernimmt
                                                2020 Chefredak-                           halben Jahr trennten sich Verleger         den PR-Bereich nun zusätzlich.                                Klaus Meier, Professor für Journalis-
                                                teurin von Schö-                          Timo Busch und Chefredakteur Mat-                                                                        tik an der KU Eichstätt, wurde zum 1.
  Foto: Ilona Haben

                                                ner Wohnen, ist                           thias Oden. Fast das gesamte Perso-        Nadine Nordmann und Ulla                                      Juli Vizepräsident für Studium und
                                                jetzt für die Lu-                         nal, das für den Neustart des Bran-        Drewitz, einst Chefredakteurin-                               Lehre. Er folgt auf Markus Eham, der
                                                xusmagazine                               chentitels in München stand, ist nicht     nen-Duo bei Bauers Bravo und Joy,                             in den Ruhestand geht.
                            Madame und Monsieur tätig als „Edi-                           mehr an Bord.                              haben Generation Bold gegründet.
                            torial Consultant“. Die 49-Jährige be-                                                                   Das Beratungsinstitut mit Sitz in                                                 Claudia Kundi­
                            rät Chefredakteurin Petra Winter;                                                  Tom Soyer (@so-       München will Generationenkonflikte                                                graber verstärkt
                            deren Vize Kerstin Holzer geht „auf                                                yerthomas), 58,       lösen helfen.                                                                     die Pressearbeit
                                                                                                                                                                            Foto: Marion Ullmann

                            eigenen Wunsch“.                                                                   hat bei der Süd-                                                                                        der DJS. Die pro-
                                                                                                               deutschen Zeitung     Thorsten Pütsch, mehr als 20 Jahre                                                movierte Politolo-
                                                                       Foto: Jakob Berr

                            Charlotte Haunhorst, ehemals Re-                                                   die neu geschaffe-    bei ProSiebenSat.1 tätig und zuletzt                                              gin ließ sich selbst
                            daktionsleiterin von jetzt.de bei der                                              ne Stelle eines Le-   Senderchef von Kabel Eins Doku, hat                                               in der 30. Lehrre-
                            Süddeutschen Zeitung, wird spätestens                                              seranwalts über-      in der Unternehmenskommunikati-                               daktion ausbilden, bevor sie für
                            zum vierten Quartal beim Handels-                             nommen. Er gehört der SZ-Redaktion         on von Axel Springer in Berlin ange-                          Frankfurter Rundschau und Südwest
                            blatt als Digitalchefin und Mitglied                          seit 1991 an. Seine neue Rolle hat sich    heuert. Die von ihm nach seiner Pro                           Presse arbeitete. Neben ihrer Teilzeit-
                            der Chefredaktion von Sebastian Mat-                          aus seiner Tätigkeit als Leserredakteur    Sieben-Tätigkeit in Dießen am Am-                             stelle als DJS-Pressesprecherin ist sie
                            thes anfangen.                                                der Lokalredaktion entwickelt. Soyer       mersee gegründete Marketingagen-                              als Coach und Trainerin tätig.
                                                                                          ist schon länger in der Vereinigung        tur Neue Helden gibt es weiterhin.                                                     Senta Krasser
                            Bernadette Mittermeier steigt bei der                         der deutschen Medienombudsleute
                            Looping Group am Standort Mün-                                aktiv.                                     Horst Ohligschläger wurde ein-                                        So stimmt‘s
                            chen zur Chefredakteurin des News-                                                                       stimmig zum neuen Vorsitzenden                                 Wir hatten in Heft 3/2021
                            letters Ping auf. Ihre Vorgängerin Ka-                        Aleksandra Solda-Zaccaro (@Sol-            des Verbands der Zeitschriftenverla-                           Johannes Hauner, den neuen
                                                                                                                                                                                                    Geschäftsführer für Digitale
                            thrin Steinbichler, die von der                               daAleksandra) spricht bei der Messe        ge in Bayern gewählt. Der 63-jährige                           Medien bei der Süddeutschen
                            Süd­deutschen Zeitung kam, widmet                             München für die IAA, die sich in die-      Geschäftsführer der Roularta Media                             Zeitung, versehentlich älter ge­
                            sich jetzt voll ihrer Aufgabe als Direc-                      sem Jahr als Mobilitätsmesse neu er-       Deutschland (Frau im Leben u.a.)                               macht. Richtig ist: Hauner fei­
                            tor PR & Communications.                                      finden will. Sie ist seit 2018 bei dem     folgt auf Waltraut von Mengden, die                            erte jetzt den 38. Geburtstag.

                            4                                                                                                                                                                                               BJVreport 4/2021
Verirrt im Bilder-Dschungel - Brauchen Fotojournalisten Artenschutz? BJV-Wahlen erstmals digital Dialekte beim Bayerischen Rundfunk In Nürnberg ...
@                                               Net z-Szene

Weg mit dem „Weiter so“?
Viel müsste sich im Journalismus ändern. Doch manchmal lohnt sich auch Bewährtes
Vo n T h o m a s Mra z e k

Alles künftig anders oder wenigstens besser zu                                                                 Redaktion in Ausnahmesituationen“, betitelte am
                                                                   Das Fundstück
machen: Wie oft hatte man sich in oder nach ei-                                                                Sonntag darauf Ivo Knahn, stellvertretender
ner Krise diesem Vorhaben schon verschrieben.                                                                  Chefredakteur der Main-Post, einen Beitrag und
Weg mit dem „Weiter so!“. Und in unserer Bran-                                                                 schilderte das Handeln, aber auch die vielfältigen
che ist es nicht anders. Ja, es liegt, Corona hin                                                              Fragen und Nöte seiner Kolleg*innen: bjvlink.de/
oder her, noch immer einiges im Journalismus                                                                   messerattacke. Am darauffolgenden Dienstag
im Argen. So geht’s nicht weiter – oder doch?                                                                  produzierten sie eine Sonderausgabe ihrer
Was unserem Metier, was einzelnen Journa-                                                                      „Mordsgespräche“, wobei sie Zweifel äußerten, ob
list*innen Orientierung und Inspirationen gibt                                                                 die Wortwahl in diesem Fall die richtige sei. Im
sind Kolleg*innen, die sich mit Problemen aber                                                                 53-minütigen Podcast sprechen Knahn und Re-
auch Perspektiven im Journalismus auseinander-       Innenminister Joachim Hermann spricht nach                porter Tim Eisenberger mit Moderator Corbini-
setzen. In den letzten Monate sind hierzu einige     der Messerattacke in Würzburg mit Journa­list*­           an Wildmeister über verschiedene Aspekte. Zum
hörenswerte Podcasts entstanden.                     innen. Dass die Ereignisse für die Main-Post              Einstieg schildern sie den aktuellen Sachstand
     +++ Naheliegend fangen wir bei unseren          eine Herausforderung waren, schildern                     und wie sie das Geschehene erlebten. Sie geben
DJV-Mitstreiter*innen an, dort gibt es „Wir Jour-    Kolleg*innen auch im Podcast.      Foto: Silvia Gralla
                                                                                                               Einblicke, wie in einer solchen Ausnahmesituati-
nalisten – Der DJV-Podcast mit Paul Eschenha-                                                                  on Entscheidungen getroffen werden: „Wann ver-
gen“. Eschenhagen leitet das Referat Digitale        auch Gäste dabei. Fein, dass die erfahrenen Kolle-        öffentlichen wir Informationen? Welche Bilder
Kommunikation und ist stellvertretender Spre-        ginnen uns an ihrem Wissen teilhaben lassen:              zeigen wir? Wie schützen wir Opfer? Welche ethi-
cher des DJV. Nach ersten Gesprächsrunden un-        bjvlink.de/freien-podcast.                                schen Fragen stellen sich bei der Berichterstat-
ter anderem mit dem DJV-Vorsitzenden Frank               +++ Unmittelbar ums Handwerk geht’s bei               tung?“ Auch kleine Fehler, die auftraten werden
Überall und unserer Freien-Vertreterin Anne          „Wie haben Sie das gemacht?“, dem gemeinsa-               erwähnt: bjvlink.de/podcast2506.
Webert waren zuletzt die Kolleg*innen Arndt          men Podcast von Reportagen.fm und der Repor-                  Binnen zwei Stunden hatte das Live-Blog zur
Ginzel („Gewalt gegen Journalist*innen) und In-      tageschule (Reutlingen). Hiervon gibt es derzeit          Messerattacke rund 300.000 Zugriffe, berichtet
grid Brodnig („Verschwörungserzählungen und          bereits acht Folgen, hier eine Auswahl: Amonte            Knahn. Dies kann man auch als Beleg dafür deu-
Journalismus“) seine Gäste. Die Gespräche dau-       Schröder-Jürss spricht mit Paul Gäbler über ihre          ten, wie wichtig die von Journalisten verbreiteten
ern zwischen 20 und 60 Minuten: bjvlink.de/          bemerkenswerte halbjährige Recherche („Alle für           Informationen im Gegensatz zu den millionen-
wir-journalisten.                                    einen“) für das Süddeutsche Zeitung Magazin;              fach abgerufenen Seiten in den sozialen Netzwer-
     +++ Die Redaktion des journalist bietet seit    Anne Jeschke spricht mit Julia Friedrichs über die        ken sind. Die Zeitung verzichtete darauf, Bilder
einigen Monaten den „Druckausgleich“-Podcast,        Recherche zu Friedrichs‘ Buch „Working Class“.            und Videos des Täters zu zeigen. Kurz erwähnt
„in dem junge Medienschaffende über die Her-         Auch hier erhält man aus erster Hand interessan-          werden im Podcast auch die journalistischen
ausforderungen des Berufseinstiegs reden und ei-     te und inspirierende Einblicke: bjvlink.de/wie.           Leitlinien der Main-Post, die in dieser Situation
nen Gegenpol zu überschwänglichen Erfolgsge-                                                                   hilfreich waren. Das Blatt ist eine der wenigen
schichten setzen“. Annkathrin Weis und Luca          Medienethisches Lehrstück                                 deutschen Zeitungen, die ihre journalistischen
Schmitt-Walz sprechen dabei offen übers Schei-           Nicht als Ratgeberpodcast gedacht sind die            Leitlinien veröffentlicht haben: bjvlink.de/leitlini-
tern, den Umgang mit Kolleg*innen, Work-Li-          Mitte Juni gestarteten „Mordsgespräche“ der               en. Mit Anton Sahlender hat man zudem seit
fe-Balance, die Selbstständigkeit, Selbstzweifel     Main-Post. Die Würzburger Kollegen schrieben              2004 den dienstältesten Leseranwalt (wir berich-
oder den Sinn von Social Media für unseren Be-       zur ersten Folge: „Der neue Podcast ‚Mordsge-             teten: BJVreport 1/2019, PDF: bjvlink.de/ombuds-
ruf. Obgleich sich das Angebot explizit an Jüngere   spräche‘ fasst nicht nur die detaillierte Berichter-      leute). Das dokumentierte Vorgehen der Kol-
richtet, höre ich als Ü50-Mensch auch gerne rein:    stattung, mit der die Redaktion einen solchen Fall        leg*innen bei dieser schwierigen Lage könnte als
journalist.de/podcast.                               begleitet, zusammen. Die Reporter lassen im               medienethisches Lehrstück dienen. Weiter so!
     +++ Bereits 13 Folgen produzierten seit Feb-    Pod­cast außerdem ihre Erfahrungen und Gedan-
ruar dieses Jahres die Journalistinnen Geraldine     ken mit einfließen, die sie während der Recher-
                                                                                                                                   Der Autor
Friedrich und Francoise Hauser von ihrem „Der        che des Falls erlebt und gedacht haben.“ Das war                              Thomas Mrazek (@tmrazek) arbeitet
Freien-Podcast“. Die Themen lauten unter ande-       noch vor Freitag, 25. Juni. An jenem Tag erstach                              als freier ­Journalist und Dozent in
rem „Bücher schreiben im Eigenverlag“, VG            ein 24-Jähriger in der Würzburger Innenstadt                                  München, er betreut die Netzaktivi­
Wort, „Das eigene Online-Magazin“ oder „Will-        drei Frauen und verletzte mehrere Menschen                                    täten des BJV.	 Foto: Stefan Gregor
kommen im Freigabe-Zirkus“, zuweilen sind            zum Teil schwer. „Messerattacke: So arbeitet die

BJVreport 4/2021                                                                                                                                                  5
Verirrt im Bilder-Dschungel - Brauchen Fotojournalisten Artenschutz? BJV-Wahlen erstmals digital Dialekte beim Bayerischen Rundfunk In Nürnberg ...
Verband

Mitgliederversammlung 2021 – ziemlich digital
Nur wenige werden sich am Ort treffen, die meisten schalten sich am Bildschirm zu
Vo n A l o i s K n o l l e r

Haarscharf vor dem ersten Lockdown hatte sich         müssen alle Mikrofone außer dem Sprecher           halbierte Abführungen von den Landesverbän-
am 7. März 2020 der Bayerische Journalistentag        stumm geschaltet sein („sonst werden Sie ganz      den für die Schnuppermitglieder verlangt. Der
in Pullach eingefunden. Dieses Jahr dagegen er-       irre“). Am besten verzichten alle anderen auch     BJV-Beitrag selbst bleibt stabil, sollte aber mehr
zwingt die immer noch unsichere Pandemie-La-          auf die Kamera. Wortmeldungen sind nur über        auf prekäre Einkommenssituationen Rücksicht
ge einen hybriden Ablauf der Mitgliederver-           einen Kanal möglich, die Hand zu heben im          nehmen, wie sie pandemiebedingt vor allem
sammlung am Samstag, 18. September. Nur eine          Bildschirm genügt nicht. Leicht würde jemand       für freie Journalist*innen mangels Aufträgen
Kernmannschaft wird an einem Ort im Raum              übersehen oder nicht namentlich im Protokoll       entstanden sind. Eine Änderung der Satzung
München persönlich zusammenkommen. Alle               festgehalten werden. Ein echtes Problem stellt     ist laut Geschäftsführer Amour erforderlich,
anderen Teilnehmer*innen können sich in die           zuweilen die mäßige Verbindungsqualität auf-       um nach der gesetzlichen Übergangslösung
Versammlung digital einklinken. Auch die fälli-                                                          weiterhin eine rechtssichere digitale Teilhabe
gen Vorstandswahlen werden digital stattfinden.          „Die ganze Versammlung war                      an der Verbandsdemokratie zu ermöglichen.
Geschäftsführer Dennis Amour ist zuversicht-             ein ziemlich strammer Ritt.“                    Schließlich soll die Verfassung des Verbandsge-
lich, dass sich der gesamte Ablauf samt der Ab-          Heidje Beutel, Landesvorsitzende Thüringen      richts an die Vorschriften angepasst werden.
stimmungen rechtssicher organisieren lässt. Die                                                          „Die Einladung wird satzungsgemäß mindestens
Einzelheiten werden gerade noch vereinbart.           seiten der Teilnehmer*innen dar, sodass man        vier Wochen vor der Mitgliederversammlung er-
                                                      vom Wortbeitrag dieses Mitglieds schier nichts     folgen“, kündigt Dennis Amour an. Darin werde
„Sie brauchen ein starres Gerüst“                     versteht.                                          man dann alle erforderlichen Angaben finden,
     Aus anderen Landesverbänden liegen zur di-           Für die Wahlen legte NRW die Hürden be-        über die momentan der Vorstand noch brütet.
gitalen Abwicklung wertvolle Erfahrungen vor,         sonders hoch. Um teilnehmen zu dürfen, war         Selbst eine corona-konforme Wahl der Tagungs-
die auch in die bayerische Planung einfließen.        eine Zwei-Wege-Authentifizierung erforderlich.     stätte für Vorstand, Tagungspräsidium, Antrags-
So hat der DJV Nordrhein-Westfalen schon im           Zum Passwort also noch ein zusätzlicher, über      kommission und Geschäftsstelle gestaltet sich
zweiten Jahr seine Mitgliederversammlung hy­          SMS versendeter Code. Ausgesprochen kritisch       nicht einfach: Pro Person werden zehn Quadrat-
brid abgehalten. „Es ging relativ problemlos“,        ging die NRW-Geschäftsstelle an den Dienstleis-    meter beansprucht.
berichtet Sabine Becker-Stils, die als Assistenz      ter des Wahltools heran. „Wir hatten 23 Angebo-
von Geschäftsführer Volkmar Kah intensiv in           te, aber viele konnten eine vollständige Anony-    „Ein bisschen andere Leute als sonst“
die Organisation einbezogen war. Freilich seien       misierung der Wähler nicht garantieren“, erzählt       Mit weit weniger Aufwand kam die Thüringer
einige nötige Spielregeln zu beachten, damit die      Sabine Becker-Stils. Außerdem sollte das Tool in   Landesvorsitzende Heidje Beutel bei der Mitglie-
Versammlung sowohl rechtssicher als auch gut          der Lage sein, parallele Wahlgänge zu bewerk-      derversammlung 2021 zurecht. Vorstand und
steuerbar ablaufen kann. Es tagt sich einfach an-     stelligen und auch spontan genannte weitere        Zählkommission saßen im Landesbüro, an den
ders, wenn mehr als 100 Teilnehmer digital an         Wahlvorschläge einzupflegen. Es lief noch die      Bildschirmen schalteten sich zwei Dutzend Mit-
ihren Bildschirmen zugeschaltet sind und ein          Wahl der Delegierten, während bereits die Ab-      glieder dazu. „Es waren ein bisschen andere Leu-
Tagungspräsidium neben der korrekten und ef-          stimmung über die Vorstandsmitglieder begann.      te, als sonst dabei sind“, erklärt Beutel. Die ganze
fizienten Veranstaltungsleitung auch noch einen       Letztlich entschied sich NRW für den Anbieter,     Versammlung sei „ein ziemlich strammer Ritt“
reibungslosen technischen Ablauf gewährleisten        der auch einen persönlichen Problemlöser stell-    gewesen, in zwei Stunden war sie vorbei; sonst
sollte. „Es muss eine Person anwesend sein, die       te, denn nicht jedes Mitglied kommt auf Anhieb     nimmt sie fünf Stunden in Anspruch. Verglichen
sich ausschließlich auf die Technik konzent-          mit der Technik zurecht.                           mit einer Präsenz-Veranstaltung sei die Zoom-
riert“, rät Becker-Stils. „Sie brauchen ein starres       Auf der BJV-Mitgliederversammlung wird         Konferenz „mitnichten ein Ersatz“ gewesen. Aber
Gerüst, sonst entgleitet Ihnen die Tagungslei-        turnusgemäß nach zwei Jahren der geschäfts-        immerhin holt der Verband die Mitglieder beim
tung.“                                                führende Vorstand wieder gewählt. Auch der         digitalen Stammtisch alle zwei Wochen zusam-
     NRW sorgte für eine strikte Disziplin wäh-       Aufnahmeausschuss und wahrscheinlich das           men. Nun hofft Heidje Beutel, im Herbst doch
rend der Versammlung. Die Redezeit war gene-          Verbandsgericht sind mit frischen Mandaten         die verschobene Jubiläumsfeier des DJV Thürin-
rell auf drei Minuten begrenzt. Denn: „Die Leute      zu besetzen. Konkret wird der Schnupperbei-        gen als Fest mit den Kollegen feiern zu können.
sitzen zuhause im Garten oder auf der Couch           trag für neue Mitglieder. In den ersten zwölf
und fangen an, endlos zu diskutieren“, erklärt die    Monaten sollen sie jeweils nur 9,90 Euro be-             Ordentliche Anträge zur BJV-Mitglieder­
Assistentin die andersartige Konstellation. Jeder     zahlen, dann wechseln sie in die ordentliche       versammlung sind spätestens zwei Wochen
ist ja für sich, eine Rückmeldung aus der Gruppe      Mitgliedschaft über – wenn sie nicht kündigen.     davor bei der Geschäftsstelle einzureichen.
findet kaum statt. Um geordnet zu debattieren,        Der DJV unterstützt das Modell, indem er nur       Mehr: bjv.de/bjv21

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Verirrt im Bilder-Dschungel - Brauchen Fotojournalisten Artenschutz? BJV-Wahlen erstmals digital Dialekte beim Bayerischen Rundfunk In Nürnberg ...
Foto: Matthias Hoch

                                 Pressefoto Bayern 2021
                                Der BJV sucht die besten Pressefotos des Jahres.
                           Bis zum 18. Oktober können Fotografinnen und Fotografen,
                                  die hauptberuflich journalistisch tätig sind,
                                    Bilder in sieben Kategorien einreichen.
                                  Preise im Wert von insgesamt 11.500 Euro.

                      Infos und Anmeldeformular: www.bjv.de/pressefoto2021

                      Ein Wettbewerb des Bayerischen Journalisten-Verbandes e.V.

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Verirrt im Bilder-Dschungel - Brauchen Fotojournalisten Artenschutz? BJV-Wahlen erstmals digital Dialekte beim Bayerischen Rundfunk In Nürnberg ...
„Du siehst das Bild und
             Titel

brauchst keinen Text mehr“
Schmuckbilder und Stockfotografie haben mit Fotojournalismus nichts zu tun.
Echte Pressefotografie wird zunehmend selten. Es braucht ein neues
Bewusstsein für ihren Wert.
Vo n Mi c h a e l a S c h n e i d e r

8                                                                BJVreport 4/2021
Verirrt im Bilder-Dschungel - Brauchen Fotojournalisten Artenschutz? BJV-Wahlen erstmals digital Dialekte beim Bayerischen Rundfunk In Nürnberg ...
Titel

                                                  E
                                                                s ist ganz entscheidend, dass sich Fotojourna-        Mit anderen Worten: In Redaktionen braucht es ein
                                                                listen auch als solche verstehen“, sagt Felix Kol- Grundverständnis dafür, dass Pressefotografie mit netten,
                                                                termann. Ihr Job sei es längst nicht nur zu fo- rasch geknipsten Schmuckbildern nichts gemein hat. Und
                                                                tografieren, sondern auch zu recherchieren, es braucht die Bereitschaft, guten Fotojournalismus finan-
                                                                Inhalte zu liefern und das Kerngeschäft Jour- zieren zu wollen. Die Realität allerdings erzählt anderes
                                                  nalismus zu verstehen. Er fordert: Fotojournalisten gehören und Unkenrufe, dass die Pressefotografie im Sterben liege,
                                                  in die Newsrooms rein. Seit Herbst 2019 arbeitet der sind nicht unbegründet. Während die Allgäuer Zeitung
                                                  41-Jährige als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Studien- nach wie vor fünf Fotojournalist*innen in Festanstellung
                                                  gang „Fotojournalismus und Dokumentarfotografie“ der beschäftigt und als einer der wenigen verbliebenen Verlage
                                                  Hochschule Hannover und leitet das vom Niedersächsi- überhaupt noch ein Fotovolontariat anbietet, um eigenen,
                                                  schen Ministerium für Wissenschaft und Kultur geförderte fotojournalistisch ausgebildeten Nachwuchs heranzuzie-
                                                  Forschungsprojekt „Wandel bildredaktioneller Praktiken im hen, arbeiten andere Häuser wie Der neue Tag in Weiden
                                                  digitalen Zeitungsjournalismus“. Koltermann nimmt kein oder auch die Mittelbayerische Zeitung nur noch mit freien
                                                  Blatt vor den Mund: Fotojournalismus werde in Deutsch- Fotograf*innen.
                                                  land gerade in Zeitungsredaktionen nicht sehr wichtig ge-           Die Nürnberger Nachrichten/Nürnberger Zeitung ver-
                                                  nommen. Es gehe oft kaum mehr um Bildinhalte, sondern zeichnen immerhin noch sechs Festanstellungen, zusätzlich
                                                  um „ein ansprechendes Layout mit Fotografie“. Hier mache bestehen Pauschalverträge mit einer Sportfotoagentur und
                                                  sich auch der Einfluss des digitalen Journalismus und der einer Blaulichtagentur. Auch die Redaktionen der Augsburger
                                                  sozialen Netzwerke bemerkbar, die per se (irgend)ein Bild Allgemeine sind mit fünf Fotojournalist*innen noch recht gut
                                                  brauchen. Zurückgegriffen wird                                                            bestückt, allerdings schreitet der
                                                  immer stärker aufs kostengünstige             „Die Ernsthaftigkeit                        Stellenabbau voran: Gingen Foto-
                                                  Agenturmaterial und Stockfotos.                                                           graf*innen in Ruhestand, wurde
                                                  Liegt echte Pressefotografie im               unseres Berufs wurde                        nicht nachbesetzt. Bei der Main-
                                                  Sterben?                                      in Redaktionen noch                         Post arbeiten, wie stellvertretender
                                                      Es gibt noch Lichtblicke – und            nie gesehen.“                               Chefredakteur Ivo Knahn infor-
                                                  gerade im Lokaljournalismus kann                                                          miert, ein festangestellter Fotograf
                                                                                                Thomas Geiger, Vorsitzender
                                                  guter Fotojournalismus für Auf-               der BJV-Fachgruppe Bild                     sowie elf Fotografinnen und Foto-
                                                  merksamkeit sorgen. Das zeigte                                                            grafen, „die bei uns Tagesdienste
                                                  sich, als Ralf Lienert, Leiter Bildredaktion bei der Allgäuer und die herausragende Einzelthemen im gesamten Verbrei-
                                                  Zeitung, einen der ältesten Bergbauern im Allgäu porträ- tungsgebiet übernehmen. Sechs der Freien fotografieren
                                                  tierte, der entschieden hatte, seine letzten Kühe zu hauptberuflich.“ Noch einen Kollegen in Anstellung beschäf-
                                                  verkaufen, weil sich die Viehhaltung nicht mehr lohnt. Fo- tigt auch die Fränkische Landeszeitung (siehe Feature zu Jim
                                                  tos zeigten den 87-Jährigen im Stall zwischen seinen letzten Albrights Arbeitsalltag, Seite 16+17), zwei sind es beim Main
                                                  verbliebenen Tieren. Sie erzählten ohne Worte von der Echo und drei beim Fränkischen Tag.
                                                  kalten Stimmung eines Bergmorgens, von Einsamkeit, Me-
                                                  lancholie, Vertrautheit zwischen Mensch und Tieren, von Hungerhonorare für Freie
                                                  einem zerbrechenden Lebenswerk und sterbenden Hand-                 Was zudem auffällt: Fotohonorare für freie Fotograf*in-
                                                  werk. Mancher Landwirt kritisierte zwar, dass die Zeitung nen variieren selbst in Verlagen extrem – nicht nur inner-
                                                  statt moderner Betriebe einen so alten Stall zeige. Die posi- halb von Lokalredaktionen, sondern oft auch von Foto-
                                                  tive Resonanz unter Kolleg*innen aber war laut dem Foto- graf*in zu Fotograf*in. Mit einem Honorar von im Schnitt
                                                  redakteur gleichzeitig enorm.                                    50 Euro fürs Bild, spielen die Nürnberger Nachrichten in der
                                                      Doch wie entstehen Pressefotografien von so authenti- eher oberen Liga mit, wenn auch trotzdem noch weit ent-
                                                  scher Aussage? „Wenn Dich die Menschen kennen, be- fernt von den empfohlenen Honoraren der Mittelstandsge-
                                                  achten Sie Dich nicht mehr“, sagt Lienert, der seit 1980 meinschaft Foto-Marketing (mfm). In anderen Häusern
                                                  für die Allgäuer Zeitung arbeitet. Auf die Alpe fuhr er finden sich immer wieder auch unter zehn Euro fürs Bild
                                                  eine Stunde vor Beginn der Stallzeit und unterhielt sich auf Honorarlisten.
                                                  ausgiebig mit dem Älpler-Ehepaar. „Ich bat Kaspar We-               Dem Hungerlohn der Zeitungsverlage gegenüber stehen
                                                  ber: Arbeite als wäre ich nicht da. Das funktionierte aber gleichzeitig hohe Ausgaben. Thomas Geiger, Vorsitzender
                                                  nur, weil ich schon vorher vor Ort war“, erzählt der der Fachgruppe Bild im BJV und selbst freier Fotojournalist,
                   Foto: Jana Margarete Schuler

                                                  57-Jährige. Auf die Frage, was guten Fotojournalismus rechnet dies exemplarisch vor. Der „normale Fotojournalist“
                                                  ausmache, gerät Lienert ins Schwärmen: „Du siehst das kommt mit Blick auf Kamera- und PC-Ausrüstung, Bildpro-
                                                  Bild und brauchst keinen Text mehr. Es setzt Kopfkino gramme und Internetpräsenz im Schnitt auf monatliche
                                                  frei. Es muss eine Geschichte erzählen, die authentische Kosten von rund 750 Euro, der Sportjournalist gar auf 1300
                                                  Stimmung muss zurückkommen. Ein gutes Pressefoto Euro. Noch nicht hineingerechnet hat Geiger in beide Fällen
                                                  muss Emotionen festhalten.“                                      Ausgaben für Handy, Auto, Internet-Flatrates, Cloud­kosten,

BJVreport 4/2021                                                                                                                                                              9
Verirrt im Bilder-Dschungel - Brauchen Fotojournalisten Artenschutz? BJV-Wahlen erstmals digital Dialekte beim Bayerischen Rundfunk In Nürnberg ...
Titel

             Büro- und Finanzsoftware, Speicherkarten, externe Fest-         Schwerpunkt Bildjournalismus und arbeitet seit geraumer
             platten, Drucker oder auch gelegentliche Zusatzkosten wie       Zeit regelmäßig unter anderem für die Bayernredaktion der
             die Miete von Spezialoptik oder einer Blitzanlage. Wer als      Süddeutschen Zeitung. 2020 gewann sie beim Wettbewerb
             Freier oder Freie nicht etwa auch auf Hochzeiten, Messen        Pressefoto Bayern 2020 in der Kategorie „Bayern – Land
             oder für die Industrie fotografiert, kann heute vom Foto-       und Leute“. Für die Münchnerin war im Studium schnell
             journalismus allein in den seltensten Fällen leben.             klar, dass sie sich in keinen inszenierten Welten wie dem
                                                                             Modejournalismus bewegen wolle. „Das bin ich nicht“, sagt
             Im Idealfall im Team unterwegs                                  sie, ergänzt: „Als Fotojournalistin gehst Du raus, tauchst in
                 Doch das ist für Geiger noch nicht einmal das größte echte Welten ein, hast einen Türöffner zu ganz vielen, inter-
             Problem, er sagt: „Die Ernsthaftigkeit unseres Berufs wurde essanten Menschen.“ Authentizität und Glaubwürdigkeit
             in Redaktionen noch nie gesehen.“ Eine eigene Bildredak- hält Sophie Linckersdorff dabei extrem hoch: Selbst, wenn
             teurin, wie es sie etwa bei der tz München noch gibt, ist sie gebeten werde, später einen Pickel zu retuschieren, er-
             heute die Ausnahme. Und dass wenig aussagekräftige Fotos klärt sie Porträtierten, weshalb sie dies bei einer fotojourna-
             entstehen, hat oft auch damit zu tun, dass Redaktionen listischen Arbeit niemals macht. Stichwort Authentizität.
             kaum Hintergrundinformationen zu den Aufträgen liefern.             Dass man – auch wenn es gut läuft – als freie Fotojour-
             Im Idealfall, aber eben viel zu selten, sollten der textende nalistin nichts geschenkt bekommt: Dessen ist sich die
             und der fotografierende Journalist im Team zusammenar- 21-Jährige bewusst. Die Motivation und den Antrieb sich
             beiten, rät Geiger. Auch neue technische Herausforderun- auf den Beruf trotzdem einzulassen, zieht Linckersdorff
             gen machen seine Arbeit nicht                                                               auch aus der Wertschätzung, die
             leichter. So kam es schon vor,            „Als Fotojournalistin gehst sie bei der SZ erlebt. In der Bay-
             dass der Fotojournalist für ein                                                             ernredaktion sei sie fast immer
             Onlineportal ein einziges Bild
                                                       du raus, tauchst in echte                         im Team mit dem Autor oder
             liefern sollte, das im extremen           Welten ein.“                                      der Autorin unterwegs, manch-
             Querformat 1:8 auf der Website            Sophie Linckersdorff, Fotojournalistin            mal einen ganzen Tag lang ohne
             ebenso funktioniert wie im                                                                  Zeitdruck. Bild und Text berei-
             „Fast-Hochformat“ fürs Tablet. Andernorts sind Pressefo- cherten sich, Fotos würden regelmäßig großformatig ge-
             tos so zu gestalten, dass sich Text einbauen lässt.             druckt.
                 Entsteht der Eindruck, dass es kaum mehr um die ei-             Dass es bei der jungen Kollegin so gut läuft, hängt sicher
             gentlichen Inhalte geht nach dem Motto „Hauptsache, es auch damit zusammen, dass sie sich breit aufgestellt hat
             sieht schön aus“, kann Geiger nur den Kopf schütteln. Im und neben Fotos auf Redaktionsbestellung auch Tonauf-
             Kolleg*innenkreis erlebt er inzwischen großen Frust, weil nahmen und Bewegtbild liefert. Außer einem externen Mi-
             gelungene Pressefotografie am Ende kaum gewürdigt wird. krofon sei dafür kein zusätzliches Equipment nötig, sagt sie.
             Er ist überzeugt: Falls der Fotojournalismus stirbt, dann ge- Multimediale Umsetzungen, Storytelling im Netz und
             schieht dies wegen mangelnder Anerkennung durch Ver- „Longreads“ hätten enorm an Bedeutung gewonnen.
             lagsführungen, Redaktionen und Nutzer*innen.                        Felix Koltermann geht noch einen Schritt weiter und rät
                 Leidenschaftlich forderte im Zuge einer Ausstellungser- künftigen Fotojournalist*innen ganze Projekte anzubieten,
             öffnung auch Kurt Tauber, Leiter des Deutschen Kamera- gegebenenfalls auch mit Text, und stärker noch innovativ
             museums in Plech nahe Bayreuth, dass sich am Redakti- nach neuen digitalen Formaten zu suchen. „Klassische
             onsdenken wieder etwas ändern müsse. Im Gespräch mit Bildgeschichten gibt es zum Beispiel bislang kaum auf Ins-
             dem BJVreport appelliert er an Engagement, Wagemut und ta“, sagt er. Und: „Bietet Euch nicht nur als Fotograf an, son-
             Berufsauffassung. Jahrelang hatte der heutige Ruheständler dern als der Fotojournalist, der auch gute Texte mitliefern
             selbst als Redaktionsleiter in Pegnitz beim Nordbayerischen kann.“
             Kurier gearbeitet und in dieser Zeit zum Beispiel Fotos über
             zwei volle Zeitungsseiten eingeführt oder ganze Bildrepor-
             tagen zum Fußballspiel des Tages veröffentlicht. Dass Re-
             daktionen heute lieber Leserreporter*innen knipsen lassen,                      Hinter der Recherche
             dass sie auf Fotos der Einsatzkräfte warten statt selbst zum       Auch das BJVreport-Redaktionsteam machte
             Unfall zu fahren oder den Polizeibericht mit einem soge-           zunächst den Fehler, dass in der Planungskon­
             nannten Symbolfoto bebildern: Dafür zeigt Tauber wenig             ferenz Textjournalist*innen unter sich blieben,
             Verständnis. Und er sagt: „Heute entstehen und erscheinen          um über die Cover- und Titelstreckengestal­
             viele Fotos zufällig.“ Themen aber müssten auch mit Blick          tung zu diskutierten. Die BJV-Fachgruppe Bild
             aufs Pressebild im Vorhinein geplant werden.                       kritisierte dies zurecht, seitdem schalten wir
                 Dass es auch heute noch anders geht, zeigt sich im Ge-         einen Fotojournalisten oder eine Fotojournalis­
             spräch mit Sophie Linckersdorff. Die 21-Jährige belegt im          tin zu. Eine klare Win-Win-Situation.
             Studiengang Fotodesign an der Hochschule München den

10                                                                                                                            BJVreport 4/2021
Titel

„            „Hast du grad Zeit? Fahr schnell hin!“
          Es passiert mehr Unvorhergesehenes als früher“,
          sagt Klaus Haag, der für Münchner Merkur und tz foto­
          grafiert. Mit kurzfristigen aktuellen Änderungen und
 spontanen Ideen für Geschichten muss er rechnen. „Hast du
 grad Zeit? Fahr schnell hin!“ Dabei ist er einer, der sich schon
 auf dem Weg zum Termin überlegt: Was mache ich für ein
                                                                     „      „Das Armenhaus des Bildjournalismus“
                                                                               Vielleicht ist das Lokale ja das Armenhaus des
                                                                               Bildjournalismus, es taugt weder zum Status noch
                                                                               zum Reichwerden“, meint Annette Zoepf, die frei in
                                                                     Augsburg arbeitet. „Aber ich mag’s einfach, weil ich dabei
                                                                     Kontakt zu den Leuten in meiner Stadt habe – quer durch
                                                                     den Gemüsegarten.“ Außerdem ist sie seit 26 Jahren sehr
 Foto? Vor Ort versucht er aus den Mosaiksteinen, die er vor­        viel für kirchliche Auftraggeber unterwegs. In der Coro­
 findet, ein Bild zusammen zu fügen. Haag erzählt zudem: „Es         na-Zeit mag die Eventfotografie stark zurückgegangen sein,
 gibt Kollegen, die sofort wieder weg müssen. Ich nehme mir          aber Gottesdienste haben immer stattgefunden. „Dank
 allerdings – egal wie pressant es ist – die Zeit, wenigstens        meiner bewährten Arbeit – ich bemühe mich immer frühzei­
 die Linien geradezustellen. Heute schickt man möglichst vor         tig und auf korrekten Wegen um Akkreditierung und ich
 Ort schon mit Laptop die Bilder, damit die Kollegen gleich für      weiß, wie man sich diskret bewegt, und respektiere die
 Online planen können. Viele Kollegen machen sich selbst so          Würde des Anlasses – durfte ich sogar zur Osternacht in der
 einen Druck, aber zaubern kann niemand. Aber weil man vor           fast menschenleeren Hauskapelle des Augsburger Bischofs
 Ort schneller ist, wird man von Termin zu Termin gehetzt.           als Einzige fotografieren unter sehr beengten Umständen.“
 Dadurch verwischt die eigene Handschrift als Fotograf und           Sie habe den Eindruck, man bemühe sich, sie nicht verhun­
 man wird austauschbar. Ich habe das Glück, dass ich auch auf        gern zu lassen. Auch die Lokalredaktion bemüht sich, Auf­
 Reportage geschickt werde, wo ich mich fotografisch richtig         träge gerecht zu verteilen, auch wenn gespart werden muss.
 austoben kann. Dabei ist mir wichtig, dass sich die Abgebil­        Leider ist die Stadtteilbeilage für die vertiefte Lokalbericht­
 deten im Bild wiederfinden. Mit guten Bildern bleibt der Leser      erstattung verschwunden, für die sie sehr viel fotografiert
 beim Artikel hängen. Wirklich traurig finde ich, dass in der        hat. „Ich sehe eine große Wertschätzung in der Redaktion,
 Zeitung oft der Platz nicht da ist, ein schönes Foto groß genug     inzwischen werden auch Bilder von uns Freien ganz selbst­
 auf die Seite zu bringen. Oder der Layouter schneidet weg,          verständlich von der Zeitung archiviert. Bei Symbolbildern
 was für die Bildgestaltung enorm wichtig ist und das Bild zu        wird allerdings gern das Bild von angestellten Kollegen
 einem Hingucker macht. Online will sowieso immer kleine             genommen“, so ihre Erfahrung. Durch Corona habe sich die
 Bilder – gleichzeitig für beide zu arbeiten haut eigentlich         direkte Abstimmung zwischen Fotografin und Reporter*in
 nicht hin. Immerhin hatte die Redaktion stets das Vertrauen:        vertieft, sodass man zielgerichtet zusammenarbeitet. Aktu­

„                                                                    „
 Der Haag bringt schon was g’scheits. Heute wollen die Kol­          elle Bilder schnell zu liefern, ist heute Standard: „Ich habe
 leg*innen gern draufschauen, welches Bild ich mache.“               technisch das Bildersenden aufs Smartphone verlagert.“

       „Voller Spielraum zur kreativen Gestaltung“                    „Verständnis für eine unterschiedliche Ästhetik“
           Die Wünsche der Auftraggeber haben sich vor allem                  Für mich ist es eine positive Entwicklung in der
           dahin gehend geändert, dass die Anzahl der abzulie­                journalistischen Fotografie, dass der eigene Stil eine
           fernden Bilder zugenommen hat“, stellt Daniel Kar-                 immer größere Rolle spielt“, urteilt Jana Margarete
 mann fest, der als Freier in Nürnberg vorwiegend für dpa foto­      Schuler, freie Dokumentarfotografin in Bamberg. Während
 grafiert. Das hat vor allem mit der Zunahme digitaler Präsenz       früher Fotografie doch oft als Handwerk verstanden wurde,
 der Medien zu tun. Für Print bleibt es dabei, die Thematik so       sei heute ein Verständnis für die unterschiedliche Ästhetik
 gut wie möglich in einem Bild oder wenigen Bildern festzuhal­       der Fotograf*innen vorhanden. Schuler sagt: „Es ist alles
 ten. Die Aufträge kommen meist recht kurzfristig und beste­         andere als egal, welchen Fotografen oder welche Fotografin
 hen meist aus aktuellen journalistischen Themen quer durch          man beauftragt. Jeder hat eine eigene Bildsprache, Bildbear­
 diverse Kategorien (Reportage, Wirtschaft, Sport, Politik,          beitung und auch im Umgang mit Protagonisten gibt es gro­
 tagesaktuelle Nachrichten …). Karmann sagt: „In meiner Ar­          ße Unterschiede. So etwas wie ein ‚neutrales‘ Foto gibt es
 beit habe ich – immer den Umständen vor Ort entsprechend            sowieso nicht – mit jeder Motivauswahl entscheiden wir als
 – vollen Spielraum zur eigenen kreativen Gestaltung der Bil­        Pressefotograf*innen, was wir zeigen möchten.“ Gleichzeitig
 der. Es gibt Pflichtbilder und die Kür. Beide sollten in der Aus­   steige der Anspruch an Flexibilität. Aufträge werden oft sehr
 wahl vertreten sein.“ Am meisten verändert hat sich laut dem        kurzfristig erteilt. Schuler: „Manchmal herrscht die Vorstel­
 Fotojournalisten die Rechte-Problematik seit dem Inkrafttre­        lung, man säße als selbstständiger Fotograf im Büro und
 ten der DSGVO. Der Spielraum, um im öffentlichen Raum Men­          würde auf neue Aufträge warten. Das ist selten so. Es gibt
 schen zu fotografieren, habe sehr abgenommen. Zum Positiven         immer etwas zu tun, man ist viel unterwegs und es kann
 verändert habe sich, dass der Wunsch nach qualitativer (Pres­       passieren, dass man in einer anspruchsvollen Fotoreportage
 se-)Fotografie oft geäußert wird. Viele Medien fordern heute        das Mail-Postfach vernachlässigt. Dass diese Flexibilität
 zusätzlich zu den Fotos auch Video. Karmann: „Je nach Termin        überhaupt möglich ist, liegt auch am technischen Fortschritt,
 ist es schon sehr anstrengend, sich 100-prozentig auf beides        der kompaktes, hochwertiges Equipment ermöglicht. Wenn
 zu konzentrieren wenn man gute Arbeit abliefern möchte.             ich Geschehnisse einfange, ist es ein großer Vorteil, dass ich
 Dafür, dass der Stellenwert des Bildes immer noch – ob ge­          keine riesige Fotoausrüstung mehr mitschleppen und auf­
 druckt oder digital – der treibende Faktor des Informa­             bauen muss. Zu viel Krimskrams ist einfach hinderlich: Ich
 tions-Konsums für jeden ist, hat die Fotografie auf der Ho­         möchte und muss schnell reagieren können, um gute Mo­
 norierungs-Ebene nicht den angemessenen Stellenwert.“               mente einzufangen.“                               Alois Knoller

BJVreport 4/2021                                                                                                                   11
Titel

„Da verdiene ich mehr, wenn ich Burger brate“
Lars Bauernschmitt zu den Folgen des Strukturwandels auf dem Bildermarkt
Vo n M a r i a G o b l i r s c h

                              E
                                          r berichtet im Interview                                                     verringert. Die verkauften Auflagen
                                          mit dem BJVreport von                                                        sind seither um mehr als die Hälfte
                                          einem massiven Rück-                                                         gesunken. Werbegelder wandern ins
                                          gang der Einnahmen                                                           Internet oder zum Fernsehen ab. Es
                                          von Bildjournalist*innen                                                     wird immer mehr Geld in Werbung
                               während der Corona-Pandemie. Lars                                                       gesteckt, aber eben immer weniger in
                               Bauernschmitt, Professor an der                                                         die Printmedien, die bisherigen
                               Hochschule Hannover.                                                                    Hauptauftraggeber der Fotograf*in-
                                                                                                                       nen. So steigt der Kostendruck auf die
                               Sie haben zum vierten Mal die Situati-                                                  Redaktionen, den diese auch an die
                               on auf dem Bildermarkt beleuchtet.                                                      Bildjournalist*innen weitergeben. Die
                               Wie hart trifft die Corona-Pandemie                                                     Zahl der redaktionellen Fotoaufträge
                               Fotograf*innen?                                                                         sinkt, zudem steht immer weniger
                                    Lars Bauernschmitt: Die Situation                                                  Zeit für einen Auftrag zur Verfügung.
                               derjenigen, die überwiegend journa-                                                     Das bedeutet, es gibt weniger Hono-
                               listisch fotografieren, ist bedenklich.                                                 rar. Und wegen der fallenden Aufla-
                               Während Fotograf*innen, die über-                                                       gen und des steigenden Bildangebots
                               wiegend werbliche Aufträge erledig-                                                     sinken auch die Honorare für Archiv-
                               ten, im Jahr 2019 auf einen Jahresnet- Studienleiter Prof. Lars Bauernschmitt.         bilder.
                               toumsatz von mehr als 93.000 Euro                                Foto: Angelina Vernetti

                               kamen, waren es bei den redaktionell                                                      Welchen Einfluss hat die Corona-Pan-
                               arbeitenden nur 32.000 Euro. Im vergangenen Jahr sanken die demie auf die ohnehin schlechtere Auftragslage?
                               Umsätze dann um fast ein Drittel auf 61.000 Euro werblich          Die Corona-Pandemie hat Tendenzen verstärkt. Ent-
                               und unter 21.000 Euro redaktionell. Da verdiene ich mehr, wicklungen, die seit 30 Jahren ablaufen, wurden gepusht –
                               wenn ich bei McDonalds Burger brate. Hier stellt sich die Fra- im Positiven wie im Negativen. Die Arbeit im Homeoffice
                               ge, wer in Zukunft unter solchen Bedingungen noch journa- wird von vielen Bildredakteur*innen positiv bewertet. Jahre-
                               listische Bilder liefern wird.                                 lang gewünschte Arbeitsmodelle, die von den Verantwortli-
                                                                                              chen blockiert wurden, lassen sich jetzt umsetzen. Kritisch
                               Wo sehen Sie die Ursachen für diese Entwicklung?               sehe ich dagegen die Entwicklung in der Herstellung und
                                    Die Zahl der Tageszeitungen hat sich seit 1992 um ein Beschaffung journalistischer Bilder. Fotograf*innen haben
                               Viertel, die der Zeitschriften sogar seit 2011 um ein Drittel deutlich weniger Aufträge während der Pandemie, weil Ver-
                                                                                              anstaltungen ausfallen. Der Zugang zu Events wird be-
                                                                                              schränkt, es werden Pools gebildet. Hier müssen wir auch
                                    Zur Person                                                aufpassen, dass solche Pools in Zukunft nicht dazu genutzt
                                    Lars Bauernschmitt, Jahrgang 1963, ist seit 2008          werden, unerwünschten Medienvertreter*innen den Zugang
                                    Professor an der Hochschule Hannover und seit
                                                                                              zu Ereignissen zu verwehren. Ein weiterer Punkt: Verlage
                                    2011 Sprecher des Studiengangs „Fotojournalis­
                                                                                              versuchen, durch den Einsatz von Archivbildern die Kosten
                                    mus und Dokumentarfotografie“. Er studierte
                                    Kommunikationsdesign an der Universität Gesamt­           zu senken. Sie geben an Fotograf*innen keine Aufträge
                                    hochschule Essen (Folkwang Schule) und Wirt­              mehr, bei denen man nicht weiß, wie lange sie dauern und
                                    schaftswissenschaften an der Fernuniversität              was am Ende dabei herauskommt. Das ist dann eben auch
                                    Hagen. Von 1993 bis 2008 war er Geschäftsführer           keine visuelle Berichterstattung mehr, sondern nur eine Il-
                                    der Fotoagentur VISUM. Seine Lehr- und For­               lustration des Geschriebenen.
                                   schungsgebiete sind Visual Storytelling, multime­
                                   diale Erzählformate sowie die Entwicklung des
                                                                                               Welche Rolle spielen Stock- und Agenturfotos im Wettbewerb?
                                   globalen Bildermarktes. 2020 leitete er gemein­
                                   sam mit Prof. Dr. Karen Fromm das Lumix Festival               Auch diese sind zunächst einmal von Fotograf*innen her-
                                   für Jungen Bildjournalismus.                                gestellt worden und werden honoriert, sind also eine wichtige
                                                                                               Einnahmequelle. Kritisch sehe ich die Tendenz vieler Zeitun-

12                                                                                                                                             BJVreport 4/2021
Titel

                   gen und Zeitschriften, Fotos nur noch als Icons einzusetzen,     Was macht das mit den Kolleg*innen, die bisher nur auf
                   die den Inhalt eines geschriebenen Beitrags auf ein Pikto-       klassischen Ausspielwegen unterwegs sind?
                   gramm reduzieren. Wenn Fotos in journalistischen Publikati-         Die werden älter, verlassen langsam die Branche.
                   onen nicht mehr Informationen transportieren als der Weg-
                   weiser zur Toilette auf dem Flughafen, lassen Redaktionen die    Die Studie zeigt extreme Einkommensunterschiede zwischen
                   Chancen journalistischer Fotografie in sträflicher Weise unge-   männlichen und weiblichen Fotografen. Zwei Frauen verdienen
                   nutzt.                                                           danach zusammen nicht so viel wie ein Mann.
                                                                                        Ja, auf den ersten Blick wirkt das schockierend. Schaut man
                   Stirbt der Beruf der Fotojournalist*innen langsam aus?           sich die Zahlen aber genauer an, fällt auf, dass wenige Spitzen-
                       Nein, das glaube ich nicht. Aber Fotojournalist*innen        verdiener in der Werbebranche das Bild beeinflussen. Rechnet
                   müssen stets ihre potenziellen Abnehmer im Blick haben und       man das raus, sind die Unterschiede nicht mehr ganz so krass.
                   sich dem Markt anpassen. Der Bedarf an Bildern wird weiter       Betrachtet man die letzten drei Jahre, ist zudem eine Annähe-
                   bestehen, es ist nur die Frage, wer am Ende bezahlt. Wir erle-   rung zu beobachten. Während die durchschnittlichen Jahres-
                   ben ja, dass journalistisch ausgebildete Fotograf*innen in der   nettoumsätze bei den Fotografinnen steigen, sinken sie bei den
                   PR-Branche extrem nachgefragt sind, weil sie authentische        männlichen Konkurrenten. Aber wir wissen noch zu wenig
                   Bilder liefern, die ein Unternehmen glaubwürdiger erscheinen     über mögliche Ursachen des geringeren Verdienstes der Frau-
                   lassen. Werbung will niemand um ihrer selbst willen sehen.       en. Eine mögliche Ursache könnte die bei Frauen höhere Be-
                   Ich suche Inhalte im Netz und nehme dafür Werbung in Kauf.       lastung durch die Familienarbeit sein. Um hier mehr zu erfah-
                   Es werden also auch künftig Bilder und Texte benötigt, neben     ren, haben wir für 2023 eine größere Erhebung geplant.
                   denen Werbung platziert werden kann. Hier können Foto-
                   graf*innen neue Auftraggeber finden.                             Was müssen junge Fotograf*innen heute können, um sich am
                                                                                    Markt zu behaupten?
                   Das verändert auch die Anforderungen an die Fotografieren-           Gesucht wird im Grunde genommen derselbe Typ Foto-
                   den?                                                             graf*in wie vor 100 Jahren. Die neugierigen, offenen Ge-
                       Wir stecken mitten im Strukturwandel. Das Berufsbild         schichten-Finder*innen und -Erzähler*innen mit der Bereit-
                   wandelt sich, weil sich die Medien verändern. Der Medien-        schaft und der Lust, sich mit Menschen und ihren
                   konsum verschiebt sich aus den analogen in die digitalen Me-     Lebenswirklichkeiten auseinanderzusetzen. Nur dass wir heu-
                   dien. Mit dem Medienwandel verändern sich die Anforderun-        te andere Techniken nutzen können, um diese Geschichten zu
                   gen an die Journalist*innen. Sowohl an die, die bisher nur       erzählen. Dass man sich mit Datenvisualisierung beschäftigt
                   schreiben als auch an die, die bisher nur fotografieren. Wir     und überlegt: Bringt mir ein Bewegtbild mehr als ein Foto?
                   erleben, dass sich die Berufsfelder immer mehr überlappen.       Und wo ist ein O-Ton einfach viel prägnanter? Was sich än-
                   Die Wort-Journalist*innen sind selbstverständlich mit der Ka-    dert, ist, dass stärker im Team gearbeitet wird. Also: Der weiße
                   mera unterwegs, Fotojournalist*innen führen auch Interviews      männliche Fotograf, der in Springerstiefeln und im Full Metal
                   und liefern zum Bild auch kurze oder längere Texte.              Jacket über die Felder läuft, wird eher aussterben.

                       Wie verändert Corona die Bildbranche 2021?
                       Die Arbeitsgruppe „image market – business trends“            Prozent) meldeten aufgeschobene Projekte, über 66
                       hat unter Leitung von Professor Lars Bauernschmitt eine       Prozent der befragten Fotograf*innen Projektabsagen.
                       Befragung unter 30 Bildagenturen und 243 Fotograf*in­         Über die Hälfte der Fotograf*innen, die an der Studie
                       nen durchgeführt, darunter auch DJV-Mitglieder. Über­         teilnahmen, nutzte die Zeit seit Februar 2020 zur Wei­
                       wiegend sind diese nicht angestellt tätig.                    terbildung. Ein Viertel der Befragten fotografierte ver­
                       Das Fazit: Die Corona-Pandemie hat zu massiven Ein­           stärkt Archivbilder für die Vermarktung. Bei zwei von
                       brüchen bei den Umsätzen geführt. Acht von zehn be­           dreien nahm die Sorge um die eigene berufliche Zukunft
                       fragten Fotograf*innen meldeten einen starken Rück­           während der Corona-Pandemie zu.
                       gang der Fotoaufträge – und damit auch ein geringeres         Alarmierend: Journalistisch arbeitende Fotograf*innen
                       Auftragsvolumen. Der durchschnittliche jährliche Net­         sind von den Folgen der Corona-Pandemie besonders
                       toumsatz lag um fast ein Viertel (23,7 Prozent) niedriger     stark betroffen. Wie schon 2020 liegt ihr durchschnittli­
                       als vor der Pandemie. Nur etwas mehr als zwei Prozent         cher Jahresnettoumsatz bei 20.000 Euro und damit
                       dieses Umsatzverlustes konnten die Befragten durch            weit unter dem anderer Tätigkeitsfelder in der Foto­
                       staatliche Hilfen ausgleichen.                                branche. Bei den befragten DJV-Mitgliedern lag 2020
                       Bei den Bildagenturen verzeichneten 60 Prozent eine           der Anteil journalistischer Arbeiten am Umsatz im
                       deutlich geringere Nachfrage nach Archivmaterial              Schnitt nur noch bei 28,7 Prozent.
                       (Rückgang Jahresnettoumsatz 26,3 Prozent). Das Jahr           Der 33-seitigen Forschungsbericht kann nachgelesen
                       2020 war geprägt von Absagen. Fast drei Viertel (71,7         werden unter bjvlink.de/Bildermarkt2021

BJVreport 4/2021                                                                                                                                 13
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