Planung einer Eisenbahn-Neubaustrecke Heidenau - Ústí nad Labem Verkehrliche und betriebliche Bewertung

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Planung einer Eisenbahn-Neubaustrecke Heidenau - Ústí nad Labem Verkehrliche und betriebliche Bewertung
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                 Planung einer Eisenbahn-Neubaustrecke
                       Heidenau – Ústí nad Labem

                 Verkehrliche und betriebliche Bewertung

           Auftraggeber:                    Ersteller:

           Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   Dipl.-Ing. Sandro Zimmermann
           im Sächsischen Landtag           ZIMMERMANN-VERKEHRSINGENIEURE

           Bernhard-von-Lindenau-Platz 1    Glacisstraße 9a
           01067 Dresden                    01099 Dresden

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Planung einer Eisenbahn-Neubaustrecke Heidenau - Ústí nad Labem Verkehrliche und betriebliche Bewertung
Planung einer Eisenbahn-Neubaustrecke
            Heidenau – Ústí nad Labem

       Verkehrliche und betriebliche Bewertung

Auftraggeber:

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
im Sächsischen Landtag

Bernhard-von-Lindenau-Platz 1
01067 Dresden

Ersteller:

Dipl.-Ing. Sandro Zimmermann
ZIMMERMANN-VERKEHRSINGENIEURE
Glacisstraße 9a
01099 Dresden

                                    Dresden, den 17. Juni 2018

46 Seiten
6 Tabellen
12 Anlagen

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Planung einer Eisenbahn-Neubaustrecke Heidenau - Ústí nad Labem Verkehrliche und betriebliche Bewertung
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung der Studie                                                    5

1 Ausgangssituation und Zielstellung der Studie                               6
1.1 Ausgangssituation                                                         6
1.2 Zielstellung / zu klärende Fragen                                         8
1.3 Gliederung der Studie                                                     8

2 Heutige Situation und Planungsstand                                         9
2.1 Aktuelle verkehrliche Situation im Korridor Dresden – Ústí nad Labem      9
2.2 Aktuelle Lärmbelastung im Korridor Dresden – Schöna (- Ústí nad Labem)   10
2.2.1 Grundlagen                                                             10
2.2.2 Ist-Situation                                                          11
2.2.3 bisherige und mittelfristig absehbare Maßnahmen                        13
2.3 Zielstellungen einer Ausbauplanung Dresden – Ústí – Praha                15
2.4 Planungsstand der NBS Heidenau – Ústí                                    16
2.5 Erstellung des BVWP 2030                                                 17
2.6 Geplanter weiterer Projektverlauf                                        19

3 Planungsparameter der vorgesehenen Strecke                                 20
3.1 Quellen                                                                  20
3.2 Betriebliches Konzept                                                    20
3.2.1 Mängel der bisherigen Auslegung (Bewertung durch die DB Netz AG)       21
3.2.2 Mängel der fahrplantechnischen Untersuchung                            21
3.2.3 Betrachtung des vorgelagerten Abschnitts Dresden Hbf – Heidenau        23
3.2.4 Verknüpfung der Strecke mit dem Bestandsnetz                           24
3.2.5 Anzahl der Überholbahnhöfe und Überleitstellen                         25
3.3 Bewertung der Linienführung und ausgewählter Bauwerke                    27
3.3.1 Linienführung und Trassierungsparameter                                27
3.3.2 Talbrücken Heidenau und Pirna-Zehista                                  28
3.3.3 Erzgebirgstunnel                                                       28
3.3.4 Einbindung der Strecke in das tschechische Bestandsnetz                29
3.4 Exkurs: Betrachtung der geplanten NBS Ústí nad Labem - Prag              29

4 Bewertung der Zielerreichung „Lärmschutz“ des Projektes                    31
4.1 Effekte der NBS                                                          31
4.2 Technische Maßnahmen des Lärmschutzes – aktueller Stand                  32
4.3 Möglichkeiten des Monitorings des Lärmschutzes                           33

5 Bewertung weiterer Zielerreichungen des Projektes                          34
5.1 Ziel Verkürzung der Reisezeit                                            34
5.2 Ziel Leistungsfähigkeit                                                  34
                                                                                  3
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5.3 Ziel Minimierung von Umweltauswirkungen                                   35
5.4 Ziel Hochwassersicherheit                                                 36

6 Verkehrsplanerische Einordnung                                              37
6.1 Prognosen für die Verkehrsentwicklung                                     37
6.2 Betriebliche Szenarien                                                    38
6.3 Alternativen zur NBS                                                      39

7 Kosten und Finanzierung des Projektes / BVWP-Einordnung                     41
7.1 Kosten                                                                    41
7.2 Finanzierungsmodell / Nutzen-Kosten-Bewertung                             43

8 Schlußfolgerungen und Handlungsempfehlung                                   44
8.1 Kernthesen                                                                44
8.2 Zusammenfassende Bewertung / Handlungsempfehlungen für den Auftraggeber   45

Anlagen                                                                       46

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Planung einer Eisenbahn-Neubaustrecke Heidenau - Ústí nad Labem Verkehrliche und betriebliche Bewertung
Zusammenfassung der Studie

In der vorgelegten Studie wird untersucht, ob das Projekt einer Eisenbahn-Neubaustrecke (Dres-
den -) Heidenau – Ústí nad Labem (- Praha) auf Basis von verkehrsplanerischen, eisenbahnbe-
triebswissenschaftlichen und verkehrswirtschaftlichen Fakten als sinnvoll einzustufen ist und die
jetzige Planung den Anforderungen im Jahre 2035 ff. genügt.

Der Autor kommt zu dem Schluss, daß es weder verkehrlich noch aus Gründen des Lärmschutzes
eine hinreichende Rechtfertigung gibt, diese Strecke zu bauen.
Zudem werden erhebliche Mängel der bisher bekannten Planungen herausgearbeitet.

Folgende Thesen werden im Ergebnis der Untersuchungen aufgestellt:

   1.   Die Rechtfertigung einer Neubaustrecke muss sich entweder aus einem bereits vorhan-
        denen starken Verkehrsstrom ergeben oder aus der damit möglichen Bündelung mehre-
        rer Verkehrsströme abzuleiten sein.
        Beides ist hier nicht der Fall, die Strecke hat kaum eine Netzwirkung. Mehr als ein Zugpaar
        pro Stunde ist auch langfristig im Personenfernverkehr nicht zu erwarten.
        Eine kapazitive Überlastung des Streckenabschnitts kann im Ist-Zustand nicht festge-
        stellt werden.

   2. Die aktuellen Güterverkehrsprognosen im Korridor Dresden – Ústí sind rückläufig und be-
      tragen aktuell lediglich noch 50 Zugpaare täglich - auch daraus lässt sich ein Bedarf nicht
      ableiten.

   3. Das derzeit vorhandene Lärmproblem im Oberen Elbtal verringert sich stetig – dank der
      Umrüstung der Güterwagen und dem Einsatz konventioneller und neuartiger Lärmschutz-
      technik an der Strecke.

   4. Die bislang bekannten Planungen genügen nicht den in zwanzig Jahren zu erwartenden
      Anforderungen an eine moderne Eisenbahnstrecke. Zu große Steigungen und eine un-
      günstige Anbindung an das Bestandsnetz sind hierbei die wesentlichen Kritikpunkte.

   5. Für die vorhandene Strecke zwischen Dresden Hbf und Heidenau wäre im Falle der Reali-
      sierung der NBS ein Ausbau zwingend erforderlich, um die Kapazität der neuen Strecke
      überhaupt nutzen zu können.

   6. Die in der Vorplanungsstudie genannten Kosten der NBS sind in einigen Gewerken deutlich
      zu niedrig angesetzt – statt 1,3 Mrd. € sind eher 1,9 Mrd. € zu erwarten. Auch für den tsche-
      chischen Projektteil muss von ähnlichen Kosten ausgegangen werden.

   7. Das für das Projekt errechnete Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,3 ist aus den angeführten
      Gründen in der nächsten Bewertungsrunde des BVWP nicht zu halten – es wird ein Wert
      unter 1,0 vermutet. Damit fiele das Projekt aus dem Bedarfsplan Schiene wieder heraus,
      eine Finanzierungsgrundlage wäre nicht gegeben.

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1 Ausgangssituation und Zielstellung der Studie

1.1 Ausgangssituation

Die Sicherung der Mobilität für Menschen und Güter ist eine Grundvoraussetzung für das Funktio-
nieren unserer Gesellschaft.
Gleichzeitig sind für das Errichten und Vorhalten von Infrastruktur sowie den Betrieb von Ver-
kehrssystemen erhebliche finanzielle Mittel notwendig. Darüber hinaus gehört der Verkehrsbe-
reich zu den größten Energieverbrauchern und wirkt in vielfältiger Weise auf die Umwelt ein, z. B.
durch Lärmemissionen.

Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen sind deshalb immer zum einen auf ihre wirtschaftliche Sinn-
haftigkeit, zum anderen aber auch auf ihre langfristige Nachhaltigkeit im Sinne eines Ausgleichs
der Umwelteinwirkungen durch Bau und Betrieb der Anlagen durch den erzeugten gesamtwirt-
schaftlichen Nutzen (verkehrlich, sozial und ökologisch) zu bewerten. Angesichts des immensen
Finanzbedarfs und der begrenzten Haushaltsmittel gilt dies auch für Neu- und Ausbauprojekte der
Eisenbahn, selbst wenn es gegenüber den Verkehrsträgern Straße und Luft naturgemäß einen
umweltfachlichen Vorteil gibt.

Die schon seit den neunziger Jahren 1 diskutierte Eisenbahn-Neubaustrecke (NBS) (Dresden -)
Heidenau – Ústí nad Labem (- Prag) ist mit der zum Zeitpunkt der Erstellung der Studie technisch
immer noch nicht beendeten Erarbeitung des neuen Bundesverkehrswegeplanes 2030 (BVWP
2030) wieder stärker ins Blickfeld geraten. Durch den Freistaat Sachsen wurde dieses Projekt ne-
ben anderen Ausbauvorhaben dafür angemeldet und zuvor in den Jahren 2014/15 mit einer soge-
nannten „Vorplanungsstudie 2“ näher untersucht.

Die Kosten des Projektes betragen nach heutiger Einschätzung bis zu drei Milliarden Euro (ein-
schließlich des auf tschechischem Staatsgebiet liegenden Teils, der untrennbarer Bestandteil des
Vorhabens ist).
Mit der tschechischen NBS Ústí – Praha, ohne deren Effekt die kommunizierte Fahrzeit von 50 Mi-
nuten zwischen Dresden und Prag nicht möglich wäre, werden fünf Milliarden Euro erreicht – eine
Dimension in der Größenordnung der zwischenzeitlich zu großen Teilen realisierten NBS/ABS
München – Ingolstadt – Nürnberg.

Der BVWP 2030 wurde nach mehrmaliger Verschiebung schließlich 2016 im Bundestag beschlos-
sen, ohne daß die Bewertung der Schienenprojekte abgeschlossen war. Hierfür bildete man eigens
die Kategorie „Potenzieller Bedarf“, in welchem immerhin 46 Vorhaben platziert wurden, darunter
auch das dort „NBS Dresden – Prag“ genannte Projekt, das Gegenstand dieser Studie ist.

Mit der Beschreibung „Vorhaben des Potenziellen Bedarfs, die in den Vordringlichen Bedarf (VB)
aufsteigen können. Sobald nachgewiesen ist, daß diese Projekte die Kriterien für die Aufnahme in
den VB erfüllen, werden sie in den VB aufgenommen“ 3 wurde die Entscheidung über die Einstufung
dieser Vorhaben de facto dem Bundesministerium für Verkehr übertragen.
Der Bundesrat stimmte am 16.12.2016 diesem Gesetz zu.

1
  Die erste dem Verfasser dazu bekannte Arbeit stammt von Professor Manfred Zschweigert, Fakultät
Verkehrswissenschaften der TU Dresden und wurde 1996 in der Wissenschaftlichen Zeitschrift der TU
Dresden (Jg. 45 Heft 5) veröffentlicht
2
  Ein Begriff, den die HOAI nicht kennt
3
  Gesetz über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (Bundesschienenwegeausbaugesetz)
BSWAG, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23.12.2016, Seite 5
                                                                                                    6
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Seitdem sind einige Vorhaben, so auch die „NBS Dresden – Prag“ in den Vordringlichen Bedarf auf-
gerückt.
Eine Transparenz dieses Prozesses ist nicht gegeben, man kann den Eindruck gewinnen, die Pro-
jekte seien Verhandlungsmasse in allfälligen Abstimmungen zwischen der Bundesregierung und
den Bundesländern 4 oder dienten der Unterstützung von Landtagswahlkämpfen – die letzte be-
kanntgewordene Hochstufung betraf die Strecke Nürnberg – Amberg – Furth im Wald (– Prag) im
Mai diesen Jahres 5.

So kommt es wieder zur (aus den letzten Jahrzehnten bekannten) Situation im BVWP, daß eine
Vielzahl von Projekten um die bislang trotz aller Ankündigungen nicht substantiell erhöhten Mittel
konkurriert. Darunter sind zahlreiche Vorhaben, die seit langem im Bau sind und deren Fertigstel-
lung in wenigen Jahren möglich wäre.

Einen anderen Block, in dem auch die hier behandelte Strecke zu finden ist, bilden Vorhaben am
Beginn des Planungsprozesses, z.B. die ABS Berlin – Stralsund, die ABS Lehrte – Roßlau, die ABS
Koblenz – Mainz, die ABS Regensburg – Rosenheim oder die ABS Stuttgart – Nürnberg. Hinzu kom-
men zahlreiche Knotenmaßnahmen.

Auch wenn es dabei vorerst „nur“ um Planungskosten geht und dafür eine eigene Sammelverein-
barung zwischen dem Bund und der DB AG abgeschlossen wurde: Der auch hier erhebliche Mittel-
bedarf der NBS wird angesichts des sehr langen Realisierungshorizonts und der deutlich zeitnä-
her eintretenden Effekte anderer Projekte schwer einzuordnen sein.

Dessen ungeachtet kann das Projekt nach der Hochstufung und der Aufnahme in die Sammelver-
einbarung Nr. 38 zwischen Bund und DB AG planerisch bearbeitet werden, die Finanzierung aus
Bundesmitteln für die erste Leistungsphase ist damit gesichert.

Dem Vernehmen nach 6 beginnen aktuell die Planungstätigkeiten der DB Netz AG. Noch im Jahr
2018 soll das Raumordnungsverfahren eingeleitet werden.

Grundlage dieser hier vorgelegten Studie sind neben den Materialien zum BVWP und diversen
Fachartikeln vor allem die im Internet verfügbaren Unterlagen der Vorplanungsstudie 7 mit Stand
Anfang 2016.
Auch die Antwort der sächsischen Staatsregierung 8 auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis
90/Die Grünen zur geplanten NBS gab einen Input.

Neuere Planungsstände, von denen im Zuge der Presseberichterstattung über die Große Anfrage
und die Antwort dazu informell die Rede war, liegen der Öffentlichkeit und damit auch dem Autor
nicht vor und können somit nicht in die Bewertung einbezogen werden.

4
  Vgl. die (unabhängig davon sehr sinnvolle) Einordnung der ABS Weimar – Gera – Gößnitz in den VB
5
  https://www.otv.de/bayern-hoffnung-fuer-ertuechtigung-der-bahnstrecke-nuernberg-amberg-furth-prag-
326772/
6
  Pressemitteilung des SMWA vom 17. Mai 2018
7
  http://www.nbs.sachsen.de/11862.html
8
  vom 8. März 2018
                                                                                                       7
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1.2 Zielstellung / zu klärende Fragen

Für die Regierung des Freistaats Sachsen ist die in ihrem Sprachgebrauch NBS „Dresden–Prag“
genannte Maßnahme (im Folgenden weiterhin zutreffender „NBS Heidenau – Ústí nad Labem“ be-
zeichnet) nach eigenen Verlautbarungen das wichtigste Eisenbahn-Projekt in Sachsen.

Zu untersuchen sind deshalb hier die Fragen:
    • Ist diese Position fachlich gerechtfertigt?
    • Und ist diese Neubaustrecke zukunftstauglich ausgelegt und genügt den Anforderungen
       im Jahre 2035ff?

Die vorgelegte Studie soll es dem Auftraggeber somit ermöglichen, sich eine fundierte Meinung
zum Projekt einer Eisenbahn-Neubaustrecke (Dresden -) Heidenau – Ústí nad Labem (- Praha) auf
Basis von verkehrsplanerischen, eisenbahnbetriebswissenschaftlichen und verkehrswirtschaft-
lichen Fakten zu bilden und daraus die Entscheidung abzuleiten, ob man die Aufnahme des Projek-
tes in den Bundesverkehrswegeplan 2030 unterstützt.

Ergänzend zur aus Fraktionsmitteln beauftragten Studie wurde durch die Fraktion Bündnis90 / Die
Grünen eine Große Anfrage (GA) dazu an die Staatsregierung im Landtag gestellt 9.
Ziel dieser GA war, den aktuellen Stand der Planungen zu eruieren, die mit dem Projekt verbunde-
nen verkehrlichen Konzepte zu hinterfragen, die Auswirkungen des Projekts auf Mensch und Um-
welt zu beurteilen und nicht zuletzt zu erfahren, wie die Staatsregierung mit dem heutigen Lärm-
problem im oberen Elbtal umzugehen gedenkt – angesichts eines Realisierungshorizonts von
fünfundzwanzig Jahren für die NBS eine berechtigte Frage.

1.3 Gliederung der Studie

Zunächst wird der aktuelle Stand sowohl in Bezug auf die heutige Verkehrs- und Lärmsituation im
Elbtal als auch bezüglich der Vorbereitung des genannten Projektes analysiert.
Danach werden die bislang bekannten Planungsparameter des Vorhabens mit dem Schwerpunkt
auf das betriebliche Konzept und dessen Umsetzbarkeit untersucht und bewertet. Wegen des en-
gen verkehrlichen Zusammenhangs wird dabei ebenso die geplante NBS Ústí n. L. – Praha im dafür
notwendigen Umfang betrachtet.

In einem eigenen Kapitel wird dann die Zielerreichung beim Lärmschutz durch das Projekt unter-
sucht und mit möglichen Alternativen verglichen. Als weitere Ziele werden die Verkürzung der
Reisezeit, die Leistungsfähigkeit der neuen Strecke, die Minimierung von Umwelteinwirkungen
und die Hochwassersicherheit auf Erfüllung geprüft.

Die verkehrsplanerische Einordnung sowohl in Bezug auf die Prognosen im Korridor als auch auf
mögliche andere Lösungen leitet den Schlussteil der Studie ein. Dort werden außerdem die aktu-
elle Kostenprognose vorgestellt als auch die Finanzierungsmöglichkeiten beleuchtet. Auf dieser
Basis werden die Chancen einer dauerhaften Verankerung im Bundesverkehrswegeplan disku-
tiert.
Abschließend wird auf Basis der gesammelten Erkenntnisse eine Position formuliert, die das be-
trachtete Projekt aus Sicht einer nachhaltigen und ökologischen Verkehrspolitik bewertet. Dabei
werden auch Empfehlungen für die weitere politisch-parlamentarische Behandlung dieses The-
mas durch den Auftraggeber vorgelegt.

9
 http://www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Grosse_Anfra-
gen/6_Drs_11555_0_1_1_.pdf
                                                                                               8
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2 Heutige Situation und Planungsstand

2.1 Aktuelle verkehrliche Situation im Korridor Dresden – Ústí nad Labem

Gemäß aktuellem Netzfahrplan 2018 verkehren im am dichtesten belegten Streckenabschnitt
Pirna - Bad Schandau 241 Züge pro Tag in beiden Richtungen 10.

                                   Bad Schandau - Pirna              Pirna - Bad Schandau
        Züge SPFV                            7                                  7
        Züge SPNV                           38                                 38
         Züge SGV                           77                                 74
      Summe Richtung                       122                                119
                                  Bad Schandau - Pirna              Pirna - Bad Schandau
                                6:00- 22:00   22:00- 6:00         6:00- 22:00     22:00- 6:00
          Züge SPFV                  7              0                  7               0
          Züge SPNV                 32              6                  32              6
            Züge SGV                50             27                  53             21
     Summe Richtung                 89               33               92                27
 Tabelle 1: Aktuelle Streckenbelegung
Anders als bislang vom Freistaat Sachsen in diversen Publikationen dargestellt ist die Strecke da-
mit zwar gut belegt, aber nicht überlastet, wie im Vergleich der Belegung zur theoretischen Leis-
tungsfähigkeit zu sehen ist.

Für die Beurteilung der theoretischen Leistungsfähigkeit 11 der Gesamtstrecke bzw. der Nennleis-
tung ist der Abschnitt mit der geringsten errechneten Leistungsfähigkeit maßgebend. Dies ist ak-
tuell 12 der Abschnitt Pirna - Bad Schandau.

                                  Bad Schandau - Pirna              Pirna - Bad Schandau
                                6:00- 22:00     22:00- 6:00       6:00- 22:00     22:00- 6:00
       Ist-Daten 2013                       100                               100
       Ist-Daten 2014               77              30                 79             31
       Ist-Daten 2015               81              32                 86             31
       Ist-Daten 2016               81              27                 81             27
       Ist-Daten 2017               84              24                 80             29
        Fahrplan 2018               89              33                 92             27
        Nennleistung                  104            59               105               54
 Tabelle 2: Leistungsfähigkeit der Strecke

Der Vergleich der letzten Jahre bzw. des aktuellen Fahrplans mit der Nennleistung zeigt im Tages-
zeitraum begrenzte Reserven, was seine Ursache vor allem im relativ dichten S-Bahn-Verkehr im
Halbstundentakt hat. Nachts (ohne Personenverkehr) ist die Strecke nur gut zur Hälfte ausgelas-
tet.
Wie auch die Staatsregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage richtig anmerkt, sind die ver-
gleichsweise hohen Nennleistungswerte auf den geringen Geschwindigkeitsunterschied zwi-
schen Personen- und Güterzügen zurückzuführen, weil die Strecke im maßgebenden Abschnitt

10
   Quelle: Antwort der Staatsregierung auf die einschlägige Große Anfrage der Landtagsfraktion Bünd-
nis90 / Die Grünen vom 8. März 2018 – gilt auch für die weiteren Daten in 2.1
11
   Kapazität der Strecke (jedoch in Abhängigkeit vom Betriebsprogramm, insofern gibt es keine absolute
Leistungsfähigkeit)
12
   Dank der eigenen S-Bahn-Infrastruktur von Meißen bis Pirna
                                                                                                         9
Planung einer Eisenbahn-Neubaustrecke Heidenau - Ústí nad Labem Verkehrliche und betriebliche Bewertung
nur 100 bis 120 km/h erlaubt. Ergänzt werden kann, daß das relativ seltene Verkehren des
schnellsten Produkts (EC im Zweistundentakt mit Halt nur in Bad Schandau) die Leistungsfähigkeit
deutlich positiv beeinflusst – S-Bahn und Güterverkehr hingegen haben letztlich fast identische
Reisezeiten, was einen eng getakteten Fahrplan erlaubt.

Zusammengefasst verkehren somit heute auf dem Streckenabschnitt Pirna – Bad Schandau je
Richtung etwa 120 Züge täglich, davon 75 Güterzüge.
Die Zugzahlen der letzten Jahre sind in Summe etwa konstant geblieben, wobei sich der Anteil der
Züge, die zwischen 22 Uhr und 6 Uhr verkehren, tendenziell leicht verringert hat.

Die theoretische Leistungsfähigkeit bzw. Nennleistung auf Basis dieses Betriebsprogramms liegt
bei etwa 160 Zügen. Während die Auslastung in den Tagesstunden (6 Uhr bis 22 Uhr) wegen des
dichten S-Bahn-Verkehrs etwa 90 % beträgt, sind es nachts lediglich 50 %.
In der Vorplanungsstudie des SMWA (konkret in der Verkehrlichen Aufgabenstellung) wird die
Strecke eingangs als „perspektivisch überlastet“ dargestellt, woraus in der Folge jedoch im Text
nur „überlastet“ wird. Dies ist ausweislich der vorgenannten Werte nicht zutreffend.
Auch unter den formal auszuweisenden „überlasteten Schienenwegen“ in Anlage 4.3.2 der Schie-
nennetznutzungsbedingungen (SNB) 2019 der DB Netz AG 13 ist die Strecke nicht aufgeführt.

2.2 Aktuelle Lärmbelastung im Korridor Dresden – Schöna (- Ústí nad Labem)

2.2.1 Grundlagen

Gesetzliche Grundlage für den Schutz vor Verkehrslärm beim Neu- und Ausbau von Schienenstre-
cken ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) sowie die daraus abgeleitete Verkehrs-
lärmschutzverordnung (16. BImSchV). Dort sind die einzuhaltenden Lärmgrenzwerte verbindlich
geregelt.
Grundsätzlich soll Lärm durch den Zugverkehr so weit wie möglich vermieden bzw. reduziert wer-
den. Kann der Schienenlärm nicht vermieden bzw. ausreichend reduziert werden, müssen aktive
Schallschutzmaßnahmen (z. B. Schallschutzwände) oder passive Schallschutzmaßnahmen (i. d.
R. Schallschutzfenster) umgesetzt werden. Da mit Hilfe von Schallschutzwänden zusätzlich auch
Außenwohnbereiche wie z. B. Gärten und Balkone geschützt werden, sind sie oftmals zu bevorzu-
gen.

Ein gesetzlicher Anspruch eines Betroffenen auf Lärmschutz besteht nach dem Bundes-Immissi-
onsschutzgesetz (BImSchG) und den darauf basierenden Verordnungen nur dann, wenn Schie-
nenwege neu gebaut oder wesentlich geändert werden (Lärmvorsorge). In diesen Fällen wird im
Rahmen der planungsrechtlichen Zulassung entschieden, ob und welche Lärmschutzmaßnahmen
erforderlich sind.

Für die Ermittlung der aktuellen Lärmbelastung sind im Schienenverkehr bislang nur Berechnun-
gen (schalltechnische Untersuchung auf der Grundlage einer Verkehrsprognose) und keine Mes-
sungen vorgeschrieben.

13
 https://fahrweg.dbnetze.com/fahrweg-de/kunden/nutzungsbedingungen/nutzungsbedingungen/schie-
nennetz_benutzungsbedingungen/snb_2019-1369226
                                                                                                10
Auf Basis solcher Berechnungen der Lärmbelastung hat das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) im
Jahre 2017 die Umgebungslärmkartierung an Schienenwegen des Bundes durchgeführt 14. Damit
wurde die Kartierung an ca. 16.500 Streckenkilometern in einem Untersuchungsgebiet von mehr
als 50.000 km2 erstellt. Die Ergebnisse können online abgerufen werden 15.

Die Karten zeigen wahlweise den Tag-Abend-Nacht-Lärmindex 16 (LDEN) oder den Nachtlärmindex
(LNight). Zusätzlich lassen sich Lärmstatistiken und Verkehrsmengen (Zugfahrten/Jahr) anzeigen.
Getrennt für diese Beurteilungszeiträume werden Beurteilungspegel berechnet und mit den je-
weils einschlägigen Grenzwerten verglichen.

Diese Lärmkartierung ist Teil der Umsetzung der EU-Umgebungslärmrichtlinie. Sie dient dazu, die
Belastung durch Schienenverkehrslärm von Eisenbahnen des Bundes zu ermitteln und die Öffent-
lichkeit zu informieren.

An die Ergebnisse der Lärmkartierung knüpfen sich keine unmittelbaren Rechtsfolgen.
Die Lärmkartierung ist jedoch gemäß Bundes-Immissionsschutzgesetz die Grundlage für die
Lärmaktionsplanung. Das Eisenbahn-Bundesamt ist dafür zuständig, einen bundesweiten Lärm-
aktionsplan für die Haupteisenbahnstrecken des Bundes mit Maßnahmen in Bundeshoheit aufzu-
stellen sowie bei der Lärmaktionsplanung in den Ballungsräumen mitzuwirken.

Durch Lärmaktionspläne sollen in den Gebieten, die sich bei der Kartierung als besonders belastet
herausgestellt haben, Lärmauswirkungen geregelt und ruhige Gebiete vor Lärmzuwachs ge-
schützt werden. Lärmaktionspläne enthalten darum Ziele, Strategien und Maßnahmen zur Lärm-
minderung und legen Prioritäten für deren Umsetzung fest.

2.2.2 Ist-Situation

Das Obere Elbtal (verwaltungstechnisch abgegrenzt 17 durch die Territorien des Landkreises Mei-
ßen, der Landeshauptstadt Dresden und des Landkreises Sächsische Schweiz/Osterzgebirge,
wobei hier nur der Bereich südlich von Dresden betrachtet wird) ist im Bereich des namensgeben-
den Flusses Elbe erheblich mit Verkehrslärm belastet.
Einen großen Anteil daran hat der Schienenverkehr, der sich aufgrund historisch bedingter Lini-
enführungen zumeist dicht am Flusslauf bewegt.
Die Belastungen aus dem Straßenverkehr treten hingegen nur abschnittsweise auf, sind aber nicht
zu vernachlässigen.
Eine Lärmbelastung aus dem Schiffsverkehr ist vor allem wegen des geringen Aufkommens und
der geringen Schallemissionen nicht relevant.

Trotz der insbesondere in den Ortsdurchfahrten Heidenau, Pirna, Königstein und Bad Schandau
sowie Schmilka erheblichen Belastung aus dem Straßenverkehr wird dieser im Weiteren nicht
thematisiert, sollte jedoch zu Vergleichszwecken immer präsent sein, wenn es um die Einwirkun-
gen auf die Bevölkerung geht.

Die aktuellen Berechnungsergebnisse für die Lärmbelastung hat das Eisenbahn-Bundesamt
(EBA) im Jahre 2017 in Form einer neuen Umgebungslärmkartierung auf seiner homepage (sh.
2.2.1) veröffentlicht.

14
   Nach der EBA-Pressemitteilung 02/2017 vom 26.06.2017: Lärmkartierung - Neue Lärmkarten an
Schienenwegen veröffentlicht
15
   http://laermkartierung1.eisenbahn-bundesamt.de/mb3/app.php/application/eba
16
   Der Lärmindex ist die physikalische Kenngröße, die in der Lärmkartierung verwendet wird
17
   https://www.rpv-elbtalosterz.de/planungsregion#toggle-id-1
                                                                                               11
Dort sind auch für jede Kommune des Untersuchungsbereiches ausführliche Statistiken zur ge-
schätzten Zahl der vom Lärm betroffenen Menschen (wohnungsbezogen) sowie von Schulen und
Krankenhausgebäuden enthalten, unterteilt nach verschiedenen Pegelbereichen. Errechnet wird
daraus eine Lärmkennziffer, die die Lärmsituation bezogen auf den Lärmpegel und die davon be-
lasteten Einwohner beschreibt. Die Belastung durch Lärm soll damit vergleichbar gemacht wer-
den. Dargestellt sind auch die Ergebnisse der 1. Phase der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Lärmkar-
tierung.
In der Anlage dieser Studie sind ausgewählte Dokumentationsblätter enthalten.

Es fällt auf, daß die Gemeinden südlich von Pirna trotz eines unbestritten hohen Lärmpegels an der
Bahnstrecke nur geringe Lärmkennziffern aufweisen. Dies liegt daran, daß wegen der relativ ge-
ringen Einwohnerzahlen eben auch vergleichsweise wenige Menschen vom Lärm betroffen sind.

In der folgenden Tabelle sind die wesentlichen Werte dargestellt. Alle Daten dazu sind in einer wei-
teren Tabelle in der Anlage enthalten.

 Kommune                 Einwohner             LKZ         Summe       LKZ LN       Summe
                                             LDEN     bel. Ew DEN                  bel. Ew N
 Dresden                    530.754         141.075         26.245     208.774       60.689
 Heidenau                      16.151       28.306           4.908      42.079         9.609
 Pirna                       37.645         28.448           3.922      39.377         8.982
 Radebeul                    33.434          26.117          4.686      35.400         9.589
 Weinböhla                    10.066        14.244           2.720      21.752         4.668
 Nünchritz                     5.698         10.505           1.696     15.349         2.707
 Coswig                      20.560          10.047          2.223      14.768         5.384
 Bad Schandau                  3.832          9.579           1.276     14.265         1.687
 Riesa                        31.423         7.704            1.635     12.027         3.666
 Machern                       6.599          7.857          1.475       11.077        2.624
 Königstein                    2.166         8.703             641      10.964          847
 Zeithain                      5.768          5.752           1.110      8.505         2.128
 Stadt Wehlen                  1.626         5.246             542        7.142          723
 Priestewitz                   3.251          4.123            805        6.516        1.250
 Niederau                      3.938          3.817            648        5.613        1.020
 Rathen                         355          2.238             169       2.837           194
 Rathmannsdorf                   956           683             173        1.255          302
 Struppen                      2.512           620              86         882           153
 Reinh'dorf-Schöna             1.398           370              24         447            25
 Gohrisch                      2.002             13              3           15            3
 Lohmen                        3.095              0              0           0             0
Tabelle 3: Auswahl Berechnungsergebnisse Lärmbelastung (EBA 2017), in blau Kommunen zwischen Pirna
und Schöna

                                                                                                  12
Auch wenn man die Methodik der Ermittlung in Teilen kritisch sehen kann (so werden z. B. keine
touristischen Einrichtungen erfasst, was allerdings auch für vergleichbare Regionen wie das Mit-
telrheintal gilt), zeigen die Zahlen doch deutlich, daß der Schwerpunkt der Lärmbelastung auf der
Strecke Dresden – Schöna im Stadtgebiet Dresden liegt (von der Überschreitung des Lärmindex
Nacht sind hier mehr als 60.000 Einwohner betroffen).

Ab Pirna (einschl.) betrifft dies bis zur deutsch-tschechischen Grenze lediglich ca. 13.000 Einwoh-
ner, weniger als z. B. in Summe von Radebeul und Coswig, die zum Vergleich ebenfalls dargestellt
sind.

2.2.3 bisherige und mittelfristig absehbare Maßnahmen

Im Zuge der konventionellen Lärmsanierung wurden an der Strecke 6240 (Dresden - Schöna) im
Zeitraum 2002 bis 2013 bisher folgende Maßnahmen 18 durchgeführt:

     •   ca. 1.360 Wohneinheiten passiv saniert
     •   zwei Schallschutzwände mit einer Gesamtlänge von rd. 1.205 Metern (Lärmschutzwand in
         Dresden-Niedersedlitz Länge 940 Meter, Lärmschutzwand in Dresden-Strehlen Länge
         265 Meter) errichtet

Im Zuge der Sanierung wurden insgesamt ca. 7,7 Mio. Euro Bundesmittel investiert (Lärmschutz-
wände rd. 2,4 Mio. Euro, passive Maßnahmen rd. 5,3 Mio. Euro).

Wie bereits ausgeführt, gibt es derzeit nur im Zusammenhang mit Aus- und Neubaumaßnahmen
einen verbindlichen Anspruch auf Lärmschutz, wenn die entsprechenden Grenzwerte überschrit-
ten werden.

Nach den in den letzten Jahren ergangenen drei Planrechtsbescheiden für diesen Streckenab-
schnitt 19 sind außer den üblichen Vorgaben zur Begrenzung des Baulärms keine weiteren Auflagen
zur Umsetzung eines aktiven oder passiven Schallschutzes ergangen; es handelt sich jeweils um
reine Ersatzinvestitionen, für die der Bestandschutz gilt.

Wahrscheinlich ist eine formale Verpflichtung zum Lärmschutz im Zusammenhang mit dem Bau
des Elektronischen Stellwerks (ESTW) Bad Schandau Ost gegeben, da es dabei zu maßgeblichen
Veränderungen der vorhandenen Infrastruktur kommt. Zwar liegt hier noch kein Planrechtsbe-
schluss vor, die veröffentlichten Unterlagen der DB Netz AG im BauInfoPortal 20 stellen allerdings
(nachrichtlich) eine durchgehende Schallschutzwand in Höhe des Bahnhofes Bad Schandau Ost
auf ca. 1,5 km Länge sowie Maßnahmen des passiven Schallschutzes an zahlreichen Gebäuden dar.
Auch in der Baubeschreibung ist davon die Rede.

18
   Quelle: Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage der Landtagsfraktion Bündnis90 / Die Grü-
nen vom 8. März 2018
19
   EÜ Wehlen, Oberbauprogramm 2016 und Oberleitungserneuerung Bad Schandau, einsehbar auf der
homepage des EBA https://www.eba.bund.de/DE/Themen/Planfeststellung/planfeststellung_node.html
20
   https://bauprojekte.deutschebahn.com/p/oberes-elbtal
                                                                                                     13
Neben den Lärmschutzmaßnahmen, die gesetzlich erforderlich sind, gibt es seit 1999 das Pro-
gramm "Maßnahmen zur Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen der Eisenbahnen des
Bundes". Der Bund stellt dabei „freiwillig 21“ Mittel für Schallschutzmaßnahmen bereit. Nach mehr-
maliger Anhebung der Dotierung stehen nun seit 2016 für die Lärmsanierung an Schienenwegen
jährlich 150 Millionen Euro zur Verfügung.

In diesem Programm erfolgte im oberen Elbtal bereits zwischen 2011 und 2013 der Einbau von
Schienenstegdämpfern und der Ausbau von Isolierstößen 22.

Das Gesamtkonzept der Lärmsanierung wurde aufgrund des Wegfalls des Schienenbonus sowie
der Absenkung der Auslösewerte der Lärmsanierung um 3 dB(A) im Jahr 2016 aktualisiert. Bei der
Fortschreibung des Gesamtkonzepts wurden auch die bereits sanierten Streckenabschnitte wie
das obere Elbtal nochmals in die Betrachtung einbezogen. Streckenabschnitte, an denen bei der
Fortschreibung erneuter Sanierungsbedarf ermittelt wurde, konnten entsprechend der jeweiligen
Priorisierungskennzahl wieder als zu sanierende Streckenabschnitte in die Priorisierungsliste
eingereiht werden.

Die DB Netz AG hat im Rahmen dieses Lärmsanierungsprogramms des Bundes im Sommer 2017
eine Machbarkeitsuntersuchung 2324 für den Bereich Coswig-Weinböhla und das Obere Elbtal vor-
gestellt.
Unter Voraussetzung des regelmäßigen Unterhaltsschleifens* wurden für jede Gemeinde im be-
troffenen Gebiet Maßnahmen bzw. Maßnahmenpakete vorgeschlagen.

         *Anwendung des sogenannten „Besonders überwachten Gleises“ (BüG):
         Für den Kontakt zwischen Rad und Schiene gilt die einfache Regel: Je glatter Rad und Schiene,
         desto leiser rollt der Zug. Deshalb werden auf den Gleisabschnitten akustische Messfahrten
         durchgeführt und die Rollgeräusche zwischen Rad und Schiene durch regelmäßiges Schienen-
         schleifen deutlich reduziert. Die Protokolle der halbjährlichen Messfahrten werden dem Eisen-
         bahn-Bundesamt vorgelegt.

In der Machbarkeitsuntersuchung wurden zunächst 35 Einzelmaßnahmen identifiziert, die für zu-
sätzlichen Lärmschutz sorgen können. Insgesamt sollen in den nächsten Jahren Lärmschutz-
wände auf einer Länge von 33.420 m gebaut werden. Hinzu kommen Schienenstegdämpfer an den
Gleisen auf einer Länge von 34.360 m.
Mit den Schallschutzmaßnahmen sinkt die Zahl der betroffenen Anwohner mit LNight > 55 dB(A) von
19.700 auf 5.900 um 70 %, investiert sollen 61,7 Millionen Euro werden.

Da in den einzelnen Gemeinden die vorgeschlagenen Maßnahmen teilweise umstritten sind, beab-
sichtigt die DB Netz AG, jeweils Beschlüsse der Gemeinderäte einzuholen 25.

21
   Die dabei oftmals verwendete Vokabel soll darauf hinweisen, daß es (bislang) keine Rechtsverpflich-
tung zur Lärmsanierung für den Bund oder die DB Netz AG gibt.
22
   Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, Drucksache 18/11573 vom
20.03.2017
23
   Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist u.a. hier zu finden: http://www.koenigstein-sach-
sen.de/downloads/494_Machbarkeitsstudie.pdf
24
   Info der DB AG hierzu: https://www1.deutschebahn.com/laerm/gut_zu_wissen/aktuelles/MUElbtal-
1097236
25
   Eine angekündigte Veranstaltung dazu am 19. Juni 2018 in Bad Schandau konnte nicht mehr in diese
Studie einbezogen werden.
                                                                                                    14
2.3 Zielstellungen einer Ausbauplanung Dresden – Ústí – Praha

Die Staatsregierung betont in ihren Publikationen die große Bedeutung der Eisenbahnverbindung
durch das Elbtal als Bestandteil des Kernnetzkorridors Orient / Östliches Mittelmeer im Transeu-
ropäischen Verkehrsnetz sowohl für den internationalen (Güter-) Verkehr als auch für die Verbin-
dung zwischen Dresden und Prag.
Zur Untersetzung der damit verbundenen Ziele wird hier die jüngste Pressemitteilung des SMWA
zu diesem Thema in Auszügen wiedergegeben, die Hervorhebungen erfolgten durch den Autor.

    Pressemitteilung des SMWA vom 17.05.2018
    Verkehrsminister von Sachsen und Tschechien treiben Eisenbahn-Neubaustrecke Dresden – Prag vo-
    ran; Martin Dulig: „Vorhaben hat oberste Priorität"
    Am zweiten Tag seiner Prag-Reise hat sich Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig mit seinem tsche-
    chischen Amtskollegen Dan Ťok getroffen. Ein zentrales Thema des 90-minütigen intensiven Fachge-
    spräches war die Eisenbahn-Neubaustrecke (NBS) zwischen Dresden und Prag – nach Fertigstellung
    der Autobahn A17/D8 Ende 2016 das nun wichtigste gemeinsame Verkehrsprojekt. Dieses Vorhaben ist
    Ende 2017 in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes aufgerückt und befindet sich
    derzeit in der frühesten Phase der Vorplanung.
    Martin Dulig sagte nach dem Treffen mit Dan Ťok: „Verkehr endet nicht an Grenzen. Deshalb hat die Neu-
    baustrecke Dresden – Prag für Tschechien und Sachsen oberste Priorität. Gemeinsam werden wir die-
    ses wichtige Verkehrsvorhaben im Herzen Europas vorantreiben. Die Neubaustrecke lässt die dynami-
    schen Wirtschaftsräume Dresden und Prag noch näher zusammenrücken. Gleichzeitig entlasten wir
    die deutschen und tschechischen Autobahnen sowie das Elbtal vom Güterverkehr. Auch Tschechien hat
    großes Interesse daran, dass der europäische Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnverkehr durch das
    Land führt."
    … Möglichst noch im Laufe des Jahres 2018 soll das Raumordnungsverfahren eingeleitet werden. In
    Vorbereitung dazu wird es im Herbst 2018 eine Auftaktkonferenz unter Leitung der Landesdirektion
    Sachsen geben. „Ziel ist eine Trassenführung, die sowohl betriebliche, geologische als auch Siedlungs-
    und Umweltaspekte möglichst optimal berücksichtigt. Eine parallele Streckenführung entlang der
    Bundesautobahn 17 in einem gemeinsamen Korridor scheidet aufgrund der erforderlichen Querung des
    Osterzgebirges und den sich damit ergebenden Steigungen für den Eisenbahnverkehr aus", so Martin
    Dulig.
    Kernstück der Neubaustrecke ist ein 26,5 Kilometer langer Eisenbahntunnel durch das Osterzgebirge.
    Durch diese geplante Trassenführung und den Einsatz von Hochgeschwindigkeitszügen soll sich die
    Reisezeit zwischen den Wirtschaftszentren Dresden und Prag um rund 80 auf nur noch rund 50 Minuten
    verringern. Die Fahrtstrecke zwischen beiden Städten soll sich um 56 auf nur noch 140 Kilometer ver-
    kürzen.
    Die Verlegung des Personen- und Güterfernverkehrs auf die NBS wird den kurvenreichen Elbtaleng-
    pass deutlich von Durchgangsverkehr und Lärm entlasten. In dem am dichtesten belegten Streckenab-
    schnitt Pirna – Bad Schandau verkehren derzeit täglich bis zu 241 Züge des Fern-, Nah- und Güterver-
    kehrs. Es werden dort Lärmpegel von bis zu 75 Dezibel erreicht. Die Neubaustrecke kann nach derzei-
    tigem Stand bis zu 288 Personen- und Güterfernverkehrszüge pro Tag aufnehmen.
    Neben der unmittelbaren Verbindungsfunktion zwischen den Metropolen Dresden und Prag besitzt die
    leistungsfähigere und hochwassersichere NBS einen hohen Stellenwert für Europa insgesamt. Sie ist
    ein Teilstück des Korridors Orient/Östliches Mittelmeer – einer von insgesamt neun Kernnetzkorrido-
    ren des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V). Der Korridor verbindet die Wirtschaftszentren in
    Zentraleuropa mit den Seehäfen an Nord- und Ostsee, am Mittelmeer und am Schwarzen Meer.

Ob diese definierten Ziele mit der jetzigen Auslegung erreicht werden, wird in den Kapiteln 4 und 5
betrachtet.

                                                                                                        15
2.4 Planungsstand der NBS Heidenau – Ústí

Wie bereits erwähnt, gehen die ersten Untersuchungen zu einer Neubaustrecke durch das Erzge-
birge auf die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurück, fanden jedoch in der Politik noch
wenig Widerhall. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag im Jahr 2007 zur Zukunft
sächsischer Eisenbahnverbindungen 26 sieht die Bundesregierung keinen Bedarf für einen Ausbau
der Bestandsstrecke, obgleich für den damaligen BVWP 2003 für das Jahr 2015 200 Güterzüge pro
Tag prognostiziert wurden – die tatsächliche Zahl im aktuellen Fahrplan liegt bei 151 Zügen.

Natürlich können sich innerhalb von zehn Jahren politische Bewertungen ändern – auch bei ande-
ren Neubauprojekten war und ist dies der Fall. Interessant dabei sind aber die der damaligen Be-
wertung zugrunde gelegten Zugzahlen. Diese sind deutlich höher als jene, die heute prognostiziert
werden (sh. Kapitel 6). Die Schwelle, ab der eine Neubaustrecke gerechtfertigt scheint, muss also
inzwischen deutlich gesunken sein.

Ungeachtet dessen wurden seit 2007 durch den Freistaat Sachsen verschiedene Untersuchungen
und im Jahr 2014 eine „Vorplanungsstudie“ bei verschiedenen Ingenieurbüros beauftragt. Letztere
wurde bei Gesamtkosten von ca. 1,3 Mio. Euro zu 50 % mit EU-Mitteln gefördert.

Die übrigen Untersuchungen sind hier aufgeführt 27:

•    Machbarkeitsstudie 2008
•    Variantenuntersuchung 2009
•    Kosten-Nutzenanalyse 2010
•    Potentialanalyse 2011
•    Variantenuntersuchung 2012

Über die Höhe der Kosten in Summe und deren Finanzierung verweigerte die Staatsregierung in
ihrer Antwort auf die Große Anfrage im Landtag zu diesem Thema eine Aussage, indem sie sich auf
die Planungsdefinition der HOAI bezog – dabei aber vergessend, dass auch die Grundlagenermitt-
lung zur Planung gehört.
Die im Januar 2016 präsentierte Vorplanungsstudie ist in ihren zusammenfassenden Ergebnissen
im Internet einsehbar 28 und dient als letzter bekannter Planungsstand als Bezug für die Betrach-
tungen im Kapitel 3.

Auf formaler Ebene ist der Stand wie folgt:

Es liegen Absichtserklärungen über die Beschleunigung der Eisenbahnverbindung Dresden -
Prag sowie München - Prag von 2009 sowie für die weiteren Planungen zur Entwicklung der Eisen-
bahnverbindung zwischen der Tschechischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland zwi-
schen dem Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVI) und dem Ministerium
für Verkehrswesen der Tschechischen Republik vom 25. August 2017 vor.

Der im Frühjahr 2016 gegründete Europäische Verbund für Territoriale Zusammenarbeit „Eisen-
bahnneubaustrecke Dresden - Prag EVTZ" mit Sitz in Dresden besteht aus der Tschechischen Re-
publik, dem Freistaat Sachsen und den beiden betroffenen Gebietskörperschaften Bezirk Ústí nad
Labem und dem Landkreis Sächsische Schweiz / Osterzgebirge. Als Hauptaufgaben werden die

26
   Drucksache 16/5024 vom 16.04.2007, Abschnitt II
27
   Quelle: Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage der Landtagsfraktion Bündnis90 / Die Grü-
nen vom 8. März 2018
28
   http://www.nbs.sachsen.de/index.html
                                                                                                     16
technische sowie fachlich - organisatorische Unterstützung, Projektinitiierung und Koordinierung
sowie Öffentlichkeitsarbeit für die Eisenbahnneubaustrecke definiert.

Ende 2017 wurde das Vorhaben ohne parlamentarische Befassung vom BMVI aufgrund der zwi-
schenzeitlich abgeschlossenen Bewertung in den Vordringlichen Bedarf des BVWP eingeordnet
und in die Sammelvereinbarung 38 aufgenommen, die im Jahr 2018 durch die Bedarfsplanumset-
zungsvereinbarung (BUV) abgelöst wurde.

Eine trilaterale Vereinbarung zwischen Deutschland, der Tschechischen Republik und der Repub-
lik Österreich zur Entwicklung der Eisenbahnverbindung Berlin - Prag - Wien befindet sich in Er-
arbeitung. Am 9. Mai 2018 hat in Berlin eine Auftaktveranstaltung zum NBS-Projekt stattgefunden.
Dabei haben sich das Bundesverkehrsministerium, das tschechische Verkehrsministerium, die
DB Netz AG und das tschechische Eisenbahninfrastruktur-Unternehmen SZDC über weitere Ter-
mine und Schritte verständigt.

2.5 Erstellung des BVWP 2030

Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) nach Aussage des BMVI … „stellt als wichtigstes Instru-
ment der Verkehrsinfrastrukturplanung des Bundes die verkehrspolitischen Weichen für die kom-
menden 10 bis 15 Jahre. Er betrachtet dabei sowohl die Bestandsnetze als auch Aus- und Neubau-
projekte auf Straße, Schiene und Wasserstraße.
Die im … Bundesverkehrswegeplan bewerteten Vorhaben wurden einer Nutzen-Kosten-Analyse
unterzogen und zusätzlich umwelt- und naturschutzfachlich, raumordnerisch und städtebaulich
beurteilt. Auf dieser Basis wurden sie in verschiedene Dringlichkeitskategorien eingruppiert.
…
Der im BVWP 2030 vorgesehene Aus- und Neubau im Bereich des Schienennetzes orientiert sich
erstmals am Ziel eines Deutschland-Takts und bildet die infrastrukturelle Grundlage für seine Ein-
führung. Der Deutschland-Takt hat das Ziel, mit einem netzweit abgestimmten Taktangebot im
Schienenpersonenverkehr die Wegekette im System Bahn für eine große Anzahl von Personen at-
traktiver zu gestalten.“ 29

Jenseits dieses auch gesetzlich verankerten Anspruchs gab und gibt es aber weitere hier zu be-
achtende Dimensionen des BVWP.
Als größter Investitionshaushalt des Bundes unterliegt er zahlreichen Begehrlichkeiten, die nicht
selten den regionalen Nutzen über die im Bundesmaßstab zu vergleichende Sinnhaftigkeit eines
Projektes stellen. So kam es im Laufe der letzten drei Jahrzehnte zu einer dramatischen Unterfi-
nanzierung des BVWP, er enthielt deutlich mehr Maßnahmen als nach den aktuellen Haushalts-
rahmendaten realistisch war.

Obwohl zu Beginn des Erarbeitungsprozesses des BVWP 2030 (damals noch „2015“ genannt) das
politische Ziel ausgegeben wurde, den BVWP „zu entschlacken“ und nur noch mittelfristig finan-
zierbare Vorhaben darin aufzunehmen, wurden vor allem vor und nach der Bundestagswahl 2017
zahlreiche Eisenbahnprojekte in den „vordringlichen Bedarf“ hineindefiniert, so auch das hier zu
bewertende Projekt einer NBS zwischen Heidenau und Ústí nad Labem. Leider setzt dieser Trend
sich offenbar fort, wie im Punkt 7.3 herausgearbeitet wird.

Einzelheiten zu den dafür vorgenommenen Bewertungen sind bislang in keinem Falle veröffent-
licht worden. Diese fehlende Transparenz der Bundesregierung ist äußerst kritisch zu werten.

29
  http://www.bmvi.de/DE/Themen/Mobilitaet/Infrastrukturplanung-Investitionen/Bundesverkehrswege-
plan-2030/bundesverkehrswegeplan-2030.html
                                                                                                   17
Eine Offenlage der Bewertungsergebnisse wäre bei allen Projekten des BVWP zwingend erforder-
lich, denn diese sind der entscheidende Aspekt bei der Beurteilung der Chancen eines Vorhabens.

Für die NBS Heidenau – Ústí wurde anlässlich einer Anfrage im Bundestag 30 lediglich ein errech-
neter Nutzen-Kosten-Faktor von 1,3 durch das BMVI mitgeteilt. Interessanterweise wird dieser
Faktor 1,3 bereits in einer Präsentation des SMWA aus dem Jahr 2013 31 genannt – angesichts der
Volatilität der Einflussfaktoren und Parameter eine erstaunliche Übereinstimmung.

Zur aktuellen finanziellen Untersetzung der Schienenprojekte im Bundesverkehrswegeplan äu-
ßerte sich der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel (GRÜNE) in einer Pressemitteilung vom
30.10.2017 32 wie folgt (Auszüge, Hervorhebungen durch den Autor):

     „Schienenprojekte nicht finanziert - Brauchen Ausbauoffensive für Schiene“

     Nur langsam kommt die abschließende Bewertung der Schienenprojekte im Bundesschienenwege-
     ausbaugesetz voran. Die Projekte dieses Gesetzes wurden aus dem Bundesverkehrswegeplan (BVWP)
     abgeleitet.
     Im Gegensatz zur Straße (hier wurden alle 1.351 im Fernstraßenausbaugesetz -ebenfalls aus dem
     BVWP abgeleitet – verzeichneten Projekte bewertet) sind bei der Schiene viele Projekte des Bundes-
     verkehrswegeplans zum Zeitpunkt des Beschlusses der Ausbaugesetze noch nicht bewertet gewesen.
     Bei der Schiene sind im Bundesschienenwegeausbaugesetz 23 Projekte als Vordringlicher Bedarf ein-
     gestuft worden. Weitere 46 Projekte waren zu dem Zeitpunkt noch nicht bewertet und warteten seitdem
     im sogenannten „Potenziellen Bedarf“ auf ihre Bewertung, um im Falle der Wirtschaftlichkeit (Nutzen-
     Kosten-Verhältnis von 1,0 oder höher) automatisch in den Vordringlichen Bedarf aufzusteigen. …

     Für diese Projekte des Potenziellen Bedarfs wurden im angeblich mit solider Finanzierung hinterlegten
     BVWP Platzhalter eingeplant – und zwar in Höhe von 5.750 Millionen Euro.
     Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von mir geht nun hervor, dass für die ersten 5
     Projekte (von den 46 Projekten des Potentiellen Bedarfs), die seit Beschlussfassung im letzten Jahr be-
     wertet wurden, bereits 2.303 Millionen Euro – also 40 Prozent der gesamten Platzhalter – benötigt wer-
     den. Somit ist absehbar, dass der vorgesehene Kostenrahmen bei weitem nicht ausreichen wird, selbst
     wenn nicht alle Projekte wirtschaftlich sein sollten und somit nicht vordinglich werden.
     …
     Meine Bewertung:
     „Die Mittel für die Schiene werden aller Voraussicht nach nicht ausreichen. Die ersten 10% der erst
     nachträglich bewerteten Schienenprojekte beanspruchen bereits 40% der hierfür vorgesehenen Gel-
     der. Wir brauchen eine Ausbauoffensive für die Schiene. Die Kapazität muss erhöht werden, um Ver-
     lässlichkeit zu schaffen und Verkehre von der Straße auf die Schiene verlagern zu können. ....“

Durch die zusätzliche Einordnung der NBS Heidenau – Ústí und weiterer Projekte dürfte der Betrag
des Platzhalters inzwischen aufgebraucht sein – wie damit seitens des BMVI umgegangen wird, ist
unklar.

30
   BT-Drucksache 19/151 Nr. 63
31
   „Sächsisch-Böhmische Wachstumsachse“ von Dr. Peter Galiläer, 23.01.2013
32
   http://www.matthias-gastel.de/bundesverkehrswegeplan-schienenprojekte-nicht-finanziert/#.WyDwpP-
ZuI2w
                                                                                                          18
2.6 Geplanter weiterer Projektverlauf

Derzeit erfolgt der Beginn der Vorplanung durch die DB Netz AG, RB Südost, wie in Punkt 1.3 bereits
dargestellt. Möglichst noch im Laufe des Jahres 2018 soll das Raumordnungsverfahren eingeleitet
werden.

Nach den Vorstellungen des Freistaats Sachsen können die Planungen des Projektes nunmehr zü-
gig vorangehen. Zitat 33:

      „… Im Rahmen der Vorplanungsstudie ist ein Zeitplan erarbeitet worden, der die Unterschiede des öf-
     fentlichen Planungsrechts in Deutschland und der Tschechischen Republik und einen möglichen Bau-
     fortschritt berücksichtigt. Danach könnte eine Verkehrswirksamkeit der Strecke etwa ab 2035/2036
     möglich sein.
     Die Aufnahme des Vorhabens Ende 2017 in die Sammelvereinbarung 38 der DB AG und damit die auto-
     matische Überführung in die Bedarfsplanumsetzungsvereinbarung (BUV) ab 2018 ermöglicht den Be-
     ginn der Leistungsphasen 1 und 2 nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) in
     2018.
     Der weitere Planungsablauf hängt wesentlich von der Mittelbereitstellung des Bundes ab. Eine kon-
     krete Aussage zu den einzelnen Planungsphasen, die über die in der Vorplanungsstudie getroffenen
     Annahmen hinausgeht, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich.“

Die erwähnte Bedarfsplanumsetzungsvereinbarung (BUV) regelt zunächst die Finanzierung der
aktuellen Planungsphase. Die weitere Planung und Umsetzung der enthaltenen Vorhaben steht al-
lerdings unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit von Bundesmitteln – eine Garantie kann daraus
nicht abgeleitet werden.

Mit hoher Sicherheit ist davon auszugehen, daß die Leistungsphasen 1 und 2 der HOAI (Grundla-
genermittlung und Vorplanung) für dieses Projekt durchgeführt und abgeschlossen werden kön-
nen. Nicht allein wegen der zwischen Bund und Bahn abgeschlossenen Vereinbarung – diese kann
natürlich auch geändert werden – sondern wegen des politischen Umfelds.
In Sachsen werden im September 2019 Landtagswahlen stattfinden. Das nach eigenem Bekunden
wichtigste Verkehrsprojekt der Staatsregierung wird bis dahin auch in Berlin niemand offiziell in
Frage stellen.

Nach § 4 (1) BSWAG überprüft das BMVI „spätestens nach Ablauf von jeweils fünf Jahren, ob der
Bedarfsplan … anzupassen ist“. Auch wenn diese Frist in der Vergangenheit oftmals nicht einge-
halten wurde, steht zu erwarten, daß in die nächste BVWP-Überprüfung die Ergebnisse der Vor-
planung einfließen werden. Angesichts der im folgenden Kapitel geschilderten erheblichen be-
trieblichen Schwächen der jetzigen Auslegung des Vorhabens, die nur mit kostenintensiven Ände-
rungen behebbar sind, scheinen die Chancen auf eine Projektfortsetzung wegen des bereits jetzt
nur knapp positivem Nutzen-Kosten-Verhältnisses von 1,3 und der rückläufigen Prognosen des
Verkehrsaufkommens (sh. Punkt 6.1) nach Einschätzung des Autors eher gering.

Notwendige Einordnung der Bewertung:
Diese Aussage gilt nur bei Fortschreibung der jetzigen verkehrspolitischen Randbedingungen. Ein
radikales Umschwenken hin zu einer ökologischen Mobilität, wie es aus Klimaschutzgründen not-
wendig wäre, aber leider nicht realistisch ist, würde einen deutlich höheren Mitteleinsatz für
Schienenprojekte und eine steuernde Einflussnahme des Staates auf den Modal Split bedeuten.
Dann wären auch Vorhaben wie die NBS Heidenau – Ústí (bei einer optimierten Auslegung wohl-
gemerkt) realisierungswürdig.

33
  Quelle: Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage der Landtagsfraktion Bündnis90 / Die Grü-
nen vom 8. März 2018
                                                                                                       19
3 Planungsparameter der vorgesehenen Strecke

3.1 Quellen

Um die aktuelle Auslegung der NBS beurteilen zu können, wurde auf die Unterlagen der Vorpla-
nungsstudie, die im Auftrag des SMWA erstellt wurde und im Internet in Zusammenfassungen ein-
sehbar ist 34, zurückgegriffen.

Bei der Sichtung der Dokumente fiel zunächst auf, daß die Betriebliche Studie und die darauf ba-
sierende Verkehrliche Aufgabenstellung erst am Ende des Planungsprozesses (im November
bzw. Dezember 2015) durch die DB Netz AG erstellt wurden – zu einem Zeitpunkt, zu dem die be-
auftragten technischen Untersuchungen bereits nahezu abgeschlossen waren (die Vergabe der
Leistungen geschah in der zweiten Jahreshälfte 2014, die Bearbeitung in 2015 und die Präsentation
der Ergebnisse erfolgte im Januar 2016). Die Einbindung des künftigen Betreibers erfolgte somit
wohl erst nachträglich.

Es wurde also zuerst die Infrastruktur definiert und technisch bewertet und erst danach unter-
sucht, welche Leistungsfähigkeit und Betriebsqualität damit zu erreichen sind. Auf die dabei fest-
gestellten Mängel wird im Folgenden eingegangen – davon unabhängig widerspricht diese Vorge-
hensweise aber dem üblichen Procedere in der Infrastrukturplanung und ist allenfalls als Be-
standteil eines iterativen Prozesses zur Ermittlung der besten Lösung denkbar.

Da sich bei diesem Prozess allerdings erhebliche Änderungsanforderungen an die ursprüngliche
Planung ergeben können (und in diesem konkreten Fall auch unbedingt notwendig sind), kann von
einer Belastbarkeit der bisher ermittelten Kosten kaum ausgegangen werden.

3.2 Betriebliches Konzept

Die nachstehend aufgeführten Kritikpunkte entstammen zum Teil bereits der Verkehrlichen Auf-
gabenstellung der DB Netz AG 35, zum anderen Teil den Untersuchungen und Bewertungen des Au-
tors.

Allgemein ist festzustellen, daß nach der jetzigen Auslegung zahlreiche Engpässe von vornherein
„eingebaut“ werden sollen. In mehreren Punkten lässt sich dies auch kaum auf technische Zwänge
zurückführen, es ist zu vermuten, daß man die (gestiegenen) Anforderungen an einen modernen
Eisenbahnverkehr in zwanzig Jahren nicht genug bedacht hat.

Im Folgenden werden die erkannten Mängel kurz beschrieben. Ihre Diskussion und Erläuterung
erfolgt in den nächsten Punkten.

34
     http://nbs.sachsen.de/11862.html
35
     http://nbs.sachsen.de/download/neubaustrecke/NBS_Verkehrliche_Aufgabenstellung.pdf
                                                                                                20
3.2.1 Mängel der bisherigen Auslegung (Bewertung durch die DB Netz AG)

Für die DB Netz mag die Vorgabe gegolten haben, das untersuchte Konzept nicht grundsätzlich in
Frage zu stellen – die Bestätigung der Leistungsfähigkeit mutet eher halbherzig an, zumal in den
betrieblichen Untersuchungen einige Mängel klar benannt werden:

     •    Die Verzweigung von NBS und heutiger Strecke ist ungünstig gestaltet - es wird durch die DB
          Netz sogar die Genehmigungsfähigkeit im Sinne der damit erfolgenden Leistungsfähig-
          keitseinschränkung der Bestandsstrecke in Frage gestellt.
     •    Die Strecke soll in Richtung Tschechien auf sechs Kilometer Länge mit einer Steigung von 12
          Promille verlaufen – dies wird durch DB Netz selbst bei den aus Sicht des Autors für die Un-
          tersuchung zu gering gewählten Zuglasten kritisch gesehen.
     •    Aus Ústí-Zapad heraus müssen Güterzüge aus dem Stand in einen Abschnitt mit 12,5 Pro-
          mille Steigung einfahren – auch dies wird kritisch bewertet.
     •    In der Fahrplanstudie 36 wird darauf hingewiesen, daß der Bestandsabschnitt mit der Ver-
          knüpfung zum Betriebsbahnhof Dresden-Reick künftig der die Leistungsfähigkeit bestim-
          mende Abschnitt sein wird und somit die Kapazität der NBS gar nicht voll ausgeschöpft wer-
          den könne – Schlussfolgerungen daraus werden allerdings nicht gezogen.

3.2.2 Mängel der fahrplantechnischen Untersuchung

Eingangsdaten:

In der Verkehrlichen Aufgabenstellung (VkAst) der DB Netz AG vom 03.12.15 wird der schwerste
Güterzug auf der Strecke mit 2.200 t Zugmasse und der längste Zug mit 740 m definiert, was die
unteren Werte dessen darstellt, was man bereits für heutige Güterzüge ansetzen sollte.

Kritik:
    1. Mit den in der Studie genannten Triebfahrzeugbaureihen 182, 185 und 189 sind deutlich
        größere Wagenzugmassen traktionierbar und werden auch im realen Betrieb gefahren.
        Die o. g. Zugmasse für die Bemessung einer Strecke anzusetzen, die in zwanzig Jahren in
        Betrieb gehen soll, wird der Aufgabe nicht gerecht.
    2. In der Fachwelt gibt es seit langem ernsthafte Diskussionen, Güterzüge mit 1.000 m Länge
        und mehr zu fahren 37:
        - In Dänemark und seit kurzem auch von Padborg bis zum Rangierbahnhof Maschen sind
        bereits heute Züge mit 835 m Länge zulässig.
        - Frankreich hat bereits 1500 m lange Züge erprobt und will ab 2018 den Regelbetrieb mit
        1.000 Meter-Zügen aufnehmen 38.
        Auch hier gilt das bei 1. Geschriebene.

Abrundend dazu ein Zitat aus dem oben erwähnten Artikel von Prof. Siegmann, Leiter des Fachge-
biets Schienenfahrwege und Bahnbetrieb an der TU Berlin und Dr.-Ing. Zanuy, Generalsekretär des
European Rail Research Network of Excellence:

         „Das Langfristziel für den SGV (Schienengüterverkehr) in Europa sollte sein: 1.500 m lange
         Züge mit … > 5.000 Bt (Bruttotonnen) sicher im praktischen Betrieb durchführen.“

36
   http://nbs.sachsen.de/download/neubaustrecke/NBS_Fahrplanstudie.pdf unter 3.1 (Seite 12)
37
   Vgl. Eisenbahntechnische Rundschau 1+2/17, „Mehr Produktivität durch längere und intelligentere Gü-
terzüge“, Autoren Prof. Siegmann / Dr. Zanuy, Seiten 18 - 21
38
   Quelle: Rail Business 46/15 vom 09.11.2015, S. 8
                                                                                                      21
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