Planung einer Eisenbahn-Neubaustrecke Heidenau - Ústí nad Labem Verkehrliche und betriebliche Bewertung
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Rubriken Planung einer Eisenbahn-Neubaustrecke Heidenau – Ústí nad Labem Verkehrliche und betriebliche Bewertung Auftraggeber: Ersteller: Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dipl.-Ing. Sandro Zimmermann im Sächsischen Landtag ZIMMERMANN-VERKEHRSINGENIEURE Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 Glacisstraße 9a 01067 Dresden 01099 Dresden Seite 1
Planung einer Eisenbahn-Neubaustrecke Heidenau – Ústí nad Labem Verkehrliche und betriebliche Bewertung Auftraggeber: Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Ersteller: Dipl.-Ing. Sandro Zimmermann ZIMMERMANN-VERKEHRSINGENIEURE Glacisstraße 9a 01099 Dresden Dresden, den 17. Juni 2018 46 Seiten 6 Tabellen 12 Anlagen Seite 2
Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung der Studie 5 1 Ausgangssituation und Zielstellung der Studie 6 1.1 Ausgangssituation 6 1.2 Zielstellung / zu klärende Fragen 8 1.3 Gliederung der Studie 8 2 Heutige Situation und Planungsstand 9 2.1 Aktuelle verkehrliche Situation im Korridor Dresden – Ústí nad Labem 9 2.2 Aktuelle Lärmbelastung im Korridor Dresden – Schöna (- Ústí nad Labem) 10 2.2.1 Grundlagen 10 2.2.2 Ist-Situation 11 2.2.3 bisherige und mittelfristig absehbare Maßnahmen 13 2.3 Zielstellungen einer Ausbauplanung Dresden – Ústí – Praha 15 2.4 Planungsstand der NBS Heidenau – Ústí 16 2.5 Erstellung des BVWP 2030 17 2.6 Geplanter weiterer Projektverlauf 19 3 Planungsparameter der vorgesehenen Strecke 20 3.1 Quellen 20 3.2 Betriebliches Konzept 20 3.2.1 Mängel der bisherigen Auslegung (Bewertung durch die DB Netz AG) 21 3.2.2 Mängel der fahrplantechnischen Untersuchung 21 3.2.3 Betrachtung des vorgelagerten Abschnitts Dresden Hbf – Heidenau 23 3.2.4 Verknüpfung der Strecke mit dem Bestandsnetz 24 3.2.5 Anzahl der Überholbahnhöfe und Überleitstellen 25 3.3 Bewertung der Linienführung und ausgewählter Bauwerke 27 3.3.1 Linienführung und Trassierungsparameter 27 3.3.2 Talbrücken Heidenau und Pirna-Zehista 28 3.3.3 Erzgebirgstunnel 28 3.3.4 Einbindung der Strecke in das tschechische Bestandsnetz 29 3.4 Exkurs: Betrachtung der geplanten NBS Ústí nad Labem - Prag 29 4 Bewertung der Zielerreichung „Lärmschutz“ des Projektes 31 4.1 Effekte der NBS 31 4.2 Technische Maßnahmen des Lärmschutzes – aktueller Stand 32 4.3 Möglichkeiten des Monitorings des Lärmschutzes 33 5 Bewertung weiterer Zielerreichungen des Projektes 34 5.1 Ziel Verkürzung der Reisezeit 34 5.2 Ziel Leistungsfähigkeit 34 3
5.3 Ziel Minimierung von Umweltauswirkungen 35 5.4 Ziel Hochwassersicherheit 36 6 Verkehrsplanerische Einordnung 37 6.1 Prognosen für die Verkehrsentwicklung 37 6.2 Betriebliche Szenarien 38 6.3 Alternativen zur NBS 39 7 Kosten und Finanzierung des Projektes / BVWP-Einordnung 41 7.1 Kosten 41 7.2 Finanzierungsmodell / Nutzen-Kosten-Bewertung 43 8 Schlußfolgerungen und Handlungsempfehlung 44 8.1 Kernthesen 44 8.2 Zusammenfassende Bewertung / Handlungsempfehlungen für den Auftraggeber 45 Anlagen 46 4
Zusammenfassung der Studie In der vorgelegten Studie wird untersucht, ob das Projekt einer Eisenbahn-Neubaustrecke (Dres- den -) Heidenau – Ústí nad Labem (- Praha) auf Basis von verkehrsplanerischen, eisenbahnbe- triebswissenschaftlichen und verkehrswirtschaftlichen Fakten als sinnvoll einzustufen ist und die jetzige Planung den Anforderungen im Jahre 2035 ff. genügt. Der Autor kommt zu dem Schluss, daß es weder verkehrlich noch aus Gründen des Lärmschutzes eine hinreichende Rechtfertigung gibt, diese Strecke zu bauen. Zudem werden erhebliche Mängel der bisher bekannten Planungen herausgearbeitet. Folgende Thesen werden im Ergebnis der Untersuchungen aufgestellt: 1. Die Rechtfertigung einer Neubaustrecke muss sich entweder aus einem bereits vorhan- denen starken Verkehrsstrom ergeben oder aus der damit möglichen Bündelung mehre- rer Verkehrsströme abzuleiten sein. Beides ist hier nicht der Fall, die Strecke hat kaum eine Netzwirkung. Mehr als ein Zugpaar pro Stunde ist auch langfristig im Personenfernverkehr nicht zu erwarten. Eine kapazitive Überlastung des Streckenabschnitts kann im Ist-Zustand nicht festge- stellt werden. 2. Die aktuellen Güterverkehrsprognosen im Korridor Dresden – Ústí sind rückläufig und be- tragen aktuell lediglich noch 50 Zugpaare täglich - auch daraus lässt sich ein Bedarf nicht ableiten. 3. Das derzeit vorhandene Lärmproblem im Oberen Elbtal verringert sich stetig – dank der Umrüstung der Güterwagen und dem Einsatz konventioneller und neuartiger Lärmschutz- technik an der Strecke. 4. Die bislang bekannten Planungen genügen nicht den in zwanzig Jahren zu erwartenden Anforderungen an eine moderne Eisenbahnstrecke. Zu große Steigungen und eine un- günstige Anbindung an das Bestandsnetz sind hierbei die wesentlichen Kritikpunkte. 5. Für die vorhandene Strecke zwischen Dresden Hbf und Heidenau wäre im Falle der Reali- sierung der NBS ein Ausbau zwingend erforderlich, um die Kapazität der neuen Strecke überhaupt nutzen zu können. 6. Die in der Vorplanungsstudie genannten Kosten der NBS sind in einigen Gewerken deutlich zu niedrig angesetzt – statt 1,3 Mrd. € sind eher 1,9 Mrd. € zu erwarten. Auch für den tsche- chischen Projektteil muss von ähnlichen Kosten ausgegangen werden. 7. Das für das Projekt errechnete Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,3 ist aus den angeführten Gründen in der nächsten Bewertungsrunde des BVWP nicht zu halten – es wird ein Wert unter 1,0 vermutet. Damit fiele das Projekt aus dem Bedarfsplan Schiene wieder heraus, eine Finanzierungsgrundlage wäre nicht gegeben. 5
1 Ausgangssituation und Zielstellung der Studie 1.1 Ausgangssituation Die Sicherung der Mobilität für Menschen und Güter ist eine Grundvoraussetzung für das Funktio- nieren unserer Gesellschaft. Gleichzeitig sind für das Errichten und Vorhalten von Infrastruktur sowie den Betrieb von Ver- kehrssystemen erhebliche finanzielle Mittel notwendig. Darüber hinaus gehört der Verkehrsbe- reich zu den größten Energieverbrauchern und wirkt in vielfältiger Weise auf die Umwelt ein, z. B. durch Lärmemissionen. Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen sind deshalb immer zum einen auf ihre wirtschaftliche Sinn- haftigkeit, zum anderen aber auch auf ihre langfristige Nachhaltigkeit im Sinne eines Ausgleichs der Umwelteinwirkungen durch Bau und Betrieb der Anlagen durch den erzeugten gesamtwirt- schaftlichen Nutzen (verkehrlich, sozial und ökologisch) zu bewerten. Angesichts des immensen Finanzbedarfs und der begrenzten Haushaltsmittel gilt dies auch für Neu- und Ausbauprojekte der Eisenbahn, selbst wenn es gegenüber den Verkehrsträgern Straße und Luft naturgemäß einen umweltfachlichen Vorteil gibt. Die schon seit den neunziger Jahren 1 diskutierte Eisenbahn-Neubaustrecke (NBS) (Dresden -) Heidenau – Ústí nad Labem (- Prag) ist mit der zum Zeitpunkt der Erstellung der Studie technisch immer noch nicht beendeten Erarbeitung des neuen Bundesverkehrswegeplanes 2030 (BVWP 2030) wieder stärker ins Blickfeld geraten. Durch den Freistaat Sachsen wurde dieses Projekt ne- ben anderen Ausbauvorhaben dafür angemeldet und zuvor in den Jahren 2014/15 mit einer soge- nannten „Vorplanungsstudie 2“ näher untersucht. Die Kosten des Projektes betragen nach heutiger Einschätzung bis zu drei Milliarden Euro (ein- schließlich des auf tschechischem Staatsgebiet liegenden Teils, der untrennbarer Bestandteil des Vorhabens ist). Mit der tschechischen NBS Ústí – Praha, ohne deren Effekt die kommunizierte Fahrzeit von 50 Mi- nuten zwischen Dresden und Prag nicht möglich wäre, werden fünf Milliarden Euro erreicht – eine Dimension in der Größenordnung der zwischenzeitlich zu großen Teilen realisierten NBS/ABS München – Ingolstadt – Nürnberg. Der BVWP 2030 wurde nach mehrmaliger Verschiebung schließlich 2016 im Bundestag beschlos- sen, ohne daß die Bewertung der Schienenprojekte abgeschlossen war. Hierfür bildete man eigens die Kategorie „Potenzieller Bedarf“, in welchem immerhin 46 Vorhaben platziert wurden, darunter auch das dort „NBS Dresden – Prag“ genannte Projekt, das Gegenstand dieser Studie ist. Mit der Beschreibung „Vorhaben des Potenziellen Bedarfs, die in den Vordringlichen Bedarf (VB) aufsteigen können. Sobald nachgewiesen ist, daß diese Projekte die Kriterien für die Aufnahme in den VB erfüllen, werden sie in den VB aufgenommen“ 3 wurde die Entscheidung über die Einstufung dieser Vorhaben de facto dem Bundesministerium für Verkehr übertragen. Der Bundesrat stimmte am 16.12.2016 diesem Gesetz zu. 1 Die erste dem Verfasser dazu bekannte Arbeit stammt von Professor Manfred Zschweigert, Fakultät Verkehrswissenschaften der TU Dresden und wurde 1996 in der Wissenschaftlichen Zeitschrift der TU Dresden (Jg. 45 Heft 5) veröffentlicht 2 Ein Begriff, den die HOAI nicht kennt 3 Gesetz über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (Bundesschienenwegeausbaugesetz) BSWAG, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23.12.2016, Seite 5 6
Seitdem sind einige Vorhaben, so auch die „NBS Dresden – Prag“ in den Vordringlichen Bedarf auf- gerückt. Eine Transparenz dieses Prozesses ist nicht gegeben, man kann den Eindruck gewinnen, die Pro- jekte seien Verhandlungsmasse in allfälligen Abstimmungen zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern 4 oder dienten der Unterstützung von Landtagswahlkämpfen – die letzte be- kanntgewordene Hochstufung betraf die Strecke Nürnberg – Amberg – Furth im Wald (– Prag) im Mai diesen Jahres 5. So kommt es wieder zur (aus den letzten Jahrzehnten bekannten) Situation im BVWP, daß eine Vielzahl von Projekten um die bislang trotz aller Ankündigungen nicht substantiell erhöhten Mittel konkurriert. Darunter sind zahlreiche Vorhaben, die seit langem im Bau sind und deren Fertigstel- lung in wenigen Jahren möglich wäre. Einen anderen Block, in dem auch die hier behandelte Strecke zu finden ist, bilden Vorhaben am Beginn des Planungsprozesses, z.B. die ABS Berlin – Stralsund, die ABS Lehrte – Roßlau, die ABS Koblenz – Mainz, die ABS Regensburg – Rosenheim oder die ABS Stuttgart – Nürnberg. Hinzu kom- men zahlreiche Knotenmaßnahmen. Auch wenn es dabei vorerst „nur“ um Planungskosten geht und dafür eine eigene Sammelverein- barung zwischen dem Bund und der DB AG abgeschlossen wurde: Der auch hier erhebliche Mittel- bedarf der NBS wird angesichts des sehr langen Realisierungshorizonts und der deutlich zeitnä- her eintretenden Effekte anderer Projekte schwer einzuordnen sein. Dessen ungeachtet kann das Projekt nach der Hochstufung und der Aufnahme in die Sammelver- einbarung Nr. 38 zwischen Bund und DB AG planerisch bearbeitet werden, die Finanzierung aus Bundesmitteln für die erste Leistungsphase ist damit gesichert. Dem Vernehmen nach 6 beginnen aktuell die Planungstätigkeiten der DB Netz AG. Noch im Jahr 2018 soll das Raumordnungsverfahren eingeleitet werden. Grundlage dieser hier vorgelegten Studie sind neben den Materialien zum BVWP und diversen Fachartikeln vor allem die im Internet verfügbaren Unterlagen der Vorplanungsstudie 7 mit Stand Anfang 2016. Auch die Antwort der sächsischen Staatsregierung 8 auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur geplanten NBS gab einen Input. Neuere Planungsstände, von denen im Zuge der Presseberichterstattung über die Große Anfrage und die Antwort dazu informell die Rede war, liegen der Öffentlichkeit und damit auch dem Autor nicht vor und können somit nicht in die Bewertung einbezogen werden. 4 Vgl. die (unabhängig davon sehr sinnvolle) Einordnung der ABS Weimar – Gera – Gößnitz in den VB 5 https://www.otv.de/bayern-hoffnung-fuer-ertuechtigung-der-bahnstrecke-nuernberg-amberg-furth-prag- 326772/ 6 Pressemitteilung des SMWA vom 17. Mai 2018 7 http://www.nbs.sachsen.de/11862.html 8 vom 8. März 2018 7
1.2 Zielstellung / zu klärende Fragen Für die Regierung des Freistaats Sachsen ist die in ihrem Sprachgebrauch NBS „Dresden–Prag“ genannte Maßnahme (im Folgenden weiterhin zutreffender „NBS Heidenau – Ústí nad Labem“ be- zeichnet) nach eigenen Verlautbarungen das wichtigste Eisenbahn-Projekt in Sachsen. Zu untersuchen sind deshalb hier die Fragen: • Ist diese Position fachlich gerechtfertigt? • Und ist diese Neubaustrecke zukunftstauglich ausgelegt und genügt den Anforderungen im Jahre 2035ff? Die vorgelegte Studie soll es dem Auftraggeber somit ermöglichen, sich eine fundierte Meinung zum Projekt einer Eisenbahn-Neubaustrecke (Dresden -) Heidenau – Ústí nad Labem (- Praha) auf Basis von verkehrsplanerischen, eisenbahnbetriebswissenschaftlichen und verkehrswirtschaft- lichen Fakten zu bilden und daraus die Entscheidung abzuleiten, ob man die Aufnahme des Projek- tes in den Bundesverkehrswegeplan 2030 unterstützt. Ergänzend zur aus Fraktionsmitteln beauftragten Studie wurde durch die Fraktion Bündnis90 / Die Grünen eine Große Anfrage (GA) dazu an die Staatsregierung im Landtag gestellt 9. Ziel dieser GA war, den aktuellen Stand der Planungen zu eruieren, die mit dem Projekt verbunde- nen verkehrlichen Konzepte zu hinterfragen, die Auswirkungen des Projekts auf Mensch und Um- welt zu beurteilen und nicht zuletzt zu erfahren, wie die Staatsregierung mit dem heutigen Lärm- problem im oberen Elbtal umzugehen gedenkt – angesichts eines Realisierungshorizonts von fünfundzwanzig Jahren für die NBS eine berechtigte Frage. 1.3 Gliederung der Studie Zunächst wird der aktuelle Stand sowohl in Bezug auf die heutige Verkehrs- und Lärmsituation im Elbtal als auch bezüglich der Vorbereitung des genannten Projektes analysiert. Danach werden die bislang bekannten Planungsparameter des Vorhabens mit dem Schwerpunkt auf das betriebliche Konzept und dessen Umsetzbarkeit untersucht und bewertet. Wegen des en- gen verkehrlichen Zusammenhangs wird dabei ebenso die geplante NBS Ústí n. L. – Praha im dafür notwendigen Umfang betrachtet. In einem eigenen Kapitel wird dann die Zielerreichung beim Lärmschutz durch das Projekt unter- sucht und mit möglichen Alternativen verglichen. Als weitere Ziele werden die Verkürzung der Reisezeit, die Leistungsfähigkeit der neuen Strecke, die Minimierung von Umwelteinwirkungen und die Hochwassersicherheit auf Erfüllung geprüft. Die verkehrsplanerische Einordnung sowohl in Bezug auf die Prognosen im Korridor als auch auf mögliche andere Lösungen leitet den Schlussteil der Studie ein. Dort werden außerdem die aktu- elle Kostenprognose vorgestellt als auch die Finanzierungsmöglichkeiten beleuchtet. Auf dieser Basis werden die Chancen einer dauerhaften Verankerung im Bundesverkehrswegeplan disku- tiert. Abschließend wird auf Basis der gesammelten Erkenntnisse eine Position formuliert, die das be- trachtete Projekt aus Sicht einer nachhaltigen und ökologischen Verkehrspolitik bewertet. Dabei werden auch Empfehlungen für die weitere politisch-parlamentarische Behandlung dieses The- mas durch den Auftraggeber vorgelegt. 9 http://www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Grosse_Anfra- gen/6_Drs_11555_0_1_1_.pdf 8
2 Heutige Situation und Planungsstand 2.1 Aktuelle verkehrliche Situation im Korridor Dresden – Ústí nad Labem Gemäß aktuellem Netzfahrplan 2018 verkehren im am dichtesten belegten Streckenabschnitt Pirna - Bad Schandau 241 Züge pro Tag in beiden Richtungen 10. Bad Schandau - Pirna Pirna - Bad Schandau Züge SPFV 7 7 Züge SPNV 38 38 Züge SGV 77 74 Summe Richtung 122 119 Bad Schandau - Pirna Pirna - Bad Schandau 6:00- 22:00 22:00- 6:00 6:00- 22:00 22:00- 6:00 Züge SPFV 7 0 7 0 Züge SPNV 32 6 32 6 Züge SGV 50 27 53 21 Summe Richtung 89 33 92 27 Tabelle 1: Aktuelle Streckenbelegung Anders als bislang vom Freistaat Sachsen in diversen Publikationen dargestellt ist die Strecke da- mit zwar gut belegt, aber nicht überlastet, wie im Vergleich der Belegung zur theoretischen Leis- tungsfähigkeit zu sehen ist. Für die Beurteilung der theoretischen Leistungsfähigkeit 11 der Gesamtstrecke bzw. der Nennleis- tung ist der Abschnitt mit der geringsten errechneten Leistungsfähigkeit maßgebend. Dies ist ak- tuell 12 der Abschnitt Pirna - Bad Schandau. Bad Schandau - Pirna Pirna - Bad Schandau 6:00- 22:00 22:00- 6:00 6:00- 22:00 22:00- 6:00 Ist-Daten 2013 100 100 Ist-Daten 2014 77 30 79 31 Ist-Daten 2015 81 32 86 31 Ist-Daten 2016 81 27 81 27 Ist-Daten 2017 84 24 80 29 Fahrplan 2018 89 33 92 27 Nennleistung 104 59 105 54 Tabelle 2: Leistungsfähigkeit der Strecke Der Vergleich der letzten Jahre bzw. des aktuellen Fahrplans mit der Nennleistung zeigt im Tages- zeitraum begrenzte Reserven, was seine Ursache vor allem im relativ dichten S-Bahn-Verkehr im Halbstundentakt hat. Nachts (ohne Personenverkehr) ist die Strecke nur gut zur Hälfte ausgelas- tet. Wie auch die Staatsregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage richtig anmerkt, sind die ver- gleichsweise hohen Nennleistungswerte auf den geringen Geschwindigkeitsunterschied zwi- schen Personen- und Güterzügen zurückzuführen, weil die Strecke im maßgebenden Abschnitt 10 Quelle: Antwort der Staatsregierung auf die einschlägige Große Anfrage der Landtagsfraktion Bünd- nis90 / Die Grünen vom 8. März 2018 – gilt auch für die weiteren Daten in 2.1 11 Kapazität der Strecke (jedoch in Abhängigkeit vom Betriebsprogramm, insofern gibt es keine absolute Leistungsfähigkeit) 12 Dank der eigenen S-Bahn-Infrastruktur von Meißen bis Pirna 9
nur 100 bis 120 km/h erlaubt. Ergänzt werden kann, daß das relativ seltene Verkehren des schnellsten Produkts (EC im Zweistundentakt mit Halt nur in Bad Schandau) die Leistungsfähigkeit deutlich positiv beeinflusst – S-Bahn und Güterverkehr hingegen haben letztlich fast identische Reisezeiten, was einen eng getakteten Fahrplan erlaubt. Zusammengefasst verkehren somit heute auf dem Streckenabschnitt Pirna – Bad Schandau je Richtung etwa 120 Züge täglich, davon 75 Güterzüge. Die Zugzahlen der letzten Jahre sind in Summe etwa konstant geblieben, wobei sich der Anteil der Züge, die zwischen 22 Uhr und 6 Uhr verkehren, tendenziell leicht verringert hat. Die theoretische Leistungsfähigkeit bzw. Nennleistung auf Basis dieses Betriebsprogramms liegt bei etwa 160 Zügen. Während die Auslastung in den Tagesstunden (6 Uhr bis 22 Uhr) wegen des dichten S-Bahn-Verkehrs etwa 90 % beträgt, sind es nachts lediglich 50 %. In der Vorplanungsstudie des SMWA (konkret in der Verkehrlichen Aufgabenstellung) wird die Strecke eingangs als „perspektivisch überlastet“ dargestellt, woraus in der Folge jedoch im Text nur „überlastet“ wird. Dies ist ausweislich der vorgenannten Werte nicht zutreffend. Auch unter den formal auszuweisenden „überlasteten Schienenwegen“ in Anlage 4.3.2 der Schie- nennetznutzungsbedingungen (SNB) 2019 der DB Netz AG 13 ist die Strecke nicht aufgeführt. 2.2 Aktuelle Lärmbelastung im Korridor Dresden – Schöna (- Ústí nad Labem) 2.2.1 Grundlagen Gesetzliche Grundlage für den Schutz vor Verkehrslärm beim Neu- und Ausbau von Schienenstre- cken ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) sowie die daraus abgeleitete Verkehrs- lärmschutzverordnung (16. BImSchV). Dort sind die einzuhaltenden Lärmgrenzwerte verbindlich geregelt. Grundsätzlich soll Lärm durch den Zugverkehr so weit wie möglich vermieden bzw. reduziert wer- den. Kann der Schienenlärm nicht vermieden bzw. ausreichend reduziert werden, müssen aktive Schallschutzmaßnahmen (z. B. Schallschutzwände) oder passive Schallschutzmaßnahmen (i. d. R. Schallschutzfenster) umgesetzt werden. Da mit Hilfe von Schallschutzwänden zusätzlich auch Außenwohnbereiche wie z. B. Gärten und Balkone geschützt werden, sind sie oftmals zu bevorzu- gen. Ein gesetzlicher Anspruch eines Betroffenen auf Lärmschutz besteht nach dem Bundes-Immissi- onsschutzgesetz (BImSchG) und den darauf basierenden Verordnungen nur dann, wenn Schie- nenwege neu gebaut oder wesentlich geändert werden (Lärmvorsorge). In diesen Fällen wird im Rahmen der planungsrechtlichen Zulassung entschieden, ob und welche Lärmschutzmaßnahmen erforderlich sind. Für die Ermittlung der aktuellen Lärmbelastung sind im Schienenverkehr bislang nur Berechnun- gen (schalltechnische Untersuchung auf der Grundlage einer Verkehrsprognose) und keine Mes- sungen vorgeschrieben. 13 https://fahrweg.dbnetze.com/fahrweg-de/kunden/nutzungsbedingungen/nutzungsbedingungen/schie- nennetz_benutzungsbedingungen/snb_2019-1369226 10
Auf Basis solcher Berechnungen der Lärmbelastung hat das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) im Jahre 2017 die Umgebungslärmkartierung an Schienenwegen des Bundes durchgeführt 14. Damit wurde die Kartierung an ca. 16.500 Streckenkilometern in einem Untersuchungsgebiet von mehr als 50.000 km2 erstellt. Die Ergebnisse können online abgerufen werden 15. Die Karten zeigen wahlweise den Tag-Abend-Nacht-Lärmindex 16 (LDEN) oder den Nachtlärmindex (LNight). Zusätzlich lassen sich Lärmstatistiken und Verkehrsmengen (Zugfahrten/Jahr) anzeigen. Getrennt für diese Beurteilungszeiträume werden Beurteilungspegel berechnet und mit den je- weils einschlägigen Grenzwerten verglichen. Diese Lärmkartierung ist Teil der Umsetzung der EU-Umgebungslärmrichtlinie. Sie dient dazu, die Belastung durch Schienenverkehrslärm von Eisenbahnen des Bundes zu ermitteln und die Öffent- lichkeit zu informieren. An die Ergebnisse der Lärmkartierung knüpfen sich keine unmittelbaren Rechtsfolgen. Die Lärmkartierung ist jedoch gemäß Bundes-Immissionsschutzgesetz die Grundlage für die Lärmaktionsplanung. Das Eisenbahn-Bundesamt ist dafür zuständig, einen bundesweiten Lärm- aktionsplan für die Haupteisenbahnstrecken des Bundes mit Maßnahmen in Bundeshoheit aufzu- stellen sowie bei der Lärmaktionsplanung in den Ballungsräumen mitzuwirken. Durch Lärmaktionspläne sollen in den Gebieten, die sich bei der Kartierung als besonders belastet herausgestellt haben, Lärmauswirkungen geregelt und ruhige Gebiete vor Lärmzuwachs ge- schützt werden. Lärmaktionspläne enthalten darum Ziele, Strategien und Maßnahmen zur Lärm- minderung und legen Prioritäten für deren Umsetzung fest. 2.2.2 Ist-Situation Das Obere Elbtal (verwaltungstechnisch abgegrenzt 17 durch die Territorien des Landkreises Mei- ßen, der Landeshauptstadt Dresden und des Landkreises Sächsische Schweiz/Osterzgebirge, wobei hier nur der Bereich südlich von Dresden betrachtet wird) ist im Bereich des namensgeben- den Flusses Elbe erheblich mit Verkehrslärm belastet. Einen großen Anteil daran hat der Schienenverkehr, der sich aufgrund historisch bedingter Lini- enführungen zumeist dicht am Flusslauf bewegt. Die Belastungen aus dem Straßenverkehr treten hingegen nur abschnittsweise auf, sind aber nicht zu vernachlässigen. Eine Lärmbelastung aus dem Schiffsverkehr ist vor allem wegen des geringen Aufkommens und der geringen Schallemissionen nicht relevant. Trotz der insbesondere in den Ortsdurchfahrten Heidenau, Pirna, Königstein und Bad Schandau sowie Schmilka erheblichen Belastung aus dem Straßenverkehr wird dieser im Weiteren nicht thematisiert, sollte jedoch zu Vergleichszwecken immer präsent sein, wenn es um die Einwirkun- gen auf die Bevölkerung geht. Die aktuellen Berechnungsergebnisse für die Lärmbelastung hat das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) im Jahre 2017 in Form einer neuen Umgebungslärmkartierung auf seiner homepage (sh. 2.2.1) veröffentlicht. 14 Nach der EBA-Pressemitteilung 02/2017 vom 26.06.2017: Lärmkartierung - Neue Lärmkarten an Schienenwegen veröffentlicht 15 http://laermkartierung1.eisenbahn-bundesamt.de/mb3/app.php/application/eba 16 Der Lärmindex ist die physikalische Kenngröße, die in der Lärmkartierung verwendet wird 17 https://www.rpv-elbtalosterz.de/planungsregion#toggle-id-1 11
Dort sind auch für jede Kommune des Untersuchungsbereiches ausführliche Statistiken zur ge- schätzten Zahl der vom Lärm betroffenen Menschen (wohnungsbezogen) sowie von Schulen und Krankenhausgebäuden enthalten, unterteilt nach verschiedenen Pegelbereichen. Errechnet wird daraus eine Lärmkennziffer, die die Lärmsituation bezogen auf den Lärmpegel und die davon be- lasteten Einwohner beschreibt. Die Belastung durch Lärm soll damit vergleichbar gemacht wer- den. Dargestellt sind auch die Ergebnisse der 1. Phase der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Lärmkar- tierung. In der Anlage dieser Studie sind ausgewählte Dokumentationsblätter enthalten. Es fällt auf, daß die Gemeinden südlich von Pirna trotz eines unbestritten hohen Lärmpegels an der Bahnstrecke nur geringe Lärmkennziffern aufweisen. Dies liegt daran, daß wegen der relativ ge- ringen Einwohnerzahlen eben auch vergleichsweise wenige Menschen vom Lärm betroffen sind. In der folgenden Tabelle sind die wesentlichen Werte dargestellt. Alle Daten dazu sind in einer wei- teren Tabelle in der Anlage enthalten. Kommune Einwohner LKZ Summe LKZ LN Summe LDEN bel. Ew DEN bel. Ew N Dresden 530.754 141.075 26.245 208.774 60.689 Heidenau 16.151 28.306 4.908 42.079 9.609 Pirna 37.645 28.448 3.922 39.377 8.982 Radebeul 33.434 26.117 4.686 35.400 9.589 Weinböhla 10.066 14.244 2.720 21.752 4.668 Nünchritz 5.698 10.505 1.696 15.349 2.707 Coswig 20.560 10.047 2.223 14.768 5.384 Bad Schandau 3.832 9.579 1.276 14.265 1.687 Riesa 31.423 7.704 1.635 12.027 3.666 Machern 6.599 7.857 1.475 11.077 2.624 Königstein 2.166 8.703 641 10.964 847 Zeithain 5.768 5.752 1.110 8.505 2.128 Stadt Wehlen 1.626 5.246 542 7.142 723 Priestewitz 3.251 4.123 805 6.516 1.250 Niederau 3.938 3.817 648 5.613 1.020 Rathen 355 2.238 169 2.837 194 Rathmannsdorf 956 683 173 1.255 302 Struppen 2.512 620 86 882 153 Reinh'dorf-Schöna 1.398 370 24 447 25 Gohrisch 2.002 13 3 15 3 Lohmen 3.095 0 0 0 0 Tabelle 3: Auswahl Berechnungsergebnisse Lärmbelastung (EBA 2017), in blau Kommunen zwischen Pirna und Schöna 12
Auch wenn man die Methodik der Ermittlung in Teilen kritisch sehen kann (so werden z. B. keine touristischen Einrichtungen erfasst, was allerdings auch für vergleichbare Regionen wie das Mit- telrheintal gilt), zeigen die Zahlen doch deutlich, daß der Schwerpunkt der Lärmbelastung auf der Strecke Dresden – Schöna im Stadtgebiet Dresden liegt (von der Überschreitung des Lärmindex Nacht sind hier mehr als 60.000 Einwohner betroffen). Ab Pirna (einschl.) betrifft dies bis zur deutsch-tschechischen Grenze lediglich ca. 13.000 Einwoh- ner, weniger als z. B. in Summe von Radebeul und Coswig, die zum Vergleich ebenfalls dargestellt sind. 2.2.3 bisherige und mittelfristig absehbare Maßnahmen Im Zuge der konventionellen Lärmsanierung wurden an der Strecke 6240 (Dresden - Schöna) im Zeitraum 2002 bis 2013 bisher folgende Maßnahmen 18 durchgeführt: • ca. 1.360 Wohneinheiten passiv saniert • zwei Schallschutzwände mit einer Gesamtlänge von rd. 1.205 Metern (Lärmschutzwand in Dresden-Niedersedlitz Länge 940 Meter, Lärmschutzwand in Dresden-Strehlen Länge 265 Meter) errichtet Im Zuge der Sanierung wurden insgesamt ca. 7,7 Mio. Euro Bundesmittel investiert (Lärmschutz- wände rd. 2,4 Mio. Euro, passive Maßnahmen rd. 5,3 Mio. Euro). Wie bereits ausgeführt, gibt es derzeit nur im Zusammenhang mit Aus- und Neubaumaßnahmen einen verbindlichen Anspruch auf Lärmschutz, wenn die entsprechenden Grenzwerte überschrit- ten werden. Nach den in den letzten Jahren ergangenen drei Planrechtsbescheiden für diesen Streckenab- schnitt 19 sind außer den üblichen Vorgaben zur Begrenzung des Baulärms keine weiteren Auflagen zur Umsetzung eines aktiven oder passiven Schallschutzes ergangen; es handelt sich jeweils um reine Ersatzinvestitionen, für die der Bestandschutz gilt. Wahrscheinlich ist eine formale Verpflichtung zum Lärmschutz im Zusammenhang mit dem Bau des Elektronischen Stellwerks (ESTW) Bad Schandau Ost gegeben, da es dabei zu maßgeblichen Veränderungen der vorhandenen Infrastruktur kommt. Zwar liegt hier noch kein Planrechtsbe- schluss vor, die veröffentlichten Unterlagen der DB Netz AG im BauInfoPortal 20 stellen allerdings (nachrichtlich) eine durchgehende Schallschutzwand in Höhe des Bahnhofes Bad Schandau Ost auf ca. 1,5 km Länge sowie Maßnahmen des passiven Schallschutzes an zahlreichen Gebäuden dar. Auch in der Baubeschreibung ist davon die Rede. 18 Quelle: Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage der Landtagsfraktion Bündnis90 / Die Grü- nen vom 8. März 2018 19 EÜ Wehlen, Oberbauprogramm 2016 und Oberleitungserneuerung Bad Schandau, einsehbar auf der homepage des EBA https://www.eba.bund.de/DE/Themen/Planfeststellung/planfeststellung_node.html 20 https://bauprojekte.deutschebahn.com/p/oberes-elbtal 13
Neben den Lärmschutzmaßnahmen, die gesetzlich erforderlich sind, gibt es seit 1999 das Pro- gramm "Maßnahmen zur Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes". Der Bund stellt dabei „freiwillig 21“ Mittel für Schallschutzmaßnahmen bereit. Nach mehr- maliger Anhebung der Dotierung stehen nun seit 2016 für die Lärmsanierung an Schienenwegen jährlich 150 Millionen Euro zur Verfügung. In diesem Programm erfolgte im oberen Elbtal bereits zwischen 2011 und 2013 der Einbau von Schienenstegdämpfern und der Ausbau von Isolierstößen 22. Das Gesamtkonzept der Lärmsanierung wurde aufgrund des Wegfalls des Schienenbonus sowie der Absenkung der Auslösewerte der Lärmsanierung um 3 dB(A) im Jahr 2016 aktualisiert. Bei der Fortschreibung des Gesamtkonzepts wurden auch die bereits sanierten Streckenabschnitte wie das obere Elbtal nochmals in die Betrachtung einbezogen. Streckenabschnitte, an denen bei der Fortschreibung erneuter Sanierungsbedarf ermittelt wurde, konnten entsprechend der jeweiligen Priorisierungskennzahl wieder als zu sanierende Streckenabschnitte in die Priorisierungsliste eingereiht werden. Die DB Netz AG hat im Rahmen dieses Lärmsanierungsprogramms des Bundes im Sommer 2017 eine Machbarkeitsuntersuchung 2324 für den Bereich Coswig-Weinböhla und das Obere Elbtal vor- gestellt. Unter Voraussetzung des regelmäßigen Unterhaltsschleifens* wurden für jede Gemeinde im be- troffenen Gebiet Maßnahmen bzw. Maßnahmenpakete vorgeschlagen. *Anwendung des sogenannten „Besonders überwachten Gleises“ (BüG): Für den Kontakt zwischen Rad und Schiene gilt die einfache Regel: Je glatter Rad und Schiene, desto leiser rollt der Zug. Deshalb werden auf den Gleisabschnitten akustische Messfahrten durchgeführt und die Rollgeräusche zwischen Rad und Schiene durch regelmäßiges Schienen- schleifen deutlich reduziert. Die Protokolle der halbjährlichen Messfahrten werden dem Eisen- bahn-Bundesamt vorgelegt. In der Machbarkeitsuntersuchung wurden zunächst 35 Einzelmaßnahmen identifiziert, die für zu- sätzlichen Lärmschutz sorgen können. Insgesamt sollen in den nächsten Jahren Lärmschutz- wände auf einer Länge von 33.420 m gebaut werden. Hinzu kommen Schienenstegdämpfer an den Gleisen auf einer Länge von 34.360 m. Mit den Schallschutzmaßnahmen sinkt die Zahl der betroffenen Anwohner mit LNight > 55 dB(A) von 19.700 auf 5.900 um 70 %, investiert sollen 61,7 Millionen Euro werden. Da in den einzelnen Gemeinden die vorgeschlagenen Maßnahmen teilweise umstritten sind, beab- sichtigt die DB Netz AG, jeweils Beschlüsse der Gemeinderäte einzuholen 25. 21 Die dabei oftmals verwendete Vokabel soll darauf hinweisen, daß es (bislang) keine Rechtsverpflich- tung zur Lärmsanierung für den Bund oder die DB Netz AG gibt. 22 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, Drucksache 18/11573 vom 20.03.2017 23 Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist u.a. hier zu finden: http://www.koenigstein-sach- sen.de/downloads/494_Machbarkeitsstudie.pdf 24 Info der DB AG hierzu: https://www1.deutschebahn.com/laerm/gut_zu_wissen/aktuelles/MUElbtal- 1097236 25 Eine angekündigte Veranstaltung dazu am 19. Juni 2018 in Bad Schandau konnte nicht mehr in diese Studie einbezogen werden. 14
2.3 Zielstellungen einer Ausbauplanung Dresden – Ústí – Praha Die Staatsregierung betont in ihren Publikationen die große Bedeutung der Eisenbahnverbindung durch das Elbtal als Bestandteil des Kernnetzkorridors Orient / Östliches Mittelmeer im Transeu- ropäischen Verkehrsnetz sowohl für den internationalen (Güter-) Verkehr als auch für die Verbin- dung zwischen Dresden und Prag. Zur Untersetzung der damit verbundenen Ziele wird hier die jüngste Pressemitteilung des SMWA zu diesem Thema in Auszügen wiedergegeben, die Hervorhebungen erfolgten durch den Autor. Pressemitteilung des SMWA vom 17.05.2018 Verkehrsminister von Sachsen und Tschechien treiben Eisenbahn-Neubaustrecke Dresden – Prag vo- ran; Martin Dulig: „Vorhaben hat oberste Priorität" Am zweiten Tag seiner Prag-Reise hat sich Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig mit seinem tsche- chischen Amtskollegen Dan Ťok getroffen. Ein zentrales Thema des 90-minütigen intensiven Fachge- spräches war die Eisenbahn-Neubaustrecke (NBS) zwischen Dresden und Prag – nach Fertigstellung der Autobahn A17/D8 Ende 2016 das nun wichtigste gemeinsame Verkehrsprojekt. Dieses Vorhaben ist Ende 2017 in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes aufgerückt und befindet sich derzeit in der frühesten Phase der Vorplanung. Martin Dulig sagte nach dem Treffen mit Dan Ťok: „Verkehr endet nicht an Grenzen. Deshalb hat die Neu- baustrecke Dresden – Prag für Tschechien und Sachsen oberste Priorität. Gemeinsam werden wir die- ses wichtige Verkehrsvorhaben im Herzen Europas vorantreiben. Die Neubaustrecke lässt die dynami- schen Wirtschaftsräume Dresden und Prag noch näher zusammenrücken. Gleichzeitig entlasten wir die deutschen und tschechischen Autobahnen sowie das Elbtal vom Güterverkehr. Auch Tschechien hat großes Interesse daran, dass der europäische Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnverkehr durch das Land führt." … Möglichst noch im Laufe des Jahres 2018 soll das Raumordnungsverfahren eingeleitet werden. In Vorbereitung dazu wird es im Herbst 2018 eine Auftaktkonferenz unter Leitung der Landesdirektion Sachsen geben. „Ziel ist eine Trassenführung, die sowohl betriebliche, geologische als auch Siedlungs- und Umweltaspekte möglichst optimal berücksichtigt. Eine parallele Streckenführung entlang der Bundesautobahn 17 in einem gemeinsamen Korridor scheidet aufgrund der erforderlichen Querung des Osterzgebirges und den sich damit ergebenden Steigungen für den Eisenbahnverkehr aus", so Martin Dulig. Kernstück der Neubaustrecke ist ein 26,5 Kilometer langer Eisenbahntunnel durch das Osterzgebirge. Durch diese geplante Trassenführung und den Einsatz von Hochgeschwindigkeitszügen soll sich die Reisezeit zwischen den Wirtschaftszentren Dresden und Prag um rund 80 auf nur noch rund 50 Minuten verringern. Die Fahrtstrecke zwischen beiden Städten soll sich um 56 auf nur noch 140 Kilometer ver- kürzen. Die Verlegung des Personen- und Güterfernverkehrs auf die NBS wird den kurvenreichen Elbtaleng- pass deutlich von Durchgangsverkehr und Lärm entlasten. In dem am dichtesten belegten Streckenab- schnitt Pirna – Bad Schandau verkehren derzeit täglich bis zu 241 Züge des Fern-, Nah- und Güterver- kehrs. Es werden dort Lärmpegel von bis zu 75 Dezibel erreicht. Die Neubaustrecke kann nach derzei- tigem Stand bis zu 288 Personen- und Güterfernverkehrszüge pro Tag aufnehmen. Neben der unmittelbaren Verbindungsfunktion zwischen den Metropolen Dresden und Prag besitzt die leistungsfähigere und hochwassersichere NBS einen hohen Stellenwert für Europa insgesamt. Sie ist ein Teilstück des Korridors Orient/Östliches Mittelmeer – einer von insgesamt neun Kernnetzkorrido- ren des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V). Der Korridor verbindet die Wirtschaftszentren in Zentraleuropa mit den Seehäfen an Nord- und Ostsee, am Mittelmeer und am Schwarzen Meer. Ob diese definierten Ziele mit der jetzigen Auslegung erreicht werden, wird in den Kapiteln 4 und 5 betrachtet. 15
2.4 Planungsstand der NBS Heidenau – Ústí Wie bereits erwähnt, gehen die ersten Untersuchungen zu einer Neubaustrecke durch das Erzge- birge auf die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurück, fanden jedoch in der Politik noch wenig Widerhall. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag im Jahr 2007 zur Zukunft sächsischer Eisenbahnverbindungen 26 sieht die Bundesregierung keinen Bedarf für einen Ausbau der Bestandsstrecke, obgleich für den damaligen BVWP 2003 für das Jahr 2015 200 Güterzüge pro Tag prognostiziert wurden – die tatsächliche Zahl im aktuellen Fahrplan liegt bei 151 Zügen. Natürlich können sich innerhalb von zehn Jahren politische Bewertungen ändern – auch bei ande- ren Neubauprojekten war und ist dies der Fall. Interessant dabei sind aber die der damaligen Be- wertung zugrunde gelegten Zugzahlen. Diese sind deutlich höher als jene, die heute prognostiziert werden (sh. Kapitel 6). Die Schwelle, ab der eine Neubaustrecke gerechtfertigt scheint, muss also inzwischen deutlich gesunken sein. Ungeachtet dessen wurden seit 2007 durch den Freistaat Sachsen verschiedene Untersuchungen und im Jahr 2014 eine „Vorplanungsstudie“ bei verschiedenen Ingenieurbüros beauftragt. Letztere wurde bei Gesamtkosten von ca. 1,3 Mio. Euro zu 50 % mit EU-Mitteln gefördert. Die übrigen Untersuchungen sind hier aufgeführt 27: • Machbarkeitsstudie 2008 • Variantenuntersuchung 2009 • Kosten-Nutzenanalyse 2010 • Potentialanalyse 2011 • Variantenuntersuchung 2012 Über die Höhe der Kosten in Summe und deren Finanzierung verweigerte die Staatsregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage im Landtag zu diesem Thema eine Aussage, indem sie sich auf die Planungsdefinition der HOAI bezog – dabei aber vergessend, dass auch die Grundlagenermitt- lung zur Planung gehört. Die im Januar 2016 präsentierte Vorplanungsstudie ist in ihren zusammenfassenden Ergebnissen im Internet einsehbar 28 und dient als letzter bekannter Planungsstand als Bezug für die Betrach- tungen im Kapitel 3. Auf formaler Ebene ist der Stand wie folgt: Es liegen Absichtserklärungen über die Beschleunigung der Eisenbahnverbindung Dresden - Prag sowie München - Prag von 2009 sowie für die weiteren Planungen zur Entwicklung der Eisen- bahnverbindung zwischen der Tschechischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland zwi- schen dem Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVI) und dem Ministerium für Verkehrswesen der Tschechischen Republik vom 25. August 2017 vor. Der im Frühjahr 2016 gegründete Europäische Verbund für Territoriale Zusammenarbeit „Eisen- bahnneubaustrecke Dresden - Prag EVTZ" mit Sitz in Dresden besteht aus der Tschechischen Re- publik, dem Freistaat Sachsen und den beiden betroffenen Gebietskörperschaften Bezirk Ústí nad Labem und dem Landkreis Sächsische Schweiz / Osterzgebirge. Als Hauptaufgaben werden die 26 Drucksache 16/5024 vom 16.04.2007, Abschnitt II 27 Quelle: Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage der Landtagsfraktion Bündnis90 / Die Grü- nen vom 8. März 2018 28 http://www.nbs.sachsen.de/index.html 16
technische sowie fachlich - organisatorische Unterstützung, Projektinitiierung und Koordinierung sowie Öffentlichkeitsarbeit für die Eisenbahnneubaustrecke definiert. Ende 2017 wurde das Vorhaben ohne parlamentarische Befassung vom BMVI aufgrund der zwi- schenzeitlich abgeschlossenen Bewertung in den Vordringlichen Bedarf des BVWP eingeordnet und in die Sammelvereinbarung 38 aufgenommen, die im Jahr 2018 durch die Bedarfsplanumset- zungsvereinbarung (BUV) abgelöst wurde. Eine trilaterale Vereinbarung zwischen Deutschland, der Tschechischen Republik und der Repub- lik Österreich zur Entwicklung der Eisenbahnverbindung Berlin - Prag - Wien befindet sich in Er- arbeitung. Am 9. Mai 2018 hat in Berlin eine Auftaktveranstaltung zum NBS-Projekt stattgefunden. Dabei haben sich das Bundesverkehrsministerium, das tschechische Verkehrsministerium, die DB Netz AG und das tschechische Eisenbahninfrastruktur-Unternehmen SZDC über weitere Ter- mine und Schritte verständigt. 2.5 Erstellung des BVWP 2030 Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) nach Aussage des BMVI … „stellt als wichtigstes Instru- ment der Verkehrsinfrastrukturplanung des Bundes die verkehrspolitischen Weichen für die kom- menden 10 bis 15 Jahre. Er betrachtet dabei sowohl die Bestandsnetze als auch Aus- und Neubau- projekte auf Straße, Schiene und Wasserstraße. Die im … Bundesverkehrswegeplan bewerteten Vorhaben wurden einer Nutzen-Kosten-Analyse unterzogen und zusätzlich umwelt- und naturschutzfachlich, raumordnerisch und städtebaulich beurteilt. Auf dieser Basis wurden sie in verschiedene Dringlichkeitskategorien eingruppiert. … Der im BVWP 2030 vorgesehene Aus- und Neubau im Bereich des Schienennetzes orientiert sich erstmals am Ziel eines Deutschland-Takts und bildet die infrastrukturelle Grundlage für seine Ein- führung. Der Deutschland-Takt hat das Ziel, mit einem netzweit abgestimmten Taktangebot im Schienenpersonenverkehr die Wegekette im System Bahn für eine große Anzahl von Personen at- traktiver zu gestalten.“ 29 Jenseits dieses auch gesetzlich verankerten Anspruchs gab und gibt es aber weitere hier zu be- achtende Dimensionen des BVWP. Als größter Investitionshaushalt des Bundes unterliegt er zahlreichen Begehrlichkeiten, die nicht selten den regionalen Nutzen über die im Bundesmaßstab zu vergleichende Sinnhaftigkeit eines Projektes stellen. So kam es im Laufe der letzten drei Jahrzehnte zu einer dramatischen Unterfi- nanzierung des BVWP, er enthielt deutlich mehr Maßnahmen als nach den aktuellen Haushalts- rahmendaten realistisch war. Obwohl zu Beginn des Erarbeitungsprozesses des BVWP 2030 (damals noch „2015“ genannt) das politische Ziel ausgegeben wurde, den BVWP „zu entschlacken“ und nur noch mittelfristig finan- zierbare Vorhaben darin aufzunehmen, wurden vor allem vor und nach der Bundestagswahl 2017 zahlreiche Eisenbahnprojekte in den „vordringlichen Bedarf“ hineindefiniert, so auch das hier zu bewertende Projekt einer NBS zwischen Heidenau und Ústí nad Labem. Leider setzt dieser Trend sich offenbar fort, wie im Punkt 7.3 herausgearbeitet wird. Einzelheiten zu den dafür vorgenommenen Bewertungen sind bislang in keinem Falle veröffent- licht worden. Diese fehlende Transparenz der Bundesregierung ist äußerst kritisch zu werten. 29 http://www.bmvi.de/DE/Themen/Mobilitaet/Infrastrukturplanung-Investitionen/Bundesverkehrswege- plan-2030/bundesverkehrswegeplan-2030.html 17
Eine Offenlage der Bewertungsergebnisse wäre bei allen Projekten des BVWP zwingend erforder- lich, denn diese sind der entscheidende Aspekt bei der Beurteilung der Chancen eines Vorhabens. Für die NBS Heidenau – Ústí wurde anlässlich einer Anfrage im Bundestag 30 lediglich ein errech- neter Nutzen-Kosten-Faktor von 1,3 durch das BMVI mitgeteilt. Interessanterweise wird dieser Faktor 1,3 bereits in einer Präsentation des SMWA aus dem Jahr 2013 31 genannt – angesichts der Volatilität der Einflussfaktoren und Parameter eine erstaunliche Übereinstimmung. Zur aktuellen finanziellen Untersetzung der Schienenprojekte im Bundesverkehrswegeplan äu- ßerte sich der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel (GRÜNE) in einer Pressemitteilung vom 30.10.2017 32 wie folgt (Auszüge, Hervorhebungen durch den Autor): „Schienenprojekte nicht finanziert - Brauchen Ausbauoffensive für Schiene“ Nur langsam kommt die abschließende Bewertung der Schienenprojekte im Bundesschienenwege- ausbaugesetz voran. Die Projekte dieses Gesetzes wurden aus dem Bundesverkehrswegeplan (BVWP) abgeleitet. Im Gegensatz zur Straße (hier wurden alle 1.351 im Fernstraßenausbaugesetz -ebenfalls aus dem BVWP abgeleitet – verzeichneten Projekte bewertet) sind bei der Schiene viele Projekte des Bundes- verkehrswegeplans zum Zeitpunkt des Beschlusses der Ausbaugesetze noch nicht bewertet gewesen. Bei der Schiene sind im Bundesschienenwegeausbaugesetz 23 Projekte als Vordringlicher Bedarf ein- gestuft worden. Weitere 46 Projekte waren zu dem Zeitpunkt noch nicht bewertet und warteten seitdem im sogenannten „Potenziellen Bedarf“ auf ihre Bewertung, um im Falle der Wirtschaftlichkeit (Nutzen- Kosten-Verhältnis von 1,0 oder höher) automatisch in den Vordringlichen Bedarf aufzusteigen. … Für diese Projekte des Potenziellen Bedarfs wurden im angeblich mit solider Finanzierung hinterlegten BVWP Platzhalter eingeplant – und zwar in Höhe von 5.750 Millionen Euro. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von mir geht nun hervor, dass für die ersten 5 Projekte (von den 46 Projekten des Potentiellen Bedarfs), die seit Beschlussfassung im letzten Jahr be- wertet wurden, bereits 2.303 Millionen Euro – also 40 Prozent der gesamten Platzhalter – benötigt wer- den. Somit ist absehbar, dass der vorgesehene Kostenrahmen bei weitem nicht ausreichen wird, selbst wenn nicht alle Projekte wirtschaftlich sein sollten und somit nicht vordinglich werden. … Meine Bewertung: „Die Mittel für die Schiene werden aller Voraussicht nach nicht ausreichen. Die ersten 10% der erst nachträglich bewerteten Schienenprojekte beanspruchen bereits 40% der hierfür vorgesehenen Gel- der. Wir brauchen eine Ausbauoffensive für die Schiene. Die Kapazität muss erhöht werden, um Ver- lässlichkeit zu schaffen und Verkehre von der Straße auf die Schiene verlagern zu können. ....“ Durch die zusätzliche Einordnung der NBS Heidenau – Ústí und weiterer Projekte dürfte der Betrag des Platzhalters inzwischen aufgebraucht sein – wie damit seitens des BMVI umgegangen wird, ist unklar. 30 BT-Drucksache 19/151 Nr. 63 31 „Sächsisch-Böhmische Wachstumsachse“ von Dr. Peter Galiläer, 23.01.2013 32 http://www.matthias-gastel.de/bundesverkehrswegeplan-schienenprojekte-nicht-finanziert/#.WyDwpP- ZuI2w 18
2.6 Geplanter weiterer Projektverlauf Derzeit erfolgt der Beginn der Vorplanung durch die DB Netz AG, RB Südost, wie in Punkt 1.3 bereits dargestellt. Möglichst noch im Laufe des Jahres 2018 soll das Raumordnungsverfahren eingeleitet werden. Nach den Vorstellungen des Freistaats Sachsen können die Planungen des Projektes nunmehr zü- gig vorangehen. Zitat 33: „… Im Rahmen der Vorplanungsstudie ist ein Zeitplan erarbeitet worden, der die Unterschiede des öf- fentlichen Planungsrechts in Deutschland und der Tschechischen Republik und einen möglichen Bau- fortschritt berücksichtigt. Danach könnte eine Verkehrswirksamkeit der Strecke etwa ab 2035/2036 möglich sein. Die Aufnahme des Vorhabens Ende 2017 in die Sammelvereinbarung 38 der DB AG und damit die auto- matische Überführung in die Bedarfsplanumsetzungsvereinbarung (BUV) ab 2018 ermöglicht den Be- ginn der Leistungsphasen 1 und 2 nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) in 2018. Der weitere Planungsablauf hängt wesentlich von der Mittelbereitstellung des Bundes ab. Eine kon- krete Aussage zu den einzelnen Planungsphasen, die über die in der Vorplanungsstudie getroffenen Annahmen hinausgeht, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich.“ Die erwähnte Bedarfsplanumsetzungsvereinbarung (BUV) regelt zunächst die Finanzierung der aktuellen Planungsphase. Die weitere Planung und Umsetzung der enthaltenen Vorhaben steht al- lerdings unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit von Bundesmitteln – eine Garantie kann daraus nicht abgeleitet werden. Mit hoher Sicherheit ist davon auszugehen, daß die Leistungsphasen 1 und 2 der HOAI (Grundla- genermittlung und Vorplanung) für dieses Projekt durchgeführt und abgeschlossen werden kön- nen. Nicht allein wegen der zwischen Bund und Bahn abgeschlossenen Vereinbarung – diese kann natürlich auch geändert werden – sondern wegen des politischen Umfelds. In Sachsen werden im September 2019 Landtagswahlen stattfinden. Das nach eigenem Bekunden wichtigste Verkehrsprojekt der Staatsregierung wird bis dahin auch in Berlin niemand offiziell in Frage stellen. Nach § 4 (1) BSWAG überprüft das BMVI „spätestens nach Ablauf von jeweils fünf Jahren, ob der Bedarfsplan … anzupassen ist“. Auch wenn diese Frist in der Vergangenheit oftmals nicht einge- halten wurde, steht zu erwarten, daß in die nächste BVWP-Überprüfung die Ergebnisse der Vor- planung einfließen werden. Angesichts der im folgenden Kapitel geschilderten erheblichen be- trieblichen Schwächen der jetzigen Auslegung des Vorhabens, die nur mit kostenintensiven Ände- rungen behebbar sind, scheinen die Chancen auf eine Projektfortsetzung wegen des bereits jetzt nur knapp positivem Nutzen-Kosten-Verhältnisses von 1,3 und der rückläufigen Prognosen des Verkehrsaufkommens (sh. Punkt 6.1) nach Einschätzung des Autors eher gering. Notwendige Einordnung der Bewertung: Diese Aussage gilt nur bei Fortschreibung der jetzigen verkehrspolitischen Randbedingungen. Ein radikales Umschwenken hin zu einer ökologischen Mobilität, wie es aus Klimaschutzgründen not- wendig wäre, aber leider nicht realistisch ist, würde einen deutlich höheren Mitteleinsatz für Schienenprojekte und eine steuernde Einflussnahme des Staates auf den Modal Split bedeuten. Dann wären auch Vorhaben wie die NBS Heidenau – Ústí (bei einer optimierten Auslegung wohl- gemerkt) realisierungswürdig. 33 Quelle: Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage der Landtagsfraktion Bündnis90 / Die Grü- nen vom 8. März 2018 19
3 Planungsparameter der vorgesehenen Strecke 3.1 Quellen Um die aktuelle Auslegung der NBS beurteilen zu können, wurde auf die Unterlagen der Vorpla- nungsstudie, die im Auftrag des SMWA erstellt wurde und im Internet in Zusammenfassungen ein- sehbar ist 34, zurückgegriffen. Bei der Sichtung der Dokumente fiel zunächst auf, daß die Betriebliche Studie und die darauf ba- sierende Verkehrliche Aufgabenstellung erst am Ende des Planungsprozesses (im November bzw. Dezember 2015) durch die DB Netz AG erstellt wurden – zu einem Zeitpunkt, zu dem die be- auftragten technischen Untersuchungen bereits nahezu abgeschlossen waren (die Vergabe der Leistungen geschah in der zweiten Jahreshälfte 2014, die Bearbeitung in 2015 und die Präsentation der Ergebnisse erfolgte im Januar 2016). Die Einbindung des künftigen Betreibers erfolgte somit wohl erst nachträglich. Es wurde also zuerst die Infrastruktur definiert und technisch bewertet und erst danach unter- sucht, welche Leistungsfähigkeit und Betriebsqualität damit zu erreichen sind. Auf die dabei fest- gestellten Mängel wird im Folgenden eingegangen – davon unabhängig widerspricht diese Vorge- hensweise aber dem üblichen Procedere in der Infrastrukturplanung und ist allenfalls als Be- standteil eines iterativen Prozesses zur Ermittlung der besten Lösung denkbar. Da sich bei diesem Prozess allerdings erhebliche Änderungsanforderungen an die ursprüngliche Planung ergeben können (und in diesem konkreten Fall auch unbedingt notwendig sind), kann von einer Belastbarkeit der bisher ermittelten Kosten kaum ausgegangen werden. 3.2 Betriebliches Konzept Die nachstehend aufgeführten Kritikpunkte entstammen zum Teil bereits der Verkehrlichen Auf- gabenstellung der DB Netz AG 35, zum anderen Teil den Untersuchungen und Bewertungen des Au- tors. Allgemein ist festzustellen, daß nach der jetzigen Auslegung zahlreiche Engpässe von vornherein „eingebaut“ werden sollen. In mehreren Punkten lässt sich dies auch kaum auf technische Zwänge zurückführen, es ist zu vermuten, daß man die (gestiegenen) Anforderungen an einen modernen Eisenbahnverkehr in zwanzig Jahren nicht genug bedacht hat. Im Folgenden werden die erkannten Mängel kurz beschrieben. Ihre Diskussion und Erläuterung erfolgt in den nächsten Punkten. 34 http://nbs.sachsen.de/11862.html 35 http://nbs.sachsen.de/download/neubaustrecke/NBS_Verkehrliche_Aufgabenstellung.pdf 20
3.2.1 Mängel der bisherigen Auslegung (Bewertung durch die DB Netz AG) Für die DB Netz mag die Vorgabe gegolten haben, das untersuchte Konzept nicht grundsätzlich in Frage zu stellen – die Bestätigung der Leistungsfähigkeit mutet eher halbherzig an, zumal in den betrieblichen Untersuchungen einige Mängel klar benannt werden: • Die Verzweigung von NBS und heutiger Strecke ist ungünstig gestaltet - es wird durch die DB Netz sogar die Genehmigungsfähigkeit im Sinne der damit erfolgenden Leistungsfähig- keitseinschränkung der Bestandsstrecke in Frage gestellt. • Die Strecke soll in Richtung Tschechien auf sechs Kilometer Länge mit einer Steigung von 12 Promille verlaufen – dies wird durch DB Netz selbst bei den aus Sicht des Autors für die Un- tersuchung zu gering gewählten Zuglasten kritisch gesehen. • Aus Ústí-Zapad heraus müssen Güterzüge aus dem Stand in einen Abschnitt mit 12,5 Pro- mille Steigung einfahren – auch dies wird kritisch bewertet. • In der Fahrplanstudie 36 wird darauf hingewiesen, daß der Bestandsabschnitt mit der Ver- knüpfung zum Betriebsbahnhof Dresden-Reick künftig der die Leistungsfähigkeit bestim- mende Abschnitt sein wird und somit die Kapazität der NBS gar nicht voll ausgeschöpft wer- den könne – Schlussfolgerungen daraus werden allerdings nicht gezogen. 3.2.2 Mängel der fahrplantechnischen Untersuchung Eingangsdaten: In der Verkehrlichen Aufgabenstellung (VkAst) der DB Netz AG vom 03.12.15 wird der schwerste Güterzug auf der Strecke mit 2.200 t Zugmasse und der längste Zug mit 740 m definiert, was die unteren Werte dessen darstellt, was man bereits für heutige Güterzüge ansetzen sollte. Kritik: 1. Mit den in der Studie genannten Triebfahrzeugbaureihen 182, 185 und 189 sind deutlich größere Wagenzugmassen traktionierbar und werden auch im realen Betrieb gefahren. Die o. g. Zugmasse für die Bemessung einer Strecke anzusetzen, die in zwanzig Jahren in Betrieb gehen soll, wird der Aufgabe nicht gerecht. 2. In der Fachwelt gibt es seit langem ernsthafte Diskussionen, Güterzüge mit 1.000 m Länge und mehr zu fahren 37: - In Dänemark und seit kurzem auch von Padborg bis zum Rangierbahnhof Maschen sind bereits heute Züge mit 835 m Länge zulässig. - Frankreich hat bereits 1500 m lange Züge erprobt und will ab 2018 den Regelbetrieb mit 1.000 Meter-Zügen aufnehmen 38. Auch hier gilt das bei 1. Geschriebene. Abrundend dazu ein Zitat aus dem oben erwähnten Artikel von Prof. Siegmann, Leiter des Fachge- biets Schienenfahrwege und Bahnbetrieb an der TU Berlin und Dr.-Ing. Zanuy, Generalsekretär des European Rail Research Network of Excellence: „Das Langfristziel für den SGV (Schienengüterverkehr) in Europa sollte sein: 1.500 m lange Züge mit … > 5.000 Bt (Bruttotonnen) sicher im praktischen Betrieb durchführen.“ 36 http://nbs.sachsen.de/download/neubaustrecke/NBS_Fahrplanstudie.pdf unter 3.1 (Seite 12) 37 Vgl. Eisenbahntechnische Rundschau 1+2/17, „Mehr Produktivität durch längere und intelligentere Gü- terzüge“, Autoren Prof. Siegmann / Dr. Zanuy, Seiten 18 - 21 38 Quelle: Rail Business 46/15 vom 09.11.2015, S. 8 21
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