Pop on Paper - Staatliche Museen zu Berlin

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Pop on Paper - Staatliche Museen zu Berlin
Das Programmheft für
                                                                               die Ausstellungen und Veranstaltungen
                                                                                  im Juli, August und September 2020

           Pop on Paper                                  Wechselhafte Geschichte
 Das Kupferstichkabinett widmet sich der Pop Art:           Die Staatlichen Museen zu Berlin sind Weltkultur
Ein Who is Who mit Werken von Warhol bis Ramos              und ein Flickenteppich der Berliner Geschichte

                                             IN KOOPERATION MIT
Pop on Paper - Staatliche Museen zu Berlin
EDITORIAL
                                                                                                                            Pandemische
                                                                                                                            Spuren
                                                                                                    Inhalt
                         Michael Eissenhauer,
                              Generaldirektor                                                                               Die Corona-Pande-
             der Staatlichen Museen zu Berlin
                                                                                                                            mie hinterlässt Spu-
                                                                                                           4                ren – auch dort, wo
                                                                                                       Interview:
                                                                                                      Die Museen
                                                                                                                            wir sie gar nicht ver-
                                                                                                 in Zeiten von Corona       muten. Dieses Foto
                                                                                                          8                 eines achtlos weg-
                                                                                                    Pop on Paper:
                                                                                                    Ein bunter Trip
                                                                                                                            geworfenen leeren

Alles                                                                                                      10
                                                                                                    Unsere Museen:
                                                                                                    Welt trifft Stadt
                                                                                                                            Desinfektionsmittel-
                                                                                                                            fläschchens ent-
                                                                                                                            stand im März 2020

bleibt                                                                                                                      am Strand im norwe-
                                                                                                        20
                                                                                               Was macht eigentlich ...
                                                                                                  Stefan Simon im
                                                                                              Rathgen-Forschungslabor?
                                                                                                                            gischen Tromsø. Es
                                                                                                                            erreichte das Muse-
anders                                                                                                    22
                                                                                              Online-Angebote der Museen

                                                                                                           24
                                                                                                                            um Europäischer Kul-
                                                                                                                            turen nach seinem
                                                                                                     Ausstellungen im       Sammlungsaufruf
                                                                                              Juli, August und September
                                                                                                                            #CollectingCorona.
                                                                                                          26
                                                                                                    Träum dich weg:
                                                                                                                            Menschen in ganz
Nachdem die Zeitschrift MUSEUM im ver-          Wir möchten das vorliegende Heft nutzen,
gangenen Quartal nicht erschienen ist, freue    Ihnen auch etwas über die Geschichte un-
                                                                                                Eine Weltreise in Bildern   Europa waren aufge-
ich mich, Ihnen hiermit die neue Ausgabe
präsentieren zu können.
                                                serer Museen zu erzählen. Lesen Sie ab Sei-
                                                te 10, wie Museumsinsel, Kulturforum, Mu-
                                                                                                           30               fordert, ihre Eindrü-
Auch für die Staatlichen Museen zu Berlin
waren die vergangenen Monate nicht ein-
                                                seen Dahlem und unsere weiteren Museen
                                                von Köpenick bis Charlottenburg zu dem
                                                                                               Aktuelle Verhaltensregeln,
                                                                                                   Adressen, Preise,        cke der Pandemie zu
fach. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg       wurden, was sie heute sind.
                                                                                              Öffnungszeiten im Überblick
                                                                                                                            teilen. Das Foto von
mussten wir sämtliche Häuser auf unbe-
stimmte Zeit schließen. Mit einer solchen
                                                Erfahren Sie außerdem, welche Häuser und
                                                Ausstellungen wir bereits wieder geöffnet                                   Stein Farstadvoll
Pandemie hatte niemand gerechnet und
unsere Notfallpläne waren bis zu diesem
                                                haben und welche Online-Angebote wir für
                                                diejenigen bereithalten, die noch nicht un-
                                                                                                                            verbindet die aktuelle
Moment für Naturkatastropen oder Hava-          terwegs sein möchten oder vor Ort nicht                                     Krise mit anderen
rien konzipiert. Im Interview (ab Seite 4)      genug bekommen können.
können Sie nachlesen, wie wir uns quasi         Ich wünsche Ihnen eine interessante Lek-                                    einschneidenden
über Nacht auf diese völlig neue Situation
einstellen mussten und was der Lockdown
                                                türe, inspirierende Museumsbesuche und
                                                vor allem: Bleiben Sie gesund!                                              globalen Veränderun-
für die Staatlichen Museen zu Berlin nach
wie vor bedeutet.
                                                                                                                            gen wie der Umwelt-
Diese Ausnahmesituation hat uns aber auch                                                                                   verschmutzung durch
Eingefahrenes erkennen lassen und gelehrt,
neue Wege zu beschreiten – in der Kommu-                                                                                    Plastikmüll und der
nikation mit Ihnen, unseren Besucherinnen
und Besuchern, in der täglichen Organisati-
                                                                                                        Titelbild           Klimakrise. Mehr zu
                                                                                                     Roy Lichtenstein:
on unserer Arbeit und im verantwortungs-
vollen Umgang miteinander.
                                                                                                       Brushstroke,         #CollectingCorona:
                                                                                                           1965
                                                                                                                            blog.smb.museum
Pop on Paper - Staatliche Museen zu Berlin
INTERVIEW     4   5                                                                                                         INTERVIEW

                                              Sämtliche Museen                              und gleichzeitig zu improvisieren und neue
                                                                                            Wege der Kommunikation und der Arbeits-
                                              waren wegen                                   organisation zu finden. Wir haben einen

                                              der weltweiten                                Riesensprung in eine neue Form von inter-
                                                                                            ner und externer Kommunikation gemacht.
                                              Pandemie ab
                                              März geschlossen.                             Was haben die Mitarbeiter*innen
                                                                                            während der Schließung gemacht?
                                              Der Generaldirektor                           Haak: Nur weil die Museen geschlossen

                                              Michael                                       sind, heißt das natürlich nicht, dass wir
                                                                                            nichts zu tun haben! Es galt, die Kommuni-
                                              Eissenhauer und                               kation mit unseren Besucherinnen und Be-

                                              die Stellvertretende                          suchern, mit Presse und Öffentlichkeit auf-
                                                                                            rechtzuerhalten; wir mussten unsere In-
                                              Generaldirektorin                             halte noch mehr als zuvor im Netz präsent

                                              Christina Haak im                             machen. Gleichzeitig liefen und laufen die
                                                                                            meisten Projekte weiter, denn vieles in der
                                              Gespräch über                                 Projektarbeit kann natürlich auch aus dem

                                              die Staatlichen                               Home Office beziehungsweise virtuell or-
                                                                                            ganisiert werden. Viele unserer Wissen-
                                              Museen zu Berlin                              schaftlerinnen und Wissenschaftler haben

                                              in Zeiten von Corona                          berichtet, dass sie es im ersten Moment
                                                                                            positiv gewertet haben, durch die Schlie-
                                                                                            ßung mehr Raum für ihre zeitintensiven
                                                                                            Forschungen zu gewinnen.
                                              Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen,         Eissenhauer: Und im Bode-Museum haben
                                              als die Schließung feststand, und was lief    wir zum Beispiel die Gelegenheit genutzt,
                                              hinter den Kulissen ab?                       eine Grundreinigung durchzuführen – so
                                              Eissenhauer: Die Schließung war ein zu-       etwas ist während des normalen Betriebs
                                              nächst einfacher Akt: Wir haben am Stich-     und ohne Schließung gar nicht denkbar.
                                              tag die Museen nicht mehr aufgemacht. Die     Gleichzeitig gibt es natürlich auch Berei-
                                              viel größere Herausforderung war das, was     che, in denen die Arbeit nicht fortgesetzt
                                              dann folgte. Die Sicherheit unserer Mitar-    werden konnte, weil Abstands- und Hygie-
                                              beiterinnen und Mitarbeiter war plötzlich     neregeln nicht eingehalten werden konnten.
                                              nicht mehr gegeben, gleichzeitig mussten      Besonders die Restaurierung, handwerkli-
                                              wir die Arbeitsfähigkeit der Museen ge-       che Tätigkeiten und der Ausstellungsauf-
                                              währleisten, das heißt, es mussten neue       bau waren hiervon betroffen.
                                              Notfallpläne erstellt werden. Sicherheits-
                                              maßnahmen für unsere Teams, aber auch         Was sind für Sie persönlich, aber auch
                      Michael Eissenhauer     für die Häuser und Sammlungen mussten         für die Museen insgesamt in dieser
                        und Christina Haak    quasi über Nacht unter neuen Vorausset-       Situation die größten Herausforderungen?

„Wir fahren
                      in der Gemäldegalerie
                                              zungen implementiert werden und wir           Eissenhauer: Als größte Herausforderung
                                              mussten entscheiden, welche Tätigkeiten in    empfand ich, dass es keine eingeübten Sze-
                                              den Museen zwingend notwendig sind oder       narien gab, auf die wir zurückgreifen konn-
                                              wer vorerst zu Hause arbeiten kann.           ten. Unsere bestehenden Notfallpläne be-
                                              Haak: Ich war zum Zeitpunkt der Schlie-       zogen sich bis dato auf Naturkatastrophen
                                              ßung noch im Urlaub, bin dann aber sofort     und Großhavarien: Zeiten, in denen unsere

auf Sicht“
                                              nach Berlin zurückgekehrt. Ich kam also an,   Bestände massiv bedroht sind. Doch die
                                              als schon alles geschlossen war, und mein     Pandemie ist ein menschlicher Notstand –
                                              erster Gedanke war: Was machen wir, um        es ging nicht in erster Linie um eine Gefähr-
                                              die Wiedereröffnung vorzubereiten? Das
                                              hat zu dem Zeitpunkt natürlich noch nie-
                                              manden beschäftigt, aber es hat sich dann
                                              im Mai gezeigt, dass es gut war, frühzeitig
                                              darüber nachzudenken. Die Anfangsphase
                                              der Schließung war von dem Bemühen ge-
                                              prägt, alles auf den Prüfstand zu stellen
Pop on Paper - Staatliche Museen zu Berlin
INTERVIEW                                                                                                                                 6    7                                                                                                                     INTERVIEW

dung unserer Objekte, sondern um das Ri-       unserer Rechercheplattform „SMB-digital“       und den zu erwartenden Einnahmen beach-          Schon jetzt ist klar, dass die Corona-          Haak: Ich bin aber auch der Meinung, dass –
siko für unsere Mitarbeiterinnen und Mit-      gibt es Digitalisate von knapp 250.000 Ob-     ten. Auf der Museumsinsel haben wir zum          Pandemie unsere Gesellschaft nachhaltig         obwohl wir als Museen schon vieles über-
arbeiter – ein solches Szenario hatten wir     jekten und bei Google Arts & Culture prä-      Beispiel normalerweise bis zu 80 Prozent         verändert. Wie müssen sich Museen               standen haben – wir als Institution in der
nicht im Kopf. Plötzlich mussten wir uns       sentieren wir zehn Sammlungen mit 40 Aus-      Touristen unter unseren Gästen – die feh-        verändern, um für die Zukunft                   aktuellen Situation durchaus an einem dün-
mit Möglichkeiten der Kinderbetreuung          stellungen und etwa 5.000 Objekten.            len nun in diesem Umfang für längere Zeit,       gewappnet zu sein?                              nen Faden hängen können. Ich meine damit
oder der Angst, den ÖPNV zu nutzen, be-                                                       und wir werden mit finanziellen Einbußen         Eissenhauer: Niemand weiß, ob es eine           unsere gesellschaftliche Legitimation. Wir
schäftigen. Es herrschte eine tiefe Verunsi-   Hat die Corona-Pandemie                        rechnen müssen.                                  zweite Corona-Welle geben oder wie schnell      werden aus Steuergeldern finanziert und
cherung und wir mussten quasi über Nacht       dem Digitalen einen Schub gegeben?             Haak: Die Finanzierungsfrage ist ein gro-        eine Impfung verfügbar sein wird. Und nie-      die Anforderungen der Gesellschaft, die uns
darauf reagieren und unseren Kolleginnen       Haak: Es hat sich auf jeden Fall etwas ver-    ßer Wermutstropfen. In den beiden Schlie-        mand kann die psychosozialen Reaktionen         finanziert, müssen wir reflektieren und be-
und Kollegen Sicherheit bieten.                ändert. Der Fokus war bislang auf das Erle-    ßungsmonaten mussten wir bei den Staat-          unserer Gesellschaft auf diese möglichen        antworten. Und das bitte über die üblichen
Haak: Bislang lag unsere Verantwortung         ben der Objekte gerichtet, das hat sich        lichen Museen zu Berlin Mindereinnahmen          Entwicklungen vorhersagen. Aber mir per-        Sonntagsreden hinaus, sehr konkret und
vor allem darin, dass unsere Infrastrukturen   jetzt erweitert. Wobei digitale Angebote       von bis zu zwei Millionen Euro pro Monat         sönlich erscheint im Moment eine Rückbe-        anlassbezogen.
funktionieren und die große Institution        kein Ersatz für die Originale sind, aber in    verbuchen. Ein offenes Museum kostet             sinnung auf Nachhaltigkeit und auf regio-
läuft. Durch Corona kam nun die Anforde-       der aktuellen Situation offenbaren sie viele   aber mehr als ein geschlossenes, egal, ob        nale und lokale Netzwerke plausibel. Diese      Welche Hoffnungen verbinden Sie
rung hinzu, nach Möglichkeit mentale Si-       ihrer Vorteile und nützlichen Eigenschaf-      darin zehn, 100 oder 1.000 Besucher sind.        Trends sehen wir ja bereits bei Konsumar-       mit der aktuellen Situation, die bei allen
cherheit zu schaffen. Es ist nicht einfach,    ten. Wir öffnen uns zunehmend dafür und        Aus diesem Geld, das nun fehlt, finanzieren      tikeln und Lebensmitteln. Falls sich dies be-   Risiken auch Chancen bieten kann?
als Führungskraft auf viele Fragen im ers-     erlauben uns das Experimentieren. Experi-      wir in normalen Zeiten unsere Ausstellun-        stätigt, müssen natürlich auch Museen           Haak: Wir müssen jetzt ehrlich auf uns
ten Moment selbst keine Antwort zu haben.      mente im Digitalen sind bisher zugegebe-       gen, Veranstaltungen und Projekte, auch          Wege finden, sich anzupassen und sich           selbst schauen und lernen! Wenn wir jetzt
Und diese Herausforderung, mentale Si-         nermaßen nicht unsere große Stärke gewe-       für das kommende Jahr. Das hat vermutlich        stärker auf regionale Kontexte zu besinnen.     unbequeme Fragen zulassen und aus unse-
cherheit herzustellen, besteht seit dem        sen, aber sie tun uns gut und ermöglichen      zur Folge, dass wir in dem Bereich in den        Wir werden zum Beispiel hinterfragen müs-       ren Komfortzonen und Selbstverständlich-
ersten Tag der Pandemie und ist noch nicht     uns neue Perspektiven und Erfahrungen.         nächsten Jahren kritischer kalkulieren           sen, ob und wie wir zukünftig große inter-      keiten heraustreten, dann haben wir die
vorbei.                                                                                       müssen.                                          nationale Ausstellungsprojekte organisie-       Chance, in der Ausnahmesituation einge-
                                               Nun sind die ersten Häuser und                                                                  ren können und in welcher Form es sie noch      fahrene Handlungsfelder zu erkennen und
Wie fast alle Kultureinrichtungen, haben       Ausstellungen unter Einhaltung                 Rechnen Sie mit einer baldigen                   geben wird.                                     unser Potential auszuschöpfen, um für neue
auch die Staatlichen Museen zu Berlin          der Hygienemaßgaben wiedereröffnet.            Wiedereröffnung aller Museen?                    Haak: Die traditionelle Rezeption im Muse-      Situationen gewappnet zu sein. Gleichzei-
während des Lockdowns auf eine                 Wie haben Sie und Ihre Mitarbeiter*innen       Wie sieht der aktuelle Plan für die              um funktioniert nur noch bedingt, die Men-      tig müssen wir wirksam nach außen tragen,
verstärkte Online-Präsenz gesetzt.             sich darauf vorbereitet und nach               zweite Jahreshälfte aus und gibt es              schen können sich die Kunstwerke zum Teil       wer wir sind und wofür wir stehen. Wenn wir
Welche Online-Angebote gibt es und             welchen Kriterien wurde entschieden,           bereits eine Perspektive für 2021?               nicht vor Ort anschauen. Das ist natürlich      als Museen zum Beispiel auch ein sozialer
wie werden diese angenommen?                   welche Häuser zuerst wieder zugänglich         Eissenhauer: Wir fahren weiterhin auf            für uns als Museen eine enorme Herausfor-       Ort sein wollen, dann müssen wir in Zukunft
Haak: Unser digitales Angebot war schon        gemacht werden?                                Sicht, wir können nur für kürzere Zeiträume      derung, die aber gleichzeitig sehr viel Po-     mehr leisten, als nur unsere Türen aufzu-
vor der Coronakrise breit aufgestellt, doch    Eissenhauer: Den Handlungsrahmen gibt          planen. Niemand weiß derzeit, ob die Lage        tenzial für Neues und für eine kritische        machen.
es wurde und wird stetig erweitert. Wir ha-    uns die jeweils gültige Verordnung des Lan-    sich weiter entspannen wird oder ob die In-      Selbstreflexion beinhaltet. Ich wünsche mir
ben ja seit Längerem unseren Museums-          des Berlin vor. Unser Krisenstab prüft auf     fektionszahlen wieder steigen werden. Ob         deutlich mehr Agilität! Das bedeutet nicht,     Das Interview wurde Anfang Juni 2020
blog, in dem wir Blicke hinter die Kulissen    dieser Grundlage die Umsetzbarkeit. Dabei      und in welchem Umfang dieses Jahr Touris-        dass wir das bewährte Handeln komplett          geführt. Die Aussagen reflektieren
gewähren und in dem unsere Kuratorinnen        geht es vor allem um logistische Fragstel-     ten kommen werden, ist derzeit überhaupt         aufgeben sollen, denn das hat uns über vie-     den Informationsstand an diesem Tag.
und Kuratoren von ihren Projekten berich-      lungen: Wo haben wir Verkehrsflächen, die      nicht abschätzbar. Auch die Frage, wie wir       le hundert Jahre getragen. Aber es wäre         Das Gespräch führte Sven Stienen.
ten. Auf den Social-Media-Plattformen          groß genug sind, um die Einhaltung der Ab-     in Zukunft unser Programm gestalten – ob         großartig, wenn wir im Wechselspiel von         Aktuelle Informationen zu geöffneten
Facebook, YouTube und Instagram sind wir       standsregeln zu gewährleisten? Wie sehen       es sich vielleicht mehr auf ein örtliches, re-   Tradition und Agilität unser Selbstverständ-    Museen und Corona-Verhaltensregeln
ebenfalls schon lange aktiv und suchen mit     in den einzelnen Häusern die Situationen       gionales Publikum konzentrieren muss – ,         nis weiterentwickeln könnten.                   gibt es unter www.smb.museum.
spannenden und kurzweiligen Inhalten den       aus? Während der Eingangsbereich im Kul-       beschäftigt uns im Moment intensiv.              Eissenhauer: Meines Erachtens können und                                                            Besucher*innen
                                                                                                                                                                                                                                                     mit Masken
Austausch mit unseren Besucherinnen und        turforum beispielsweise großzügig ist und      Haak: Solange wir keine gesellschaftswei-        müssen hier Tradition und Wandlungsbe-
                                                                                                                                                                                                                                             in der Alten Nationalgalerie
Besuchern. Aber auch jenseits von Blog         Platz für Abstand bietet, gibt es im Bode-     te stabile Grundsituation haben, muss all        reitschaft Hand in Hand gehen. Die Berliner
und Social Media experimentieren wir mit       Museum Engstellen, an denen Distanz nicht      unsere Planung auf Kurzfristigkeit ange-         Museen haben seit ihrer Gründung viele
Formaten und Medien: Für das Bode-Mu-          möglich ist. Es ergeben sich also aus den      legt sein. Aber wir können diese unsichere       Katastrophen überlebt, von Krankheiten
seum gibt es einen virtuellen Rundgang, auf    konkreten Anforderungen Entscheidungs-         Zeit, in der alles in Bewegung ist, nutzen, um   wie den Pocken und der Spanischen Grippe
                                               kriterien, entlang derer wir vorgehen. Hinzu   vieles zu reflektieren. Für mich gibt es ge-     bis zu zwei Weltkriegen. In diesen Zeiten
                                               kommen weitere Fragen: Sind unsere Auf-        rade nur einen Leitsatz: Nichts ist so be-       haben uns unsere Traditionen und Werte
                                               sichtskräfte einsatzbereit? Können wir un-     ständig wie der Wandel.                          immer auch geholfen, den Weg und die Ori-
                                               ser Zeitfensterticketsystem auf alle Häu-                                                       entierung zu halten, insofern würde ich die-
                                               ser erweitern?                                                                                  se nicht unterschätzen. Gestärkt für die
                                               Haak: Alle Maßnahmen und Entscheidun-                                                           Zukunft werden wir aber natürlich nur,
                                               gen stehen unter der obersten Priorität, die                                                    wenn wir auf die neuen Voraussetzungen
                                               Sicherheit und Gesundheit für Mitarbeiter                                                       flexibel und agil reagieren.
                                               und Besucher zu gewährleisten.
                                               Eissenhauer: Gleichzeitig müssen wir auch
                                               das Verhältnis von finanziellem Aufwand
Pop on Paper - Staatliche Museen zu Berlin
TITELTHEMA                  8   9                                                                                                                                TITELTHEMA

                                Ein bunter Trip
                                Das Kupferstichkabinett besitzt eine
                                Pop-Art-Sammlung, die zu den bedeutendsten
                                in Europa zählt. Die Highlights werden jetzt
                                erstmals am Kulturforum präsentiert                                                                ses. So ließen die Universal Filmstudios
                                                                                                                                   1968 in Anlehnung an Warhols Hollywood-
                                                                                                                                   starporträts Kleider mit den Gesichtern
                                                                              von
                                                                                                                                   bekannter Filmstars bedrucken. Ein Jahr
                                                                       Karolin Korthase
                                                                                                                                   zuvor gab die Campbell Soup Company ein
                                                                                                                                   „Souper Dress“ heraus, das sich explizit auf
                                                                                                                                   Warhols „Campbell's Soup Cans“ bezieht.
                                        er britische Künstler Richard Hamil-      sichtigt, so etwa Claes Oldenburg, Sigmar        Wer zwei Gemüsesuppenetiketten und ei-
                                ton beschrieb 1957 die Pop Art als „popu-         Polke, K. P. Brehmer, Ulrike Ottinger, Ma-       nen Dollar an das Unternehmen schickte,
                                lär, kurzlebig, entbehrlich, billig, in Massen-   ria Lassnig, Elaine Sturtevant und Equi-         bekam das Kleid per Post zugesandt. Die
                                produktion hergestellt, jung, witzig, sexy,       po Crónica. Ein zeitgenössisches Echo            Kunst wurde so zur Ware, ebenso wie die
                                marktschreierisch, glamourös, big business“.      des Popstyles findet sich bei Arbeiten           Ware von den Künstler*innen vorab zur
                                Herausgebildet hatte sich die neue Kunst-         von Antje Dorn und SUSI POP. „Wir wollen         Kunst stilisiert worden war. Für beide Sei-
                                richtung ab Mitte der 1950er Jahre parallel       eine knallige Ausstellung, wo der Besucher       ten – Kunstwelt wie Industrie – war diese
                                in Großbritannien und den USA, auch als           ganz und gar in die starke Energie der Ex-       Melange eine Win-win-Situation. Bei aller
                                Gegenreaktion zum abstrakten Expressio-           ponate eintauchen kann“, sagt Andreas            Nähe zur Werbeindustrie lassen sich die
                                nismus, der von vielen Gegenwartskünst-           Schalhorn.                                       Siebdrucke jedoch nicht darauf reduzieren.
                                ler*innen als zu intellektuell und elitär emp-    Zu den Highlights der Schau gehört das vier-     „Man kann nicht sagen, dass die Pop Art
                                funden wurde.Im Kulturforum widmet sich die       teilige Monumentalwerk „F-111“ von James         nur affirmativ ist“, sagt Andreas Schalhorn.
                                Ausstellung „Pop on Paper. Von Warhol             Rosenquist (1964/65), das im Kulturforum         „Sie entlarvt vielmehr die Mechanismen von
                                bis Lichtenstein“ in zehn Kapiteln einzel-        in der Grafikvariante zu sehen ist. In „F-111“   Werbung, indem sie sie offensiver zeigt.“
                                nen Künstler*innen und Themen der Pop             verknüpft Rosenquist, der vor seiner Künst-
                                Art. Das größte Augenmerk liegt dabei             lerkarriere als Plakatmaler tätig war, auf       Pop on Paper.
                                auf der Stilvielfalt der US-amerikani-            eindrückliche Weise verschiedene Motive          Von Warhol bis Lichtenstein
                                schen Pop Art und dem Siebdruck. „Dass            aus Werbeanzeigen des „Life Magazine“            Kulturforum,
                                die amerikanische Druckgrafik am Kup-             mit einem Jagdbomber der US-Luftwaffe            bis 16.8.2020
                                ferstichkabinett so präsent ist, hat mit          und erschafft damit eine konsumkritische
                                der Sammlungsgeschichte unter Alexan-             Position, die auch in der heutigen Zeit
                                der Dückers, dem Direktor von 1984 bis            nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat.
                                2002, zu tun“, erklärt Andreas Schalhorn,         Ein weiteres Highlight von „Pop on Paper“,
                                Kurator der Ausstellung. Die Werkliste,           zwar nicht in inhaltlicher, dafür aber in for-
                                die rund 120 Arbeiten umfasst, liest sich         maler Hinsicht, sind zwei sogenannte „Pa-
                                wie das Who is Who der Pop Art: Jasper            perdresses“, die das Kunstgewerbemuseum
             Andy Warhol:       Jones, Robert Rauschenberg, Andy Warhol           als Leihgaben zur Verfügung stellt. Ur-
               Marilyn,         und Roy Lichtenstein sind ebenso vertre-          sprünglich als Werbegimmick einer Marke-
                1967
                                ten wie Robert Indiana, Mel Ramos, Tom            tingkampagne für Wegwerfservietten und
                                Wesselmann oder James Rosenquist. Ne-             Küchenrollen konzipiert, entwickelten sich
                                ben US-amerikanischen Positionen werden           die Kleider Mitte der 1960er Jahre in den
                                auch europäische Parallelentwicklungen            USA schnell zu einem Bestseller. Da sich
                                und Reflexionen vor und nach 1970 berück-         der billige Zellulosestoff einfach und kos-
                                                                                  tengünstig bedrucken ließ, waren die Dres-
                                                                                  ses im Weiterverkauf billig und auch für
                                                                                  junge, wenig kaufkräftige Konsumentinnen                              Ulrike Ottinger:
                                                                                  erschwinglich. Wie groß der Einfluss der                                Ohne Titel,
                                                                                                                                                            1966/67
                                                                                  Pop Art auf den Mainstream schon damals
                                                                                  war, zeigen einige Motive der Paperdres-
Pop on Paper - Staatliche Museen zu Berlin
UNSERE MUSEEN                                                       10   11                                                                                                     UNSERE MUSEEN

                Welt                                                                                      Eine Insel
                                                                                                          für die Kunst

                trifft
                                                                                                          Im Herzen Berlins befindet sich
                                                                                                          ein unvergleichliches Bauensemble,
                                                                                                          das ein kulturelles Erbe
                                                                                                          der gesamten Menschheit
                                                                                                          beherbergt: die Museumsinsel

                                                                                                                   in Mammutprojekt erwartete An-        Antike über das Mittelalter, die Renais-
                                                                                                          fang der 1820er Jahre den Stararchitekten      sance und die frühe Neuzeit bis hin zu den

                Stadt
                                                                                                          Karl Friedrich Schinkel. Sein Auftraggeber,    Kunstrevolutionen des 19. Jahrhunderts.
                                                                                                          der preußische König Friedrich Wilhelm III.,   Verteilt ist dieser Kulturschatz auf neun
                                                                                                          wünschte sich einen herrschaftlichen Mu-       Sammlungen. Das Alte Museum zeigt Meis-
                                                                                                          seumsbau für seine königliche Kunst-           terwerke der Antikensammlung vom anti-
                                                                                                          sammlung. Sie sollte künftig dem gesamten      ken Griechenland bis zur römischen Kaiser-
                                                                               Die Alte Nationalgalerie   Bürgertum Preußens offenstehen. Dass der       zeit. Das Neue Museum ist die Heimat
                                                                              eröffnete 1876 und prägt    Bau in direkter Nähe zum Berliner Schloss,     zweier Sammlungen: Das Museum für Vor-
                                                                              mit ihrem Kolonnadenhof
                                                                                  die Museumsinsel.       dem Zeughaus und dem Berliner Dom ge-          und Frühgeschichte erzählt die frühe Ge-
                                                                                                          plant wurde, zeigt, welche Bedeutung der       schichte Europas von der Altsteinzeit bis
                                                                                                          König der Kunst zumaß. 1830 wurde das          zum Mittelalter und das Ägyptische Muse-
                                                                                                          Königliche Museum, das wir heute als Al-       um und Papyrussammlung umfasst einen
                                                                                                          tes Museum kennen, eröffnet. Im Jahr           Zeitraum vom 4. Jahrtausend v. Chr. bis zur
                                                                                                          1841 führte König Friedrich Wilhelm IV. von    Spätantike. Mit der ikonischen Büste der
                                                                                                          Preußen das Bestreben seines Vorgängers        Nofretete beherbergt es das wohl be-
                                                                                                          fort, indem er verfügte, "die ganze Spree-     rühmteste Objekt der Berliner Museen. Im
       Die Staatlichen Museen zu Berlin sind ein Universalmuseum:                                         insel hinter dem Museum zu einer Freistät-     Pergamonmuseum ist neben Exponaten
             Ihre Sammlungen kommen aus der ganzen Welt                                                   te für Kunst und Wissenschaft umzuschaf-
                                                                                                          fen".
                                                                                                                                                         der Antikensammlung wie dem monumen-
                                                                                                                                                         talen Markttor von Milet auch das Vorder-
          und umspannen die gesamte Menschheitsgeschichte.                                                In 100 Jahren entstanden vier weitere Bau-     asiatische Museum mit dem berühmten
          Die Geschichte der Museen ist eng mit den Wirren und                                            ten auf der Museumsinsel und begründeten
                                                                                                          ihren Ruf als Kunststätte von Weltrang:
                                                                                                                                                         Ischtar-Tor zu Hause. Im Obergeschoss
                                                                                                                                                         des Hauses zeigt das Museum für Islami-
         Umbrüchen des 20. Jahrhunderts verwoben. Eine Reise                                              1855 eröffnete das Neue Museum, 1876           sche Kunst Exponate aus Kunst und Ar-
      von der Museumsinsel über das Kulturforum bis nach Dahlem,                                          die Nationalgalerie (heute Alte Nationalga-
                                                                                                          lerie), von 1897 bis 1904 entstand das Kai-
                                                                                                                                                         chäologie islamisch geprägter Gesellschaf-
                                                                                                                                                         ten vom 8. bis ins 19. Jahrhundert. Eines
                      Köpenick und Charlottenburg                                                         ser-Friedrich-Museum (heute Bode-Muse-
                                                                                                          um) und schließlich von 1910 bis 1930 das
                                                                                                          weltberühmte Pergamonmuseum. Sämt-
                                                                                                          liche Gebäude beherbergen faszinierende
                                 Texte von
                                                                                                          Sammlungen zur Archäologie, Geschichte
                              Karolin Korthase
                                                                                                          und Kunst der menschlichen Kulturge-
                                                                                                          schichte – von der frühen Steinzeit, dem Al-
                                                                                                          ten Ägypten und der griechisch-römischen
Pop on Paper - Staatliche Museen zu Berlin
UNSERE MUSEEN                                                                                                               12    13                                       TITELTHEMA

                                  seiner schönsten Exponate ist die Alham-
                                  bra-Kuppel aus Zedern- und Pappelholz,
                                  die aus dem maurischen Gibraltar stammt.
                                  Als Ersatz für den zur Zeit nicht zugäng-
                                  lichen Pergamonaltar zeigt das in direkter
                                  Nachbarschaft des Museums gelegene
                                                        Pergamon-Panorama         für die bewegte Geschichte Berlins im 20.
                                                        zudem eine spektaku-      Jahrhundert. Die Machtergreifung der Na-
                   Ein einzigartiger                    läre Ausstellung über     tionalsozialisten läutete für die Staatlichen
                                                        die antike Metropole.     Museen zu Berlin eine ihrer schmerzhaf-
            Reichtum kultureller und                    An der nördlichen Spit-
                                                        ze der Museumsinsel
                                                                                  testen Phasen ein. Bereits vor dem Krieg
                                                                                  führte die Kulturpolitik des NS-Regimes zu

             künstlerischer Artefakte                   liegt das Bode-Muse-
                                                        um. Hier sind Skulptu-
                                                                                  schwerwiegenden Verlusten in den Samm-
                                                                                  lungen der Nationalgalerie und des Kup-
                                                        rensammlung und Mu-       ferstichkabinetts: Hunderte von modernen
                                  seum für Byzantinische Kunst sowie das          Gemälden und Grafiken wurden 1937 als
                                  Münzkabinett der Staatlichen Museen zu          „Entartete Kunst“ beschlagnahmt und ver-
                                  Berlin beheimatet. Besonders beeindru-          kauft oder vernichtet. Im Zweiten Welt-
                                  cken hier die wundervollen Skulpturen von       krieg wurden die Gebäude auf der Mu-
                                  Tilman Riemenschneider, Donatello, Anto-        seumsinsel schwer beschädigt und die
                                  nio Canova und anderen. Ergänzt werden          Sammlungen aus ihrer historisch gewach-
                                  sie von Alten Meistern aus dem Bestand der      senen Ordnung gerissen. Dieser Zustand
                                  Gemäldegalerie. Die über den idyllischen        dauerte auch während der Teilung Berlins
                                  Kolonnadenhof zugängliche Alte National-        an, die Museumsbestände waren ein Ost-
                                  galerie schließlich schlägt den Bogen in das    West-Flickenteppich, getrennt durch die
                                  19. Jahrhundert; ihre Sammlung von Ge-          Mauer. Erst nach der Wiedervereinigung
                                  mälden und Skulpturen reicht von den An-        fanden die geteilten Sammlungen wieder
                                  fängen des Klassizismus über die Ro-            zueinander.
                                  mantik bis zum französischen Impressio-         1999 adelte die UNESCO die Museumsin-
                                  nismus. Zu ihren Highlights gehören Wer-        sel schließlich zum Welterbe. Im selben Jahr
                                  ke von Caspar David Friedrich, Adolph           wurde auch der „Masterplan Museumsin-
                                  Menzel, Édouard Manet und Auguste Rodin.        sel“ beschlossen, zu dessen Kernprojekten
                                  Das Besondere an der Museumsinsel ist,          die Errichtung der James-Simon-Galerie
                                  dass sie nicht nur einen einzigartigen          gehört, die 2019 nach Plänen von David
                                  Reichtum kultureller und künstlerischer         Chipperfield fertiggestellt wurde und als
            Unvergleichbare
           Meisterwerke wie       Artefakte beherbergt. Ihre Sammlungen und       zentrales Eingangs- und Servicegebäude
       Caspar David Friedrichs    ihre Architektur stehen auch exemplarisch       dient. Ihr Namensgeber, der Unternehmer
           „Mönch am Meer“
                                                                                  James Simon, gilt bis heute als der größte
         (1808–1810) sind auf
     der Museumsinsel zu Hause.                                                   Mäzen der Berliner Museen.
                                                                                  Wer heute auf der Museumsinsel von Haus
                                                                                  zu Haus schlendert und künftig auch im
                                                                                  Humboldt Forum den Reichtum der außer-
                                                                                  europäischen Kulturen erleben wird, merkt,
                                                                                  wie erhellend es sein kann, die Kulturen al-
                                                                                  ler Regionen und Zeiten im Verbund wahr-
                                                                                  zunehmen. „Unseren Gründungsvätern war
                                                                                  ganz klar, dass man die Kulturgeschich-
                                                                                  te der Welt insgesamt zeigen muss“, sagt
                                                                                  Matthias Wemhoff, Direktor des Museums
                                                                                  für Vor- und Frühgeschichte. „Sie sagten
                                                                                  damals: Wir müssen alles erfahren, müssen
                                                                                  die Mythen und Erzählungen aller Völker                     Das weltberühmte
                                                                                  kennen, um letztlich den Weltgeist erfas-                Ischtar-Tor zierte einst
                                                                                                                                       den Eingang ins antike Babylon.
                                                                                  sen und verstehen zu können.“                        Heute ist es eines der Highlights
                                                                                                                                            im Pergamonmuseum.
Pop on Paper - Staatliche Museen zu Berlin
UNSERE MUSEEN                                                                                                       14   15                                                                                                             TITELTHEMA

Berlins
Unvollendete
Das Kulturforum in der Nähe des Potsdamer
Platzes ist mit seinen Museen, Bibliotheken
und Konzertsälen ein außergewöhnlicher
Kunst- und Kulturort. Gleichzeitig ist es eine
städtebauliche Herausforderung

        o zerrissen wie die Geschichte des     Weltkrieg und der Teilung der Stadt sollte
20. Jahrhunderts, so zerrissen sei die Ar-     hier das kulturelle Zentrum West-Berlins
chitektur des Kulturforums, sagt Michael       entstehen. Von den späten 1950er Jahren
Eissenhauer, Generaldirektor der Staatli-      bis zur Wiedervereinigung Berlins entstan-
chen Museen zu Berlin. Gemeint ist die be-     den bauliche Meisterwerke wie Ludwig Mies
sondere städtebauliche Situation zwischen      van der Rohes Neue Nationalgalerie, Hans
dem Potsdamer Platz und dem Tiergarten.        Scharouns Philharmonie und Staatsbiblio-
Einst befand sich hier das Herz der Berliner   thek sowie das 1967 von Rolf Gutbrod ent-                                                                                                                                   Die Piazzetta
Kulturszene: In den Villen dieser Gegend       worfene Kunstgewerbemuseum, eine Ikone                                                                                                                                    am Kulturforum
                                                                                                                                                                                                                       ist ein Bezugspunkt
tummelten sich zu Beginn des 20. Jahrhun-      des Brutalismus. Nach der Wende wurden                                    fast zwei Kilometer langer Rundgang durch      saniert wird. „Den spektakulären Kunstbe-       der benachbarten
derts Künstler*innen, Mäzen*innen und bür-     die Berliner Museumssammlungen neu sor-                                   72 Säle und Kabinette, die einen beein-        ständen der Nationalgalerie zum 20. Jahr-       Museumsgebäude.
gerliche Liebhaber*innen von Kunst und         tiert: Zu den modernen Architekturikonen                                  druckenden Überblick über die europäi-         hundert wird der Neubau endlich den Platz
Kultur. Der berühmte Architekt Ludwig          gesellte sich rund um eine zentrale Piaz-                                 sche Malerei vom 13. bis zum 18. Jahrhun-      bieten, der ihnen gebührt“, erklärte Kultur-
Mies van der Rohe hat hier gewohnt, eben-      zetta ein Neubau für die Gemäldegalerie,                                  dert bieten. Langfristig soll die Gemäldega-   staatsministerin Monika Grütters, „genau-
so der Mäzen James Simon, die Schauspie-       das Kupferstichkabinett und die Kunstbi-                                  lerie vom Kulturforum an ihren historischen    so wie den großzügig überlassenen Werken
lerin Tilla Durieux und viele andere.          bliothek. Für die wiedervereinte Gemälde-                                 Ort, die Museumsinsel Berlin, zurückkehren,    aus den Sammlungen Erich Marx, Ulla und
NS-Diktatur, Zweiter Weltkrieg und deut-       galerie, die 1998 ans Kulturforum zog, bot                                um dort wieder in einen engen Dialog mit       Heiner Pietzsch sowie Egidio Marzona.“
sche Teilung zerstörten dieses lebendige       sich nach Jahrzehnten der Unstetigkeit hier                               der Skulpturensammlung zu treten.              Die Neue Nationalgalerie hat schlichtweg
urbane Habitat, doch heute verfügt das         erstmals die Möglichkeit, ihre wertvolle                                  Trotz herausragender Architektur und der       nicht genug Fläche, um alle hochkarätigen
Areal wieder über Architekturdenkmäler und     Sammlung europäischer Meisterwerke an                                     großartigen Sammlungen, die es hier zu ent-    Kunstwerke ihrer Samm-
hochkarätige Sammlungen, die es zum            einem Ort zu zeigen. Während der deut-                                    decken gibt, konnte sich das Kulturforum       lung auszustellen.
zweitwichtigsten Berliner Kulturstandort
nach der Museumsinsel machen.
                                               schen Teilung war die Sammlung auf die
                                               Standorte Berlin-Dahlem (West) und Bode-
                                                                                              Die Gemäldegalerie
                                                                                               beherbergt eine
                                                                                                                         nie als der zentrale Ort der Kunst durchset-
                                                                                                                         zen, als der es geplant war. Doch eine Visi-
                                                                                                                                                                        Die Entwicklung des Kul-
                                                                                                                                                                        turforums, das als moder-
                                                                                                                                                                                                        Architektur und
                                                                                                 umfassende
Die Sammlungen hier genießen Weltrang:
Das Kupferstichkabinett verfügt über ein-
                                               Museum (Ost) aufgeteilt. Heute führt ein      Sammlung der Malerei
                                                                                               vom 13. bis zum
                                                                                                                         on wird wahr: Im Dezember 2019 wurde der
                                                                                                                         erste Spatenstich für ein neues Museum
                                                                                                                                                                        nes und betont westli-
                                                                                                                                                                        ches Gegenstück zur im
                                                                                                                                                                                                        Sammlungen von Weltrang
                                                                                               18. Jahrhundert.
zigartige Konvolute der Kunst auf Papier,                                                                                am Kulturforum gesetzt, das dem Ensem-         Ostsektor gelegenen Mu-
Gemäldegalerie und Neue Nationalgalerie                                                                                  ble einen Bezugspunkt und die bisher feh-      seumsinsel geplant war, ist noch lange
besitzen Highlights der Malerei vom Mit-                                                                                 lende Geschlossenheit geben könnte. Nach       nicht zu Ende. Die Zukunft wird zeigen, ob
telalter bis in die Moderne. Das Kunstge-                                                                                Plänen des Büros Herzog & de Meuron            es sich als attraktiver Ort des Verweilens
werbemuseum zeigt eine der größten euro-                                                                                 entsteht ein Erweiterungsbau für die Neue      und der Kunstbeflissenheit etablieren kann.
päischen Sammlungen von Kunsthandwerk                                                                                    Nationalgalerie, die seit 2015 umfassend       Bis dahin lockt es aber auf jeden Fall mit
und Design, und die Kunstbibliothek besitzt                                                                                                                             einigen der vielfältigsten und schönsten
neben ihrer Bibliothek bedeutende Samm-                                                                                                                                 Sammlungen der Staatlichen Museen zu
lungen zur Buch- und Medienkunst.                                                                                                                                       Berlin.
Dennoch wirkt das Kulturforum fragmen-
tarisch und unvollendet. Nach dem Zweiten
Pop on Paper - Staatliche Museen zu Berlin
UNSERE MUSEEN                           16   17                                                                                                                   UNSERE MUSEEN

                                             Ursprünge                                                                                    pel von der nördlichen Seidenstraße, ein ja-
                                                                                                                                          panischer Teeraum und die Sammlung ost-
                                                                                                                                          asiatischer Lackkunst.

                                             und Aufbrüche
                                                                                                                                          Öffentlich präsent bleibt in Dahlem das
                                                                                                                                          Museum Europäischer Kulturen (MEK), das
                                                                                                                                          1999 aus den wiedervereinigten Museen
                                                                                                                                          für (Deutsche) Volkskunde in Ost- und
                                                                                                                                          West-Berlin und der „Abteilung Europa“ des
                                                                                                                                          Ethnologischen Museums entstand. Es

                                             Das Ethnologische Museum und das Museum                                                      beherbergt circa 285.000 Objekte der eu-
                                                                                                                                          ropäischen Alltagskultur vom 18. Jahrhun-
                                             für Asiatische Kunst schlagen an ihrem                                                       dert bis heute und begleitet mit seiner

                                             Ursprungsort nahe der Museumsinsel ein                                                       Arbeit aktuelle soziale und kulturelle Pro-
                                                                                                                                          zesse. Die Direktorin des MEK, Elisabeth
                                             neues Kapitel auf – und auch der Standort                                                    Tietmeyer, erzählt: „Als feststand, dass wir

                                             Dahlem muss sich neu erfinden. Das Museum                                                    nicht mit ins Humboldt Forum ziehen soll-
                                                                                                                                          ten, war für uns eines klar: Wir müssen
                                             Europäischer Kulturen bleibt vor Ort und                                                     sichtbarer werden und uns mehr fokussie-

                                             widmet sich wichtigen Themen unserer Zeit                                                    ren.“ Aber das MEK wird in Dahlem nicht
                                                                                                                                          allein bleiben, denn zusammen mit den eu-
                                                                                                                                          ropäischen sollen auch Teile der außereu-
                                                                                                                                          ropäischen Sammlungen die Grundlage
                                                                                                                                          eines Museums- und Forschungscampus
                                                    s ist ein gewaltiger Kraftakt, den     schaft, die später in die Sammlungen der       am Standort bilden. Dieser soll neben einer
                                             die Mitarbeiter*innen des Ethnologischen      Königlichen Museen übergingen.                 kleinen Ausstellungsfläche auch Platz für
                                             Museums und des Museums für Asiatische        Und hier werden das Ethnologische Muse-        eine Bibliothek der Kunst und Kulturen der
                                             Kunst seit mehreren Jahren leisten. Schon     um und das Museum für Asiatische Kunst         Welt, ein Archiv, Restaurierungswerkstät-
                                             lange vor der Schließung ihrer Häuser für     künftig an ihrem Ursprungsort und gemein-      ten und Studiensammlungen bieten.
                                             die Öffentlichkeit im Januar 2017 began-      sam mit ihren Schwestersammlungen auf          So ergeben sich aus der künftigen Präsen-
                                             nen sie damit, fast 13.000 Objekte zu doku-   der Museumsinsel einen Epochen und Kon-        tation von Ausstellungen des Ethnologi-
                                             mentieren, zu reinigen, zu restaurieren, zu   tinente umspannenden Blick auf die Kunst       schen Museums und des Museums für Asi-
                                             konservieren und anschließend sicher zu       und Kulturen der Welt eröffnen.                atische Kunst im Humboldt Forum Chan-
                                             verpacken, damit sie den Umzug ins Hum-       Das Ethnologische Museum wird im Hum-          cen für den Standort Dahlem. Das Museum
                                             boldt Forum unbeschadet überstehen. Teile     boldt Forum ethnografische, kulturhistori-     Europäischer Kulturen hat mit seinem Aus-
                                             der Sammlungen kehren damit an den Ur-        sche und archäologische Exponate, aber         stellungs- und Veranstaltungsprogramm
                                             sprungsort der Museen zurück – denn ihre      auch Fotografien, Filme und Audiomaterial      längst bewiesen, dass es Themen unserer
                                             Entstehung ist eng mit der Geschichte des     des Berliner Phonogramm-Archivs zeigen.        Zeit, wie zum Beispiel „Fast Fashion. Die
                                             Berliner Schlosses verbunden. Hier, in der    Faszinierende und brennende Fragen zur         Schattenseiten der Mode“, im Fokus hat
                                             Kunst- und Wunderkammer des Großen            globalen Geschichte, Kultur und Kunst wer-     und sich den Fragen der Zukunft auch allein
                                             Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Branden-     den im Rahmen neuer Ausstellungen be-          stellen kann.
                                             burg, lag Mitte des 17. Jahrhunderts die      leuchtet. Zu den spektakulärsten und zu-
                                             Keimzelle der heutigen Staatlichen Museen     gleich größten Exponaten des Hauses ge-
                                             zu Berlin. Der Kurfürst sammelte dort ein-    hören unter anderem die berühmten Süd-
                                             heimische und außereuropäische Objekte        seeboote. Andere ikonische Objekte wie die
                    Oben: Blick in           der Natur, der Künste und der Wissen-         königlichen Kunstschätze aus Benin, die
                   die Ausstellung                                                         1897 von britischen Truppen erbeutet wur-
                   „Fast Fashion.
                 Die Schattenseiten                                                        den, oder der Thron von Sultan Njoya von
                 der Mode“ im MEK.                                                         Bamum, der ein Geschenk an Kaiser Wil-
                                                                                           helm II. war, werfen kritische Fragen zu ih-
                 Links: Das Museum
                Europäischer Kulturen                                                      rer Erwerbungsgeschichte auf.
                        ist auch                                                           Das Museum für Asiatische Kunst wird
                 ein Community-Ort                                                         künstlerische und kunsthandwerkliche Ar-
                      in Dahlem.
                                                                                           tefakte aus dem indo-asiatischen Kultur-
                                                                                           raum vom 5. Jahrtausend vor unserer Zeit-                     Objekte des Ethnologischen
                                                                                           rechnung bis in die Gegenwart zeigen. Zu                         Museums warten auf
                                                                                                                                                       den Umzug ins Humboldt Forum.
                                                                                           den Highlights dieser Sammlung zählen ein
                                                                                           rekonstruierter buddhistischer Höhlentem-
Pop on Paper - Staatliche Museen zu Berlin
UNSERE MUSEEN                                                                                                   18    19                                                                                              UNSERE MUSEEN

Von Köpenick
bis Charlottenburg
Bedeutende Standorte wie die Museumsinsel und das Kulturforum
bilden das Rückgrat der Staatlichen Museen zu Berlin. Doch auch
an anderen Orten in der Stadt finden sich bekannte Kunsttempel                                                                                                                                                      Joseph Beuys’ Werk
                                                                                                                                                                                                                      „Das Ende des
                                                                                                                                                                                                                     20. Jahrhunderts“
                                                                                                                                                                                                                       (1982–1983)
                                                                                                                                                                                                                         gehört zu
                                                                                                                                                                                                                      den Highlights
                        Hamburger Bahnhof –                            sehen – wird bis 2021 in wechselnden Prä-                                                                                                      des Hamburger
                        Museum für Gegenwart – Berlin                  sentationen gezeigt. Zu den großzügigen                                                                                                           Bahnhofs.
                        Wo einst Züge von und nach Hamburg roll-       Schenkungen des Sammlers an die Natio-
                        ten, kann heute zeitgenössische Kunst ab       nalgalerie gehören Werke unter anderem von
                        den 1960er Jahren bewundert werden. Der        Isa Genzken, Rodney Graham, Bruce Nau-                                                                                                            Das Museum
                                                                                                                                                                                                                        für Fotografie
                        Hamburger Bahnhof in der Invalidenstraße       man, Pipilotti Rist und Wolfgang Tillmans.                                                                                                       zeigt Schätze
                        ist das Flaggschiff der Nationalgalerie                                                                                                                                                         der Fotokunst
                        und gehört zu den Besuchermagneten der         Museum Berggruen                                                                                                                              wie diese Aufnahme
                                                                                                                                                                                                                  des deutschen Fotografen
                        Staatlichen Museen zu Berlin. Werkgruppen      „Ein Museum ist kein Mausoleum. Es soll                                                                                                      Ludwig Windstosser.
                        von Warhol, Twombly, Rauschenberg und          wach und lebendig bleiben.“ Das war die
                        Lichtenstein, die aus der Sammlung des Un-     Überzeugung des Berliner Kunsthändlers
                        ternehmers Erich Marx stammen, gehören         und -sammlers Heinz Berggruen, dessen
                        neben Werken aus der Sammlung der Na-          Privatsammlung seit 1996 im sogenannten
                        tionalgalerie zum Grundstock des Hauses.       Stülerbau gegenüber vom Schloss Charlot-       straße beheimatet war, ist noch immer zu      Museum für Fotografie
                        Dem Oeuvre des Aktionskünstlers Joseph         tenburg zu sehen ist. Maßgeschneidert auf      sehen: Säulen des antiken Sahurê-Tempels      Ein ehemaliges Kasino direkt am Bahnhof
                        Beuys ist das gesamte Erdgeschoss im           die intimen Räume des Museum Berggruen,        und das Kalabscha-Tor sind dem Haus er-       Zoo beherbergt Perlen der Fotografiege-
     Schloss Köpenick   westlichen Ehrenhofflügel gewidmet. Die        das zur Nationalgalerie gehört, können Öl-     halten geblieben.                             schichte und der Gegenwartsfotografie.
        wurde 1690      Sammlung von Friedrich Christian Flick –       gemälde, Arbeiten auf Papier und Skulptu-                                                    Die unteren beiden Stockwerke des Mu-
      fertiggestellt.
                        seit 2004 als Leihgabe in den Rieckhallen zu   ren von Meistern der Moderne wie Picasso,      Schloss Köpenick                              seums für Fotografie werden seit 2004
       Heute ist es
     die Heimat einer                                                  Klee, Matisse oder Giacometti bewundert        Umgeben von einem herrschaftlichen Park       von der Helmut Newton Foundation be-
        Sammlung                                                       werden. Auch nach Berggruens Tod 2007          und von der wunderschönen Dahme, gehört       spielt: In der Dauerpräsentation „Helmut
      von barockem
                                                                       bleibt sein Credo gültig. Ständig wechseln-    das Schloss Köpenick zu den idyllischsten     Newton’s Private Property“ sind unter an-
     Kunsthandwerk.
                                                                       de Hängungen und zeitgenössische Künst-        Ausstellungsorten der Staatlichen Museen      derem Newtons eigene Foto- und Kunst-
                                                                       ler wie George Condo oder Thomas Schei-        zu Berlin. Im Inneren des barocken Baus,      sammlung sowie seine Bibliothek zu se-
                                                                       bitz, die ihre Werke im Dialog mit der         den der spätere Preußen-König Friedrich I.    hen. In wechselnden Ausstellungen werden
                                                                       Sammlung präsentierten, machen jeden           zwischen 1677 und 1690 errichten ließ, be-    zudem Ausschnitte aus seinem fotografi-
                                                                       Besuch zu einem neuen Erlebnis.                findet sich ein buntes Potpourri an Expo-     schen Nachlass sowie Arbeiten von Weg-
                                                                                                                      naten aus dem kunsthandwerklichen Be-         gefährt*innen und seiner Frau Alice Springs
                                                                       Sammlung Scharf-Gerstenberg                    reich. Leder-, Seiden-, oder Papiertapeten,   gezeigt. Das Museum für Fotografie beher-
                                                                       Neben dem Museum Berggruen ist die             Wandspiegel, Möbel, Uhren, Vasen, Porzel-     bergt ebenso die Schätze aus der Samm-
                                                                       Sammlung Scharf-Gerstenberg die zweite         lan und vielfältiger Wandschmuck – mehr       lung Fotografie der Kunstbibliothek: von
                                                                       Dependance der Nationalgalerie in Berlin-      als 500 Ausstellungsstücke aus der Samm-      der Frühzeit der Fotografie über den Pikto-
                                                                       Charlottenburg. Ihr Schwerpunkt ist der        lung des Kunstgewerbemuseums zeigen,          ralismus um 1900 und das Neue Sehen der
                                                                       Surrealismus mit seinen Vorläufern und         was zur Zeit von Renaissance, Barock und      1920er Jahre bis hin zu den künstlerischen
                                                                       Nachfolgern. Die Liste der Künstler*innen,     Rokoko en vogue war. Der opulente Stuck       Positionen der Gegenwart. Der Kaisersaal
                                                                       die im Haus vertreten sind, ist hochkarätig:   in vielen Räumen und die barocke Archi-       im 2. Obergeschoss ist die Plattform für
                                                                       Zu ihnen gehören neben Dalí, Ernst, Mag-       tektur des Hauses korrespondieren per-        Ausstellungen zu den vielfältigen Ge-
                                                                       ritte und Bellmer auch Goya und Piranesi.      fekt mit den Ausstellungsstücken.             brauchsweisen der Fotografie, die den Blick
                                                                       Dass vor der Sammlung Scharf-Gersten-                                                        auf ein Bildmedium eröffnen, das wie kein
                                                                       berg jahrzehntelang das Ägyptische Mu-                                                       anderes die menschliche Kommunikation
                                                                       seum in den Räumlichkeiten in der Schloß-                                                    und Weltwahrnehmung verändert hat.
WAS MACHT EIGENTLICH …?                                                                                              20    21                                                                                     WAS MACHT EIGENTLICH …?

       Was macht eigentlich ...
        Stefan Simon,                                                                                                            Stefan Simon

            Direktor                                                                                                                an seinem
                                                                                                                                  Arbeitsplatz

   des Rathgen-Forschungslabors?
                           Im März begann der Corona-Lockdown.               Schutzausrüstung zu spenden. Am 29.
                           Was war Ihr letztes Projekt davor?                März konnten wir tausende Handschuhe,
                           Unser letztes großes Projekt war die Un-          Schutzanzüge und Schutzmasken aus Be-
                           tersuchung der Alten Meister, die 1979 im         ständen der Stiftung Preußischer Kultur-
                           größten Kunstdiebstahl der DDR-Ge-                besitz (SPK), zu der auch die Staatlichen
                           schichte aus Schloss Friedenstein in Gotha        Museen zu Berlin gehören, der Kassenärzt-
                           gestohlen wurden. Die fünf Gemälde waren          lichen Bundesvereinigung übergeben. Mög-
                           seit einer konspirativen Übergabe unter           lich gemacht haben das Kolleginnen und
                           Mitwirkung des Landeskriminalamts im              Kollegen aus der gesamten SPK innerhalb
                           September 2019 bei uns und wurden im Ja-          weniger Tage, ich bin immer noch beein-
                           nuar dem Museum zurückgegeben, nach-              druckt von der Hilfsbereitschaft.
                           dem ihre Echtheit bestätigt werden konnte.
                                                                             Wie entstand die Idee,                                                   Und Mund-Nasen-Bedeckungen haben                nern, ein Pilotprojekt zur Erforschung von
                           Welche Aufgaben übernehmen                        selbst Hilfsmittel herzustellen?                                         Sie auch hergestellt …                          Mikroorganismen auf Objekten des Kultur-
            Als im März    Sie und Ihre Kolleg*innen im Rathgen-             Am Tag nach unserer Hilfsaktion stellte                                  Ja, auch dies ist eine Initiative engagierter   und Naturerbes.
 die Corona-Pandemie       Forschungslabor normalerweise?                    sich die Frage: Was machen wir denn in un-                               Kolleginnen und Kollegen der gesamten
                           Im Mittelpunkt unserer Tätigkeit steht die        seren Häusern? Desinfektionsmittel waren                                 SPK, vor allem unserer Profis aus der Tex-      Worauf freuen Sie sich am meisten in der
Deutschland erreichte,     materialtechnische Untersuchung von Mu-           kaum mehr erhältlich, wir haben dann aber                                tilrestaurierung. Innerhalb weniger Tage        Zeit nach Corona?
 mussten nicht nur die     seumsobjekten. Wir sind also die naturwis-        herausgefunden, dass eine Allgemeinverfü-                                fanden sich über 60 Mitstreiter und in den      Meine Freunde und Kollegen auf der gan-
                           senschaftliche Seite der Staatlichen Mu-          gung des Bundes Einrichtungen wie dem                                                    letzten vier Wochen wurden      zen Welt, mit denen ich jetzt fast täglich
     Museen schließen.     seen zu Berlin. Daneben betreiben wir             Rathgen-Forschungslabor die Herstellung                                                  mehr als 3000 Masken her-       über Videokonferenzen in Verbindung ste-
         Auch im kunst-    Forschungsprojekte zur nachhaltigen Er-           von Biozidprodukten zur Desinfektion er-                  »Mit einer Krise wie           gestellt. Ein großer Teil da-   he, wieder real und nicht nur virtuell zu tref-
                           haltung von Kunst- und Kulturgut, der prä-        laubt. Wir waren uns im Team schnell einig,                                              von ist bereits an die Mitar-   fen, bei einem Glas Weißbier zum Beispiel,
       technologischen     ventiven Konservierung, dem „Grünen Mu-           dass wir unser analytisches Labor zu die-     der aktuellen Corona-Pandemie              beiter verteilt worden.         darauf freue ich mich sehr. Und als jemand,
              Rathgen-     seum“ oder dem illegalen Kunsthandel.             sem Zweck umnutzen wollen, und began-                                                                                    dessen Freizeit durch Volksläufe wie dem

      Forschungslabor
                           Neben der Nachhaltigkeitsdebatte im kul-
                           turellen Erbe ist die „Kultur in der Krise“ ein
                                                                             nen, nach den notwendigen Chemikalien zu
                                                                             suchen. Vor allem Alkohol war zu diesem
                                                                                                                                    hatte ich nie gerechnet«         Nun sind erste Museen
                                                                                                                                                                     wieder geöffnet. Produ-
                                                                                                                                                                                                      Rennsteiglauf oder dem Jungfrau-Mara-
                                                                                                                                                                                                      thon sowie den Skirennen der World Lop-
       ruhte die Arbeit.   Thema, das mich schon seit Jahren wissen-         Zeitpunkt über die normalen Kanäle nicht                                                zieren Sie noch immer            pet Serie bestimmt ist, warte ich sehn-
                           schaftlich beschäftigt. Mit so einer Krise        mehr zu bekommen. Über private Kontakte                                  Desinfektionsmittel und Masken oder             süchtig darauf, dass wir irgendwann wieder
     Stefan Simon und      wie der aktuellen Corona-Pandemie hatte           in meiner bayerischen Heimat konnten wir                                 normalisiert sich der Betrieb wieder?           gemeinsam laufen können.
   sein Team starteten     ich allerdings nie gerechnet.                     uns dann aber von verschiedenen Brenne-                                  Wir produzieren Masken und Desinfekti-
                                                                             reien mehrere hundert Liter Alkohol be-                                  onsmittel, solange Bedarf besteht, aber         Diese und viele weitere spannende
        kurzerhand eine    Das Rathgen-Forschungslabor stellte               schaffen. Andere Inhaltstoffe kamen aus                                  langsam beginnt wieder unser normaler           Hintergrundgeschichten rund um unsere
eigene Produktion von      am Beginn der Corona-Krise seine                  dem Chemikalienhandel, sodass wir kurz                                   Betrieb, auch wenn wir natürlich immer          Museen und Mitarbeiter*innen finden Sie
                           Produktion auf Desinfektionsmittel und            darauf die Einrichtungen der SPK mit Des-                                noch Einschränkungen erfahren. Wir ver-         auch auf „Museum and the City“, dem
   Desinfektionsmittel     Schutzmasken um – wie kam es dazu?                infektionsmittel versorgen konnten.                                      bringen viel Zeit in Videokonferenzen und       Blog der Staatlichen Museen zu Berlin,
            und Masken     Zu Beginn der Pandemie wurden wir durch                                                                                    haben es dadurch auch geschafft, For-           unter smb.blog.museum.
                           einen Covid-19-Fall bei uns im Labor sensi-                                                                                schungsanträge vorzubereiten und einzu-
                           bilisiert. In der Folge wurde unsere halbe                                                                                 reichen. Gerade beginnen wir, ermöglicht
                           Belegschaft in Quarantäne geschickt. Un-                                                                                   durch Gelder der Richard Lounsbery Foun-
                           sere erste Aktion in dieser Situation war,                                                                                 dation und in Kooperation mit dem Berliner
                                                                                                                                                      Naturkundemuseum und weiteren Part-
23                                                                                         ONLINE-ANGEBOT

                                                                                                                                       SMB-DIGITAL
                                                                                                                                       250.000 Objekte umfasst SMB-digital,
                                                                                                                                       die Online-Datenbank aller Sammlungen
                                                                                                                                       der Staatlichen Museen zu Berlin, zurzeit.
                                                                                                                                       Neben diesem gigantischen virtuellen
                                                                                                                                       Archiv sind einzelne Sammlungsbestände,
                                                                                                                                       z. B. „Galerie des 20. Jahrhunderts“,
                                                                                                                                       „Piktorialismus-Portal“, „Das Erbe
                                                                                                                                                                                     Kontakt
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                                                                                                                                       und „Das verschwundene Museum“, über          Bildung, Vermittlung,
                                                                                                                                       Projekt-Websites zugänglich.
                                                                                                                                                                                     Besucherdienste
                                                                                                                                       smb-digital.de
                                                                                                                                                                                     Tel: +49 (0)30 266 42 42 42
                                                                                                                                       smb.museum/online-angebote
                                                                                                                                                                                     service@smb.museum
                                                                                                                                       YOUTUBE                                       Mo–Fr 9–16 Uhr
                                                                                                                                       Auf dem YouTube-Kanal der Staatlichen
                                                                                                                                       Museen zu Berlin finden sich Videoreihen
                                                                                                                                       zu den Hintergründen der Objekte und zur
                                                                                                                                       Arbeit in den Museen. In der Reihe
                                                                                                                                       „Lieblingsstücke“ stellen Mitarbeiter*innen
                                                                                                                                       ihre persönlichen Favoriten vor, animierte
                                                                                                                                       Geschichten zu einzelnen Objekten bietet
                                                                                                                                       die Serie „Backstories“, und „Behind the
                                                                                                                                       Scenes“ liefert Blicke hinter die Kulissen
                                                                                                                                       der Museumsarbeit.                            Bildnachweise
                                                                                                                                       youtube.com/StaatlicheMuseenzuBerlin          Titel: © Sammlung Hans + Uschi Welle / VG Bild-Kunst,
                                                                                                                                                                                     Bonn 2019 / Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett /

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                                                                                                                                                                                     Dietmar Katz
                                                                                                                                                                                     Seite 2: © Staatliche Museen zu Berlin / Anikka Bauer
                                            MUSEUM AND THE CITY                           VIRTUELLER RUNDGANG                          SOCIAL MEDIA                                  Seite 3: © Stein Farstadvoll
                                            Der Blog „Museum and the City“ bietet         Dank eines virtuellen Rundgangs können       Auf Facebook berichten die Staatlichen        Seite 4 bis 7: © Staatliche Museen zu Berlin / David von
                                                                                                                                                                                     Becker
                                            Hintergrundgeschichten, Interviews und        Interessierte das Bode-Museum auch           Museen zu Berlin tagesaktuell über neue       Seite 8 bis 9: © 2019 The Andy Warhol Foundation for the

der Staatlichen
                                                                                                                                                                                     Visual Arts, Inc. / Artists Rights Society (A RS), New York,
                                            Bildstrecken zu allen Museen und Samm-        online erkunden. 62 miteinander verknüpfte   Entwicklungen bei den Museen und stellen      Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett /
                                            lungen. Porträts von Mitarbeiter*innen        360°-Panorama-Aufnahmen erfassen fast                                                      Jörg P. Anders; © Ulrike Ottinger / Staatliche Museen zu
                                                                                                                                       Objekte aus den Häusern vor. Neben einer      Berlin, Kupferstichkabinett / Dietmar Katz
                                            oder thematische Serien, zum Beispiel zur     das gesamte Erdgeschoss und den              übergreifenden Facebook-Seite haben alle      Seite 10 bis 19: © Staatliche Museen zu Berlin /
                                                                                                                                                                                     David von Becker; © Staatliche Museen zu Berlin,

Museen zu Berlin
                                            Sanierung der Neuen Nationalgalerie           überwiegenden Teil des Obergeschosses.       Häuser eigene Seiten. Auch auf dem            Nationalgalerie / Andres Kilger; © Staatliche Museen zu
                                                                                                                                                                                     Berlin, Vorderasiatisches Museum / David von Becker;
                                            oder zu den Lieblingsstücken der              Der Rundgang bietet Informationen zu         Instagram-Kanal der Staatlichen Museen        © Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum /
                                            Museumsmacher*innen, gewähren                 allen 850 erfassten Skulpturen und           zu Berlin werden Objekte und Geschichten      David von Becker; © Staatliche Museen zu Berlin / Achim
                                                                                                                                                                                     Kleuker; © Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer;
                                            spannende Einblicke hinter die Kulissen.      Gemälden und über 300 weiterführende         aus allen Museen präsentiert.                 © blindbild.berlin; © VG Bild-Kunst, Bonn 2019,
                                                                                                                                                                                     © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie /
                                            Während der Schließung der Museen             Links zu SMB-digital, der Online-Daten-      facebook.com/StaatlicheMuseenzuBerlin         Thomas Bruns; © VG Bild-Kunst, Bonn 2019, © Staatliche
Dank eines vielfältigen Online-Angebots     erzählen die Kurator*innen hier Objekt-       bank der Staatlichen Museen zu Berlin.       instagram.com/StaatlicheMuseenzuBerlin        Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Thomas Bruns;
                                                                                                                                                                                     © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Ludwig
                                            und Sammlungsgeschichten, vermitteln          bode360.smb.museum
lassen sich die 15 Sammlungen
                                                                                                                                                                                     Windstosser
                                                                                                                                                                                     Seite 21: © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
                                            Interessantes aus der Weltgeschichte                                                       Alle Online-Angebote der Staatlichen          Seite 22: © Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches

der Staatlichen Museen zu Berlin rund       und Hintergrundwissen über Kunst und          PERGAMON 3D                                  Museen zu Berlin finden Sie unter             Museum / Olaf M. Teßmer
                                                                                                                                                                                     Seite 24: © Barford Sculptures Ltd, Staatliche Museen zu
                                            Künstler*innen.                               Im Rahmen des Masterplans Museumsin-         smb.museum/online-angebote.
um die Uhr erschließen. In virtuellen
                                                                                                                                                                                     Berlin, Gemäldegalerie / David von Becker;
                                                                                                                                                                                     © VG Bild-Kunst, Bonn 2020; © Wolfgang Schulz
                                            blog.smb.museum                               sel wird das Pergamonmuseum seit 2013                                                      Seite 25: © Katharina Grosse / VG Bild-Kunst, Bonn 2020 /

Rundgängen, auf der Website der Museen,                                                   abschnittsweise saniert. Der Saal mit dem
                                                                                                                                                                                     Foto: Jens Ziehe
                                                                                                                                                                                     Seite 26 bis 29: © Staatliche Museen zu Berlin,
                                                                                                                                                                                     Kupferstichkabinett / Volker-H. Schneider;
                                            GOOGLE ARTS & CULTURE                         berühmten Pergamonaltar, dem Herzstück
in der Online-Datenbank SMB-digital         Seit 2011 präsentieren sich die Staatlichen   des Hauses, ist deswegen bereits seit
                                                                                                                                                                                     © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek /
                                                                                                                                                                                     Dietmar Katz; © Staatliche Museen zu Berlin,

und auf dem Blog „Museum and the City“      Museen zu Berlin bei Google Arts &            Herbst 2012 geschlossen.
                                                                                                                                                                                     Gemäldegalerie / Christoph Schmidt;
                                                                                                                                                                                     © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie /
                                                                                                                                                                                     Jörg P. Anders; © Staatliche Museen zu Berlin,
                                            Culture. Zehn Häuser, rund 5.000 Objekte,     Glücklicherweise haben die Antikensamm-
gibt es unzählige Objekte und Geschichten   40 Ausstellungen, 37 Kurzgeschichten,         lung der Staatlichen Museen zu Berlin und
                                                                                                                                                                                     Kunstbibliothek; © Staatliche Museen zu Berlin,
                                                                                                                                                                                     Nationalgalerie, Leihgabe der DekaBank / Andres Kilger

zu entdecken. Hier eine Auswahl
                                                                                                                                                                                     Seite 30: © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie /
                                            fünf Virtual-Reality-Touren, sechs            das Fraunhofer-Institut für Graphische                                                     Fabian Fröhlich
                                                                                                                                                                                     Seite 32: © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek
                                            Expeditionen, acht Gigapixel sowie            Datenverarbeitung einen aufwendigen
                                            Streetviews sind auf der Online-Plattform     3D-Scan des Meisterwerks hellenistischer
                                            vertreten.                                    Kunst gemacht, aus dem ein vollständiges
                                            smb.museum/artsandculture                     und detailreiches 3D-Modell des Altars
                                                                                          entstand, das online frei zugänglich ist.
                                                                                          3d.smb.museum/pergamonaltar
AUSSTELLUNGEN UND VERANSTALTUNGEN                                                                                                           24    25                                                       AUSSTELLUNGEN UND VERANSTALTUNGEN

                                                                         Tonnenschwere Schuld
                                                                               Vor dem Eindruck der Verbrechen des Bosnienkrie-
                                                                         ges, die ihn an die Gräueltaten des Holocaust erinnerten,
                                                                         schuf der britische Bildhauer Anthony Caro zwischen 1995
                                                                         und 1999 sein monumentales Werk „The Last Judgement
                                                                         Sculpture“. Noch während der Modellphase erwarb der
      Anthony Caro:
   The Last Judgement                                                    Kunstsammler Reinhold Würth die 42 Tonnen schwere
         Sculpture,                                                      Installation und ermöglichte die Präsentation auf der Bien-
   Ausstellungsansicht                                                   nale in Venedig, die kurz nach Ende des Kosovokrieges
  in der Gemäldegalerie,
           2019,                                                         stattfand. Dank einer Kooperation mit der Sammlung
     Sammlung Würth                                                      Würth sind die 25 Einzelgruppen nun in der Gemäldega-
                                                                         lerie zu sehen und eröffnen hier spannende Querbezüge
                                                                         zu den Alten Meistern.
                                                                         Anthony Caro. The Last Judgement Sculpture
                                                                         der Sammlung Würth
                                                                         Gemäldegalerie, bis 1.11.2020

                                                                                                                                                                                                                                         Ausstellungsansicht,
                                                                               Kunst oder Fotografie?                                                                                                                                    Katharina Grosse
                                                                                                                                                                                                                                         im Hamburger
                                                                                     In den Jahren um 1980 erlangte die Fotografie einen                                                                                                 Bahnhof, 2020,
                                                                               neuen Stellenwert im Kunstbetrieb. 1977 hatte sie auf der do-                                                                                             Courtesy König
                                                                               cumenta 6 ihren ersten großen Auftritt und im selben Jahr                                                                                                 Galerie, Berlin,
                                                                                                                                                                                                                                         London, Tokyo /
                                                                               gründete der Fotograf und Publizist Wolfgang Schulz das                                                                                                   Gagosian /
Raffael in Berlin                                                              Magazin „Fotografie. Zeitschrift internationaler Fotokunst“                                                                                               Galerie nächst
      Anlässlich des 500. Todestags von Raffael zeigt das Kupferstich-         (später „Fotografie: Kultur jetzt“), das bis 1985 vierzigmal er-                                                                                          St. Stephan
                                                                                                                                                                                                                                         Rosemarie
kabinett unter dem Titel „Raffael in Berlin. Meisterwerke aus dem              schien. Es entwickelte sich zu einem lebendigen Forum für                                                                                                 Schwarzwälder,
Kupferstichkabinett“ die kleine, aber bedeutende Gruppe eigenhän-              einen Aufbruch der Fotografie als Kunstform, in der Kom-                                                                                                  Wien
diger Zeichnungen des berühmten italienischen Künstlers aus eige-              merz noch keine prägende Rolle spielte. In der Ausstellung
nem Bestand. Die selten gezeigten Blätter führen die überragende               „FOTOGRAFIE. Wolfgang Schulz und die Fotoszene um

                                                                                                                                                  Keine Zurückhaltung
schöpferische Bandbreite Raffaels vor Augen – ergänzt durch Werke              1980“ wird ein Schlaglicht auf dieses Magazin und seine wich-
seines Lehrers Perugino sowie seiner wichtigsten Schüler und Mitar-            tigsten Protagonist*innen sowie die besondere Umbruchzeit
beiter und seines Kupferstechers.                                              in Westdeutschland geworfen. Neben der Würdigung von
Raffael in Berlin                                                              Schulz' fotografischem Werk werden Arbeiten verschiedener
Kupferstichkabinett, bis 23.8.2020                                             Fotograf*innen aus der Zeit um 1980 vorgestellt. Die Aus-
                                                                               stellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Museum für
                                                                                                                                                  Für die Schau                      Wer die Kunst von Katharina Grosse beschreiben möchte, kommt um
                                                                                                                                                                               Superlative nicht herum. Raumgreifend, monumental, expansiv – sie selbst sagt
                                                                               Kunst und Gewerbe Hamburg und wurde für die Ausstel-               „It Wasn’t Us“ hat           in einem Interview: „Meine Arbeit ist ein Statement gegen Zurückhaltung.“
                                                                               lungsstation in Berlin erweitert.
                                                                               FOTOGRAFIE. Wolfgang Schulz und die Fotoszene um 1980
                                                                                                                                                  die Künstlerin Katharina     Grosses Kunstwerke sprengen die Koordinaten konventioneller Malerei. An-
                                                                                                                                                                               statt eines Pinsels benutzt sie eine Sprühpistole, mit der sie leuchtende Acryl-
                                                                               Museum für Fotografie, bis 11.10.2020                              Grosse die Historische       farben großflächig auf Wände, Fassaden oder auch auf Bäume und Grasflächen
       Marken und Zeichen                                                                                                                         Halle und den Außenbereich   aufträgt. Für ihre Installation im Hamburger Bahnhof ließ sie mehrere Lkw-
             „Zeichen sind visuelle Telegramme, ähnlich                                                                                                                        Ladungen Polystyrolblöcke anliefern, die sie übereinandertürmte und model-
       wie Flaggen.“ Als der Grafiker Anton Stankowski                                                                                            des Hamburger Bahnhofs       lierte. Als weiterer Bildgrund dienen ihr der Boden der Halle, das weitläufige
       1978 diese Erkenntnis formulierte, zählte er bereits
       zu den wichtigsten Stimmen der Werbegrafik sei-
                                                                                                                                                  in ein faszinierendes Bild   Gelände hinter dem Museum und die Fassade der Rieckhallen.
                                                                                                                                                                                     Die durch Corona bedingte Schließung der Museen verschaffte Grosse
       ner Zeit. In Karl Duschek, der 1972 in das Atelier                                                                                         verwandelt, das die          mehr Zeit als geplant, um das Großprojekt im Hamburger Bahnhof zu reali-
       eintrat und wenig später Partner wurde, fand Stan-
       kowksi einen Gleichgesinnten. Markenentwick-
                                                                                                                                                  bestehende Ordnung           sieren. In einem Interview erzählt sie, dass die Krise damit ganz automatisch
                                                                                                                                                                               Teil ihrer Arbeit geworden sei. Auch Kuratorin Gabriele Knapstein ist sicher:
       lung, Corporate Identity und Informationsgrafik ge-                                                                                        radikal verändert            „Gerade in Hinblick auf die Einschränkungen der letzten Monate ist das eine
       hörten fünf Jahrzehnte lang zum Kerngeschäft bei                                                                                                                        Ausstellung, in der man sich gerne bewegt, deren Dynamik begeistert, und die
       Stankowski + Duschek. Die Kunstbibliothek wid-                                                                                                                          in der Krise auf die Imaginationskraft der Kunst setzt.“
       met dem ikonischen Duo nun eine umfassende                                                                                                                                    Die Ausstellung wird ermöglicht durch die Freunde der Nationalgalerie
       Ausstellung.                                                                                                                                                            und Volkswagen.
       Marken:Zeichen.
                                                                                                      Wolfgang Schulz:
       Das Grafische Atelier Stankowski + Duschek                                                         Michael,                                                             Katharina Grosse. It Wasn’t Us
       Kunstbibliothek, bis 16.8.2020                                                                      1980                                                                Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin, bis 10.1.2021
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