Prävention und Therapie des Schlaganfalls Diplomarbeit - unipub
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Prävention und Therapie des Schlaganfalls Diplomarbeit Zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Pharmazie an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Karl- Franzens- Universität Graz. Vorgelegt von Alexandra Payr Institut für Pharmazeutische Chemie Univ.- Prof. Mag. Dr. Klaus Schweiger Graz, September 2010
Danksagung Hiermit danke ich Univ. Prof. Dr. Schweiger, der es mir ermöglicht hat das Thema zu wählen, welches mich am meisten interessiert hat. Desweiteren gilt mein Dank meinen Eltern, die mich dazu ermutigt haben meinen Weg zu gehen, egal wie schwierig er auch war. Für seine Bemühungen und die Zeit, die er sich genommen hat, danke ich Herrn Dr. Niksa Bareza (TCM- Mediziner), der mir von Frau Dr. Barbara Frühwirt empfohlen wurde. Und zu guter Letzt möchte ich mich bei Frau Dipl.- Biol. Linda Faye Tidwell vom Kompetenznetz Schlaganfall für die nützlichen Links bedanken. II
VORWORT Viele Menschen sind im Laufe ihres Lebens mit Schlaganfall konfrontiert, doch leider ist die Bevölkerung zu wenig über diese Erkrankung informiert. Dabei könnten Todesfälle und Behinderungen infolge eines Schlaganfalls durch einfache Maßnahmen verhindert oder zumindest gemildert werden. Die Warnsignale, die im Rahmen dieser Arbeit genannt werden, sind keine „Lapalien“ und eine sofortige ärztliche Betreuung ist unumgänglich. Da, wie allgemein in der Medizin, die Forschung rund um den Schlaganfall ständig voranschreitet, kann diese Diplomarbeit nur einen Teil des jetzigen Wissenschaftsstandes wiedergeben. Diese Arbeit orientiert sich hauptsächlich an Büchern diverser Fachärzte und an klinischen Studien. Abb.1: Alarmsignale bei Schlaganfall III
Inhaltsverzeichnis Abkürzungen..................................................................................................VIII Einleitung.........................................................................................................XII I Allgemeiner Teil 1 1 Begriffsdefinition Schlaganfall....................................................................1 2 Arten des Schlaganfalls................................................................................1 2.1 Hirninfarkt......................................................................................................................2 2.2 Hirnblutung und Aneurysma..........................................................................................2 3 Auswirkungen der Hirnischämie.................................................................3 4 Schlaganfall- Symptome...............................................................................4 II Spezifischer Teil 8 1 Primärprävention........................................................................................8 1.1 Hypertonie.....................................................................................................................9 1.2 Diabetes.........................................................................................................................9 1.3 Rauchen.........................................................................................................................9 1.4 Hormone......................................................................................................................10 1.5 Sichelzellanämie........................................................................................................10 1.6 Ernährung....................................................................................................................10 1.6.1 Obst und Gemüse...............................................................................................10 1.6.2 Mediterrane Kost...............................................................................................11 1.6.3 Übergewicht/ Ernährungspyramide...................................................................11 1.6.4 Kochsalz............................................................................................................12 1.6.5 Cholesterin.........................................................................................................12 1.6.6 Homocystein und Vitamine...............................................................................13 1.6.7 Alkohol..............................................................................................................14 IV
1.6.8 Tee und Kaffee..................................................................................................14 1.6.9 Nahrungsergänzungsmittel.................................................................................15 1.6.10 Parodontitis......................................................................................................16 1.7 Bewegung...................................................................................................................17 1.8 Schlaf..........................................................................................................................17 1.9 Illegale Substanzen (Amphetamin/ Cocain)...............................................................17 1.10 Medikamentöse Behandlung von Risikofaktoren....................................................18 1.10.1 Diabetes.........................................................................................................18 1.10.2 Bluthochdruck...............................................................................................19 2 Sekundärprävention...................................................................................20 2.1 Thrombozytenaggregationshemmer............................................................................21 2.1.1 Acetylsalicylsäure.............................................................................................22 2.1.2 GP- IIb/IIIa- Rezeptorantagonisten.................................................................23 2.1.3 Dipyridamol.....................................................................................................24 2.1.4 Clopidogrel......................................................................................................25 2.1.5 Ticlopidin.........................................................................................................27 2.2 Vergleichende Studien.............................................................................................28 2.2.1 Studien mit Acetylsalicylsäure........................................................................28 2.2.2 Studien mit Clopidogrel..................................................................................29 2.2.3 Studien mit Ticlopidin.....................................................................................29 2.2.4 Studien mit Cilostazol.....................................................................................29 3 Akuttherapie................................................................................................30 3.1 Intravenöse Thrombolyse (rt- PA).............................................................................31 3.2 Intraarterielle Thrombolyse........................................................................................33 3.3 Kombinierte systemisch- lokale Thrombolyse...........................................................35 3.4 Heparinisierung..........................................................................................................35 3.5 Gefäßrekanalisation mit GP IIb/IIIa- Antagonisten..................................................36 3.6 Mechanische Thrombusextraktion.............................................................................37 V
3.7 Sonothrombolyse........................................................................................................38 3.8 Neuroprotektion.........................................................................................................39 3.9 Alternativen/Ergänzungen zur Schulmedizin.............................................................40 3.9.1 Homöopathie.....................................................................................................40 3.9.2 TCM..................................................................................................................40 4 Unwirksame Therapien..............................................................................45 5 Komplikationen nach einem Schlaganfall.................................................46 6 Arzneimittel- Wechselwirkungen...............................................................50 6.1 Clopidogrel und Protonenpumpeninhibitoren..............................................................50 6.2 Clopidogrel und Warfarin............................................................................................50 6.3 Kombination Dipyridamol + ASS mit anderen Medikamenten...................................51 6.4 Ticlopidin......................................................................................................................51 7 Neue Ansätze in der Schlaganfallforschung..............................................52 7.1 Medikamente/Wirkstoffe.............................................................................................52 7.1.1 Ximelagatran (Exanta).....................................................................................52 7.1.2 Darapladib...........................................................................................................53 7.1.3 Desmoteplase......................................................................................................53 7.1.4 Dabigatranetexilat (Pradaxa)...........................................................................54 7.1.5 Rivaroxaban (Xarelto).....................................................................................55 7.1.6 Ticagrelor............................................................................................................56 7.2 (Marker-) Proteine........................................................................................................57 7.2.1 Fetuin- A.............................................................................................................57 7.2.2 CRP.....................................................................................................................57 7.2.3 Lp- PLA2............................................................................................................58 7.3 G- CSF.........................................................................................................................59 VI
7.4 MicroRNA...................................................................................................................60 7.5 Bradikinin- Rezeptor- Blocker.....................................................................................61 7.6 Stammzellen.................................................................................................................62 7.7 TLR-4...........................................................................................................................64 7.8 EP2- Rezeptor- Agonisten...........................................................................................65 7.9 Adiponektin/ ADR.......................................................................................................65 7.10 Umwandlung von Astroglia in Neuronen..................................................................66 7.11 TGFα..........................................................................................................................67 8 Selbstheilungsmechanismen des Gehirns.....................................................68 8.1 Fallbeispiele....................................................................................................................68 III Abschließende Beurteilung 71 Quellenverzeichnis.............................................................................................72 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis.............................................................80 VII
ABKÜRZUNGEN AbESST: Abciximab Emergent Stroke Treatment Trial ACE: Angiotensin Converting Enzyme ADP: Adenosindiphosphat ADR: Adiponektin- Rezeptor AGES: Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AK: Antikörper ARR: absolute Risikoreduktion ASS: Acetylsalicylsäure ATP: Adenosintriphosphat AXIS: AX200 in Acute Ischemic Stroke B1R: Bradikinin 1- Rezeptor cAMP: cyclisches Adenosinmonophosphat CAPRIE: Clopidogrel vs. Aspirin in Patients at Risk of Ischaemic Events CATS: Canadian American Ticlopidine Study CDP- Cholin: Cytidin- Diphosphocholin COPD: chronic obstructive pulmonary disease COX: Cyclooxygenase CRP: C- reaktives Protein CSPS: Cilostazol Stroke Prevention Study CT: Computertomografie CYP: Cytochrom P450 DEDAS: Dose Escalation of Desmoteplase for Acute Ischemic Stroke VIII
DIAS: Desmoteplase in Acute Ischemic Stroke DSA: digitale Subtraktionsangiographie eNOS: endotheliale Stickstoffmonoxid- Synthase EPIC: European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition EPO: Erythropoetin ESPRIT: Aspirin plus dipyridamole versus aspirin alone after cerebral ischaemia of arterial origin ESPS: European Stroke Prevention Study FDA: Food and Drug Administration G- CSF: Granulocyte- Colony Stimulating Factor GMP: Good Manufacturing Practice GP- IIb/IIIa: Glykoprotein- IIb/IIIa HbA1C: Glykohämoglobin ICAM- 1: interzelluläres Adhäsionsmolekül- 1, inter- cellular adhesion molecule IL- 1β: Interleukin- 1β INI Hannover: International Neuroscience Institute Hannover iNOS: induzierbare Stickstoffmonoxid- Synthase LDL: low density lipoprotein Lp- PLA2: Lipoprotein- assoziierte Phospholipase A2 Mdr: multiple drug resistence miRNA: Micro- Ribonukleinsäure nNOS: neuronale Stickstoffmonoxid- Synthase NNT: number needed to treat IX
NO: Stickstoffmonoxid NSAR: nicht- steroidales Antirheumatikum NSC: neural stem cells ÖBIG: Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen PAMP: pathogen associated molecular pattern PET: Positronen- Emissions- Tomographie PGE2: Prostaglandin E2 PLUTO: Plavix Use for Treatment of Stroke PPI: Protonenpumpeninhibitor PROACT: Prolyse in Acute Cerebral Thromboembolism PROTECT: Prophylaxis of Thromboembolic Complications in Acute Ischaemic Stroke With Certoparin PTT: partial thromboplastin time RE- LY: Randomized Evaluation of Long Term Anticoagulant Therapy ROCKET- AF: Rivaroxaban Once daily oral direct Factor Xa inhibition Compared with vitamin K antagonism for prevention of stroke and Embolism Trial in Atrial Fibrillation RRR: relative Risikoreduktion rt- PA: recombinant tissue- type plasminogen activator SPARCL: Stroke Prevention by Aggressive Reduction in Cholesterol Levels SPORTIF: Stroke Prevention Using Oral Thrombin Inhibitor in Atrial Fibrillation TACIP: Triflusal vs Acetylsalicylic Acid in Secondary Prevention of Stroke TAH: Thrombozytenaggregationshemmer TCM: traditionelle chinesische Medizin TGF-α: transforming growth factor- α X
TIA: transistorische ischämische Attacke TISS: Ticlpidine Indobufen Stroke Study TLR: toll- like receptor TLT: transkranielle Lasertherapie TNF-α: Tumornekrosefaktor- α TXA2: Thromboxan A2 VCAM- 1: vascular cell adhesion molecule- 1 XI
EINLEITUNG Die folgende Diplomarbeit beschäftigt sich mit dem Thema Schlaganfall. Synonyme für diese Erkrankung sind u.a. Hirninsult (englisch: stroke), sowie Apoplexia cerebri (kurz Apoplex) und Hirnschlag. „Der Schlaganfall ist weltweit die dritthäufigste Todesursache und die häufigste Ursache für eine schwere Behinderung im Erwachsenenalter. Jedes Jahr erkranken in Österreich rund 20.000 Menschen daran, ca. 60.000 leiden unter den Schlaganfallfolgen.“1 Das bedeutet, dass in Österreich ca. alle sechs Minuten ein Mensch einen Schlaganfall erleidet. In etwa 15 % der Todesfälle bei Frauen und 10 % bei Männern gehen auf den Insult zurück.2 Der Schlaganfall ist aber nicht auf alte Menschen beschränkt, auch Kinder können einen Schlaganfall erleiden. Die Zahl derer, die schon in jüngerem Alter vom Schlaganfall betroffen sind, steigt. In einer Studie der Universität Cincinnati (USA) wurde das Folgende festgestellt: „Das Durchschnittsalter, in dem Menschen einen Schlaganfall erleiden, ist [...] zwischen 1993 und 2005 von 71 auf 68 Jahre gesunken. Bereits 7,3 Prozent der Schlaganfall-Patienten seien 2005 aus der Altersgruppe von 20 bis 45 Jahren gekommen, 1993 seien es nur 4,5 Prozent gewesen.“3 Da die Lebenserwartung steigt, wird es auch mehr ältere Patienten mit Schlaganfall geben, denn nach dem 60. Lebensjahr verdoppelt sich das Risiko für einen Insult alle fünf Jahre.3 Die Krankheit trifft nicht nur den Patienten und sein Umfeld, sondern auch das Gesundheitswesen. „Eine aktuelle Hochrechnung (ÖBIG) prognostiziert für das Jahr 2020 in Österreich- demographisch bedingt- etwa 5000 Schlaganfälle mehr als heute. Die geschätzten Kosten pro Jahr für einen Schlaganfall- Patienten betragen rund 17.000 Euro- in diesem Bereich ist also mit einer Kostenexplosion zu rechnen.“4 Diese Zahlen belegen, dass die Vorbeugung und Behandlung des Schlaganfalls immer wichtiger wird. XII
Abb. 2: Todesursachen Frauen in Österreich 1998 Abb. 3: Todesursachen Männer in Österreich 1998 Diese Diplomarbeit soll einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten der Vorbeugung und Therapie dieser Erkrankung geben und besonders das Potential eines gesunden Lebensstils aufzeigen. Desweiteren soll die richtige Verwendung von Arzneimitteln im Zusammenhang mit einem Schlaganfall dargelegt werden. Zum Schluss wird gezeigt, wie die falsche Kombination von Arzneimitteln das Schlaganfallrisiko erhöhen kann und welche Möglichkeiten es in der Forschung noch gibt. XIII
I Allgemeiner Teil 1 Begriffsdefinition Schlaganfall Als Schlaganfall bezeichnet man einen plötzlich einsetzenden Ausfall von Teilen des Gehirns.5 Es gibt zwei Arten des Schlaganfalls (Hirninfarkt und Hirnblutung). Beiden Arten ist gemein, dass durch eine Störung der Blut- und Sauerstoffversorgung Gehirngewebe geschädigt wird. Je nach Dauer und Lokalisation der Unterversorgung kommt es zu Funktionsverlusten und schließlich zum Absterben der Nervenzellen. „Die Symptome können nur Minuten oder Stunden andauern (sog. transistorisch ischämische Attacke, TIA) oder dauerhaft anhalten (vollendeter Schlaganfall).“6 „Eine TIA wird häufig auch als "Mini-Schlaganfall" bezeichnet, da deren Symptome denen eines kompletten Schlaganfalls sehr ähnlich sind. Zu diesen Beschwerden gehören plötzliche Schwäche, Taubheitsgefühl, Unbeholfenheit oder Ameisenlaufen einer Körperhälfte, plötzlicher Sehverlust oder Verschwommensehen eines oder beider Augen und verwaschene Sprache oder Wortfindungsstörungen. Diese Symptome verschwinden aber innerhalb von 24 Stunden wieder. Ohne Behandlung entwickeln ein Viertel der TIA-Patienten innerhalb von wenigen Jahren einen kompletten Schlaganfall.“7 2 Arten des Schlaganfalls Eine Unterscheidung der verschiedenen Schlaganfallformen ist essentiell für eine effiziente Therapie. Ein Schlaganfall kann durch eine Einblutung oder ein verschlossenes Gefäß entstehen. Der Unterschied ist in der Computertomografie- Aufnahme sichtbar: helle Bereiche deuten auf eine Einblutung hin, dunkle Bereiche entstehen bei einer Mangeldurchblutung. 1
Abb. 4: CT- Unterschiede Hirnblutung/ Hirninfarkt; links Hirnblutung (hell), rechts Hirninfarkt (dunkel) 2.1 Hirninfarkt Der Hirninfarkt ist die häufigste Form des Schlaganfalls (etwa 80 % der Fälle). Durch den Verschluss einer Arterie kommt es zu einer Minderdurchblutung des Gehirngewebes.8 Ursachen für einen Hirninfarkt: • Arteriosklerose- bedingter Verschluss oder Verengung einer großen Arterie • Verschluss einer kleinen Arterie aufgrund einer Gefäßveränderung8 • Embolus [„plötzlicher Verschluss eines Blutgefäßes (meist Arterie) durch einen Gefäßpfropf “]9 • In seltenen Fällen kann ein angeborener Herzfehler (Foramen ovale) die Ursache für einen Schlaganfall sein. 2.2 Hirnblutung und Aneurysma Weitaus seltener als ein Gefäßverschluss führt eine Blutung im Gehirn zu einem Schlaganfall. In ca. 15 % der Fälle liegt eine Blutung in das Hirngewebe vor (Hirninfarkt). Bei 5- 10 % entsteht ein Schlaganfall aus einer Aneurysma- Blutung. Ein Aneurysma ist eine Ausstülpung einer Arterie im Subarachnoidalraum (Gewebsschicht zwischen harter und weicher Hirnhaut).8 2
Ursachen für Hirnblutung und Subarachnoidalblutung: Bluthochdruck Blutgerinnungshemmende Medikamente Selten: Gefäßerkrankungen, Tumore 3 Auswirkungen der Hirnischämie Durch die Minderdurchblutung (Ischämie) bestimmter Hirnregionen nach einem Schlaganfall kommt es zu zellulären Störungen und Energieverlust. Die folgenden Auswirkungen auf das Hirngewebe können unterschieden werden: * Gewebehypoxie und Laktatazidose: wegen der Minderdurchblutung kommt es zu einer Sauerstoffunterversorgung und die Energiegewinnung erfolgt nicht mehr aerob über ATP, sondern anaerob über Glykolyse. Dies ist weniger effizient und führt dazu, dass Laktat akkumuliert und eine Azidose hervorruft.10 * Zytotoxisches Ödem: durch die Ischämie funktionieren die membranständigen Ionenpumpen im geschädigten Gewebe nicht mehr ordnungsgemäß. Na+- und Cl-- Ionen strömen unkontrolliert vom Extrazellularraum in den Intrazellularraum. Durch den osmotischen Druck strömt dann auch Wasser ins Innere der ischämischen Zellen, wodurch diese anschwellen.10 * Freisetzung exzitotoxischer Metaboliten: nach einem Schlaganfall werden verschiedene Neurotransmitter an den Synapsen der Nervenzellen freigesetzt. Durch die Ausschüttung von Glutamat kommt es zu einem Ca2+- Einstrom aus dem Extrazellularraum und dem endoplasmatischen Retikulum in das Zytoplasma der Nervenzellen. Dadurch werden Enzyme aktiviert, die eine Nekrose auslösen. Die Mitochondrien werden ebenfalls in ihrer Funktion beeinträchtigt, was den Zelltod weiter beschleunigt.10 * Entstehung freier Radikale: im geschädigten Gewebe werden freie Radikale (v.a. reaktive Sauerstoffradikale) gebildet, die die Zellmembran und die Organellen schädigen. 10 * NO- Toxizität: durch die NO- Synthasen wird NO gebildet. Dieses kann bei einer Ischämie sowohl protektiv als auch destruktiv wirken. 3
„Während die eNOS eine Gefäßdilatation erzeugt und damit hämodynamisch günstige Effekte besitzt, verstärkt eine Aktivierung der iNOS und nNOS die Exzitotoxizität und die Bildung freier Radikale [...]. Somit wirkt die Aktivierung der eNOS protektiv, die Aktivierung der iNOS und nNOS dagegen destruktiv. Global betrachtet entsteht somit ein Patt im NO- Stoffwechsel.“10 * Ischämie- induzierte Zelldepolarisationen (spreading depression): durch die nach dem Schlaganfall auftretende Ischämie kommt es zu einer Depolarisation der Zellen. Im Kern des Infarkts bleibt die Depolarisation dauerhaft bestehen (sog. anoxische Depolarisation). In der Umgebung des Infarktkerns (der sog. Penumbra) entsteht eine Repolarisation. Diese benötigt sehr viel Energie und wirkt damit autodestruktiv. Die klinische Relevanz dieses Phänomens ist fraglich.10 * Entzündungsreaktion: durch die Unterversorgung des Gehirngewebes kommt es zu einer inflammatorischen Reaktion. Zuerst werden proinflammatorische Zytokine wie TNF- α od. IL- 1β produziert. Durch die Ausschüttung dieser Zytokine kommt es zu einer vermehrten Expression von Adhäsionsmolekülen wie ICAM- 1 und VCAM- 1 auf dem Gefäßendothel. 10 „Dadurch können Leukozyten aus dem Blut ans Endothel binden und so die Blut- Hirn- Schranke passieren und ins Hirnparenchym gelangen. Zusätzlich werden ortsständige Mikrogliazellen im Hirngewebe zu aktiven Makrophagen transformiert, wodurch die Entzündungsreaktion weiter verstärkt wird.“10 Durch die Entzündungsreaktion können toxische Metabolite anfallen. * Apoptose: bislang konnte noch nicht festgestellt werden, ob die Apoptose beim Schlaganfall des Menschen eine Bedeutung hat.10 4 Schlaganfall- Symptome Ein Schlaganfall kann sich in vielen verschiedenen Symptomen äußern, je nachdem welche Hirnregion betroffen ist. Bei Verdacht auf Schlaganfall muss sofort ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden, denn je länger die mangelnde Versorgung des Hirngewebes andauert, desto mehr Nervenzellen sterben ab. 4
Die folgenden Beschwerden können auf einen Schlaganfall hindeuten bzw. nach einem Schlaganfall auftreten: Sprachstörung (Aphasie): tritt v.a. auf, wenn die linke Hirnhälfte betroffen ist - Störungen des Sprachverständnisses - Störungen der Sprachproduktion Sprachstörung (Dysarthrie/Anarthrie): Silben werden undeutlich ausgesprochen Schluckstörung (Dysphagie) Aufmerksamkeitsstörungen: häufiges Symptom Wahrnehmungsstörung: Nichtbeachten unterschiedlicher Reize, eigener Körper wird nicht richtig wahrgenommen Störungen der Gedächtnisfunktion Gesichtsfeldausfall (Hemianopsie): tritt bei einer Schädigung des Hinterhauptlappens auf Bewegungs- Abfolgestörungen (Apraxie/ Dyspraxie): bei Läsionen der linken Hemisphäre Störungen von Sehschärfe, Farbsehen oder Kontrastsehen Doppelbilder (Diplopie): Störungen im Hirnstammbereich bedingen eine Störung der Augenmuskelkoordination Schwindel (Vertigo) Gleichgewichtsstörungen11 5
Gesichtsnervenlähmung (Fazialislähmung): herabhängender Mundwinkel Abb. 5: normales Gesicht- Schlaganfallpatient Lähmung/ motorische Ausfälle: unterschiedliches Ausmaß; eine halbseitige Lähmung ist das häufigste Symptom nach einem Schlaganfall11 Abb. 6: Linksseitige Hemiparese (Halbseitenlähmung) nach Schlaganfall 6
Erhöhte Muskelspannung (Spastik) Epileptische Anfälle: selten; ein Schlaganfall kann zur Narbenbildung im Gehirn führen Gefühlsstörungen: häufiges Symptom; „Kribbeln“ Schulter- Arm- Syndrom: starke Schmerzen, die zu Schlafstörungen führen können Blasenstörung (neurogene Reizblase) Obstipation Sexualfunktionsstörung Depression: sehr häufig nach einem Schlaganfall Emotionale Durchbrüche: Gefühlsausbrüche ungebremst geäußert (Weinanfall, Affektlachen) Tagesmüdigkeit11 7
II Spezifischer Teil 1 Primärprävention Unter Primärprävention versteht man die Vorbeugung eines Schlaganfallgeschehens bei Menschen, die noch keinen Schlaganfall erlitten haben. Die Primärprävention beruht auf mehreren Säulen: gesunder Lebensstil (ausgewogene Ernährung, ausreichende Bewegung), Blutdruck-, Blutzucker- und Cholesterinkontrolle, Behandlung von Vorhofflimmern, Reduktion des Alkohol- und Nikotinkonsums. Folgende Risikofaktoren sind bei der Prävention des Schlaganfalls zu beachten: Risikofaktor Präventionsmöglichkeit Bluthochdruck Sehr gut Hypercholesterinämie Sehr gut Diabetes Sehr gut Alkohol Sehr gut Stress Sehr gut Homocystein Gut Fibrinogen Gut Alter Keine Familiäre Belastung Keine Geschlecht Keine Herzerkrankungen Abhängig von der Art der Erkrankung Tab. 1: Risikofaktoren und Präventionsmöglichkeiten des Schlaganfalls 8
1.1 Hypertonie Bluthochdruck, der über längere Zeit besteht, ist einer der wichtigsten vermeidbaren Risikofaktoren für Schlaganfall. Angestrebt wird eine dauerhafte Senkung des Blutdrucks auf unter 90/140 mmHg.12 „Hinsichtlich des Schlaganfallrisikos ist von Belang, dass schon eine Steigerung des diastolischen Werts um 7,5 mmHg zu einer Zunahme des Schlaganfallrisikos um 100 Prozent, d.h. zu einer Verdoppelung führt! Umgekehrt kann das Risiko bei einer durchschnittlichen Senkung des systolischen Werts um neun mmHg und des diastolischen um fünf mmHg zu einer Reduktion des Schlaganfallrisikos um etwa 30 Prozent führen.“13 1.2 Diabetes Ein weiteres Risiko stellt eine Diabeteserkrankung dar. Durch den zu hohen Blutzuckerspiegel kommt es langfristig zu Gefäßschäden, die einen Schlaganfall auslösen können. „Bei Diabetikern ist das Risiko für einen Hirninfarkt eineinhalb bis dreimal höher als bei Menschen, die nicht an dieser Krankheit leiden.“13 „In einer groß angelegten Beobachtungsstudie führte jede 1 %-Steigerung des HbA1c- Wertes zu einer Zunahme von Schlaganfällen um 12 %, von Herzinfarkten um 14 % und von mikrovaskulären Komplikationen um 37 % (Stratton).“14 Eine konsequente Therapie und eine gute Einstellung des Blutzuckerwertes sind bei einem Diabetiker deshalb unabdinglich. 1.3 Rauchen Rauchen schädigt nicht nur die Lunge, sondern wirkt sich auch negativ auf die Blutgefäße aus. „In Österreich verstarben 2003 34.914 Personen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfall, wahrscheinlich 1/3 davon als Folge des Rauchens.“15 „Nikotin verengt die Gefäße. Der Blutdruck steigt an. In der Folge werden die Blutgefäße geschädigt und die Entstehung der Arteriosklerose („Arterienverkalkung“) gefördert. Zusätzlich verändern die Substanzen im Zigarettenrauch die Fließeigenschaften des Blutes - es wird zähflüssiger und neigt verstärkt zur Bildung von Gerinnseln. 9
Diese Gerinnsel können ein verengtes Blutgefäß verstopfen und die Sauerstoffversorgung des nachfolgenden Gewebes lahm legen. Wenn das Gehirn durch den Verschluss eines hirnversorgenden Gefäßes nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden kann, führt dies zu einem Schlaganfall. Das Schlaganfall-Risiko steigt mit der Anzahl der "Raucherjahre" und der täglichen Zigarettendosis.“16 Besonders zu beachten ist, dass nicht nur aktive Raucher gefährdet sind. Auch das Passivrauchen ist schädlich und erhöht das Schlaganfallrisiko. 1.4 Hormone Ein weiterer Aspekt, der aus der Tabelle nicht hervorgeht, sind weibliche Geschlechtshormone. Es wurde gezeigt, dass die Gabe von oralen Kontrazeptiva oder eine Hormonersatztherapie in der Menopause das Risiko von Blutgerinnseln und somit Schlaganfall erhöht (v.a. in Kombination mit Rauchen).17, 18 „In der WHI- Studie, der bislang größten Primärpräventionsstudie, zeigte sich in der Östrogengruppe neben einer erhöhten Rate an Mamma- und Endometrium- Karzinomen auch ein um 40 % erhöhtes Schlaganfallrisiko (Writing Group WHI Investigators).“19 1.5 Sichelzellanämie Eine in Europa kaum vorkommende Erbkrankheit, die Sichelzellanämie, stellt auch einen Risikofaktor dar. Bei dieser Erkrankung sind die Hämoglobinmoleküle defekt. Dadurch entstehen sichelförmige Erythrozyten, die weniger elastisch sind. Die übrigen vermeidbaren Risikofaktoren werden im Punkt Ernährung behandelt. 1.6 Ernährung Heutzutage ist das Thema gesunde Ernährung in aller Munde. Doch wie wichtig eine richtige Zusammenstellung der Nahrung wirklich ist, sieht man am Beispiel des Schlaganfalls. Natürlich bedeutet dies nicht, dass man auf jeglichen Genuss verzichten soll. Eine neue Studie besagt sogar, dass Schokolade in Maßen das Schlaganfallrisiko reduzieren kann.20 1.6.1 Obst und Gemüse Es konnte gezeigt werden, dass ein erhöhter Konsum von Obst und Gemüse das Risiko an einem Schlaganfall zu erkranken senken kann. Pro Portion Obst oder Gemüse pro Tag kann das relative Schlaganfallrisiko um circa 15 % reduziert werden. 10
Daher lautet die Empfehlung: fünf Portionen Obst und Gemüse pro Tag. Besonders empfehlenswert zur Vorbeugung eines Schlaganfalls sind Kreuzblütler (z.B. Brokkoli), Blattgemüse, sowie Zitrusfrüchte und der Saft von Zitrusfrüchten.21 Ebenfalls zu empfehlen sind Gemüse- und Obstsorten, die viele Antioxidantien enthalten wie Karotten (β- Carotin), Tomaten (Lycopin), Trauben (Reservatrol) und Blaubeeren (Anthocyane). Antioxidantien wirken sich positiv auf die Gefäße aus.22 1.6.2 Mediterrane Kost Als ideale Vorbeugung eines Schlaganfalls wird eine mediterrane Kost angesehen. „All die Vorteile der Mittelmeerküche gehen auf die für sie typische Auswahl und Zusammensetzung ihrer verschiedensten Zutaten zurück: Obst und Gemüse, Getreide- und Getreideprodukte, Fisch und Meeresfrüchte, Olivenöl und Rotwein. Diese Nahrungsmittel verfügen über eine Vielzahl wertvoller Inhaltsstoffe, die die Gesundheit fördern und damit auch die Lebensqualität deutlich erhöhen. Im Meeresfisch sind wertvolle Mineralstoffe wie Jod enthalten. Fisch ist außerdem ein wichtiger Calcium- und Phosphorlieferant. Die fettreichen Fische, wie Makrele, Lachs oder Hering enthalten außerdem die wichtigen Omega 3 Fettsäuren. Diese machen die Gefäße elastisch, senken den Blutdruck und verbessern somit die Fließeigenschaften des Blutes. Getreideprodukte und insbesondere Brot fehlen im Mittelmeerraum bei keiner Mahlzeit und bilden die Grundlage der gesunden Ernährung. Frisches Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse, Joghurt, Käse stehen täglich auf dem Tisch. Eine Besonderheit der südeuropäischen Küche ist die Verwendung von Olivenöl. Olivenöl enthält Vitamin E und Alpha-Linolsäure, die nützlich gegen Gerinnselbildung sind.“23 1.6.3 Übergewicht / Ernährungspyramide Eine gesunde Ernährung ist nicht nur für eine ausreichende Nährstoff- und Vitaminzufuhr wichtig, sondern beugt auch Übergewicht vor. Eine Metaanalyse mit über zwei Millionen Teilnehmern zeigte, dass Übergewicht und Adipositas mit einem deutlich erhöhten Schlaganfallrisiko einhergehen.24 11
Abb. 7: Ernährungspyramide 1.6.4 Kochsalz Ein weiterer Faktor, der zu beachten ist, wäre die Kochsalzzufuhr. Eine zu hohe Kochsalzkonsumation führt zu einer Blutdruckerhöhung, die wiederum die Gefäße schädigen kann. Wenn die Kochsalzzufuhr um fünf Gramm pro Tag erhöht wird, steigert dies das Schlaganfallrisiko um 23 %. 25 1.6.5 Cholesterin Eine Aussage über die Rolle des Cholesterinspiegels bei der Schlaganfallprävention zu treffen, ist äußerst schwierig. Die Studien, die bis jetzt durchgeführt wurden, zeigen unterschiedliche und teils kontroversielle Ergebnisse. Dies gilt auch für die Therapie mit Lipidsenkern. Gesichert zu sein scheint, dass eine lipidsenkende Therapie bei Patienten mit koronaren Erkrankungen das Schlaganfallrisiko senken kann. Die besten Effekte hierbei zeigen Statine.26 Heutzutage gibt es einige Lebensmittel, die den Cholesterinspiegel senken sollen, z.B. Margarine. Diesen Produkten sind Pflanzensterine (Phytosterole) zugesetzt, die dazu führen, 12
dass das Cholesterin nicht ins Blut gelangt, sondern ausgeschieden wird. Diese Lebensmittel sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Menschen mit normalen Cholesterinwerten sollten davon Abstand nehmen, da Pflanzensterine nicht nur den Cholesterinspiegel senken, sondern sich auch negativ auf die Aufnahme von β- Carotin auswirken. Menschen, die Probleme mit zu hohen Cholesterinwerten haben, sollten Produkte mit Pflanzensterinen nur nach Absprache mit dem Arzt verwenden.27 Hier gilt nicht das Motto „viel hilft viel“, denn ab einer gewissen Dosis kommt es zu einer Überdosierung und der gesundheitsfördernde Effekt dreht sich um. Durch zu viele Pflanzensterine könnte sogar Arteriosklerose ausgelöst werden. Man kann cholesterinsenkende Lebensmittel also nicht für die Schlaganfallprävention einsetzen.28 1.6.6 Homocystein/ Vitamine Als ein weiterer Risikofaktor für Schlaganfall (zumindest bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung) gilt die Hyperhomocysteinämie.29 „Homocystein ist eine körpereigene Aminosäure, die die Blutgefäße schädigt und die Entstehung von Arteriosklerose und Thrombosen fördert. [...] Bei gesunden Menschen wird dieser schädliche Stoff mithilfe von Vitamin B6, Folsäure und Vitamin B12 verstoffwechselt. [...] Die Unfähigkeit des Körpers, den Stoff abzubauen, kann verschiedene Ursachen haben (z.B. erbliche Veranlagung, Vitaminmangel, Nierenversagen, Schilddrüsenunterfunktion).“30 Man hoffte durch eine Supplementierung von Vitamin B6, Folsäure und Vitamin B12 den Homocysteinspiegel zu senken und somit das Risiko einen Schlaganfall zu erleiden zu minimieren. Diese Annahme konnte während einer zweijährigen Studie jedoch nicht verifiziert werden.31 Momentan kann man also annehmen, dass eine Behandlung der Hyperhomocysteinämie in Bezug auf die Schlaganfallprävention nicht sinnvoll ist. Um dies zu überprüfen, wurde eine weitere Studie namens VITATOPS (vitamins to prevent stroke) durchgeführt, die ebenfalls keinen Hinweis auf Relevanz liefert. Eine amerikanische Studie wiederum deutet darauf hin, dass ein Mangel an Vitamin D nicht nur Osteoporose begünstigt, sondern auch Schlaganfall. Da die Studie nur auf epidemiologischen Beobachtungen beruht, müssen weitere Untersuchungen folgen, um diese These zu untermauern.32 13
1.6.7 Alkohol Alkohol ist ein weiterer vermeidbarer Risikofaktor für Schlaganfall. Ein erhöhter Alkoholkonsum schädigt die Leber, in der die Gerinnungsfaktoren gebildet werden. Es kommt zu einer vermehrten Gerinnselbildung; außerdem steigt der Blutdruck.17 Abb. 8: Alkohol und Schlaganfallrisiko „Das Schlaganfall-Risiko steigt, wenn man regelmäßig Alkohol im Übermaß trinkt, das heißt bei Männern oberhalb von 60 bis 80 g pro Tag (1 bis 1,5 Liter Bier oder 0,5 bis 0,75 Liter Wein) und bei Frauen oberhalb von 40 bis 60 g Alkohol.“33 Eine taiwanesische Studie besagt jedoch, dass Rauchen bei älteren Personen ein noch größerer Risikofaktor als übermäßiger Alkoholkonsum ist.34 1.6.8 Tee und Kaffee Diverse Studien und Metaanalysen zeigen, dass Tee- und Kaffeekonsum das Schlaganfallrisiko keineswegs erhöht, sondern im Gegenteil senken könnte. Der Konsum von 3 Tassen grünem oder schwarzem Tee dürfte schon ausreichen, um das Risiko zu minimieren.35 14
1.6.9 Nahrungsergänzungsmittel CDP- Cholin: Das Präparat Ceraxon, das als ergänzende bilanzierte Diät bei Schlaganfallpatienten in Deutschland eingesetzt wird, enthält den Wirkstoff CDP- Cholin (Cytidin- Diphosphocholin). Die Substanz kommt auch im menschlichen Körper als Zwischenprodukt des Zellmembranstoffwechsels vor und soll neuroprotektiv und regenerativ wirken. Laut Prof. Dr. med. Wolf- Rüdiger Schäbitz (Evangelisches Krankenhaus Bielefeld) kommt es unter Ceraxon- Behandlung zu einer Reduktion des Infarktareals, einer Stabilisierung intakter Neurone und einer besseren funktionellen Leistungsfähigkeit.36 Laut einer Phase III- Studie mit CDP- Cholin, die schon im November 2001 in der Fachzeitschrift Neurology erschienen ist, zeigt die Substanz jedoch keinerlei Wirkung im Vergleich mit Placebo.37 Abb. 9: CDP- Cholin Calcium- Präparate: Eine neuseeländische Studie kam zu dem Ergebnis, dass Calcium- Substitution zu einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall führt. Eine Behandlung mit Calciumpräparaten bei Osteoporose sollte somit genau abgewogen werden. Interessanterweise wurde bei einer Calciumzufuhr durch Nahrungsmittel kein erhöhtes Risiko festgestellt.38 Niteworks: Dieses Präparat der Firma Herbalife wird im Internet vertrieben. Laut Hersteller soll durch Anregung der NO- Produktion in der Nacht der Blutdruck normalisiert werden und der Blutfluss verbessert werden.39 Das Mittel wird auch als Nahrungsergänzungsmittel zur Schlaganfallprophylaxe beworben. Es gibt keine Belege, die die Wirksamkeit dieses Produkts am Menschen ausreichend beweisen würden. Es kann daher von einer Einnahme nur abgeraten werden. 15
Nahrungsergänzungsmittel aus dem Internet sind generell abzulehnen, da die Qualität und Unbedenklichkeit nicht überprüft wurde. 1.6.10 Parodontitis Im Zusammenhang mit Ernährung sollte man auch die Zahngesundheit nicht außer Acht lassen, denn laut neuesten Forschungsergebnissen spielt Parodontitis eine Rolle bei der Entstehung von Arteriosklerose und erhöht damit auch das Schlaganfallrisiko. Unter Parodontitis versteht man eine „Entzündung des Zahnhalteapparats (Parodontium)“40, die durch Bakterien verursacht wird. Durch mangelhafte Zahnpflege und falsche Ernährung bilden sich raue Beläge auf den Zähnen, welche zu Entzündungen und Zahnfleischblutungen führen können.41 Abb. 10: Parodontitis Parodontitis führt zu einem Anstieg der Entzündungsmarker CRP, Fibrinogen und Zytokinen. Der Mechanismus, wie Parodontitis die endotheliale Funktion beeinflusst, ist noch unklar. Es konnte aber gezeigt werden, dass eine Parodontitisbehandlung die Endothelfunktion verbessert und damit das Schlaganfallrisiko senkt.42 16
1.7 Bewegung Regelmäßige Bewegung bringt zwei entscheidende Vorteile. Erstens minimiert sie das Schlaganfallrisiko um bis zu ein Drittel43 und zweitens fördert sie die Erholung nach einem Schlaganfall.44 Dies wurde in einer Kopenhagener Studie mit 265 Teilnehmern gezeigt.45 „Die positive Wirkung der sportlichen Aktivität erfolgt über die Senkung des Blutdrucks, die Verminderung des Blutzuckers und der Blutfette. Bewegung hat außerdem einen guten Einfluss auf die Blutgerinnung und trägt zur Gewichtsnormalisierung bei. [...] Empfohlen wird dreimal 30 Minuten Bewegung pro Woche. [...] Entscheidend für den schützenden Effekt ist die Regelmäßigkeit der Übungen.“46 Laut der Deutschen Schlaganfall- Gesellschaft erkranken Frauen, die regelmäßig spazieren gehen, seltener an Schlaganfall (um bis zu 30 %). Schnelles Gehen reduziert das Schlaganfallrisiko noch stärker.47 Folgende Sportarten sind ideal für Menschen, die einem Schlaganfall vorbeugen wollen: Wandern, Joggen, Schwimmen, Nordic Walking und Radfahren. Wichtig bei allen sportlichen Betätigungen ist, dass der Blutdruck nicht zu stark ansteigt. Der Puls- Messwert sollte nicht zu hoch sein. Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist zu achten. 1.8 Schlaf Eine japanische Studie zeigte, dass das Risiko einen Schlaganfall zu erleiden sowohl bei einem Schlafdefizit (vier Stunden pro Tag od. weniger), als auch bei zu viel Schlaf (zehn Stunden pro Tag od. mehr) ansteigt. Ideal erscheinen sieben Stunden Schlaf pro Tag. Dies gilt für Männer und Frauen.48 1.9 Illegale Substanzen (Amphetamin/ Cocain) Neben den vielen anderen Schädigungen, die Drogenkonsum verursachen kann, erhöht die Einnahme von Drogen wie Amphetamin oder Cocain auch das Risiko eines Insultes. Eine Untersuchung aus Texas im Jahr 2003 zeigte folgendes: „Amphetaminkonsum verfünffachte das Risiko für einen hämorrhagischen Schlaganfall, beeinflusste die Wahrscheinlichkeit eines ischämischen Hirnschlags aber nicht. Kokain verdoppelte dagegen das Risiko für beide Arten von Schlaganfällen. Die stimulierenden Drogen erhöhen den Blutdruck und können zudem zu einer Verengung der Blutgefäße beitragen.“49 17
Abb. 11: Cocain Abb. 12: R- und S- Amphetamin 1.10 Medikamentöse Behandlung von Risikofaktoren 1.10.1 Diabetes Wie bereits erwähnt ist eine Diabeteserkrankung ein ernst zu nehmender Risikofaktor für Schlaganfall (10 % der Diabetiker erleiden einen solchen).50 „Die epidemiologischen Studien zeigen, dass Diabetes mellitus das Risiko für ischämische Insulte stärker erhöht als für cerebrale Blutungen. Insbesondere das Risiko lakunärer Infarkte [Anmerkung: Defekte, die nicht größer als 1 ½ cm sind] ist erhöht. Die Prognose bei einem akuten Schlaganfall ist bei Diabetikern schlechter als bei Nichtdiabetikern. Es gibt eine fast lineare Korrelation zwischen erhöhter Glukose beim akuten Schlaganfall und der Prognose.“51 Die Behandlung des Diabetes mellitus im Rahmen der Schlaganfallvorsorge zielt darauf ab, den HbA1c- Wert auf einen Wert unter 6 % zu bringen. Dazu ist meist eine medikamentöse Therapie in Kombination mit gesunder Ernährung und ausreichender Bewegung erforderlich. 18
Die medikamentöse Therapie besteht bei Typ 1- Diabetikern aus Insulin und bei Typ 2- Diabetikern aus den folgenden Arzneistoffgruppen: • Insuline (wenn orale Antidiabetika nicht ausreichen) • Inkretinmimetika (z.B. Exenatid) • Sulfonylharnstoffe (z.B. Glibenclamid) • Glinidine (z.B. Repaglinid) • Biguanide (Metformin) • Glitazone (= Insulin- Sensitizer; z.B. Pioglitazon) • Glucosidasehemmer (z.B. Miglitol) • Dipeptidylpeptidase- IV- Inhibitoren (z.B. Sitagliptin) 52 1.10.2 Bluthochdruck „Je höher der Blutdruck, desto höher das Schlaganfall-Risiko. Bluthochdruck verursacht Schäden an den Gefäßwänden und begünstigt die Entwicklung der Arteriosklerose. Erhöhter Blutdruck verursacht zunächst keine Beschwerden. So bleibt er lange Zeit unerkannt. Studien belegen, dass allein durch die frühzeitige Erkennung und Behandlung des Bluthochdrucks das Schlaganfall-Risiko um bis zu 40 Prozent gesenkt werden kann.“53 Wie bei Diabetes spielt auch beim Bluthochdruck die Ernährung eine Rolle. Eine zu hohe Aufnahme von Kochsalz, gesättigten Fettsäuren und Alkohol kann zu einer Hypertonie führen. Führt eine Umstellung der Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten nicht zur ausreichenden Blutdruckreduktion, sind Medikamente nötig, auch wenn die Hypertonie lange Zeit keine Beschwerden verursacht. „Für die medikamentöse Behandlung des erhöhten Blutdrucks spielt es eine Rolle, ob schon ein Schlaganfall stattgefunden hat oder nicht. Ist noch kein Schlaganfall aufgetreten, sollten [...] Alphablocker nicht gegeben werden. [...] Generell ist aber davon auszugehen, dass alle blutdrucksenkenden Medikamente gleich wirksam sind.“54 19
Arzneistoffgruppen zur Behandlung von Hypertonie: • α- Adrenozeptorenblocker (Reservetherapie, z.B. Prazosin) • β- Adrenozeptorenblocker (z.B. Bisoprolol) • Diuretika (Kombinationstherapie) • Calciumkanalblocker (z.B. Amlodipin) • ACE- Hemmer (z.B. Captopril) • Sartane (z.B. Losartan)55 2 Sekundärprävention Unter Sekundärprävention versteht man die Vorbeugung eines Schlaganfalls bei Menschen, die bereits einen Schlaganfall erlitten haben. Sie ist besonders wichtig, da bis zu 15 % der Schlaganfallpatienten im ersten Jahr danach einen zweiten Schlaganfall erleiden.56 „Nach einem ischämischen Hirninsult ist das Rezidivrisiko für vaskuläre Ereignisse mindestens 6- fach gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöht. Innerhalb von 10 Jahren erleiden mindestens 30- 50 % der Schlaganfallpatienten ein vaskuläres Rezidivereignis, das bei fast jedem Zweiten tödlich verläuft und bei der Mehrzahl zu einer bleibenden Behinderung führt (Hardie). Weitere 20- 30 % entwickeln in diesem Zeitraum eine andere relevante Gefäßkrankheit.“57 „Vier grundsätzliche Behandlungsebenen der Sekundärprophylaxe sind erkennbar: Behandlung vaskulärer Risikofaktoren Veränderungen der Gerinnungs- oder Thrombozytenfunktionen Revaskularisation Verbesserung der Hirndurchblutung“58 Diabetes: Diabetes mellitus ist ein Risikofaktor, der auch bei der Sekundärprävention zu berücksichtigen ist. Die PROaktiv- Studie untersuchte in diesem Zusammenhang den Nutzen einer Diabetesbehandlung mit Pioglitazon und fand heraus, dass der Arzneistoff das Schlaganfallrisiko bei Diabetikern, die bereits einen Schlaganfall erlitten haben, senkt (relative Risikoreduktion 47 %). Bei der Primärprävention hatte Pioglitazon jedoch keinen erkennbaren Nutzen. Glitazone scheinen also für die Sekundärprävention des Schlaganfalls nützlich zu sein.59 20
Hypertonie: Die Behandlung eines Bluthochdrucks als Sekundärprävention ist essentiell. Die PROGRESS- Studie (Perindopril protection against recurrent stroke study) zeigte den Nutzen einer blutdrucksenkenden Therapie mit Perindopril (ACE- Hemmer) und Indapamid (Diuretikum). „Eine Behandlung mit Perindopril ± Indapamid über vier Jahre reduzierte das Risiko für einen weiteren Schlaganfall um 28 % und einer cerebralen Blutung um 50 %.“60 Eine Kombinationstherapie mit Perindopril und Indapamid senkte den Blutdruck um durchschnittlich 12/5 mmHg und reduzierte das Schlaganfallrisiko deutlich. Eine Monotherapie mit Perindopril senkte den Blutdruck um 5/3 mmHg und hatte keinen signifikanten Effekt auf die Schlaganfallwahrscheinlichkeit und andere vaskuläre Ereignisse.60 Cholesterin: Sowohl bei der Primär-, als auch bei der Sekundärprävention spielen der Cholesterinspiegel und damit cholesterinsenkende Arzneistoffe eine Rolle. „Die Ergebnisse der SPARCL- Studie, der ersten reinen Sekundärpräventionsstudie mit Statinen nach Hirninfarkt, wurden kürzlich vorgestellt. Die Behandlung mit 80 mg Atorvastatin tgl. über 6 Jahre konnte das Rezidivrisiko um 16 % gegenüber Placebo senken (ARR 2,5 %, NNT = 40) (Amarenco 2003; ders. ESC Brüssel 2006). Bislang gibt es keine überzeugenden Daten, die nach Adjustierung für das Ausmaß der Cholesterinsenkung, eine Überlegenheit eines bestimmten Statinpräparates aufzeigen konnten. Experimentelle Evidenzen sprechen dafür, dass Cholesterin- unabhängige, sog. pleiotrope Effekte der Statine wie z.B. Plaquestabilisierung, Verbesserung der Endothel- vermittelten Vasodilatation, Reduktion von oxidativem Stress und Inflammation entscheidend zur präventiven Wirksamkeit beitragen. Für Fibrate (Gemfibrozil) liegen positive und negative Therapiestudien zur Sekundärprävention von Schlaganfällen vor, so dass diese Therapie nicht allgemein empfohlen wird (Leys 2004).“61 2.1 Thrombozytenaggregationshemmer „TAH [Thrombozytenaggregationshemmer] sind Substanzen, deren Hauptwirkungsmechanismus darin besteht, den Kontakt von Thrombozyten mit dem Gefäßendothel, mit anderen Zellen sowie mit weiteren Thrombozyten zu verhindern.“62 21
Bei der Schlaganfallprävention unterscheidet man folgende Gruppen der Thrombozytenaggregationshemmer: Cyclooxygenasehemmer (ASS) ADP- Hemmstoffe (Ticlopidin, Clopidogrel) Phosphodiesterasehemmer ( Dipyridamol) GP- IIb/IIIa- Antagonisten (Tirofiban)62, 63 Manche Thrombozytenaggregationshemmer haben mehrere Wirkmechanismen. Triflusal wirkt zum Beispiel sowohl auf die Cyclooxygenase als auch auf die Phosphodiesterase. 62 2.1.1 Acetylsalicylsäure Abb. 13: ASS ASS ist einer der am meisten verwendeten Thrombozytenaggregationshemmer (THROMBO ASS, ASS Hexal,...). „Die mit Abstand dichteste Evidenzlage für die Sekundärprävention des Insultes liegt für ASS vor. In der bislang größten Metaanalyse unter Einschluss von 287 Studien und insgesamt > 130.000 behandelten Patienten konnte durch die ASS- Therapie eine relative Risikoreduktion von 18 % für Schlaganfälle und von 25 % für den kombinierten Endpunkt aus Schlaganfall, Myokardinfarkt und vaskulärem Tod nachgewiesen werden (Antithrombotic Trialists´Collaboration). Die absolute Risikoreduktion betrug dabei ca. 1,8 %/Jahr (NNT = 56).“64 „Die Substanz inaktiviert die COX- 1 durch irreversible Acetylierung des Serinrestes in Position 530. Da reife Thrombozyten nur COX- 1 exprimieren und keinen Zellkern besitzen, um geschädigte Enzymsysteme zu regenerieren, hält der Effekt trotz geringer Halbwertszeit [...] mehrere Tage an.“63 Das bedeutet, dass man für die Schlaganfallprävention nur geringe Dosen benötigt. 22
„Bei Patienten nach TIA und ischämischem Insult mit geringem Rezidivrisiko (< 4% pro Jahr) wird die tägliche Gabe von 100 mg ASS empfohlen. [...] ASS in Dosierungen >150 mg führt zu einem erhöhten Risiko von Blutungskomplikationen.“65 Im Vergleich zu oralen Antikoagulantien wie z.B. Warfarin hat ASS aber eine geringere Rate an Blutungskomplikationen.66 Neben dem Problem der Blutungskomplikationen kann es zu einer sogenannten Aspirinresistenz kommen. Dabei handelt es sich um eine unzureichende Hemmung der TXA2- Produktion durch ASS.67 Desweiteren kann es unter einer ASS- Behandlung zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (COX-2- Inhibitoren, NSAR) kommen. Tab. 2: ASS- Präparate- Problematik 2.1.2 GP-IIb/IIIa- Rezeptorantagonisten Glykoprotein- IIb/IIIa- Antagonisten verhindern die durch Fibrinogen ausgelöste Ausbildung von Brücken zwischen aktivierten Thrombozyten. 23
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