Ambulante Psychotherapie: Besser, aber noch nicht gut genug - Nr. 8 / 2019
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Nr. 8 | 27. August 2019 BERUFSPOLITIK | INFORMATIONEN | MITTEILUNGEN | Amtliches Bekanntmachungsorgan der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe S V G : W as Sie d T un e r V e r g ü tu n g e n üb ung wis s A b r e c h n m ü sse n 20 Ja hre Psychotherapeutengesetz In prax is inte ab Seit e 2 rn Ambulante Psychotherapie: Besser, aber noch nicht gut genug Versorgung, Honorar und Ausbildungsreform sind wichtige Themen im Jubiläumsjahr > Seite 4
Inhalt 4 Ambulante Psychotherapie: Besser, aber noch nicht gut genug 4 Versorgung, Honorar und Ausbildungsreform sind wichtige Themen im Jubiläumsjahr 12 „Ich finde es sehr wichtig, dass sich die Situation für uns PiAs ver- bessert und wir angemessen für unsere Arbeit honoriert werden“ 14 Netzwerke – Zukunft der psychotherapeutischen Versorgung? Die Perspektive des PsychotherapeutInnen-Netzwerks Münster und Münsterland e. V. 20 16 Impfen: Prävention bleibt immer aktuell Termine der KVWL-Veranstaltungen zum Thema stehen fest 18 24 Patientenflyer „Der Vorsorge-Checker“ aktualisiert 20 „Wir sollten die individuelle Arzt-Patienten-Beziehung unbedingt bewahren!“ Interview mit Dr. med. (I) Klaus Reinhardt, Präsident der Bundes- ärztekammer 24 PORT-Zentren: Ein sicherer Hafen für die Patienten? Patientenorientierte Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung (PORT) sind ein Thema beim KVWL-Jahreskongress 2019 28 Künstliche Intelligenz in der Medizin: Entlastung, kein Ersatz 32 Globales Zeichen für Sicherheit in der medizinischen Versorgung WHO erklärt den 17. September zum Welttag der Patienten- 8/2019 sicherheit 36 Sicherung der ambulanten Versorgung: Förderverzeichnis der KVWL STANDARDS 2 Nr. 8 | 27. August 2019 34 Kurznachrichten mit praxisrelevanten Informationen in der Heftmitte zum Heraustrennen 39 Amtliche Bekanntmachungen 39 Ausschreibung von Vertragsarzt- und Psychothera- peutensitzen in Westfalen-Lippe 51 Impressum
20 Jahre Psychotherapeuten- gesetz: Im System angekommen A ls der Gesetzgeber 1999 mit dem Psy- die Vereinigung der Kassenpsychotherapeu- chotherapeutengesetz verfügte, dass ten mit dem Deutschen Psychotherapeuten- neben den ärztlichen Psychothera- verband zur Deutschen Psychotherapeuten- peuten nun auch die Psychologischen Vereinigung e.V. (DPtV) zusammen. So kamen sowie die Kinder- und Jugendlichenpsychothe- die psychologisch ausgebildeten Therapeuten rapeuten mit ihrer Approbation in den Verant- nach und nach dazu, auf der Bundesebene wortungsbereich der Kassenärztlichen Vereini- mit einer Stimme zu sprechen. gungen fallen sollten, waren die Unsicherheiten auf beiden Seiten groß. Es war strukturell eine Aber zurück nach Westfalen-Lippe. Ich will große Herausforderung, Angehörige eines für nicht verhehlen, dass es neben den struktu- die KV-Welt neuen Berufes zu integrieren. Kein rellen Umbrüchen für uns Ärzte auch eine Zweifel: Das System war bis dato auf Ärzte persönliche Herausforderung war, einen neuen ausgerichtet. Zwar gab es schon lange ärztliche Beruf in „unsere“ Kassenärztliche Vereinigung Kolleginnen und Kollegen, die auch psycho- zu integrieren - und da nehme ich mich nicht therapeutische Leistungen anboten. Und erst aus. Deshalb bin ich froh, dass wir als Vorstand fünf Jahre zuvor hatte es mit der Einführung der KVWL in den Folgejahren einiges für die der Facharztbezeichnung für Psychiatrie und Psychologischen Psychotherapeuten und die Psychotherapie eine Konkretisierung des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten ärztlichen psychotherapeutischen Handelns erreichen konnten. Die Honorarsteigerungen gegeben. Aber es waren immer Fachärzte, die der letzten Jahre waren beachtlich und als für sich nicht nur unter dem gemeinsamen Dach die Honorarverhandlungen verantwortlicher der KVen sondern auch in einer gemeinsamen Vorstand darf ich sagen, dass die Interessen Ärztekammer zusammenfanden. der psychotherapeutisch tätigen Kolleginnen 8/2019 und Kollegen heute in allen Verhandlungen Mit dem Psychotherapeutengesetz änderte berücksichtigt werden. Das war sicherlich nicht sich vieles. Gemeinsam mit den Krankenkas- immer so - aber inzwischen sind sie im System sen mussten Bedarfsplanungen erstellt, Zu- angekommen! lassungsvoraussetzungen definiert und na- türlich das Honorarsystem (weiter-)entwickelt werden. Erschwerend kam hinzu, dass sich auf Seiten der Psychologischen Psychotherapeu- ten und der Kinder- und Jugendlichenpsycho- therapeuten die Berufsverbände und Interes- 3 senvertretungen neu erfinden mussten. Die Bundespsychotherapeutenkammer entstand erst 2003 - und das, obwohl zum damaligen Zeitpunkt noch nicht einmal alle Bundeslän- der eine eigene Psychotherapeutenkammer Dr. Gerhard Nordmann, gegründet hatten. Im Jahr 2006 schloss sich 1. KVWL-Vorsitzender
20 Ja hre Psychotherapeutengesetz Ambulante Psychotherapie: Besser, aber noch nicht gut genug 8/2019 Versorgung, Honorar und Ausbildungsreform sind w ichtige Themen im Jubiläumsjahr 5
20 Ja hre Psychotherapeutengesetz E ine Pressemeldung des BKK-Dachver- Indiz dafür, dass die 20 Jahre alte Berech- bandes vom 12. Juli lässt aufhorchen: nungsgrundlage trotz mehrfacher Anpassung Mit 129,4 Prozent weisen psychische dem tatsächlichen Bedarf an Psychotherapeu- Störungen die mit Abstand höchste tensitzen nicht gerecht wird. Steigerungsrate bei den Arbeitsunfähigkeits- tagen (AU) in den Jahren von 2008 bis 2018 Vor diesem Hintergrund sorgte Anfang des auf. Hinzu kommt, dass die AU-Fälle, die auf Jahres die Aussage von Bundesgesund- psychische Ursachen zurückzuführen sind, heitsminister Jens Spahn, es seien tausende mit durchschnittlich 36,9 Tagen je Fall auch Psychotherapeuten neu zugelassen worden, am längsten dauern. Der Bedarf an psycho- so dass es inzwischen so viele Psychothera- therapeutischer Behandlung ist groß – volks- peuten wie Hausärzte gebe, für energischen wirtschaftlich, betriebswirtschaftlich, aber Widerspruch. „Die Aussage ‚Es gibt so viele vor allem aus der persönlichen Sicht der Psychotherapeuten wie Hausärzte‘ ist falsch, Betroffenen. 20 Jahre nach Inkrafttreten des selbst wenn man die Anzahl der Nervenärz- Psychotherapeutengesetzes ist vieles besser, te und der Kinder- und Jugendpsychiater aber noch längst nicht alles gut geworden. mitzählen würde“ entgegnete seinerzeit die Vorsitzende der Deutschen Psychotherapeu- Eine aus Sicht der Patienten nachvollziehbar ten-Vereinigung (DPtV), Barbara Lubisch. entscheidende Größe bei der Beurteilung Schließlich ruderte auch Spahn zurück und der Qualität der psychotherapeutischen Ver- erklärte, er habe lediglich darauf hinweisen sorgung ist die Länge der Wartezeit auf eine wollen, dass die Zahl der Psychotherapeuten adäquate Behandlung. Aus der Innensicht in den letzten Jahren stark zugenommen „des Systems“ rückt bei der Betrachtung des habe. Problems die Bedarfsplanung in den Mittel- punkt. Als das Psychotherapeutengesetz im Möchte man den psychotherapeutischen Jahr 1999 in Kraft trat, standen alle Beteilig- Behandlungsbedarf den vorhandenen Kapa- ten vor der Frage, wo man nun den Nullpunkt zitäten gegenüberstellen, muss man mehrere setzen sollte, um den erwarteten Bedarf an Größen berücksichtigen, die in der berufspo- 8/2019 psychotherapeutischer Versorgung zu bezif- litischen Diskussion je nach Gusto sehr unter- fern. Aus Sicht der Krankenkassen sollten die schiedlich interpretiert werden. Die absolute neu ins System aufgenommenen Leistungen, Anzahl der Psychotherapeutensitze (PP und die in den Jahren zuvor im Rahmen von De- KJP) stimmt nirgendwo mit der Anzahl der sie legationsleistungen oder auf der Basis von bedienenden Psychotherapeuten („Köpfe“) Einzelfallentscheidungen vergütet wurden, überein. Auch die Verteilung der Sitze spielt kostenneutral bleiben. eine Rolle. Das heißt, man erklärte sich bereit, die kal- kulatorisch ermittelte Summe x als Berech- Mehr schwere Fälle behandeln? 6 nungsgrundlage heranzuziehen, um diese in Sitze für Psychologische Psychotherapeuten Auch mit seiner Forderung, Psychotherapeu- sowie Kinder- und Jugendlichenpsychothera- ten sollten mehr schwere Fälle behandeln, peuten umzurechnen. So wurde der damalige dann stünden deutlich mehr Behandlungska- Ist-Wert automatisch zum Soll-Wert erklärt. pazitäten zur Verfügung, machte sich Jens Die Tatsache, dass heute fast alle Psycho- Spahn nicht viele Freunde. „Aus therapeuti- therapeuten lange Wartelisten haben, ist ein scher Sicht wäre es fahrlässig und unredlich,
sogenannte ‚leichte Fälle‘ wieder nach Hause Es fehlen Psychotherapeutensitze zu schicken. Hinter jedem dieser Fälle steht ein Mensch mit seiner persönlichen Leidens- Untermauert wird die DPtV-Forderung durch geschichte. Und es wäre unverantwortlich, die Autoren des Gutachtens zur Weiterent- 8/2019 eine spätere Chronifizierung der Erkrankung wicklung der Bedarfsplanung, das der Gemein- sehenden Auges in Kauf zu nehmen, indem same Bundesausschuss (G-BA) im September ich den Patienten auf später vertröste. Im 2018 abgenommen hat. Demnach seien ins- Übrigen wäre das auch aus wirtschaftlicher gesamt – je nach Berechnungsmodell – bun- Sicht zu kurz gesprungen, da die rechtzei- desweit zwischen 2.000 und 3.000 neue Sitze tige psychotherapeutische Intervention für Psychologische Psychotherapeuten sowie auch dazu beitragen kann, Folgekosten zu Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten vermeiden“, erklärt Diplom-Psychologe vonnöten. „Herausgekommen sind bundesweit Manfred Radau, der in Münster eine eigene 776 neue Sitze, was für Westfalen-Lippe etwa psychotherapeutische Praxis betreibt und im 80 Sitze ausmacht. Berücksichtigt man dann 7 westfälischen Landesvorstand der DPtV aktiv noch, dass bisherige Job-Sharer quasi ein ist. Nach seiner Auffassung ist der einzige Erstzugriffsrecht haben, wenn Planungsge- Weg, um den psychotherapeutischen Versor- biete entsperrt werden, sinkt die Zahl echter gungsbedarf nachhaltig decken zu können, Neuzulassungen noch weiter. So kommen die Schaffung zusätzlicher Niederlassungs- letzten Endes im Ruhrgebiet höchstens 15 bis möglichkeiten: „Wir brauchen mehr Thera- 20 neue Kolleginnen und Kollegen hinzu“, gibt peutensitze!“ Radau zu bedenken.
Zwar sei jeder neue Sitz zu begrüßen, so der Frage der gerechten Bezahlung der „spre- Vorsitzende des Beratenden Fachausschusses chenden Medizin“. Laut ZI-Praxispanel 2017 Psychotherapie der KVWL, aber er wehre sich betrugen die Erlöse über alle Fachgruppen dagegen, dass die Politik den Eindruck erwe- hinweg im Schnitt 171.000 Euro pro Jahr. Die cke, durch diese geringe Anzahl neuer Sitze Psychologischen und Kinder- und Jugendli- würde sich die Situation der Patienten mit chenpsychotherapeuten halten hier mit einem psychotherapeutischem Behandlungsbedarf jährlichen Praxiserlös von im Schnitt 96.000 dramatisch verbessern. Euro die rote Laterne fest in der Hand. „Un- sere Honorarsituation hat sich in den vergan- genen Jahren verbessert – das will ich gar Honorar: Besonderheiten der psycho nicht verschweigen“, sagt Manfred Radau. therapeutischen Arbeit berücksichtigen „Allerdings müssen wir für jeden zusätzlichen Euro hart kämpfen und erreichen eine Ver- Grundsätzlich sei es wichtig, betont Manfred besserung der Vergütung viel zu oft erst nach Radau, dass die Politik die Besonderheiten langwierigen Gerichtsprozessen. Dieser Kreis- der psychotherapeutischen Arbeit anerkenne lauf aus Honorarbescheiden, Widersprüchen und berücksichtige, das gelte auch für die und höchstrichterlichen Urteilen müsste nicht Entwicklung der Altersstruktur 1999 bis 2019 Die angegebenen Werte stellen alle niedergelassenen Psychotherapeuten in Westfalen-Lippe dar, und zwar unabhängig vom Umfang ihres Versorgungsauftrages. 446 374 354 263 264 218 195 159 149 64 58 38 19 2 2 4 < 40 40 < 45 45 < 50 50 < 55 55 < 60 60 < 65 65 < 70 70 > < 40 40 < 45 45 < 50 50 < 55 55 < 60 60 < 65 65 < 70 70 > 1999 gesamt 981 2009 gesamt 1.628
sein, zumal er auf allen Seiten unnötige Res- Aus therapeuti- sourcen verbraucht. Wir sind selbstbewusst genug, um gleiches Geld für gleiche Leistung scher Sicht wäre zu fordern! Zwischen 95 und 100 Prozent es fahrlässig der psychotherapeutischen Leistungen sind und unredlich, zeit- und personengebunden – da ist nichts mehr komprimierbar, da gibt es keine Luft im sogenannte System!“ „leichte Fälle“ wieder nach Hause zu schicken. Zustimmung zur Reform der Psycho Hinter jedem dieser Fälle steht therapie-Ausbildung ein Mensch mit seiner persönli- Besonders dramatisch sei die finanzielle Si- chen Leidensgeschichte. Und tuation bei den Psychotherapeuten in Ausbil- dung (PiA). Ähnlich wie bei den ärztlichen Kol- es wäre unverantwortlich, eine legen schließe sich auch hier postgradual eine spätere Chronifizierung der Erkrankung sehenden Auges in Kauf zu nehmen, indem ich den Patienten auf später vertröste. Im Ü brigen wäre das auch aus wirtschaftlicher Sicht zu kurz 518 gesprungen, da die rechtzeitige 475 481 psychotherapeutische Inter vention auch dazu beitragen 391 kann, Folgekosten zu vermeiden. Diplom-Psychologe Manfred Radau 263 266 8/2019 230 106 9 < 40 40 < 45 45 < 50 50 < 55 55 < 60 60 < 65 65 < 70 70 > 2019 gesamt 2.730
Entwicklung Verhältnis und 1989 Die angegebenen Werte beinhalten sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitstellen (= Anzahl). 1046 741 582 616 365 37 % 36 % 27 % 63 % 64 % 73 % 1999 2009 2019 1999 2009 2019 Anzahl Männer Anzahl Frauen drei- bis fünfjährige Qualifizierungszeit an das würde unter anderem die Situation der PiAs Uni-Studium an. Allerdings sei für diese Zeit – nachhaltig verbessern, weil sie bereits nach anders als bei den Assistenzärzten – keinerlei dem Uni-Abschluss eine vorläufige Approbati- Vergütung vorgesehen. Manfred Radau: „Er- on bekommen können, mit der sie dann auch schwerend kommt hinzu, dass sich aus einer einen Anspruch auf eine Honorierung ihrer Ausbildungsstruktur kein Vergütungsanspruch Arbeit während der anschließenden Weiterbil- ableiten lässt, das heißt, dass die PiAs nicht dung haben (s. auch Interview S. 12). 8/2019 nur ihren Lebensunterhalt bestreiten, sondern auch noch die Gebühren für die Ausbildungs- institute aufbringen mussten. Ich übertreibe Fazit nicht, wenn ich sage, dass viele Psychothe- rapeuten in Ausbildung in finanziell prekären Zwar gibt es noch einigen Diskussionsbe- Verhältnissen leben.“ darf, aufgrund dessen das Ausbildungsre- formgesetz nicht mehr vor der parlamenta- Große Hoffnungen setzen dabei sowohl die rischen Sommerpause verabschiedet werden bereits approbierten Psychotherapeuten als konnte, aber die grundsätzliche Ausrichtung auch jene, die den Beruf anstreben, in das trifft seitens der DPtV auf Zustimmung. „In 10 Psychotherapeutenausbildungsreformge- einigen Belangen wird das neue Gesetz Un- setz (PsychThGAusbRefG), das im Herbst genauigkeiten bzw. Ungerechtigkeiten des verabschiedet werden soll. Demnach wird es 20 Jahre alten Psychotherapiegesetzes aus- zukünftig einen grundständigen Hochschulstu- gleichen können. Rückblickend kann man diengang Psychotherapie geben, an den sich je feststellen, dass wir in den letzten Jahren nach inhaltlicher Ausrichtung eine Weiterbil- einige Verbesserungen für die ambulante dungszeit in freien Instituten anschließt. Das Psychotherapie erreicht haben. Unser gro-
Anzahl niedergelassene 2411 Psychotherapeuten MVZ (volle und halbe Sitze) je Jahr 3 13 1605 2009 2019 1057 Einzelpraxis/ BAG Praxisgemein- schaft 71 106 4 1999 2009 2019 1999 2009 2019 ßer Wunsch für die Zukunft ist, dass wir KV-Vorstandsmitglied mit psychotherapeuti- noch mehr psychotherapeutischen Sachver- schem Hintergrund wäre da sicher nicht stand in die entscheidenden Gremien des von Nachteil“, lautet das Fazit von Manfred Gesundheitswesens bekommen. Auch ein Radau. -ms PraxisNachrichten als E-M ail: www.kbv.de/Praxisnac hrichten oder die App herunterlad en: www.kbv.de/kbv2go HinterHer ist man PraxisNachrichten hier bestellen als E-Mail: immer scHlauer. www.kbv.de/PraxisNachrichten oder die App herunterladen: www.kbv.de/kbv2go Schnell und kompakt informiert: PraxisNachrichten, der Newsletter der KBV, exklusiv für Ärzte und Psychotherapeuten. Jeden Donnerstag neu! PraxisNachrichten
20 Ja hre Psychotherapeutengesetz „Ich finde es sehr wichtig, dass sich die Situation für uns PiAs verbessert und wir angemessen für unsere Arbeit honoriert werden“ Ann-Kathrin Kreienborg ist Psychotherapeutin in Aus- bildung (PiA) und arbeitet in diesem Rahmen derzeit in der psychotherapeutischen Lehrpraxis von Manfred Radau in Münster – sie kennt also die Vor- und Nachtei- le dieses Ausbildungsmodells aus eigener Erfahrung. Der Redaktion von KVWL kompakt stand Ann-Kathrin Kreienborg im Interview Rede und Antwort. Wie beurteilen Sie die bisherigen Abschnitte Ihrer postgraduellen Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin? Was lief gut, wo hakte es? Insgesamt hat mir die Ausbildung bisher gut Den zweiten Teil der Ausbildung finde ich im gefallen und ich hatte sicherlich an vielen Stel- Vergleich deutlich angenehmer. Die Behand- 8/2019 len Glück, dass das meiste bisher gut gelaufen lung der eigenen Patientinnen und Patienten ist. Schwierig gestaltet hat sich die Suche nach unter Supervision ermöglicht mehr Flexibilität. einem Klinikplatz, der Voraussetzung für den Parallel zu arbeiten ist somit deutlich einfa- Beginn der Ausbildung war. In und um Münster cher, auch wenn dies leider bedeutet, dass die herum gibt es kaum Klinikplätze, sodass ich, Regelzeit der Ausbildung nicht eingehalten wie viele andere Ausbildungskolleginnen und – werden kann. Des Weiteren nehme ich bei mir kollegen auch, einen langen Fahrtweg auf mich einen höheren Lernzuwachs wahr, weil ich nehmen musste. Zudem wurde die Arbeit in mein theoretisches Wissen anwenden kann. der Klinik kaum vergütet, sodass ich während Als sehr hilfreich habe ich die Unterstützung der gesamten Ausbildung immer nebenbei durch mehrere Supervisoren und die beglei- 12 gearbeitet habe. Auch mit Nebenjob waren die tende Selbsterfahrung erlebt, ebenso wie die Ausbildungsgebühren und der Lebensunter- meisten Seminare, die an unserem Institut halt in dieser Zeit für mich finanziell nur durch von sehr unterschiedlichen Dozenten gehalten die Unterstützung meiner Eltern zu stemmen. werden.
Wollen Sie zukünftig eher im ambulanten oder im stationären Bereich arbeiten und warum? Insgesamt bevorzuge ich eher die stationäre Arbeit. Die sehr enge interdiszipli- näre Arbeit und der direkte Austausch mit den Kolle- ginnen und Kollegen gefallen mir sehr gut und Können Sie sich vorstellen, sich zukünf- kommen meinem Wunsch nach Teamarbeit tig auch berufspolitisch zu engagieren eher entgegen. Die Arbeit ist außerdem sehr (oder tun Sie es möglicherweise jetzt abwechslungsreich. Auch kann ich in der Kli- schon)? nik Störungsbilder kennenlernen, die im am- bulanten Setting oft nicht behandelt werden Ich verfolge die PiA- können. Durch die Ausbildung in der Praxis Protest-Bewegung und habe ich jedoch auch die Flexibilität und die nehme, wenn möglich, längere Begleitung von Patientinnen und an den entsprechenden Patienten schätzen gelernt und möchte eine Aktionen teil. Ich finde es Arbeit im ambulanten Setting deshalb zumin- sehr wichtig, dass sich die Situation für uns dest langfristig auch nicht ganz ausschließen. Psychotherapeuten in Ausbildung verbes- sert und wir angemessen für unsere Arbeit honoriert werden. Glücklicherweise zeigen Seit das Psychotherapeutengesetz vor die gestellten Forderungen eine Wirkung und 20 Jahren in Kraft getreten ist, sind Ihre eine Reform der Ausbildung ist geplant. Dass niedergelassenen approbierten Kollegin- solche Veränderungen möglich sind, motiviert mich schon, auch in Zukunft berufspolitisch nen und Kollegen Mitglied in der jeweils 8/2019 interessiert und engagiert zu sein. zuständigen Kassenärztlichen Vereini- gung (KV). Wann haben Sie zum ersten Mal von der KV gehört bzw. wie sah Ihr Bitte vervollständigen Sie den folgenden erster Kontakt aus? Satz: „In Zukunft wird die Psychothera- pie…“ Die KV und ihre Aufgaben habe ich im Rahmen eines …eine Fachrichtung sein, Ausbildungsseminars erst- die auf Basis einer qualita- mals genauer kennen ge- tiv hochwertigen und ange- 13 lernt. Auch in Gesprächen messen vergüteten Ausbil- mit approbierten Kollegen kam die KV immer dung gleichberechtigt mit wieder zur Sprache. Einen direkten Kontakt anderen Fachrichtungen einen festen Platz im gab es bisher noch nicht. KV-System hat.“
20 Ja hre Psychotherapeutengesetz Netzwerke – Zukunft der psychotherapeutischen Versorgung? Die Perspektive des PsychotherapeutInnen-Netzwerks Münster und Münsterland e. V. Von Dipl.-Psych. Judith Schild, Psychologi- plätzen bei unseren Mitgliedern erfolgt. sche Psychotherapeutin und Mitglied der Wichtig ist uns auch die Information von KVWL-Vertreterversammlung aus Münster Bürger*innen über Psychotherapie sowie über unsere Berufsbilder. Wir möchten als D psychotherapeutisch Tätige stärker in der as Thema „Netzwerken“ hat die KVWL Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Dazu schon lange als bedeutsam erkannt haben wir die Vortragsreihe „Miteinander und entsprechend die Entwicklung ins Gespräch kommen“ zu verschiedenen von Praxisnetzen schon früh geför- psychotherapeutischen Fragestellungen ins dert. Gleichwohl ist das PsychotherapeutIn- Leben gerufen. Auch über unsere Internet- nen-Netzwerk Münster und Münsterland e.V. seite www.ptn-muenster.de, die sich gerade 8/2019 kein im Sinne der Richtlinien der KVWL aner- in Überarbeitung befindet, bieten wir Infor- kanntes Praxisnetz, sondern vielmehr ein seit mationen und erweiterte Suchmöglichkeiten, über zehn Jahren bestehender Zusammen- zum Beispiel im Hinblick auf Behandlungs- schluss von niedergelassenen ärztlichen und schwerpunkte oder Sprachkenntnisse unserer psychologischen sowie Kinder- und Jugendli- Mitglieder. chen-Psychotherapeut*innen mit inzwischen mehr als 500 Mitgliedern aus Münster und Außerdem bauen wir Kommunikations- und den Kreisen Coesfeld, Steinfurt, Warendorf Kooperationsstrukturen mit allen an der und Borken. Patient*innenversorgung Beteiligten in Müns- ter und im Münsterland aus. Unsere Mitglie- 14 Hauptanliegen unseres Vereins ist die Ver- der schätzen insbesondere die Möglichkeit, besserung der psychotherapeutischen Ver- sich im Rahmen einer internen Mailingliste sorgung der Bevölkerung in Münster und im auszutauschen. Darüber hinaus gibt es ein Münsterland. Hierzu haben wir eine Thera- jährliches Treffen mit Vertreter*innen der pieplatzvermittlung aufgebaut, bei der sich psychotherapeutischen Kliniken zur Verbes- Therapieplatzsuchende telefonisch melden serung der Schnittstelle stationäre und am- können und eine Abfrage von freien Therapie- bulante psychotherapeutische Versorgung.
Wir sind beteiligt an zahlreichen instituti- onsübergreifenden Initiativen und Arbeits- kreisen. Alle zwei Jahre organisieren wir die Münsteraner Psychotherapietage, ein bewusst lokales Fortbildungsangebot mit prakti- scher Werkstattarbeit „von Kolleg*innen für Kolleg*Innen“. Die Mitglieder entrichten einen Mitgliedsbei- trag. Der Vorstand erfüllt seine Aufgaben ehrenamtlich und wird unterstützt durch drei 8/2019 450-Euro-Kräfte und eine Halbtagskraft, die unser Büro im Gesundheitshaus der Stadt Münster betreiben. entschieden (die im Übrigen eine Größe von Über die Zeit haben sich vielfältige Mög- maximal 100 beteiligten Praxen nicht über- lichkeiten entwickelt, wo wir uns als schreiten sollen). Psychotherapeut*innen einbringen können und als Netzwerk wahrgenommen werden. Aus unserer Sicht sind Netzwerke also zwei- Wir haben eine gute Vernetzung untereinan- felsohne ein wesentlicher Aspekt einer zu- der und im psychosozialen Feld aufgebaut. kunftsfähigen psychotherapeutischen Ver- 15 Unsere Mitglieder profitieren vom gegensei- sorgung. Nichtsdestotrotz sind weitere tigen Austausch und „kurzen Wegen“ inner- Aspekte zu berücksichtigen - allem voran halb einer lockeren informellen Kooperation. eine angemessene Bedarfsplanung sowie Das ist es, worum es uns in der Mehrzahl innovative Modelle einer sektorenübergrei- geht. Bislang haben sich unsere Mitglieder fenden Versorgung, insbesondere für gegen einen formellen Zusammenschluss Patient*innen mit einem komplexen Versor- in Form eines anerkannten Praxisnetzes gungsbedarf.
Impfen: Prävention bleibt immer aktuell Termine der KVWL-Veranstaltungen zum Thema stehen fest D as Impfen bleibt als eine der wichtigsten und sichersten Maßnahmen zur Prävention verschiedener Infektions- krankheiten in der Diskussion: Wäh- rend Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine Impfpflicht für Schüler sowie Menschen in bestimm- ten Gemeinschaftseinrichtungen auf den Weg gebracht hat, wirbt NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann mit einem Aktionsplan ganz allgemein dafür, den Impfstatus zu überprüfen und gegebenenfalls aufzufrischen. KVWL informiert zum Thema Impfen Auch die Kassenärztliche Vereini- gung Westfalen-Lippe engagiert sich konsequent dafür, die Impfquo- ten weiter zu steigern. Traditionell lädt sie jedes Jahr im Herbst Ärzte 8/2019 und Praxisteams zu Infoveranstal- tungen ein, um über neue Entwick- lungen im Bereich Impfen sowie die Organisation und Abrechnung von Impfleistungen in der Praxis zu informieren. Zudem werden gesund- heitspolitische Themen, wie zum Beispiel der Vorschlag, Impfungen zukünftig auch von Apothekern durchführen zu lassen, diskutiert. 16 Die Termine für die neuen KVWL- Informationsveranstaltungen zum Thema Impfen finden Sie auf der nebenstehenden Seite 17. -ms
Fax: 0231 / 94 32 31 24 oder per E-Mail: service-center@kvwl.de Impfveranstaltungen in Westfalen-Lippe zertifi zie zwei P rt mit unkten — ein Termin — zwei Veranstaltungen In der einen Veranstaltung werden wir Sie — die ärztlichen Kollegen und Kolleginnen — über weitgehend medizinische Änderun- gen zum Thema Impfen informieren. In der zweiten Veranstaltung am selben Veranstaltungsort informieren wir Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zielgerichtet über Änderungen und Neuerungen rund ums Impfen. Verbindliche Anmeldung Ich/wir nehme/n am folgenden Termin teil: KVWL, Ärztehaus Dortmund Donnerstag 19. September 2019 19.30 — 21.30 Uhr Robert-Schimrigk-Straße 4-6, 44141 Dortmund s Hotel Welcome Dienstag 24. September 2019 19.30 — 21.30 Uhr Fürstenweg 13, 33102 Paderborn KVWL, Ärztehaus Münster Donnerstag 26. September 2019 19.30 — 21.30 Uhr Gartenstraße 210-214, 48147 Münster Ravensberger Spinnerei Dienstag 1. Oktober 2019 19.30 — 21.30 Uhr Ravensberger Park 6, 33607 Bielefeld (Parkhaus Hermann-Delius-Straße) Stadthalle Vennehof Dienstag 8. Oktober 2019 19.30 — 21.30 Uhr Am Vennehof 1, 46325 Borken (Parkplatz Am Boltenhof) KVWL, Ärztehaus Dortmund Donnerstag 10. Oktober 2019 19.30 — 21.30 Uhr Robert-Schimrigk-Straße 4-6, 44141 Dortmund Kongresszentrum Siegerlandhalle Donnerstag 7. November 2019 19.30 — 21.30 Uhr Koblenzer Str. 151, 57072 Siegen KVWL, Ärztehaus Dortmund Donnerstag 14. November 2019 19.30 — 21.30 Uhr Robert-Schimrigk-Straße 4-6, 44141 Dortmund Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.kvwl.de/impfen. Informationen zum Schutz Ihrer persönlichen Daten finden Sie auf der Homepage der KVWL unter https://www.kvwl.de/datenschutz/ 8/2019 Haben Sie Fragen zu diesem Thema? BSNR Arztname(n) (bitte alle teilnehmenden Ärzte angeben) Wenn ja, formulieren Sie diese bitte hier vorab. Wir werden während der Veranstaltung darauf eingehen. 17 Ort Straße, Hausnummer Anzahl Telefon FAX Nr. Ärzte MFAs Unterschrift und Praxisstempel E-Mail Achtung: Es werden keine Anmeldebestätigungen versendet.
Der Vorsorg e- Checker Wichtige In für Ihre Pati formatione n enten in de praktischen r Übersicht Patientenflyer „Der Vorsorge-Checker“ aktualisiert 8/2019 M it dem Flyer „Der Vorsorge- zur Impfung gegen Herpes zoster Checker“ können Ärzte ergänzt. ihre Patienten gezielt über Früherkennungsuntersu- chungen für Erwachsene und emp- Alle Früherkennungsunter fohlene Impfungen informieren. Die suchungen auf einen Blick Publikation wurde jetzt aktualisiert (s. rechte Seite). Der Patientenflyer informiert 18 übersichtlich über sämtliche Früh- Die Kassenärztliche Bundesverei- erkennungsuntersuchungen der nigung (KBV) hat den Flyer für das gesetzlichen Krankenversicherung Wartezimmer sowie die zugehörige und die von der Ständigen Impf- Kopiervorlage um die Informationen kommission empfohlenen Impfun- zur neu gestalteten Gesundheits- gen: Kurz und knapp werden die untersuchung, zum kürzlich gestar- Angebote für die jeweilige Alters- teten Darmkrebs-Screening und gruppe dargestellt.
Der Flyer „Der Vorsorge-Checker“ kann kostenlos in gewünschter Menge über die KVWL bezogen werden. Und zwar bequem im Internet unter www.kvwl.de/bestellservice. Für Nachfragen erreichen Sie den Formularversand der KVWL unter der E-Mail formular-versand@kvwl.de E wie che ten- Tel.: esse Gemeinsame Präventions eren initiative ens- INFORMATION FÜR UNSERE PATIENTEN and „Der Vorsorge-Checker“ ist Teil der ge- Präventionskampagne, die die KBV era- gemeinsam mit den Kassenärztli- chen Vereinigungen im Jahr 2010 gestartet hat. Ziel ist es, die Be- DER VORSORGE-CHECKER völkerung für die Prävention und Früherkennung von Krankheiten IHR PERSÖNLICHES zu sensibilisieren und die Teilnah- PRÄVENTIONSPROGRAMM meraten an Untersuchungen zu erhöhen. Zahlreiche weitere Informationen zu den Themen Vorsorge und Früh- erkennung, u. a. eine Muster-Einver- ständniserklärung für Ihre Patien- Zudem enthält der Flyer einen per- ten zur Erinnerung an Vorsorge- sönlichen Präventions-Fahrplan, untersuchungen und Impfungen, in den Praxen die Termine für die finden Sie im Internet unter nächste Untersuchung oder Imp- www.kvwl.de in den Rubriken fung eintragen können. Bürger/Patienteninformationen.
„Wir sollten die individuelle Arzt-Patienten-Beziehung unbedingt bewahren!“ Interview mit Dr. med. (I) Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer D ass der 122. Deutsche Ärztetag in In Westfalen-Lippe ist er bestens bekannt und Münster Dr. med. (I) Klaus Reinhardt vernetzt. Seinen Patienten durch die hausärztli- zum Präsidenten der Bundesärzte- che Praxis in Bielefeld, die er von seinen Eltern kammer (BÄK) gewählt hat, ist in übernommen und auch neben seinen zahlrei- mehrerer Hinsicht bemerkenswert. Zum chen berufspolitischen Verpflichtungen immer einen hat er es geschafft, nach 40 Jahren weitergeführt hat und seinen Kolleginnen und die Phalanx der Fachärzte auf dem Chefses- Kollegen aus seinen Engagements zum Beispiel sel der BÄK zu überwinden. Und zum ande- im Hartmannbund (Bundesvorsitzender seit ren ist sein Start in den Arztberuf vor fast 2011) oder als Vizepräsident der Ärztekammer 40 Jahren nach wie vor symptomatisch für Westfalen-Lippe (seit 2005). Damit ist die Liste die Situation einiger Medizinstudenten: Weil seiner Ehrenämter allerdings noch nicht abge- seine Abiturnote für den Numerus Clausus schlossen und eines der dauerhaftesten füllt er im Fach Medizin nicht ausreichte, schrieb er für die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen- sich in Bonn zunächst für Philosophie und Lippe aus, wo er seit über 20 Jahren Mitglied Jura ein, bevor er – des ungewissen Wartens der Vertreterversammlung ist und zusätzlich überdrüssig – sein Medizinstudium erfolg- dem Ausschuss für Fragen der Honorarver- reich an der Uni im italienischen Padua teilung vorsitzt. Im Interview mit der KVWL absolvierte. Seitdem begleitet ihn das ein- kompakt-Redaktion skizziert Dr. med. (I) Klaus geklammerte große „I“ zwischen Doktortitel Reinhardt einige Eckpunkte seiner Arbeit als und Namen. Präsident der Bundesärztekammer.
11 Nach mehr als vier Jahrzehnten beklei- det wieder ein Hausarzt das höchste Amt der Bundesärztekammer. Wie wichtig ist Ihnen dieser Umstand? Auch ein Hausarzt muss als Präsident der Bundesärztekammer natürlich die Anliegen aller Ärzte vertreten, insofern unterscheidet sich meine Präsidentschaft nicht von der meiner Vorgänger. Ein anderer Punkt ist mir jedoch sehr wichtig: Ich bringe als jemand, der neben seinem berufspolitischen Enga- gement immer auch Patienten behandelt hat – und das mittlerweile seit 25 Jahren in eigener Praxis – zahlreiche Erfahrungen und Erlebnisse mit in dieses Amt. Ich glaube, dass es gerade in Zeiten, in denen die Bereitschaft junger Menschen nachlässt, sich in eigener wirtschaftlicher Verantwortung niederzulas- sen, ganz gut und vernünftig ist, wenn an der Spitze der deutschen Ärzteschaft jemand steht, der die Auswirkungen der Gesundheits- politik unmittelbar erlebt. Zudem hat meine jahrzehntelange Erfahrung mit den Patientinnen und Patienten in ihrem häuslichen Umfeld mein Bild von einer em- pathischen, patientennahen Medizin geprägt, das mich sicherlich auch in meiner Zeit als Präsident der Bundesärztekammer begleiten wird.
2 2 Erneuerung, Kontinuität, Innovation? 3 3 Sie sprechen von berufspolitischen Inhal- Wofür steht das neue BÄK-Präsidium? ten, die gesamtärztlich vertretbar sein sollen. Welche Inhalte können das kon- kret sein? Das neue BÄK-Präsidium steht im Wesent- lichen für das Ziel – und das können wir als Ärzteschaft nur gemeinsam, also mit Unter- Mir geht es besonders darum, dass wir uns stützung der Landesärztekammern, der KVen, auch zukünftig als freier Beruf bewähren und der Berufsverbände und anderen Organisa- die damit einhergehenden Werte verteidigen. tionen erreichen -, dass wir uns im Rahmen Darunter ist in meinen Augen zuallererst die einer konzertierten Aktion mal grundsätzlich ärztliche Therapiefreiheit zu verstehen, die mit den Rahmenbedingungen unseres ärzt- sich ausschließlich an den Bedürfnissen des lichen Handelns auseinandersetzen. Denn Patienten und dem aus ärztlicher Sicht not- man kann feststellen, dass wir sowohl in der wendigen Handeln orientieren sollte. Erst in Klinik als auch in der Vertragsarztpraxis ein einem zweiten Schritt sollten wir uns mit den unglaubliches Maß an Arbeitsverdichtung ökonomischen und anderen Rahmenbedin- beobachten können. gungen arrangieren müssen. Wenn wir uns ansehen, was in den vergange- Gleichzeitig haben wir ein ausgeprägtes Maß nen Jahren und Jahrzehnten geschehen ist, von Kontrollmechanismen, die nach meiner dann sehen wir, dass der ärztliche Beruf mehr Einschätzung trotz zahlreicher Bemühungen und mehr zu einem technisch-apparativen der Ärzteschaft eher noch zugenommen und dadurch zu einem ausführenden Beruf haben. Als Beispiel nenne ich die intensiven geworden ist. Aus politischer Sicht ist es zu- Bemühungen der KVWL, das ärztliche For- nehmend egal, welcher Arzt wo sitzt. Haupt- mularwesen zu vereinfachen und Bürokratie sache, es ist überhaupt einer da. Dieser Logik abzubauen. Leider muss man feststellen, folgt zum Beispiel auch die Terminservice- dass sich im ärztlichen Alltag nicht allzu viel stelle. Hier bekommen Sie als Patient einen verbessert hat. Der administrative Aufwand, Termin bei einem Arzt, dem Sie zuvor nie den wir betreiben müssen, ist nach wie vor begegnet sind und den Sie gar nicht kennen. erheblich. Wenn ich beispielsweise als Arzt Es besteht also keine persönliche Beziehung bei jedem Hilfsmittel, das etwas aufwendiger zwischen Arzt und Patient. Das ist im Falle ist, einen Fragebogen der Krankenkasse aus- der Notfallversorgung sicherlich nicht anders füllen und damit die Verordnung begründen zu organisieren und auch nicht zu erwarten. soll, anstatt dass meinem ärztlichen Sachver- Im Falle einer chronischen Erkrankung, oder stand vertraut wird, so geschehen viele Dinge, von Beschwerden, die mit dem psychosozialen deren Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit aus Hintergrund des Patienten zu tun haben oder meiner Sicht in Frage gestellt werden muss. eben auch psychischen Erkrankungen, spielt Das sind für mich zwei Aspekte, mit denen die individuelle Arzt-Patienten-Beziehung in wir uns dringend beschäftigen müssen, damit Deutschland traditionell eine wichtige Rolle. wir wieder ausreichend Zeit für die Patienten- Ich finde zu Recht und plädiere dafür, diese versorgung bekommen und uns in Klinik und besondere Beziehung zwischen Arzt und Pati- Praxis mit dem ausreichenden Maß an Sorg- ent unbedingt zu bewahren. falt und Zuwendung mit unseren Patientinnen Diese Beziehung ist mir persönlich sehr und Patienten befassen können. wichtig, ich glaube aber auch, dass dieser Anspruch an das Arzt-Sein uns alle eint – unabhängig davon, wo wir tätig sind.
4 4 Die politischen und ökonomischen Rah- 5 5 Die verbindenden Elemente der Ärzte- menbedingungen bedürfen Ihrer Ansicht schaft sind für Sie von besonderer nach einer Anpassung. Wie genau sollten Bedeutung – gerade jetzt, wo sich das diese Anpassungen aussehen? Gesundheitssystem grundlegend ver ändert. Was verbindet denn die Ärzte Im Hinblick auf die ökonomischen Rahmenbe- fach- und sektorenübergreifend? dingungen müssen wir wieder dahin kommen, dass unser Honorar sich an dem Aufwand Abgesehen von der unbedingt schützenswer- bemisst, den die Behandlung eines Kranken ten Arzt-Patienten-Beziehung und natürlich erfordert und nicht so sehr an einer Kontroll- unserem ärztlichen Berufsethos sind es meiner medizin, bei der ich einen Patienten wieder Meinung nach vor allem die vor uns stehenden einbestelle, obwohl er von der Medikation her Herausforderungen, die uns Ärzte fach- und sek- gut eingestellt ist und subjektiv auch keine torenübergreifend einen sollten. Wir reden über Beschwerden hat. Wir haben im Kranken- diese Dinge teilweise schon sehr lange und erle- haus das DRG-System und auch die nieder- ben gerade, dass Herausforderungen real wer- gelassenen Ärzte erhalten eine relativ fixe, den. Damit meine ich zum Beispiel die ärztliche quartalsgebundene Summe. Die brauchen sie Demografie. Hier darf ich mal als Beispiel meine selbstverständlich, wenn sie ihre Praxen mit eigene Biografie anführen. Ich bin jetzt 59 Jahre laufenden Kosten und Investitionen in ver- alt. Wenn ich in einigen Jahren in den Ruhestand nünftiger Weise führen möchten. gehe, tun das zeitgleich viele Kolleginnen und Mir geht es jedoch darum, einmal zu überle- Kollegen meiner Generation. Leider kommen gen, ob das medizinische Erfordernis nicht nicht annähernd so viele jüngere Kolleginnen auch anders gelöst werden kann. Nehmen wir und Kollegen nach, wie wir sie bräuchten. das Beispiel eines Hochdruckpatienten: Er ist Gleichzeitig haben wir eine älter werdende – abgesehen von der Hypertonie – gesund, er Bevölkerung mit entsprechendem Behand- nimmt seine Medikamente regelmäßig, ist gut lungsbedarf. Und wie der zukünftig bewältigt eingestellt und befolgt auch meine ärztlichen werden kann, dazu gibt es noch keine schlüs- Anweisungen. Den muss ich nicht notwendi- sige Antwort. Das heißt, wir bekommen eine gerweise in jedem Quartal sehen. In diesen völlig andere Versorgungssituation, die uns Fällen könnten gegebenenfalls die Kontroll- meiner Meinung nach unter anderem dazu 8/2019 intervalle verlängert werden, wenn wir dafür führen muss, dass wir uns intensiv mit der mehr Zeit für Patienten gewinnen, die einen Zusammenarbeit mit nicht-ärztlichen Gesund- kurzfristigen Behandlungsbedarf haben. Die heitsberufen beschäftigen sollten. Dabei geht Herausforderung besteht darin, das alles so es nicht darum, den Arzt zu ersetzen, sondern zu organisieren, dass es für die Ärzte einkom- Angehörige anderer Berufe soweit zu qualifi- mensneutral bleibt. zieren, dass sie uns in größerem Umfang ent- lastend zur Seite stehen können. Ein anderer Aspekt ist der Einsatz von digita- len Techniken, Algorithmen und Künstlicher 23 Intelligenz. Hier finde ich es wichtig, dass wir uns als Ärzte nicht angstgetrieben sondern phantasievoll-gestaltend mit den technischen Möglichkeiten auseinandersetzen. Dazu soll- ten wir den Dialog mit jenen Menschen führen und aufrechterhalten, die tief im Thema ste- cken und unsere ärztlichen Ansprüche und Erfordernisse selbstbewusst vertreten. -ms
PORT-Zentren: Ein sicherer Hafen für die Patienten? Patientenorientierte Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung (PORT) sind ein Thema beim KVWL-Jahreskongress 2019 W ie bekommt jeder Patient Neues Konzept der Robert- möglichst zeitnah und Bosch-Stiftung ohne Umwege die Versor- gung, die er benötigt? Das Den wohl umfangreichsten Gegen- ist die Kernfrage jedes Gesundheits- entwurf zur derzeitigen sektoralen systems und sie zielt übergeordnet Versorgung liefert Katharina Kap- darauf ab, wie Über-, Unter- und pelhoff, Geschäftsführerin des Ge- Fehlversorgung vermieden werden sundheitsnetzwerks PORT Willingen können. Dabei wird das deutsche Diemelsee e. V. Das PORT-Konzept System von den Patienten oft als der Robert-Bosch-Stiftung trägt die besonders kompliziert im Aufbau angestrebte Patientenorientierung und wenig durchlässig zwischen den schon im Namen: Patientenori- Sektoren wahrgenommen. Die Frage, entierte Zentren zur Primär- und ob der vom Gesetzgeber gewollte Langzeitversorgung. PORT-Zentren Ausbau der Terminservicestellen sollen als lokale zw. regionale (TSS) tatsächlich ein probates Mittel Versorgungszentren „eine pati- ist, um die Patientensteuerung zu entenzentrierte, koordinierte und verbessern, steht im Mittelpunkt des kontinuierliche, auf den regionalen KVWL-Jahreskongresses am 20. Sep- Bedarf abgestimmte Versorgung tember in Dortmund. aus einer Hand anbieten,“ erläutert Dr. Bernadette Klapper, Leiterin Im Rahmen der Veranstaltung des Bereichs Gesundheit bei der sorgen zunächst drei Referenten Robert Bosch Stiftung GmbH. Eine 8/2019 mit ihren Impulsvorträgen für den Voraussetzung dazu sei „die Zu- nötigen Input der anschließenden Podiumsdiskussion. Nachdem Falk Lingen, Geschäftsführer der KV Ba- den-Württemberg, mit docdirect ein Modellprojekt zur telemedizinischen Versorgung im Ländle vorgestellt hat, skizziert der stellvertretende KBV-Vorsitzende Dr. Stephan Hof- meister die technische Umsetzung 24 der TSS im KV-System.
sammenarbeit multiprofessioneller Teams auf Augenhöhe, die die Prä- vention und Gesundheitsförderung mit einschließen und kommunal gut eingebunden sind“. Neben der grundlegenden kommunalen Anbindung sollen PORT-Zentren auch „einen kurzen Draht“ zu Kli- niken und Universitäten pflegen, um die Patienten von dieser einen Anlaufstelle je nach individuellem Bedarf durch das Gesundheitswe- sen zu lotsen. Dabei gibt das PORT- Konzept der Robert Bosch Stiftung GmbH keinen starren Rahmen vor, sondern zielt darauf ab, dass zum Beispiel die ärztlichen Fachrichtun- gen je nach regionalen Erforder- nissen eingebunden werden. Fach- ärztliches Personal könne sowohl im PORT-Zentrum angestellt als auch dort stunden- oder tagewei- Wie diese Ideen konkret in die se tätig sein. Das Gleiche gelte Praxis umgesetzt werden können, für das übrige Team, zu dem zum erläutert Katharina Kappelhoff im Beispiel auch speziell ausgebildete Rahmen des KVWL-Jahreskongres- MFA oder Pflegepersonal ebenso ses (s. Anzeige Seite 26) am Bei- gehören, wie Angehörige weiterer spiel der Region Willingen/Diemel- Gesundheits- und Sozialberufe. see. -ms
Patientensteuerung: Was bringt das TSVG? Im Dienst der Medizin. Jahreskongress Termin 20. September 2019 Beginn 14.30 Uhr www.kvwl.de/kongress Ort Ärztehaus Dortmund
Programm 14.30 Uhr bis 15.00 Uhr — 16.45 bis 18.00 Uhr — Podiumsdiskussion Anmeldung und Get-together D r. Hendrik Oen, Leiter der KVWL-Bezirksstelle 15.00 Uhr — Begrüßung Münster Dr. Gerhard Nordmann, 1. Vorsitzender der KVWL K laus Overdiek, Leiter der Landesvertretung NRW der DAK-Gesundheit K atharina Benner, Geschäftsbereichsleiterin 15.15 Uhr bis 16.45 Uhr — Impulsvorträge Engagement, Selbsthilfe, Gesundheit, der Paritätische NRW 1 docdirect Modellprojekt zur telemedizinischen D r. Bernadette Klapper, Bereichsleiterin Gesund- Versorgung in Baden-Württemberg heit, R obert Bosch Stiftung GmbH Referent: Falk Lingen, Geschäftsführer der KV Moderation: Thomas Müller, Vorstandsmitglied Baden-Württemberg der KVWL 2 Die Terminservicestelle als zentrale Anlaufstelle 18.00 Uhr — Schlusswort für Patienten – technische Umsetzung im KV-System Dr. Gerhard Nordmann, 1. Vorsitzender der KVWL Referent: Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV Anschließend Get-together 3 Regionale Anlaufstellen für Patienten – Gesund- heitsnetzwerk PORT Willingen Diemelsee e. V. Referent: Katharina Kappelhoff, Geschäftsführerin Gesundheitsnetzwerk PORT Willingen Diemelsee e. V. ie rt zertifiz m it 4 n Punkte ©Fiedels_AdobeStock Anmeldung Institution/Organisation Patientensteuerung: Was bringt das TSVG? Anrede Titel Freitag, 20. September 2019 Name, Vorname Bitte melden Sie sich per Fax, E-Mail oder im Internet unter www.kvwl.de/kongress an. E-Mail Ansprechpartnerin: Lena Grunwald Tel.: 0231 / 94 32 32 65, Fax: 0231 / 94 32 31 33 E-Mail: veranstaltung@kvwl.de Telefon Veranstaltungsort Kassenärztliche Vereinigung Straße & Hausnummer Westfalen-Lippe Robert-Schimrigk-Str. 4 — 6 44141 Dortmund PLZ Ort Das vollständige Programm finden Sie auch im Internet unter www.kvwl.de/kongress. Informationen zur Verwendung Ihrer Daten finden Sie unter www.kvwl.de/datenschutz
Künstliche Intelligenz in der Medizin: Entlastung, kein Ersatz K ünstliche Intelligenz, oder hierfür sind u. a. Text-, Bild- und kurz KI: ein Thema, das Spracherkennung, Sprachassisten- aktuell immer mehr an Be- ten oder die Routenplanung in Navi- deutung gewinnt. Dabei ist gationssystemen. Starke künstliche die Idee hinter der konstruierten Intelligenz hingegen hat das Ziel, Kombinationsgabe keineswegs neu. die gleichen intellektuellen Fertig- Viele Konzepte wurden bereits vor keiten von Menschen zu erlangen über 60 Jahren entworfen. Aber oder zu übertreffen. Diese Systeme erst heute sind die technischen handeln aus eigenem Antrieb und Voraussetzungen entsprechend nicht mehr nur reaktiv und können weit entwickelt, um KI sinnvoll ein- generalisierte Aufgaben bearbei- setzen und nutzen zu können. Aber ten. Starke KI existiert derzeit noch was genau ist eigentlich künstliche nicht bzw. befindet sich außerhalb Intelligenz? der aktuellen technischen Möglich- keiten. Als Künstliche Intelligenz (engl. Artificial Intelligence) wird eine Automatisierung des intelligenten Maschinelles Lernen Verhaltens kombiniert mit maschi- nellem Lernen bezeichnet – also Das maschinelle Lernen ist ein der Versuch, menschenähnliche Teilbereich der Künstlichen Intel- Entscheidungsstrukturen in einem ligenz. Hier geht es um die künst- nichteindeutigen Umfeld nachzubil- liche Generierung von Wissen aus den. Dahinter stehen hochspeziali- Erfahrung. So lernt ein künstliches sierte Algorithmen, die mit sachbe- System aus Beispielen und kann zogenen Datensätzen trainiert und dies nach Beendigung der Lern- 8/2019 für die Zielanwendung kalibriert phase verallgemeinern. Es werden werden. Das Ziel von Künstlicher nicht einfach Beispiele auswen- Intelligenz ist es, die Fähigkeit zu dig gelernt, sondern Muster und erlangen, selbstständig Entschei- Gesetzmäßigkeiten werden vom dungen zu treffen. System in den Lerndaten erkannt. Der Einsatz von maschinellem Dabei wird unterschieden zwischen Lernen ist sinnvoll, wenn große schwacher und starker Künstlicher Datenmengen in entsprechen- Intelligenz. Unter schwacher Künst- der Qualität vorhanden sind, aus licher Intelligenz werden Systeme denen sich Wissen ergeben soll. 28 zusammengefasst, die sich auf die Anwendungsfelder für maschinel- Lösung konkreter Anwendungspro- les Lernen sind die Klassifikation bleme fokussieren. Sie erlangen und das Clustering von Daten, kein tieferes Verständnis für die sowie die Anomalie-Erkennung zur Problematisierung, sondern sind Identifizierung von Eingaben, die auf die Erfüllung klar definierter ungewöhnlich sind. Aufgaben ausgerichtet. Beispiele
Deep Learning Deep Learning ist ein Teilbereich des maschinellen Lernens. Als Grundlage werden neuronale Netze genutzt. Neuronale Netze simulie- ren nach dem Vorbild des Gehirns ein Netzwerk aus miteinander verbundenen Neuronen. Je mehr Neuronen und Schichten existieren, desto komplexere Sachverhalte Beim Deep Learning wird die KI in Entscheidungen auf Basis der Ver- lassen sich abbilden. Neben der die Lage versetzt, selbstständig knüpfungen treffen. Spracherkennung ist das Erkennen und ohne menschliches Zutun ihre von Objekten in Bildern ein wich- Fähigkeiten zu verbessern. Dafür Anders als beim maschinellen Ler- tiges Einsatzgebiet. Dazu müssen werden aus vorhandenen Daten nen, wo der Mensch in die Analyse Forscher dem neuronalen Netzwerk Muster extrahiert und klassifiziert. der Daten und in den eigentlichen lediglich Daten, wie z.B. Bilder, prä- Die Ergebnisse lassen sich wiede- Entscheidungsprozess eingreift, sentieren. Wie diese zu identifizie- rum mit Daten korrelieren und in sorgt beim Deep Learning der ren sind, findet das Netz von alleine einem weiteren Kontext verknüp- Mensch lediglich dafür, dass Informa- heraus. fen. Schließlich kann dann die KI tionen für das Lernen bereitstehen.
Das Berufsbild des Arztes verändert sich mit der Nutzung von Künstlicher Intelligenz. Der Arzt wird (ab)gesicherte Diagnosen stellen können und von Routinetätigkeiten entlastet werden. Durch KI wird die Medizin kontinuierlich. Dr. Georg Diedrich, KVWL-Geschäftsbereichsleiter IT Der Mensch hat keinen Einfluss auf ßender Simulation der Konsequen- spezifischen Patienten hilft und wie die Ergebnisse des Lernprozesses. zen geschult werden. es zu dosieren ist. Generell ist im Bereich der Diag- Mit dem Einsatz von Künstlicher KI in der Medizin nostik viel möglich. Beispielsweise Intelligenz in der Praxis kann die wurde bereits ein Algorithmus Patientenversorgung verbessert Auch in der Medizin gibt es zahlrei- entwickelt, der anhand von Bildern und das medizinische Personal che Anwendungsmöglichkeiten für erkennen kann, ob es sich um ein entlastet werden. KI kann auch Künstliche Intelligenz – beispiels- Muttermal oder schwarzen Haut- Routineaufgaben, wie z.B. die Ter- weise im Rahmen der Musterer- krebs handelt. Auch die Diagnose minvergabe am Telefon erledigen. kennung in der Bildgebung. Dazu von Erbkrankheiten durch die Ana- Das spart nicht nur Zeit, sondern gehört die Unterstützung bei der lyse bestimmter Punkte im Gesicht sorgt auch dafür, dass die Kapa- Diagnose durch Überprüfung von oder Lungenkrebserkennung an- zitäten des Personals effizienter 8/2019 routinemäßig generierten Daten, hand von CT-Aufnahmen durch eine eingesetzt werden können. Dies wie zum Beispiel die Patientendo- Software sind heute schon möglich. wiederum steigert die Produkti kumentation, Labordaten und Sich- Wissenschaftler in China haben vität. tung und Nutzung von Referenzma- ein System entwickelt, das mithilfe terial. Durch KI als automatisierte von KI Prognosen von Krankhei- Ob es sich um Apps zur Früherken- Zweitmeinung für Entscheidungshil- ten bei Kindern und Jugendlichen nung von Krankheiten oder perso- fen bei Diagnosen kann die Qualität erstellt. In Forschungsprojekten nalisierte Krebstherapien handelt: der Patientenversorgung steigen. gelang – mithilfe von Daten aus Intelligente Systeme erweitern die Die Überwachung von bestimmten Labordiagnostik, MRT-Aufnahmen, Möglichkeiten der Ärzteschaft er- Messungen wie Laborwerte, EEG EKG-Messungen und Bildge- heblich. Dies gilt besonders bei der 30 und EKG und die sofortige Meldung bung – bereits die Simulation des Analyse von großen Datenmengen bei Abweichungen kann ebenfalls menschlichen Herzens eines realen und der Suche von Mustern oder bei durch KI unterstützt werden. Auch Patienten. Digitale Zwillinge ande- der Unterstützung von Entscheidun- auf dem Gebiet der Aus- und Fort- rer Organe sind bereits in der Ent- gen in sehr komplexen Situationen. bildung gibt es viele Einsatzmög- wicklung. Ärzte könnten mit Hilfe Den menschlichen Arzt aber wird lichkeiten. Beispielsweise kann das von Algorithmen dann erfahren, ob alle Technologie nicht ersetzen kön- Stellen von Diagnosen mit anschlie- ein bestimmtes Medikament einem nen.
Sie können auch lesen