02/2018 pressto - Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
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[02/2018 ] pressto Magazin der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover in bewegung Ein pressto über Veränderung und raritäten Weiterentwicklung, Übergänge und Sammlung Bialik bereichert Bibliothek Meilensteine jubiläum Das ifmpf feiert 25-jähriges Bestehen förderung Stipendien und Preise neu ausgerichtet
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4 Schaufenster 6 »Die Zeichen stehen auf ›Gut‹!« b Fachgruppe Holzblasinstrumente formiert sich neu 10 Durchs Nadelöhr Tania García Crespo gewinnt Probespiel in ewegung 12 und Festanstellung Standpunkt Prof. Dr. Romy Fröhlich, Mitglied des Hochschulrates Stillstand ist an einer künstlerisch-wissenschaftlichen Hochschule ein unmögli- cher Zustand. Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre leben vom Prozess, 14 Mut zur Rohfassung der Weiterentwicklung, neuen Einflüssen und Perspektiven. Studentinnen etablieren die Reihe Wir freuen uns daher mit der Fachgruppe Holzbläser über die Neubesetzung ›Raw and Nutritious‹ der Professuren für Querflöte mit Anna Dina Björn-Larsen und für Oboe mit Kai Frömbgen. Gemeinsam mit dem gesamten Professorenteam haben wir über die 16 Notwendigkeit und Tugend Arbeit innerhalb der Fachgruppe gesprochen: die Ausbildung von Orchestermu- Im 25. Jahr sieht das ifmpf dem sikerinnen und -musikern, neue Übungs- und Veranstaltungsformate und die Ver- Generationswechsel entgegen änderung in der musikalischen Vorbildung bei Studieninteressierten. Wir informieren Sie über kleine und große Veränderungen an der HMTMH, über 18 Ehrendoktorwürde für die Fortsetzung der künstlerischen Qualifizierungsstellen, eine neue Kooperation Prof. Dr. Hermann-J. Kaiser mit der Hochschule Luzern, Gastprofessuren und Tagungen. Das Mitglied des Hochschulrates Prof. Dr. Romy Fröhlich schildert ihre Sicht auf die Dynamik un- 19 Zehn Fragen an ... seres Hauses. Mit dem Institut für musikpädagogische Forschung werfen wir einen Eva Klesse, Professorin für Schlagzeug Blick in die Zukunft seiner Arbeit. Anlass ist das 25-jährige Jubiläum, welches das (Jazz und jazzverwandte Musik) ifmpf im Herbst 2018 feierte. Meilensteine wie dieser helfen, sich selbst und seine Leistung zu verorten, Forschung und Lehre neu auszurichten und so die Aktualität 20 Im Gedenken der eigenen Arbeit zu sichern. Über ihre Antworten auf ›10 Fragen an …‹ stellt Prof. Peter Becker, Präsident der sich Ihnen Eva Klesse vor. Sie ist seit Oktober Professorin für Schlagzeug im HMTMH in den Jahren 1993 bis 1997 Bereich Jazz und jazzverwandte Musik und freut sich auf motivierte Studierende, Kolleginnen und Kollegen. Der Förderkreis der HMTMH gibt einen Überblick über 22 Promotionsstudierende und ihre Themen die neu strukturierten Preise und Stipendien, die an der HMTMH vergeben wer- Katharina Knop-Hülß, IJK den. Prof. Dr. Stefan Weiss gewährt uns einen Einblick in eine neue Sammlung der HMTMH, die eine Vielzahl Publikationen zu russischer und sowjetischer 24 Wissenschaft Musik umfasst. Die Sammlung stammt aus dem Vorlass des Musikwissenschaft- Sammlung Bialik bereichert Bibliothek | lers und -kritikers Michail Bialik. Einladung zum ›KNOWember‹! Doch es gibt auch traurige Veränderungen an der HMTMH. Wir nehmen Abschied von unserem ehemaligen Präsidenten Prof. Peter Becker. Seine aktuelle Nachfol- 27 Nachrichten gerin im Amt Prof. Susanne Rode-Breymann und sein langjähriger Kollege Prof. Künstlerische Qualifizierungsstellen Martin Brauß würdigen seine Person und seine Arbeit an der Hochschule in zwei verlängert | Kooperation mit Luzern | Nachrufen. Studiengänge umbenannt 29 Tagungen Eine angenehme Lektüre wünscht Ihnen 30 Förderkreis und Stiftung Neuausrichtung für Stipendien- programm und Preise Sabine Hürthe 32 Zu Gast Günter Pichler | Sven-David Sandström | Ana Sokolović 34 Personelles 38 Publikationen/Impressum
[ SCHAUFENSTER] Der Bariton Samuel Hasselhorn, Solo- klassenstudent bei Prof. Marina Sandel, hat am 12. Mai 2018 den prestigeträchtigen Königin-Elisabeth-Wettbewerb für Gesang in Brüssel gewonnen. Die Pianistin Elisabeth Brauß , Master- studentin bei Prof. Bernd Goetzke, ist von der BBC in ihr renommiertes Programm ›New Generation Artists‹ aufgenommen worden. Bis 2020 wird sie dadurch gezielt in der Entwicklung ihrer internationalen Karriere gefördert. Zum bereits 10. Mal war HMTMH-Vizepräsi- dent und Violinprofessor Krzysztof Wegrzyn (2. v. l.) Künstlerischer Leiter des u. a. auch in der HMTMH ausgetragenen Internationalen Joseph Joachim Violinwettbewerbs Hannover. Große Resonanz: Im März 2018 erschien das Buch ›Claude Debussy. Briefe an seine Ver- leger‹, aus dem Französischen übersetzt und herausgegeben von HMTMH-Klavier- professor Bernd Goetzke.
[ SCHAUFENSTER] Das Duo Jakow Pavlenko (IFF, Violinklasse Prof. Ina Kertscher) und Jan-Aurel Dawidiuk (Jungstudent, Klavierklasse Prof. Roland Krüger) ist im 55. Bundeswettbewerb ›Jugend musiziert‹ von der Deutschen Stiftung Musikleben mit der höchstdotierten Förderlinie, dem Eduard-Söring-Preis, ausgezeichnet worden. Opulentes Klangerlebnis bei den KunstFestSpielen Herren- Lasst die Korken knallen: Das HMTMH- hausen im Kuppelsaal: Am 27. Mai 2018 führte das Hochschul- Sommerfest am 26. Mai 2018 stand orchester der HMTMH zusammen mit der NDR Radiophilharmonie ganz im Zeichen von ›10 Jahre Popular und neun hannoverschen Chören u. a. Berlioz’ Requiem auf. Music‹.
[SCHWERPUNKT] »die zeichen s tehen auf ›gut‹!« Fachgruppe Holzblasinstrumente formiert sich neu – HMTMH beruft Anna Dina Björn- Larsen zur Professorin für Querflöte und Kai Frömbgen zum Professor für Oboe Mit der Berufung der Flötistin Anna Von 2005 bis 2007 war er Solooboist des Austausch und auf gemeinsame klassen- Dina Björn-Larsen zum 1. Juni und des ›Lucerne Festivalorchesters‹ unter der übergreifende Projekte und Konzerte. Oboisten Kai Frömbgen zum 1. Oktober Leitung von Claudio Abbado. Seit 2012 Um die Karrieren unserer Studie- 2018 hat die Hochschule für Musik, Thea- ist er Mitglied des ›Chamber Orchestra of renden besonders erfolgreich zu entwi- ter und Medien Hannover ihre vakan- Europe‹ und arbeitet in diesem Ensemble ckeln, war eine exzellente Qualität der ten Professuren in den Holzbläserklas- mit Dirigenten wie Bernhard Haitink Lehrenden immer der Schlüssel. Es gibt sen erfolgreich neu besetzt. und Nikolaus Harnoncourt zusammen. eine Erhebung aus dem Jahr 2010, wo- Anna Dina Björn-Larsen studierte In der Fachgruppe Holzblasinstru- nach 17 Prozent aller Bläserstellen in in New York bei Jeanne Baxtresser und mente arbeiten beide Seite an Seite mit deutschen Orchestern mit Absolventin- bei Paul Meisen in München und Prof. Johannes Peitz (Klarinette) und nen und Absolventen aus der HMTMH schloss ihr Studium mit Auszeichnung Prof. Bence Bogányi (Fagott) sowie Lehr- besetzt werden konnten – bei 24 Musik- bei Jean-Claude Gérard an der Musik- beauftragten u. a. für die Fächer Saxo- hochschulen war das eine außerge- hochschule in Stuttgart ab. Im Alter von phon und Korrepetition. Sabine Hürthe wöhnliche Bilanz. Ob Hannover zu die- 23 Jahren wurde sie 1998 erste Solo- und Silke Reinhard haben das Quartett ser alten Stärke zurückfinden kann, flötistin der Königlichen Oper Kopen- der Professorinnen und Professoren zum wissen wir wahrscheinlich frühestens hagen und war dort fast 20 Jahre tätig. Interview getroffen und sie zu ihren in fünf Jahren. Ich würde aber meinen: 2013 wurde ihr für ihr künstlerisches gemeinsamen Entwicklungszielen be- Die Zeichen stehen auf ›Gut‹! Schaffen und Engagement im däni- fragt. schen Kulturleben der Dannebrog-Ritter- Wenn Sie früher und heute vergleichen – orden von der dänischen Königin verlie- Herr Prof. Peitz, die Fachgruppe Holzblas- erleben Sie große Unterschiede zwischen hen. Anna Dina Björn-Larsen hat als instrumente der HMTMH zählte in den Ihrer eigenen Ausbildung und der Ihrer Dozentin an verschiedenen dänischen zurückliegenden Jahren, wann immer die Studentinnen und Studenten? Hochschulen gewirkt, u. a. an der König- Professuren für Oboe, Klarinette, Quer- Johannes Peitz: Die Ausbildung im lich Dänischen Musikakademie Kopen- flöte und Fagott alle besetzt waren, zu Holzbläserbereich hat sich in den letz- hagen. Sie ist gefragte Dozentin bei den erfolgreichsten Lehrenden-Teams in ten Jahren gar nicht so sehr verändert. Meisterkursen in den USA und Europa. Deutschland. Das haben Sie persönlich so- Das liegt daran, dass die Orchesterkom- Kai Frömbgen ist dreifacher wohl als Schüler von Hans Deinzer als petenz nach wie vor das vorrangige 1. Preisträger des Bundeswettbewerbs auch nach Ihrer Berufung zum Professor Lernziel unserer Studierenden ist. Wenn ›Jugend musiziert‹ und schloss sein Stu- für Klarinette so erleben dürfen. Was be- ich mein Instrument, die Klarinette, dium bei Prof. Christian Wetzel in Leip- deutet es Ihnen, gemeinsam mit Anna Dina betrachte, dann ist es außerordentlich zig mit Auszeichnung ab. Er wurde Björn-Larsen, Kai Frömbgen und Bence schwer, allein von Kammermusik oder Stipendiat der Studienstiftung des Deut- Bogányi in das neue Semester zu starten? Aushilfsengagements zu leben. Solisten schen Volkes, der Villa Musica und des Johannes Peitz: Das ist fantastisch! gibt es sowieso nur sehr wenige auf der Richard-Wagner-Verbandes. 1998 und Mit der Berufung von Anna Dina Björn- ganzen Welt, auch weil das Repertoire 1999 spielte er im EUYO. 1999 trat er die Larsen und Kai Frömbgen sind unserer gar nicht mehr Nachfrage hergibt. Stelle des stellvertretenden Soloobois- Hochschule nicht nur die erhofften Natürlich gibt es immer wieder ten der Staatsphilharmonie Rheinland- hochkarätigen Neubesetzungen gelun- Kassandrarufe, da Orchester verkleinert Pfalz an und wechselte 2003 als Solo- gen, sondern ich kann auch sagen: Wir und auch geschlossen wurden und sich oboist zu den Bamberger Symphoni- verstehen uns untereinander ausge- die Arbeitsbedingungen eher verschlech- kern – Bayerische Staatsphilharmonie. zeichnet und freuen uns sehr auf den tern. Jedoch sind seit der deutschen 6
Wiedervereinigung 40 Orchester neu an. Seien es die Werke, die erarbeitet wer- Plattform zur Erprobung eines hinzugekommen und einige stocken den, die Aufteilung in Probeabschnitte, potenziellen Berufsfeldes: die personell wieder auf. Das bedeutet im Vorproben in Ensembles – alles wird Hochschulorchesterphasen. Umkehrschluss allerdings nicht, dass vorab ausgewählt beziehungsweise ein- es einfacher geworden ist, eine Orches- geteilt. Die Zusammenarbeit funktio- wird es bei den Planungen für regel- terstelle zu bekommen – es gibt in niert hervorragend und die Spielquali- mäßigen Kammermusikunterricht: Hier Deutschland die angesprochenen 24 tät der Studierenden wird entscheidend hat unser Kollege Kai Frömbgen bereits Musikhochschulen, etwa 20 weitere angehoben. Die geplanten Orchester- mit der Organisation begonnen. Ausbildungsinstitute für unseren Beruf projekte, ob sie nun für unsere eigene und in etwa acht freie Holzbläserstellen Hochschule ins Auge gefasst oder für Dazu erzählen Sie gerne mehr! Was macht pro Jahr und Instrument. Kooperationsvorhaben eingerichtet wer- die Kammermusik zu einem so wichtigen den, unterliegen nun einem ganz ge- Ausbildungsbestandteil? Und wie sieht die Wie bereiten Sie Ihre Studierenden auf die- zielt nach Qualitätskriterien gesteuer- Einbindung der Studierenden konkret aus? sen Wettbewerb vor? ten Prozess. Kai Frömbgen: Die Kammermusik ist Bence Bogányi: Der Weg ins Orchester ein wesentlicher Bestandteil der künst- wird durch den Einzelunterricht vorbe- Und innerhalb Ihrer Fachgruppe? lerischen Ausbildung, da hier die Stu- reitet und durch das Ensemblespiel in Bence Bogányi: …verbessern sich durch dierenden wichtige Fähigkeiten erwer- den verschiedensten Formationen aus- unsere neuen Kolleginnen und Kollegen ben können, wie das Zusammenspiel gebaut. die Möglichkeiten des Ensemblespiels mit anderen Instrumenten funktio- Was die Arbeit des Hochschul- ebenfalls enorm. Um beim Beispiel niert, auch im Hinblick auf eine spätere orchesters betrifft, hat vor allem die Orchester zu bleiben, könnten wir nun Tätigkeit im Orchester. Das Grundver- Installation der Orchester AG viel Posi- u. a. über die Wiedereinführung von ständnis anderer Instrumente und tives bewirken können. Eine aktive Repertoire-Bläserproben nachdenken ihrer Eigenheiten kann hier vertieft Gruppe von Professorinnen und Profes- oder mit einem reinen Bläsersatz ganze werden, beispielsweise Intonation, An- soren trifft sich nun regelmäßig und nimmt sich der notwendigen Themen Sinfonien spielen. Das allerdings ist noch eher Zukunftsdenken. Viel konkreter sprache oder auch Artikulation betref- fend. Das Wichtigste ist jedoch das … 7
[SCHWERPUNKT] … ist am 25. Oktober sogar schon an den Start gegangen! Liebe Frau Björn-Larsen, für alle, die beim Auftakt nicht dabei waren: Was dürfen wir uns unter ›Holz in der Uhle‹ vor- stellen und warum war es Ihnen wichtig, diese Reihe an der HMTMH zu etablieren? Anna Dina Björn-Larsen: Im Rahmen der neuen Konzertreihe ›Holz in der Uhle‹ musizieren Studierende der Holz- bläserklassen alle zwei Wochen am Donnerstagabend im Kammermusik- saal in der Uhlemeyerstraße und prä- sentieren hier Solorepertoire, Reper- toire mit Klavier und Kammermusik. Diese Konzerte bieten den Studie- renden die Möglichkeit, regelmäßig Auftrittserfahrung vor richtigem Publi- kum zu sammeln. Bei der Erarbeitung von Repertoire ist der Auftritt in einem öffentlichen Konzert der letzte Schritt nach dem individuellen Üben, der Arbeit V. l. n. r.: Prof. Anna Dina Björn- im Einzelunterricht und dem Musi- einen Soloklasse-Studierenden. Die Stu- Larsen, Prof. Kai Frömbgen, zieren in der wöchentlichen Klassen- dierenden kommen aus Deutschland, Prof. Bence Bogányi und Prof. Johannes Peitz. stunde. Außerdem lernt man natürlich Dänemark, Norwegen, Griechenland, … Aufeinanderhören, um als Ensemble eine möglichst große Homogenität und auch sehr viel durchs Zuhören, weshalb wir von den Studierenden erwarten, auch bei Konzerten, in denen man nicht China, Taiwan und Südkorea. Die Schwerpunkte der Ausbildung ergeben sich u. a. aus dem allem zu- Ausdrucksstärke zu erreichen. Aktuell selbst auftritt, anwesend zu sein. Ein grunde liegenden Berufsziel Orchester- stellen wir klassenübergreifend und in weiterer, wichtiger Aspekt der neuen musiker. Aufgrund der extrem großen Zusammenarbeit mit der Hornklasse von Konzertreihe ist die Tatsache, dass die Konkurrenz und der begrenzten Anzahl Markus Maskuniitty homogene Ensem- Konzerte von den Studentinnen und freier Orchesterstellen habe ich die Or- bles zusammen, die dann gemeinsam Studenten in Selbstverwaltung organi- chesterausbildung von Anfang an im Kammermusikunterricht bekommen. siert werden − hier kann man wertvolle Blick, d. h., dass beispielsweise alle Erst- Erfahrungen für die spätere Karriere semester-Studierenden schon bei unse- Gibt es weitere Ideen für gemeinsame Pro- sammeln. rem klasseninternen Probespieltraining jekte? Zu guter Letzt freuen wir uns na- dabei sind und dass die Teilnahme an Johannes Peitz: Ja, durchaus. Wir kön- türlich sehr darauf, das hannoversche Probespielen für diverse Jugendorches- nen uns zum Beispiel gut vorstellen, Publikum mit unserem umfangreichen ter obligatorisch ist. wieder dauerhaft die ›Bläserakademie‹ und vielseitigen Repertoire zu erfreuen Grundsätzlich lege ich großen Wert zu etablieren, die vor einigen Jahren und zu zeigen, auf welch hohem Niveau darauf, dass in den ersten Studienjah- schon einmal ein sehr wichtiger Bau- unsere Studierenden musizieren. ren die flötentechnischen Grundlagen stein unserer Ausbildung war. Dabei gefestigt werden, dass alle Studieren- musizieren Lehrende und Studierende Bei allen Berührungspunkten wie Projekt, den das Standardrepertoire der Flöte gemeinsam und begegnen sich auf Augen- Konzert und Prüfung liegt der Fokus der kennen und beherrschen und, wie be- höhe als Kolleginnen und Kollegen. Das Lehrtätigkeit bei Ihnen allen auf dem Haupt- reits erwähnt, alle Standard-Orchester- ist für die Studierenden eine ganz wich- fachunterricht. Wie wird Ihre Klasse in Ihrem stellen erarbeitet haben. tige Erfahrung! Den Auftakt planen wir ersten Semester an der HMTMH aussehen, Im weiteren Verlauf des Studiums für das kommende Frühjahr mit der Frau Björn-Larsen? Und worauf legen Sie sind die Vorbereitung auf und die Teil- Gran Partita von Mozart und einem wei- in Ihrem Unterricht besonderen Wert? nahme an großen Wettbewerben von teren Stück mit Flöte. Anna Dina Björn-Larsen: Die Flöten- immenser Wichtigkeit, da man in die- klasse wird im kommenden Semester sem Zusammenhang ein breites Reper- Und ein weiteres gemeinsames Konzerfor- aus zehn Studierenden bestehen, ver- toire aufbaut und auch mit viel zeit- mat der Fachgruppe Holzblasinstrumente teilt auf vier Bachelor-, fünf Master- und genössischer Musik in Kontakt kommt. 8
[SCHWERPUNKT] Lehrauftrag für Rohrbau zu vergeben. Die spezifische Verwendung der Scha- betechnik und deren Messung sind für die einwandfreie Qualität der instru- mentalen Beherrschung ganz wichtige Bausteine – in Bezug auf die Funktio- nalität des Rohres, auf die Tonqualität und die Intonation. Je intensiver Studie- rende begreifen und praktisch erfahren, wie sich für ganz bestimmte Werke der Literatur mithilfe des Rohrbaus kon- krete Klangvorstellungen entwickeln lassen, desto besser. Dazu haben wir auch die Ausrüstung mit Rohrbau- maschinen auf den neuesten Stand ge- bracht. Am 4. Oktober hat die HMTMH 375 Studien- anfängerinnen und Studienanfänger be- grüßt. 26 von ihnen beginnen ein Studium der Künstlerischen Ausbildung oder Solo- Wie ist es bei Ihnen, Herr Frömbgen? klasse mit Hauptfach Oboe, Klarinette, kulturelle Verankerung von Musik im Kai Frömbgen: Da ich vorher einige Querflöte oder Fagott – sechs kommen aus Alltag. In Spanien sind zum Beispiel Jahre an der Robert Schumann Hoch- Deutschland, 20 aus dem Ausland. Ist das ›Bandas‹ sehr verbreitet. Das sind Blas- schule in Düsseldorf tätig war, starte ein typisches Bild? kapellen, in denen konstant ein großer ich mit einer vollen Klasse an der Johannes Peitz: Ja schon, wobei das bei Teil musikalischer Sozialisation geleis- HMTMH. Die Hochschule hat meiner der Klarinette etwas eigen ist. Dadurch tet wird und sich eine grundlegende Ansicht nach die Orchesterkompetenz dass sich die deutschen Orchester auf Musikalität bei Kindern und Jugend- vollkommen zu Recht zum vorrangigen das deutsche Griffsystem beschränken lichen besser entwickeln kann. Studienziel erklärt, trotzdem wird im und ich einen Teil meiner Verantwor- Unterricht ein breites Spektrum an Re- tung oder Aufgabe auch als ›Jobmaker‹ Anna Dina Björn-Larsen: Bei den Quer- pertoire abgebildet. Je nach Leistungs- sehe, ist der Anteil der internationalen flöten hat sich in den letzten zehn bis stand fächert sich die Arbeit von der Studierenden auch in meiner Klasse zwanzig Jahren besonders viel in den Vermittlung bläserischer Grundlagen zwar gestiegen, aber immer noch etwas asiatischen Ländern getan. Auch bei der bis hin zur zielgerichteten Vorberei- begrenzt. Aufnahmeprüfung im Juni hat sich das tung auf Probespiele oder Wettbewerbe Grundsätzlich stelle ich fest, dass bestätigt. Wir haben bei vielen dieser auf. Fester Bestandteil sind neben die Ausbildung vor der Hochschule im Bewerberinnen und Bewerber ein sehr Klassenvorspielen auch Unterrichte, in Ausland oftmals viel besser ist. Insbe- hohes technisches Niveau erlebt, da denen exemplarisch gezeigt wird, wie sondere Studierende aus Ländern wie hier in sehr jungem Alter schon mehr das Üben effektiv gestaltet werden sollte, Spanien, Italien oder Frankreich, in und gezielter technische Fertigkeiten da darin sicher der Schlüssel zu einer denen es Konservatoriensysteme gibt, trainiert werden. Und im Zuge von Glo- erfolgreichen Berufslaufbahn liegt. sind Studierenden aus Deutschland häu- balisierung, YouTube und billigen Flug- fig etwas voraus. Teils, weil hier den tickets ist die musikalische Welt sehr Um an die eingangs beschriebene Erfolgs- Musikschulen immer weniger Mittel klein geworden: Selbst wenn man aus bilanz anzuknüpfen, hat Ihre Fachgruppe zur Verfügung stehen, aber auch, weil anderen Kulturen stammt, ist die euro- die stetige Weiterentwicklung von theore- es in Zeiten von achtjährigem Gymna- päische Musiktradition nicht mehr den tischen und praktischen Lehrinhalten als sium weniger Zeit neben der Schule Europäern vorbehalten. Ziel ausgerufen. Herr Bogányi, wo haben Sie gibt. Ich gebe zweimal jährlich Kurse in Aber anstatt dies als Bedrohung zuletzt bei den Studierenden mit Haupt- Spanien und nach meiner Erfahrung zu empfinden, sehe ich, wie meine Stu- fach Fagott Bedarfe entdeckt, die darauf- spielt ein 18-jähriger Spanier im Allge- dierenden dies als große Inspiration hin neu in den Lehrplan eingeflossen sind? meinen besser als ein gleichaltriger und Ansporn erleben und einander sti- Bence Bogányi: Bei der Herstellung von Deutscher. Dahinter steckt ein anderes mulieren – zum Besten von allen und Mundstücken! Es ist gelungen, einen Ausbildungssystem und eine andere zum größten Vergnügen Ihrer Lehrerin! 9
[SCHWERPUNKT] durchs n adelöhr Nach erfolgreichem Probespiel hat die Fagottistin Tania García Crespo ihre erste Festanstellung bei der Neuen Philharmonie Westfalen angetreten Es ist hoch, es ist leise und in dieser achtet die Jury jenseits von Intonation, viel Konkurrenzdenken und hier hat heiklen Kombination das Zünglein an Klang und Technik? Was für ein Kollege sich plötzlich jeder für dich gefreut, der Waage. Der Weg ins Orchester führt wird hier gesucht? Welche Gesten wer- wenn du etwas Tolles geschafft hattest. über eines der bekanntesten Fagottsoli den wichtig, was gefällt? »Mal denkst du: Das habe ich zum ersten Mal so in der Welt, den Anfang von Igor Strawins- ›Das war gut‹ und es nützt dir nichts. Deutschland erlebt und diese Mentali- kis Ballett ›Le Sacre du Printemps‹. Tania Mal zweifelst du und bist weiter«, sagt tät ist etwas sehr Schönes.« Im Sommer- García Crespo kann es an diesem Nach- Tania García Crespo, »Und wenn die Ta- semester 2017 spielte sie im Hochschul- mittag nichts anhaben. »Ich war ganz bei gesform nicht stimmt, dann ist es so- orchester das Solofagott in Crusells mir, habe zur Jury geguckt, aber nichts wieso ganz schnell zu Ende.« Sinfonia concertante. Ab der Saison gesehen.« Der Ton sitzt perfekt, über- Wie hart es sein kann, nach Hause 2017/18 erfüllte sie parallel einen Zeit- schüttet sie mit Glück und lenkt, was geschickt zu werden, daran erinnert sich vertrag am Theater in Magdeburg. noch folgt: Beethovens Vierte und den die heute 28-jährige Spanierin gut. 2004 »Mein Professor ist ein unglaub- Liebestrank. Der Rest ist banges Warten wurde Tania García Crespo aktives Mit- licher Musiker und weiß genau, wie er und Erlösung: »Sie sagten: ›Die Stelle ist glied des West-Eastern-Divan Orchesters seine Studierenden in ihrem Berufsziel für Sie‹ und bei mir liefen die Tränen. unter der Leitung von Daniel Barenboim. unterstützen kann. Mozarts Fagottkon- Alle wollten mir gratulieren, jeder woll- Nach ihrem Bachelorstudium in Granada zert braucht man in einem Probespiel te sich bei mir vorstellen.« Vier Monate arbeitete sie drei Jahre als Solofagottis- für eine Orchesterstelle ganz sicher«, vor ihrer letzten Masterprüfung hat tin und Kontrafagottistin an der Oper von sagt Tania García Crespo und muss sich der Traum von der Orchesterstelle Valencia, spielte unter Dirigenten wie lachen: »Das haben wir tausend Millio- erfüllt: Tania García Crespo hat eine Zubin Mehta oder Vladimir Jurowsky. nen Mal gemacht. Mindestens!« Festanstellung für Solofagott bei der »Als mein Zeitvertrag erfüllt war, gab es Auch die Neue Philharmonie West- Neuen Philharmonie Westfalen. Probespiele und jemand anderes hat die falen verlangte in Runde 1 von ihren 18 Probespiele sind das Nadelöhr, Stelle bekommen. Das war schlimm.« eingeladenen Bewerberinnen und Be- durch das jeder Orchestermusiker Auf Empfehlung eines Kollegen werbern Mozart. Die Aspirantin aus gehen muss. Der musikalische Vortrag knüpfte sie Kontakt zu Prof. Bence Hannover und drei weitere schafften es ersetzt das Bewerbungsgespräch, das Bogányi, besuchte ihn in Hannover, in die zweite Runde. »Bis dahin haben suchende Orchester ist die Jury. »Ich spielte ihm vor. »Er hat in mir etwas wir hinter einem Vorhang gespielt, habe sehr viele Probespiele gemacht. gesehen, was ich damals nicht sah, und damit wirklich nur der Klang entschei- Im letzten Jahr vor Ende meines Studi- er hat mir vertraut, als ich es selber det. Für die Orchesterstellen wurde er ums sicherlich zehn in ganz Deutsch- nicht konnte. Ich dachte wirklich, ich dann weggenommen und vor mir saßen land. Wenn man klug ist, fängt man schaffe das nicht, aber er hat mein mu- sicherlich 80 Menschen.« Sind in Probe- früh damit an. Nicht, weil man schlech- sikalisches Leben gerettet.« Tania García spielen Soloinstrumente zu besetzen ter spielt als die Konkurrenz, sondern Crespo machte die Aufnahmeprüfung oder die Stelle des Konzertmeisters, wegen der vielen Faktoren, die da zu- und begann im Oktober 2016 ihr Mas- dann hört in Deutschland in der Regel sammenkommen.« Im Probespiel ent- terstudium der Künstlerischen Ausbil- das ganze Orchester zu. Beeindruckt scheiden wenige Minuten über Gehen dung an der HMTMH. Als sie davon er- habe sie das nur innerlich, nach außen und Weiterkommen, über Arbeitslosig- zählt, strahlt sie wieder: »Ich habe viel habe sie ruhig bleiben und ›den Kopf keit und Job. Der Druck ist immens, die von Bence gelernt und viel von meinen einschalten‹ können: »Ich bin langsam Situation kaum berechenbar. Worauf Kommilitonen. In Spanien gab es sehr reingekommen, habe mich vorbereitet 10
[SCHWERPUNKT] und versucht, nicht anders zu wirken, oder beim NDR. Ich bin ehrlich: Als Spa- anderarbeitens erneut seine Empfehlung als würde ich zu Hause spielen. Ganz nierin sagte mir Recklinghausen nichts. abgeben. Ein bestandenes Probejahr ruhig und in meiner selbstgewählten Aber ich bin sehr dankbar für diese wäre gleichbedeutend mit einer Anstel- Reihenfolge: Tschaikowskis 4. Sinfonie, Stelle und auch hier gibt es viele, viele lung auf Lebenszeit. Danach wäre das Sheherazade, Die Verkaufte Braut und gute Leute. Es ist ein Orchester, das für neue Leben schon deutlich eingespiel- Boléro.« Es war die Eintrittskarte zur fi- jede Art von Publikum spielt, und da- ter: »Die Soloklasse war immer mein nalen dritten Runde. durch eine Stelle, bei der sehr viel mög- Plan B. Ich wollte gerne mit Bence wei- Die Neue Philharmonie Westfalen lich ist.« In ihren ersten drei Arbeits- terarbeiten, doch das ist so weit weg ist mit rund 130 Musikerinnen und wochen spielte Tania García Crespo von Hannover im Moment unmöglich. Musikern das größte Landesorchester Beethovens Neunte, ein amerikani- Aber wenn ich das brauche, möchte ich mit Probenzentrum in Recklinghausen. sches Programm mit Gershwin, ein Sin- nach meinem Probejahr darüber reden. Kernaufgabe der ›NPW‹ sind Sinfonie- foniekonzert mit Sprecher und ein Kon- Der Kontakt bleibt in jedem Fall.« Ob konzerte in Gelsenkirchen, Reckling- zert mit Anna Netrebko in der Kölner sie von sich aus noch einmal die Heraus- hausen, dem Kreis Unna sowie in nord- Philharmonie. »Da gab es viel Arbeit für forderung eines neuen Orchesters su- rhein-westfälischen Städten und Gemein- die Holzbläser und ich habe mich echt chen würde? Auch das will Tania García den ohne eigenes Sinfonieorchester. gefreut: Die klingen ›wow‹!« Crespo später entscheiden. Dann ginge Zugleich ist sie das Opernorchester des Ob Recklinghausen auf Dauer ihre sie erneut durch das Nadelöhr des Pro- Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen. musikalische Heimat wird, steht noch bespiels, mit größerer Erfahrung, mit »Als junges Mädchen hast du gedacht: nicht fest. Ende Juli 2019 wird das der Sicherheit einer Festanstellung im Später will ich bei den Berliner Philhar- Orchester nach zwölf Monaten des ge- Rücken – und wahrscheinlich auch wie- monikern spielen oder in München genseitigen Kennenlernens und Mitein- der mit Strawinski. SR 11
[ STAN DPU N KT] an diesem haus ist underbar viel in bewegung! w Hochschulratsmitglied Prof. Dr. Romy Fröhlich berichtet Wie sollte es auch anders sein mit 1.500 etwa einem Jahr verabschiedete Hoch- Sache. Und ein letztes Beispiel für die Studierenden aus 57 Nationen? Schon schulentwicklungsplan, an dem der Beweglichkeit der HMTMH: In Zukunft allein diese Diversität sorgt für Schwung. Hochschulrat mitgewirkt hat. Dieser sollen Frauen in Spitzenpositionen und An der HMTMH war aber schon immer Plan beeindruckt unter anderem auch Gremien des Hauses besser repräsen- viel in Bewegung; auch 1986, als ich durch das klare Bekenntnis der Hoch- tiert sein. Der Hochschulrat ist davon hier wissenschaftliche Mitarbeiterin schule zu ihrer gesellschaftlichen Mit- natürlich nicht ausgenommen. wurde – am damaligen Ergänzungsstu- verantwortung für die kontinuierliche Jenseits spezifischer Modernisie- diengang Journalistik. Mein Entschluss Weiterentwicklung von Kultur im regio- rungsinitiativen sorgt an der HMTMH viele Jahre später, mich (nunmehr als nalen, nationalen und internationalen aber auch ein Anliegen für Bewegung: Professorin der LMU München) im Hoch- Raum. Er belegt außerdem, dass das Haus Die Lehr-, Ausbildungs- und Forschungs- schulrat der HMTMH ehrenamtlich zu auch etablierte Pfade auf den Prüfstand qualität soll durch noch mehr studien- engagieren, basiert auf meiner seiner- stellt, um vor dem Hintergrund von Glo- gangsübergreifende und interdiszipli- zeitigen Erfahrung, dass dieses Haus balisierung, Medialisierung und Digita- näre Kooperationsprojekte weiter ver- eine sehr bewegliche Institution ist. Ein lisierung zukunftsfähig zu bleiben. bessert werden. Gerade hierfür wird Hochschulrat, so meine Erwartung, kann Die Bereitschaft, den ständigen allen Beteiligten – im Übrigen auch den hier zusammen mit den verantwort- Wandel des Kulturlebens zu analysieren, Studierenden – viel Flexibilität, Offen- lichen Entscheiderinnen und Entschei- um so die Studierenden immer bestens heit und Anpassung abverlangt. Das ist dern wirklich was bewegen. Diese Erwar- auf die jeweiligen Veränderungen des nicht selbstverständlich in einem Um- tung hat sich erfüllt. Seit 2009 erlebe Berufslebens vorzubereiten, ist ein weite- feld, in dem fachspezifische Profilie- ich es als Privileg, die herausragende res Indiz der hohen Veränderungs- und rung wichtig ist. Als Hochschulratsmit- Exzellenz, die enorme Kreativität und Anpassungsfähigkeit der Hochschule. glied mit Einblick in die komplexen die immer wieder belegte Innovations- Solche Analysen kosten ihre Mitglieder Abstimmungs- und Arbeitsprozesse hin- kraft dieses Hauses aus einer neuen viel Zeit und Expertise und finden über- ter diesen übergreifenden Kooperatio- Warte heraus erfahren und zusammen wiegend auf der für Außenstehende nicht nen kann ich nur sagen: Es bewegt mit anderen Expertinnen und Experten einsehbaren ›Hinterbühne‹ des Schaffens mich sehr zu erleben, wie viel Engage- im Hochschulrat mitgestalten zu dürfen. statt. Als nichtkünstlerisches Hochschul- ment (jenseits des üblicherweise Er- Die Beweglichkeit der HMTMH ratsmitglied bin ich hier häufig Ler- wartbaren!) die Mitglieder der HMTMH speist sich aus ihrer enormen Fähigkeit nende, denn den Wandel des Kulturle- hierfür aufbringen und wie die fachspe- zur Innovation und Kreation. Ihren Spit- bens kenne ich bestenfalls aus der Sicht zifische Strahlkraft für das große Ganze zenplatz unter den bundesdeutschen einer Kulturrezipientin. auch immer wieder hintangestellt wird. Musikhochschulen verdankt sie nicht Stillstand ist Rückschritt. Was es Da sich der Hochschulrat regelmäßig zuletzt auch dieser Fähigkeit. Sie spie- an der HMTMH heißt, sich zu bewegen auch mit den Finanzen der HMTMH be- gelt sich Jahr für Jahr wider in zahlrei- und Neues zu wagen, zeigt beispiels- schäftigt, kann ich aus unserer Warte chen Auszeichnungen. Auch die Mitglie- weise der Plan, ein Forum einzurichten außerdem versichern: Die Steuergelder, der des Hochschulrates können kaum zur Entwicklung von individuellen, neu- die hier in junge Menschen und ihre Ta- Schritt halten mit der Frequenz, in der artigen Konzertideen und künstleri- lente investiert werden, sind bestens Studierende, Alumni und Lehrende der schen Experimenten. Ein anderes spezi- angelegt. Dass die Hannoveraner um HMTMH renommierte nationale und fisches Vorhaben der Modernisierung das Juwel im Herzen ihrer Stadt wissen internationale Preise für ihre künstle- besteht z. B. in der Absicht, die Studie- und auch das zuständige Ministerium rischen und wissenschaftlichen Leistun- renden zukünftig im Umgang mit das Funkeln am Emmichplatz aner- gen erhalten. Neuen Medien, Website und Social kennt, das ist für mein weiteres Engage- Das hohe Veränderungs- und An- Media zu professionalisieren – für das ment im Hochschulrat von zentraler passungspotenzial der HMTMH verdeut- Eigenmarketing von Künstlerinnen und Bedeutung. licht quasi schwarz auf weiß der vor Künstlern eine wichtiger werdende 12
[SCHWERPUNKT] mut zur r o h fa s s u n g Vier Studentinnen etablieren die Veranstaltungsreihe ›Raw and Nutritious‹ Im Kulturpalast Linden findet seit An- Dann sah sie im letzten Jahr ein Stück spartenübergreifendes Projekt auf die fang 2018 regelmäßig das Veranstal- am Ballhof, an dem auch Schauspielstu- Bühne bringen möchten. Die Studieren- tungsformat ›Raw and Nutritious‹ statt. dierende der HMTMH mitarbeiteten, den freuen sich, über ›Raw and Nutri- Die Bühne ist nur ein wenig erhöht, und das Thema kam wieder zur Spra- tious‹ Kontakte für neue Projekte zu davor gibt es gemütliche Sitzplätze auf che. In den nächsten Tagen ging Janna knüpfen, und die Nachfrage nach Ter- Kissen, weiter hinten auch Stühle. Im der Gedanke einfach nicht mehr aus minen ist groß. »Bis Februar 2019 sind Schnitt kommen rund 70 bis 80 Zu- dem Kopf. Immer konkreter setzten wir schon ausgebucht«, so Janna. Die schauerinnen und Zuschauer jeden sich ihre Vorstellungen für ein genre- gemeinsamen Veranstaltungen verbin- vierten Mittwoch im Monat in den Kul- übergreifendes Veranstaltungsformat den, was im Alltag oft räumlich getrennt turpalast. Zu sehen und zu hören gibt zusammen. Bei der nächsten Jazzses- ist. Bei ›Raw and Nutritious‹ finden es Beiträge von Studierenden aus Schau- sion besprach sie ihre Ideen mit Simone Studierende aus dem Studienbereich spiel, Jazz, Klassik und Pop. Es geht um Beer vom Kulturpalast Linden. Die Schauspiel an der Expo Plaza und den publikumsnahe Beiträge, beliebt sind zeigte sich begeistert und entsprechend musischen Studienfächern am Emmich- Projekte, die noch besonders frisch schnell stand der erste Termin fest: Am platz und am Weidendamm produktiv sind und in einer interessanten Phase 20. Oktober 2017 ging ›Raw and Nutri- zusammen. ihres Entstehens gezeigt werden. Seien tious‹ an den Start. Und warum roh und nahrhaft? »Es es eigene Songs, die mal in kleiner Das Organisationsteam fand sich musste irgendwas mit ›raw‹ sein, weil Besetzung, ganz intim präsentiert wer- in Jannas Umfeld zusammen. Alle vier wir nichts zeigen, was schon überall ge- den, oder die Eigenarbeit eines Schau- Organisatorinnen fungieren als An- spielt wird. Wir wollen eine Plattform spielers, die man sonst nur an der Expo sprechpartnerinnen für Kommilitonin- sein, die Musiker und Schauspieler an- Plaza zu sehen bekommen hätte. Beson- nen und Kommilitonen aus dem jeweils schubst, damit sie Dinge zeigen, die roh ders spannend aber wird es, wenn sich eigenen Fachbereich; zusammen verfei- und spontan sind, vielleicht in ihren die Studierenden zu Kooperationspro- nern sie in ihren Teambesprechungen Augen sogar noch unfertig. Und ›nahr- jekten unter den Studiengängen zusam- Monat für Monat das Konzept ihrer haft‹ deshalb, weil sehr deutlich wird, menfinden. Denn besonders hierfür Veranstaltung. Anna Paula Muth steht wie viel Potenzial und Sehenswertes soll ›Raw and Nutritious‹ eine Plattform Schauspielstudierenden zur Seite, Janna bereits oder vielleicht vor allem in die- sein: zum Sich-Finden und Sich-Präsen- Berger unterstützt ihre Mitstudieren- sem Stadium für das Publikum zu fin- tieren. den aus dem Bereich Jazz, Cewil Sedaye- den ist. Wir legen bei ›Raw and Nutri- Hauptinitiatorin des neuen Ver- Vatan ist Ansprechpartnerin für Klassik- tious‹ Augenmerk auf die Künstlerper- anstaltungsformats ist Jazzstudentin Studierende und Lea Wessel bindet sönlichkeiten und kreativen Prozesse«, Janna Berger. Sie wohnte in einer WG Pop-Studierende ins Projekt ein. Inzwi- sagt Janna. Die Herangehensweisen sind mit Schauspielstudierenden, und die schen geht die Initiative meist direkt ganz unterschiedlich. Idee, dass es ein disziplinübergreifen- von interessierten Studierenden aus, Die Feinplanung findet etwa zehn des Projekt von Schauspiel und Musik die einen ›Raw and Nutritious‹-Abend Tage vor dem eigentlichen Auftrittster- geben müsse, kam immer wieder auf. erlebt haben und nun gerne ein eigenes min statt. Der rote Faden, der sich durch 14
[SCHWERPUNKT] die Veranstaltungen zieht, ist der Wech- Projekte weitergedacht, Personenkon- Lea Wessel, Cewil Sedaye- sel von Musik und Schauspiel. Ein Musik- stellationen ändern sich. »Viele Klassik- Vatan, Janna Berger Act dauert etwa 20 Minuten und geht in studierende haben große Lust, nach und Anna Paula Muth (v. l.). eine Schauspieleinlage über. Dabei ihrem ersten Auftritt nochmal mit einem bleibt jede Aufführung ganz individuell weiteren Projekt zu uns zu kommen. tungstermine sind soziale Netzwerke und experimentell. Alles kann, nichts Die ›Raw and Nutritious‹-Bühne ist für wichtig. Auf Facebook gibt es nicht nur muss, und perfekt sein, muss es schon sie eine eher ungewöhnliche Erfahrung, die Veranstaltungsinformationen, son- gar nicht. »Unser eigentliches Ziel ist, die als sehr bereichernd empfunden dern die Interessierten bekommen dass Kooperationsformate entstehen«, wird«, sagt Cewil. Auch für Schauspiel- auch mal einen Schnappschuss vom sagt Janna. Die Studierenden finden sich studierende ist ›Raw and Nutritious‹ Soundcheck oder den Mitschnitt eines oft kurzfristig und spontan zusammen eine besondere Möglichkeit, »weil die Auftritts zu sehen. Die Nähe kommt gut und entwickeln dann ein gemeinsames im Stundenplan integrierten Eigenar- an. Jede und jeder soll kommen können. Konzept für ihren Auftritt. Manchmal beiten nur intern gezeigt werden und Gab es anfangs noch festgesetzte Preise, gibt es ganz spontane Ideen wie einen man sie so der Öffentlichkeit und in zahlt das Publikum nun nach eigenem Instrumententausch zwischen Sound- einem anderen Kontext ausprobieren Ermessen zwischen fünf und zwölf Euro. check und Auftritt. kann«, beschreibt Anna, »›Raw and Nu- Am 6. Juni 2018 wurden die vier »Im Vorfeld lernen sich die Interes- tritious‹ ist ein öffentlicher und trotz- Studentinnen für ihre Netzwerkarbeit senten kennen und sehen, was die an- dem geschützter Rahmen, der einen mit dem Studentenwerkspreis ausge- deren so machen. Sie bleiben in Kon- motiviert, sich dafür richtig ins Zeug zu zeichnet. Das Preisgeld in Höhe von takt, es entstehen Verbindungen, aus legen, und trotzdem Raum zum Expe- 1.500 Euro wollen sie reinvestieren. In denen sich neue Projekte entwickeln rimentieren gibt. Deswegen finde ich was, darüber beratschlagen sie noch, und dann kommen sie auf uns zu: ›Wir es auch klasse, zum Improvisieren vor aber sie halten uns bestimmt über haben dieses neue fächerübergreifende Publikum zu ermutigen.« www.facebook.com/RawAndNutritious/ Projekt, können wir das auf eurer Bühne Nicht nur im Programm ist viel auf dem Laufenden. SH zeigen?‹«, erklärt Lea. Oft werden neue Dynamik. Zur Bewerbung der Veranstal- 15
[SCHWERPUNKT] n otwendigkeit und tugend Im 25. Jahr seines Bestehens bereitet das Institut für musikpädagogische Forschung der HMTMH den Generationswechsel und die Etablierung neuer Wissenschafts- und Forschungsfelder vor Im Herbst 1993 gründete die damalige Grundlagenforschung und Anwendungs- sein Direktor Prof. Dr. Andreas Lehmann- Hochschule für Musik und Theater bezug liegen seit jeher eng beieinander: Wermser. »Zum einen bewegen sich un- das Institut für musikpädagogische Als man die Bläserklassen in den Schu- sere Themen häufig an der Schnitt- Forschung (ifmpf ) auf Initiative des len eingerichtet hat, wurden Studie- stelle der aktuell stark geförderten Musikpädagogen Prof. Dr. Karl-Jürgen rende frühzeitig darauf vorbereitet. Um Bereiche empirische Forschung und Kemmelmeyer, des Systematischen dem Singen einen neuen Stellenwert zu kulturelle Bildung. Zum anderen emp- Musikwissenschaftlers und späteren geben, trug das ifmpf 2004 das Konzept finde ich die Verwaltungsstrukturen an Präsidenten der Hochschule Prof. Dr. der Chorklassen in vier Versuchsschu- der HMTMH als sehr schnell und unter- Klaus-Ernst Behne und des Sonderpäda- len. Immer wieder mündeten diese Ini- stützend. In Summe ist das ein äußerst gogen Prof. Dr. Franz Amrhein. Von der tiativen in groß angelegte Drittmittel- günstiger Nährboden.« Herausgabe verschiedener Buchreihen projekte – sei es zur Stimmbildung Die neueste Einwerbung ist das über kulturpolitische Anregungen bis (gefördert durch das Niedersächsische gemeinsam mit der Universität Bremen hin zu empirischen Studien über musi- Ministerium für Wissenschaft und Kul- durchgeführte und mit 323.000 Euro kalische Bildung und Ausbildung hat tur), zum Wert von Musik (›Play fair‹, von der Stiftung Mercator finanzierte das ifmpf seither überaus erfolgreich Bundesverband Musikindustrie) oder Projekt ›Musik begleitet‹, das bis 2021 vielfältigste Aktivitäten entwickelt. Im zur Musikalisierung (›GanzOhr. Musik die musikalischen Praxen von Berufs- 25. Jahr addiert sich noch ein weiteres für Kinder‹, Carus-Verlag). Mit ›PosyMus schülerinnen, -schülern und Erstsemes- wichtiges Aufgabenfeld hinzu: Das ältes- – Potenziale von Feedbacksystemen im tern untersuchen soll. Prof. Dr. Andreas te aller Institute für musikpädagogische Musikunterricht‹ und ›Musicalytics – Lehmann-Wermser: »Wenn sich Akteure Forschung in Deutschland muss einen Lernverhalten in teilstrukturierten digi- neu orientieren und auch darüber ent- tiefgreifenden Generationswechsel ge- talen Lernräumen‹ (beide Bundesminis- scheiden müssen, welche musikalischen stalten. Die Weichen für eine nachhal- terium für Bildung und Forschung) Aktivitäten sie weiterhin betreiben wol- tige Verjüngung und größere themati- rückten digitale Bildung und Musik in len, ist interessant, ob und wenn ja in sche Breite sind schon gestellt. den Fokus. Dass das ifmpf heute eines welcher Weise frühere musikalische Das ifmpf steht für interdiszipli- der drittmittelstärksten Institute in Förderung beispielsweise in der Schule näre und integrative Forschungsarbeit Deutschland und Kontinentaleuropa noch wirksam ist. Darüber ist bislang auf allen Feldern der Musikvermittlung. ist, hat verschiedene Gründe, meint nichts bekannt.« en ör ch nd ge Ju n se nd r ch -u de fe sa er in ru er rK nd be ed Ki fü ik Ni in us ik in us g M un n M er se ld r. td as Oh bi ir nf fa kl m nz ku or im ay Ga Ch Zu St Pl 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 16
[SCHWERPUNKT] Die Wissenschaftliche Kommission hohe Prozentsatz an Studierenden, der Eine zweite Personalie steht bereits Niedersachsen hat dem ifmpf in seiner der HMTMH den Vorzug gibt, beson- kurz vor der Ausschreibung: Das Nieder- Evaluation ›Lehrerbildung‹ eine heraus- ders. Ein Bereich, in dem wir hingegen sächsische Ministerium für Wissenschaft ragende Position innerhalb der musik- sicherlich noch wachsen könnten, ist die und Kultur unterstützt im Rahmen des pädagogischen Institute des Landes Sonderpädagogik.« Ausgerechnet ein har- Maria-Goeppert-Mayer-Programms die bescheinigt. Aus der praktizierten Ver- ter personeller Einschnitt verspricht Einrichtung einer neuen Tenure-Track- knüpfung von Forschung und Ausbil- dafür nun die Rahmenbedingungen zu Professur ›Musikdidaktik mit Schwer- dung ziehen viele Studierende Nutzen schaffen: An der HMTMH werden ab punkt Genderforschung‹. Das Zwischen- für ihre spätere Berufslaufbahn. »Wir 2020 drei Professuren im Bereich der fazit von Prof. Franz Riemer fällt sind inzwischen deutlich näher an den Schulmusik rasch hintereinander neu zufrieden und optimistisch aus: »In Unterrichtswissenschaften dran als noch zu besetzen sein. Ziel der Fachgruppe Summe werden wird damit nicht nur in früheren Jahren«, erläutert Andreas Musikpädagogik ist es, im Zuge des den Generationswechsel abfedern. Wir Lehmann-Wermser. »Gute Beispiele sind Generationswechsels – und gut 20 Jahre verjüngen zugleich auch nachhaltig Prof. Dr. Andrea Welte, die das Thema nach der Emeritierung von Prof. Dr. den Lehrkörper der Hochschule und Multikulturalität und die Arbeit mit Franz Amrhein – wieder eine wissen- den Forschungskörper am Institut. Au- Flüchtlingen in Sprachlernklassen auf- schaftliche Professur im Bereich der ßerdem etablieren wir neue Wissen- gerufen hat, oder unser wissenschaftli- Sonderpädagogik anzusiedeln. schafts- und Forschungsfelder.« cher Mitarbeiter Daniel Stemberg, der in »Im Rahmen des Juniorprofessuren- Abgeschlossen sind die Zukunfts- seiner Dissertation danach fragt, welche Programms des Bundesministeriums für überlegungen indes noch nicht. Vielmehr Kompetenzen Lehramtsstudierende in Bildung und Forschung ist es gelungen, sei das ifmpf aus aktuellem Anlass auf- Inklusionsklassen brauchen. Gerade eine Juniorprofessur im Bereich der gefordert, sich im Hinblick auf die nächs- hatten wir vier Monate lang eine Dok- Musikpädagogik einzuwerben, die den ten Jahre noch einmal kritisch die Frage torandin aus Brasilien am Institut, Arbeitsschwerpunkt Heterogenität und nach der eigenen Identität zu stellen. was wohl in einem Partnerschaftsab- Inklusion haben wird«, freut sich Prof. »Wir haben von der Konferenz der Lan- kommen mit der Bundesuniversität des Franz Riemer. Durch die Möglichkeit desmusikräte den Auftrag für ein Bil- Staates Rio Grande do Sul münden wird. zur vorgezogenen Berufung kann die dungsmonitoring im Bereich Musikunter- Ich habe schon den Eindruck, dass un- spätere Stelleninhaberin bzw. der spä- richt in der Grundschule erhalten – und sere Studierenden es sehr zu schätzen tere Stelleninhaber den personellen mit ›wir‹ meine ich keine Einzelperson, wissen, dass topaktuelle Forschungsthe- Übergang in den Jahren 2020 bis 2022 sondern das Institut. Es ist ein Novum, men Einzug in ihre Seminare und ihren bereits begleiten und mitgestalten. »Die dass so ein Auftrag nicht ad personam Studienalltag halten.« Sonderpädagogik ist ein Bereich, der erteilt wurde, sondern an das ifmpf«, er- Die Studierendenzahlen entspre- zunehmend an Bedeutung über den klärt Prof. Dr. Lehmann-Wermser. »Inso- chen sowohl im Fächerübergreifenden gleichnamigen Studiengang hinaus ge- fern befinden wir uns gerade in einer Bachelorstudiengang mit Hauptfach winnt. Deshalb gehen wir immer stär- Art Findungsphase und fragen uns: Was Musik (FüBa) als auch im Master Lehr- ker dazu über, die Lehrveranstaltungen forschen wir als Institut, wo wollen wir amt an Gymnasien (MALG) den vorhan- der Sonderpädagogen auch für den FüBa hin? Was eint uns als Institut?« Eine Ge- denen Kapazitäten. Franz Riemer, seit zu öffnen und sogar für Studierende meinsamkeit scheint schon gefunden: 1998 Professor für Musik und ihre Di- der Künstlerisch-pädagogischen Ausbil- »Wir stellen fest, dass eine doch sehr daktik: »Wer bei uns einen Studienplatz dung. Im Zuge von Ganztagsschulen und heterogene Schar von Musikpädagogik- für den FüBa angeboten bekommt, hat Nachmittagsunterricht gibt es hier im Professuren dazu relativ ähnliche Ideen in der Regel auch an anderen Hochschu- Berufsleben immer mehr Berührungs- hat und sich gut verständigen kann. len das Aufnahmeverfahren bestanden. punkte – warum also nicht auch schon Das ist nicht selbstverständlich, aber si- Vor diesem Hintergrund freut uns der im Studium?« cher eine ganz große Stärke.« SR ht ic rr te un ik us rin tet M ito lei s ic g on eg yt us M kb al M ic i sy us us Po M M 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 17
e h re n d o kto rw ü r d e f ü r p r o f. d r. h e r m a n n j. k a i s e r innerhalb der Musikpädagogik schärfer zu formulieren. Ähnlich grundlegend sind seine Arbeiten zur wissenschafts- theoretischen Verortung des Fachs. Die Hochschule verlieh ihm deswegen »in Anerkennung seiner herausragenden wissenschaftlichen Leistung – insbeson- dere seiner Arbeiten zum Begriff ›Musi- kalische Erfahrung‹ – sowie seiner Fun- dierung und theoretischen Verortung einer wissenschaftlichen Musikpädago- gik« den Dr. h.c. In einer Fachdidaktik, die überwie- gend auf den deutschen Diskurs fixiert Am 12. Oktober 2018 hat die Hoch- der Universität Münster berufen, es folg- ist und in der wenige international schule für Musik, Theater und Medien te der Ruf auf eine Professur für ›Erzie- publiziert haben, ist Hermann J. Kaiser Hannover Prof. Dr. Hermann J. Kaiser hungswissenschaft‹ an der Hochschule eine Ausnahmeerscheinung: Seine Publi- die Ehrendoktorwürde verliehen. Nach der Künste Berlin, dann auf eine Profes- kationen wurden u. a. ins Englische und dem Komponisten Helmut Lachenmann sur ›Musikpädagogik‹ an der Universi- Portugiesische übersetzt und erzielten im Jahr 2001 und der Musikpsychologin tät Münster, 1988 schließlich auf eine besondere Wirkung in den skandinavi- Prof. Dr. Helga de la Motte-Haber im Professur für ›Erziehungswissenschaft schen Ländern. Aus dem von ihm gelei- Jahr 2015 ist Hermann J. Kaiser erst die unter besonderer Berücksichtigung der teten, fächerübergreifenden Kolloquium dritte Persönlichkeit, der diese Aus- Musikpädagogik‹ an der Universität an der Universität Hamburg sind eine zeichnung für herausragende wissen- Hamburg. Reihe von Inhabern von Musik- und schaftliche Leistungen zuteilwird. »Die In seiner Laudation ehrte Prof. Dr. Kunstdidaktik-Lehrstühlen hervorge- Engführung von Wissenschaft, Musik Hans Bäßler Hermann J. Kaiser als einen gangen; in Kolloquien in Hamburg und und Musikpädagogik in Kaisers Wir- »Behutsamen, aber auch […] Wirkungs- Salzburg bestehen seine Tätigkeiten als ken«, so Hochschulpräsidentin Prof. mächtigsten des Faches Musikpädago- ›akademischer Lehrer‹ bis heute fort. Dr. Susanne Rode-Breymann, »macht es gik«, als einen, der »das Dialogische ge- Prof. Dr. Heinz Geuen, Musikpädagoge mehr als sinnfällig, dass Hermann J. radezu mustergültig beherrscht« und und Rektor der Hochschule für Musik Kaiser ein Dr. h. c. gerade dieser künst- der ein »andauerndes Misstrauen gegen- und Tanz Köln, fasst in seinem Gutach- lerisch-pädagogisch-wissenschaftlichen über dem Abgeschlossen, dem ›Schon- ten zusammen, Kaiser sei »auch nach Hochschule verliehen wird.« immer-gewusst-Haben‹, gegenüber dem Beendigung seiner offiziellen Lehrtätig- Hermann J. Kaiser studierte Kom- Statischen, dem Selbstvertrauenden und keit an der Universität Hamburg bis in position und Schulmusik in Köln sowie dem Selbstverliebten« pflegt. die Gegenwart hinein einer der bedeu- Philosophie, Germanistik und Pädago- Hermann J. Kaiser verstand sich tendsten und anerkanntesten Repräsen- gik in Bonn und Köln und war von 1957 früh als Vertreter einer Wissenschaft, tanten einer wissenschaftlichen Musik- bis 1963 Meisterschüler B. A. Zimmer- die sich im Kanon aller übrigen univer- pädagogik.« manns. Es folgten drei Jahre als freier sitären Fächer in der Art und Weise Den Antrag auf Einleitung des Ver- Komponist in Schweden, dann der ihres Denkens und Vorgehens zu bewei- fahrens stellte das Institut für musik- Schuldienst an Gymnasien in Köln und sen habe. Referenzpunkte dafür sah er pädagogische Forschung, dem Kaiser Bonn, neben dem Kaiser in Philosophie nicht allein in der Musikwissenschaft, seit 20 Jahren in besonderer Weise ver- promovierte. Die enorme Weite seines sondern in einem ganzen Fächer von bunden ist. Schon früh wurde er auf Bildungsweges dokumentiert sich in geistes- und sozialwissenschaftlichen Initiative des damaligen Direktors Karl- seinen Professuren: 1972 wurde Kaiser Disziplinen. Seine wissenschaftliche Be- Jürgen Kemmelmeyer als externes Mit- auf eine Professur für ›Wissenschafts- deutung lässt sich u. a. an seiner Fähig- glied des ifmpf berufen und bringt sich theorie und Empirische Verfahren‹ an keit festmachen, die begriffliche Basis bis heute in dessen Arbeit ein. SR 18
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