02/2018 pressto - Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover

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02/2018 pressto - Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
[02/2018 ]

                               pressto
                               Magazin der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover

                                                        in bewegung
                                                        Ein pressto über Veränderung und
raritäten
                                                        Weiterentwicklung, Übergänge und
Sammlung Bialik bereichert
Bibliothek                                              Meilensteine

jubiläum
Das ifmpf feiert 25-jähriges
Bestehen

förderung
Stipendien und Preise neu
ausgerichtet
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4   Schaufenster

                                                                                       6   »Die Zeichen stehen auf ›Gut‹!«

         b
                                                                                           Fachgruppe Holzblasinstrumente
                                                                                           formiert sich neu

                                                                                      10   Durchs Nadelöhr
                                                                                           Tania García Crespo gewinnt Probespiel

in                          ewegung                                                   12
                                                                                           und Festanstellung

                                                                                           Standpunkt
                                                                                           Prof. Dr. Romy Fröhlich, Mitglied des
                                                                                           Hochschulrates
Stillstand ist an einer künstlerisch-wissenschaftlichen Hochschule ein unmögli-
cher Zustand. Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre leben vom Prozess,          14   Mut zur Rohfassung
der Weiterentwicklung, neuen Einflüssen und Perspektiven.                                  Studentinnen etablieren die Reihe
Wir freuen uns daher mit der Fachgruppe Holzbläser über die Neubesetzung                   ›Raw and Nutritious‹
der Professuren für Querflöte mit Anna Dina Björn-Larsen und für Oboe mit Kai
Frömbgen. Gemeinsam mit dem gesamten Professorenteam haben wir über die               16   Notwendigkeit und Tugend
Arbeit innerhalb der Fachgruppe gesprochen: die Ausbildung von Orchestermu-                Im 25. Jahr sieht das ifmpf dem
sikerinnen und -musikern, neue Übungs- und Veranstaltungsformate und die Ver-              Generationswechsel entgegen
änderung in der musikalischen Vorbildung bei Studieninteressierten.
Wir informieren Sie über kleine und große Veränderungen an der HMTMH, über            18   Ehrendoktorwürde für
die Fortsetzung der künstlerischen Qualifizierungsstellen, eine neue Kooperation           Prof. Dr. Hermann-J. Kaiser
mit der Hochschule Luzern, Gastprofessuren und Tagungen. Das Mitglied des
Hochschulrates Prof. Dr. Romy Fröhlich schildert ihre Sicht auf die Dynamik un-       19   Zehn Fragen an ...
seres Hauses. Mit dem Institut für musikpädagogische Forschung werfen wir einen            Eva Klesse, Professorin für Schlagzeug
Blick in die Zukunft seiner Arbeit. Anlass ist das 25-jährige Jubiläum, welches das        (Jazz und jazzverwandte Musik)
ifmpf im Herbst 2018 feierte. Meilensteine wie dieser helfen, sich selbst und seine
Leistung zu verorten, Forschung und Lehre neu auszurichten und so die Aktualität      20   Im Gedenken
der eigenen Arbeit zu sichern. Über ihre Antworten auf ›10 Fragen an …‹ stellt             Prof. Peter Becker, Präsident der
sich Ihnen Eva Klesse vor. Sie ist seit Oktober Professorin für Schlagzeug im              HMTMH in den Jahren 1993 bis 1997
Bereich Jazz und jazzverwandte Musik und freut sich auf motivierte Studierende,
Kolleginnen und Kollegen. Der Förderkreis der HMTMH gibt einen Überblick über         22   Promotionsstudierende und ihre Themen
die neu strukturierten Preise und Stipendien, die an der HMTMH vergeben wer-               Katharina Knop-Hülß, IJK
den. Prof. Dr. Stefan Weiss gewährt uns einen Einblick in eine neue Sammlung
der HMTMH, die eine Vielzahl Publikationen zu russischer und sowjetischer             24   Wissenschaft
Musik umfasst. Die Sammlung stammt aus dem Vorlass des Musikwissenschaft-                  Sammlung Bialik bereichert Bibliothek |
lers und -kritikers Michail Bialik.                                                        Einladung zum ›KNOWember‹!
Doch es gibt auch traurige Veränderungen an der HMTMH. Wir nehmen Abschied
von unserem ehemaligen Präsidenten Prof. Peter Becker. Seine aktuelle Nachfol-        27   Nachrichten
gerin im Amt Prof. Susanne Rode-Breymann und sein langjähriger Kollege Prof.               Künstlerische Qualifizierungsstellen
Martin Brauß würdigen seine Person und seine Arbeit an der Hochschule in zwei              verlängert | Kooperation mit Luzern |
Nachrufen.                                                                                 Studiengänge umbenannt

                                                                                      29   Tagungen
Eine angenehme Lektüre wünscht Ihnen
                                                                                      30   Förderkreis und Stiftung
                                                                                           Neuausrichtung für Stipendien-
                                                                                           programm und Preise

Sabine Hürthe                                                                         32   Zu Gast
                                                                                           Günter Pichler | Sven-David Sandström |
                                                                                           Ana Sokolović

                                                                                      34   Personelles

                                                                                      38   Publikationen/Impressum
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[ SCHAUFENSTER]

Der Bariton Samuel Hasselhorn, Solo-
klassenstudent bei Prof. Marina Sandel,
hat am 12. Mai 2018 den prestigeträchtigen
Königin-Elisabeth-Wettbewerb für Gesang
in Brüssel gewonnen.

Die Pianistin Elisabeth Brauß , Master-
studentin bei Prof. Bernd Goetzke, ist von
der BBC in ihr renommiertes Programm ›New
Generation Artists‹ aufgenommen worden.
Bis 2020 wird sie dadurch gezielt in der
Entwicklung ihrer internationalen Karriere
gefördert.

                                             Zum bereits 10. Mal war HMTMH-Vizepräsi-
                                             dent und Violinprofessor Krzysztof Wegrzyn
                                             (2. v. l.) Künstlerischer Leiter des u. a. auch in
                                             der HMTMH ausgetragenen Internationalen
                                             Joseph Joachim Violinwettbewerbs Hannover.

                                             Große Resonanz: Im März 2018 erschien das
                                             Buch ›Claude Debussy. Briefe an seine Ver-
                                             leger‹, aus dem Französischen übersetzt
                                             und herausgegeben von HMTMH-Klavier-
                                             professor Bernd Goetzke.
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[ SCHAUFENSTER]

Das Duo Jakow Pavlenko (IFF, Violinklasse Prof. Ina Kertscher)
und Jan-Aurel Dawidiuk (Jungstudent, Klavierklasse Prof.
Roland Krüger) ist im 55. Bundeswettbewerb ›Jugend musiziert‹
von der Deutschen Stiftung Musikleben mit der höchstdotierten
Förderlinie, dem Eduard-Söring-Preis, ausgezeichnet worden.

Opulentes Klangerlebnis bei den KunstFestSpielen Herren-         Lasst die Korken knallen: Das HMTMH-
hausen im Kuppelsaal: Am 27. Mai 2018 führte das Hochschul-      Sommerfest am 26. Mai 2018 stand
orchester der HMTMH zusammen mit der NDR Radiophilharmonie       ganz im Zeichen von ›10 Jahre Popular
und neun hannoverschen Chören u. a. Berlioz’ Requiem auf.        Music‹.
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[SCHWERPUNKT]

    »die zeichen
                                                     s          tehen auf ›gut‹!«
      Fachgruppe Holzblasinstrumente formiert sich neu – HMTMH beruft Anna Dina Björn-

           Larsen zur Professorin für Querflöte und Kai Frömbgen zum Professor für Oboe

    Mit der Berufung der Flötistin Anna         Von 2005 bis 2007 war er Solooboist des      Austausch und auf gemeinsame klassen-
    Dina Björn-Larsen zum 1. Juni und des       ›Lucerne Festivalorchesters‹ unter der       übergreifende Projekte und Konzerte.
    Oboisten Kai Frömbgen zum 1. Oktober        Leitung von Claudio Abbado. Seit 2012             Um die Karrieren unserer Studie-
    2018 hat die Hochschule für Musik, Thea-    ist er Mitglied des ›Chamber Orchestra of    renden besonders erfolgreich zu entwi-
    ter und Medien Hannover ihre vakan-         Europe‹ und arbeitet in diesem Ensemble      ckeln, war eine exzellente Qualität der
    ten Professuren in den Holzbläserklas-      mit Dirigenten wie Bernhard Haitink          Lehrenden immer der Schlüssel. Es gibt
    sen erfolgreich neu besetzt.                und Nikolaus Harnoncourt zusammen.           eine Erhebung aus dem Jahr 2010, wo-
          Anna Dina Björn-Larsen studierte             In der Fachgruppe Holzblasinstru-     nach 17 Prozent aller Bläserstellen in
    in New York bei Jeanne Baxtresser und       mente arbeiten beide Seite an Seite mit      deutschen Orchestern mit Absolventin-
    bei Paul Meisen in München und              Prof. Johannes Peitz (Klarinette) und        nen und Absolventen aus der HMTMH
    schloss ihr Studium mit Auszeichnung        Prof. Bence Bogányi (Fagott) sowie Lehr-     besetzt werden konnten – bei 24 Musik-
    bei Jean-Claude Gérard an der Musik-        beauftragten u. a. für die Fächer Saxo-      hochschulen war das eine außerge-
    hochschule in Stuttgart ab. Im Alter von    phon und Korrepetition. Sabine Hürthe        wöhnliche Bilanz. Ob Hannover zu die-
    23 Jahren wurde sie 1998 erste Solo-        und Silke Reinhard haben das Quartett        ser alten Stärke zurückfinden kann,
    flötistin der Königlichen Oper Kopen-       der Professorinnen und Professoren zum       wissen wir wahrscheinlich frühestens
    hagen und war dort fast 20 Jahre tätig.     Interview getroffen und sie zu ihren         in fünf Jahren. Ich würde aber meinen:
    2013 wurde ihr für ihr künstlerisches       gemeinsamen Entwicklungszielen be-           Die Zeichen stehen auf ›Gut‹!
    Schaffen und Engagement im däni-            fragt.
    schen Kulturleben der Dannebrog-Ritter-                                                  Wenn Sie früher und heute vergleichen –
    orden von der dänischen Königin verlie-     Herr Prof. Peitz, die Fachgruppe Holzblas-   erleben Sie große Unterschiede zwischen
    hen. Anna Dina Björn-Larsen hat als         instrumente der HMTMH zählte in den          Ihrer eigenen Ausbildung und der Ihrer
    Dozentin an verschiedenen dänischen         zurückliegenden Jahren, wann immer die       Studentinnen und Studenten?
    Hochschulen gewirkt, u. a. an der König-    Professuren für Oboe, Klarinette, Quer-      Johannes Peitz: Die Ausbildung im
    lich Dänischen Musikakademie Kopen-         flöte und Fagott alle besetzt waren, zu      Holzbläserbereich hat sich in den letz-
    hagen. Sie ist gefragte Dozentin bei        den erfolgreichsten Lehrenden-Teams in       ten Jahren gar nicht so sehr verändert.
    Meisterkursen in den USA und Europa.        Deutschland. Das haben Sie persönlich so-    Das liegt daran, dass die Orchesterkom-
          Kai Frömbgen ist dreifacher           wohl als Schüler von Hans Deinzer als        petenz nach wie vor das vorrangige
    1. Preisträger des Bundeswettbewerbs        auch nach Ihrer Berufung zum Professor       Lernziel unserer Studierenden ist. Wenn
    ›Jugend musiziert‹ und schloss sein Stu-    für Klarinette so erleben dürfen. Was be-    ich mein Instrument, die Klarinette,
    dium bei Prof. Christian Wetzel in Leip-    deutet es Ihnen, gemeinsam mit Anna Dina     betrachte, dann ist es außerordentlich
    zig mit Auszeichnung ab. Er wurde           Björn-Larsen, Kai Frömbgen und Bence         schwer, allein von Kammermusik oder
    Stipendiat der Studienstiftung des Deut-    Bogányi in das neue Semester zu starten?     Aushilfsengagements zu leben. Solisten
    schen Volkes, der Villa Musica und des      Johannes Peitz: Das ist fantastisch!         gibt es sowieso nur sehr wenige auf der
    Richard-Wagner-Verbandes. 1998 und          Mit der Berufung von Anna Dina Björn-        ganzen Welt, auch weil das Repertoire
    1999 spielte er im EUYO. 1999 trat er die   Larsen und Kai Frömbgen sind unserer         gar nicht mehr Nachfrage hergibt.
    Stelle des stellvertretenden Soloobois-     Hochschule nicht nur die erhofften                 Natürlich gibt es immer wieder
    ten der Staatsphilharmonie Rheinland-       hochkarätigen Neubesetzungen gelun-          Kassandrarufe, da Orchester verkleinert
    Pfalz an und wechselte 2003 als Solo-       gen, sondern ich kann auch sagen: Wir        und auch geschlossen wurden und sich
    oboist zu den Bamberger Symphoni-           verstehen uns untereinander ausge-           die Arbeitsbedingungen eher verschlech-
    kern – Bayerische Staatsphilharmonie.       zeichnet und freuen uns sehr auf den         tern. Jedoch sind seit der deutschen

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Wiedervereinigung 40 Orchester neu            an. Seien es die Werke, die erarbeitet wer-                       Plattform zur Erprobung eines
hinzugekommen und einige stocken              den, die Aufteilung in Probeabschnitte,                           potenziellen Berufsfeldes: die
personell wieder auf. Das bedeutet im         Vorproben in Ensembles – alles wird           Hochschulorchesterphasen.
Umkehrschluss allerdings nicht, dass          vorab ausgewählt beziehungsweise ein-
es einfacher geworden ist, eine Orches-       geteilt. Die Zusammenarbeit funktio-          wird es bei den Planungen für regel-
terstelle zu bekommen – es gibt in            niert hervorragend und die Spielquali-        mäßigen Kammermusikunterricht: Hier
Deutschland die angesprochenen 24             tät der Studierenden wird entscheidend        hat unser Kollege Kai Frömbgen bereits
Musikhochschulen, etwa 20 weitere             angehoben. Die geplanten Orchester-           mit der Organisation begonnen.
Ausbildungsinstitute für unseren Beruf        projekte, ob sie nun für unsere eigene
und in etwa acht freie Holzbläserstellen      Hochschule ins Auge gefasst oder für          Dazu erzählen Sie gerne mehr! Was macht
pro Jahr und Instrument.                      Kooperationsvorhaben eingerichtet wer-        die Kammermusik zu einem so wichtigen
                                              den, unterliegen nun einem ganz ge-           Ausbildungsbestandteil? Und wie sieht die
Wie bereiten Sie Ihre Studierenden auf die-   zielt nach Qualitätskriterien gesteuer-       Einbindung der Studierenden konkret aus?
sen Wettbewerb vor?                           ten Prozess.                                  Kai Frömbgen: Die Kammermusik ist
Bence Bogányi: Der Weg ins Orchester                                                        ein wesentlicher Bestandteil der künst-
wird durch den Einzelunterricht vorbe-        Und innerhalb Ihrer Fachgruppe?               lerischen Ausbildung, da hier die Stu-
reitet und durch das Ensemblespiel in         Bence Bogányi: …verbessern sich durch         dierenden wichtige Fähigkeiten erwer-
den verschiedensten Formationen aus-          unsere neuen Kolleginnen und Kollegen         ben können, wie das Zusammenspiel
gebaut.                                       die Möglichkeiten des Ensemblespiels          mit anderen Instrumenten funktio-
      Was die Arbeit des Hochschul-           ebenfalls enorm. Um beim Beispiel             niert, auch im Hinblick auf eine spätere
orchesters betrifft, hat vor allem die        Orchester zu bleiben, könnten wir nun         Tätigkeit im Orchester. Das Grundver-
Installation der Orchester AG viel Posi-      u. a. über die Wiedereinführung von           ständnis anderer Instrumente und
tives bewirken können. Eine aktive            Repertoire-Bläserproben nachdenken            ihrer Eigenheiten kann hier vertieft
Gruppe von Professorinnen und Profes-         oder mit einem reinen Bläsersatz ganze        werden, beispielsweise Intonation, An-
soren trifft sich nun regelmäßig und
nimmt sich der notwendigen Themen
                                              Sinfonien spielen. Das allerdings ist noch
                                              eher Zukunftsdenken. Viel konkreter
                                                                                            sprache oder auch Artikulation betref-
                                                                                            fend. Das Wichtigste ist jedoch das                  …
                                                                                                                                                 7
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…                                                               ist am 25. Oktober sogar schon an den Start
                                                                gegangen! Liebe Frau Björn-Larsen, für alle,
                                                                die beim Auftakt nicht dabei waren: Was
                                                                dürfen wir uns unter ›Holz in der Uhle‹ vor-
                                                                stellen und warum war es Ihnen wichtig,
                                                                diese Reihe an der HMTMH zu etablieren?
                                                                Anna Dina Björn-Larsen: Im Rahmen
                                                                der neuen Konzertreihe ›Holz in der
                                                                Uhle‹ musizieren Studierende der Holz-
                                                                bläserklassen alle zwei Wochen am
                                                                Donnerstagabend im Kammermusik-
                                                                saal in der Uhlemeyerstraße und prä-
                                                                sentieren hier Solorepertoire, Reper-
                                                                toire mit Klavier und Kammermusik.
                                                                      Diese Konzerte bieten den Studie-
                                                                renden die Möglichkeit, regelmäßig
                                                                Auftrittserfahrung vor richtigem Publi-
                                                                kum zu sammeln. Bei der Erarbeitung
                                                                von Repertoire ist der Auftritt in einem
                                                                öffentlichen Konzert der letzte Schritt
                                                                nach dem individuellen Üben, der Arbeit
                          V. l. n. r.: Prof. Anna Dina Björn-   im Einzelunterricht und dem Musi-             einen Soloklasse-Studierenden. Die Stu-
                          Larsen, Prof. Kai Frömbgen,           zieren in der wöchentlichen Klassen-          dierenden kommen aus Deutschland,
    Prof. Bence Bogányi und Prof. Johannes Peitz.               stunde. Außerdem lernt man natürlich          Dänemark, Norwegen, Griechenland,

…   Aufeinanderhören, um als Ensemble
    eine möglichst große Homogenität und
                                                                auch sehr viel durchs Zuhören, weshalb
                                                                wir von den Studierenden erwarten,
                                                                auch bei Konzerten, in denen man nicht
                                                                                                              China, Taiwan und Südkorea.
                                                                                                                    Die Schwerpunkte der Ausbildung
                                                                                                              ergeben sich u. a. aus dem allem zu-
    Ausdrucksstärke zu erreichen. Aktuell                       selbst auftritt, anwesend zu sein. Ein        grunde liegenden Berufsziel Orchester-
    stellen wir klassenübergreifend und in                      weiterer, wichtiger Aspekt der neuen          musiker. Aufgrund der extrem großen
    Zusammenarbeit mit der Hornklasse von                       Konzertreihe ist die Tatsache, dass die       Konkurrenz und der begrenzten Anzahl
    Markus Maskuniitty homogene Ensem-                          Konzerte von den Studentinnen und             freier Orchesterstellen habe ich die Or-
    bles zusammen, die dann gemeinsam                           Studenten in Selbstverwaltung organi-         chesterausbildung von Anfang an im
    Kammermusikunterricht bekommen.                             siert werden − hier kann man wertvolle        Blick, d. h., dass beispielsweise alle Erst-
                                                                Erfahrungen für die spätere Karriere          semester-Studierenden schon bei unse-
    Gibt es weitere Ideen für gemeinsame Pro-                   sammeln.                                      rem klasseninternen Probespieltraining
    jekte?                                                            Zu guter Letzt freuen wir uns na-       dabei sind und dass die Teilnahme an
    Johannes Peitz: Ja, durchaus. Wir kön-                      türlich sehr darauf, das hannoversche         Probespielen für diverse Jugendorches-
    nen uns zum Beispiel gut vorstellen,                        Publikum mit unserem umfangreichen            ter obligatorisch ist.
    wieder dauerhaft die ›Bläserakademie‹                       und vielseitigen Repertoire zu erfreuen             Grundsätzlich lege ich großen Wert
    zu etablieren, die vor einigen Jahren                       und zu zeigen, auf welch hohem Niveau         darauf, dass in den ersten Studienjah-
    schon einmal ein sehr wichtiger Bau-                        unsere Studierenden musizieren.               ren die flötentechnischen Grundlagen
    stein unserer Ausbildung war. Dabei                                                                       gefestigt werden, dass alle Studieren-
    musizieren Lehrende und Studierende                         Bei allen Berührungspunkten wie Projekt, den das Standardrepertoire der Flöte
    gemeinsam und begegnen sich auf Augen-                      Konzert und Prüfung liegt der Fokus der kennen und beherrschen und, wie be-
    höhe als Kolleginnen und Kollegen. Das                      Lehrtätigkeit bei Ihnen allen auf dem Haupt- reits erwähnt, alle Standard-Orchester-
    ist für die Studierenden eine ganz wich-                    fachunterricht. Wie wird Ihre Klasse in Ihrem stellen erarbeitet haben.
    tige Erfahrung! Den Auftakt planen wir                      ersten Semester an der HMTMH aussehen,              Im weiteren Verlauf des Studiums
    für das kommende Frühjahr mit der                           Frau Björn-Larsen? Und worauf legen Sie sind die Vorbereitung auf und die Teil-
    Gran Partita von Mozart und einem wei-                      in Ihrem Unterricht besonderen Wert?          nahme an großen Wettbewerben von
    teren Stück mit Flöte.                                      Anna Dina Björn-Larsen: Die Flöten- immenser Wichtigkeit, da man in die-
                                                                klasse wird im kommenden Semester sem Zusammenhang ein breites Reper-
    Und ein weiteres gemeinsames Konzerfor-                     aus zehn Studierenden bestehen, ver- toire aufbaut und auch mit viel zeit-
    mat der Fachgruppe Holzblasinstrumente                      teilt auf vier Bachelor-, fünf Master- und genössischer Musik in Kontakt kommt.

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                                              Lehrauftrag für Rohrbau zu vergeben.
                                              Die spezifische Verwendung der Scha-
                                              betechnik und deren Messung sind für
                                              die einwandfreie Qualität der instru-
                                              mentalen Beherrschung ganz wichtige
                                              Bausteine – in Bezug auf die Funktio-
                                              nalität des Rohres, auf die Tonqualität
                                              und die Intonation. Je intensiver Studie-
                                              rende begreifen und praktisch erfahren,
                                              wie sich für ganz bestimmte Werke der
                                              Literatur mithilfe des Rohrbaus kon-
                                              krete Klangvorstellungen entwickeln
                                              lassen, desto besser. Dazu haben wir
                                              auch die Ausrüstung mit Rohrbau-
                                              maschinen auf den neuesten Stand ge-
                                              bracht.

                                              Am 4. Oktober hat die HMTMH 375 Studien-
                                              anfängerinnen und Studienanfänger be-
                                              grüßt. 26 von ihnen beginnen ein Studium
                                              der Künstlerischen Ausbildung oder Solo-
Wie ist es bei Ihnen, Herr Frömbgen?          klasse mit Hauptfach Oboe, Klarinette,       kulturelle Verankerung von Musik im
Kai Frömbgen: Da ich vorher einige            Querflöte oder Fagott – sechs kommen aus     Alltag. In Spanien sind zum Beispiel
Jahre an der Robert Schumann Hoch-            Deutschland, 20 aus dem Ausland. Ist das     ›Bandas‹ sehr verbreitet. Das sind Blas-
schule in Düsseldorf tätig war, starte        ein typisches Bild?                          kapellen, in denen konstant ein großer
ich mit einer vollen Klasse an der            Johannes Peitz: Ja schon, wobei das bei      Teil musikalischer Sozialisation geleis-
HMTMH. Die Hochschule hat meiner              der Klarinette etwas eigen ist. Dadurch      tet wird und sich eine grundlegende
Ansicht nach die Orchesterkompetenz           dass sich die deutschen Orchester auf        Musikalität bei Kindern und Jugend-
vollkommen zu Recht zum vorrangigen           das deutsche Griffsystem beschränken         lichen besser entwickeln kann.
Studienziel erklärt, trotzdem wird im         und ich einen Teil meiner Verantwor-
Unterricht ein breites Spektrum an Re-        tung oder Aufgabe auch als ›Jobmaker‹        Anna Dina Björn-Larsen: Bei den Quer-
pertoire abgebildet. Je nach Leistungs-       sehe, ist der Anteil der internationalen     flöten hat sich in den letzten zehn bis
stand fächert sich die Arbeit von der         Studierenden auch in meiner Klasse           zwanzig Jahren besonders viel in den
Vermittlung bläserischer Grundlagen           zwar gestiegen, aber immer noch etwas        asiatischen Ländern getan. Auch bei der
bis hin zur zielgerichteten Vorberei-         begrenzt.                                    Aufnahmeprüfung im Juni hat sich das
tung auf Probespiele oder Wettbewerbe                Grundsätzlich stelle ich fest, dass   bestätigt. Wir haben bei vielen dieser
auf. Fester Bestandteil sind neben            die Ausbildung vor der Hochschule im         Bewerberinnen und Bewerber ein sehr
Klassenvorspielen auch Unterrichte, in        Ausland oftmals viel besser ist. Insbe-      hohes technisches Niveau erlebt, da
denen exemplarisch gezeigt wird, wie          sondere Studierende aus Ländern wie          hier in sehr jungem Alter schon mehr
das Üben effektiv gestaltet werden sollte,    Spanien, Italien oder Frankreich, in         und gezielter technische Fertigkeiten
da darin sicher der Schlüssel zu einer        denen es Konservatoriensysteme gibt,         trainiert werden. Und im Zuge von Glo-
erfolgreichen Berufslaufbahn liegt.           sind Studierenden aus Deutschland häu-       balisierung, YouTube und billigen Flug-
                                              fig etwas voraus. Teils, weil hier den       tickets ist die musikalische Welt sehr
Um an die eingangs beschriebene Erfolgs-      Musikschulen immer weniger Mittel            klein geworden: Selbst wenn man aus
bilanz anzuknüpfen, hat Ihre Fachgruppe       zur Verfügung stehen, aber auch, weil        anderen Kulturen stammt, ist die euro-
die stetige Weiterentwicklung von theore-     es in Zeiten von achtjährigem Gymna-         päische Musiktradition nicht mehr den
tischen und praktischen Lehrinhalten als      sium weniger Zeit neben der Schule           Europäern vorbehalten.
Ziel ausgerufen. Herr Bogányi, wo haben Sie   gibt. Ich gebe zweimal jährlich Kurse in           Aber anstatt dies als Bedrohung
zuletzt bei den Studierenden mit Haupt-       Spanien und nach meiner Erfahrung            zu empfinden, sehe ich, wie meine Stu-
fach Fagott Bedarfe entdeckt, die darauf-     spielt ein 18-jähriger Spanier im Allge-     dierenden dies als große Inspiration
hin neu in den Lehrplan eingeflossen sind?    meinen besser als ein gleichaltriger         und Ansporn erleben und einander sti-
Bence Bogányi: Bei der Herstellung von        Deutscher. Dahinter steckt ein anderes       mulieren – zum Besten von allen und
Mundstücken! Es ist gelungen, einen           Ausbildungssystem und eine andere            zum größten Vergnügen Ihrer Lehrerin!

                                                                                                                                      9
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                            durchs
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           Nach erfolgreichem Probespiel hat die Fagottistin Tania García Crespo ihre erste

                      Festanstellung bei der Neuen Philharmonie Westfalen angetreten

     Es ist hoch, es ist leise und in dieser      achtet die Jury jenseits von Intonation,     viel Konkurrenzdenken und hier hat
     heiklen Kombination das Zünglein an          Klang und Technik? Was für ein Kollege       sich plötzlich jeder für dich gefreut,
     der Waage. Der Weg ins Orchester führt       wird hier gesucht? Welche Gesten wer-        wenn du etwas Tolles geschafft hattest.
     über eines der bekanntesten Fagottsoli       den wichtig, was gefällt? »Mal denkst du:    Das habe ich zum ersten Mal so in
     der Welt, den Anfang von Igor Strawins-      ›Das war gut‹ und es nützt dir nichts.       Deutschland erlebt und diese Mentali-
     kis Ballett ›Le Sacre du Printemps‹. Tania   Mal zweifelst du und bist weiter«, sagt      tät ist etwas sehr Schönes.« Im Sommer-
     García Crespo kann es an diesem Nach-        Tania García Crespo, »Und wenn die Ta-       semester 2017 spielte sie im Hochschul-
     mittag nichts anhaben. »Ich war ganz bei     gesform nicht stimmt, dann ist es so-        orchester das Solofagott in Crusells
     mir, habe zur Jury geguckt, aber nichts      wieso ganz schnell zu Ende.«                 Sinfonia concertante. Ab der Saison
     gesehen.« Der Ton sitzt perfekt, über-             Wie hart es sein kann, nach Hause      2017/18 erfüllte sie parallel einen Zeit-
     schüttet sie mit Glück und lenkt, was        geschickt zu werden, daran erinnert sich     vertrag am Theater in Magdeburg.
     noch folgt: Beethovens Vierte und den        die heute 28-jährige Spanierin gut. 2004           »Mein Professor ist ein unglaub-
     Liebestrank. Der Rest ist banges Warten      wurde Tania García Crespo aktives Mit-       licher Musiker und weiß genau, wie er
     und Erlösung: »Sie sagten: ›Die Stelle ist   glied des West-Eastern-Divan Orchesters      seine Studierenden in ihrem Berufsziel
     für Sie‹ und bei mir liefen die Tränen.      unter der Leitung von Daniel Barenboim.      unterstützen kann. Mozarts Fagottkon-
     Alle wollten mir gratulieren, jeder woll-    Nach ihrem Bachelorstudium in Granada        zert braucht man in einem Probespiel
     te sich bei mir vorstellen.« Vier Monate     arbeitete sie drei Jahre als Solofagottis-   für eine Orchesterstelle ganz sicher«,
     vor ihrer letzten Masterprüfung hat          tin und Kontrafagottistin an der Oper von    sagt Tania García Crespo und muss
     sich der Traum von der Orchesterstelle       Valencia, spielte unter Dirigenten wie       lachen: »Das haben wir tausend Millio-
     erfüllt: Tania García Crespo hat eine        Zubin Mehta oder Vladimir Jurowsky.          nen Mal gemacht. Mindestens!«
     Festanstellung für Solofagott bei der        »Als mein Zeitvertrag erfüllt war, gab es           Auch die Neue Philharmonie West-
     Neuen Philharmonie Westfalen.                Probespiele und jemand anderes hat die       falen verlangte in Runde 1 von ihren 18
           Probespiele sind das Nadelöhr,         Stelle bekommen. Das war schlimm.«           eingeladenen Bewerberinnen und Be-
     durch das jeder Orchestermusiker                   Auf Empfehlung eines Kollegen          werbern Mozart. Die Aspirantin aus
     gehen muss. Der musikalische Vortrag         knüpfte sie Kontakt zu Prof. Bence           Hannover und drei weitere schafften es
     ersetzt das Bewerbungsgespräch, das          Bogányi, besuchte ihn in Hannover,           in die zweite Runde. »Bis dahin haben
     suchende Orchester ist die Jury. »Ich        spielte ihm vor. »Er hat in mir etwas        wir hinter einem Vorhang gespielt,
     habe sehr viele Probespiele gemacht.         gesehen, was ich damals nicht sah, und       damit wirklich nur der Klang entschei-
     Im letzten Jahr vor Ende meines Studi-       er hat mir vertraut, als ich es selber       det. Für die Orchesterstellen wurde er
     ums sicherlich zehn in ganz Deutsch-         nicht konnte. Ich dachte wirklich, ich       dann weggenommen und vor mir saßen
     land. Wenn man klug ist, fängt man           schaffe das nicht, aber er hat mein mu-      sicherlich 80 Menschen.« Sind in Probe-
     früh damit an. Nicht, weil man schlech-      sikalisches Leben gerettet.« Tania García    spielen Soloinstrumente zu besetzen
     ter spielt als die Konkurrenz, sondern       Crespo machte die Aufnahmeprüfung            oder die Stelle des Konzertmeisters,
     wegen der vielen Faktoren, die da zu-        und begann im Oktober 2016 ihr Mas-          dann hört in Deutschland in der Regel
     sammenkommen.« Im Probespiel ent-            terstudium der Künstlerischen Ausbil-        das ganze Orchester zu. Beeindruckt
     scheiden wenige Minuten über Gehen           dung an der HMTMH. Als sie davon er-         habe sie das nur innerlich, nach außen
     und Weiterkommen, über Arbeitslosig-         zählt, strahlt sie wieder: »Ich habe viel    habe sie ruhig bleiben und ›den Kopf
     keit und Job. Der Druck ist immens, die      von Bence gelernt und viel von meinen        einschalten‹ können: »Ich bin langsam
     Situation kaum berechenbar. Worauf           Kommilitonen. In Spanien gab es sehr         reingekommen, habe mich vorbereitet

10
[SCHWERPUNKT]

und versucht, nicht anders zu wirken,        oder beim NDR. Ich bin ehrlich: Als Spa-    anderarbeitens erneut seine Empfehlung
als würde ich zu Hause spielen. Ganz         nierin sagte mir Recklinghausen nichts.     abgeben. Ein bestandenes Probejahr
ruhig und in meiner selbstgewählten          Aber ich bin sehr dankbar für diese         wäre gleichbedeutend mit einer Anstel-
Reihenfolge: Tschaikowskis 4. Sinfonie,      Stelle und auch hier gibt es viele, viele   lung auf Lebenszeit. Danach wäre das
Sheherazade, Die Verkaufte Braut und         gute Leute. Es ist ein Orchester, das für   neue Leben schon deutlich eingespiel-
Boléro.« Es war die Eintrittskarte zur fi-   jede Art von Publikum spielt, und da-       ter: »Die Soloklasse war immer mein
nalen dritten Runde.                         durch eine Stelle, bei der sehr viel mög-   Plan B. Ich wollte gerne mit Bence wei-
      Die Neue Philharmonie Westfalen        lich ist.« In ihren ersten drei Arbeits-    terarbeiten, doch das ist so weit weg
ist mit rund 130 Musikerinnen und            wochen spielte Tania García Crespo          von Hannover im Moment unmöglich.
Musikern das größte Landesorchester          Beethovens Neunte, ein amerikani-           Aber wenn ich das brauche, möchte ich
mit Probenzentrum in Recklinghausen.         sches Programm mit Gershwin, ein Sin-       nach meinem Probejahr darüber reden.
Kernaufgabe der ›NPW‹ sind Sinfonie-         foniekonzert mit Sprecher und ein Kon-      Der Kontakt bleibt in jedem Fall.« Ob
konzerte in Gelsenkirchen, Reckling-         zert mit Anna Netrebko in der Kölner        sie von sich aus noch einmal die Heraus-
hausen, dem Kreis Unna sowie in nord-        Philharmonie. »Da gab es viel Arbeit für    forderung eines neuen Orchesters su-
rhein-westfälischen Städten und Gemein-      die Holzbläser und ich habe mich echt       chen würde? Auch das will Tania García
den ohne eigenes Sinfonieorchester.          gefreut: Die klingen ›wow‹!«                Crespo später entscheiden. Dann ginge
Zugleich ist sie das Opernorchester des            Ob Recklinghausen auf Dauer ihre      sie erneut durch das Nadelöhr des Pro-
Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen.       musikalische Heimat wird, steht noch        bespiels, mit größerer Erfahrung, mit
»Als junges Mädchen hast du gedacht:         nicht fest. Ende Juli 2019 wird das         der Sicherheit einer Festanstellung im
Später will ich bei den Berliner Philhar-    Orchester nach zwölf Monaten des ge-        Rücken – und wahrscheinlich auch wie-
monikern spielen oder in München             genseitigen Kennenlernens und Mitein-       der mit Strawinski.                  SR

                                                                                                                                    11
[ STAN DPU N KT]

     an diesem haus ist    underbar
            viel in bewegung!
                                                                                   w
                             Hochschulratsmitglied Prof. Dr. Romy Fröhlich berichtet

     Wie sollte es auch anders sein mit 1.500     etwa einem Jahr verabschiedete Hoch-         Sache. Und ein letztes Beispiel für die
     Studierenden aus 57 Nationen? Schon          schulentwicklungsplan, an dem der            Beweglichkeit der HMTMH: In Zukunft
     allein diese Diversität sorgt für Schwung.   Hochschulrat mitgewirkt hat. Dieser          sollen Frauen in Spitzenpositionen und
     An der HMTMH war aber schon immer            Plan beeindruckt unter anderem auch          Gremien des Hauses besser repräsen-
     viel in Bewegung; auch 1986, als ich         durch das klare Bekenntnis der Hoch-         tiert sein. Der Hochschulrat ist davon
     hier wissenschaftliche Mitarbeiterin         schule zu ihrer gesellschaftlichen Mit-      natürlich nicht ausgenommen.
     wurde – am damaligen Ergänzungsstu-          verantwortung für die kontinuierliche              Jenseits spezifischer Modernisie-
     diengang Journalistik. Mein Entschluss       Weiterentwicklung von Kultur im regio-       rungsinitiativen sorgt an der HMTMH
     viele Jahre später, mich (nunmehr als        nalen, nationalen und internationalen        aber auch ein Anliegen für Bewegung:
     Professorin der LMU München) im Hoch-        Raum. Er belegt außerdem, dass das Haus      Die Lehr-, Ausbildungs- und Forschungs-
     schulrat der HMTMH ehrenamtlich zu           auch etablierte Pfade auf den Prüfstand      qualität soll durch noch mehr studien-
     engagieren, basiert auf meiner seiner-       stellt, um vor dem Hintergrund von Glo-      gangsübergreifende und interdiszipli-
     zeitigen Erfahrung, dass dieses Haus         balisierung, Medialisierung und Digita-      näre Kooperationsprojekte weiter ver-
     eine sehr bewegliche Institution ist. Ein    lisierung zukunftsfähig zu bleiben.          bessert werden. Gerade hierfür wird
     Hochschulrat, so meine Erwartung, kann              Die Bereitschaft, den ständigen       allen Beteiligten – im Übrigen auch den
     hier zusammen mit den verantwort-            Wandel des Kulturlebens zu analysieren,      Studierenden – viel Flexibilität, Offen-
     lichen Entscheiderinnen und Entschei-        um so die Studierenden immer bestens         heit und Anpassung abverlangt. Das ist
     dern wirklich was bewegen. Diese Erwar-      auf die jeweiligen Veränderungen des         nicht selbstverständlich in einem Um-
     tung hat sich erfüllt. Seit 2009 erlebe      Berufslebens vorzubereiten, ist ein weite-   feld, in dem fachspezifische Profilie-
     ich es als Privileg, die herausragende       res Indiz der hohen Veränderungs- und        rung wichtig ist. Als Hochschulratsmit-
     Exzellenz, die enorme Kreativität und        Anpassungsfähigkeit der Hochschule.          glied mit Einblick in die komplexen
     die immer wieder belegte Innovations-        Solche Analysen kosten ihre Mitglieder       Abstimmungs- und Arbeitsprozesse hin-
     kraft dieses Hauses aus einer neuen          viel Zeit und Expertise und finden über-     ter diesen übergreifenden Kooperatio-
     Warte heraus erfahren und zusammen           wiegend auf der für Außenstehende nicht      nen kann ich nur sagen: Es bewegt
     mit anderen Expertinnen und Experten         einsehbaren ›Hinterbühne‹ des Schaffens       mich sehr zu erleben, wie viel Engage-
     im Hochschulrat mitgestalten zu dürfen.      statt. Als nichtkünstlerisches Hochschul-    ment (jenseits des üblicherweise Er-
           Die Beweglichkeit der HMTMH            ratsmitglied bin ich hier häufig Ler-        wartbaren!) die Mitglieder der HMTMH
     speist sich aus ihrer enormen Fähigkeit      nende, denn den Wandel des Kulturle-         hierfür aufbringen und wie die fachspe-
     zur Innovation und Kreation. Ihren Spit-     bens kenne ich bestenfalls aus der Sicht     zifische Strahlkraft für das große Ganze
     zenplatz unter den bundesdeutschen           einer Kulturrezipientin.                     auch immer wieder hintangestellt wird.
     Musikhochschulen verdankt sie nicht                 Stillstand ist Rückschritt. Was es    Da sich der Hochschulrat regelmäßig
     zuletzt auch dieser Fähigkeit. Sie spie-     an der HMTMH heißt, sich zu bewegen          auch mit den Finanzen der HMTMH be-
     gelt sich Jahr für Jahr wider in zahlrei-    und Neues zu wagen, zeigt beispiels-         schäftigt, kann ich aus unserer Warte
     chen Auszeichnungen. Auch die Mitglie-       weise der Plan, ein Forum einzurichten       außerdem versichern: Die Steuergelder,
     der des Hochschulrates können kaum           zur Entwicklung von individuellen, neu-      die hier in junge Menschen und ihre Ta-
     Schritt halten mit der Frequenz, in der      artigen Konzertideen und künstleri-          lente investiert werden, sind bestens
     Studierende, Alumni und Lehrende der         schen Experimenten. Ein anderes spezi-       angelegt. Dass die Hannoveraner um
     HMTMH renommierte nationale und              fisches Vorhaben der Modernisierung          das Juwel im Herzen ihrer Stadt wissen
     internationale Preise für ihre künstle-      besteht z. B. in der Absicht, die Studie-    und auch das zuständige Ministerium
     rischen und wissenschaftlichen Leistun-      renden zukünftig im Umgang mit               das Funkeln am Emmichplatz aner-
     gen erhalten.                                Neuen Medien, Website und Social             kennt, das ist für mein weiteres Engage-
           Das hohe Veränderungs- und An-         Media zu professionalisieren – für das       ment im Hochschulrat von zentraler
     passungspotenzial der HMTMH verdeut-         Eigenmarketing von Künstlerinnen und         Bedeutung.
     licht quasi schwarz auf weiß der vor         Künstlern eine wichtiger werdende

12
[SCHWERPUNKT]

                           mut zur
                                                           r      o h fa s s u n g

              Vier Studentinnen etablieren die Veranstaltungsreihe ›Raw and Nutritious‹

     Im Kulturpalast Linden findet seit An-     Dann sah sie im letzten Jahr ein Stück     spartenübergreifendes Projekt auf die
     fang 2018 regelmäßig das Veranstal-        am Ballhof, an dem auch Schauspielstu-     Bühne bringen möchten. Die Studieren-
     tungsformat ›Raw and Nutritious‹ statt.    dierende der HMTMH mitarbeiteten,          den freuen sich, über ›Raw and Nutri-
     Die Bühne ist nur ein wenig erhöht,        und das Thema kam wieder zur Spra-         tious‹ Kontakte für neue Projekte zu
     davor gibt es gemütliche Sitzplätze auf    che. In den nächsten Tagen ging Janna      knüpfen, und die Nachfrage nach Ter-
     Kissen, weiter hinten auch Stühle. Im      der Gedanke einfach nicht mehr aus         minen ist groß. »Bis Februar 2019 sind
     Schnitt kommen rund 70 bis 80 Zu-          dem Kopf. Immer konkreter setzten          wir schon ausgebucht«, so Janna. Die
     schauerinnen und Zuschauer jeden           sich ihre Vorstellungen für ein genre-     gemeinsamen Veranstaltungen verbin-
     vierten Mittwoch im Monat in den Kul-      übergreifendes Veranstaltungsformat        den, was im Alltag oft räumlich getrennt
     turpalast. Zu sehen und zu hören gibt      zusammen. Bei der nächsten Jazzses-        ist. Bei ›Raw and Nutritious‹ finden
     es Beiträge von Studierenden aus Schau-    sion besprach sie ihre Ideen mit Simone    Studierende aus dem Studienbereich
     spiel, Jazz, Klassik und Pop. Es geht um   Beer vom Kulturpalast Linden. Die          Schauspiel an der Expo Plaza und den
     publikumsnahe Beiträge, beliebt sind       zeigte sich begeistert und entsprechend    musischen Studienfächern am Emmich-
     Projekte, die noch besonders frisch        schnell stand der erste Termin fest: Am    platz und am Weidendamm produktiv
     sind und in einer interessanten Phase      20. Oktober 2017 ging ›Raw and Nutri-      zusammen.
     ihres Entstehens gezeigt werden. Seien     tious‹ an den Start.                             Und warum roh und nahrhaft? »Es
     es eigene Songs, die mal in kleiner              Das Organisationsteam fand sich      musste irgendwas mit ›raw‹ sein, weil
     Besetzung, ganz intim präsentiert wer-     in Jannas Umfeld zusammen. Alle vier       wir nichts zeigen, was schon überall ge-
     den, oder die Eigenarbeit eines Schau-     Organisatorinnen fungieren als An-         spielt wird. Wir wollen eine Plattform
     spielers, die man sonst nur an der Expo    sprechpartnerinnen für Kommilitonin-       sein, die Musiker und Schauspieler an-
     Plaza zu sehen bekommen hätte. Beson-      nen und Kommilitonen aus dem jeweils       schubst, damit sie Dinge zeigen, die roh
     ders spannend aber wird es, wenn sich      eigenen Fachbereich; zusammen verfei-      und spontan sind, vielleicht in ihren
     die Studierenden zu Kooperationspro-       nern sie in ihren Teambesprechungen        Augen sogar noch unfertig. Und ›nahr-
     jekten unter den Studiengängen zusam-      Monat für Monat das Konzept ihrer          haft‹ deshalb, weil sehr deutlich wird,
     menfinden. Denn besonders hierfür          Veranstaltung. Anna Paula Muth steht       wie viel Potenzial und Sehenswertes
     soll ›Raw and Nutritious‹ eine Plattform   Schauspielstudierenden zur Seite, Janna    bereits oder vielleicht vor allem in die-
     sein: zum Sich-Finden und Sich-Präsen-     Berger unterstützt ihre Mitstudieren-      sem Stadium für das Publikum zu fin-
     tieren.                                    den aus dem Bereich Jazz, Cewil Sedaye-    den ist. Wir legen bei ›Raw and Nutri-
            Hauptinitiatorin des neuen Ver-     Vatan ist Ansprechpartnerin für Klassik-   tious‹ Augenmerk auf die Künstlerper-
     anstaltungsformats ist Jazzstudentin       Studierende und Lea Wessel bindet          sönlichkeiten und kreativen Prozesse«,
     Janna Berger. Sie wohnte in einer WG       Pop-Studierende ins Projekt ein. Inzwi-    sagt Janna. Die Herangehensweisen sind
     mit Schauspielstudierenden, und die        schen geht die Initiative meist direkt     ganz unterschiedlich.
     Idee, dass es ein disziplinübergreifen-    von interessierten Studierenden aus,             Die Feinplanung findet etwa zehn
     des Projekt von Schauspiel und Musik       die einen ›Raw and Nutritious‹-Abend       Tage vor dem eigentlichen Auftrittster-
     geben müsse, kam immer wieder auf.         erlebt haben und nun gerne ein eigenes     min statt. Der rote Faden, der sich durch

14
[SCHWERPUNKT]

die Veranstaltungen zieht, ist der Wech-     Projekte weitergedacht, Personenkon-                        Lea Wessel, Cewil Sedaye-
sel von Musik und Schauspiel. Ein Musik-     stellationen ändern sich. »Viele Klassik-                   Vatan, Janna Berger
Act dauert etwa 20 Minuten und geht in       studierende haben große Lust, nach                          und Anna Paula Muth (v. l.).
eine Schauspieleinlage über. Dabei           ihrem ersten Auftritt nochmal mit einem
bleibt jede Aufführung ganz individuell      weiteren Projekt zu uns zu kommen.          tungstermine sind soziale Netzwerke
und experimentell. Alles kann, nichts        Die ›Raw and Nutritious‹-Bühne ist für      wichtig. Auf Facebook gibt es nicht nur
muss, und perfekt sein, muss es schon        sie eine eher ungewöhnliche Erfahrung,      die Veranstaltungsinformationen, son-
gar nicht. »Unser eigentliches Ziel ist,     die als sehr bereichernd empfunden          dern die Interessierten bekommen
dass Kooperationsformate entstehen«,         wird«, sagt Cewil. Auch für Schauspiel-     auch mal einen Schnappschuss vom
sagt Janna. Die Studierenden finden sich     studierende ist ›Raw and Nutritious‹        Soundcheck oder den Mitschnitt eines
oft kurzfristig und spontan zusammen         eine besondere Möglichkeit, »weil die       Auftritts zu sehen. Die Nähe kommt gut
und entwickeln dann ein gemeinsames          im Stundenplan integrierten Eigenar-        an. Jede und jeder soll kommen können.
Konzept für ihren Auftritt. Manchmal         beiten nur intern gezeigt werden und        Gab es anfangs noch festgesetzte Preise,
gibt es ganz spontane Ideen wie einen        man sie so der Öffentlichkeit und in        zahlt das Publikum nun nach eigenem
Instrumententausch zwischen Sound-           einem anderen Kontext ausprobieren          Ermessen zwischen fünf und zwölf Euro.
check und Auftritt.                          kann«, beschreibt Anna, »›Raw and Nu-             Am 6. Juni 2018 wurden die vier
      »Im Vorfeld lernen sich die Interes-   tritious‹ ist ein öffentlicher und trotz-   Studentinnen für ihre Netzwerkarbeit
senten kennen und sehen, was die an-         dem geschützter Rahmen, der einen           mit dem Studentenwerkspreis ausge-
deren so machen. Sie bleiben in Kon-         motiviert, sich dafür richtig ins Zeug zu   zeichnet. Das Preisgeld in Höhe von
takt, es entstehen Verbindungen, aus         legen, und trotzdem Raum zum Expe-          1.500 Euro wollen sie reinvestieren. In
denen sich neue Projekte entwickeln          rimentieren gibt. Deswegen finde ich        was, darüber beratschlagen sie noch,
und dann kommen sie auf uns zu: ›Wir         es auch klasse, zum Improvisieren vor       aber sie halten uns bestimmt über
haben dieses neue fächerübergreifende        Publikum zu ermutigen.«                     www.facebook.com/RawAndNutritious/
Projekt, können wir das auf eurer Bühne            Nicht nur im Programm ist viel        auf dem Laufenden.                   SH
zeigen?‹«, erklärt Lea. Oft werden neue      Dynamik. Zur Bewerbung der Veranstal-

                                                                                                                                        15
[SCHWERPUNKT]

         n                                 otwendigkeit und tugend
        Im 25. Jahr seines Bestehens bereitet das Institut für musikpädagogische Forschung

                                            der HMTMH den Generationswechsel und die Etablierung

                                                           neuer Wissenschafts- und Forschungsfelder vor

     Im Herbst 1993 gründete die damalige                                       Grundlagenforschung und Anwendungs-                       sein Direktor Prof. Dr. Andreas Lehmann-
     Hochschule für Musik und Theater                                           bezug liegen seit jeher eng beieinander:                  Wermser. »Zum einen bewegen sich un-
     das Institut für musikpädagogische                                         Als man die Bläserklassen in den Schu-                    sere Themen häufig an der Schnitt-
     Forschung (ifmpf ) auf Initiative des                                      len eingerichtet hat, wurden Studie-                      stelle der aktuell stark geförderten
     Musikpädagogen Prof. Dr. Karl-Jürgen                                       rende frühzeitig darauf vorbereitet. Um                   Bereiche empirische Forschung und
     Kemmelmeyer, des Systematischen                                            dem Singen einen neuen Stellenwert zu                     kulturelle Bildung. Zum anderen emp-
     Musikwissenschaftlers und späteren                                         geben, trug das ifmpf 2004 das Konzept                    finde ich die Verwaltungsstrukturen an
     Präsidenten der Hochschule Prof. Dr.                                       der Chorklassen in vier Versuchsschu-                     der HMTMH als sehr schnell und unter-
     Klaus-Ernst Behne und des Sonderpäda-                                      len. Immer wieder mündeten diese Ini-                     stützend. In Summe ist das ein äußerst
     gogen Prof. Dr. Franz Amrhein. Von der                                     tiativen in groß angelegte Drittmittel-                   günstiger Nährboden.«
     Herausgabe verschiedener Buchreihen                                        projekte – sei es zur Stimmbildung                              Die neueste Einwerbung ist das
     über kulturpolitische Anregungen bis                                       (gefördert durch das Niedersächsische                     gemeinsam mit der Universität Bremen
     hin zu empirischen Studien über musi-                                      Ministerium für Wissenschaft und Kul-                     durchgeführte und mit 323.000 Euro
     kalische Bildung und Ausbildung hat                                        tur), zum Wert von Musik (›Play fair‹,                    von der Stiftung Mercator finanzierte
     das ifmpf seither überaus erfolgreich                                      Bundesverband Musikindustrie) oder                        Projekt ›Musik begleitet‹, das bis 2021
     vielfältigste Aktivitäten entwickelt. Im                                   zur Musikalisierung (›GanzOhr. Musik                      die musikalischen Praxen von Berufs-
     25. Jahr addiert sich noch ein weiteres                                    für Kinder‹, Carus-Verlag). Mit ›PosyMus                  schülerinnen, -schülern und Erstsemes-
     wichtiges Aufgabenfeld hinzu: Das ältes-                                   – Potenziale von Feedbacksystemen im                      tern untersuchen soll. Prof. Dr. Andreas
     te aller Institute für musikpädagogische                                   Musikunterricht‹ und ›Musicalytics –                      Lehmann-Wermser: »Wenn sich Akteure
     Forschung in Deutschland muss einen                                        Lernverhalten in teilstrukturierten digi-                 neu orientieren und auch darüber ent-
     tiefgreifenden Generationswechsel ge-                                      talen Lernräumen‹ (beide Bundesminis-                     scheiden müssen, welche musikalischen
     stalten. Die Weichen für eine nachhal-                                     terium für Bildung und Forschung)                         Aktivitäten sie weiterhin betreiben wol-
     tige Verjüngung und größere themati-                                       rückten digitale Bildung und Musik in                     len, ist interessant, ob und wenn ja in
     sche Breite sind schon gestellt.                                           den Fokus. Dass das ifmpf heute eines                     welcher Weise frühere musikalische
           Das ifmpf steht für interdiszipli-                                   der drittmittelstärksten Institute in                     Förderung beispielsweise in der Schule
     näre und integrative Forschungsarbeit                                      Deutschland und Kontinentaleuropa                         noch wirksam ist. Darüber ist bislang
     auf allen Feldern der Musikvermittlung.                                    ist, hat verschiedene Gründe, meint                       nichts bekannt.«
                                                                                                                                     en
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      2005                             2006                              2007             2008                            2009             2010             2011

16
[SCHWERPUNKT]

      Die Wissenschaftliche Kommission     hohe Prozentsatz an Studierenden, der            Eine zweite Personalie steht bereits
Niedersachsen hat dem ifmpf in seiner      der HMTMH den Vorzug gibt, beson-          kurz vor der Ausschreibung: Das Nieder-
Evaluation ›Lehrerbildung‹ eine heraus-    ders. Ein Bereich, in dem wir hingegen     sächsische Ministerium für Wissenschaft
ragende Position innerhalb der musik-      sicherlich noch wachsen könnten, ist die   und Kultur unterstützt im Rahmen des
pädagogischen Institute des Landes         Sonderpädagogik.« Ausgerechnet ein har-    Maria-Goeppert-Mayer-Programms die
bescheinigt. Aus der praktizierten Ver-    ter personeller Einschnitt verspricht      Einrichtung einer neuen Tenure-Track-
knüpfung von Forschung und Ausbil-         dafür nun die Rahmenbedingungen zu         Professur ›Musikdidaktik mit Schwer-
dung ziehen viele Studierende Nutzen       schaffen: An der HMTMH werden ab           punkt Genderforschung‹. Das Zwischen-
für ihre spätere Berufslaufbahn. »Wir      2020 drei Professuren im Bereich der       fazit von Prof. Franz Riemer fällt
sind inzwischen deutlich näher an den      Schulmusik rasch hintereinander neu        zufrieden und optimistisch aus: »In
Unterrichtswissenschaften dran als noch    zu besetzen sein. Ziel der Fachgruppe      Summe werden wird damit nicht nur
in früheren Jahren«, erläutert Andreas     Musikpädagogik ist es, im Zuge des         den Generationswechsel abfedern. Wir
Lehmann-Wermser. »Gute Beispiele sind      Generationswechsels – und gut 20 Jahre     verjüngen zugleich auch nachhaltig
Prof. Dr. Andrea Welte, die das Thema      nach der Emeritierung von Prof. Dr.        den Lehrkörper der Hochschule und
Multikulturalität und die Arbeit mit       Franz Amrhein – wieder eine wissen-        den Forschungskörper am Institut. Au-
Flüchtlingen in Sprachlernklassen auf-     schaftliche Professur im Bereich der       ßerdem etablieren wir neue Wissen-
gerufen hat, oder unser wissenschaftli-    Sonderpädagogik anzusiedeln.               schafts- und Forschungsfelder.«
cher Mitarbeiter Daniel Stemberg, der in         »Im Rahmen des Juniorprofessuren-          Abgeschlossen sind die Zukunfts-
seiner Dissertation danach fragt, welche   Programms des Bundesministeriums für       überlegungen indes noch nicht. Vielmehr
Kompetenzen Lehramtsstudierende in         Bildung und Forschung ist es gelungen,     sei das ifmpf aus aktuellem Anlass auf-
Inklusionsklassen brauchen. Gerade         eine Juniorprofessur im Bereich der        gefordert, sich im Hinblick auf die nächs-
hatten wir vier Monate lang eine Dok-      Musikpädagogik einzuwerben, die den        ten Jahre noch einmal kritisch die Frage
torandin aus Brasilien am Institut,        Arbeitsschwerpunkt Heterogenität und       nach der eigenen Identität zu stellen.
was wohl in einem Partnerschaftsab-        Inklusion haben wird«, freut sich Prof.    »Wir haben von der Konferenz der Lan-
kommen mit der Bundesuniversität des       Franz Riemer. Durch die Möglichkeit        desmusikräte den Auftrag für ein Bil-
Staates Rio Grande do Sul münden wird.     zur vorgezogenen Berufung kann die         dungsmonitoring im Bereich Musikunter-
Ich habe schon den Eindruck, dass un-      spätere Stelleninhaberin bzw. der spä-     richt in der Grundschule erhalten – und
sere Studierenden es sehr zu schätzen      tere Stelleninhaber den personellen        mit ›wir‹ meine ich keine Einzelperson,
wissen, dass topaktuelle Forschungsthe-    Übergang in den Jahren 2020 bis 2022       sondern das Institut. Es ist ein Novum,
men Einzug in ihre Seminare und ihren      bereits begleiten und mitgestalten. »Die   dass so ein Auftrag nicht ad personam
Studienalltag halten.«                     Sonderpädagogik ist ein Bereich, der       erteilt wurde, sondern an das ifmpf«, er-
      Die Studierendenzahlen entspre-      zunehmend an Bedeutung über den            klärt Prof. Dr. Lehmann-Wermser. »Inso-
chen sowohl im Fächerübergreifenden        gleichnamigen Studiengang hinaus ge-       fern befinden wir uns gerade in einer
Bachelorstudiengang mit Hauptfach          winnt. Deshalb gehen wir immer stär-       Art Findungsphase und fragen uns: Was
Musik (FüBa) als auch im Master Lehr-      ker dazu über, die Lehrveranstaltungen     forschen wir als Institut, wo wollen wir
amt an Gymnasien (MALG) den vorhan-        der Sonderpädagogen auch für den FüBa      hin? Was eint uns als Institut?« Eine Ge-
denen Kapazitäten. Franz Riemer, seit      zu öffnen und sogar für Studierende        meinsamkeit scheint schon gefunden:
1998 Professor für Musik und ihre Di-      der Künstlerisch-pädagogischen Ausbil-     »Wir stellen fest, dass eine doch sehr
daktik: »Wer bei uns einen Studienplatz    dung. Im Zuge von Ganztagsschulen und      heterogene Schar von Musikpädagogik-
für den FüBa angeboten bekommt, hat        Nachmittagsunterricht gibt es hier im      Professuren dazu relativ ähnliche Ideen
in der Regel auch an anderen Hochschu-     Berufsleben immer mehr Berührungs-         hat und sich gut verständigen kann.
len das Aufnahmeverfahren bestanden.       punkte – warum also nicht auch schon       Das ist nicht selbstverständlich, aber si-
Vor diesem Hintergrund freut uns der       im Studium?«                               cher eine ganz große Stärke.«          SR
                                                                                                                                            ht
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                                                                                         M

 2012             2013             2014              2015            2016              2017                  2018                      2019

                                                                                                                                                 17
e  h re n d o kto rw ü r d e f ü r
                p r o f. d r. h e r m a n n j. k a i s e r
                                                                                             innerhalb der Musikpädagogik schärfer
                                                                                             zu formulieren. Ähnlich grundlegend
                                                                                             sind seine Arbeiten zur wissenschafts-
                                                                                             theoretischen Verortung des Fachs. Die
                                                                                             Hochschule verlieh ihm deswegen »in
                                                                                             Anerkennung seiner herausragenden
                                                                                             wissenschaftlichen Leistung – insbeson-
                                                                                             dere seiner Arbeiten zum Begriff ›Musi-
                                                                                             kalische Erfahrung‹ – sowie seiner Fun-
                                                                                             dierung und theoretischen Verortung
                                                                                             einer wissenschaftlichen Musikpädago-
                                                                                             gik« den Dr. h.c.
                                                                                                   In einer Fachdidaktik, die überwie-
                                                                                             gend auf den deutschen Diskurs fixiert
     Am 12. Oktober 2018 hat die Hoch-           der Universität Münster berufen, es folg-   ist und in der wenige international
     schule für Musik, Theater und Medien        te der Ruf auf eine Professur für ›Erzie-   publiziert haben, ist Hermann J. Kaiser
     Hannover Prof. Dr. Hermann J. Kaiser        hungswissenschaft‹ an der Hochschule        eine Ausnahmeerscheinung: Seine Publi-
     die Ehrendoktorwürde verliehen. Nach        der Künste Berlin, dann auf eine Profes-    kationen wurden u. a. ins Englische und
     dem Komponisten Helmut Lachenmann           sur ›Musikpädagogik‹ an der Universi-       Portugiesische übersetzt und erzielten
     im Jahr 2001 und der Musikpsychologin       tät Münster, 1988 schließlich auf eine      besondere Wirkung in den skandinavi-
     Prof. Dr. Helga de la Motte-Haber im        Professur für ›Erziehungswissenschaft       schen Ländern. Aus dem von ihm gelei-
     Jahr 2015 ist Hermann J. Kaiser erst die    unter besonderer Berücksichtigung der       teten, fächerübergreifenden Kolloquium
     dritte Persönlichkeit, der diese Aus-       Musikpädagogik‹ an der Universität          an der Universität Hamburg sind eine
     zeichnung für herausragende wissen-         Hamburg.                                    Reihe von Inhabern von Musik- und
     schaftliche Leistungen zuteilwird. »Die           In seiner Laudation ehrte Prof. Dr.   Kunstdidaktik-Lehrstühlen hervorge-
     Engführung von Wissenschaft, Musik          Hans Bäßler Hermann J. Kaiser als einen     gangen; in Kolloquien in Hamburg und
     und Musikpädagogik in Kaisers Wir-          »Behutsamen, aber auch […] Wirkungs-        Salzburg bestehen seine Tätigkeiten als
     ken«, so Hochschulpräsidentin Prof.         mächtigsten des Faches Musikpädago-         ›akademischer Lehrer‹ bis heute fort.
     Dr. Susanne Rode-Breymann, »macht es        gik«, als einen, der »das Dialogische ge-   Prof. Dr. Heinz Geuen, Musikpädagoge
     mehr als sinnfällig, dass Hermann J.        radezu mustergültig beherrscht« und         und Rektor der Hochschule für Musik
     Kaiser ein Dr. h. c. gerade dieser künst-   der ein »andauerndes Misstrauen gegen-      und Tanz Köln, fasst in seinem Gutach-
     lerisch-pädagogisch-wissenschaftlichen      über dem Abgeschlossen, dem ›Schon-         ten zusammen, Kaiser sei »auch nach
     Hochschule verliehen wird.«                 immer-gewusst-Haben‹, gegenüber dem         Beendigung seiner offiziellen Lehrtätig-
           Hermann J. Kaiser studierte Kom-      Statischen, dem Selbstvertrauenden und      keit an der Universität Hamburg bis in
     position und Schulmusik in Köln sowie       dem Selbstverliebten« pflegt.               die Gegenwart hinein einer der bedeu-
     Philosophie, Germanistik und Pädago-              Hermann J. Kaiser verstand sich       tendsten und anerkanntesten Repräsen-
     gik in Bonn und Köln und war von 1957       früh als Vertreter einer Wissenschaft,      tanten einer wissenschaftlichen Musik-
     bis 1963 Meisterschüler B. A. Zimmer-       die sich im Kanon aller übrigen univer-     pädagogik.«
     manns. Es folgten drei Jahre als freier     sitären Fächer in der Art und Weise               Den Antrag auf Einleitung des Ver-
     Komponist in Schweden, dann der             ihres Denkens und Vorgehens zu bewei-       fahrens stellte das Institut für musik-
     Schuldienst an Gymnasien in Köln und        sen habe. Referenzpunkte dafür sah er       pädagogische Forschung, dem Kaiser
     Bonn, neben dem Kaiser in Philosophie       nicht allein in der Musikwissenschaft,      seit 20 Jahren in besonderer Weise ver-
     promovierte. Die enorme Weite seines        sondern in einem ganzen Fächer von          bunden ist. Schon früh wurde er auf
     Bildungsweges dokumentiert sich in          geistes- und sozialwissenschaftlichen       Initiative des damaligen Direktors Karl-
     seinen Professuren: 1972 wurde Kaiser       Disziplinen. Seine wissenschaftliche Be-    Jürgen Kemmelmeyer als externes Mit-
     auf eine Professur für ›Wissenschafts-      deutung lässt sich u. a. an seiner Fähig-   glied des ifmpf berufen und bringt sich
     theorie und Empirische Verfahren‹ an        keit festmachen, die begriffliche Basis     bis heute in dessen Arbeit ein.       SR

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