Vetmed - Vetmeduni Vienna
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vetmed Das Magazin der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der Gesellschaft der Freunde der Veterinärmedizinischen Universität Wien 1/2019 SCHWERPUNKT 10 Jahre Wolf Science Center AB SEITE 14 HISTORISCHE SPUREN AUS DER PRAXIS Jüdische Studierende der Stressforschung bei Jahre 1930–1947 im Porträt Wildtieren AB SEITE 10 AB SEITE 38
vetmed 1/2019 Editorial CA M PU S N EWS Foto © Michael Bernkopf/Vetmeduni Foto © Doris Kucera/Vetmeduni Vienna »06 Vienna Exzellenz fördern und Kurz notiert 04 sichtbar machen Die wichtigsten Neuigkeiten vom Campus der Vetmeduni Vienna Mit dem Jahr 2019 beginnt für die Vetmeduni Vienna die neue Leis- Die VetMediathek 06 tungsvereinbarungsperiode 2019 bis 2021, deren Konditionen letztes Multimediales Archiv Jahr ausverhandelt und unterzeichnet wurden. Mit den gestiegenen mit Zukunftsvision finanziellen Mitteln werden wir neue strategische Initiativen starten und die Exzellenzförderung weiter vorantreiben. VetRegioVetmedAustria 09 Vetmeduni Vienna startete neue Um exzellente Leistungen zu fördern und sichtbar zu machen, ver- Regionalisierungsinitiative anstaltet die Vetmeduni Vienna schon jetzt interne Poster- und Ide- enwettbewerbe und zeichnet besonders erfolgreiche ForscherInnen Buchpräsentation 10 in verschiedenen Kategorien mit Wissenschaftspreisen aus. Ich freue Jüdische Studierende und mich mit allen PreisträgerInnen und gratuliere auch den GewinnerIn- Absolventen der Wiener nen externer Preise und Würdigungen herzlich. Tierärztlichen Hochschule 1930–1947 Ein weiteres Beispiel für bereits etablierte, exzellente Wissenschaft bietet das Wolf Science Center (WSC), das im Jahr 2019 sein zehnjäh- Nachschau 13 riges Bestehen in Ernstbrunn feiert und im aktuellen VETMED Ma- Teaching Vets-Symposium gazin gewürdigt wird. Die Forschenden untersuchen am Wolf Science Center, wie sich Hunde durch die Domestikation in ihren sozialen und Foto © Rooobert Bayer/Wolf Science Center/Vetmeduni Vienna geistigen Fähigkeiten von ihren wilden Vorfahren, den Wölfen, un- terscheiden. Das WSC ist aufgrund der unermüdlichen Arbeit seiner engagierten MitarbeiterInnen zu einem Aushängeschild unserer Uni- versität geworden, denn es vereinigt erstklassige Wissenschaft mit der zielgruppengerechten Vermittlung von Forschungsergebnissen an ein breites Publikum. Ich kann den Besuch des WSC daher nur empfehlen! Mit den besten Wünschen für 2019! Petra Winter Rektorin » COVER Das Coverfoto zeigt die Wölfe Amarok und Kenai am Wolf Science Center (WSC) in Ernstbrunn. Dieses Gedruckt auf Recyclingpapier nach der Richtlinie des österreichischen Jahr feiert das WSC Umweltzeichens „Schadstoffarme Druckerzeugnisse“. Druckerei Janetschek GmbH UWNr. 637 sein zehnjähriges Bestehen. Foto © Rooobert Bayer/ Wolf Science Center/ ID-Nr. 1978911 Vetmeduni Vienna 2
vetmed 1/2019 INHALT STUD I E RE N FO R S CHEN AU S D ER PRA XIS Foto © Thomas Suchanek/ Foto © Daniel Rosengren Foto © WCS Mongolia Vetmeduni Vienna »32 »36 »38 Alumni Splitter 26 Parasiten im Hundekot 34 Ein Fall für(s) VETMED 38 Studie liefert überraschendes Stressforschung bei Wildtieren HVU-Kommentar 27 Ergebnis Akademische Feiern 28 Forschen und Publizieren 36 SERVICE Wintersemester 2018/2019 Aktuelle Forschungsergebnisse und Publikationen Nachschau 32 Bild der Ausgabe 35 That’s Vet – Die Campus-Show Buchtipps 42 Impressum 42 Termine 43 Rätselbild 43 SCHWE RP UN KT 10 Jahre Wolf Science Center (WSC) Wolfsforschung 14 Der Partnerschaft zwischen Mensch und Hund auf der Spur Im Gespräch 17 „Wir wollen Wölfe besser verstehen.“ Alltag am Wolf Science Center 20 Forschung und Arbeit mit Hunden und Wölfen Fundraising 24 Wolfspatenschaften am WSC 3
CAMPUS NEWS vetmed 1/2019 Kurz notiert WIR EN! IER TUL GRA Foto © Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna Eva Lewisch zum DIPLOMATE des European College of Aquatic Animal Health » Interuniversitäre Zusammenarbeit Im Bild v. l. n. r.: VR Christian Mathes (Vetmeduni Vienna), VR Michaela (Dipl.ECAAH) Fritz (MedUni Wien), Stiftungsrat Heinz Schweizer (Messerli Stiftung), Stiftungsrat Hans Hengartner (Messerli Stiftung), Rektor Heinz W. Engl (Universität Wien) und Rektorin Petra Winter (Vetmeduni Vienna). VERTRAGSUNTERZEICHNUNG Finanziell sicher in die Zukunft: Vertrags- verlängerung des Messerli Forschungsinstituts VERLÄNGERUNG. Um den Erfolg der Heinz W. Engl und der Rektorin der Vet- interdisziplinären Forschungseinheit meduni Vienna Petra Winter. Das Mes- Messerli Forschungsinstitut für Mensch- serli Forschungsinstitut wurde 2010 mit Fotos © Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna Tier-Beziehung weiterhin zu gewährleisten, der Unterstützung der Messerli Stiftung fand am 29. November 2018 die feierliche und in Kooperation mit der MedUni Wien Inga-Catalina Cruz Benedetti Vertragsverlängerung statt. Unterzeichnet und der Universität Wien gegründet. Die zum wurden der Vertrag und die erneute Leis- Federführung unterliegt der Vetmeduni DIPLOMATE tungsvereinbarung von den Stiftungsräten Vienna. Das Messerli Forschungsinstitut des European College of der Messerli Stiftung Heinz Schweizer und beschäftigt sich mit der Erforschung der Veterinary Anaesthesia and Hans Hengartner, der Vizerektorin der Mensch-Tier-Beziehung und den Bereichen Analgesia Medizinischen Universität Wien Michae- Kognition und Verhalten von Tieren, Kom- (Dipl.ECVAA) la Fritz, dem Rektor der Universität Wien parative Medizin und Ethik. EHRUNG Michael Hess erhält Ehrentitel EHRENTITEL. Michael Hess, geehrt. Der Titel wird von Uni- Leiter des Departments für Nutz- versitäten verliehen, um beson- tiere und öffentliches Veterinär- dere wissenschaftliche Unter- wesen, wurde am 28. September stützung durch eine externe 2018 mit dem Titel „Meritorious Forschungspersönlichkeit aus- to the Academic Community zuzeichnen. Michael Hess hat of the Faculty of Veterinary neben der Leitungsfunktion Medicine, Warsaw University of des Departments für Nutztiere Foto © Warsaw University Life Sciences“ ausgezeichnet. und öffentliches Veterinär- Hess wurde damit für seine wesen auch die Leitung der » Auszeichnung außerordentlichen Verdienste Klinischen Abteilung für Ge- Michael Hess wurde der Titel „Meritorious to the Academic Community of the Faculty of Veterinary Medicine, Warsaw im Bereich Geflügelmedizin flügelmedizin inne. University of Life Sciences“ verliehen. 4
vetmed 1/2019 CAMPUS NEWS » Würdigungspreis JAHRESRÜCKBLICK Gottfried Brem wurde mit dem begehrten Kardinal- Habilitationen an der Vetmeduni Vienna Innitzer-Würdigungspreis für die Kategorie Natur- wissenschaften/Medizin ausgezeichnet. Wir gratulieren allen PrivatdozentInnen der Vetmeduni Vienna zum erfolgreichen Ab- schluss ihrer Habilitation, durch die sie die Lehrbefugnis in ihrem Fach erreicht haben. Rohini Chopra-Dewasthaly Habilitationsschrift: „Mycoplasma agalactiae – Surface Antigenic Variation Foto © Vetmeduni Vienna and Molecular Pathogenesis“ (Institut für Mikrobiologie) Wilhelm Gerner Habilitationsschrift: „Differentiation of porcine alpha-beta T cells during ageing GRA WIR and infection“ PREIS TUL IERE (Institut für Immunologie) Gottfried Brem mit Kardinal-Innitzer- N ! Würdigungspreis ausgezeichnet Sarah Marshall-Pescini Habilitationsschrift: „The importance of socio-ecology in wolf-dog behavioral and WÜRDIGUNG. Bei der Vergabe der Kardi- Brem studierte Veterinärmedizin, Agrar- cognitive differences“ nal-Innitzer-Preise wurde Gottfried Brem wissenschaften und Betriebswirtschaft, (Messerli Forschungsinstitut) mit dem Würdigungspreis in der Kategorie promovierte in der Tierzucht und habili- Daniela Klein-Jöbstl Naturwissenschaften/Medizin ausgezeich- tierte für das Fach Tierzucht und Haustier- Habilitationsschrift: „Kälbermanagement net. Der Preis wird für außerordentliche Ver- genetik. Derzeit leitet er die Abteilung für und Kälbergesundheit in Milchvieh- dienste und Leistungen in der Wissenschaft Reproduktionsbiologie an der Vetmeduni betrieben – Schwerpunkt Durchfall beim vergeben. Die diesjährige Verleihung fand Vienna und das Ludwig Boltzmann Institut neugeborenen Kalb“ durch Kardinal Christoph Schönborn am für immuno-, zyto- und molekulargeneti- (Bestandsbetreuung Wiederkäuer) 17. November 2018 im Rahmen eines Fest- sche Forschung. Robert Kofler aktes im Wiener Erzbischöflichen Palais statt. Habilitationsschrift: „Evolutionary dynamics of transportable elements in Drosophila“ (Institut für Populationsgenetik) Alice Auersperg Habilitationsschrift: „Flexible Tool Use ANERKENNUNG and Manufacture in the Goffin's Cockatoo Renommierter Heribert-Konzett-Preis (Cacatua goffinana)“ für Andrea Hölbl-Kovacic (Messerli Forschungsinstitut) Peter Paulsen AUSZEICHNUNG. Für ihre herausra- Habilitationsschrift: „Hygiene Practices genden Leistungen in der Leukämiefor- » Leukämieforschung and Quality Characteristics of Meat in Less Andrea Hölbl-Kovacic wurde als erste Standardized Food Chains: The Case of schung wurde Andrea Hölbl-Kovacic vom Mitarbeiterin der Vetmeduni Vienna mit Institut für Pharmakologie und Toxi- Meat from Game“ Foto © Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna dem Heribert-Konzett-Preis ausgezeichnet. (Institut für Fleischhygiene) kologie mit dem Heribert-Konzett-Preis ausgezeichnet. Der Preis wird einmal von verschiedenen Leukämieformen Dagmar Schoder jährlich von der Österreichischen Phar- und deren Bekämpfung. Derzeit forscht Habilitationsschrift: „Neglected routes of makologischen Gesellschaft für hervor- die Preisträgerin an der Precision Phar- food contamination from stable to table on ragende Leistungen in experimenteller macology, die es sich zum Ziel gesetzt a national, international and global scale“ und klinischer Pharmakologie vergeben. hat, die effektivste Therapievariante, je (Institut für Milchhygiene) Die Forschungsarbeit von Hölbl-Kova- nach Ausprägung und Verlauf der Leu- cic beschäftigt sich mit der Entstehung kämieerkrankung, zu finden. Wir gratulieren sehr herzlich! 5
CAMPUS NEWS vetmed 1/2019 M U LT I M E D I A D AT E N B A N K D E R V E T M E D U N I V I E N N A Die VetMediathek: Multimediales Archiv mit Zukunftsvision Im Jahr 2003 entstand die Idee, 10.000 Dias aus einer Klinik des Tierspitals zu digitalisieren, zu beschlagworten und sie damit rund um die Uhr verfügbar zu machen. Aus dieser Vision entwickelte sich eine campusweite MULTIMEDIADATENBANK , die inzwischen mehr als 95.000 Bilder, Videos, Audio- und PDF-Dateien sicher archiviert und den MitarbeiterInnen der Vetmeduni Vienna zur Verfügung stellt. Im Interview mit VETMED berichtet Michael Bernkopf, Projektleiter der VetMediathek, über die Möglichkeiten und Chancen, die diese Mediensammlung bietet. » Einblick in die Bilderwelt der Vetmeduni Die VetMediathek ist das Multimediaarchiv der Vetmeduni Vienna: Verfügbarkeit, Bild- qualität, Daten und Rechtssicherheit sind die Credos dieser Datenbank, die aktuell 95.000 Assets umfasst. Fotos © Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna VETMED: In der VetMediathek veterinärmedizinischen Bilddokumenta- » Unsere Vision ist ein werden neben Fotos und Videos auch tion visionär und so kam das Projekt ins zentrales Medienarchiv für Audio- und PDF-Dateien archiviert, Rollen. die Veterinärmedizin und wie kam es zu dieser Multimedia- deren Geschichte.« datenbank? Wie war die Vorgehensweise dabei? MICHAEL BERNKOPF Michael Bernkopf: Als Pilotprojekt der Bernkopf: Die Dias wurden selektiert, nach heutigen VetMediathek kann der Aufbau einem definierten Workflow digitalisiert, des Archivs der Universitätsklinik für danach eine geeignete Software gesucht Wiederkäuer zwischen 2003 und 2007 ge- und auf dieser Basis ein clientbasiertes Ab wann waren die ersten sehen werden. Dort bestand ein Archiv aus System zur Archivierung der wissenschaft- Dateien verfügbar? der klinischen Praxis, das 10.000 Diaposi- lichen Medien geschaffen. Schritt für tive umfasst, welches der damalige Leiter Schritt wurden Datenfelder und Beschlag- Bernkopf: Der Projektstart für die Vet- der Klinik, Walter Baumgartner, digitali- wortungsmasken definiert, ein Thesaurus Mediathek in ihrer jetzigen Form, also siert und über den Computer verfügbar ha- generiert und schließlich die einzelnen der campusweiten Version, erfolgte im ben wollte. Diese Idee war im Bereich der Dateien, Assets genannt, archiviert. Jahr 2011. Nach weiteren zwei Jahren Ent- 6
vetmed 1/2019 CAMPUS NEWS » INFO VetMediathek – Fotos © Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna Timeline & Hardfacts » Clinical Assets Bilder und Videos aus dem klinischen Bereich (Internist Iwan Burgener, Erregerkultur mit Hemmstoffnachweis) dienen der Dokumentation und sind essenziell für hochqualitative Publikationen und Ausbildung. VETMEDIATHEK wicklungsarbeit, in der alle Strukturen, ein gen, importieren die Files, führen die Be- Multimediadatenbank der ausgeklügeltes Berechtigungssystem und schlagwortung durch und gewährleisten Vetmeduni Vienna die zugehörigen Webseiten implementiert die Verfügbarkeit. wurden, ging sie 2013 online. TECHNIK Digital Asset Management System (DAM), Welche spannenden Features gibt es? Hardware: Windows® Server (3), Welche Struktur steckt hinter Software: Fotoware® (customized) der Multimediadatenbank? Bernkopf: Unser primäres Anliegen ist das sichere, dauerhafte Archivieren aller UMFANG Bernkopf: Das Herz der VetMediathek Assets für Forschung, Lehre und andere mehr als 95.000 Bilder, Videos, Audio- und ist die zentrale Datenbank, auf die über Anwendungen wie Dokumentation, Öf- PDF-Dateien PC-Clients und drei Webseiten, Staff, fentlichkeitsarbeit, Webseiten, Broschüren TIMELINE Students und Public, rund um die Uhr oder das VETMED Magazin. Der schon zugegriffen werden kann. Dadurch ha- erwähnten Autonomie – Stichwort: Schutz 2003 ben wir getrennte Zugänge für Mitarbei- eigener Forschungsdaten der einzelnen Start des Pilotprojekts „Aufbau terInnen, Studierende und externe Use- Einrichtungen – kommt dabei eine große eines digitalen Bildarchivs an der Klinik für Wiederkäuer“ rInnen. Gemeinsam mit der autonomen Bedeutung zu. Die VetMediathek unter- Archiv-Verwaltung durch jede teilneh- stützt aber auch die Zusammenarbeit, 2011 mende Organisationseinheit bietet die denn alle UserInnen können auf drei Sha- Projektstart der campusweiten Multi- mediadatenbank „VetMediathek“ Datenbank ein hohes Maß an Sicherheit ring-Archive, die allen zur Verfügung ste- bei gleichzeitiger Flexibilität. Eine zent- hen, zugreifen und individuelle Alben an- 2013 rale Rolle kommt den jeweiligen Admins legen, die geteilt und gemeinsam genutzt Die VetMediathek geht mit insgesamt acht Archiven online (Universitätsklinik zu: Sie verwalten die Assets der Abteilun- werden können. Als sehr hilfreich werden für Wiederkäuer, Öffentlichkeitsarbeit, zahlreiche Exportformate empfunden: ver- Anästhesie, Parasitologie, Historisches schiedene Bildgrößen und Auflösungen, Archiv, Pathologie, Histologie, Bernkopf) die Markierung mittels Universitätslogo, 2018 eines schützenden Wasserzeichens oder Start der VetMediathek 2.0 mit Umzug mittels eines informativen Textblocks. Die auf die neuen Server (Fotoweb 8.0) Suche erfolgt wahlweise schnell und ein- 2019 fach nach Stichworten oder sehr detailliert Die VetMediathek verfügt über nach Kriterien wie Medientyp, Hoch- oder 22 Archive und insgesamt 95.000 Assets. Fotos © Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna Video Screenshot © Alexander Wijnants/Vetmeduni Vienna Querformat, Farbmodell, Dateiendung etc. Suchabfragen und deren Ergebnisse sind » www.vetmediathek.at außerdem als Projekte speicherbar und können als virtuelle, dynamisch befüllte Ordner angelegt werden. Wenn ich Daten und Fotos nutzen möchte, wie komme ich daran? Bernkopf: Alle MitarbeiterInnen haben » Videos sind die Medien der Zukunft. Die VetMediathek bietet ausreichend Platz » Einblicke über das Web Zugriff auf die genannten für große Originaldateien, ein integrierter ForscherInnen-Porträts (Populationsgenetiker Christian Videoplayer spielt sie ruckfrei ab. Sharing-Archive sowie auf das ihrer eigenen » Schlötterer) und Event-Fotos (Tag der offenen Tür) gewähren der Öffentlichkeit Einblick in unsere Arbeit. Klinik oder ihres Instituts. Abhängig 7
CAMPUS NEWS vetmed 1/2019 » High Quality Spielt auch die veterinärmedizinische Innovative Einrichtungen wie die Geschichte eine Rolle bei der allen zur Verfügung stehende Archivierung? Medienwerkstatt erlauben die Produktion hochwertiger Bild-, Video- und Audiodateien Bernkopf: Die Vetmeduni Vienna ist die (Chamäleon). zweitälteste veterinärmedizinische Uni- versität Europas. Dieser Historie ver- pflichtet würden wir auch gerne veteri- närmedizinisch interessanten Bildern aus Privatbesitz eine Heimat bieten. Zeitzeug- nisse, die sonst möglicherweise verloren Foto © Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna gingen, fänden so einen Speicherort, wo sie im Sinne der Dokumentation erhal- ten und abrufbar blieben. Auf diese Weise könnte so etwas wie ein Archiv der Veteri- närmedizin entstehen. Vor welchen Herausforderungen steht die VetMediathek? Bernkopf: Das Urheberrecht und speziell die Neuerungen durch die Datenschutz- » von den jeweiligen Rechten können sie machen und Synergien in der Forschung Grundverordnung (DSGVO) stellen uns ausgewählte Assets entweder direkt he- und Lehre zu nutzen. Ganz wichtig ist uns immer wieder vor neue Herausforderun- runterladen oder über das Shop-System dabei die Wahrung der AutorInnenrechte. gen. Ich denke, es ist ein Symptom un- via Einkaufswagenfunktion unter Angabe So ist bei jedem Bild der Autor oder die serer Zeit, dass Regelungen, die sich pri- des Verwendungszwecks bestellen. Den Autorin vermerkt und bei der Nutzung ist mär gegen den Missbrauch von Daten im Studierenden stehen ein Bild- und Video- die Quellenangabe verpflichtend. großen Stil durch internationale Medi- archiv sowie ein Archiv für PDF-Dateien enkonzerne richten, auch den Bildungs- mit Fallberichten zur Verfügung. Im Bild- Welche Vision gibt es bereich treffen. Aber auch diese Aufgabe archiv ist derzeit – auch aus Datenschutz- für die Datenbank? werden wir meistern. « gründen – nur die Ansicht möglich. Bernkopf: Zusätzlich zum Archivierungs- Was ist das Besondere an gedanken wollen wir ein Bewusstsein für Foto © Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna der VetMediathek? Medien und deren Wert für uns und unsere Gesellschaft schaffen. Qualitativ hochwer- Bernkopf: Die VetMediathek ist durch tige Assets untermauern die wissenschaft- ihre Inhalte auch eine Dokumentation der liche Arbeit und unterstützen unsere Pu- neueren Geschichte der Universität. Sie blikationen. Daher versuchen wir, durch enthält neben forschungsrelevanten Assets Initiativen in den Bereichen Fotografie viele Zeugnisse des universitären Lebens und Video, in der Bearbeitung (audio-)vi- und damit aller Menschen, die mit ihr ver- sueller Inhalte sowie beim Urheberrecht bunden sind. Ich persönlich schätze diesen auch Wissen in der Medienproduktion Aspekt und erfreue mich gerne an den zu vermitteln. Die Medienwerkstatt – ein etwas älteren Bildern, die in der VetMedi- Raum für Foto-, Film- und Audioproduk- MICHAEL BERNKOPF athek einen sicheren Aufbewahrungsort tionen – ist ebenso ein Beispiel dafür wie Michael Bernkopf ist promovierter gefunden haben. Wir wollen systematisch die Workshops, die die Abteilung E-Lear- Veterinärmediziner, arbeitete jedoch archivieren, um alle Inhalte auffindbar zu ning und Neue Medien anbietet. bereits parallel zu seinem Studium im Bereich Medien und Journalismus. Die Verknüpfung dieser beiden Berufsfelder brachte ihn zurück an die Vetmeduni » Historisch Vienna, wo ihn sein Weg über den Auf- Aufgabe und Vision bau der PR-Abteilung (1997–2003), die zugleich: die Archi- Klinik für Wiederkäuer (Dissertation 2007) vierung historischen und schließlich mit dem Projekt VetMedia- Bildmaterials (Unter- suchung eines Hundes thek über die IT-Services in die Abteilung ca.1930, Eröffnung E-Learning und neue Medien des Vize- des heutigen Campus rektorats für Lehre geführt hat. auf dem Donaufeld am 4. Oktober 1996). Reproduktion © Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna 8
vetmed 1/2019 CAMPUS NEWS VETREGIOVETMEDAUSTRIA Vetmeduni Vienna startete neue Regionalisierungsinitiative Mit gezielten Maßnahmen Foto © LPD Kärnten/Helge Bauer IN DEN BUNDESLÄNDERN will die Vetmeduni Vienna das Bewusstsein für die Bedeutung der Veterinärmedizin in der Gesellschaft fördern. Im vergangenen Februar wurde eine Zusammenarbeit mit dem Land Kärnten fixiert – um Synergien zu nutzen und die tierärztliche Versorgung zu sichern. D ie Vetmeduni Vienna bildet als einzige vet- erinärmedizinische Universität in Öster- » Kooperation Petra Winter unterzeichnet den Letter of Intent gemeinsam mit Peter Kaiser, Beate reich die zukünftigen Tierärz- Prettner und Otto Doblhoff-Dier. tinnen und Tierärzte aus, die im Sinne des One-Health-Ansatzes für die langfristig die flächendeckende tierme- Überregionale Kooperationen Aufrechterhaltung der flächendecken- dizinische Versorgung gewährleisten soll. der Vetmeduni Vienna den Gesundheit von Mensch und Tier Als Gründungsmitglied von VetNEST ist unentbehrlich sind. Aus diesem Allein- Kooperation der Vetmeduni Vienna die Vetmeduni Vienna seit 1993/1994 in stellungsmerkmal resultiert eine wichtige mit dem Bundesland Kärnten ein internationales Netzwerk eingebun- gesellschaftliche Verantwortung, der sich Im Rahmen der VetRegioVetmedAustria- den und kooperiert unter anderem mit die Vetmeduni Vienna unter anderem Initiative wurde am 20. Februar 2019 ein den Veterinärmedizinischen Fakultäten durch die im Jahr 2018 ins Leben gerufe- Letter of Intent (LOI) durch den Kärntner in Brünn, Budapest, Košice und Ljubljana. ne Regionalisierungsinitiative VetRegio- Landeshauptmann Peter Kaiser und Rek- Im Jahr 2018 wurde die internationale Zu- VetmedAustria stellt. Die im Rahmen der torin Petra Winter unterzeichnet. Damit sammenarbeit um das von der EU geförder- Initiative geplanten Maßnahmen in den wurde der Grundstein für eine intensive te, zweijährige Projekt „Pan-European soft verschiedenen Bundesländern sollen die Zusammenarbeit zwischen dem Land skills curriculum for undergraduate vete- Sicherung der tierärztlichen Versorgung Kärnten und der Vetmeduni Vienna gelegt. rinary education – SOFTVETS“ erweitert. in ländlichen Regionen unterstützen und Peter Kaiser zeigt sich in seiner Eigen- Ziel der Kooperation ist die Erweiterung außerdem die Wahrnehmung der Veteri- schaft als Bildungsreferent und -soziologe der tierärztlichen Ausbildung um soge- närmedizin als Gesundheitsberuf in der über die geplanten Kooperationen sehr nannte „life skills“: Unter der Federfüh- Gesellschaft stärken. „In Zeiten, in denen erfreut, da diese unter anderem auch Bil- rung der veterinärmedizinischen Fakultät viele Tierseuchen und die damit verbun- dungsinitiativen und damit wichtige Im- Zagreb soll ein veterinärmedizinisches denen Zoonosen aufgrund der medizini- pulse für die Region beinhalten werde. Als Muster-Curriculum ausgearbeitet werden, schen Fortschritte unter Kontrolle sind, erste konkrete Maßnahme ist die Förde- das die für den Beruf unerlässlichen kom- hat das Bewusstsein für die Wichtigkeit rung einer wissenschaftlichen Arbeit zu munikativen, unternehmerischen sowie der Veterinärmedizin in der breiten Be- einem für Kärnten relevanten Thema der digitalen Kompetenzen berücksichtigt. völkerung leider abgenommen“, so Rek- Veterinärmedizin geplant. Darüber hinaus Neben den Veterinärmedizinischen Fakul- torin Petra Winter. Ein erklärtes Ziel der soll mit der Initiative auch den regionsspe- täten der Universitäten von Zagreb und VetRegioVetmedAustria-Initiative ist da- zifischen veterinärmedizinischen Heraus- Laibach sind die Veterinärmedizinische her die Bewusstseinsbildung für die wich- forderungen im Dreiländereck Kärnten/ Universität Budapest, die Tierärztliche tige Rolle der Veterinärmedizin in der Österreich – Friaul/Italien – Gorenjska/ Hochschule Hannover (TiHo), die Vetmed- Gesellschaft, die eine Aufwertung des tier- Slowenien durch die angestrebte überregi- uni Vienna und die WU Wien am Projekt ärztlichen Berufs bewirken und dadurch onale Zusammenarbeit begegnet werden. beteiligt. « 9
CAMPUS NEWS vetmed 1/2019 WEGE – SPUREN – SCHICKSALE Mit Vergangenheit in die Zukunft Über jüdische Studierende und AbsolventInnen der Wiener Tierärztlichen Hochschule – seit 1975 Veterinärmedizinische Universität Wien genannt – war bislang wenig bekannt. Ein neues Buch holt diese Menschen und ihre Geschichten nun aus der Vergessenheit. Und stärkt damit das historische Bewusstsein an der Vetmeduni Vienna. Foto © Ernst Hammerschmid/Vetmeduni Vienna » Historische Spuren Die Kurzbiografien ins- gesamt 42 ehemaliger jüdischer Studierender wurden für das kürzlich erschienene Buch W erarbeitet. ilhelm Marbach studiert rasch verändert.“ Im Jahr 1914/15 betrug der fleißig. Überfleißig so- Anteil jüdischer Studierender an der heutigen gar, im Sommersemes- Vetmeduni Vienna noch 5,7 Prozent. Nur noch ter 1938. Der blonde, 0,3 Prozent waren im Sommersemester 1938 junge Mann legt mehr inskribiert. Im November 1938 wird Wilhelm Prüfungen ab als je zuvor. Er will sein Stu- Marbach als letzter jüdischer Studierender von dium abschließen, so schnell wie möglich. der Universität ausgeschlossen. » BUCHPRÄSENTATION Denn Wilhelm Marbach ist Jude. Der einzi- Die Buchpräsentation fand im vergange- ge, der im Frühjahr 1938 noch an der Wiener „Jüdische Studierende und Absolventen der nen November an der „Alten Vetmed“, Tierärztlichen Hochschule inskribiert ist. Wiener Tierärztlichen Hochschule 1930 – der jetzigen Universität für Musik und 1947: Wege – Spuren – Schicksale“, unter die- darstellende Kunst Wien, statt. Vier Jahre Seitenscheitel, ernster Blick, klare Gesichtszüge sem Titel liegt ein Teil der universitären lang arbeitete Autorin Lisa Rettl am – so ist der Wiener auf einem Foto zu sehen, das NS-Vergangenheit seit kurzem in Buchform Projekt, unterstützt von ihren KollegInnen Claudia Kuretsidis-Haider und bis 2016 ihn als 19-jährigen Studienanfänger der Vete- vor. In vierjähriger Forschungsarbeit hat sich von Johannes Laimighofer. Finanziert rinärmedizin zeigt. Als die Nazis in Österreich ein dreiköpfiges Team rund um die Zeithisto- wurde das Projekt aus Mitteln des FWF an die Macht kommen, ist er knapp 23 Jahre alt. rikerin Lisa Rettl der Aufarbeitung gewidmet, (Fonds zur Förderung der wissenschaft- „Anfangs hatte er noch die Hoffnung, dass er initiiert vom Rektorat aus Anlass des 250-Jah- lichen Forschung). zu Ende studieren kann“, erzählt Historikerin re-Jubiläums der Vetmeduni Vienna 2015. Im Lisa Rettl, „aber die NS-Gesetzgebung hat sich vergangenen November erfolgte die Buchprä- 10
vetmed 1/2019 CAMPUS NEWS » Jüdische Studierende sentation. „Je mehr wir über die Geschichte » Indem wir die Schicksale Auf dieser und der folgenden Seite stellen wir exemplarisch vier jüdische Studierende wissen und je besser wir die Geschehnisse an unserer ehemaligen jüdischen der Wiener Tierärztlichen Hochschule in der Veterinärmedizinischen Universität Wien Studierenden dokumentieren, Kurzbiografien vor. kennen, desto besser können wir ihrer Vergan- schließen wir eine Lücke der genheit gedenken und die Gegenwart für eine Erinnerung.« bessere Zukunft gestalten“, sagt Petra Winter, REKTORIN PETRA WINTER WILHELM Rektorin der Vetmeduni Vienna. Ursprüng- MARBACH lich angestoßen hatte das Buchprojekt ihre * 1915 in Wien Vorgängerin, Sonja Hammerschmid. Finan- † 1994 in Australien ziert wurde es durch den Wissenschaftsfonds lismus mit ihnen? Haben sie überlebt und wenn Kindheit/Jugend FWF. „Wir wollen das historische Bewusstsein ja, wie?“, so Rektorin Petra Winter. „Indem wir Wilhelm Marbach wuchs in gesicherten, an unserer Universität schärfen und fördern“, die Schicksale unserer ehemaligen jüdischen wenn auch bescheidenen Verhältnissen erklärt Rektorin Petra Winter. Studierenden dokumentieren, schließen wir im 2. Wiener Gemeindebezirk auf. eine Lücke der Erinnerung.“ Familie Viel mehr Archivmaterial als erwartet zweimal verheiratet „Es gibt fast keine Dokumente mehr aus der Der letzte jüdische Studierende des Jahres 1938, Studium an der NS-Zeit.“ Mit dieser Annahme startete das Wilhelm Marbach, hat überlebt. Nach seinem Tierärztlichen Hochschule Team in das Projekt. Umso größer war die erzwungenen Studienende flieht er 1939 nach Mit Sommersemester 1938 war er der Überraschung, als man sogar sehr viel in den Shanghai, arbeitet im chinesischen Bürger- einzige von drei jüdischen Studenten Archiven der Vetmeduni Vienna entdeckte, krieg als Militärtierarzt, muss schließlich er- des Wintersemesters 1937/38, der erzählt Lisa Rettl: „Die Rektoratsakten sind neut fliehen und erreicht 1950 Australien. Im noch an der Tierärztlichen Hochschule verblieben war. Zeitgleich mit Beginn fast vollständig erhalten, was uns viel über die Alter von 36 Jahren inskribiert er in Sydney der reichsweiten Novemberpogrome Hochschulgeschichte im Allgemeinen erzählt.“ erneut Veterinärmedizin und kann 1954 sein 1938 gegen die jüdische Bevölkerung Außerdem war die sogenannte „Studentenna- Studium abschließen. Zwanzig Jahre, nachdem des Deutschen Reiches erfolgte Mar- tionale“ eine wichtige Quelle, ein Verzeichnis, er es in Wien begonnen hat. » bachs endgültige Vertreibung von der das die Studierenden damals jedes Semester bei Hochschule. Foto © Historisches Archiv der Vetmeduni Vienna ihrer Inskription ausfüllen mussten. Leben im Exil Er floh nach China und baute sich dort Das kürzlich erschienene Buch holt sie aus der HERMINE ein berufliches Leben als Militärarzt von Vergessenheit: die jüdischen Studierenden der ALLGAYER Chiang Kai-shek auf. Nach der Macht- übernahme Mao Zedongs war er erneut Wiener Tierärztlichen Hochschule und ihre * 1917 in Wien † 1952 in Wien (Suizid) zur Flucht gezwungen und erreichte 1950 Schicksale. Name, Staatsangehörigkeit, Reli- Australien, wo er sein Studium der gion – schlichte Personendaten dienten den Veterinärmedizin abschloss und danach Religion Forschenden als Ausgangspunkt, um Antwor- römisch-katholisch; im Naziregime galt im Staatsdienst, im Department of Agriculture, arbeitete. ten auf Fragen zu finden, die bisher niemand sie als „Mischling 2. Grades“. gestellt hatte: „Wer waren die Menschen hinter Kindheit/Jugend diesen Namen? Was geschah im Nationalsozia- Ihre Mutter verstarb bei der Geburt. Studium an der Tierärztlichen Hochschule Sie inskribierte 1937 und engagierte sich im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt), wo ihr als „Mischling 2. Grades“ eine ordentliche Mitgliedschaft aber verwehrt blieb. Ob ihre Aktivitäten in der ANSt ihrer tatsächlichen politischen Orientierung entsprachen oder eher eine Schutzstrategie vor dem Hintergrund eines enormen Anpassungsdruckes Foto © Historisches Archiv der Vetmeduni Vienna Foto © Ernst Hammerschmid/Vetmeduni Vienna bedeuteten, bleibt offen. Mit 5. August 1939 entschied der Reichsminister des Inneren, Wilhelm Frick, dass „Mischlinge“ nicht mehr zur „Bestallung als Tierarzt oder eines öffentlichen Amtes im Gebiete des Deutschen Reiches“ berechtigt » Internationale seien. Hermine Allgayer wurde vom Archiv-Recherche Studium ausgeschlossen, konnte jedoch Für das Buchprojekt aufgrund des herrschenden Ärztemangels forschte das Team ihr Humanmedizinstudium abschließen. um Lisa Rettl auch in Rumänien, Kroatien und Polen. 11
CAMPUS NEWS vetmed 1/2019 » Verantwortung „Die Vetmeduni Vienna ist ein Ort des Lernens. Das gilt auch für die Erinnerungskultur“, betonte Rektorin Petra Winter, hier im Bild mit Moderatorin Judith Brandner, Sonja Hammerschmid VILKO und Claudia Kuretsidis-Haider (v. l. n. r.). GOSTL * 1911 in Kroatien † 1942 in Kroatien im Konzentrationslager Foto © Ernst Hammerschmid/Vetmeduni Vienna Kindheit/Jugend Seine Eltern waren Kaufleute mit einem kleinen Lebensmittelgeschäft. Studium an der Tierärztlichen Hochschule Er begann sein veterinärmedizinisches Studium 1930 in Zagreb und setzte es nach Unterbrechungen ab 1937 in Wien fort. Im März 1938 ging er von der Tierärztlichen Hochschule Wien ab, die Gründe sind nicht eindeutig fassbar. Er selbst nannte in einem Schreiben an das Rektorat „materielle Gründe“, die es » Insgesamt 42 Studierende finden sich mit ihren österreichischen Widerstandes, im Nachlass ei- ihm nicht erlaubt hätten, sein Studium zu beenden, allerdings deuten die im Biografien im vorliegenden Werk. Ausgangs- ner Wiener Rechtsanwaltskanzlei: „Dorthin hat Rektorat verbliebenen Dokumente auf punkt für die historische Forschung war stets das Wilhelm Marbach aus Australien Dokumente eine überhastete Flucht im Zuge der Foto © Historisches Archiv der Vetmeduni Vienna Archiv der Vetmeduni Vienna. „Dort haben wir geschickt, seinen Heimatschein und ein Matu- politischen Ereignisse rund um den den Bestand systematisch gesichtet, uns dann razeugnis.“ Auch in Rumänien, Kroatien und „Anschluss“ hin. weitergehantelt und viele, viele Puzzleteile aus Polen recherchierte das Forschungsteam: „Viele Verfolgung und Deportation allen möglichen Archiven zusammengetragen“, Studierende der Wiener Tierärztlichen Hoch- Vilko Gostl kehrte nach Zagreb zurück erzählt Lisa Rettl. Zu Wilhelm Marbach fand schule kamen aus den ehemaligen Kronländern und wurde im Juli 1942 gemeinsam mit seiner Mutter in das Konzentrationslager man etwa Akten im Dokumentationsarchiv des der Habsburgermonarchie.“ Jasenovac deportiert und von dort in das Frauen- und Jugendkonzentrations- Verfolgung am Unigelände lager Stara Gradiška überstellt, wo er Wie aber kann man sich die Situation jüdischer am 15. September 1942 starb. SIGMUND Studierender an der Wiener Tierärztlichen FLEISCHER Hochschule zu Zeiten des Nationalsozialismus * 1911 in der Bukowina genau vorstellen? Gab es, zusätzlich zu politi- † unbekannt schen Schikanen, direkte Verfolgung durch die „das gilt auch für die Erinnerungskultur.“ His- Kindheit/Jugend und an der Universität? Fest steht, dass jüdi- torisches Bewusstsein schaffen und sichtbar Sein Vater war von Beruf Fleischhauer in sche Studierende auch körperlich attackiert machen, darum soll es am Campus auch in Zu- Czernowitz. Sigmund Fleischer besuchte wurden, teils so sehr, dass sie den Campus nur kunft verstärkt gehen: Mitte 2019 erscheint ein dort ein Privatgymnasium. unter Polizeischutz verlassen konnten. Fest Folgebuch von Lisa Rettl unter dem Titel „Die Studium an der steht, dass der nationalsozialistische Studen- Wiener Tierärztliche Hochschule und der Na- Tierärztlichen Hochschule tenbund an der Hochschule ab 1931 die ab- tionalsozialismus“ mit weiteren Ergebnissen Sigmund Fleischer begann sein Studium solute Mehrheit hatte. „Auch die Professoren aus dem Forschungsprojekt. In einem nächsten an der Brünner Tierärztlichen Hochschule, und Assistenten waren in einem starken Maß Schritt soll ein Wettbewerb zur Gestaltung und wechselte nach dem zweiten Semester nach Wien, wo er als Staatsbürger des schon vor 1938 nazifiziert, und jüdisches Per- Errichtung eines Mahnmals am Unigelände Königreiches Rumänien immatrikulierte sonal wurde erst gar nicht beschäftigt“, so Lisa organisiert werden. Rektorin Petra Winter: „Es und sein Studium 1936 abschloss. Rettl. „Das lässt den Schluss zu, dass der An- soll ein bleibendes und symbolisches Erinne- Nach 1936 tisemitismus – auch analog dazu, was wir von rungszeichen entstehen. Dieses soll das Schick- Foto © Historisches Archiv der Vetmeduni Vienna Er kehrte zurück nach Czernowitz, das anderen österreichischen Universitäten wissen sal der Verfolgten und Vertriebenen an unserer nach wie vor ein Zentrum jüdischen – schon lange vor 1938 hoch war.“ Universität sichtbar machen und uns an unsere Lebens war. Den vorliegenden Quellen Verantwortung erinnern.“ « nach wurde er im Juli 1942 nach Trans- Viele der jüdischen Studierenden erlebten nistrien deportiert. Die Zahl der dort ums Leben gekommenen Opfer bewegt Verfolgung, manche Flucht und Deportation. » INFO sich zwischen 250.000 und 400.000 Einige Lebensgeschichten konnten die Histo- Am 24. September 2019 um 14:00 Uhr wird im Menschen. Von Sigmund Fleischer rikerInnen detailliert nachverfolgen, bei ande- Festsaal der Vetmeduni Vienna das zweite Buch verliert sich mit seiner Deportation die von Lisa Rettl aus dem Forschungsprojekt zur ren verliert sich die Spur. Mit dem vorliegenden Spur. Es gibt keine Hinweise, dass er zu universitären NS-Geschichte präsentiert: Buch soll all diesen Menschen ein Denkmal ge- „Die Wiener Tierärztliche Hochschule und der den Überlebenden gehörte. setzt werden: „Die Vetmeduni Vienna ist ein Nationalsozialismus“. Ort des Lernens“, sagt Rektorin Petra Winter, 12
vetmed 1/2019 CAMPUS NEWS ENTWICKLUNGEN IN DER HOCHSCHULDIDAKTIK Viertes Teaching Vets-Symposium an der Vetmeduni Vienna Bereits zum vierten Mal fand am 18. Oktober 2018 das Teaching Vets-Symposium statt. Mit dem Schwerpunkt „FACHLICH-KOLLEGIALER AUSTAUSCH“ zwischen Lehrenden und Studierenden ermöglichte das Symposium Lehrenden, praktizierenden Tierärz- tInnen, VizerektorInnen und weiteren Interessierten, sich über verschiedene Bereiche der Lehre und aktuelle Best-Practice-Beispiele zu informieren. Im Rahmen der Veranstaltung wurden zudem Preise in den Kategorien Teacher, Instructor und Student of the Year sowie der Vetucation® Award und der Studieren- denpreis der HochschülerInnenschaft vergeben. D Foto © Ernst Hammerschmid/Vetmeduni Vienna ie Fortbildungsreihe Teaching hungs- und Bildungswissenschaft der nen, die direkt in der Berufspraxis einge- Vets-Symposium rückt aktu- Universität Graz mit den Themen „Stu- setzt werden. Im Rahmen des Teaching elle Entwicklungen im uni- dierenden Raum geben“ (Harald Mieg) Vets-Symposiums wurden außerdem en- versitären Bildungsbereich und „Jahresrückblick zur Kollegialen gagierte Lehrende der Vetmeduni Vienna in den Fokus und bietet die Möglichkeit, Hospitation“ (Sandra Hummel). Miegs sowie ihre Strategien und Ideen vorge- besonders engagierte Lehrende vorzustel- Vortrag befasste sich insbesondere mit stellt und geehrt. Für die Kategorien Tea- len und auszuzeichnen. Schwerpunkt des der Weiterentwicklung von Lehrkompe- cher of the Year (TOY) und Vetucation® vierten Symposiums war der fachlich-kol- tenz, der Reflexion von Forschung sowie Award wurde direkt vor Ort abgestimmt. legiale Austausch. Die Keynote-Reden damit, Studierenden physisch, sozial und Zusätzlich wurden die Preise Instructor of übernahmen Harald Mieg, Professor an online Raum zu bieten. Hummel widme- the Year (IOY), Student of the Year (SOY) der Humboldt-Universität in Berlin, und te ihre Präsentation der wechselseitigen und der Studierendenpreis der HVU Sandra Hummel vom Institut für Erzie- Beobachtung und Beratung von KollegIn- (S.U.P.E.R.) vergeben. « » PREISTRÄGERINNEN UND PREISTRÄGER IN DEN EINZELNEN KATEGORIEN VETUCATION ® AWARD 2018 unserer Studierenden als sogenannte Instruk- S.U.P.E.R. — STUDIERENDENPREIS, UM Mit dem Vetucation® Award wurden ein torInnen ergänzen, prämiert. Erstmals wurden PHÄNOMENALES ENGAGEMENT bestehender sowie ein entstehender die TOY-Preise nicht in TOY senior und TOY ZU RÜHMEN E-Learning-Kurs prämiert: junior unterteilt, sondern in TOY Klinisch und Mit einem eigenen Preis ehrt die Hochschü- TOY Nicht-klinisch. lerInnenvertretung der Vetmeduni Vienna Bestehende E-Learning-Projekte (HVU) in drei Kategorien jene MitarbeiterIn- Masoud Aghapour (Klinische Abteilung für Teacher of the Year Klinisch (TOY Klinisch) nen aus dem Lehrkörper, die sich besonders Kleintiere) Attilio Rocchi (Klinische Abteilung für Anäs- um die Anliegen und Fortschritte der an- E-Learning-Projekte im Entstehen thesiologie und perioperative Intensivmedizin) gehenden AbsolventInnen der Einrichtung Christian Knecht (Universitätsklinik für Teacher of the Year Nicht-klinisch im Laufe des Jahres bemüht haben. Schweine) (TOY Nicht-klinisch) Simone Gabner (Institut für Pathologie und Lehrende der Kliniken TEACHER | INSTRUCTOR | STUDENT gerichtliche Veterinärmedizin) Johannes Khol OF THE YEAR 2017 Instructor of the Year (IOY) (Klinische Abteilung für Wiederkäuermedizin) Mit den von der Kulturabteilung der Stadt Manfred Hochleithner (Tierklinik Strebersdorf Lehrende der Vorklinik Wien, Magistratsabteilung 7, finanzierten Hochleithner GmbH) Kirsti Witter Auszeichnungen wurden Studierende und Student of the Year (SOY) (Institut für Topographische Anatomie) Lehrende der Vetmeduni Vienna sowie Veterinärmedizin (Diplomstudium): Allgemeines Personal praktizierende TierärztInnen, die im Rahmen Melitta Maria Neurauter und Nadine Wolf Natascha Emerich des verpflichtenden Praktikums die Berufs- Biomedizin und Biotechnologie (Bachelor): (Sekretariat HVU) vorbildung und wissenschaftliche Ausbildung Victoria Weilch 13
SCHWERPUNKT vetmed 1/2019 KENAI AMAROK WAMBLEE GERONIMO TAIMA TEKOA YUKON SHIMA ARAGON WÖLFE KASPAR TALA ETU MAIKAN UNA CHITTO NANUK ASALI BORA HUNDE IMARA HIARA ENZI LAYLA MERU PANYA ZURI HAIDA GOMBO 14
vetmed 1/2019 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT Wolfsforschung: Der Partnerschaft zwischen Mensch und Hund auf der Spur Etwa 40 Kilometer nördlich von Wien ist das WOLF SCIENCE CENTER (WSC) im Wildpark Ernstbrunn angesiedelt. In dieser weltweit einzigartigen Forschungseinrichtung erkunden Forschende, was die sozialen Wesen Mensch, Wolf und Hund verbindet, was sie trennt und wie es zur besonderen Partnerschaft zwischen Hund und Mensch kam. D rei Forschende, vier Wölfe und ein ehe- wir etwas Komfort und auch zukünftige Forschungs- maliger Ziegenstall ohne Warmwasser. projekte schienen gesichert.“ In den Ernstbrunner Wild- Was sich wie der Beginn eines Abenteu- park ist das Forschungszentrum seit 2010 integriert, am erromans liest, ist die Geburtsstunde des 21. Oktober desselben Jahres erfolgte die offizielle Eröff- Wolf Science Centers (WSC). Sieht man nung durch Landesrätin Petra Bohuslav. Durch Wolfs- heute die Infrastruktur des Wolfsforschungszentrums, patenschaften, private Spenden, ein Besuchsprogramm ist es schwer vorstellbar, dass für Friederike Range, Zsó- und Drittmittelprojekte lukrierten die Forschenden fia Virányi und Kurt Kotrschal zu Beginn die Zukunft Gelder, die dem Ausbau des Forschungszentrums suk- Alle Fotos © Rooobert Bayer/Wolf Science Center/Vetmeduni Vienna; Grafik © Matthias Moser und die Rahmenbedingungen dieses Forschungsprojekts zessive zugutekamen. Vor zwei Jahren wurde das WSC unsicher waren. Zu dritt gründeten die Forschenden das schließlich in die Vetmeduni Vienna eingegliedert, um Wolf Science Center als einen Verein im Jahr 2008. „Zu die Zukunft abzusichern. diesem Zeitpunkt hatten wir zwar konkrete Forschungs- ziele, aber weder Geld noch Wölfe“, erklärt Friederike Faszination Wolf und Hund Range, Projektmitinitiatorin und heutige Leiterin des Durch die vom Winter noch kahlen Bäume fallen Son- WSC. „Förderungen sind oft an die Erfahrung im jeweili- nenstrahlen auf den blätterbedeckten Waldboden des gen Forschungsgebiet geknüpft. Für uns ein Teufelskreis, Wolfsforschungszentrums. Am oberen Ende des Hügels denn ohne Geld keine Wölfe, ohne Wölfe keine Förder- hat ein Wolf den Besuch entdeckt und macht sich durch gelder. Schließlich hatten wir jedoch eine Zusage für ein ein Heulen bemerkbar, zwei weitere Wölfe fallen mit ein, » Zusammenleben Gehege in Grünau im Almtal und mit Zsófia Virányi eine während aus der Ferne Hundegebell ertönt. Auf 20.000 16 Wölfe und erfahrene Wolfsaufzieherin mit an Bord.“ Quadratmeter Fläche leben und arbeiten hier Tiere und 11 Hunde leben in kleinen Rudeln am Forschende, um die Partnerschaft zwischen Wölfen, Hun- Wolf Science Center. Im Juni 2009 zog das WSC von Grünau nach Ernstbrunn, den und Menschen zu ergründen. Vor allem die Gemein- Bei wissenschaft- lichen Tests wird das etwa 40 Kilometer von Wien entfernt liegt. Dort stell- samkeiten zwischen diesen drei sozialen Wesen stehen unter anderem die Kooperation der te Heinrich XIV. Reuss den Forschenden ein ehemaliges dabei im Fokus. Die Forschungsergebnisse des WSC kom- Tiere untereinander Dienstbotenhaus und den Küchengarten des Schlosses men in der Praxis unter anderem der optimalen Haltung erforscht. mit der alten Orangerie zur Verfügung. „Das war für uns von Hunden zugute. Mit den insgesamt 27 Wölfen und Männchen von der Infrastruktur her ein wahnsinniger Fortschritt“, Hunden, die in verschiedenen kleinen Rudeln von bis Weibchen erinnert sich Range lachend zurück. „Erstmals hatten zu vier Tieren leben, wird partnerschaftlich zusammen- » 15
SCHWERPUNKT vetmed 1/2019 » Fotos © Rooobert Bayer/Wolf Science Center/Vetmeduni Vienna gearbeitet. Für die Forschungen stehen ein Arbeitsgebäu- klar, worin genau der Unterschied zwischen Hund und de und zwei Testgehege bereit. Mittels eines Einwegspie- Wolf liegt und wie der Hund zum engsten Begleiter des gels, der nur von einer Seite durchsichtig ist, bekommen Menschen wurde. Fakt ist, dass der Wolf auch mit dem auch BesucherInnen des Wildparks einen Einblick in die Menschen einiges gemeinsam hat. Denn sowohl Wölfe Arbeit der VerhaltensforscherInnen. Um einen fairen als auch Menschen kooperieren gut innerhalb ihrer Kla- und objektiven Vergleich zu ermöglichen, werden Wöl- ne: auf der Jagd, bei der Fürsorge für ihren Nachwuchs, fe und Hunde gleichartig aufgezogen und gehalten. „Die aber auch in teils blutigen Konkurrenzkämpfen mit den Tiere sind ab dem Welpenalter daran gewöhnt, mit uns NachbarInnen. » Weiterentwicklung des Forschungszentrums Zum zehnjährigen Bestehen des Ob Tiertraining, Administration, Forschung oder sogar Wolfsforschungszentrums wünsche Fotografie: Heute arbeiten am Wolf Science Center mehr ich alles Gute, weiterhin viel Erfolg und als 40 Personen in den verschiedensten Rollen und ermög- dass wir Menschen den Tieren immer lichen so vielfältige Forschung. Für die rund 3.200 Ein- » Charakterfrage mit Respekt begegnen.« wohnerInnen umfassende Marktgemeinde Ernstbrunn Wölfe sind aufmerksam, tolerant, kooperativ – und ist das WSC von großer Bedeutung. Forschende, Studie- manchmal auch verspielt. rende und PraktikantInnen aus aller Welt unterstützen HORST GANGL Bürgermeister der Marktgemeinde Ernstbrunn die Forschungstätigkeit und tragen so zu einer regiona- len Wertschöpfung bei: „Das Wolfsforschungszentrum hat sich mit seinem vielfältigen Besuchsprogramm auch zu kooperieren“, sagt Friederike Range. „Die Trainings- als Tourismusattraktion innerhalb der Marktgemeinde und Testsituationen fördern ihre vertrauensvolle Bezie- Ernstbrunn etabliert“, sagt Bürgermeister Horst Gangl. hung zu uns und halten sie mental und körperlich fit, „Viele Gäste kommen von weit her, um die Wölfe in der während wir Einblicke in ihre geistige Welt bekommen.“ Region ‚Leiser Berge‘ hautnah zu erleben oder sich für ganz spezielle Programme anzumelden. Als Bürgermeis- Kognitive und kooperative Fähigkeiten ter bin ich sehr stolz auf das Wolf Science Center im Wild- Konkret wird auf diese Weise erforscht, wie sich Hunde park Ernstbrunn und gratuliere den GründerInnen Kurt durch die Domestikation in den sozialen und geistigen Kotrschal, Friederike Range und Zsófia Virányi zu ihrem Fähigkeiten von ihren nächsten Verwandten – den Wöl- großartigen Erfolg.“ Auch Heinrich XIV. Reuss sieht viele fen – unterscheiden. „Hunde gewöhnen sich schnell an positive Aspekte des Forschungsprojekts und hebt die Be- den Menschen. Wölfe wiederum vertrauen meist nicht reicherung durch die Synergien zwischen Wildpark und jedem, haben aber insbesondere zu ihren Handaufziehe- WSC hervor: „Als Partner des Wolfsforschungszentrums rInnen eine Vertrauensbeziehung“, so Range. „Dadurch schaue ich zufrieden auf zehn Jahre fruchtbare Zusam- sind diese Menschen wichtige KooperationspartnerInnen menarbeit zurück, die aus meiner Sicht beinahe so ver- » Wolf Science Center in schwierigen Situationen und können auch medizini- traulich ist wie unter Freunden. Für unseren Wildpark Aus drei Forschenden sche Untersuchungen vorab mit den Tieren trainieren.“ hat die Kooperation einen enormen Innovationsschub » und vier Wölfen wurden 27 Wölfe und Hunde und Trotz einer Reihe bereits abgeschlossener Studien bleibt über 40 MitarbeiterInnen, die Hunde- und Wolfsforschung ein höchst relevantes die gemeinsam am Wolfs- forschungszentrum in Ernst- und spannendes Forschungsgebiet. Es ist noch immer un- Ich freue mich auf weitere brunn leben und arbeiten. gemeinsame Jahrzehnte von WSC, unserer Familie und dem Wildparkteam.« Foto © Rooobert Bayer/Wolf Science Center/Vetmeduni Vienna HEINRICH XIV. REUSS Betreiber des Wildparks Ernstbrunn ausgelöst, der noch immer anhält. Ich freue mich auf wei- tere gemeinsame Jahrzehnte von WSC, unserer Familie Foto Gangl © Privat; Foto Reuss © Privat und dem Wildparkteam.“ Im April 2019 feiert das Wolf Science Center sein zehnjähriges Bestehen mit einem Festakt. Wissenschaftliche Vorträge, Interviews mit den GründerInnen und eine Live-Präsentation der Arbeit mit den Wölfen geben Einblicke in die Forschung. Denn auch weiterhin bleiben die Forschenden des WSC den Fragen zur Domestikation des Wolfes auf der Spur und teilen ih- re Erkenntnisse mit der Öffentlichkeit. « 16
vetmed 1/2019 SCHWERPUNKT Foto © Rooobert Bayer/Wolf Science Center/Vetmeduni Vienna » Interaktion Wolfsforscherin Friederike Range und Wolf Chitto haben eine besondere Vertrauens- beziehung zueinander, die die Kooperation in wissenschaftlichen Tests ermöglicht. Verstärkung. Dies ist wichtig für den späteren Umgang und das tägliche Training. Nach vier bis fünf Monaten werden die Welpen schließlich in ein Rudel mit erwach- senen Tieren derselben Art eingegliedert. Um einen Vergleich mit Hunden zu ermöglichen, verläuft die Sozi- alisierung bei unseren Hundewelpen auf dieselbe Weise. Welche Besonderheiten gibt es dabei? Range: Die Welpen werden als sogenannte Peergroups aufgezogen. Dabei nehmen wir zwei Welpen pro Wurf, jeweils ein Männchen und ein Weibchen, und zie- hen sie dann in einer Gruppe von mehreren Wel- pen im selben Alter per Hand auf. Wichtig ist uns, dass wir Menschen zwar soziale PartnerInnen, aber IM GESPRÄCH keine Rudelmitglieder sind. Das heißt, wir sind nicht » Wir wollen Wölfe Teil der Gruppe, sondern KooperationspartnerInnen. Das Training und auch wissenschaftliche Studien sind Teil der Interaktion und finden für die Tiere auf freiwil- besser verstehen « liger Basis statt. Die Freude an der Arbeit mit uns baut wiederum ein Vertrauen seitens der Tiere auf und führt dazu, dass sie auch bei den Studien begeistert mitma- Wann und warum kooperieren Wölfe und weshalb versöhnen chen. Wenn jedoch ein Test begonnen wurde, sind wir sich Hunde untereinander seltener als Wölfe? Am Wolf Science konsequent. Da kann es schon einmal passieren, dass der Center in Ernstbrunn gehen Forschende den entscheidenden Wolf und wir bis in die Nacht brauchen, um den Test zu beenden (lacht). Fragen nach dem Unterschied zwischen Wolf und Hund auf den Grund, um die Domestikation des Hundes besser zu Wann beginnen die Tiere mit ihrer Rolle in verstehen. FRIEDERIKE RANGE , Leiterin des Domestikations der Kognitionsforschung? Labs und assoziierte Professorin an der Vetmeduni Vienna, erzählt im Gespräch mit VETMED von der Forschung am Range: Im Alter von drei bis vier Wochen können die Welpen an den ersten Tests teilnehmen. Forschungsfra- weltweit einzigartigen Wolfsforschungszentrum. gestellungen sind dabei für uns etwa: Wie nehmen sie die Umgebung oder neue Objekte wahr? Sind sie aufmerk- VETMED: Am WSC leben 16 Wölfe und 11 Hunde. sam? Was ist bekannt oder unbekannt? Oder: Wie reagie- Wie werden die Tiere aufgezogen und sozialisiert, ren die Welpen jeweils? Der Vorteil an der Handaufzucht sodass die Forschung möglich ist? und unserer Haltung der Wölfe und Hunde am WSC unter gleichen Bedingungen liegt darin, dass wir genau Friederike Range: Wölfe haben ein sehr kurzes „Sozia- wissen, womit die Tiere Erfahrung haben, und so einen lisierungsfenster“. Sobald sie die Augen öffnen, meist in Vergleich zwischen Hund und Wolf ziehen können. » einem Alter von etwa zehn bis zwölf Tagen, beginnt bei uns am WSC die Sozialisierung mit Menschen. Ab dann werden die Welpen 24 Stunden am Tag betreut, das heißt, jemand schläft auch bei den Tieren. Das ist absolut not- wendig, um ihnen die Angst vor dem Menschen zu neh- men. Und hier entstehen oft ganz besondere Beziehungen zwischen den Tieren und den HandaufzieherInnen. » Kooperations- partner Wie der Hund zum Wie geht es danach weiter? engsten Begleiter des Menschen wurde, ist eine zentrale Range: Nach etwa drei bis vier Wochen lernen die Tiere Forschungsfrage am Kommandos wie „Sitz“ oder „Platz“ anhand von positiver WSC. Foto © Rooobert Bayer/Wolf Science Center/ Vetmeduni Vienna 17
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