QUALITÄTSSTANDARDS IN DER ERLEBNISPÄDAGOGIK - Handlungsempfehlungen für die Planung und Durchführung von erlebnispädagogischen Maßnahmen in der ...

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QUALITÄTSSTANDARDS IN DER ERLEBNISPÄDAGOGIK - Handlungsempfehlungen für die Planung und Durchführung von erlebnispädagogischen Maßnahmen in der ...
QUALITÄTSSTANDARDS
IN DER ERLEBNISPÄDAGOGIK
Handlungsempfehlungen für die Planung und Durchführung
von erlebnispädagogischen Maßnahmen in der Jugendarbeit

nach § 85 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII
                                                          Empfehlungen
QUALITÄTSSTANDARDS
IN DER ERLEBNISPÄDAGOGIK
Handlungsempfehlungen für die Planung und Durchführung
von erlebnispädagogischen Maßnahmen in der Jugendarbeit

nach § 85 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII
4         _ Inhalt

1 Vorwort und Zielsetzung _ 7

2 Benutzerhinweise und Zielgruppe _ 8

3 Begriffsbestimmung _ 10
    3.1     Was ist Erlebnispädagogik? _ 10
    3.2     Die drei Säulen der Erlebnispädagogik: Pädagogik, Sicherheit und Ökologie _ 14

4 Wirksamkeit und Risiken von
  erlebnispädagogischen Maßnahmen _ 15
    4.1     Voraussetzungen für die Wirksamkeit von erlebnispädagogischen Maßnahmen _ 15
    4.2     Unwirksamkeit und Risiken bei erlebnispädagogischen Veranstaltungen _ 16

5 Durchführung erlebnispädagogischer Maßnahmen _ 17
    5.1     Modell zur Risikoreduktion _ 17
    5.2     Allgemeine Leitfragen zur Entscheidungsfindung _ 17

6 Erlebnispädagogische Aktionsfelder
  und Entscheidungskriterien _ 19
    6.1     Handlungsfeld Klettern _ 22
    6.2     Handlungsfeld Bergwandern _ 28
    6.3     Handlungsfeld Seilaufbauten/Seilgärten _ 30
    6.4     Handlungsfeld Erlebnispädagogik im Winter _ 34
    6.5     Handlungsfeld Höhle _ 36
    6.6     Handlungsfeld Wasser _ 40
    6.7     Handlungsfeld Mountainbike _ 45
BJR _ Qualitätsstandards in der Erlebnispädagogik   5

7 Verantwortung und Haftung bei der Planung und
  ­Durchführung von erlebnispädagogischen Maßnahmen
  aus rechtlicher Sicht _ 50
   7.1     Vorwort _ 50
   7.2     Rechtliche Grundlagen _ 50
   7.2.1   Allgemeine Regelungen _ 50
   7.2.2   Gesetzliche Regelungen BGB und StGB _ 51
   7.2.3   Berg- und Skischulverordnung Bayern _ 51
   7.3     Anforderungen an die Planung und Durchführung erlebnispädagogischer Angebote _ 52
   7.3.1   Auswahl geeigneter Aktivitäten und Ziele _ 52
   7.3.2   Auswahl, Schulung und Weiterbildung geeigneter Leiter_innen _ 53
   7.3.3   Persönliche Eignung der Betreuungspersonen _ 54
   7.3.4   Fachliche Eignung der Betreuungspersonen _ 55
   7.3.5   Leitungs-Teilnehmende-Schlüssel _ 56
   7.3.6   Informationsverpflichtung und Risikotransparenz in der Ausschreibung _ 57
   7.4     Risikomanagement und Aufsichtsführung bei erlebnispädagogischen Aktivitäten _ 58
   7.4.1   Verpflichtung zur Einholung von Informationen über Teilnehmende _ 58
   7.4.2   Hinweise, Belehrungen und Verbote _ 58
   7.4.3   Schaffung eines Notfallmanagements _ 59
   7.4.4   Haftungsrisiken _ 59
   7.4.5   Haftung gegenüber den Teilnehmenden _ 60
   7.4.6   Strafrechtliche Verantwortlichkeit _ 61
   7.4.7   Arbeitsrechtliche Verantwortlichkeit _ 61
   7.4.8   Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten _ 61

8 Literatur _ 63
   8.1     Verwendete Literatur _ 63
   8.2     Empfohlene Literatur _ 64
   8.3     Weiterführende Informationen _ 67

9 Autor_innen, beratende Experten_innen und Verbände _ 68
   9.1     Autor_innen _ 68
   9.2     Beratende Expert_innen _ 69
   9.3     Beratende Fachsportverbände _ 69
6       _ Vorwort und Zielsetzung

Diese Empfehlungen veröffentlicht
der Bayerische Jugendring in seiner
Funktion als überörtlicher Träger
der öffentlichen Jugendhilfe für den
Bereich der Jugendarbeit nach
§ 85 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII für die
Jugendämter in Bayern.

Dem Bayerischen Jugendring (BJR) als Körperschaft des
öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.) sind gemäß § 32 Verord-
nung zur Ausführung der Sozialgesetze (AVSG) für den
Bereich der Jugendarbeit Aufgaben des überörtlichen
Trägers der Jugendhilfe nach § 85 Abs. 2 Nr. 1 des Achten
Sozialgesetzbuchs (SGB VIII) zur Besorgung im Auftrag
des Staats übertragen.
    Der BJR übernimmt damit die Aufgaben der Beratung,
Koordinierung, Planung und Fortbildung für den Bereich
der Jugendarbeit. Er unterstützt durch Empfehlungen und
Vorschläge die Tätigkeit der Jugendämter. In dieser Eigen-
schaft unterliegt der BJR der Rechts- und Fachaufsicht
des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit
und Soziales.
    Der BJR beschreibt und erfüllt seine gesetzlich über-
tragenen Aufgaben unter Beachtung und Verwirklichung
hoher Qualitätsstandards.
    Im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgaben ver-
öffentlicht der BJR die vorliegenden Empfehlungen nach
§ 85 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII.

Beschlossen vom Landesvorstand des Bayerischen
Jugendrings im Februar 2015.
BJR _ Qualitätsstandards in der Erlebnispädagogik        7

1             Vorwort und Zielsetzung

Erlebnispädagogik hat sich nach einer Pionierphase in                     Mit Erscheinen der ersten Auflage haben wir die
den achtziger und einem Boom in den neunziger Jahren                  Fachöffentlichkeit um Kommentare und Ergänzungen ge-
zu einer klassischen Methode der Jugend- und Bildungs-                beten. Diese wurden nun in die zweite Auflage aufgenom-
arbeit im Allgemeinen entwickelt. Die sichere und fach-               men, soweit sie uns sinnvoll erschienen. Insbesondere
lich fundierte Durchführung von erlebnispädagogischen                 wurden die Schemata zu den erlebnispädagogischen
Maßnahmen erfordert von den Leitenden jedoch beson-                   Aktionsfeldern und Entscheidungskriterien in Kapitel 6
dere Kenntnisse und Fähigkeiten, die, aufbauend auf pä-               überarbeitet und ergänzt. Neu hinzugekommen ist auf
dagogischen Berufsabschlüssen, vorwiegend in berufs-                  Empfehlung von Experten aus der Praxis das Handlungs-
begleitenden Zusatzqualifikationen vermittelt werden. In              feld Winter. Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlich
den vergangenen Jahren ist die Quantität der ausbilden-               bei den vielen Fachleuten aus der Erlebnispädagogik für
den Institutionen so angestiegen, dass die qualitative                die konstruktiven Rückmeldungen, vor allem aber bei
Beurteilung von Abschlüssen für Träger/Veranstalter von               dem Team von NaturErlebnisTouren NET e. V. und dem
erlebnispädagogischen Maßnahmen immer schwieriger                     erlebnispädagogischen Zentrum des KJR München-Stadt
und unübersichtlicher geworden ist. Aus rechtlicher Sicht             Tchaka, die sich intensiv mit allen Aspekten auseinander-
sind sie jedoch verpflichtet, die persönliche und fachliche           gesetzt und uns viele wertvolle Anregungen für die erleb-
Eignung von Leitungspersonen zu prüfen und zu beur-                   nispädagogische Praxis gegeben haben.
teilen.1                                                                  Anliegen und Ziel der vorliegenden Empfehlungen
     Aus diesem Grund wurde der Bayerische Jugendring                 für die Planung und Durchführung von erlebnispädago-
um eine fachliche Stellungnahme zur erlebnispädagogi-                 gischen Maßnahmen ist es weiterhin, Personen, die in
schen Praxis gebeten. In seiner Sitzung vom 24. Februar               verantwortlicher Position genehmigen oder befürworten
2015 hat der BJR-Landesvorstand diese Empfehlungen                    müssen, eine qualifizierte fachliche Einschätzung auf
beschlossen. Damit ist er der Bitte aus dem Feld der Ju-              dem Gebiet der Erlebnispädagogik zu erleichtern. Sie
gendarbeit nachgekommen und nimmt seine Aufgabe                       können jedoch auch Durchführenden von erlebnispäd-
im Sinne des § 85 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII wahr. Die erste               agogischen Maßnahmen als eine Art Checkliste dienen.
Auflage der Handlungsempfehlungen erschien 2015 und
entstand in Zusammenarbeit mit dem Institut für Jugend-
arbeit 2 , den Jugendbildungsstätten Burg Schwaneck 3 ,
Königsdorf 4 , Bad Hindelang 5 und Babenhausen 6 sowie
den entsprechenden Fachsportverbänden 7, die seit 1996
in einem Trägerverbund eine berufsbegleitende Zusatz-
qualifikation (ZQ Erlebnispädagogik) durchführen, deren
Lehrinhalte vom bayerischen Kultus- und Umweltministe-
rium genehmigt und empfohlen sind.

1   Siehe Kapitel 7.3.4: Fachliche Eignung der Betreuungspersonen
2   Institut für Jugendarbeit des BJR: www.institutgauting.de
3   Jugendbildungsstätte Burg Schwaneck des KJR München-Land:
    www.burgschwaneck.de
4   Jugendsiedlung Hochland – Königsdorf:
    www.jugendsiedlung-hochland.de
5   Jugendbildungsstätte der JDAV Bad Hindelang:
    www.jubi-hindelang.de
6   Schwäbische Jugendbildungs- und Begegnungsstätte:
    www.jubi-babenhausen.de
7   DAV Deutscher Alpenverein e. V.: www.alpenverein.de;
    BKV Bayerischer Kanu-Verband e. V.: www.kanu-bayern.de;
    VdHK Verband der deutschen Höhlen und Karstforscher e. V.:
    www.vdhk.de
8       _ Benutzerhinweise und Z
                               ­ ielgruppe

2 Benutzerhinweise
  und ­Zielgruppe

Zunächst werden, neben einer Begriffsbestimmung, ein              Die tabellarisch gehaltenen Listen der Aktions-
mögliches Verständnis und Wirkmechanismen bzw. pä-           und Handlungsfelder folgen ansatzweise der Idee der
dagogische Potenziale von Erlebnispädagogik beschrie-        „Erlebnispädagogische(n) Aktivitäten im Vergleich“ aus
ben. Diese theoretische Einführung verschafft ein deutli-    dem Grundlagenwerk von B. Heckmair und W. Michl
ches Bild der aktuellen Erlebnispädagogik und dient der      (1. Auflage 1993).
Schärfung der – oftmals unscharf verwendeten – Begriff-           Den Abschluss bildet ein Kapitel, das sich ausführlich
lichkeiten.                                                  und vertiefend mit allen rechtlichen Aspekten befasst.
     Im zweiten Teil werden in tabellarischer Form für die   Sofern erforderlich und passend, wird bereits im Text auf
Handlungsfelder Klettern, Bergwandern, Seilaufbauten/        einige rechtliche Aspekte verwiesen, die im letzten Kapi-
Seilgärten, Winter, Höhle, Wasser und Mountainbike, die      tel dann noch vertieft werden.
für eine verantwortungsvolle Leitung notwendigen Kom-             Die Empfehlungen betreffen in erster Linie offen aus-
petenzen und die aus unserer Sicht empfehlenswerten          geschriebene erlebnispädagogische Angebote für Kinder,
Qualifizierungen skizziert. Eine Aufzählung und Bewer-       Jugendliche und junge Erwachsene mit professioneller
tung aller derzeit angebotenen Erlebnispädagogik-Aus-        Leitung.8
bildungen kann hier allerdings nicht geleistet werden. Wir        Sie gelten inhaltlich auch für erlebnispädagogische
gehen generell von einem Bildungsbegriff aus, in dem         Maßnahmen im Bereich der ehrenamtlichen Jugendver-
sich Ansprüche der Bildung für nachhaltige Entwicklung,      bandsarbeit. Da sich die Jugendverbandsarbeit aber in
maximale Sicherheit der Teilnehmenden und ambitio-           einigen Bedingungen 9 wesentlich von den offenen Ange-
nierte Pädagogik wiederfinden. Auf diese Weise sollen        boten unterscheidet, kann hier in Bezug auf die formalen
entscheidende Parameter benannt werden, ohne dass            Qualifikationen von Leitungspersonen öfter mit entspre-
dadurch eigenverantwortliche Entscheidungen und eine         chenden Begründungen abgewichen werden.10 Dies ist
fundierte pädagogische/fachsportliche Ausbildung der         insbesondere dann der Fall, wenn der Träger/Veranstal-
Leiter_innen ersetzt werden können.                          ter in dem durchgeführten Handlungsfeld Fachverband 11
                                                             ist und daher die persönliche und fachliche Eignung der
                                                             Leitungspersonen so gut beurteilen kann, dass er von
                                                             einer sicheren und verantwortungsvollen Durchführung

                                                             8   Hauptamtlich bzw. freiberuflich gegen Honorar
                                                             9   Besondere Bedingungen ehrenamtlicher Jugendverbandsarbeit:
                                                                 • Jugendgruppen in einem Jugendverband bestehen über
                                                                   einen längeren Zeitraum von mehreren Monaten, oft sogar
                                                                   Jahren hinweg. Dies hat zur Folge, dass sich, im Unterschied
                                                                   zu ausgeschriebenen kurzzeitpädagogischen Maßnahmen,
                                                                   Teilnehmende und Leitung sehr gut kennen. Dies ermöglicht
                                                                   es der Leitung, die Gruppenmitglieder in Bezug auf ihr Können
                                                                   oder ihre Persönlichkeitsmerkmale (Zuverlässigkeit, Verant-
                                                                   wortungsbewusstsein, Risikobereitschaft etc.) viel besser
                                                                   einzuschätzen zu können, als dies bei offenen Angeboten der
                                                                   Fall sein kann.
                                                                 • Verbandliche Jugendgruppenarbeit findet im Rahmen der
                                                                   jeweiligen Vereinsstruktur statt. Hierdurch kann gewährleistet
                                                                   werden, dass geplante Unternehmungen mit den Verantwort-
                                                                   lichen des jeweiligen Vereins abgestimmt und somit noch
                                                                   einmal einer Kontrolle unterworfen sind.
                                                                 • Verbandsspezifische Ausbildungen sind i.d.R. verpflichtend
                                                                   für Jugendleiter_innen vorgeschrieben. Diese beinhalten
                                                                   bei den Jugendverbänden mit natursportlicher Ausrichtung
                                                                   i.d.R. auch erlebnispädagogische Inhalte mit sportfachlichen
                                                                   Qualifikationen, beispielsweise bei der Jugend des Deutschen
                                                                   Alpenvereins oder bei der Naturfreundejugend.

                                                             10 Siehe hierzu auch im Kapitel Recht 7.3.3: Persönliche Eignung
                                                                der Betreuungspersonen
                                                             11 Z. B. DAV, BKV, VdHK, NaturFreunde etc.
BJR _ Qualitätsstandards in der Erlebnispädagogik      9

der Maßnahme ausgehen kann. Sofern offene Angebote                 Zusätzlich verändert sich auch die sicherheitstech-
der Jugendarbeit in Kooperation mit Fachsportverbänden         nische Umsetzung in den jeweiligen Handlungsfeldern
sattfinden und die Auswahl der Leitungspersonen an die-        laufend. Entsprechend zeigt dieser Leitfaden zwar einen
se übertragen wird, gilt dies analog. Angeraten ist aber       umfassenden, aber keinen abschließenden Ausschnitt
auch hier die Beachtung der aufgeführten inhaltlichen          erlebnispädagogischer Möglichkeiten und beschreibt
Kriterien zur verantwortungsvollen Durchführung von            den derzeitigen Status quo.
erlebnispädagogischen Maßnahmen.                                   Um aktuelle Entwicklungen und Erkenntnisse in
    Die Erlebnispädagogik ist ein dynamisches Hand-            der Erlebnispädagogik aufgreifen zu können, sollen die
lungsfeld. Als pädagogische Methode ist sie darauf aus-        Empfehlungen auch künftig regelmäßig überarbeitet,
gerichtet, Veränderungen zu bewirken und Neues entste-         erweitert und aktualisiert werden. Auf diese Weise wird
hen zu lassen. Dies drückt sich auch in einer Vielzahl von     der ständigen Weiterentwicklung der Erlebnispädagogik
möglichen Aktionsfeldern und Zugängen/Umsetzungen              Rechnung getragen. Die jeweils aktualisierte Fassung
aus, wobei in dieser Handreichung derzeit Aktionsfelder        wird veröffentlicht unter → www.bjr.de und www.zq-ep.de
ausgeklammert sind, die in der erlebnispädagogischen
Praxis von untergeordneter Bedeutung sind und/oder bei
denen das Risikomanagement erheblich komplexer und
damit schlechter beschreibbar ist (Skitouren im winterli-
chen Hochgebirge, Gletschertouren, Tauchsport etc.).
10      _ Begriffsbestimmung

3          Begriffsbestimmung

3.1     Was ist Erlebnispädagogik?                         Herausforderungen; Floßbau und Flussbefahrung als
                                                           Gruppenaufgabe für Auszubildende; Höhlenbefahrung
Der Begriff „Erlebnispädagogik“ ist weit verbreitet. Er    zur Thematisierung von Ängsten; mehrtägige Bergwan-
bezeichnet handlungs- und erlebnisorientierte Maßnah-      derungen mit Biwakieren zu bestimmten pädagogischen
men mit pädagogischer Zielsetzung in unterschiedlichen     Themen wie Kooperation, Zeit, Geschlechteridentität;
Natur- und Lebensräumen und fokussiert als Zielgruppe      Mountainbiketouren zur Klärung von Entscheidungen in
junge Menschen. Dabei wird häufig auf natursportliche      Gruppen und vieles mehr.
Tätigkeiten zurückgegriffen. Diese werden modifiziert,          Im angelsächsischen Raum sind solche erlebnispä-
um sie an pädagogische Zielsetzungen anzupassen. Ei-       dagogischen Maßnahmen sehr weit verbreitet und oft
ne zentrale Idee der Erlebnispädagogik ist, durch reale,   fester Bestandteil von Schul- und Universitätscurricula.
vielschichtige Herausforderungen unmittelbare Situati-     Entsprechend findet sich im englischen Sprachgebrauch
onen und Erlebnisse zu schaffen, die ein unterstützen-     eine größere Bandbreite an Bezeichnungen, die stärker
des Lernumfeld für das Wachstum von persönlichen           nach Zielgruppen (z. B. Schulklassen vs. Zufallsgruppen)
Kompetenzen erzeugen (vgl. Sibthorp & Morgan, 2011).       oder Zielsetzung (z. B. Wissensvermittlung vs. Therapie)
Die Dauer der Maßnahmen reicht von kurzen Sequenzen        differenzieren: adventure education, adventure program-
über Tagesaktionen, mehrtägigen/mehrwöchigen Ver-          ming, adventure therapy, challenge education, expediti-
anstaltungen bis hin zu Projekten, die sich über mehrere   onary learning, experiential education, environmental
Monate erstrecken. Erlebnispädagogische Zielsetzun-        education, outdoor school, outdoor learning, outdoor
gen umfassen eine Bandbreite von Möglichkeiten des         adventure development.
gegenseitigen Kennenlernens und der Gruppenfindung,             Die Vielzahl an möglichen Bezeichnungen macht
über intensivere Formen der Auseinandersetzung mit         deutlich, dass Erlebnispädagogik lediglich ein Oberbe-
Gruppenthemen und Persönlichkeitsentwicklung bis hin       griff sein kann und sich nicht immer trennscharf von an-
zu therapeutischen oder an Lehrplänen ausgerichteten       deren pädagogischen Ansätzen wie der Freizeit-, Natur-,
Angeboten. Dabei kann die Intensität der Auseinander-      Wildnis- oder Abenteuerpädagogik abgrenzen lässt. Im
setzung je nach Auftrag und Zieldefinition sehr unter-     Folgenden wird Erlebnispädagogik, wie sie im Kontext
schiedlich gestaltet werden. Die Befahrung einer Höhle     der Jugend- und Bildungsarbeit verstanden werden kann,
kann sowohl als spannende Aktion zum gegenseitigen         anhand zentraler Begriffe näher definiert. Diese Defini-
Kennenlernen durchgeführt werden wie auch als komple-      tion basiert wesentlich auf dem erlebnispädagogischen
xe Problemlöseaufgabe zur Gruppenentwicklung oder zur      Selbstverständnis des Trägerverbundes der Zusatzquali-
intensiven Beschäftigung mit sehr persönlichen Ängsten     fikation (ZQ) Erlebnispädagogik.12
und unbekannten Situationen. Die Begriffe „Erlebnispäd-         Ziel erlebnispädagogischer Arbeit ist die Bildung der
agogik“ und „Erlebnispädagoge/-pädagogin“ sind weder       Person durch zielgerichtetes ganzheitliches und erlebnis-
rechtlich geschützt noch erfordert die Verwendung oder     und handlungsorientiertes Lernen in Gruppen, natürli-
Bezeichnung eine bestimmte Berufsausbildung.               cher Umgebung und meist durch natursportliche Tätig-
    Beispiele für typische erlebnispädagogische Maß-       keiten. Erlebnispädagogik beinhaltet für das Individuum
nahmen in der Jugend- und Bildungsarbeit: Koopera-         herausfordernde Elemente und ist entwicklungs- bzw.
tionsübungen für Schulklassen zur Verbesserung des         wachstumsorientiert. Entsprechend gehen Erlebnispä-
Kommunikations- und Kooperationsverhaltens; Klettern       dagogen beziehungsorientiert, pädagogisch reflektiert,
in der Jugendarbeit als Metapher für den Umgang mit        fachsportlich kompetent und mit der Perspektive der
                                                           Umweltbildung vor.

                                                           12 Bedacht, Andreas, Birzele, Josef et al., Mai 2008
                                                              www.zq-ep.de/downloads/ (zuletzt abgerufen am 18. 11. 2018)
BJR _ Qualitätsstandards in der Erlebnispädagogik         11

    Fokus der Arbeit ist es, Lern-, Entwicklungs- und Bil-         Das Maß der Herausforderung ist partizipativ ge-
dungsgelegenheiten für das Individuum zu bieten, auch          wählt, die Teilnahme prinzipiell freiwillig. Entscheidender
wenn erlebnispädagogische Arbeit zu einem guten Teil in        als die Bewältigung einer Herausforderung ist die Ausei-
Gruppen stattfindet.                                           nandersetzung mit der Herausforderung. Mutproben und
    Eine förderliche Gruppendynamik gewährleistet indi-        Härterituale sind verzichtbar, Humor nicht. Begegnungen
viduelles Lernen auch in Bezug auf die Ausbildung von          und sanfte Methoden erzeugen meist nachhaltigere Er-
Sozialkompetenzen in Gruppen. Erlebnispädagogik för-           lebnisse als sogenannte harte, stark aktions- oder her-
dert vielfältige Bildung: Neben dem Erlernen einzelner         ausforderungsbezogene Aktionen.
Kompetenzen ermöglicht die Handlungsorientierung,                  Erlebnispädagogische Methoden ermöglichen ganz-
Wissen über die Prozesse, Hintergründe und Zusammen-           heitliches Lernen. Sie beinhalten körperliche, emotio-
hänge komplexer Umwelten zu vermitteln. Der erlebnis-          nale, kognitive und soziale Aspekte. Eigenes Tun birgt die
pädagogische Bildungsanspruch basiert auf Werten und           Chance der größten Verarbeitungstiefe. Durch eigenes
ethischem Handeln und betont daher sowohl die indivi-          Tun zu Ergebnissen zu gelangen, ist eine Grundvoraus-
duelle Verantwortung als auch die Verschränkung von            setzung, um Selbstwirksamkeit zu erlangen. Sich selbst
Individuum und Gesellschaft.                                   wirksam zu fühlen, ist eine Basis für Selbstvertrauen und
    Erlebnispädagogisches Handeln ist zielgerichtet.           Identität. Die Erfahrung von Erlebnissen, die einen Unter-
Inhalte, Themen und Ziele werden mit Beteiligten und           schied zum Alltag darstellen, kann Lernprozesse emotio-
Auftraggebern im Sinne einer Auftragsklärung ausgehan-         nal vertiefen und kognitiv verankern (handlungsorien-
delt. Im Vordergrund stehen die Lernchancen und Erfolge        tiertes Lernen).
der Teilnehmenden. Um auf Prozesse und Veränderungen               Durch die Reflexion des Erlebten und den Transfer
reagieren zu können, muss die Leitung gleichsam gut pla-       der Erfahrungen in zukünftiges Handeln werden Verhal-
nen und improvisieren können. Gerade unerwartete Situ-         tensoptionen und Entwicklungspotentiale gesichert. Die
ationen beinhalten oft die Chance, bestehende Muster zu        Frage des Transfers fließt als eine grundlegende Pers-
unterbrechen und Neues zu lernen. Diese Lernchancen            pektive bei der Zielbestimmung, der Methodenauswahl,
können nur genutzt werden, wenn nicht starr an geplan-         der Durchführung und der Reflexion ein. Transfer wird
ten Abläufen festgehalten wird. Insofern ist erlebnispä-       behindert, wenn Ziele nicht eindeutig sind, wenn zu vie-
dagogisches Handeln immer auch prozessorientiert.              le Aktionen keine Zeit mehr lassen und die Teilnehmen-
Ferner ist, wie in anderen pädagogischen Handlungs-            den von der Abfolge der Tätigkeiten überflutet werden.
feldern auch, in der Erlebnispädagogik nicht allein die        Transfereinheiten sollten nicht nur am Ende der Aktion
verwendete Methode ausschlaggebend, sondern die                stehen, sondern auch regelmäßig in den Ablauf einge-
Fähigkeit der Leitung, angemessen, wertschätzend und           plant werden. Gleichwohl kann gemeinsames Handeln in
bedürfnisorientiert auf die Teilnehmenden eingehen zu          natürlicher Umgebung auch dann pädagogisch wertvoll
können. Gerade in Situationen, die für die Teilnehmenden       sein, wenn es nicht erlebnispädagogisch intendiert ist,
Unsicherheiten und Risiken beinhalten, wird die Qualität       sondern um seiner selbst willen geschieht.
der Beziehung zwischen Leitung und Teilnehmenden
besonders wichtig. Insofern ist erlebnispädagogisches
Handeln immer auch beziehungsorientiert.
12      _ Begriffsbestimmung

     Erlebnispädagogische Maßnahmen finden meist in             Kinder und Jugendliche sind mit einer komplexen
der Natur statt. Dabei kommt dem Aufenthalt in der Na-      Welt konfrontiert, in der Wirkungszusammenhänge oft
tur eine weitaus größere Bedeutung zu, als nur ein Mittel   nicht unmittelbar zu verstehen sind. Täglich müssen
zum Zweck für natursportliche Aktivitäten zu sein. Auf-     sie aber risikobehaftete Entscheidungen treffen, deren
enthalte in natürlicher Umgebung bilden den Rahmen für      Auswirkungen sie schwer einschätzen können. Trotz zu-
ein ganzheitliches erlebnisorientiertes Lernen, weil sie    nehmender Komplexität unserer Umwelt und täglicher
zentrale Aspekte menschlicher Existenz und menschli-        Konfrontation mit Risiko und Unsicherheit werden Kinder
chen Miteinanders vermitteln können. Die Bedeutung          und Jugendliche nicht systematisch in Risikokompetenz
der Auseinandersetzung mit Schutz, Nahrung, Heraus-         ausgebildet. Die Einschätzung von Gefahren und Gefähr-
forderung, Unmittelbarkeit, Bedrohung, Hindernissen,        dungen ist aber ein wesentliches Moment selbst- und
Unerwartetem, Dynamik, Innehalten, Zeitabläufen (natür-     gesellschaftsverantwortlicher Lebensgestaltung. Die Er-
lichen und menschlich gestalteten), Geologie, Geografie     lebnispädagogik bietet dafür ein vorbildliches Lernfeld,
und Geschichte kann nicht durch Unterricht in geschlos-     da trotz Minimierung der objektiven Risiken die Span-
senen Räumen ersetzt werden.                                nung von den Teilnehmenden subjektiv deutlich spürbar
     Erlebnispädagogische Veranstaltungen können so-        erlebt wird. Es geht also darum, erlebnispädagogische
wohl dazu beitragen, ein emotional positiv besetztes Ver-   Maßnahmen so durchzuführen, dass sie einerseits si-
hältnis zur Natur zu entwickeln, als auch das Wissen um     cher sind, andererseits aber die Möglichkeit beinhalten,
natürliche Lebensräume und unsere lebensnotwendigen         Unsicherheit zu erleben und somit im eigenen Bewerten
Ressourcen weiterzugeben.                                   und Entscheiden Risikokompetenz zu erlernen. Die Teil-
     Der freie Zugang zur Natur und eigene Erfahrungen      nehmenden nehmen Unsicherheiten und Risiken wahr,
durch das freie Sich-Bewegen in der Natur sind dabei        lernen diese in kompetenter Begleitung einzuschätzen,
notwendige Voraussetzungen zur Sensibilisierung für         Handlungsoptionen zu entwickeln und sich in risikobe-
Lebensräume von Tieren und Pflanzen und das Erlernen        hafteten Situationen angemessen zu verhalten. Aufgabe
ökologischer Verantwortlichkeit.                            der Leitung ist es, ein förderliches Maß von subjektiv er-
    Zusätzlich setzen Aktivitäten in der Natur einen Kon-   lebter Spannung, Unsicherheit und Risiko auf der einen
trast zur alltäglichen Erfahrung in urbaner Umgebung.       Seite und Entspannung, Eigeninitiative und Kontempla-
In diesem Kontrast besteht eine Grundlage zur persön-       tion auf der anderen Seite für jede_n Teilnehmer_in zu
lichen Weiterentwicklung. Teilnehmende erleben und          finden. Zur Leitung erlebnispädagogischer Maßnahmen
erfahren im alltagsfernen Raum eine unmittelbare kör-       in den hier beschriebenen Handlungsfeldern bedarf es
perliche, sensomotorische und soziale Herausforderung.      sowohl pädagogischer als auch fachsportlicher und
Sie erlangen Handlungskompetenz zu bislang außerhalb        umweltpädagogischer Kompetenzen. Die Basis für
des eigenen Horizonts liegenden Zielen, erfahren das        erfolgreiches erlebnispädagogisches Arbeiten bildet eine
Angewiesensein auf die Gruppe und die Notwendigkeit,        Sensibilität für die Handlungen und Wirkungen von Per-
Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.            sonen, für Gruppenphänomene bzw. -dynamiken und die
BJR _ Qualitätsstandards in der Erlebnispädagogik   13

umgebende Natur. Pädagogische Erfahrung ist nötig, um
diese Sensibilität in zielgerichtetes, prozess- und bezie-
hungsorientiertes pädagogisches Handeln übertragen zu
können. Zusätzlich zeichnen sich Erlebnispädagoginnen
und -pädagogen durch ein ausgeprägtes Bewusstsein
für die psychische und physische Sicherheit der Teil-
nehmenden aus. Dieses Bewusstsein erfordert eigene
natursportliche Erfahrung und grundlegende fachsport-
liche Kenntnisse. Zusätzlich bedarf es entsprechender
ökologischer Kenntnisse, um sensible Lebensräume zu
schützen, Wissen über die Natur weiterzugeben und die
Teilnehmenden für Naturräume begeistern zu können.
Gerade die Verbindung handlungsorientierter Methoden
mit umweltpädagogischen Inhalten eröffnet im Sinne der
Bildung für nachhaltige Entwicklung beachtliche Lern-
potenziale, die es ermöglichen, sowohl das Wissen um
Zusammenhänge in der Ökologie zu erweitern, als auch
entsprechende Werte und Einstellungen zum achtsamen
Umgang mit den natürlichen Ressourcen zu fördern.
     Das Leitungs- und Führungsverhalten ist davon
geprägt, die Partizipation von Teilnehmenden zu för-
dern und ihnen eigene Erfahrungen zu ermöglichen. Die
strikte Leitung muss sich auf sicherheitsrelevante Aspek-
te beschränken. Erlebnispädagoginnen und-pädagogen
sollten kontinuierlich über ihre Wirkung als Leitung, die
verwendeten Sicherheitsstandards und die ökologische
Angemessenheit ihrer Maßnahmen reflektieren. Da die
Erlebnispädagogik einem ständigen Wandel unterliegt,
müssen sich Erlebnispädagoginnen und-pädagogen re-
gelmäßig über aktuelle pädagogische Themen und Frage-
stellungen, fachsportliche und sicherheitstechnische Ent-
wicklungen und ökologische Erfordernisse informieren.
14      _ Begriffsbestimmung

3.2 Die drei Säulen der Erlebnis­
     pädagogik: Pädagogik,
    ­Sicherheit und Ökologie
Das Drei-Säulen-Modell erweist sich sowohl in der Ge-        oft zusätzliches Wissen und zusätzliche Kompetenzen
staltung und Bewertung erlebnispädagogischer Maßnah-         erworben werden müssen, um in hoher Qualität erleb-
men als auch in der Erstellung eines Anforderungsprofi-      nispädagogisch arbeiten zu können. Dabei steht nichts
les an Veranstalter und Leiter_innen als hilfreich. Neben    Geringeres auf dem Prüfstand als die mit der Tätigkeit
der durch entsprechende Fachkräfte und das Knowhow           angenommene Verantwortung den Teilnehmenden und
der Einrichtungen für gewöhnlich sehr stabilen Säule „Pä-    der Natur gegenüber.13
dagogik“ gilt unser Augenmerk insbesondere den beiden
anderen Säulen „Sicherheit und Ökologie“, da gerade hier

Abb. 1 _   DIE DREI SÄULEN DER ERLEBNISPÄDAGOGIK 13
                                            ERLEBNIS-
                                          PÄDAGOGISCHE
                                           MA SSNAHME

                                            ziel-,
                                      prozess- und
                 Auftragsklärung       ­beziehungs-         Reflexion            Transfer
                                         orientierte
                                     ­Durchführung

                                   ←→                         ←→

                PÄDAGOGIK                     SICHERHEIT                   ÖKOLOGIE

                                                             13 Modell ZQ Erlebnispädagogik, erweitert durch
                                                                Bernhard Streicher
BJR _ Qualitätsstandards in der Erlebnispädagogik        15

4 Wirksamkeit und Risiken
              von erlebnispädagogischen Maßnahmen

4.1 Voraussetzungen für                                       Auswahl des Handlungsfeldes 15
                                                              Für die jeweilige Zielgruppe und die jeweiligen pädagogi-
    die ­Wirksamkeit von erlebnis­
                                                              schen Zielsetzungen gilt es, eine geeignete Wahl zu tref-
    pädagogischen Maßnahmen                                   fen. Je nach pädagogischer Zielsetzung und Bestands-
                                                              aufnahme fällt die Entscheidung für ein spezifisches
Um die Wirksamkeit und Qualität erlebnispädagogischer         Handlungsfeld. Innerhalb dieses Handlungsfeldes wiede-
Maßnahmen zu sichern, müssen folgende Aspekte be-             rum ist der angemessene Schwierigkeitsgrad zu wählen.
achtet werden:                                                In der Abwägung der möglichen Örtlichkeiten müssen ne-
                                                              ben dem Lernpotenzial auch ökologische Überlegungen
Auftragsklärung                                               zum jeweiligen Lernraum berücksichtigt werden.
Der kulturelle Hintergrund, der aktuelle Kontext und die
Bedürfnisse und Themen aller Beteiligten (z. B. Veran-        Wirksame Durchführung
stalter, beteiligte Institutionen, Leitung, Teilnehmende)     Die Vorbereitung erlebnispädagogischer Veranstaltun-
müssen im Vorfeld detailliert abgefragt werden. Die Be-       gen sollte der auf Seiten der Teilnehmenden angespann-
standsaufnahme von Fähigkeiten, Vorkenntnissen und            ten Erwartungshaltung gerecht werden. Ein Maximum
Interessen der Teilnehmenden ermöglicht es dann, auf-         an Information ist hilfreich, um Vorstellungen und rea-
grund der konkreten Gegebenheiten angemessene, rea-           listische Bilder der Veranstaltung zu ermöglichen und
listische und transparente Ziele zu formulieren.              die Motivation zu stärken. Befürchtungen, Ängste und
                                                              negative Besetzungen müssen ernst genommen werden.
Auswahl einer geeigneten Leitung 14                           Der Abbau von Ängsten gelingt insbesondere durch die
Die Leitung einer erlebnispädagogischen Maßnahme er-          Ermächtigung der Teilnehmenden, das Maß der Heraus-
fordert sowohl eine fachsportlich wie auch erlebnispäd-       forderung selbst bestimmen zu können. In der Durchfüh-
agogisch qualifizierte Person. Persönliche Einstellungen      rung ist ein vertrauensvolles Gruppenklima anzustreben.
der Leitungsperson hinsichtlich Lernen und Verände-           Klare Kommunikationsregeln, faire Moderation, passen-
rungsprozessen, ein Bewusstsein bezüglich der eigenen         de Anleitung und spielerische Einbettungen erleichtern
pädagogischen Wirkung sowie Erfahrung in der Arbeit           den Umgang mit herausfordernden Situationen. Interven-
mit den entsprechenden Zielgruppen sind weitere ele-          tionen der Leitung müssen transparent rückbegründet
mentare Kriterien bei der Auswahl. Darüber hinaus soll-       werden. Mittels angemessener Reflexionen erhalten die
ten Leiter_innen in der Lage sein, eine wertschätzende        Leitung und die Gruppe ein aussagekräftiges Bild über
und vertrauensvolle Beziehung zu den Teilnehmenden            die Befindlichkeit und Leistungsfähigkeit der Gruppen-
zu gestalten, Bedürfnisse wahrnehmen und in pädago-           mitglieder. Ein teilnehmerorientierter Transfer in Durch-
gisches Handeln umsetzen können. Da in der Erlebnis-          führung und Nachbereitung ist nötig, um die Wirksamkeit
pädagogik wie bei allen sportlichen Betätigungen die          der Maßnahme zu gewährleisten und die gewonnenen
eigene Körperlichkeit eine Rolle spielt, kommt dem As-        Erkenntnisse zu sichern. Zeitfenster und Orte für Reflexi-
pekt, gendersensibel zu handeln, eine ganz besondere          onsrunden und Gespräche in der Gruppe sollten bereits
Bedeutung zu.                                                 im vorbereitenden Seminardesign berücksichtigt sein.

14 Rechtliche Bewertung unter 7.3.4                           15 Rechtliche Aspekte siehe dazu Kapitel 7.3.1
16      _ Wirksamkeit und Risiken

Studien zur Wirksamkeit von erlebnis­                            Insgesamt zeigen die bislang vorliegenden Studien,
pädagogischen Maßnahmen                                      dass sich durch erlebnispädagogische Maßnahmen eine
Zusammenfassende Studien vor allem aus dem angel-            Vielzahl von Lernchancen für Kinder und Jugendliche er-
sächsischen Raum zur Wirksamkeit erlebnispädagogi-           geben. Diese Chancen zielen insbesondere auf die Stär-
scher Maßnahmen zeigten bei den Teilnehmenden eine           kung der Persönlichkeit und des Selbstwertes, auf das
reduzierte Aggression, größere emotionale Stabilität, ge-    Vertrauen in die eigenen sozialen Kompetenzen und die
steigerte persönliche Motivation, größere Reife, bessere     Vermittlung spezifischer Fähigkeiten, wie dem Umgang
soziale Fertigkeiten und eine erhöhte Selbstwirksamkeit      mit (Lebens-)Risiken ab.
durch eine Verschiebung von externalen hin zu internalen
Kontrollüberzeugungen (Hattie, Marsh, Neill & Richards,
1997). Zu ähnlichen Ergebnissen im Hinblick auf die Zunah-
me internaler Kontrollüberzeugungen, verringerte Depres-     4.2 Unwirksamkeit und Risiken
sivität und Ängstlichkeit, verbessertes Selbstwertgefühl
                                                                 bei erlebnispädagogischen
und mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten kamen die
Studien von Cason & Gillis, 1994, Neill & Richards, 1998,        Veranstaltungen
Beightol, Jevertson und Carter, Gray & Gass, 2012.
     Auch im direkten Vergleich mit anderen Aktivitäten,     Erlebnispädagogische Aktionen verlieren an Potenzial
die im Freien (physische Komponente) beziehungsweise         und Wirksamkeit, wenn der Fokus ihrer Durchführung
außerhalb des gewohnten sozialen Umfeldes stattfanden        lediglich aus einer Aneinanderreihung von Aktionen
(soziale Komponente), konnte eine zusätzliche positive       ohne konkrete Zielsetzung oder pädagogisches Kon-
Wirkung von erlebnispädagogischen Maßnahmen gezeigt          zept besteht. Gleiches gilt bei einer Überbetonung von
werden. So verbesserte sich in einer Längsschnittstudie      Abenteuer und Nervenkitzel. Dabei besteht die Gefahr,
nach einer erlebnispädagogischen Trainingsmaßnahme           dass heldenhafte Attribute wie Stärke oder Durchhalten
im Vergleich zu ungefähr gleich langen Aktivitäten durch     unangemessen aufgewertet werden. Die Lebensrealität
Reisen oder Fußballspielen der allgemeine Selbstwert         von Teilnehmenden und die Lösung von Problemen sind
und das Zutrauen in körperliche Fähigkeiten (Paquette,       multikausal und vielschichtig. Um als Maßnahme wirk-
Brassard, Guérin, Fortin-Chevalier & Tanguay-Beaudoin,       sam zu sein, muss Erlebnispädagogik diese Vielfältigkeit
2013).                                                       abbilden. Lernchancen können durch Überstrukturierung
     Auf Ebene der Leitungs-Teilnehmenden-Beziehung          von Maßnahmen und ein unflexibles Festhalten an mi-
wurde das Vertrauen der Teilnehmenden in die Leitungs-       nutiös geplanten Abläufen verringert werden. Dadurch
personen positiv beeinflusst von der wahrgenommenen          nimmt sich die Leitung die Möglichkeit, prozessorientiert
sicherheitstechnischen Kompetenz und einer wertschät-        arbeiten zu können.
zenden und respektvollen Kommunikation (Shooter,                 Ferner müssen sich Veranstalter, Leitung und Teil-
Paisley & Sibthorp, 2012). Dies erscheint deswegen eine      nehmende darüber bewusst sein, dass alle sportlichen
zentrale Komponente für die Wirksamkeit erlebnispäd-         Aktivitäten immer das Risiko von Verletzungen beinhal-
agogischer Maßnahmen zu sein, weil von den Teilneh-          ten. Ziel muss sein, durch sorgfältige Planung und Durch-
menden häufig erwartet wird, dass sie sich mit unsiche-      führung unter Beachtung aller sicherheitstechnischer
ren Situationen auseinandersetzen beziehungsweise ein        Standards dieses Risiko auf ein Minimum zu reduzieren.
subjektiv wahrgenommenes Risiko eingehen. Menschen           Gänzlich ausschließen lassen sich kritische Ereignisse,
sind aber nur dann bereit, soziale oder subjektive Risiken   Risiken und Gefährdungen bei erlebnispädagogischen
einzugehen, wenn sie ihrem_ihrer Interaktionspartner_in      Maßnahmen aber nicht (vgl. Dewald, Kraus & Schwiersch,
vertrauen. Vertrauen in die Leitung dürfte daher eine zen-   2003). Dem gegenüber steht jedoch die Chance, grundle-
trale Voraussetzung für die Wirksamkeit von Erlebnispä-      gende Risikokompetenzen zu erwerben.
dagogik sein.
BJR _ Qualitätsstandards in der Erlebnispädagogik         17

5 Durchführung erlebnis­
  pädagogischer Maßnahmen

                                                              5.2 Allgemeine Leitfragen zur
                                                                  ­Entscheidungsfindung
Besonderes Augenmerk muss bei natursportlichen Ak-            Da sich die spezifischen Kompetenzen je nach Maßnahme
tivitäten auf eine sichere und ökologisch verantwor-          und Handlungsfeld stark unterscheiden können, werden im
tungsvolle Durchführung gelegt werden. Diese Aspekte          Folgenden einige allgemein formulierte Fragen aufgeführt.
verlangen sowohl vom Veranstalter als auch der Leitung        Diese Fragen haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit
vielschichtige Kompetenzen. Im Folgenden wird zunächst        und erfordern nicht bei jeder Maßnahme eine vollständige
ein allgemeines Modell zur Risikobetrachtung und -reduk-      Beantwortung. Je kürzer und einfacher die Maßnahme, je
tion vorgestellt. Im Anschluss daran sind Schlüsselfragen     unproblematischer die Zielgruppe, desto weniger ausführ-
zu sicherheitsrelevanten Faktoren und Themen benannt,         lich wird man die einzelnen Fragen beantworten. Je länger,
deren Beantwortung Veranstaltern wichtige Hinweise zu         aufwendiger, komplizierter die Maßnahme, je höher das
möglichen Risikopotenzialen geben können.                     potenzielle Risiko der geplanten Aktivitäten und je prob-
                                                              lematischer die Zielgruppe, desto intensiver wird man sich
                                                              mit den Fragen auseinandersetzen.
                                                                   Die Fragen können für mindestens fünf unterschied­
5.1 Modell zur Risikoreduktion                                liche Entscheidungsebenen eingesetzt werden:
                                                                   1. Für Veranstalter zur Erstellung von Durch-
In der Antizipation möglicher Gefahrensituationen liegt                führungsrichtlinien und insbesondere zur
ein Erfolgsrezept für umsichtige und sichere Planung.                  Abklärung der Voraussetzungen, unter denen
Drei Betrachtungsfilter wurden hier gewählt, um auch                   erlebnispädagogische Maßnahmen genehmigt
komplexen und unvorhersehbaren Bedingungen und                         und verantwortet werden.
Ereignissen gerecht zu werden: personale Faktoren, Rah-            2. Für Veranstalter zur groben Planung von erleb-
menbedingungen/Kontext, situative Faktoren: Wer ver-                   nispädagogischen Maßnahmen; insbesondere
sucht in welchem Kontext welche Situation zu meistern                  bei der Frage, ob sich eine Maßnahme für eine
(vgl. Abb. 2) (Streicher, 2014). Die Fragen können sowohl              bestimmte Zielgruppe oder Zielerreichung
als Orientierung bei der Entwicklung von Qualitätsstan-                eignet.
dards oder Sicherheitsmanualen hilfreich sein als auch             3. Für Veranstalter zur Bestimmung der notwen-
zur Entdeckung risikobehafteter „blinder Flecken“ bei der              digen fachsportlichen Qualifikation der Leitung
Durchführung konkreter Maßnahmen.                                      einer Maßnahme.

Abb. 2 _     LEITFR AGEN ZUR RISIKOREDUK TION UND A
                                                  ­ UFDECKUNG
             „BLINDER FLECKEN“ (Streicher, 2014)

          WER                                    KONTEXT                                     SITUATION
         •   Erfahrung                          •   Gruppe                                   •   Unsicherheit
         •   Kompetenz                          •   Verhältnisse                             •   Komplexität
         •   Stimmung                           •   Stimmung                                 •   Sicherheitstechnik
         •   Ressourcen                         •   Auftrag                                  •   Konsequenzen
         •   Fallen                             •   pädagogische Methode                     •   Optionen
18       _ Durchführung erlebnis­pädagogischer Maßnahmen

     4. Für Veranstalter zur Abklärung der spezifischen           →→   Wie ist die Stimmung bei den Teilnehmenden? Wie
        erlebnispädagogischen Kompetenz von Lei-                       wirkt sich diese auf das Verhalten der Teilnehmen-
        tungspersonen.                                                 den und auf die Leitung aus?
     5. Für Leitungspersonen zur Planung und Durchfüh-            →→   Wie sind die Verhältnisse vor Ort und welche Aus-
        rung von erlebnispädagogischen Maßnahmen.                      wirkungen haben diese auf die Durchführung der
                                                                       Maßnahme (z. B. Wetter)?
Sie sind außerdem hilfreich für die Information und Auf-          →→   Was ist der Auftrag? Ist dieser allen Beteiligten
klärung der Teilnehmenden bzw. der Erziehungsberech-                   bewusst? Welche unausgesprochenen Aufträge gibt
tigten über mögliche Risiken bzw. geplante Aktivitäten.                es? Wie wirken sich diese aus?
                                                                  →→   Wurde eine Auftragsklärung mit realistischer Zielver-
Wer                                                                    einbarung mit allen Beteiligten durchgeführt?
→→ Über wie viel Erfahrung verfügt die Leitungsperson             →→   Welche pädagogischen Vorstellungen gibt es? Wie
   im konkreten Bereich (z. B. Anzahl durchgeführter                   wirken sich diese auf das Verhalten der Leitung aus?
   vergleichbarer Maßnahmen)?                                     →→   Welche Ziele können in dem jeweiligen Handlungs-
→→ Wie viel Kompetenz besitzt die Leitungsperson zur                   feld erreicht werden und welche nicht?
   Durchführung der Maßnahme (z. B. durch Ausbil-                 →→   Ist die geplante Maßnahme angemessen bezüglich
   dung oder Erfahrung)?                                               der Zielerreichung beziehungsweise der Zielgruppe?
→→ Wie ist die aktuelle Motivation und die Einsatzfä-             →→   Werden ökologische Belange ausreichend berück-
   higkeit der Leitungsperson? Welche Auswirkung hat                   sichtigt?
   dies auf ihr Verhalten bzw. ihre (Risiko-)Einschät-
   zungen?                                                        Situation
→→ Über welche Ressourcen (z. B. physische, psychi-               →→  Welche Risiken können nicht eingeschätzt werden?
   sche, sicherheitstechnisches Wissen usw.) verfügt                  In welchen Bereichen besteht Unsicherheit, was
   die Leitung aktuell? Sind diese ausreichend?                       passieren könnte? Ist diese Unsicherheit unproble-
→→ Was sind die persönlichen „Fallen“, also Situationen,              matisch oder wie kann sie reduziert werden?
   in denen die Leitung nicht mehr in der Lage ist, gute          →→ Wie komplex ist die Situation? Sind Wirkungszu-
   Entscheidungen treffen zu können? Wie machen sich                  sammenhänge noch nachvollziehbar? Kann noch
   solche Situationen bemerkbar? Welche Gegenstra-                    wirkungsvoll interveniert werden?
   tegien gibt es?                                                →→ Werden alle Sicherheitsstandards eingehalten?
→→ Können durch die Leitung mögliche kritische/sicher-            →→ Welche Konsequenzen haben Bereiche, die unsicher
   heitsproblematische Situationen benannt werden                     sind bzw. deren Auswirkungen nicht eingeschätzt
   und gibt es für diese Präventions- bzw. Interventi-                werden können?
   onsstrategien?                                                 →→ Welche weiteren Handlungsoptionen sind vorhan-
→→ Besteht seitens des Veranstalters und der Leitung                  den? Existieren Ausstiegs- oder Abbruchmöglichkei-
   ein Notfallmanagement und ist dieses wechselseitig                 ten? Gibt es bessere Alternativen?
   bekannt und abgeklärt?                                         →→ Welche fachsportlichen Qualitätsstandards müssen
                                                                      eingehalten werden?
Kontext                                                           →→ Welche Sorgfaltspflichtmaßnahmen müssen von
→→ Welchen Hintergrund, welche Fähigkeiten, Vorer-                    Seiten der Veranstalter und Leiter_innen gewähr-
   fahrungen und aktuellen Bedürfnisse haben die                      leistet sein?
   Teilnehmenden? Wie vertraut sind sie mit ähnlichen             →→ Welche Krisenszenarien sind denkbar und müssen
   Situationen? Wie könnten sie reagieren? Wie ist die                vorbereitet sein?
   gesundheitliche Situation aller Teilnehmenden? 16              →→ Sind versicherungstechnische und Haftungsfragen
                                                                      im Vorfeld abgeklärt und nachweisbar?

16 Sofern nicht bekannt, sollten gesundheitliche Risiken vorab
   durch einen medizinischen Auskunftsbogen abgefragt werden.
   Diese Informationen sind natürlich vertraulich zu behandeln.
   Beispiel für einen medizinischen Auskunftsbogen unter
   www.zq-ep.de/downloads/
BJR _ Qualitätsstandards in der Erlebnispädagogik        19

6 Erlebnispädagogische
  Aktionsfelder
             und Entscheidungskriterien

In den folgenden Tabellen sind Aktivitäten und grund-                     Die schematisch aufgeführten Auflistungen können
legende Kriterien aufgelistet, die eine pädagogisch                   als erste oder als schnelle Entscheidungshilfe für einzel-
wertvolle, ökologisch vertretbare und vor allem sichere               ne Aktionen verwendet werden. Sie ersetzen weder die
Durchführung von erlebnispädagogischen Maßnahmen                      nachhaltige Auseinandersetzung mit der pädagogischen
gewährleisten können. Die Ausführungen können keinen                  Sinnhaftigkeit erlebnispädagogischer Maßnahmen für
Anspruch auf Vollständigkeit oder Ausschließlichkeit                  eine spezifische Zielgruppe noch die Formulierung von
erheben, sondern dienen der Orientierung, was übli-                   konkreten pädagogischen Zielen oder die Entwicklung
cherweise bei diesen Maßnahmen zu berücksichtigen                     eines stimmigen pädagogischen Konzeptes.
ist. Bei der Beschreibung wird von durchschnittlichen
und motorisch, sozial oder kognitiv nicht wesentlich ein-
geschränkten Teilnehmenden in der Durchführung von
Einzelmaßnahmen wie Tages- oder Mehrtagesaktionen
ausgegangen. Bei Defiziten oder besonderen Kompeten-
zen der Teilnehmenden in einem der genannten Bereiche
kann sich das Spektrum möglicher Maßnahmen bzw. not-
wendiger Sorgfaltsmaßnahmen wiederum entsprechend
nach unten oder oben verschieben. Gerade im Rahmen
von längerfristigen Projekten oder wiederholten Aktionen
über mehrere Monate können auch Aktivitäten wie das
Klettern im Vorstieg, das über eine einfache erlebnispä-
dagogische Einzelmaßnahme hinausgeht, sinnvoll sein.
Diese Anwendungsbeispiele zu berücksichtigen, würde in
dieser Handlungsempfehlung den Rahmen sprengen. Wir
beschreiben im Folgenden die „klassischen“ natursport-
lichen Handlungsfelder Bergwandern, Klettern, Höhlen-
begehungen, Gewässerbefahrungen und Mountainbiken.
Neu hinzugekommen ist auf Anregung aus der erlebnis-
pädagogischen Praxis das Handlungsfeld Winter. Wir be-
schreiben dieses Handlungsfeld allerdings nur in den Di-
mensionen, die in der Praxis am häufigsten vorkommen:
Spiele und Übernachtungen im Schnee, sowie Schnee-
schuhtouren. Alle anderen Aktivitäten wie Skibergsteigen
oder winterliches Klettern haben wir ausgeklammert.
     Damit beschränken wir uns aus Gründen der Über-
sicht auf den Kernbereich erlebnispädagogischen Han-
delns, ohne damit andere Aktionsformen auszuschließen
zu wollen.17

17 Nicht enthalten ist auch das Handlungsfeld Kooperations-
   übungen, obwohl es dort immer wieder zu Gefährdungen und
   Verletzungen kommt. Diese bleiben aber meistens ohne schwer-
   wiegende Folgen und bewegen sich somit in einem Bereich päd-
   agogischen Handelns, wie er in Schule und Jugendarbeit üblich
   ist. Niedrige Seilaufbauten, die Bestandteil von Kooperations-
   übungen sein können, finden sich hier unter dem Handlungsfeld
   Seilaufbauten/Seilgärten.
20       _ Erlebnispädagogische Aktionsfelder

Folgendes Schema liegt den
Aufzählungen zu Grunde:

Aktivitäten 18                                                     Leitungs-Teilnehmende-Schlüssel 19
→→ Exemplarische Aktivitäten, die typischerweise in                →→  Anzahl Teilnehmende pro kompetenter Leitungs-
   diesem Handlungsfeld durchgeführt werden                            person. Das Verhältnis gibt einen Richtwert wieder
                                                                       und kann nach unten oder oben variieren. Fakto-
Abgrenzung                                                             ren, die eine Anpassung möglich oder erforderlich
→→ Aktivitäten, die in diesem Handlungsfeld als                        machen, könnten sein: Geländewahl (Klettern in der
   Einzelmaßnahme üblicherweise nicht durchge-                         Halle vs. draußen), Vorerfahrung bzw. Können und
   führt werden, da sie pädagogisch und/oder sicher-                   Wissen von Teilnehmenden und/oder Leiter_innen,
   heitstechnisch weder sinnvoll noch zielführend oder                 objektive Bedingungen (z. B. Wetter), pädagogische
   verantwortbar durchführbar sind                                     Zielsetzung, zusätzliches pädagogisches Begleit-
→→ Aktivitäten, die einem anderen Handlungsfeld                        personal etc.
   zugeordnet sind
                                                                   Sorgfaltspflichten
Pädagogisches Potenzial                                            →→ Skizzierung der Sorgfaltspflichten der Leitung bzw.
→→ Skizzierung möglicher pädagogischer Zielsetzungen                  des Veranstalters
   und Themen. Die konkrete pädagogische Arbeit
   kann nach Zielgruppe, Kontext und Kompetenz der                 Mögliche kritische Ereignisse
   Leitung stark variieren.                                        →→Skizzierung von möglichen kritischen Ereignissen,
                                                                     die typischerweise mit den Maßnahmen einher-
Erlebnispädagogisches Wissen und Können                              gehen. Die Leitung muss sich der Möglichkeit des
→→  Skizzierung notwendiger Basiskompetenzen zur                     Eintretens dieser Ereignisse bewusst sein und
    Durchführung der Maßnahme                                        sowohl entsprechende Maßnahmen treffen, um
                                                                     die Eintrittswahrscheinlichkeit zu minimieren, als
                                                                     auch über die Kompetenz verfügen, rechtzeitig und
                                                                     angemessen intervenieren zu können.

                                                                   Fachsportverbände
                                                                   →→ Auflistung von Verbänden bzw. Vereinen und deren
                                                                      Einrichtungen mit fachsportlicher Kompetenz, die
                                                                      ihrerseits Ausbildungen im Aktionsfeld durchführen

                                                                   19 Die hier aufgeführten Zahlen basieren auf der Abstimmung mit
                                                                      den Fachsportverbänden, den Erfahrungen der Autor_innen und
                                                                      beratenden Expert_innen aus der Praxis sowie auf Untersuchun-
                                                                      gen über Unfälle und Beinahe-Unfälle (Sicherheitsforschung
18 Siehe hierzu im Kapitel 7.3.1: Auswahl geeigneter Aktivitäten      des DAV). Siehe hierzu im Kapitel 7.3.5: Leiter-Teilnehmende-
   und Ziele                                                          Schlüssel
BJR _ Qualitätsstandards in der Erlebnispädagogik   21

Fachsportliche Qualifizierung 20
→→ Mögliche Zertifikate bzw. Kompetenzen, die für eine
   sicherheitstechnisch und fachsportlich kompeten-
   te Durchführung qualifizieren. Dabei erfüllt jede
   der hier explizit genannten Qualifizierungen die
   Mindestanforderungen 21 , manche (z. B. Berufs-
   ausbildungen wie staatl. geprüfter Berg- und
   Skiführer) auch weit mehr als diese. Bei erlebnis-
   pädagogischen Zertifikaten ist generell zu prüfen,
   ob sie fachsportliche Ausbildungen und Prüfungen
   beinhalten und nicht lediglich auf die Ausbildung
   von pädagogischen Leitungskompetenzen be-
   schrankt sind. Dies geht aus den Beschreibungen in
   den Zertifikaten über Umfang, Ausbildungsinhalte
   und Prüfungen hervor („diploma supplements“).
   Gleiches gilt für die fachsportlichen und erlebnis-
   pädagogischen Qualifikationen im außerdeutschen
   EU-Raum.
→→ Viele auch und gerade von Hochschulen angebo-
   tenen Erlebnispädagogikausbildungen beinhalten
   keine sportfachlichen Qualifizierungen. Auch das
   vom Bundesverband Erlebnispädagogik zertifizierte
   Siegel „beQ“ 22 für erlebnispädagogische Ausbil-
   dungen garantiert in der derzeitigen Form keine
   sportfachliche Qualifizierung.

Literatur/Quellen
→→  Beispielhafte Literaturangaben und andere Informa-
    tionsquellen

20 Siehe hierzu im Kapitel 7.3.2: Auswahl, Schulung und Weiterbil-
   dung geeigneter Leiter_innen
21 Hier sind auch Ausbildungen aufgeführt, die von den Fachsport-
   verbänden angeboten werden und für die ehrenamtliche
   Leitung von Angeboten für Vereinsmitglieder qualifizieren (z. B.
   Ausbildung für Fachübungsleiter_innen, Trainer_innen oder
   Jugendleiter_innen mit fachsportlicher Qualifikation), soweit sie
   die hier formulierten Anforderungen erfüllen.
22 Vom Bundesverband Erlebnispädagogik zertifiziertes Gütesiegel
   für Anbieter von Aus- und Weiterbildungen in der Erlebnispäda-
   gogik: www.bundesverband-erlebnispaedagogik.de/be/media/
   extras/download/14-07_beQ-Flyer_final.pdf (zuletzt abgerufen
   am 29.10 2018)
22      _ Erlebnispädagogische Aktionsfelder

6.1 Handlungsfeld Klettern
Indoor-Klettern/Klettern an                              Leitungs-Teilnehmende-Schlüssel
künstlichen Kletteranlagen                               →→  bis 1:6 je nach Zielgruppe
                                                         →→ Gut begründet und mit weiteren Sicherheitsmaß-
Aktivitäten                                                  nahmen hinterlegt, kann die Zahl der Teilnehmen-
→→ Top-Rope-Begehung von Kletterrouten                       den auch erhöht werden 23
   (d.h. mit Seilsicherung von oben)
→→ Ablassen                                              Sorgfaltspflichten
                                                         →→ Information und Aufklärung der Teilnehmenden bzw.
Abgrenzung                                                  Erziehungsberechtigten über mögliche Risiken bzw.
→→ Klettern im Vorstieg (ist kein klassisches Medium        geplante Aktivitäten
   der Erlebnispädagogik)                                →→ Überprüfung vorhandener Ausrüstung
→→ Klettern in Absprunghöhe (z. B. Bouldern oder sons-   →→ Verwendung normierter Ausrüstung
   tige Kletterspiele)                                   →→ Berücksichtigung aller relevanten Inhalte der
                                                            „Aktion sicher klettern“ des DAV. Besonders hin-
Pädagogisches Potenzial                                     gewiesen wird auf die Empfehlungen zum Thema
→→ Absprachen treffen                                       Sicherungskompetenz von Kindern.
→→ Vertrauen schaffen                                    →→ Passung von Schwierigkeit der Touren, des Siche-
→→ Erleben von persönlicher Kompetenz, Selbstwert,          rungsaufbaus und -ablaufs zu den Fähigkeiten und
   Selbstwirksamkeit                                        Kompetenzen der Teilnehmenden
→→ Körperlichkeit erfahren                               →→ Krisenszenario/Ablauf im Notfall
→→ Umgang mit unbekannten Situationen und Ängsten        →→ Mitnahme Mobiltelefon und Erste-Hilfe-Ausrüstung
→→ Überwinden von Schwierigkeiten/
   Herausforderungen                                     Mögliche kritische Ereignisse
→→ Setzen und Erreichen von Zielen                       →→ Mangelhafter Aufbau des Top-Ropes (z. B. keine
→→ Unterstützung durch andere (Hilfe holen/Hilfe            Redundanz an der Umlenkung, Seilende nicht
   erhalten)                                                gesichert)
                                                         →→ Kein Partner_in-Check mit Redundanz durch den/
Erlebnispädagogisches Wissen und Können                     die Betreuer_in (z. B. Kontrolle des Anseilknotens
→→  Materialwissen und -kunde                               bzw. der Verbindung von Seil und Gurt; korrekter
→→ Sicherungswissen und -kunde                              Verschluss des Gurtes, korrekter Verschluss und
→→ Kenntnis und Prävention von Gefahren                     korrekte Seilführung im Sicherungsgerät)
→→ Organisation und Instruktion von                      →→ Sicherungsfehler (z. B. zu viel Schlappseil, zu großer
    Gruppen/Personen                                        Abstand zur Wand, keine Bremshand am Seil, allge-
→→ Planung, Moderation, Einleitung, Intervention und        mein falsche Bedienung des Sicherungsgerätes)
    Auswertung gesetzter pädagogischer Ziele             →→ Nachlassende Konzentration bei Teilnehmenden
→→ Intervention bei physischer und/oder psychischer         und Betreuer_innen
    Überforderung

                                                         23 Das entscheidende Kriterium ist die permanent zu gewährleis-
                                                            tende Übersicht der Fachbetreuung und die Interventionsfähig-
                                                            keit. Mehr als drei Seilschaften/Sicherungsteams, die bereits
                                                            selbstständig sichern können, sind vor diesem Hintergrund
                                                            schwer vorstellbar. Durch geschickte Aufgabenverteilung
                                                            können jedoch pro Seilschaft bis zu fünf Teilnehmer_innen
                                                            beschäftigt werden. Eine Einschätzung zur Gruppengröße hängt
                                                            maßgeblich von der Sicherungskompetenz der Teilnehmenden
                                                            ab. Siehe auch Empfehlungen und Publikationen des DAV zum
                                                            Thema „Sicher klettern“ sowie zur Aufsichtspflicht und Siche-
                                                            rungskompetenz von Kindern: www.alpenverein.de/Bergsport/
                                                            Sicherheit/Aktion-sicher-klettern/ (zuletzt aufgerufen am
                                                            29.10.2018)
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