ZUM MITNEHMEN! #71/ SEPTEMBER 2021 - STADTMAGAZIN FÜR GELSENKIRCHEN - REITVEREINETUS1996 . GGW . KAUE . MITTAGSRUHE . MANYSZEJSTECKI . AHRTAL ...
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#71 / S e p t e m b e r 2021 Zum mitnehmen! Stadtmagazin für Gelsenkirchen reitverein Etus 1996 . ggw . Kaue . Mittagsruhe . Many Szejstecki . Ahrtal . Nirwana . Oma Bismarck
So, 05.09.2021, 17 Uhr, Kulturraum „die flora“, Gelsenkirchen „DEN REGEN BESCHREIBEN“ (Auftaktkonzert) Recklinghausen Gelsenkirchen Bochum So, 26.09.2021, Kunsthalle So, 03.10.2021, Kulturraum „die flora“ So, 24.10.2021, Mi, 20.10.2021, Bürgerhaus Süd So, 07.11.2021, Neue Synagoge GE Neue Synagoge BO So, 12.12.2021, Ruhrfestspielhaus So, 21.11.2021, Kulturraum „die flora“
Am Anfang Kinder, Kinder In welchem Alter Frauen im Ruhrgebiet durchschnittlich erstmals Mutter werden Stand 2020 Hamm Kreis Wesel Kreis Recklinghausen 28,7 30,2 29,7 +1,2 +1,6 +1,2 Bottrop 29,5 +1,6 Gelsenkirchen Kreis Unna 28,0 Herne 29,9 Oberhausen +0,6 28,6 / +1,2 Dortmund +1,6 29,1 29,9 +1,1 +1,3 Bochum Duisburg Essen 30,4 28,7 30 +1,1 +1,1 Mülheim 30,2 +1 +1 Ennepe-Ruhr-Kreis Hagen 30,2 28,8 +1 +1,2 Stadt / Kreis Durchschnittsalter Veränderung seit 2010 Wuppertal Bonn Bielefeld Köln Düsseldorf NRW Gesamt 29,2 31,5 30,1 31,7 32,1 30,1 +0,9 +0,9 +1 +2,8 +1,4 +1,1 Quelle: Information und Technik Nordrhein-Westfalen – Pressestelle Gardinen • Dekorationen • Bettwäsche Ahstraße 16 Tel.: 0209 / 2 49 72 Sonnenschutz • Polsterarbeiten 45879 Gelsenkirchen Fax: 0209 / 14 45 92 Einrichtungskonzepte • Teppichboden www.g-nilles.de • info@g-nilles.de 3
viel drin Foto: © Ralf Nattermann Foto: © ggw 12 Unbeschadet durch die Krise 6 Wohnungsbauunternehmen ggw steigt in den Schulbau ein Das Leben ist hier kein Ponyhof Reitverein ETuS steht vor Verdrängung Foto: © Ralf Nattermann Foto: © Björn Hickmann 20 Mit der U-Bahn nach Westerholt Auf den Spuren von Many Szejstecki 24 Endlich wieder Theater Musiktheater im Revier eröffnet die neue Spielzeit „Curlew River“ & „Avenue Q“ Impressum isso. Verlag Redaktionsleitung: Mit Beiträgen von: Erscheinungsweise: © isso. Stadtmagazin für Gelsenkirchen, September 2021 Denise Klein, v.i.S.d.P. Ricarda Kaspar, Lothar Lange, 11 mal pro Jahr Redaktionsschluss der Folge-Ausgabe: 18. September 2021. Veröffentli- Haldenstraße 80 Thorsten Lühr, Joachim in ganz Gelsenkirchen chungen, die nicht ausdrücklich als Stellungnahme der isso.-Redaktion 45881 Gelsenkirchen Redaktion: Sombetzki, Horst Wnuck gekennzeichnet sind, stellen die persönliche Meinung des Verfassers dar. Für Tel: 0174 78 00 99 7 Astrid Becker, Alexander Welp, Anzeigenredaktion: unverlangt eingesandte Manuskripte kann keine Haftung übernommen wer- Tobias Hauswurz, Jesse Krauß, Tel: 01573 399 811 4 info@isso-online.de Proudly printed im Pott by den. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Es Ralf Nattermann www.isso-online.de Brochmann GmbH, Essen Glücksfee: gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 2, Januar 2017. Gerichtsstand ist Gelsenkir- fb.com/issomagazin Titelbild: Ralf Nattermann www.brochmann.de Willi Sternenkleid chen. Wir folgen der neuen alten Rechtschreibung. Freiheit statt Freizeit.
Foto: © Carlo Feick / Emschertainment GmbH Foto: © Jesse Krauß 16 Ruhe in der Stadt Wasserspiel auf dem Rosa-Böhmer-Platz 14 stört Mittagsruhe Was in der KAUE möglich ist ... ... und was nicht Foto: © Astrid Becker / Volker Bruckmann Foto: © Alesia Kozik 26 Willkommen Menschlichkeit Das Ahrtal braucht immer noch dringend Helfer*innen! 36 Paralympics im Faktencheck Über die Paralympischen Spiele
lokal Für Monika Patryas (vorn) gehören Kinder und Tiere einfach zusammen. Sie selbst fing als Teenager an, zu reiten. Fotos: Ralf Nattermann 6
Das Leben ist hier kein Ponyhof Reitverein ETuS Gelsenkirchen 1996 steht vor der Verdrängung von Denise Klein nicht mehr, die sich 1996 abkoppelte und als eigenständiger Verein neu konstitu- ierte. Da die Fußballer nun das sichere Dass der Verein auf dem kleinen Gelände, Verhältnis von sich aus kündigen, trudelt eingepfercht zwischen Industrie- und Ge- der Reitverein einer äußerst unsicheren W werbefläche überhaupt so effektiv arbeiten Zukunft entgegen. Sie hängt am Tropf des er ihn nicht aktiv sucht, mag ihn konnte, ist erstaunlich. Doch die Mitglie- künftigen Besitzers, denn die BEV will das kaum finden: den Reitverein RV derzahlen, die ausgebuchten Kurse, die Grundstück meistbietend veräußern. ETuS Gelsenkirchen 1996 e.V. in Ückendorf, langen Wartelisten sprechen ihre eigene Alle Versuche des Reitvereins, sich mit versteckt zwischen Netto, Frischemarkt Sprache. Fußläufig, günstig, niederschwel- dem BEV zu einigen und ein Vorkaufsrecht und Dessauerstraße. Schon jetzt sind die lig, pädagogisch und sportlich wertvoll: das zu sichern, scheiterten. Die Bahn will Geld, Umstände für den 1977 gegründeten Ver- sind die Gründe, weshalb der Reitverein wer mehr bietet, bekommt den Zuschlag. ein nicht fürstlich, verbindet man mit dem nicht nur dortbleiben will, sondern sich Und mindestens einen Interessenten Pferdesport doch eher weitläufige Weiden, vergrößern und das Angebot erweitern will. gibt es schon. Erhan Baz, Mr. Chicken- dörfliche Stallungen, große Reitplätze „Wo kann man als Kind sein unterent- Inhaber und Besitzer des Frischemarktes, und genug Raum zum Ausritt. Doch die wickeltes Gleichgewicht besser trainie- hat bei der Stadt Gelsenkirchen schon Enge nimmt der Verein seit Jahren in Kauf. ren als auf einem Pferderücken?“, meint eine Bauvoranfrage gestellt. Er will auf Vor allem, um fußläufig für die Kinder im Jugendwartin Julia Kruska. dem Gelände der Fußballer eine Verpa- Stadtteil erreichbar zu sein. Doch die einmalige Gelegenheit, statt ckungsanlage bauen. Nach vorne zur Des- der bisher genutzten 3.000 qm die gesam- sauerstraße hin plant Baz eine Sporthalle. „Wir bräuchten mehr Platz, natürlich“, meint te Fläche von 18.000 qm zu nutzen, rückt Auf unsere Nachfrage hin wollte Baz Monika Patryas, ehrenamtliche Geschäfts- in ungreifbare Ferne. Grund: das Gelände sich nicht genauer äußern, da mit allen führerin und zweite Vorsitzende des gehört dem Eisenbahnbahnvermögen Beteiligten ein vorläufiges Stillschweigen Vereins. Sie und ihre Vereinskolleg*innen (BEV). Und der Fußballclub entstand 1934 vereinbart worden ist. Er geht aber davon wissen aber genau, weshalb sie dort sitzen, als Betriebssportgruppe, die auch heute aus, dass es durchaus noch mehr Mitbe- wo sie sind. Es geht um die Menschen in noch als anerkannte Sozialeinrichtung der werber um das Grundstück geben wird und Ückendorf, viele Kinder und Jugendliche, Bahn der besonderen Fürsorge des BEV prognostiziert, vor Ende des Jahres würde die weniger privilegiert sind, die normaler- untersteht. Das gilt für die Reitabteilung es keine verlautbaren Ergebnisse geben. weise nie die Chance hätten, den Reitsport zu betreiben. Denn die Vereinsgebühren sind bewusst geringgehalten. Nun wird das benachbarte Grundstück frei, denn der Fußballclub ETuS Gelsenkir- chen 1934 e.V. wechselt zum Dezember ins Südstadion, macht also den Platz frei. Statt des Ascheplatzes können die Kicker nun auf Kunstrasen spielen. Ein gutes Angebot, das man schlecht ausschlagen konnte, da eine Kooperation mit der im Südstadion ansässigen SG Eintracht 07/12 und der daraus erwachsenden Synergie- effekte dem an Nachwuchs mangelnden Verein neue Perspektiven schafft. 15.000 qm, die nun zusätzlich frei werden. Das wäre für den Reitverein die einmalige Gelegenheit, aus ihrer räumlich mehr als prekären Lage herauszukommen. „Wir hätten endliche eine richtige Weide für die Tiere und einen weiteren Reitplatz, der momentan bei uns kaum als solcher bezeichnet werden kann“, so Monika Patryas. Es ist zwar ein kleines Areal, doch hat sich RV ETuS zwischen dem ehemaligen Großmarkt und einem Fußballplatz gut eingerichtet. 7
Auf einem Pferderücken können Kinder ihren Körper neu erfahren. Auch Aufgaben wie das Striegeln der Pferde und das Fegen des Platzes gehören hier für alle zum Programm. Gegen eine weitere Gewerbebebauung sprachen sich viele Anwohner*innen aus, eine Onlinepetition und eine Sammlung brachte 2250 Stimmen zusammen. Doch wie sollte es weitergehen, bekäme Unternehmer Baz den Zuschlag? „Sollte Herr Baz das Grundstück kaufen, sind wir völlig von ihm abhängig. Nicht nur kann er uns unseren Pachtvertrag kündigen, sondern wir sind auch darauf Eine schier ausweglose Situation, denn Mit dem sportpolitischen Sprecher David angewiesen, dass wir über sein Grund- der ETuS 1996 e.V. verfügt nicht über die Fischer haben sie einen kenntnisreichen stück über die Dessauerstraße unseren finanziellen Mittel, beim Bieten um das und streitbaren Unterstützer an ihrer Sei- Pferdemist entsorgen. Das ist die einzige Grundstück eine reelle Chance zu haben. te. Auch die Bezirksvertretung Gelsenkir- große Zufahrt zum Gelände. Auch unsere Seit Monaten versuchen Patryas und ihre chen-Süd fragte bei der Verwaltung an, Wasserversorgung lief immer über das Mitstreiter*innen, sowohl Mitglieder als ob die Stadt nicht das Grundstück kaufen Fußballergrundstück“, so Monika Patryas. auch Anwohner*innen, neue Wege zu könne, um „Herrin des Geschehens“ zu Gespräche mit Erhan Baz habe es gege- finden. Erstaunlich viel Unterstützung bleiben. Doch dazu bedarf es nicht nur po- ben, eine Zusage, diese Grundversorgung bekommen sie aus der Politik, und hier litischen Willens, sondern auch eben einer zu erhalten, hat er mündlich gegeben. von allen Fraktionen parteiübergreifend. nicht unerheblichen Summe an Geld. Doch verschafft das dem kleinen Verein Besonders setzen sich die Grünen ein. weder berechenbare Sicherheit, noch die www.rv-etus-ge.de Möglichkeit, sich zu erweitern und das Angebot für Kinder im Stadtteil gar zu verdoppeln. Im Gegenteil: Noch enger zugebaut wird das bisherige Gelände un- Kommentar: „Gelsensport ist im September 2019 auf uns attraktiver und für Pferde noch stressrei- zugekommen und hat gesagt, dass es einen cher. Schon jetzt ist die Lärmbelästigung Dass hier David gegen Goliath kämpft – man Kaufinteressenten für unsere Anlage gibt. durch den Wertstoffhof, der ebenfalls ans mag es fast so behaupten. Ehrenamt trifft Sie haben uns daraufhin gefragt, ob wir uns Reitergelände grenzt, enorm. auf wirtschaftliche Kraft, bürgerschaftliche vorstellen können, die Anlage zu wechseln.“ Sympathie und Solidarität konkurrieren mit Anschließend gab es gemeinsame Gespräche guten Geschäftsbeziehungen, soft skills gegen mit Gelsensport. Und der Gelsenkirchener Wirt- hard facts. Diese hilflose Situation finden viele schaftsförderung. Somit hat Gelsensport einem kleine Vereine vor, die sich allein gegen solche Privatinvestor Schützenhilfe beim Erwerb eines Wendungen kaum zur Wehr setzen können. Grundstücks gegeben, das bis dahin allen Nicht umsonst gibt es Sportbünde, im Falle Gelsenkirchener*innen als Sportstätte zur Ver- Gelsenkirchens das Sonderkonstrukt Gelsen- fügung stand. Über die Beweggründe mag man sport, die sich als übergeordnete Verbände mutmaßen, aber man ist sich nicht unbekannt. um die Belange, Sorgen und manchmal eben Dass man den Reitverein außen vorgelassen auch große zukunftsträchtige Probleme ihrer hat, ist nicht verwunderlich. Er war nicht durch Mitglieder kümmern sollen. Doch die Agenda die Sonderbehandlung als Eisenbahnerverein Gelsensports war eine andere: Schon vor zwei wie die Fußballer zu umgarnen. Nun hoffen Jahren ging der Stadtsportbund auf den Fuß- alle Beteiligten, dass sich doch noch Mög- ballclub zu, um ihm den Umzug ins Südstadion lichkeiten finden, den Verkauf an Mr. Chicken- vorzuschlagen. Laut deinem WAZ-Bericht von Inhaber Baz abzuwenden. Ein Strohhalm. April 2021 zum geplanten Umzug erklärt ETuS- Geschäftsführer Gerd Eschenröder: 8
kulturell Foto: © Florence Homolka Foto: C. M. Stieglitz Felix Mendelssohn Bartholdy Gustav Mahler Arnold Schönberg Hanns Eisler Dmitri Schostakowitsch „Wie sich die Zeit verzweigt, sische nicht-jüdische Komponisten wie Michael Denhoff, Wolfgang Rihm, Stefan Heucke oder das weiß die Welt nicht mehr...“ (Paul Celan) Michael Em Walter tragen mit Vertonungen jüdischer Autor*innen zum Gesamtbild bei. Eine Kammerkonzertreihe in drei Städten anlässlich des Festjahres Konzeption und künstlerische Leitung „1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ der ambitionierten Reihe liegen bei Rainer Maria Klaas (Recklinghausen) und Michael S Em Walter (Gelsenkirchen). Beide sind dem eit rund 1700 Jahren ist jüdisches Bochum-Herne-Hattingen und weitere Koope- Kulturpublikum und insbesondere dem des Leben in Deutschland nachweisbar, rationspartner beleuchten in sieben Program- Kulturraums „die flora“ bereits bekannt, etwa das sind 17 Jahrhunderte einer äußerst men deutsch-jüdisches Komponieren und durch die Reihe „Musik erzählt...“ und das vielschichtigen und dabei immer wieder von Dichten in bekannten, aber auch vielen neuen Projekt „Statt Beethoven“ im Jahre 2020. Brüchen gekennzeichneten Beziehung zweier und neu zusammengestellten Aspekten. Der Veranstaltungszyklus wendet sich an ein Kulturen. Jüdische Lebensweise, Literatur, Mu- Mit Ausgang im 19. Jahrhundert – Felix musik- und literaturinteressiertes Publikum, sik und Kunst hat Deutschland maßgeblich Mendelssohn Bartholdy, Ferdinand Hiller und das sich auch mit dem historischen und mitgestaltet und befruchtet. Immer wieder Gustav Mahler – wirft der Zyklus historische politischen Zusammenwirken von Kunst und war diese Beziehung aber auch von Verfol- Schlaglichter auf die kulturellen Epochen vor Gesellschaft befasst. Gleichzeitig möchte die gung, Diskriminierung und schließlich gar dem Ersten Weltkrieg, zwischen den Kriegen Vernichtung alles Jüdischen geprägt. und nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Reihe dazu beitragen, die Kenntnisse über Das 2021 bundesweit stattfindende Jahr heutige Zeit. Jüdische Dichter*innen wie Nelly jüdisches Leben und jüdische Kultur auch auf „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ Sachs, Paul Celan, Yvan Goll oder Stefan Zweig musikalisch-literarischer Ebene zu erweitern. will dazu anregen, sich mit diesem großen und sind in Sprachtext oder Vertonung ebenso ver- teilweise auch schweren Kapitel deutscher Ge- treten wie Komponist*innen von Arnold Schön- Auftaktkonzert: schichte auseinanderzusetzen. In Gelsenkirchen berg über Hanns Eisler, Kurt Weill, Stefan Wolpe, „Den Regen beschreiben“ entstand dabei eine über die Stadtgrenzen hi- Berthold Goldschmidt bis zu Ursula Mamlok, Zvi Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy, Dmitri Schostako- nausreichende und von der LWL-Kulturstiftung Avni, Sidney Corbett oder Gilead Mishory. Die witsch, Arnold Schönberg, Gustav Mahler und Hanns Eisler geförderte Kooperation. Der Gelsenkirchener in Gelsenkirchen geborenen und später nach Sonntag, 05. September 2021, 17 Uhr Kulturraum „die flora“ und die Jüdische Gemein- Israel ausgewanderten Komponisten Ben-Zion Kulturraum „die flora“, Florastr. 26, 45879 GE-Altstadt de Gelsenkirchen, der Fachbereich Kultur der Orgad und Zvi-Herbert Nagan spielen dabei 14 € / 10 €; Tel. 0209 169 9105 Stadt Recklinghausen, die Jüdische Gemeinde eine besondere regionale Rolle. Auch zeitgenös- www.die-flora-gelsenkirchen.de
politisch Die isso. S nntagsfrage Was würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahlen wären? D ie ersten Stimmen für die Bundestagswahl am 26. September zwei Wahlbörsen aktiv, denen eine Prognosefähigkeit von vergleich- wurden per Briefwahl bereits abgegeben. barer Qualität zugesprochen wird. Bundestagswahl bedeutet auch, dass wir alle mit einer Die isso.Datenredaktion hat dies fest im Blick und errechnet unbe- gesteigerten Flut von Meinungsumfragen überschüttet werden, die stechlich den jeweils aktuellen Durchschnitt aller Werte. So ergibt sich sich mitunter sogar widersprechen. Derzeit sind zwölf Meinungsfor- auf einen Blick eine sichere Orientierung im Umfragen-Dschungel. schungsinstitute bundesweit auf diesem Gebiet aktiv und veröffent- Das Ergebnis wird bis zum Wahltag auch in den sozialen Medien lichen in unterschiedlicher Regelmäßigkeit in vielen verschiedenen unter facebook.com/issomagazin aktualisiert. Medien ihre Ergebnisse der Sonntagsfrage „Was würden Sie wählen, Bei allen Umfragen ist zu beachten: Was die Zukunft bringen wird, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahlen wären?“ Zudem sind das weiß niemand ganz genau. 22,8 % 22,6 % 17,6 % 11,9 % 11,0 % 7,4 % 6,7 % Linke SPD Grüne CDU/CSU FDP AfD Sonstige Würde die Wahl tatsächlich so ausgehen, Die fünf möglichen Varianten sind sortiert nach der höheren zu Stand: 30. August 2021 wie in der Grafik zu sehen, dann wären, nach erwartenden Mandatszahl im Bundestag: Erhebungen: 21. Juli - 30. August 2021 allem was bekannt ist, folgende Koalitionen Veröffentlichungen: 27. Juli - 30. August 2021 SPD – CDU/CSU – Grüne am ehesten zu erwarten. Gesamtzahl der Befragten: 27.844 SPD – CDU/CSU – FDP Da keine Zweierkoalition eine Mehrheit findet, SPD – Grüne – FDP Quellen: Infratest dimap (ARD)/ Forschungsgruppe kommen nur Dreierkoalitionen in Frage. Hier CDU/CSU – Grüne – FDP Wahlen (ZDF)/ Forsa (RTL/n-tv)/ Civey (Spiegel)/ Kantar/ gibt es fünf mögliche Varianten. Sobald die SPD – Grüne – Linke Emnid (Focus)/ Allensbach (FAZ)/ INSA (Bild)/ Trend Regierung in Sachsen-Anhalt aus CDU, SPD Research (Radio Hamburg)/ YouGov/ GMS/ Ipsos/ wahlkre- und FDP ihre Arbeit aufgenommen hat, was Diese Koalitionsmathematik basiert ausschließlich auf der aktuellen isprognose.de/ Prognosys/ Wahlfieber noch vor der Bundestagswahl geschehen soll, Umfragelage. Schon eine weitere Umfrage kann diese wieder finden sich alle fünf Varianten in Bezug auf verändern. Und Umfragen sind auch keine Wahlen. Das Rennen ist Berechnung: Von jedem Institut wird die aktuelle Umfrage die beteiligten Parteien aktuell in einem oder momentan sehr spannend, und auch die Koalitionsverhandlungen einbezogen und alle Umfragen werden nach Aktualität mehreren Bundesländern. könnten aufregend werden. Und nicht vergessen: Jede Stimme zählt. gewichtet. Auch die Wahlbörsen finden Berücksichtigung. 10
nett isso. museal! Heimatmuseum Unser Fritz nimmt isso. in die Sammlung auf D as war eine nette Überraschung für unsere Redaktion, als wir erfuhren, dass die isso. nun tatsächlich museal geworden ist! Wie es dazu kam? In Ausgabe #70, Juli-August 2021, hatte isso.-Autor Horst Wnuck umfassend und bildreich über das Heimatmuseum Unser Fritz in Wanne-Eickel berichtet sowie insbesondere über den historischen Fortuna-Kiosk, der im Hof des Museums steht, vor über 100 Jahren aber einmal in Gelsenkirchen (genauer: am Stadtgarten) seine Heimstatt hatte. Da versetzen wir den Kiosk auf unserem Titelbild kurzerhand wieder hin – was bei Museumsleiter Ralf Piorr offenbar so gut ankam, dass er die isso. kurzhand an die Scheibe des Kiosk neben Fix & Foxi, Asterix und das MAD Magazine platzierte – nicht käuflich natürlich, weil ein Museumsstück ;-) Wir bedanken uns für die Wertschätzung und Heimatmuseum Unser Fritz können nur sagen: Wäre das Heimatmuseum nicht Unser-Fritz-Straße 108, 44653 Herne ohnehin schon jederzeit und allemal einen Besuch wert, wäre es spätestens jetzt ein Muss für alle hei- Di-Fr 10-13 & 14-17 Uhr; Eintritt: 1,50 € matverbundenen Gelsenkirchener*innen. Sa 14-17 Uhr; So 11-17 Uhr erm. 50 Cent
lokal ggw kommt unbeschadet durch die Krise Die Schievenfeld-Siedlung wurde 1912/14 für die Beschäfti- gen von Graf Bismarck 3/5 erbaut. Der einheitliche Entwurf von Zechenbaumeister Ernst Hachmann folgt den Ideen der Städtisches Wohnungsunternehmen steigt in den Schulbau ein Gartenstadtbewegung. Seit 1987 gehört die Siedlung der ggw. Foto: Ralf Nattermann Von Denise Klein Jahren soll an der Ebersteinstraße entstehen. ten am Buerschen Waldgürtel vermarktet, Zur Einschulung am 10. August 2022 soll die A n der Gelsenkirchener Gemeinnützi- ist mit 49% Anteilen Gesellschafterin des vierzügige Grundschule mit zwei Turnhallen gen Wohnungsbaugesellschaft mbH Wissenschaftsparks und an der Verkehrsge- an den Start gehen. Dass das zeitlich äußerst (ggw) ging das für viele Unterneh- sellschaft GE mbH, die sich unter anderem ambitioniert ist, kommentiert Harald Förster men wirtschaftlich erschütternde Coro- um Parkhäuser und -plätze kümmert, und an so: „Das wird ein Ritt auf der Rasierklinge.“ najahr 2020 fast geräuschlos vorbei. Zwar der Nordsternpark GmbH beteiligt. Der Bau in Schalke wird mit Betonfertigele- riss die pandemiebedingte Schließung des Im Kita-Bau hat die ggw ihre menten für 22,5 Millionen Euro umgesetzt. Schüler*innenwohnheims Haus Heege ein Erfahrungen in den letzten Loch von rund 300.000 Euro in die Bilanz, Jahren gesammelt, auch konnte man den 70. Geburtstag der ge- neun Projekte wurden „In Gelsenkirchen passiert meinnützigen Wohnungsgesellschaft nicht realisiert. Drei weitere das normalweise nicht“ ordentlich feiern, aber Grund zum Verzagen Kitas kommen in den Harald Förster ist seit dem 1. April hat Geschäftsführer Harald Schuster nicht. nächsten Monaten 2021 Geschäftsführer der Stadtwerke Ganz im Gegenteil. Die ggw macht es mit in der Leithestraße, Gelsenkirchen GmbH. ihrer Produktivität in Sachen Wohnungs-, der Johannes-Rau- Foto: © ggw Schul- und Kita-Bau vor, dass Corona nicht Allee und der Franz- zwangsläufiger Grund sein muss, die Arbeit Bielefeld-Straße hinzu. fast gänzlich einzustellen. Man plant, somit dem Da sich die Rahmenbedingungen, seien Die Stadttochter verzeichnete 2020 einen wachsenden Platzbedarf für sie demografischer oder klimatischer Natur, Höchststand in Sachen Vermietungen seit Kindergartenkinder in Gelsenkirchen gerecht ändern, muss auch das gemeinnützige Woh- über 25 Jahren und konnte mit drei Millionen zu werden. Gerade fertig geworden ist der nungsunternehmen reagieren. So werden Euro den Umsatzerlös auf 36,9 Millionen Kindergarten in der Kanzlerstraße. weiterhin barrierearme Wohnungen gebaut. Euro steigern. Das Betätigungsfeld der ggw 15 Prozent des gesamten Wohnungsange- ist vielfältig, denn neben der Vermietung Schulbau in zwölf Monaten botes sollen es werden. Für Harald Förster ihrer 4.975 Bestandswohnungen ist sie Ei- ist das nicht nur eine wirtschaftliche Frage, gentümerin von 72 Gewerbeeinheiten, neun Doch nun auch noch Schulen? Offenbar denn auch die Gelsenkirchener*innen Kitas und eben dem Haus Heege in Buer. Des traut Verwaltung und Politik es Förster, der werden immer älter. „Ich bin der festen Über- Weiteren ist sie beteiligt an der Stadtent- unter anderem auch noch Interimsgeschäfts- zeugung, dass es den alten Menschen guttut, wicklungsgesellschaft (SEG), die den Umbau führer der Stadtwerke ist, und seiner ggw zu. so lange wie möglich autonom in ihren der Bochumer Straße leitet und die Neubau- Der erste Schulbau in Gelsenkirchen seit 40 eigenen Wohnungen leben zu können.“ 12
Als kommunales Unternehmen kann die ggw Vorhaben und Projekte realisieren, die freie Bauträger nicht mit spitzen Fingern anfassen würden. Ein Beispiel ist die Olgastraße 13 und 15. Die baufälligen Gebäude wurden aufgekauft, abgerissen und in die Lücke eine Kita von 848 qm gebaut. Nutzt der Kindergarten das Erd- und das erste Obergeschoss, so hat die ggw im zweiten und dritten OG jeweils fünf barrierefreie Wohnungen für ein bis zwei Personen gebaut. Ein sozialer Auftrag Die Idee eines Mehrgenerationenhauses in einer Straße, die sozial als schwierig gilt, ist für Förster ein Schritt, der öfter passieren müss- ten. „In Gelsenkirchen passiert das normalerweise nicht“, meint der Geschäftsführer und verweist auf die positive Dynamik für belastete Stadtteile, die ohne Maßnahmen von außen kaum aus der Abwärtsspi- rale herauskämen. Da hätte die ggw schlicht einen sozialen Auftrag. Erster Spatenstich für die Grundschule an der Ebersteinstraße: v.l.: Harald Förster (GF ggw), Werner Wöll Auch die Pflege der Bestandsimmobilien sei ein wichtiges Feld, (Aufsichtsrat ggw), Christoph Heidenreich (Stadtbaurat), Anne Heselhaus (Bildungsdezernentin), denn das Glück allein liegt bekanntlich nicht in einer weiteren Oberbürgermeisterin Karin Welge, Lukas Günther (Aufsichtsratsvorsitzender ggw). Foto: © ggw Versiegelung von Flächen durch Neubauten. „Im Schievenviertel haben wir unter anderem Balkons an die Häuser gebaut. Da kam morgens der Handwerker und hat ein Loch in die Wand für die Balkontür geschnitten, danach die Fensterbauer, und abends konnten die Leute wieder im Wohnzimmer sitzen.“ Als nächstes nimmt man sich der Häuser an der Wall- und der Blumenstraße in Horst an, die auch in die Jahre gekommen sind. Auch die Problematik der immer weiter steigenden Nebenkosten hat Förster im Blick. Bei 5,17 Euro liegt die durchschnittliche Kalt- miete bei ggw-Wohnungen und mit einem Anstieg von 2,2 Prozent im letzten Jahr durchaus moderat. Zu einer Art zweiten Miete haben sich die Kosten mittlerweile hochgeschraubt. Und ein Ende der Steigerung ist nicht absehbar. So zahlen die ggw-Mieter*innen im Jahr 23,3 Millionen Euro Kaltmiete, 10,5 Millionen € kommen aber für Strom, Heizung, Müll etc. hinzu. Das wird für viele Men- Barrierearmes Wohnen ermöglichte die GGW durch Umbau dieser Häuser in der Schievenfeld-Siedlung. schen immer weniger zahlbar. Dass die ggw als gemeinnützig und nicht gewinnorientiert in Gelsenkirchen wirkt, ist ein wich- tiges Instrument, den offensichtlichen Verfall vieler Ecken in der Stadt zu begrenzen. Aber leider nur beschränkt. Dennoch zeigt das Arbeitsergebnis der ggw, dass viele Dinge machbar sind. Die Arbeitshaltung, die Geschwindigkeit und der klare Blick der Geschäftsführung auf die reellen Gegebenheiten vor Ort sollten vielen bürgernahen Ämtern ein Vorbild sein. Es wird spannend bleiben, zu sehen, wie Harald Förster in seiner pragmatischen Art dem großen Einsparzwang bei den Stadtwerken begegnen wird. Auf die lange Bank schieben wird er es nicht. www.ggw-gelsenkirchen.de Wenn Oma wieder tanzt, ohne Angst vor Armut. r e in e M in d e s tr e nte Fü onat. von 1.200€ im M Mehr zu unserem Plan für eine faire Umverteilung auf www.die-linke.de 13
lokal Studio: Was in der KAUE Kapazität: 80 - 100 Personen Was hier möglich ist: kleinere Kulturver- möglich ist ... Hinterhof: Was hier möglich ist: Kunst- und Kulturveranstaltungen, anstaltungen (auch ohne Beschallungs- anlage), Versammlungen, Feierlichkeiten (bis maximal 1 Uhr), Workshops, Sommerfeste, kleinere Backstageraum für Maschinenhalle etc. Kulturfestivals etc. ¼ ictoria eV elmin h Wil Haupthalle: Kapazität: 300 Person (bestuhlt), 500 Personen (unbestuhlt) Was hier möglich ist: Konzerte, Comedy, Kabarett, Lesungen, Theater, Podiumsdiskussionen etc. Kneipe: Was hier möglich ist: Gastronomie kurz vor, während und nach Veranstaltungen ... und was nicht (Getränke und kleinere Speisen) Von Tobias Hauswurz D ie Zukunft der KAUE beschäftigt uns weiter. Seitdem wir mit unserer Recherche Ende April die Kündi- gung des Mietvertrages publik gemacht zum Teil sogar dann, wenn sich Auflagen für haben, ist viel passiert. Die Kündigung Was ist aktuell genehmigt? den Betrieb von Veranstaltungsgebäuden im wurde zurückgenommen, die Stadt hat eine Laufe der Zeit ändern. „Der Bestandsschutz ist Programmkonferenz angekündigt, und wir Es ist tatsächlich komplizierter: Für die Gold wert“, sagt Ute Trapp. haben bei einem Online-Diskussionsabend unterschiedlichen Gebäudeteile gelten teils Anfang Juli interessierte Akteure an einen unterschiedliche Genehmigungen, in Bezug Warum ist das wichtig? Tisch gebracht. In dieser Ausgabe wollen wir auf was stattfinden darf und was nicht. Was erklären, was in der KAUE in Zukunft mög- aktuell erlaubt ist, deckt sich in etwa mit Genehmigungen zu ändern, ist nicht lich und realistisch ist und warum die Sache dem Programm der Emschertainment, z.B. möglich. Sie können nicht ergänzt oder mit den Genehmigungen nicht so einfach Konzerte, Comedy, Kabarett oder Lesun- umgeschrieben, sondern nur komplett neu ist, wie auch wir dachten. gen. Dabei gelten auch Lärmgrenzen und beantragt werden. Alte Genehmigungen sind Ideen zur Zukunft der KAUE gibt es. Aber Betriebszeiten. Veranstaltungen müssen zum dann hinfällig. Das heißt aber auch, dass sind sie auch alle machbar? Theoretisch ja, Beispiel um spätestens 1 Uhr enden, um die alle neuen gesetzlichen Auflagen, die seit Nutzungsänderungen vorausgesetzt. Prak- Nachbarn an der Wilheminenstraße und der der letzten Genehmigung dazugekommen tisch klingt das eher so: Hans-Böckler-Allee zu schonen. sind, dann erfüllt werden müssen. Für die „Es wäre fahrlässig den Eindruck zu Ein wichtiges Detail dabei ist der Bestands- KAUE könne das problematisch werden, vermitteln, dass Nutzungsänderungen nur schutz. An den geltenden Genehmigungen glaubt Ute Trapp, zum Beispiel wegen der formal für jede Idee, die kommt, zu erwirken für den Betrieb der KAUE kann niemand Parkplätze, von denen laut Trapp heutzutage seien“, sagt Ute Trapp, Geschäftsführerin der rütteln. Würden sich beispielsweise Nachbarn mehr vorzuweisen sind, als früher. Auch sei- VEWO Wohnungsverwaltung GmbH, die die über den Lärm bei Konzerten beschweren, en die Verfahren langwierig und die Kosten KAUE vermietet. Bauordnungsrechtliche gäbe es für sie keine Handhabe, solange hoch, fürchtet die Vermieterin und geht von Genehmigungen zu ändern, sei nicht so ein- Lärmgrenzen und Betriebszeiten eingehalten mindestens einem mittleren vierstelligen fach, wie es von außen scheine, so Trapp. werden. Genehmigt ist genehmigt. Das gilt Betrag aus. 14
Der Gastrobereich (2013) Foto: Jesse Krauß Das Ensemble aus v.l. Markenkontrolle, Pforte und Foto: © Carlo Feick / Emschertainment GmbH Lüfterhalle der ehemaligen Zeche Wilhelmine Victoria ¼ Bandauftritt auf der Hauptbühne Foto: Jesse Krauß Der kleinere, Studio genannte Saal Foto: © Carlo Feick / Emschertainment GmbH Was heißt das für die Zukunft der KAUE? Wie geht es weiter? Wer neue Genehmigungen einholen will, Mitte Juni hatte Kulturdezernentin Anne interessierten Kulturschaffenden vorge- zum Beispiel um regelmäßige Partynächte Heselhaus eine Programmkonferenz bis schlagen. Nach wie vor eine gute Idee. Dabei auch bis nach 1 Uhr zu veranstalten, sollte Ende des Jahres angekündigt, „zur Vorbe- könnten sie im kleinen Kreis Gespräche zu wissen, worauf er sich einlässt, genug Zeit reitung des künftigen Angebotes und zur Ideen und Möglichkeiten weiter vertiefen. und das nötige Taschengeld mitbringen. Unterstützung des Findungsprozesses“, wie Bei der großen Programmkonferenz der Neues ist möglich. Einfacher erscheint es es in der Pressemitteilung hieß. Eingeladen Stadt könnte dann vielleicht schon ein derzeit aber, bei dem zu bleiben, was aktuell sind alle interessierten Bürger*innen und grober Plan stehen, der weiter geschärft und genehmigt ist. Gelsenkirchens kulturpolitische Entschei- auch den Gelsenkirchener*innen präsentiert Zwar hat die Emschertainment die dungsträger. Einen spruchreifen Termin für werden könnte. Die wiederum könnten Genehmigungen eingeholt, sie sind aber die Konferenz gebe es aber noch nicht, so dann ihre Meinung abgeben, damit der Plan nicht an den Mieter gebunden, sondern an Stadtsprecher Martin Schulmann. noch besser wird. Bisher ist der Prozess die jeweiligen Gebäudeteile. Neue Mieter Seit der isso.-Veranstaltung zur Zukunft der nicht in Gang gekommen, weil niemand die könnten die Genehmigung nach der Em- KAUE Anfang Juli wissen die verschiedenen Initiative ergriffen hat. Die isso. hatte in der schertainment also einfach „übernehmen“ interessierten Akteure voneinander. KAUE- letzten Ausgabe ganz frech versucht, den und weitermachen. Vermieterin Ute Trapp hatte bei der isso- Staffelstab an das städtische Kulturreferat Veranstaltung zur KAUE einen Workshoptag zu übergeben. Übernommen wurde er bisher mit den anwesenden Vereinen, Gruppen und nicht. Warten wir ab… 15
Politisch in der Stadt! Ruhe „High Life“ auf dem noch relativ neuen Wasserspiel auf dem Rosa- Böhmer-Platz vor dem Hans-Sachs-Haus – gerade an warmen Tagen. Wasserspiel auf dem Rosa-Böhmer-Platz stört Mittagsruhe Nun wurde Anwohnern*innen der Kinderlärm zu viel. Foto: Jesse Krauß Von Joachim Sombetzi Geräuschpegel sorgte. Anwohnerinnen und sehr bewegte. Als durch einen Beitrag im Anwohner beschwerten sich bei der Stadt“, ARD-Magazin MONITOR an die Öffentlich- so der Kommunale Ordnungsdienst. keit kam, wie durch die Führungskräfte des D as Motto des diesjährigen UNICEF- Gelsenkirchener Jugendamtes die Rechte Weltkindertags am 20. September Anders sieht die Lage am kleinen Fontänen- von Kindern und Jugendlichen im Kinder- 2021 lautet „Kinderrechte jetzt!“ feld auf der Ahstraße aus. Auch hier sprudelt und Jugendheim St. Josef der Augustinus- Doch wie steht es mit den Kinderrechten es kräftig. Fühlen sich die Anwohner hier Gesellschaft der katholischen Kirche durch in unserer Stadt? nicht gestört? Das mag daran liegen, dass Überbelegung des Heims über Jahrzehnte viel mehr Kinder am Hans-Sachs-Haus spie- seit 1998/99 bewusst und absichtsvoll mit Eigentlich war es eine freudige Überra- len, da dort direkt der Spielplatz angrenzt. Füßen getreten worden waren. Da war die schung, zumindest für viele Kinder und Dass ein solches Spielparadies viele Kinder Zeit der Unschuld der Verantwortlichen der ihre Eltern, als das Wasserspiel gegenüber anlockt (und natürlich auch soll), sollte Stadt gegenüber Kindern schlagartig vorbei. des Hans-Sachs-Hauses seine Fontänen Grund der Planungen gewesen sein. Doch Eine „normale“ Entwicklung der Kinder- und auf „Wasser marsch“ setzte. Nichts kann im scheinbar hatten die Planer nicht mehr in Jugendlichen wurde durch die Überbelegung Sommer schöner sein, als ein sprudeln- Erinnerung, dass Kinder das Spielen selten von St. Josef seit 1998 planvoll verhindert. des Nass mitten in der Stadt. Doch schon schweigend absolvieren. Das konnte die Öffentlichkeit durch die Aus- kurz nach der ersten Freude gab es Ärger. sagen des Vertreters des LWL-Jugendamtes Anwohner*innen beschwerten sich über zu Historie: Fehlende Kinderrechte in GE – aus Münster und des Geschäftsführers Peter viel Lärm, und kurzerhand wurde das Fontä- Der Jugendamtskandal Weingarten von St. Augustinus im Aufklä- nenfeld täglich zwischen 14 und 16 Uhr in rungsausschuss hören und nachvollziehen. Mittagspause geschickt. Die guten alten Zeiten des Glaubens an eine „In den zurückliegenden heißen Tagen gewisse Normalität im Umgang mit Kindern Nach diesem kleinen Rückblick in die (Juni, Anm.d.R.) war vor allem das Fontä- lagen – wenn überhaupt – sicher vor der Zeit jüngere Vergangenheit wieder zurück zu nenfeld gefragt, was bisweilen für eine des Jugendamtskandals in Gelsenkirchen, der unserem Fontänenfeld am Rathaus. Eine Freibadatmosphäre mit entsprechendem im Mai 2015 viele Bürgerinnen und Bürger Forderung aus dem Jugendamtskandal hätte 16
sein können, dass es Kinderbeauftrage gibt, Haben wir alle nicht davon auch schon mal 2. Mittagsruhe die tatsächlich auch in politische Entschei- etwas gehört? Obwohl es uns nicht genehm dungsprozesse auf allen Ebenen als Quer- war, weil wir es gern ruhig haben? Dabei gibt es bei der Stadt die Mittagsruhe schnittsaufgabe eingebunden werden, wenn eigentlich gar nicht. Hier heißt es auf der es um Kinderrechte geht. 1. Kinderlärm städtischen Website: „Eine besonders geschützte Mittagsruhezeit Der Kinderbeauftragte Ein kurzer Blick in die einschlägigen Gesetze gibt es in Gelsenkirchen nach öffentlich-recht- und seine fehlende Einbindung zum Lärm von Freizeitanlagen und deren lichen Gesichtspunkten nicht. Es kann jedoch Nutzern, die unter den „Freizeitlärmerlass privatrechtliche Regelungen wie z. B. eine Dass die Verwaltung den zuständigen Kin- NRW“ fallen, besagen, dass sowohl der Lärm, Hausordnung geben. Fragen Sie diesbezüglich derbeauftragten Jens Stäbel für den Bezirk der von der Anlage ausgeht, als auch derje- Ihren Vermieter.” Mitte in den Entscheidungsfindungsprozess nige, der vom Verhalten der (kreischenden) eingebunden hätte, ist nicht ersichtlich Kinder ausgeht, hinsichtlich der Kinder Kinderrechte und der und auch nicht zu erwarten. Denn im Auf- einer Besonderheit unterliegt, nämlich dass Missbrauch durch Jugendliche gabenbereich der Kinderbeauftragten wird Geräuscheinwirkungen, die von Kinderta- zwar erwähnt, dass die Themen der Kin- geseinrichtungen, Kinderspielplätzen und Die Gründe, neben dem Lärmargument, derbeauftragten vielfältig sind und sie sich ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise sind fadenscheing. Jugendliche würden die zum Beispiel um „die Spielplatzsituation im Ballspielplätzen durch Kinder hervorgeru- Anlage „missbräuchlich nutzen“, gar ihre Bezirk“ kümmern. Eine vorherige Einbindung fen werden, im Regelfall keine schädliche Fahrräder dort waschen. Doch lassen sich in Entscheidungsprozesse der Verwaltung ist Umwelteinwirkung sind. Denn von Kindern sauberkeitsliebende jugendliche Radfahrer aber ausdrücklich nicht vorgesehen. ausgehende Geräusche sind notwendige von einer Mittagspausenregelung abhalten? Der Deutsche Kinderschutzbund plädiert Ausdrucksform kindlicher Entfaltung, die in Mitnichten, weshalb dieses Argument zum für eine komplette Einbindung des Kinder- der Regel als sozialadäquat zumutbar sind. Wasserabschalten in der Mittagszeit wenig beauftragten. Man könne die Arbeit nicht auf Schaut man sich im Rahmen eines Best- plausibel scheint. Dass das Fahrradwaschen einzelne isolierte Politikfelder beschränken. Practice-Vergleichs, der unter Städten üblich am Wasserspiel keine Schule machen soll, Das würde der UN-Kinderrechtskonvention ist, um das bestmögliche Ergebnis auch für ist verständlich. Doch dafür gibt es den zuwiderlaufen. die eigene Stadt zu erzielen, finden sich KOD, der schließlich in der Innenstadt nach unter den Städten in NRW interessante dem Rechten schauen soll. Ungleiches mit Vergleiche. Der Hinweis bei der Stadt Kleve Gleichem bekämpfen, war noch nie eine „Mittagsruhe“ kontra zum Kinderlärm lautet: gute Lösung. „Kinderrecht auf Lärm“? „Nach der aktuellen Rechtslage stellt der Menschen in meinem Umfeld antworteten Fontänenfeld und „Stadtklima“ übliche von Kindern verursachte Lärm am Tage auf Nachfrage, dass sie die Mittagsruhe für keine wesentliche Beeinträchtigung dar. Auch eine gültige Rechtsposition halten. „So wird Die Idee der Stadt Gelsenkirchen, in der Innen- wenn der Kinderlärm mitunter als besonders es schon richtig sein. Dagegen wird man stadt – die sich in einer augenscheinlichen störend empfunden wird, ist er als Lebensäu- wohl wenig machen können. Kinder sind Fehlplanung durch versiegelte, zubetonierte ßerung unvermeidbar und kann insbesondere eben laut. Ältere Menschen brauchen ihre Flächen nicht nur jeglichen Charmes, sondern in einem Wohngebiet der Nachbarschaft regel- Mittagspause”, so war immer wieder zu hören. auch jeglicher gesunder Klima-Atmosphäre mäßig zugemutet werden. Dies trifft auch auf Aber stimmt diese Ansicht der Mitmen- ohne Not entledigt hat – Fontänenflächen zu reine Wohngebiete zu.” schen eigentlich? Hat der Gesetzgeber nicht installieren, war eine gute. Vielleicht kaschiert vielmehr im Zuge einiger vorangegangener Und auch die Stadt Bonn schreitet nur bei sie die verspätete Erkenntnis, dass auch ein Mietrechtsentscheidungen über Lärm auf besonderer Lärmbelästigung maßvoll ein, Rasenfeld, wie auf der Ebertstraße, keine Spielplätzen, Hinterhöfen oder Gärten zu- etwa bei besonders intensivem Skateboard- Bäume mit Schattenfunktion ersetzt. Doch gunsten der Kinder ausdrücklich ein „Kinder- fahren mitten im Wohngebiet. Hier vermitteln erfreuen sich Mensch und Tier nicht nur am recht auf Lärm“ in Gesetzesform gegossen Kinderbeauftragte oder Sozialarbeiter*innen kühlen Nass, sondern auch am Geräusch und und damit eine unbedingte Ausnahme vom und suchen nach einer verträglichen Lösung. an der Bewegung von Wasser. Mit den beiden Lärmschutz zugunsten der Kinder etabliert? So kann es also auch gehen. Fontänenfeldern hat man Orte geschaffen, an AVENUE Q Musical von Robert Lopez, Jeff Marx und Jeff Whitty ab 29. August 2021 mir.ruhr/avenueq
Politisch Mein Kommentar Die Ablehnung gegenüber Kinderlärm hat sich durch die Mittagspausenregelung der Stadt nunmehr vor Ort verwirklicht. Untermalt wird das tönende Schweigen am traurig-grauen, kinderfreien Fontänenfeld zur Mittagszeit atmosphärisch von einer metallenen Spielkugel für die Kinder, die von Baugattern eingesperrt ist. Mit diesem weiteren Spielverbot in Gelsenkirchen-City, das temporär gilt, bis der Sommer wieder vorbei ist – wenn also die Gefahr von Verbrennungen an der Metallkugel nicht mehr besteht – liefert die Stadt am Rathaus insgesamt eine wenig erfreuliche, wenn nicht sogar bedrückende Atmosphäre. Mischgenutzte Innenstadt als Konzept, um nach Corona die City attraktiver zu ma- chen, ist in einem kleinen Heft „Einkaufsstraßen neu denken – Bausteine für neue Perspektiven“ vom Team Junker/Pump-Uhlmann durch das StadtBauKultur NRW- Projekt in GE von der Leithestraße publiziert. Spielverbote am HSH entsprechen nicht deren Forderung, eine „lebendige Innenstadt mit urbaner Atmosphäre“ anzustreben. Stattdessen will die Stadt insoweit mit den üblichen Mitteln arbeiten: „Fördermittel sollen Zentren beleben“, betitelt die WAZ am 29. Juni den üblichen Glauben der Politik an einen Einheitsbrei, der auf „die klassischen Kaufhäuser und Ketten, die es für eine gute Einkaufsatmosphäre braucht“, setzt. Auf diese Weise wird eine notwendige moderne Wirtschaftsförderung der Innen- stadt durch eine überholte Vorstellung angestrebt, die allein aufs Geld setzt. Das reicht jedenfalls dann nicht, wenn gleichzeitig die Kommune durch ihren KOD die UN-Kinderrechte, konkret in Form der Bundes- und Landesgesetzgebung zum „Lärm Foto: Jesse Krauß von Kindern“, ignoriert. Und der Eindruck entsteht, dass der „Wohlfühlfaktor der Zen- tren“ sich allein in belebter Natur der „Gastro-Angebote“ wiederfindet. Wenn statt bunter, lebendiger Atmosphäre mit Kindern eine obrigkeitsstaatliche Kommunalräson Der Rosa-Böhmer-Platz ist nach der neunjährigen Rosa eine öffentliche Mittagsruhe am Fontänenfeld des Rathauses in der City zur Unzeit Böhmer benannt, die, aus einer Sinti-Familie stammend, von etabliert, ist das alles andere als ein Beleg für die Zukunftsfähigkeit der Stadt. den Nationalsozialisten aus Gelsenkirchen deportiert wurde und 1943 im Vernichtungslager Ausschwitz-Birkenau starb. Gerade vor diesem historischen Hintergrund ist bemerkens- wert, dass es heute vielfach Kinder aus Roma-Familien sind, die unbeschwert auf dem Fontänenfeld spielen. denen sich die Gelsenkirchener*innen gerne aufhalten. Und zur Stadtbelebung beitragen. Die grundsätzlich graue Atmosphäre der Während der Sommermonate Innenstadt wird durch die beiden Fontänen- wegen „Verbrennungsgefahr“ felder am Hans-Sachs-Haus und am Hein- gesperrt: die metallene Spiel- rich-König-Platz aufgebrochen. Glückliche kugel auf dem neu gestalteten Kinder, die sich am und mit dem Wasserspiel Spielplatz am Fritz-Rahkob-Platz. erfreuen, wie ich das vor Ort bei einer Bege- Hier ließe sich fragen, warum hung festgestellt habe, stellen eine positive man für öffentliches Geld ein Energie dar. Der Ort lebt. Die Stadt erscheint Spielgerät installiert, das dann jung. Das ist für eine Stadt wie Gelsenkir- einen Gutteil des Jahres nicht chen mit einer im Durchschnitt eher älteren genutzt werden darf. Bevölkerung ein bemerkenswerter Aspekt. Foto: Joachim Sombetzki Klingel defekt? Stromausfall? Kein Warmwasser oder TV? Die Couch ist weg Unser Reparaturservice hilft sofort! Schnell und zuverlässig! (wir behandeln euch trotzdem!) 24 Stunden-Notdienst 0173 / 27 29 462 www.emd-elektrik.de 0209 / 51 70 55 Fischerstr. 4, 45899 Gelsenkirchen-Horst 18
Sahra Künstlerisch kommt Salomé Berger – Die verbotene Frucht – 2020, Öl auf Leinwand, 115 x 90 cm Jesse Krauß – Tondo mit Koffer – 2018, Tinte auf Papier, 13,5 x 13,5 cm, Sammlung Walter Im Gegensatz Salomé Berger und Jesse Krauß zeigen Kontrastierendes Z wei Künstler, welche unterschiedlicher nicht sein könnten: den Zeichner Jesse Krauß und die Malerin Salomé Berger. Gemeinsam stellen sie nun beim Kunstver- ein „werkstatt“ aus. Krauß’ Zeichnungen sind filigrane, pointierte Arbeiten, entste- 14. September hend aus einem unerschöpflichen Fundus an Witz, Beobachtungen und Einfallsreichtum. Oft bevölkert von allerlei (manchmal menschlichen) Wesen und aufs Minimum reduziert ab 15 Uhr tz Heinrich-König-Pla in Grösse und Farbe. Dem gegenüber stehen Bergers meist menschenleere Öl-Arbeiten. In den oftmals großformatigen Malereien spielt Berger mit den Themen der Landschaft, Künstlichkeit, Collage und der Farbe selbst als Medium. Die Unterschiedlichkeit der beiden Positionen erzwingt ein verschiedenes Vernissage: Fr 10. Sept. 2021, 18 Uhr Sehen und Wahrnehmen im Raum und „werkstatt“ e.V., Hagenstr. 34, 45894 GE-Buer zum Bild, was wiederum ein völlig neues Ausstellung bis 24. Sept. 2021, geöffnet Di-Fr 16-18 Uhr Spannungsfeld erzeugt. www.werkstatt-ev.de Public Rooms Marion Falkowski zeigt Öffentliches I n Gelsenkirchen vergeht kein Tag, an dem man nicht an einem großen Sperrmüllhau- fen vorbeikommt. Eher unschön, Gelsendienste bitte schnell anrü- cken! Dass man diese Fundstücke auch mit dem künstlerischen Auge betrachten kann und sie zum Bildsujet macht, beweist die Gelsenkirchener Fotografin Marion Falkowski mit ihrer Ausstellung „Public Rooms“. Falkowski zeigt in dieser Ausstellung 17 Farbfotografien von Sitzmöbeln, die von ihren ehemaligen „Besitzern“ auf die Straße gestellt wurden. Im Grunde eine Erweiterung der Wohnräume in den öffentlichen Raum hinein. Alles wurde so vorgefunden, nichts wurde arrangiert. An manchen Orten wird man öfter fündig, und manche Möbel ziehen auch schon mal um. Zu beachten gilt auch die Farbwahl bzw. Art der einzelnen Stücke zur ihrer Umgebung. Marion Falkowski wurde 1967 in Gelsenkirchen geboren und kam als Kind durch ihren Vater zur Fotografie. Ihre Arbeiten veröffentlicht sie in Ausstellungen Eurasia Galerie, Bergmannstr. 32, GE-Ückendorf und Internetportalen. Ausstellung bis Mo 27. Sept. 2021, Termine nach Vereinbarung info@marion-falkowski.de 19
künstlerisch Mit der U-Bahn nach Westerholt Auf den Spuren des Ruhrgebiets-Künstlers Many Szejstecki von Horst Wnuck n der U-Bahn-Station Trinenkamp Die U-Bahn-Station am Bismarcker Bergbauingenieur beendet hatte. Bereits der Linie 301 bin ich gestartet, und Trinenkamp zieren vier Werke von Many in den 1960er Jahren fing er parallel gelandet bin ich am Ende irgend- Szejstecki, aus denen ich auf den ersten dazu an, künstlerisch zu zeichnen. 1976 wo im Niemandsland zwischen Hassel Blick nicht so richtig schlau wurde. Doch begründete er die bis heute bestehende wer war denn überhaupt dieser Künstler? Künstlergruppe „werkstatt“ in Buer. Im und Westerholt. Wie ich mit der U- Manfred „Many“ Szejstecki starb im Ruhestand ging er dann voll in seiner Bahn nach Westerholt gekommen bin? Januar 2016 im Alter von 84 Jahren. Als Kunst auf und erregte durch seine gigan- Gar nicht, denn ich bin nicht U-Bahn er mit 52 in den Ruhestand ging, hatte er tischen, perspektivischen Bergbaupano- gefahren, sondern dem Wirken von eine Bergbau-Karriere hinter sich, die er ramen einige Aufmerksamkeit. Many Szejstecki gefolgt – über den ich als jugendlicher Bergmann begonnen, als Er war Teil einer besonders im Ruhr- in der U-Bahn gestolpert bin. Reviersteiger fortgeführt und 1984 als gebiet verbreiteten Bewegung, die sich 20
Manche seiner großen Panoramen wirken geschlossen wurden. Durch Zufall erfuhr wie aufgerissene Sardinendosen, in denen ich davon, dass Many Szejstecki auch hier die Landschaft über- und untertage pers- ein Kunstwerk hinterlassen hat. Das wollte pektivisch ausgeleuchtet wird. Mal ist der ich mir mit eigenen Augen ansehen. Also Blickwinkel dabei von oben nach unten machte ich mich auf zur Zeche Westerholt. gerichtet, mal wird das Gelände von tief unter der Erde aus der Maulwurfperspek- tive der Bergleute gezeigt. Die akribisch erstellten Panoramen haben etwas von dreidimensionalen Landkarten, die zeigen, wie es unter der Erde an bestimmten Orten des Reviers aussieht. Bei seinen Kunstwer- ken konnte Szejstecki seine Erfahrungen aus dem Bergbau quasi weiter nutzen. Er entwickelte ein Gitternetzwerk, das seine Pano- ramen wie frühe 3-D-Simulationen am Computer er- scheinen ließen. Und tatsächlich erarbeitete er seine Collagen später auch an einem Commodore 64 PC. Den ziemlich verrückten Plan, ein multimediales Gesamtpa- norama des Ruhrgebiets zu erstellen, konnte er am Ende nicht mehr verwirklichen. Die Gelsenkirchener Altstadt Vor diesem Hintergrund erschlie- gesehen aus 500 m Tiefe. ßen sich nun auch die Werke in der U-Bahn Trinenkamp. Es ist der Blick von unten aus dem U-Bahn-Schacht hinauf zur Stadt. Auch ein geniales Bilderrätsel für Auf dem ehemaligen 37.000 Quadratme- Ortskundige. ter großen Zechengelände sind große Dinge geplant. Die Städte Gelsenkirchen und Herten sowie die RAG haben sich zu D ie letzte Station der Bergbau-Karri- einer Kooperation zusammengetan und ere Many Szejsteckis war die Zeche die Entwicklungsgesellschaft „Neue Zeche Westerholt. Hier auf Schacht 3 wur- Westerholt“ gegründet. Unterstützt wer- de die letzte Kohle unter den Städten Gel- den sie dabei von EU, Bund und Land. senkirchen, Herten und Dorsten gefördert. Es wurde von vielen Expertenteams Vier große Untertage-Ansichten von Gelsenkirchen finden Der Zechenverbund auf der Stadtgrenze und mit Beteiligung der Menschen in den sich in der U-Bahn-Haltestelle Trinenkamp. Sie korrekt zu zwischen Gelsenkirchen und Herten Quartieren ein Masterplan erstellt, der die „lesen“ erfordert genaues Hinsehen und gute Ortskenntnis. nannte sich zuletzt Bergwerk Lippe. Hier Zukunftsperspektive des Areals aufzeigen Foto: Ralf Nattermann ging die Bergbaugeschichte schon 2008 soll. Durch die künftige diverse Nutzung zu Ende, also zehn Jahre vor Schließung sollen neue Atmosphären entstehen, und der letzten Ruhrgebietszeche in Bottrop- die Menschen sollen die Chance erhalten, Kirchhellen, aber deutlich später als auf sich das alte Zechengelände zu erobern. Hugo oder Ewald, die schon im Jahr 2000 Die ehemaligen Torhäuser der Zeche mit der nahen Arbeitswelt künstlerisch auseinandersetzte. So stellte er gemein- sam mit Tisa von der Schulenburg aus und war mit Helmut Bettenhausen, dem Gründer der ersten Künstlerzeche der Welt in Wanne-Eickel, vernetzt. Seine Werke „Man wird von Many Szejstecki (...) an die Hand wurden ausgestellt im Deutschen Muse- genommen in den Fahrstuhl der Geschichte um in München, im Gropiusbau in Berlin – die Erde wird zum scheinbar ewigen ‚begeh- oder auch in Nottingham. Sie sind heute baren’, einsehbaren, logisch durchleuchteten in der Ruhr-Uni genauso zu finden wie im Grubengebäude.“ Bergbaumuseum oder auf Zollverein. Hans-Jörg Loskill, 2007 21
künstlerisch Selbstporträt im Spiegel während der Kolorierung des Panoramas „Marler Graben“, vermutlich 1993 Im Pott, 1990, Serie von digitalen Grafiken, 54 x 42 cm © Szejstecki, Repro: Lukas Schepers © Privatsammlung, Repro: Lukas Schepers E zeigen sich nach ihrer denkmalgerech- sich Many Szejstecki abseits von seinem inen „Wanderer zwischen den Wel- ten Modernisierung bereits als kleine Hauptwerk mit einem Kaskadenwasser- ten“ sieht Lukas Schepers in Many Schmuckstücke. Neben der Entwick- spiel. Aus den Resten einer alten Anlage Szejstecki. Der aus Buer stammende lungsgesellschaft hat in ihnen auch das zur Kohlenwäsche, die nach der Errichtung und in Hamburg lebende Kunsthistori- Stadtteilbüro Hassel Westerholt Bertlich einer neuen Anlage überflüssig wurde, ker sagt: „Für die Bergleute war er ein ein Zuhause gefunden. bastelte der Künstler und Ingenieur ein Künstler, in der Kunstszene war er der Das alte Zechengelände soll zukunftsfä- Wasserspiel. Es war kein Wasserspiel, wie Bergmann.“ hig gemacht werden und dabei positiv auf es vor mondänen Burgen oder Schlössern In seiner Autobiografie drückte Szejste- die Stadtteile ausstrahlen. Der Rückbau zu sehen ist, sondern eines vor einem ckis selbst die Verbindung von Arbeit und der früheren industriellen Anlagen hat be- Zechengebäude, und es erstand aus typi- Kunst in seinem Leben so aus: „Ich glaube, reits begonnen, aber noch liegt ein weiter schen Materialien des Bergbaus. bei mir bedingen sich Beruf und Berufung. Weg vor den Akteuren. Das eine befruchtet das andere.“ Hier auf „seiner“ letzten Zeche verewigte Foto: © Kulturraum „die flora“, Wiltrud Apfeld Auch im Kulturraum „die flora“ lässt sich Szejstecki entdecken. Das Panorama gleich über dem Haupteingang zeigt den Blick von Süden Richtung Buer. 22 Im Vordergrund Sutum, das Sportparadies und Erle, im Mittelgrund das Parkstadion und der Berger See, im Hintergrund die Innenstadt von Buer.
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