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          Das Magazin für das Lehren und Lernen 3/2021

Räume
Grenzenloser         Lernreise                        Freiraum für
digitaler Raum       Volksschulen                     fantasievolles Spiel
Der digitale Raum    Der CAS-Lehrgang zur             Im «Spielzeugfreien
prägt zunehmend      «Schule in der Digital­kultur»   Kindergarten» können
die Lebenswelt der   beginnt im Wald. Ein be-         Kinder neue Spielwelten
Kinder.              wusst gesetzter Kontrast.        entdecken.
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Die bewährte Reihe «Dossier 4 bis 8»
heisst jetzt «Dossier WeitBlick NMG»

                          «Dossier WeitBlick NMG»
                          ANPACKEN! –
                          Für die Gemeinde arbeiten

                          Handbuch
                          2. Auflage 2021

                          52 Seiten, A4, farbig illustriert,
                          geheftet
                                            www.schulverlag.ch/
                                            89963      27.00

Die bewährte Reihe «Dossier 4 bis 8» bildet die Grundlage für den   Bausteine im aktuellen Dossier:
Aufbau von Kompetenzen, die im Lehrmittel «WeitBlick NMG» (www.     › Wer packt in der Gemeinde an? – Auf Wimmelbildern arbeitende
weitblick-nmg.ch) aufgenommen werden. Deshalb heisst die Reihe        Menschen entdecken und ordnen
ab 2021 «Dossier WeitBlick NMG». Das bewährte Konzept bleibt:       › Welche Arbeiten stehen an – Sammeln von Beobachtungen rund
Praxis­erprobte Lernarrangements (Bausteine) bieten entwicklungs-     um das Arbeiten in der Gemeinde
orientierte Zugänge zu Kompetenzen aus dem Fachbereich NMG          › Vom Modell zur Kulisse – Modelle von Arbeitsorten herstellen
(Lehrplan 21), unterstützen bei der Planung von thematischen,         und bespielen
fächerverbindenden Unterrichtssequenzen und von Spiel-Lernum-       › Memory und darüber hinaus – Merkmale von Berufen beschrei-
gebungen für den Anfangsunterricht. Diese können je nach Unter-       ben, sammeln und ordnen
richtssituation, Klasse und Jahresplanung der Lehrperson ange-      › Schrumpfdorf – Freispiel im Schrumpfdorf und in der
passt sowie mit eigenen Ideen ergänzt werden.                         Bewegungs­landschaft

           Das neue Dossier 1/2022 «Leben am und im Wasser – Bäche und Weiher erkunden» erscheint im April 2022
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                                                                                                         3

«Die Räume. Die Räume! Sie stimmen wieder nicht!» Paul gefiel sich in
der Rolle des zornigen Gestaltungsdirektors. Er warf die ausgedruckten
Entwürfe auf den Tisch und verordnete Nachbesserung. Oder griff selbst
zum Bleistift und zeichnete vor, wie mit «dem Raum» umzugehen sei. Als
junger Journalist verstand ich Bahnhof. Räume? Inwiefern sollen die
stimmen müssen, stimmen können?

Paul meinte den Weissraum, lernte ich später, und dieser Weissraum
stimmte für ihn, wenn die verschiedenen Elemente wohlgeordnet auf
einer Seite platziert waren. Oder wenn sie in harmonischen Proportionen           Iwan Raschle

M = O/C
zueinander standen? Dann hätte Paul den goldenen
Schnitt erwähnen können. Und seine Grafikerin
hätte ihm vielleicht geantwortet: «Ach, der Goldene
Schnitt … Das ist so langweilig. Regeln sind dazu      Räume? Inwiefern
da, gebrochen zu werden.» Auf die Frage, gegen
welche Regel sie in ihrem Entwurf denn ver­stossen
                                                       sollen die stimmen
habe, hätte er keine Antwort erhalten.                 müssen, stimmen
Die Schönheit liege im Auge der Betrachterin, des      können?
Betrachters, heisst es. Was wir als schön empfin-
den, lässt sich aber auch berechnen. «M = O/C» lautet die aus den
1930er-Jahren stammende Formel eines amerikanischen Mathematikers
dafür: Das ästhetische Mass M ist umso grösser, je grösser die Ordnung
O bei gleichbleibender Komplexität C ist.

Paul meinte nicht die Räume. Sondern die Ordnung. Die vielen Dinge,
die auf engstem Raum schlecht platziert sind. Liessen wir sie alle weg,
bliebe der Raum selbst. Aufgeräumt. Aber unsichtbar.

                                                                          profil 3/21 © Schulverlag plus AG
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Inhalt
Grenzenloser digitaler                                 6    Schulräume                                         20
Raum                                                        im Wandel
              Der digitale Raum wird grösser und            Pädagogische Überlegungen, zusätzlicher Platz-
              prägt zunehmend die Lebenswelt der            bedarf, die Übernahme eines neuen Schulzimmers
             Kinder und Jugend­lichen. Wie sich die         oder einfach Freude an Veränderungen können
            Nutzung der Medien durch Jugendliche            Gründe für die Umgestaltung von Schulraum sein.
            in den letzten zehn Jahren gewandelt            Die kreative Lösungssuche in diesem Prozess
          hat und was dies für die Schule bedeutet –        vereint die vier porträtierten Beispiele.
          ein Gespräch mit Daniel Süss.

Start-ups gründen                                      10
im Englischunterricht                                       Auf langer                                         24
Im Projekt Teen-Preneurs entwickelten Englisch-             Denkreise
schülerinnen und -schüler der Sekundarschule
Burg in Liestal eigene Start-ups. Wie funktioniert          Sie setzt sich seit über 25 Jahren mit digitalen
das? Profil befragte Stella Stejskal, die Initiantin        Möglichkeiten im Unterricht auseinander.
dieses preisgekrönten Projekts.                             Zuerst als Lehrerin und Heilpädagogin, später
                                                            auch als Schulleiterin, Erwachsenenbildnerin
                                                            und Beraterin. Heute begleitet Rahel Tschopp
                                                            Schulen auf ihrem Weg zur Lernkultur in der
 Lernreise                                             14   Digitalität.

 Volksschulen
20 Lehrpersonen starten ihren CAS-Lehrgang zur
«Schule in der Digital­kultur» – und dies im Wald. Der        Klassen-                                         26
Lernort passt gut zum Thema «Wie lerne ich, eine
fragende und neugierige Haltung einzunehmen?» und
                                                              zimmer unter
setzt einen bewussten Kontrast zu Vorstellungen               den Bäumen
von Schulen in der Digitalkultur.
                                                            Der Wald ist ein beliebter Erholungs- und Erlebnisraum.
                                                            Und ein grosszügig eingerichtetes Klassenzimmer:
                                                            Die Waldschule Baden ermöglicht den Kindern sinnliche
                                                            Lernerfahrungen direkt in der Natur.
Der leere Raum:                                        18
Freiraum für fantasie-
volles Spiel
Im «Spielzeugfreien Kindergarten» können Kinder
                                                                       Weitere Beiträge
neue Spielwelten entdecken und dabei ihre Lebens-                      Editorial		 3
kompetenzen stärken. Ein Interview mit Cornelia                        Rätselauflösung		30
Rüdisüli, die das Projekt umgesetzt und anschliessend                  Impressum		47
wissenschaftlich untersucht hat.
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                                                                                                                              5

 Der Schulverlag                                     32   Bühne frei!                                               42
 zieht bald um                                            Elf online-Projektpräsentationen bewiesen,
                                                          wie kreativ Schülerinnen und Schüler eine
 An der Belpstrasse 48 ist vieles zu umständlich          neue und grosse Herausforderung angehen
 geworden. Der Schulverlag plus will den Aus-             und meistern. Bericht über die Premiere
 tausch unter den Abteilungen fördern und des-            des «Festival Projekt 9», das auch vom Schul­
 halb näher zusammenrücken. Ein neuer Ort im              verlag unterstützt wird.
 Osten Berns ist gefunden.

Auf literarischer                                    35                Projekt 9
                                                          Räume erschaffen,
Weltreise mit                                                                    44
«SPRACHWELT 2»                                            einrichten, bespielen
Literarische Texte eröffnen Welten, fördern               Der WERKWEISER 1 bietet eine Menge An­
Fantasie, ermöglichen emotionale und sinnliche            regungen, wie sich Schülerinnen und
Zugänge. In SPRACHWELT 2 befassen sich                    Schüler im Textilen und Technischen Gestalten
die Schülerinnen und Schüler umfassend mit                mit Räumen auseinandersetzen können.
verschiedenen Geschichten und Literatur-
formen aus der ganzen Welt.

Ein Deutschlehrmittel,                               36
das motiviert
«Sprachwelt 1» unterstützt Lehrpersonen
beim Deutsch­unterricht. Auf spielerische Art
und Weise, durch viel­seitiges Sprachhandeln,
systematisches Arbeiten und individuelles
Training. Luana Greco kennt das Lehrmittel
aus erster Hand – und berichtet von ihren
Erfahrungen.

«Die Kinder arbeiten                                 38
sehr gerne digital»
«Mille Feuilles» und «Clin d'œil» bestehen aus ge-
                                                                         Weitere Beiträge
druckten und digitalen Elementen. Masa Neuen-                            Editorial             31
schwander und Michael Keller schildern im                                Nachgefragt           45
Gespräch mit dem Schulverlag ihre Erfahrungen                            Neuerscheinungen      46
mit den digitalen Teilen der beiden Franzö-                              Veranstaltungen       48
sisch-Lehrmittel.

                                                                                               profil 3/21 © Schulverlag plus AG
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Grenzenloser digitaler

Der digitale Raum wird grösser und prägt zunehmend die Lebenswelt
der Kinder und Jugendlichen. Wie sich die Nutzung der Medien durch
Jugendliche in den letzten zehn Jahren gewandelt hat und was dies für die
Schule bedeutet – ein Gespräch mit Daniel Süss. Von Christian Graf.
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                                                                                                                            7

Raum
                                    Physische und digitale

                    com
                 k.adobe.
                                    Räume werden zunehmend
            nd – stoc
                                    stärker vernetzt.
         Jacob Lu
       Bild: ©

                        profil: Sie haben im Rahmen der Erhe-            Welche Auswirkungen hat die intensive
                        bung JAMES über 1000 Jugendliche                 Nutzung des Smartphones auf das
                        zwischen 12 und 19 Jahren zu ihrem               Verhalten der Kinder und Jugendlichen?
                        Freizeitverhalten und zu ihrer Medien-
                        nutzung befragt. Welche zentralen                Die erweiterten Möglichkeiten des Smartpho-
                        Entwicklungen in der Mediennutzung               nes und die einfache Verfügbarkeit von Pro-
                        durch Jugendliche konnten Sie in den             grammen, die in immer intuitiveren Oberflä-
                        letzten zehn Jahren feststellen?                 chen angeboten werden, führen zu einer sich
                                                                         verändernden Nutzung.
                        Daniel Süss: Im beobachteten Zeitraum ist die        Wir stellen eine auffällige Verschiebung zu
                        Bedeutung des Smartphones für die Jugendli-      einer Kultur der visuellen Kommunikation
                        chen stets gestiegen. Immer mehr Kinder und      fest. Sowohl bei der mit dem Austausch von
                        Jugendliche haben ein Smartphone, immer          Fotos verbundenen Selbstinszenierung wie bei
                        mehr mit unlimitierter Datenmenge. Das           der Verbreitung inhaltlicher Botschaften
                        Smartphone ist zum absoluten Leitmedium          durch Jugendliche spielen visuelle Umsetzun-
                        von Kindern und Jugendlichen geworden. Sie       gen eine wichtige Rolle.
                        nutzen es für Unterhaltung, Information und          Und obwohl der passiv konsumierende
                        Kommunikation ebenso wie für das Lernen.         Umgang immer noch dominiert, nimmt die
                        Das Gerät integriert auch die traditionellen     eher reaktiv-konstruktive Nutzung bei Jugend-
                        Medien und ist dadurch gewissermassen zum        lichen zu. Jugendliche werden zunehmend zu
                        Metamedium geworden.                             Kuratorinnen und Kuratoren, indem sie mit
                                                                         einem eigenen Blick auf Dinge, die von ande-
                        Hat sich die Nutzungszeit deswegen               ren schon geschaffen wurden, etwas Eigenes
                        verändert?                                       entwerfen und ein originäres Werk schaffen.

                        Wir stellen in den Berichten jeweils dar, wie    Kinder und Jugendliche verändern
                        hoch der Anteil der häufigen Nutzung (Nut-       also ihr Verhalten im digitalen Raum.
                        zung täglich oder mindestens mehrmals pro        Mit welchen Folgen?
                        Woche) verschiedener Medien ist. Beim Handy
                        fragen wir direkt nach den Nutzungszeiten.       Physische und digitale Räume werden zuneh-
                        Die von den befragten Jugendlichen selbst ein-   mend stärker vernetzt. Es ist heute für Kinder
                        geschätzte Handynutzungszeit ist 2020 noch       und Jugendliche möglich, physisch mit Famili-
                        einmal gestiegen: an einem Wochenendtag um       enmitgliedern zusammen und gleichzeitig mit
                        rund 1 Stunde 55 auf insgesamt 5 Stunden,        Freundinnen und Freunden virtuell verbun-
                        unter der Woche um 40 Minuten auf 3 Stunden      den zu sein. Jugendliche können mit ihrem
                        10 Minuten täglich.                              Smartphone ganz vieles in ihren eigenen Räu-

                                                                                             profil 3/21 © Schulverlag plus AG
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men virtuell und faktisch aushandeln. Damit
haben sie in den letzten Jahren immer mehr
autonome Bewegungsräume erhalten, deren                      Wenn die digitale Welt bedrohlich wird
Kontrolle durch Erwachsene anspruchsvoller                   Daniel Süss erwähnt im Interview, Cybermobbing, Verhaltenssucht und der
wird.                                                        Umgang mit Sexualität und Pornografie im digitalen Raum seien Themen,
                                                             die die Schule aufnehmen müsse. Eine kurze Erklärung zu den drei Themen.
Sie waren selbst Primarlehrer. Was
                                                             Cybermobbing
bedeutet aus Ihrer Sicht diese Verlage-
                                                             Wer jemanden online beleidigt, belästigt oder bedroht, betreibt Cybermobbing. Eine
rung der Lebensrealität von Jugendli-
                                                             harmlose Hänselei in einem Chat oder in einem Forum kann rasch bedrohliche
chen in zunehmend digitalere Räume
                                                             Dimensionen annehmen. Es wichtig, Jugendliche früh dafür zu sensibilisieren, dass
für die Volksschule?                                         Cybermobbing strafbar sein kann. Und dass es wichtig ist, rechtzeitig einzuschreiten,
                                                             wenn ein Verdacht auf Cybermobbing besteht. In der Schweiz hat gemäss James
Nach wie vor ist die Schule ein Ort des Lernens              Studie 2020 ein Viertel der Jugendlichen bereits einmal Cybermobbing erlebt.
und Übens, wie man sich in digitalen Räumen
bewegt, wie Risiken vermieden und positive                   Onlinesucht (Verhaltenssucht)
Potenziale genutzt werden können. Als wesent-                Viele Jugendliche und auch Erwachsene sind ständig online – «always-on». Sie
liche Themen, die die Schule aufnehmen muss,                 checken dauernd Mails, Chats und Social-Media-Einträge, und sie sind auf vielen
erachte ich Cybermobbing, Verhaltenssucht                    Social-Media-Kanälen präsent, wo sie sich Anerkennung und Zugehörigkeit erhoffen.
und der Umgang mit Sexualität und Pornogra-                  Auch Onlineplattformen oder Games mit ausgeklügelten Belohnungssystemen
                                                             erhöhen die Onlineabhängigkeit. Durch das «Always-on»-Sein verschiebt sich der
fie im digitalen Raum.
                                                             Lebensmittelpunkt in die digitale Welt – was längerfristig dramatische Folgen haben
     Die Schule muss gleichzeitig die Frage im-
                                                             kann. Gemäss der Studie «EU Kids onlin: Schweiz 2019» sind 23 Prozent der Schwei-
mer wieder neu beantworten: Was machen wir
                                                             zer Jugendlichen beim Versuch gescheitert, weniger online zu sein.
digital, was offline, und wo lassen sich die bei-
den Formen sinnvoll verbinden?                               Sexualität und Pornografie
     Auch die Rolle der Lehrperson ist durch die             Die Neugierde gegenüber Liebe und Sexualität gehört zum Erwachsenwerden. Viele
veränderte Mediennutzung von Kindern und                     Jugendliche klären sich mit Hilfe des Internets nicht nur auf, sie suchen auf diesem
Jugendlichen betroffen. Denn das Wissensmo-                  Weg auch neue Bekanntschaften und tauschen erotische Mitteilungen oder Bilder
nopol der Schule und der Lehrpersonen wird                   aus. Dadurch wird das neugierige Entdecken zum Risiko: Intime Texte und Bilder
zunehmend relativiert, die Kinder und Jugend-                können in Kürze weit verbreitet und zu Cybermobbingzwecken verwendet werden.
lichen recherchieren immer öfter und schnel-                 Altersgerechte und unaufgeregte Gespräche zwischen Eltern und Heranwachsenden
ler selbst. Die Lehrperson muss sich zuneh-                  sowie deren verständnisvolle Begleitung durch die Erziehungsberechtigten sind
                                                             wichtig und bilden die Basis für eine gesunde sexuelle Entwicklung und für ein gutes
mend als Wissensinterpretin und -integriererin
                                                             Urteilsvermögen. Gemäss James-Studie 2020 wurden 55 Prozent der Schweizer
verstehen, die Kinder und Jugendliche dabei
                                                             Mädchen im Internet bereits einmal von einer fremden Person sexuell belästigt.
unterstützt, mit der Fülle an Informationen
und den digitalen Möglichkeiten umzugehen.
So erhält die Förderung von Eigenständigkeit
und kritischem Denken eine neue Dringlich-
keit.
                                                    schulischen Unterricht systematisch bearbei-    ten, die Fragen und Probleme der Kinder und
Und wie meistern die Schulen diese                  tet werden. Die Schulen haben diese Heraus-     Jugendlichen.
Herausforderungen?                                  forderungen angenommen.                             Etwas nachdenklich macht mich eine Be-
                                                                                                    obachtung, die ich in meiner Arbeit in der Aus-
Schon in den 70er-Jahren gab es Lehrpersonen,       Verändern sich auch Lehrpersonen selbst         bildung von jungen Menschen mache: Viele
die Themen wie Medien, Werbung und Hör-             durch die Nutzung der digitalen Medien?         junge Leute, die den Lehrberuf wählen, sind
spiele mit viel Enthusiasmus im Unterricht                                                          eher medienskeptisch unterwegs, weil sie kri-
aufnahmen. Seither hat sich in den Schulen          Die Lehrpersonen haben sich in den vergange-    tische Literatur lesen, in der mit Forschungs-
einiges getan, neue Lehrmittel, Weiterbil-          nen Jahren sicher verändert. Ihr Potenzial in   befunden oftmals auch etwas freihändig um-
dungsangebote und fachdidaktische Studien-          Bezug auf die Nutzung und Thematisierung        gegangen wird, indem diese sehr selektiv
gänge wurden eingeführt, viele Schulen holten       von Medien wird immer grösser. Immer mehr       interpretiert werden.
zudem in den letzten Jahren Expertisen von          Lehrpersonen haben selbst viele eigene Erfah-       Viele Menschen, die in sozialen, psycholo-
aussen ein. Wichtig bleibt aber, dass die Kom-      rungen mit den neuen Medien gesammelt und       gischen und pädagogischen Arbeitsfeldern
petenzen, wie sie im Modul Medien und Infor-        haben dadurch in verschiedenen Bereichen        tätig sind, vertreten die Haltung, das Wich-
matik im Lehrplan 21 beschrieben sind, im           auch ein grosses Verständnis für das Verhal-    tigste – oft auch das Einzige, was zähle – sei
Räume - profil-online ...
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                                                                                                                                                               9

die direkte Begegnung, Erziehung und Interak-
tion. Sie sind daher Medien gegenüber häufig
skeptischer.
    Begegnungen mit Menschen und Geschich-
ten finden sehr wohl von Angesicht zu Ange-                    Die Förderung von Eigen-
sicht statt, aber auch solche, die in Medien
dargestellt werden, beispielsweise in Filmen,
Spielen, Büchern, bieten Impulse, die uns wei-
                                                               ständigkeit und kritischem
terbringen.
                                                               Denken erhält eine neue
Von der Einschränkung physischer
Begegnungsmöglichkeiten waren in der                           Dringlichkeit.
Pandemie gerade auch Kinder und
Jugendliche stark betroffen. Was ist in
der Coronazeit bei Jugendlichen bezüg-
lich der Mediennutzung geschehen?

Die Pandemie wäre für Jugendliche noch viel
gravierender gewesen ohne Social Media. Die
Nutzungszeit hat massiv zugenommen, wohl          lich fehlende soziale Kontrolle und die erhöhte            quenz auf den Lockdown eine sinnvolle und
auch kompensatorisch. Jugendliche haben –         Ablenkungsgefahr mussten individuell mit                   mögliche Entwicklung.
genau wie Lehrpersonen auch – neue Funkti-        Selbstdisziplin und Selbstregulation wettge-                   Bei der Frage nach Möglichkeiten, schuli-
onen entdeckt, um ihre Freundinnen und            macht werden. Dies gelang den Jugendlichen                 sches Lernen optimal zu gestalten, spielt auch
Freunde zu treffen, sich mit ihnen auszutau-      unterschiedlich gut.                                       die Differenzierung von Räumen eine Rolle.
schen und auch mit ihnen zu lernen. Das                                                                      Gemeint sind damit die Freizeit, Arbeitszeit
Spektrum der Mediennutzung ist noch einmal        «Der Digitalisierungsschub wird Spuren                     und Lernzeit. Wo ist selbstständiges Lernen
deutlich grösser geworden. Gleichzeitig haben     über die Pandemie hinaus hinterlassen.»                    gut möglich, wo ist direkter Austausch nötig,
im Zeitraum der Pandemie sexuelle Belästi-        Diese Behauptung aus dem Forschungs-                       was braucht es, um die Menschen im individu-
gungen online – vermutlich als Folge der zu-      bericht wird nicht weiter erläutert.                       ellen Lernprozess zu unterstützen? Die (nicht
nehmenden Mediennutzung – stark zugenom-          Welche Spuren sehen Sie?                                   neue) Herausforderung für Lehrpersonen,
men.                                                                                                         dass nicht für alle Schülerinnen und Schüler
                                                  Wie erwähnt scheint mir die stärkere Förde-                das gleiche Lernsetting hilfreich ist, ist in Be-
Sie haben in der Fachgruppe Medien­               rung des selbstregulierten Lernens als Konse-              zug auf Raum und Zeit erweitert worden.
psychologie im Rahmen einer zusätz­
lichen Studie (JAMESfocus) die Effekte
des Corona-Shutdowns auf das Infor­-
ma­tionsverhalten und das psychische
Wohl­ergehen der Jugendlichen unter-                       JAMES
sucht. Mit welchen Ergebnissen bezüg-                      JAMES steht für Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz. Seit 2010 werden
lich des schulischen Lernens?                              alle zwei Jahre jeweils über 1000 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren aus
                                                           den drei grossen Sprachregionen der Schweiz zum Freizeitverhalten und der Medien-
Jugendliche haben die veränderte Situation in              nutzung befragt. Daniel Süss, Professor für Medienpsychologie an der ZHAW und
                                                           Professor für Kommunikationswissenschaft an der Uni Zürich, ist seit Beginn als
der Schule und bei der Arbeit sehr unterschied-
                                                           Co-Leiter an den JAMES-Studien beteiligt.
lich erlebt.
    Wenige Jugendliche beurteilten die Lern-
möglichkeit im Fernunterricht als besser, viele            Hier finden Sie die                                         Und hier der
                                                                                    https://bit.ly/3v17gQs                                https://bit.ly/2YypxbO
Befragte lernten gleich gut, während einige                Zusammenfassung                                             JAMESfocus zu
                                                           aller bisher durch ­­-                                      den Effekten
schlechter lernen und arbeiten konnten. Ten-               ge­­führten JAMES-                                          des Corona-
denziell war es für leistungsschwächere oder               Studien:                                                    Shut­downs im
wenig motivierte Lernende schwieriger, im                                                                              Frühling 2020:
Fernunterricht zu lernen. Ein Grund dafür liegt
im ungleichen Potenzial der Jugendlichen zum
Selbstmanagement. Die geringere oder gänz-
Räume - profil-online ...
Die Pandemie wäre für Jugend-
liche noch viel gravierender
gewesen ohne Social Media.

Jugend und Medien
Jugend und Medien ist die nationale Plattform des Bundesamts für
Sozialversicherungen zur Förderung von Medienkompetenzen. Sie
verfolgt im Auftrag des Bundesrats das Ziel, dass Kinder und Jugendli-
che sicher, altersgerecht und verantwortungsvoll mit digitalen Medien
umgehen. Dabei spielen Lehrpersonen, Eltern und Betreuungsperso-
nen eine wichtige Rolle.

Lehrpersonen, die im Unterricht oder an einem Informationsabend für
Eltern und Erziehungsberechtigte den Umgang mit Medien thematisie-
ren wollen, finden bei «Jugend und Medien» alle nötigen Informationen,
Fakten, Tipps und Empfehlungen, regelmässig aktualisiert und
kostenlos erhältlich in 16 Sprachen.

www.jugendundmedien.ch/angebote-beratung/bestellung-publikationen

Wird die Schule also zu einem ortsunab-
hängigen Arbeits- und Lernort?

Die Schule – das hat der Lockdown auch ge-
zeigt – ist für Kinder und Jugendliche nach wie
vor ein sehr wichtiger Ort des Zusammentref-
fens mit Peers und mit Lehrpersonen. Sie wird
weiterhin ein geschützter Raum für Experi-
mente und für den Aufbau einer guten Fehler-
kultur bleiben. Aber die Frage stellt sich ange-
sichts der Entwicklung digitaler Möglichkeiten
wieder neu: Wie offen und vernetzt ist eigent-
lich die Schule? Wird sie als abgeschotteter
Schonraum betrachtet, oder vernetzt sie sich
stärker mit anderen Teilen der Gesellschaft,
wird sie durchlässig für Austausch und Ler-
nen im Quartier, über Generationen hinweg,
mit Migrantinnen und Migranten usw.? Die
Erfahrungen mit veränderter Mediennutzung,
geschlossenen Schulhäusern und vollständi-
gem Fernunterricht können durchaus zu neuen
Impulsen für die Schule führen.              ■
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      Start-ups gründen
      im Englischunterricht
       Im Projekt Teen-Preneurs entwickelten Englischschülerinnen
       und -schüler der Sekundarschule Burg in Liestal eigene Start-ups.
       Wie funktioniert das? Profil befragte Stella Stejskal, die Initiantin
       dieses preisgekrönten Projekts. Von Regina Strub.

«Lasst die Welt in die Schule kommen und die      Zu Beginn des Semesters besuchten die Schü-        Schülerinnen und Schüler sich in Englisch aus-
Schule nach draussen gehen». So lautet Stella     lerinnen und Schüler einen Design Thin-            drückten.»
Stejskals Vision eines guten und nachhaltigen     king-Workshop im Creative Kids eduLab in               Stella Stejskal weist auf den kompetenz­
Unterrichts. Deshalb startete sie im letzten      Basel. Dort besprachen sie ihre Ideen mit Ex-      übergreifenden Ansatz des Lehrplans 21 hin:
Schuljahr mit ihren Englischklassen das Pro-      pertinnen und Experten und planten die             «Die Anwendung verschiedener digitaler Tools
jekt Teen-Preneurs und liess ihre Schülerin-      nächsten Schritte ihres Start-ups – alles in       förderte einerseits die digitale Kompetenz und
nen und Schüler ein eigenes Start-up gründen.     englischer Sprache.                                andererseits die englischen Sprachkenntnisse
Die Regeln waren einfach und transparent:             Das war ein intensiver Start. Fortan stan-     im ganzheitlichen Sinn. So traten einige Schü-
Das Start-up muss eines der Probleme unserer      den den Schülerinnen und Schülern zwei der         lerinnen und Schüler via digitale Plattformen
Welt angehen, und die Umsetzungssprache ist       drei Wochenlektionen für ihr Projekt zur Ver-      mit Menschen auf der ganzen Welt in Kontakt.
Englisch.                                         fügung. Mit Vorträgen und Präsentationen           Da die Schülerinnen und Schüler in Gruppen
                                                  hielten sie sich gegenseitig auf dem Laufenden.    arbeiteten, waren sie auch in den sozialen Kom-
Teen-Preneurs – der etwas andere                  Ein Logbook sorgte dafür, dass Zielformulie-       petenzen gefordert.»
Englisch­unterricht                               rungen und Zielerreichungen übersichtlich              So entstand beispielsweise eine soziale
«Welchen Beitrag leistet ihr für eine bessere     festghalten werden konnten.                        Aufräumaktion gegen Plastikmüll, eine Uhr
Welt?», lautete die Ausgangsfrage, die Stella         Stella Stejskal erklärt: «Ich half wo nötig,   mit inkludiertem Desinfektionsmittel gegen
Stejskal ihren Schülerinnen und Schülern          motivierte, begleitete und vernetzte meine         Coronaviren, ein Businessplan für ein veganes
stellte. Sie überlegten, wo Probleme liegen und   Schülerinnen und Schüler mit Menschen aus          Fast-Food-Lokal, ein Verein, der gegen Rassis-
liessen dann gemeinsam Ideen für Lösungen         dem Berufsleben, die ihnen bei den jeweiligen      mus mobilisieren will und eine App für Jugend-
sprudeln. Woran die Lernenden arbeiten woll-      Projekten weiterhelfen konnten. Da diese Men-      liche mit Depressionen.
ten, entschieden sie selbst. Die Erkenntnis,      schen mehrheitlich nicht Deutsch sprachen,             Teen-Preneurs ist eines von zehn Projekten
dass unsere Umwelt formbar ist, war das Ziel.     war es nur logisch und notwendig, dass die         in der Schweiz, das von der educreators Foun-
dation im Wettbewerb Shapers of the Future
2020 ausgezeichnet wurde.

Die Erfahrungen
Wie bei jeder Form von Unterricht gibt es Ler-
nende, die begeistert sind und selbstständig
arbeiten, und Lernende, die viel Unterstützung
brauchen. Der Umgang mit Frustrationen war
für einige Schülerinnen und Schüler eine
grosse Herausforderung. Zu merken, dass das
hoch gesteckte Ziel nicht erreichbar ist, dass       Mind-Map zum Thema Depression.
sie das Problem nicht lösen können, liess ein-
zelne Gruppen fast verzweifeln. Da half das
Coaching der Lehrperson weiter; das hiess:           Überwindung der Frustration und die enga-        rinnen mir nach der Schule mitteilen, dass sie
klare Fragen stellen, die Schülerinnen und           gierte Suche nach Alternativen.                  das, was ich mit ihnen im Unterricht begonnen
Schüler mit den Grenzen konfrontieren und sie            «Als Lehrperson musste ich diese Frust-      habe, privat weiterführen wollen, ist das das
neue Wege entdecken lassen.                          phase in Kauf nehmen, da die Aufgabenstel-       Schönste, das mir als Lehrperson passieren
    «Einer Gruppe lag der Regenwald sehr am          lung bewusst sehr offen war», erklärt Stella     kann», meint Stella Stejskal.
Herzen», erzählt Stella Stejskal. «Als die Ler-      Stejskal. Deshalb überlegte sie nach jeder
nenden merkten, dass ihre Idee der Rettung           Lektion, welche Gruppen selbstständig weiter-    Reaktionen und Einschätzungen
nicht realisierbar ist, wollten sie einen Fleisch­   arbeiten können und wo ihre Unterstützung        Jede Lehrperson, die sich auf ein solches Pro-
ersatz erfinden. Als dann auch diese Idee nicht      angezeigt war. Hilfreich dabei war der Aus-      jekt einlässt, muss sich bewusst sein, dass es
zustande kam, war der Frust da. Und dieser           tausch mit einer Kollegin, die schon Erfahrung   Reaktionen unterschiedlichster Natur geben
war sehr gross.» Stella Stejskal begleitete die      mit dieser Art des offenen Unterrichts hatte.    wird. Eltern können genau wie die Schülerin-
enttäuschte Gruppe, indem sie Fragen stellte             Eine Mädchengruppe beschloss, eine App       nen und Schüler sehr begeistert sein, weil sie
und alternative Lösungen anbot. Nachdem sich         für psychische Gesundheit zu entwickeln.         allenfalls sogar selbst so arbeiten oder aber
auch die Idee eines eigenen Foodtrucks als zu        «Dies war offensichtlich ein wichtiges Thema     sehr skeptisch oder gar ablehnend reagieren
anspruchsvoll herausstellte, wendete sich die        für sie. Depressionen sind für sie ein reales    und Bedenken äussern. Auch die anderen
Gruppe an einen Mann, der einen veganen              Problem, und sie wollten etwas tun, das ande-    Lehrpersonen, Schulleitungen und Behörden
Foodtruck betreibt. Mit ihm zusammen plan-           ren unruhigen Teenagern hilft», erklärt Stella   werden in diesem Rahmen Feedbacks geben.
ten und realisierten die Lernenden in Liestal        Stejskal den Eifer der jungen Frauen. Diese      Hier hilft die frühzeitige und transparente
eine Aktion. Die immer realistischer werdende        Gruppe arbeitete nach dem abgeschlossenen        Orientierung aller Beteiligten. Stella Stejskal
Einschätzung der eigenen Mittel und Ressour-         Semester in der Freizeit weiter an der App und   informierte gleich zu Beginn alle Beteiligten
cen war eine Facette des wertvollen Lernpro-         wurde von einer Fachperson, die Stella Stejs-    und zeigte ihnen den Bezug zum Lehrplan 21
zesses dieser Gruppe. Dazu gesellten sich die        kal vermittelt hatte, begleitet. «Wenn Schüle-   und das vorgesehene Bewertungssystem auf.

Wenn mir Schülerinnen und Schüler
mitteilen, privat weiterführen zu
wollen, was ich mit ihnen im Unterricht
begonnen habe, ist das das Schönste,
das mir passieren kann.
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                                                                                                                                                                  13

                                                        Präsentation der Gruppe «App für Jugendliche mit Depressionen».

Dabei gewichtete sie die Präsentationen und
Produkte stärker als klassische Prüfungen.
    «Die Schülerinnen und Schüler haben in
diesem Semester sicher viel mehr englisch
gesprochen als im traditionellen Unterricht»,
resümiert Stella Stejskal und ist sich gleichzei-
tig bewusst, dass die Grammatik hintanstehen
musste, obwohl sie in einer Wochenlektion
ganz klassisch mit dem Englischbuch unter-
richtete. «Gerade Schülerinnen und Schüler,
die die Klarheit der Grammatik mögen, sind
da zu kurz gekommen», gibt Stella Stejskal zu.
Dafür erweiterten die Lernenden in diesem
Semester ihre digitalen, kommunikativen und
sozialen Kompetenzen.
     Stella Stejskal wünscht sich, dass alle Ler-
nenden auf ihre Schulzeit zurückblicken und
sagen können: «Hier habe ich gelernt, mich                            Präsentation der Gruppe «Fake News».
selbst zu verstehen und zu mögen. Ich habe
gelernt, mit anderen zusammen etwas zu er-
schaffen, das grösser ist als jede und jeder
Einzelne von uns. Jetzt fühle ich mich fit für                                                                            Die Stiftung educreators sucht
das Leben.»                                   ■
                                                                                                                          PH-Absolventinnen und Absolventen
                                                                                                                          der letzten 5 Jahre, also neue,
                                                                                                                          engagierte Lehr­personen,
                                                                                                                          die Veränderung bewirken wollen,
                                                                                                                          indem sie Kreativität, Spiel und
                                                                                                                          Menschlichkeit in die Schule
                                                                                                                          bringen und fördern. Educreators
                                                                                                                          will Ver­­netzung ermöglichen
                                                                                                                          und Unterstützung bieten:

                                                                                                                             rb.gy/naidq8

Die Gruppe Teen-Preneurs der Sekundarschule Burg in Liestal.

                                                                                                                                     profil 3/21 © Schulverlag plus AG
Lernreise
Volksschulen
20 Lehrpersonen starten ihren CAS-Lehrgang zur «Schule in
der Digital­kultur» – und dies im Wald. Der Lernort passt gut zum
Thema «Wie lerne ich, eine fragende und neugierige Haltung
einzunehmen?» und setzt einen bewussten Kontrast zu Vor-
stellungen von Schulen in der Digitalkultur. Von Christian Graf.
14
                                                                                                                                                      15

Endstation Tschädigen. Wer die Waldschule        nehmbar. Es sind keine Kinderstimmen, denn         gang durch «seine» Schule, wie es zu diesem
Meggen besucht, steigt hier aus und geht zu      es ist Ferienzeit in der «Naturschule Wild-        Garten gekommen ist: «Gartenarbeit und die
Fuss einen kleinen Weg hinauf. Der Mann, der     wuchs», wie sie sich selbst nennt. Im Kreis        Haltung von Hühnern sind Leidenschaften von
vor dem letzten Haus am Weg steht, ist offen-    stehen die 20 Teilnehmenden des CAS-Lehr-          uns Lehrpersonen. Man muss etwas von sich
sichtlich Besuch gewohnt. «Sie wollen sicher     gangs «Lernreise Volksschule – Schule in der       einbringen als Lehrperson, die Kinder sollen
zur Waldschule. Dann sind Sie richtig. Gehen     Digitalkultur» und werten die Ergebnisse der       die Leidenschaft ihrer Lehrerinnen und Lehrer
Sie weiter bergauf, oben haben Sie zwei Mög-     Vormittagsarbeit aus. Am Bauwagen hängen           spüren.»
lichkeiten: dem Waldrand entlang oder durch      persönliche «Glaubenssätze» zur Schule: «Ich
den Wald. Dieser Weg ist schöner.»               bin sicher, dass die LEIDENSCHAFT der wich-        Spielraum für Veränderungen
                                                 tigste Treiber für das Lernen ist» oder «Ich bin   Nach und nach wird deutlich, dass der Lernort
Auf dem Weg zur «Naturschule Wildwuchs»          überzeugt, dass Hete­rogenität zu Empathie         für die Weiterbildung nicht zufällig ausgewählt
Die Spannung steigt: Wo führt der steile Weg     führt». Um diese Vorstellungen wird es noch        ist, sondern in enger Verbindung zum Kursin-
hin, wie sieht eine Naturschule aus, und wes-    mehrmals gehen an diesem Tag und in den            halt steht. Auf der «Lernreise» erleben die Teil-
halb genau ist sie Lernort für eine Weiterbil-   künftigen sechs Etappen auf der Lernreise.         nehmenden Lernorte, an denen Schulkultur
dung zum Thema Schule in der Digitalkultur?                                                         erarbeitet und gelebt wird. «Wir zeigen auf, dass
    Nach einem etwa 15-minütigen Spazier-        Gartenarbeit und Hühner                            auch die eher sperrigen Rahmenbedingungen
gang durch den Wald ist der Rauch eines Feu-     In der Küche nebenan bereiten zwei Mitarbei-       der Volksschule viel Spielraum für Verände-
ers zu riechen. Hinter diesem kleinen Hügel      terinnen der Naturschule auf offenem Feuer das     rungen ermöglichen. Und wir bringen Leute
muss die Naturschule sein. Noch eine kurze       Mittagessen vor, mit Kräutern und Gemüse aus       ins Gespräch, die etwas bewegen wollen», be-
Strecke durch dorniges Dickicht, vorbei an ei-   dem kleinen Schulgarten. Remo Ehrenbolger,         schreibt Rahel Tschopp die Idee hinter dem
ner Toilette – und plötzlich sind Stimmen ver-   der Schulleiter, erklärt auf einem kurzen Rund-    neuen CAS-Lehrgang der PH Schaffhausen, den

                                                                                                                         profil 2/21
                                                                                                                                3/21 © Schulverlag plus AG
sie zusammen mit Andreas Brugger und Felix          Die lebhaften Diskussionen beim Mittagessen        tragt ihr eure Gedanken und Vorstellungen in
Hollenstein leitet.                                 zeigen, wie inspirierend die gemeinsame Arbeit     der Gruppe zusammen und versucht, mit den
     Auch Remo Ehrenbolger nimmt am Kurs            in einer Stimmung der Veränderung und des          Materialien, die ihr im Wald gesammelt habt
teil: «Mich motivierte der Austausch und das        Aufbruchs wirken.                                  und auf dem Hintergrund eurer Glaubenssätze,
Kennenlernen von anderen Lehrpersonen und                                                              gemeinsam einen Prototypen der Schule der
Schulleitungspersonen, die interessiert sind an     Prototyp der Schule der Zukunft                    Zukunft zu bauen.»
Veränderung und Verbesserung der Schulkul-          Nach dem Mittagessen steht der nächste Schritt          Die Gruppen suchen sich einen Arbeits-
tur. Als Gastgeber für den Prolog hat mich das      an: Die Gruppen werden sich mit der Schule         platz, der auch als Standort für ihren Proto­
Setting neugierig gemacht: Start einer Weiter-      der Zukunft auseinandersetzen. Auf dem Spa-        typen geeignet ist, eine flache Stelle, ein ab­
bildung rund um digitale Lernkultur – und wir       ziergang zu einem Waldstück, unmittelbar ne-       sterbender Baumstrunk, eine Jungpflanze – der
starten draussen in der Natur, ohne Strom.»         ben einer geheimnisvollen Moorlandschaft           Ort wird in die Gedankenarbeit miteinbezo-
                                                    gelegen, suchen die Teilnehmenden weitere          gen.
Die Lernkultur steht im Zentrum                     Gegenstände, die sie für Ihre Visualisierung            Nach einer knappen Stunde werden die
Remo Ehrenbolger hat auch der enorm grosse          verwenden wollen: Pilze, eine Feder, ein stach-    entstandenen Modelle nach klaren Regeln vor-
und breite Erfahrungsschatz überzeugt, den          liger Zweig, ein paar rote Beeren.                 gestellt: Die Gruppe hat exakt 5 Minuten für
die Kursleitung mitbringt. Dieser gehe «weit            Felix Hollenstein, Kursleiter mit langjähri-   die Präsentation, anschliessend werden Ver-
über das Digitale hinaus. Digitale Lernkultur       ger Erfahrung in Innovationstechniken und          ständnisfragen aus dem Publikum beantwor-
wird nicht als ‹alles muss digital sein› verstan-   Design Thinking in der Wirtschaft, erteilt den     tet. In einer nächsten Runde wird zusammen-
den. Im Zentrum und als Ausgangspunkt steht         Gruppen den Auftrag: «Macht euch zuerst ein-       getragen, welche Aspekte des Prototyps den
immer die Lernkultur und der individuelle           zeln Gedanken zur Frage, wie die Schule der        Anwesenden besonders gefallen. Zum Ab-
Lernprozess».                                       Zukunft aussehen soll. Wenn der Gong ertönt,       schluss gibt es Anregungen an die Gruppe,

                                                    Die Diskussionen zeigen,
                                                    wie inspirierend die gemeinsame
                                                    Arbeit wirkt.
16
                                                                                                                                      17

welche Merkmale und Themen in der Weiter-          Grundlage und Anker für den weiteren
bearbeitung verdeutlicht werden sollten.           Kursverlauf dienen werden. Die Gruppe
                                                   scheint eingestimmt auf die nächsten sechs
Klare Vorstellungen einer                          Etappen der Lernreise. Dabei stehen Teilfragen
zukünftigen Schule                                 zur Schule in der Digitalkultur im Zentrum, auf
Die Anlage der Arbeitssequenz weist Merk-          die an verschiedenen Lernorten gemeinsam
male des Design Thinkings auf, das das CAS         und mit Fachpersonen vor Ort nach möglichen
methodisch prägen wird. Zum einen werden           Antworten gesucht wird.
neue Ideen durch Experimentieren entwickelt
und in einem Prototypen visualisiert. Zum an-      Tschädigen. Nach dem Besuch ist die Endsta-
deren werden die Zwischenergebnisse früh           tion zur Startstation geworden. Viele Gedan-
und immer wieder präsentiert, um Anregun-          ken und Eindrücke werden die Weiterreise
gen der Gruppe aufzunehmen und in den              begleiten.                               ■

nächsten Vertiefungsschritt einfliessen lassen
zu können.
                                                   Online: Auf profil-online.ch
    Die zweite Präsentation, die den Kurstag       finden Sie die Gruppen­
                                                                                  www.profil-online.ch

abschliesst, zeigt, wie hilfreich die kurze Aus-   präsentation eines Proto-
tauschrunde für die Weiterentwicklung der          typs «Schule der Zukunft»
                                                   sowie eine Bildgalerie mit
Prototypen gewesen ist. Die Bilder und Erläu-      Impressionen des CAS-
terungen der Gruppen zeichnen klare Vorstel-       Lehrgangs.
lungen einer zukünftigen Schule, die als

                                                                                                         profil 3/21 © Schulverlag plus AG
Der leere Raum:
Freiraum für
fantasievolles Spiel
Im «Spielzeugfreien Kindergarten» können Kinder neue Spielwelten
entdecken und dabei ihre Lebenskompetenzen stärken. Ein Interview
mit Cornelia Rüdisüli, die das Projekt umgesetzt und anschliessend
wissenschaftlich untersucht hat. Von Verena Eidenbenz.

Das Projekt «Spielzeugfreier Kindergar-          was neu erlaubt war. Aber das wilde Spiel legte   fantasievollen Spielideen, die Ausdauer, das
ten» stammt aus Deutschland und wurde            sich sehr bald.                                   Selbstvertrauen und die Freude an der Auto-
dort in den 1990er-Jahren als Instrument                                                           nomie.
für die Suchtprävention entwickelt. Auch         Welche Beobachtungen haben Sie bei
in der Schweiz findet die Idee Anklang.          Ihren Kindergartenkindern gemacht?                Gab es auch Kinder, die Mühe hatten mit
Was war Ihre Motivation, das Projekt                                                               dem grossen Freiraum?
aufzunehmen?                                     Aus dem chaotischen Explorationsspiel entstan-
                                                 den bald Spielinhalte, die fliessend ineinander   Mühe hatten einige Kinder mit wenig Spiel­
Cornelia Rüdisüli: An einer Berufseinfüh-        übergingen. Aus den Gefängnissen aus dem          erfahrung, und auch die mehrsprachigen
rungsweiterbildung an der PH habe ich das        Räuber-Polizei-Spiel wurden Häuser für andere     und zurückhaltenden Kinder hatten anfangs
Projekt kennengelernt. Das kindliche Spiel hat   Spielzwecke. Auch die Gruppenkonstellationen      Schwierigkeiten, sich im Spiel einzubringen.
mich schon immer interessiert und fasziniert.    änderten sich und machten einer vielfältigeren    Da keine Spielsachen vorhanden waren, die
Ich war neugierig, denn das Projekt lässt viel   Durchmischung Platz, insbesondere was die         eine Spielhandlung vorgeben, lief alles über
Freiraum für die Spielideen der Kinder.          Mädchen und Knaben betraf. Die Kinder mach-       die Kommunikation. Diese Kinder verbrachten
                                                 ten in verschiedenen Bereichen grosse Fort-       viel Zeit in der Zuschauerrolle, schliesslich
Wie haben Ihre Kindergartenkinder                schritte. Auch die mehrsprachigen Kinder blüh-    konnten aber alle am Spiel teilhaben. Einige
reagiert und den spielzeugfreien Leer-           ten auf. Sie hatten viele Übungsmöglichkeiten,    Kinder klagten anfangs über Langeweile. So
raum genutzt?                                    waren sie doch während des Spiels dauernd         unangenehm sich das anfühlte, ich musste
                                                 aufgefordert zu kommunizieren. Ich habe auch      genau wie sie lernen, das Neue auszuhalten.
Die Kinder haben sich sehr gefreut und waren     mit dem sogenannten «blauen Stuhl» – ange-
nicht traurig, als wir die Spielsachen gemein-   lehnt an das Kinderbuch von Claude Boujon –       Wie erlebten Sie selbst die veränderte
sam weggeräumt haben. Auch dass einige Re-       gearbeitet. Auf diesem Konfliktlösestuhl konn-    Rolle als Lehrperson?
geln aufgehoben wurden, wie zum Beispiel das     ten die Kinder ihre Probleme und Bedürfnisse
Verbot, im Raum umherzurennen und auf Ti-        einbringen und gemeinsam mit der Klasse           Ich hatte teilweise Mühe, mich zurückzuhal-
sche zu klettern, haben sie positiv aufgenom-    verhandeln und Lösungen suchen. Viele Besu-       ten, wenn Kinder nicht ins Spiel fanden oder
men. Allerdings war es anfangs ziemlich cha-     cher und Besucherinnen – Eltern und andere        beim Lösen eines Problems nicht reüssierten.
otisch und laut. Die Kinder haben sich den       Lehrpersonen – waren beeindruckt, wie gut         Der Zwiespalt zwischen Eingreifen oder Zuwar-
neuen Freiraum erobert und alles ausgetestet,    das den Kindern gelang. Schön waren auch die      ten war eine ständige Gratwanderung. Ich
18
                                                                                                                                                                                                   19

                                         hatte plötzlich viel Zeit für das Gespräch mit                                  Cornelia Rüdisüli
                                         einzelnen Kindern. So lernte ich sie besser und                                 promoviert an der Pädagogischen Hochschule Zürich zum
                                         auch anders kennen als im Normalbetrieb.                                        Thema «Kindliche Playfulness im Kontext der Spiel- und
                                                                                                                         Lernumgebung» und ist Dozentin an der Pädagogischen
                                         Welche Lernchancen ergeben sich für die                                         Hochschule Schaffhausen. Sie ist ausgebildete Kindergarten-
                                         Kinder allgemein und in Bezug auf ihre                                          und Unterstufenlehrperson und unterrichtete mehrere Jahre
                                         Kreativität?                                                                    als Klassenlehrperson im Kindergarten.

                                         Im Spiel ergeben sich immer viele Lerngelegen-
                                         heiten. Im überfachlichen Bereich beziehen sie
                                         sich auf das Selbstvertrauen, die Selbststän-
                                         digkeit, auf die Kommunikation und den sozi-
                                         alen und emotionalen Bereich. Auch im fachli-      rialien ständig aufgefordert, in ihrem Spiel       www.spielzeugfrei.ch
                                         chen Bereich lernen die Kinder einiges dazu.       kreativ zu sein. Die Messung der Kreativität
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                                         Im «Spielzeugfreien Kindergarten» müssen die       ist jedoch herausfordernd. Aus subjektiver
                                         Kinder das Spiel erst selbst gestalten. Wenn sie   Einschätzung haben die Kinder ihr kreatives
                                         sich beispielsweise bei einem «Verkaufsspiel»      Potenzial weiterentwickelt, weil sie im Spiel
                                         mit Geld oder Masseinheiten beschäftigen, ist      immer wieder Probleme selbst lösen mussten.
                                         normalerweise durch das Spielmaterial be-          Die Selbstständigkeit der Kinder nahm enorm
                                         reits Vieles vorgegeben. Im Projekt müssen sie     zu. Dies wird durch die Zurückhaltung der
                                         sich erst mit der Frage auseinandersetzen, wel-    Lehrperson zusätzlich unterstützt. Auch nach
                                         che Geldeinheiten es gibt, wie diese aussehen      Beendigung des Projekts kamen die Kinder
                                         und wie sie diese mit dem unstrukturierten         weniger oft zu mir, wussten sich meist selbst
                                         Material symbolisieren könnten. Der Lernge-        zu helfen und zeigten viel Ausdauer beim Lö-
                                         winn ist dadurch um einiges grösser. Die Kin-      sen von Problemen.                         ■

                                         der sind aufgrund der Situation und der Mate-

                                                  Konzept «Spielzeugfreier Kindergarten»
                                                  Das freie, selbstgewählte und -bestimmte Spiel ist für das kindliche Lernen zentral.
                                                  Doch wegen eines Überangebots an Spielzeugen und Freizeitbeschäftigungen fehlt
                                                  den Kindern zunehmend Zeit und Raum für fantasievolle, selbst kreierte Spiele mit
                                                                                                                                               Die Kinder
                                                  anderen. Deshalb erstaunt es nicht, dass das Projekt «Spielzeugfreier Kindergarten»
                                                  immer mehr Zuspruch erfährt. Das ursprüngliche Konzept wurde in den letzten Jahren           machten in
                                                  in vielen Kantonen teils in Zusammenarbeit mit Pädagogischen Hochschulen und den
                                                  Stellen für Suchtprävention weiterentwickelt.                                                verschiedenen
                                                  Über einen Zeitraum von 6–12 Wochen wird im Kindergarten auf alle vorgefertigten
                                                  Spielmaterialien wie Legos, Tischspiele, Bauklötze, Autos, Puppen usw. verzichtet.           Bereichen grosse
                                                  Nach dem gemeinsamen Wegräumen spielen die Kinder mit dem Mobiliar, eventuell
                                                  ergänzt mit Tüchern, Seilen und Kartonkisten. Da vorgegebene Unterrichtsphasen
                                                  wegfallen, bestimmen die Kinder selbst, was, mit wem und wie lange sie spielen
                                                                                                                                               Fortschritte.
                                                  wollen. Dadurch sollen ihre Kreativität, ihre Konfliktfähigkeit und weitere Lebenskom-
                                                  petenzen wie das Selbstvertrauen, Einfühlungsvermögen, die Fähigkeit, Beziehungen
                                                  einzugehen und Stress zu bewältigen sowie die Sprachkompetenzen gefördert
                                                  werden. Kinder sollen auch Langeweile aushalten lernen. Diese Kompetenzen sollen
                                                  sie im späteren Leben vor riskantem Suchtmittelkonsum bewahren. Im Lehrplan 21
                                                  sind diese unter den überfachlichen Kompetenzen aufgeführt.
                                                                                                                      https://bit.ly/3oJ3aLv

                                                                                                                                                                      profil 3/21 © Schulverlag plus AG
Schulräume
im Wandel
Pädagogische Überlegungen, zusätzlicher Platzbedarf, die Übernahme
eines neuen Schulzimmers oder einfach Freude an Veränderungen
können Gründe für die Umgestaltung von Schulraum sein. Die kreative
Lösungssuche in diesem Prozess vereint die vier porträtierten Beispiele.
Von Seraina Stricker.

«Die Schule selber soll ein angenehmer Aufent- son und den Peers oftmals als dritter Päda-        lagerten ihr Material unter dem Pult am Bo-
halt sein, eine Augenweide von innen und goge bezeichnet. Veränderungen pädagogi-                 den, auf dem Pult, im Schulrucksack oder
aussen. Das Schulzimmer muss innen hell, scher Konzepte, strukturelle oder personelle             unsystematisch im Schulzimmer verteilt. Für
rein und überall mit Bildern geschmückt sein Anpassungen sowie nötige Neu- oder Umbau-            die Junglehrerin war dieser Raum nicht un-
(…). Weiter muss bei der Schule aussen nicht ten führen dazu, dass die Schulraumplanung           terrichtstauglich. Sie erhielt ein minimales
nur ein Lauf- oder Spielplatz liegen (…), son- stets aktuell bleibt und Schulräume heute in       Budget für Neuanschaffungen, das jedoch
dern auch ein Garten, in dem man bisweilen einem stetigen Entwicklungsprozess stehen.             längst nicht ausreichte. So investierte sie per-
die Kinder zur Augenlust an Bäume, Blumen Die vier im folgenden porträtierten Beispiele           sönlich einige hundert Franken und viel Zeit
und Kräuter führt.»                                 zeigen verschiedene Auslöser, Ausgangslagen   für die Ersteigerung und den Transport von
                                                    und Motivationen für Schulraumveränderun-     Möbeln, um das Schulzimmer einzurichten.
(Comenius, Didacta Magna, 1632 – zitiert nach Luley gen, die mit unterschiedlichen Herausforde-   Nebst der sinnvollen Materialablage war ihr
2000, S. 13)
                                                    rungen, Lösungsansätzen und Umsetzungen       dabei wichtig, das Zimmer offen und einla-
Comenius, der mit der Didacta Magna ein für verbunden sind. Kreativität für individuelle          dend zu gestalten, unkompliziert einen Kreis
seine Zeit fortschrittliches und umfassendes Lösungen und Freude über das Ergebnis ver-           für gemeinschaftliche Aktivitäten oder Grup-
didaktisches Lehrbuch geschrieben hat, mass eint die vier Beispiele.                              penarbeitsplätze einrichten zu können und
der Gestaltung des Schulraums inklusive                                                           noch genügend Platz für Bewegung zur Verfü-
Aussenraum bereits im 17. Jahrhundert eine Unterrichtstauglichkeit                                gung zu stellen. Dies gelang ihr, indem sie die
grosse Bedeutung zu. Sprachlich ist das Zitat Die Raumgestaltung hat eine grosse Wirkung          Pulte im Rechteck anordnete und ein systema-
veraltet, doch die Aktualität und Bedeutung auf Kinder, aber auch auf Erwachsene. Eine            tisches Ablagesystem für die Schülerinnen
der Schulraumgestaltung hat sich nicht verän- junge Lehrerin, welche nicht mit Namen ge-          und Schüler aufbaute. Rechtzeitig zum Schul-
dert, wohl aber deren Ausgestaltung. Was als nannt werden möchte, hat dies diesen Sommer          beginn hatte sie das Zimmer bereit, das ihr
angenehmer Anblick definiert wird, ist nicht intensiv erlebt. Sie übernahm eine fünfte            einerseits einen organisierten Start ermög-
nur den persönlichen Vorlieben, sondern auch Klasse als Klassenlehrerin und traf auf ein          lichte, andererseits immer noch Möglichkei-
dem Zeitwandel unterworfen. Sowohl die Äs- sehr spärlich eingerichtetes Klassenzimmer,            ten für die Weiterentwicklung bot. Einen klei-
thetik wie auch die Pädagogik spielen eine in dem zwar genügend Tischflächen zur Ver-             nen Lohn für die grosse Investition erhielt sie
Rolle bei der Schulraumgestaltung. Nicht ohne fügung standen, aber keine sinnvollen Aufbe-        durch die Kinder, die sehr positiv auf das neu
Grund wird der Schulraum neben der Lehrper- wahrungsorte. Die Schülerinnen und Schüler            eingerichtete Klassenzimmer reagierten.
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                                                                                                                                                      21

Unterricht entwickeln                               fand eine Entwicklung statt, die ohne Umge-       Seit einem Jahr unterrichtet Adrian Huber ge-
Ein anderes Motiv stand bei Adrian Huber im         staltung vermutlich in kleineren Schritten        meinsam mit seiner Frau Rachel Huber eine
Fokus, als er vor fünf Jahren als Schulleiter der   vorwärts gegangen wäre. Er betont allerdings      dritte Klasse in Bolligen. Zum zweiten Mal
Schule Bäriswil die Umgestaltung der Schul-         auch, dass für ihn die Unterrichtsentwicklung     setzte er eine Umgestaltung des Schulraums
zimmer nach dem Churermodell initiierte.            nicht mit der Raumumgestaltung abgeschlos-        nach den Ideen des Churermodells um. Dabei
    Neues auszuprobieren, den Unterricht wei-       sen ist, sondern ein fortwährender Prozess ist,   konnte seine Frau, langjährige Kindergärtne-
terzuentwickeln und damit den Schülerinnen          bei der die Raumgestaltung nur ein kleines        rin, dank ihrer Erfahrung mit offen gestalteten
und Schülern, aber auch den Lehrpersonen            Element ist.                                      Klassenzimmern zusätzliche Impulse setzen.
neue interessante Erfahrungen zu ermöglichen,
war bei der Umstellung seine Hauptantriebs-
kraft. Die Lehrpersonen in Bäriswil konnte er
mit seiner Begeisterung für das Churermodell
anstecken, sodass die ganze Schule die Räume
umgestaltete. Ihn überzeugte die Idee, die
Lehrperson aus dem Zentrum des Raums zu
nehmen und mit dem fest vorgesehenen Kreis
ein gemeinschaftlich organisierter Treffpunkt
im Klassenzimmer aufzubauen. Von Herausfor-
derungen wie engen Platzverhältnissen oder
der Finanzierung von neuem Mobiliar liess er
sich zu kreativen Lösungen verleiten. Das Er-
gebnis bestätigte seine Intention, dass eine
radikale Umgestaltung des Schulraums auto-
matisch Prozesse der Unterrichtsentwicklung
auslöste. Insbesondere in Bezug auf die innere
Differenzierung, der Flexibilität bei den Ar-
beitsformen und dem kooperativen Lernen

                                                    Beide: Schule Bäriswil, Umgestaltung der
                                                    Schulzimmer nach dem Churermodell.

Die Raumgestaltung hat
eine grosse Wirkung auf Kinder,
aber auch auf Erwachsene.
                                                                                                                          profil 3/21 © Schulverlag plus AG
Beide: Schule Laupen – Pausenplatzneugestaltung

Partizipation
Schulraum beschränkt sich nicht nur auf Klas-
sen- oder Schulzimmer, auch der Aussenraum
gehört dazu. Aufgrund eines wegfallenden
Spielplatzes in der Gemeinde Laupen initiierte
die Gemeinde eine Pausenplatzneugestaltung.
Sie wandte sich mit diesem Bedürfnis an die
Fachstelle SpielRaum, welche solche Projekte
ausschliesslich partizipativ angeht. Nebst der
Dorfbevölkerung und den Lehrpersonen stel-        ler Bedürfnisse gerichtet wurde, von der         freut nahm er zur Kenntnis, dass dabei die
len die Fachleute die Schülerinnen und Schü-      Rutschbahn für die jüngeren Schülerinnen         Idee der Gestaltung eines eigenen Schulraums
ler in den Fokus der Partizipation. In Laupen     und Schüler über Rückzugsmöglichkeiten in        auftauchte. Denn ein Raum wartete bereits
wurden diese stufengerecht mit spielerischen      Form von Holzhäusern bis zu Tischen und Bän-     darauf, neu genutzt zu werden, unter anderem
Methoden befragt, auf welchen Teilen des Pau-     ken für die Schülerinnen und Schüler des         als Aufenthaltsraum für die Schülerinnen und
senplatzes sie sich bereits wohl fühlen, welche   Zyklus 3. So entstand nach einem Planungs-       Schüler. Peter Bigler kombinierte seine päda-
Bedürfnisse noch nicht abgedeckt sind und wie     prozess, bei dem immer wieder Feedback ein-      gogische Motivation, die Selbstwirksamkeit
sie sich ihren Traumpausenplatz vorstellen.       geholt wurde, ein Projekt, das eine hohe Iden-   der Schülerinnen und Schüler, ihre Selbststän-
Dabei orientiert sich die Fachstelle SpielRaum    tifikation und viele positive Reaktionen aller   digkeit und den Durchhaltewillen zu stärken
stets an folgenden Grundbedürfnissen fürs         Anspruchsgruppen auslöste.                       und die vier Fähigkeiten Kommunikation,
Spielen: bewegen, verändern und gestalten,                                                         Kreativität, kritisches Denken und Kollabora-
sich zurückziehen, klettern und beobachten.       Verantwortung abgeben                            tion zu fördern, mit dem Mut, die Verantwor-
Gemäss Anne Wegmüller, Geschäftsführerin          Einen über die Partizipation hinausgehenden      tung abzugeben und vielleicht auch ein Teil-
der Fachstelle SpielRaum, äussern die Kinder      Ansatz wählte Peter Bigler, Schulleiter der      projekt wieder abzubrechen. Dies veranlasste
bei vielen Pausenplatzprojekten das Bedürf-       Schule Schötz, für die Neugestaltung eines       ihn, nicht nur die Gestaltung des Raumes fast
nis nach mehr Rückzugsmöglichkeiten und           Schulraums. Mittels eines Design Thinking-       vollständig den Schülerinnen und Schülern zu
vielen Grünflächen. So war dies auch in Lau-      Prozesses liess er Schülerinnen und Schüler      überlassen, sondern auch die künftige Bewirt-
pen der Fall, wo der Schwerpunkt bei der Neu-     Ideen sammeln, wie die Schule noch stärker       schaftung des Raumes inklusive der Nachfol-
gestaltung auf die Abdeckung möglichst vie-       zu ihrer eigenen Schule werden könnte. Er-       geregelung. So übernahm eine achte Klasse
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