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profil Das Magazin für das Lehren und Lernen 3/2021 Räume Grenzenloser Lernreise Freiraum für digitaler Raum Volksschulen fantasievolles Spiel Der digitale Raum Der CAS-Lehrgang zur Im «Spielzeugfreien prägt zunehmend «Schule in der Digitalkultur» Kindergarten» können die Lebenswelt der beginnt im Wald. Ein be- Kinder neue Spielwelten Kinder. wusst gesetzter Kontrast. entdecken.
Die bewährte Reihe «Dossier 4 bis 8» heisst jetzt «Dossier WeitBlick NMG» «Dossier WeitBlick NMG» ANPACKEN! – Für die Gemeinde arbeiten Handbuch 2. Auflage 2021 52 Seiten, A4, farbig illustriert, geheftet www.schulverlag.ch/ 89963 27.00 Die bewährte Reihe «Dossier 4 bis 8» bildet die Grundlage für den Bausteine im aktuellen Dossier: Aufbau von Kompetenzen, die im Lehrmittel «WeitBlick NMG» (www. › Wer packt in der Gemeinde an? – Auf Wimmelbildern arbeitende weitblick-nmg.ch) aufgenommen werden. Deshalb heisst die Reihe Menschen entdecken und ordnen ab 2021 «Dossier WeitBlick NMG». Das bewährte Konzept bleibt: › Welche Arbeiten stehen an – Sammeln von Beobachtungen rund Praxiserprobte Lernarrangements (Bausteine) bieten entwicklungs- um das Arbeiten in der Gemeinde orientierte Zugänge zu Kompetenzen aus dem Fachbereich NMG › Vom Modell zur Kulisse – Modelle von Arbeitsorten herstellen (Lehrplan 21), unterstützen bei der Planung von thematischen, und bespielen fächerverbindenden Unterrichtssequenzen und von Spiel-Lernum- › Memory und darüber hinaus – Merkmale von Berufen beschrei- gebungen für den Anfangsunterricht. Diese können je nach Unter- ben, sammeln und ordnen richtssituation, Klasse und Jahresplanung der Lehrperson ange- › Schrumpfdorf – Freispiel im Schrumpfdorf und in der passt sowie mit eigenen Ideen ergänzt werden. Bewegungslandschaft Das neue Dossier 1/2022 «Leben am und im Wasser – Bäche und Weiher erkunden» erscheint im April 2022
2 3 «Die Räume. Die Räume! Sie stimmen wieder nicht!» Paul gefiel sich in der Rolle des zornigen Gestaltungsdirektors. Er warf die ausgedruckten Entwürfe auf den Tisch und verordnete Nachbesserung. Oder griff selbst zum Bleistift und zeichnete vor, wie mit «dem Raum» umzugehen sei. Als junger Journalist verstand ich Bahnhof. Räume? Inwiefern sollen die stimmen müssen, stimmen können? Paul meinte den Weissraum, lernte ich später, und dieser Weissraum stimmte für ihn, wenn die verschiedenen Elemente wohlgeordnet auf einer Seite platziert waren. Oder wenn sie in harmonischen Proportionen Iwan Raschle M = O/C zueinander standen? Dann hätte Paul den goldenen Schnitt erwähnen können. Und seine Grafikerin hätte ihm vielleicht geantwortet: «Ach, der Goldene Schnitt … Das ist so langweilig. Regeln sind dazu Räume? Inwiefern da, gebrochen zu werden.» Auf die Frage, gegen welche Regel sie in ihrem Entwurf denn verstossen sollen die stimmen habe, hätte er keine Antwort erhalten. müssen, stimmen Die Schönheit liege im Auge der Betrachterin, des können? Betrachters, heisst es. Was wir als schön empfin- den, lässt sich aber auch berechnen. «M = O/C» lautet die aus den 1930er-Jahren stammende Formel eines amerikanischen Mathematikers dafür: Das ästhetische Mass M ist umso grösser, je grösser die Ordnung O bei gleichbleibender Komplexität C ist. Paul meinte nicht die Räume. Sondern die Ordnung. Die vielen Dinge, die auf engstem Raum schlecht platziert sind. Liessen wir sie alle weg, bliebe der Raum selbst. Aufgeräumt. Aber unsichtbar. profil 3/21 © Schulverlag plus AG
Inhalt Grenzenloser digitaler 6 Schulräume 20 Raum im Wandel Der digitale Raum wird grösser und Pädagogische Überlegungen, zusätzlicher Platz- prägt zunehmend die Lebenswelt der bedarf, die Übernahme eines neuen Schulzimmers Kinder und Jugendlichen. Wie sich die oder einfach Freude an Veränderungen können Nutzung der Medien durch Jugendliche Gründe für die Umgestaltung von Schulraum sein. in den letzten zehn Jahren gewandelt Die kreative Lösungssuche in diesem Prozess hat und was dies für die Schule bedeutet – vereint die vier porträtierten Beispiele. ein Gespräch mit Daniel Süss. Start-ups gründen 10 im Englischunterricht Auf langer 24 Im Projekt Teen-Preneurs entwickelten Englisch- Denkreise schülerinnen und -schüler der Sekundarschule Burg in Liestal eigene Start-ups. Wie funktioniert Sie setzt sich seit über 25 Jahren mit digitalen das? Profil befragte Stella Stejskal, die Initiantin Möglichkeiten im Unterricht auseinander. dieses preisgekrönten Projekts. Zuerst als Lehrerin und Heilpädagogin, später auch als Schulleiterin, Erwachsenenbildnerin und Beraterin. Heute begleitet Rahel Tschopp Schulen auf ihrem Weg zur Lernkultur in der Lernreise 14 Digitalität. Volksschulen 20 Lehrpersonen starten ihren CAS-Lehrgang zur «Schule in der Digitalkultur» – und dies im Wald. Der Klassen- 26 Lernort passt gut zum Thema «Wie lerne ich, eine fragende und neugierige Haltung einzunehmen?» und zimmer unter setzt einen bewussten Kontrast zu Vorstellungen den Bäumen von Schulen in der Digitalkultur. Der Wald ist ein beliebter Erholungs- und Erlebnisraum. Und ein grosszügig eingerichtetes Klassenzimmer: Die Waldschule Baden ermöglicht den Kindern sinnliche Lernerfahrungen direkt in der Natur. Der leere Raum: 18 Freiraum für fantasie- volles Spiel Im «Spielzeugfreien Kindergarten» können Kinder Weitere Beiträge neue Spielwelten entdecken und dabei ihre Lebens- Editorial 3 kompetenzen stärken. Ein Interview mit Cornelia Rätselauflösung 30 Rüdisüli, die das Projekt umgesetzt und anschliessend Impressum 47 wissenschaftlich untersucht hat.
4 5 Der Schulverlag 32 Bühne frei! 42 zieht bald um Elf online-Projektpräsentationen bewiesen, wie kreativ Schülerinnen und Schüler eine An der Belpstrasse 48 ist vieles zu umständlich neue und grosse Herausforderung angehen geworden. Der Schulverlag plus will den Aus- und meistern. Bericht über die Premiere tausch unter den Abteilungen fördern und des- des «Festival Projekt 9», das auch vom Schul halb näher zusammenrücken. Ein neuer Ort im verlag unterstützt wird. Osten Berns ist gefunden. Auf literarischer 35 Projekt 9 Räume erschaffen, Weltreise mit 44 «SPRACHWELT 2» einrichten, bespielen Literarische Texte eröffnen Welten, fördern Der WERKWEISER 1 bietet eine Menge An Fantasie, ermöglichen emotionale und sinnliche regungen, wie sich Schülerinnen und Zugänge. In SPRACHWELT 2 befassen sich Schüler im Textilen und Technischen Gestalten die Schülerinnen und Schüler umfassend mit mit Räumen auseinandersetzen können. verschiedenen Geschichten und Literatur- formen aus der ganzen Welt. Ein Deutschlehrmittel, 36 das motiviert «Sprachwelt 1» unterstützt Lehrpersonen beim Deutschunterricht. Auf spielerische Art und Weise, durch vielseitiges Sprachhandeln, systematisches Arbeiten und individuelles Training. Luana Greco kennt das Lehrmittel aus erster Hand – und berichtet von ihren Erfahrungen. «Die Kinder arbeiten 38 sehr gerne digital» «Mille Feuilles» und «Clin d'œil» bestehen aus ge- Weitere Beiträge druckten und digitalen Elementen. Masa Neuen- Editorial 31 schwander und Michael Keller schildern im Nachgefragt 45 Gespräch mit dem Schulverlag ihre Erfahrungen Neuerscheinungen 46 mit den digitalen Teilen der beiden Franzö- Veranstaltungen 48 sisch-Lehrmittel. profil 3/21 © Schulverlag plus AG
Grenzenloser digitaler Der digitale Raum wird grösser und prägt zunehmend die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen. Wie sich die Nutzung der Medien durch Jugendliche in den letzten zehn Jahren gewandelt hat und was dies für die Schule bedeutet – ein Gespräch mit Daniel Süss. Von Christian Graf.
6 7 Raum Physische und digitale com k.adobe. Räume werden zunehmend nd – stoc stärker vernetzt. Jacob Lu Bild: © profil: Sie haben im Rahmen der Erhe- Welche Auswirkungen hat die intensive bung JAMES über 1000 Jugendliche Nutzung des Smartphones auf das zwischen 12 und 19 Jahren zu ihrem Verhalten der Kinder und Jugendlichen? Freizeitverhalten und zu ihrer Medien- nutzung befragt. Welche zentralen Die erweiterten Möglichkeiten des Smartpho- Entwicklungen in der Mediennutzung nes und die einfache Verfügbarkeit von Pro- durch Jugendliche konnten Sie in den grammen, die in immer intuitiveren Oberflä- letzten zehn Jahren feststellen? chen angeboten werden, führen zu einer sich verändernden Nutzung. Daniel Süss: Im beobachteten Zeitraum ist die Wir stellen eine auffällige Verschiebung zu Bedeutung des Smartphones für die Jugendli- einer Kultur der visuellen Kommunikation chen stets gestiegen. Immer mehr Kinder und fest. Sowohl bei der mit dem Austausch von Jugendliche haben ein Smartphone, immer Fotos verbundenen Selbstinszenierung wie bei mehr mit unlimitierter Datenmenge. Das der Verbreitung inhaltlicher Botschaften Smartphone ist zum absoluten Leitmedium durch Jugendliche spielen visuelle Umsetzun- von Kindern und Jugendlichen geworden. Sie gen eine wichtige Rolle. nutzen es für Unterhaltung, Information und Und obwohl der passiv konsumierende Kommunikation ebenso wie für das Lernen. Umgang immer noch dominiert, nimmt die Das Gerät integriert auch die traditionellen eher reaktiv-konstruktive Nutzung bei Jugend- Medien und ist dadurch gewissermassen zum lichen zu. Jugendliche werden zunehmend zu Metamedium geworden. Kuratorinnen und Kuratoren, indem sie mit einem eigenen Blick auf Dinge, die von ande- Hat sich die Nutzungszeit deswegen ren schon geschaffen wurden, etwas Eigenes verändert? entwerfen und ein originäres Werk schaffen. Wir stellen in den Berichten jeweils dar, wie Kinder und Jugendliche verändern hoch der Anteil der häufigen Nutzung (Nut- also ihr Verhalten im digitalen Raum. zung täglich oder mindestens mehrmals pro Mit welchen Folgen? Woche) verschiedener Medien ist. Beim Handy fragen wir direkt nach den Nutzungszeiten. Physische und digitale Räume werden zuneh- Die von den befragten Jugendlichen selbst ein- mend stärker vernetzt. Es ist heute für Kinder geschätzte Handynutzungszeit ist 2020 noch und Jugendliche möglich, physisch mit Famili- einmal gestiegen: an einem Wochenendtag um enmitgliedern zusammen und gleichzeitig mit rund 1 Stunde 55 auf insgesamt 5 Stunden, Freundinnen und Freunden virtuell verbun- unter der Woche um 40 Minuten auf 3 Stunden den zu sein. Jugendliche können mit ihrem 10 Minuten täglich. Smartphone ganz vieles in ihren eigenen Räu- profil 3/21 © Schulverlag plus AG
men virtuell und faktisch aushandeln. Damit haben sie in den letzten Jahren immer mehr autonome Bewegungsräume erhalten, deren Wenn die digitale Welt bedrohlich wird Kontrolle durch Erwachsene anspruchsvoller Daniel Süss erwähnt im Interview, Cybermobbing, Verhaltenssucht und der wird. Umgang mit Sexualität und Pornografie im digitalen Raum seien Themen, die die Schule aufnehmen müsse. Eine kurze Erklärung zu den drei Themen. Sie waren selbst Primarlehrer. Was Cybermobbing bedeutet aus Ihrer Sicht diese Verlage- Wer jemanden online beleidigt, belästigt oder bedroht, betreibt Cybermobbing. Eine rung der Lebensrealität von Jugendli- harmlose Hänselei in einem Chat oder in einem Forum kann rasch bedrohliche chen in zunehmend digitalere Räume Dimensionen annehmen. Es wichtig, Jugendliche früh dafür zu sensibilisieren, dass für die Volksschule? Cybermobbing strafbar sein kann. Und dass es wichtig ist, rechtzeitig einzuschreiten, wenn ein Verdacht auf Cybermobbing besteht. In der Schweiz hat gemäss James Nach wie vor ist die Schule ein Ort des Lernens Studie 2020 ein Viertel der Jugendlichen bereits einmal Cybermobbing erlebt. und Übens, wie man sich in digitalen Räumen bewegt, wie Risiken vermieden und positive Onlinesucht (Verhaltenssucht) Potenziale genutzt werden können. Als wesent- Viele Jugendliche und auch Erwachsene sind ständig online – «always-on». Sie liche Themen, die die Schule aufnehmen muss, checken dauernd Mails, Chats und Social-Media-Einträge, und sie sind auf vielen erachte ich Cybermobbing, Verhaltenssucht Social-Media-Kanälen präsent, wo sie sich Anerkennung und Zugehörigkeit erhoffen. und der Umgang mit Sexualität und Pornogra- Auch Onlineplattformen oder Games mit ausgeklügelten Belohnungssystemen erhöhen die Onlineabhängigkeit. Durch das «Always-on»-Sein verschiebt sich der fie im digitalen Raum. Lebensmittelpunkt in die digitale Welt – was längerfristig dramatische Folgen haben Die Schule muss gleichzeitig die Frage im- kann. Gemäss der Studie «EU Kids onlin: Schweiz 2019» sind 23 Prozent der Schwei- mer wieder neu beantworten: Was machen wir zer Jugendlichen beim Versuch gescheitert, weniger online zu sein. digital, was offline, und wo lassen sich die bei- den Formen sinnvoll verbinden? Sexualität und Pornografie Auch die Rolle der Lehrperson ist durch die Die Neugierde gegenüber Liebe und Sexualität gehört zum Erwachsenwerden. Viele veränderte Mediennutzung von Kindern und Jugendliche klären sich mit Hilfe des Internets nicht nur auf, sie suchen auf diesem Jugendlichen betroffen. Denn das Wissensmo- Weg auch neue Bekanntschaften und tauschen erotische Mitteilungen oder Bilder nopol der Schule und der Lehrpersonen wird aus. Dadurch wird das neugierige Entdecken zum Risiko: Intime Texte und Bilder zunehmend relativiert, die Kinder und Jugend- können in Kürze weit verbreitet und zu Cybermobbingzwecken verwendet werden. lichen recherchieren immer öfter und schnel- Altersgerechte und unaufgeregte Gespräche zwischen Eltern und Heranwachsenden ler selbst. Die Lehrperson muss sich zuneh- sowie deren verständnisvolle Begleitung durch die Erziehungsberechtigten sind wichtig und bilden die Basis für eine gesunde sexuelle Entwicklung und für ein gutes mend als Wissensinterpretin und -integriererin Urteilsvermögen. Gemäss James-Studie 2020 wurden 55 Prozent der Schweizer verstehen, die Kinder und Jugendliche dabei Mädchen im Internet bereits einmal von einer fremden Person sexuell belästigt. unterstützt, mit der Fülle an Informationen und den digitalen Möglichkeiten umzugehen. So erhält die Förderung von Eigenständigkeit und kritischem Denken eine neue Dringlich- keit. schulischen Unterricht systematisch bearbei- ten, die Fragen und Probleme der Kinder und Und wie meistern die Schulen diese tet werden. Die Schulen haben diese Heraus- Jugendlichen. Herausforderungen? forderungen angenommen. Etwas nachdenklich macht mich eine Be- obachtung, die ich in meiner Arbeit in der Aus- Schon in den 70er-Jahren gab es Lehrpersonen, Verändern sich auch Lehrpersonen selbst bildung von jungen Menschen mache: Viele die Themen wie Medien, Werbung und Hör- durch die Nutzung der digitalen Medien? junge Leute, die den Lehrberuf wählen, sind spiele mit viel Enthusiasmus im Unterricht eher medienskeptisch unterwegs, weil sie kri- aufnahmen. Seither hat sich in den Schulen Die Lehrpersonen haben sich in den vergange- tische Literatur lesen, in der mit Forschungs- einiges getan, neue Lehrmittel, Weiterbil- nen Jahren sicher verändert. Ihr Potenzial in befunden oftmals auch etwas freihändig um- dungsangebote und fachdidaktische Studien- Bezug auf die Nutzung und Thematisierung gegangen wird, indem diese sehr selektiv gänge wurden eingeführt, viele Schulen holten von Medien wird immer grösser. Immer mehr interpretiert werden. zudem in den letzten Jahren Expertisen von Lehrpersonen haben selbst viele eigene Erfah- Viele Menschen, die in sozialen, psycholo- aussen ein. Wichtig bleibt aber, dass die Kom- rungen mit den neuen Medien gesammelt und gischen und pädagogischen Arbeitsfeldern petenzen, wie sie im Modul Medien und Infor- haben dadurch in verschiedenen Bereichen tätig sind, vertreten die Haltung, das Wich- matik im Lehrplan 21 beschrieben sind, im auch ein grosses Verständnis für das Verhal- tigste – oft auch das Einzige, was zähle – sei
8 9 die direkte Begegnung, Erziehung und Interak- tion. Sie sind daher Medien gegenüber häufig skeptischer. Begegnungen mit Menschen und Geschich- ten finden sehr wohl von Angesicht zu Ange- Die Förderung von Eigen- sicht statt, aber auch solche, die in Medien dargestellt werden, beispielsweise in Filmen, Spielen, Büchern, bieten Impulse, die uns wei- ständigkeit und kritischem terbringen. Denken erhält eine neue Von der Einschränkung physischer Begegnungsmöglichkeiten waren in der Dringlichkeit. Pandemie gerade auch Kinder und Jugendliche stark betroffen. Was ist in der Coronazeit bei Jugendlichen bezüg- lich der Mediennutzung geschehen? Die Pandemie wäre für Jugendliche noch viel gravierender gewesen ohne Social Media. Die Nutzungszeit hat massiv zugenommen, wohl lich fehlende soziale Kontrolle und die erhöhte quenz auf den Lockdown eine sinnvolle und auch kompensatorisch. Jugendliche haben – Ablenkungsgefahr mussten individuell mit mögliche Entwicklung. genau wie Lehrpersonen auch – neue Funkti- Selbstdisziplin und Selbstregulation wettge- Bei der Frage nach Möglichkeiten, schuli- onen entdeckt, um ihre Freundinnen und macht werden. Dies gelang den Jugendlichen sches Lernen optimal zu gestalten, spielt auch Freunde zu treffen, sich mit ihnen auszutau- unterschiedlich gut. die Differenzierung von Räumen eine Rolle. schen und auch mit ihnen zu lernen. Das Gemeint sind damit die Freizeit, Arbeitszeit Spektrum der Mediennutzung ist noch einmal «Der Digitalisierungsschub wird Spuren und Lernzeit. Wo ist selbstständiges Lernen deutlich grösser geworden. Gleichzeitig haben über die Pandemie hinaus hinterlassen.» gut möglich, wo ist direkter Austausch nötig, im Zeitraum der Pandemie sexuelle Belästi- Diese Behauptung aus dem Forschungs- was braucht es, um die Menschen im individu- gungen online – vermutlich als Folge der zu- bericht wird nicht weiter erläutert. ellen Lernprozess zu unterstützen? Die (nicht nehmenden Mediennutzung – stark zugenom- Welche Spuren sehen Sie? neue) Herausforderung für Lehrpersonen, men. dass nicht für alle Schülerinnen und Schüler Wie erwähnt scheint mir die stärkere Förde- das gleiche Lernsetting hilfreich ist, ist in Be- Sie haben in der Fachgruppe Medien rung des selbstregulierten Lernens als Konse- zug auf Raum und Zeit erweitert worden. psychologie im Rahmen einer zusätz lichen Studie (JAMESfocus) die Effekte des Corona-Shutdowns auf das Infor- mationsverhalten und das psychische Wohlergehen der Jugendlichen unter- JAMES sucht. Mit welchen Ergebnissen bezüg- JAMES steht für Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz. Seit 2010 werden lich des schulischen Lernens? alle zwei Jahre jeweils über 1000 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren aus den drei grossen Sprachregionen der Schweiz zum Freizeitverhalten und der Medien- Jugendliche haben die veränderte Situation in nutzung befragt. Daniel Süss, Professor für Medienpsychologie an der ZHAW und Professor für Kommunikationswissenschaft an der Uni Zürich, ist seit Beginn als der Schule und bei der Arbeit sehr unterschied- Co-Leiter an den JAMES-Studien beteiligt. lich erlebt. Wenige Jugendliche beurteilten die Lern- möglichkeit im Fernunterricht als besser, viele Hier finden Sie die Und hier der https://bit.ly/3v17gQs https://bit.ly/2YypxbO Befragte lernten gleich gut, während einige Zusammenfassung JAMESfocus zu aller bisher durch - den Effekten schlechter lernen und arbeiten konnten. Ten- geführten JAMES- des Corona- denziell war es für leistungsschwächere oder Studien: Shutdowns im wenig motivierte Lernende schwieriger, im Frühling 2020: Fernunterricht zu lernen. Ein Grund dafür liegt im ungleichen Potenzial der Jugendlichen zum Selbstmanagement. Die geringere oder gänz-
Die Pandemie wäre für Jugend- liche noch viel gravierender gewesen ohne Social Media. Jugend und Medien Jugend und Medien ist die nationale Plattform des Bundesamts für Sozialversicherungen zur Förderung von Medienkompetenzen. Sie verfolgt im Auftrag des Bundesrats das Ziel, dass Kinder und Jugendli- che sicher, altersgerecht und verantwortungsvoll mit digitalen Medien umgehen. Dabei spielen Lehrpersonen, Eltern und Betreuungsperso- nen eine wichtige Rolle. Lehrpersonen, die im Unterricht oder an einem Informationsabend für Eltern und Erziehungsberechtigte den Umgang mit Medien thematisie- ren wollen, finden bei «Jugend und Medien» alle nötigen Informationen, Fakten, Tipps und Empfehlungen, regelmässig aktualisiert und kostenlos erhältlich in 16 Sprachen. www.jugendundmedien.ch/angebote-beratung/bestellung-publikationen Wird die Schule also zu einem ortsunab- hängigen Arbeits- und Lernort? Die Schule – das hat der Lockdown auch ge- zeigt – ist für Kinder und Jugendliche nach wie vor ein sehr wichtiger Ort des Zusammentref- fens mit Peers und mit Lehrpersonen. Sie wird weiterhin ein geschützter Raum für Experi- mente und für den Aufbau einer guten Fehler- kultur bleiben. Aber die Frage stellt sich ange- sichts der Entwicklung digitaler Möglichkeiten wieder neu: Wie offen und vernetzt ist eigent- lich die Schule? Wird sie als abgeschotteter Schonraum betrachtet, oder vernetzt sie sich stärker mit anderen Teilen der Gesellschaft, wird sie durchlässig für Austausch und Ler- nen im Quartier, über Generationen hinweg, mit Migrantinnen und Migranten usw.? Die Erfahrungen mit veränderter Mediennutzung, geschlossenen Schulhäusern und vollständi- gem Fernunterricht können durchaus zu neuen Impulsen für die Schule führen. ■
10 11 Bild: © Costello77 – stock.adobe.com, Rakete: © Dzianis Rakhuba – stock.adobe.com Start-ups gründen im Englischunterricht Im Projekt Teen-Preneurs entwickelten Englischschülerinnen und -schüler der Sekundarschule Burg in Liestal eigene Start-ups. Wie funktioniert das? Profil befragte Stella Stejskal, die Initiantin dieses preisgekrönten Projekts. Von Regina Strub. «Lasst die Welt in die Schule kommen und die Zu Beginn des Semesters besuchten die Schü- Schülerinnen und Schüler sich in Englisch aus- Schule nach draussen gehen». So lautet Stella lerinnen und Schüler einen Design Thin- drückten.» Stejskals Vision eines guten und nachhaltigen king-Workshop im Creative Kids eduLab in Stella Stejskal weist auf den kompetenz Unterrichts. Deshalb startete sie im letzten Basel. Dort besprachen sie ihre Ideen mit Ex- übergreifenden Ansatz des Lehrplans 21 hin: Schuljahr mit ihren Englischklassen das Pro- pertinnen und Experten und planten die «Die Anwendung verschiedener digitaler Tools jekt Teen-Preneurs und liess ihre Schülerin- nächsten Schritte ihres Start-ups – alles in förderte einerseits die digitale Kompetenz und nen und Schüler ein eigenes Start-up gründen. englischer Sprache. andererseits die englischen Sprachkenntnisse Die Regeln waren einfach und transparent: Das war ein intensiver Start. Fortan stan- im ganzheitlichen Sinn. So traten einige Schü- Das Start-up muss eines der Probleme unserer den den Schülerinnen und Schülern zwei der lerinnen und Schüler via digitale Plattformen Welt angehen, und die Umsetzungssprache ist drei Wochenlektionen für ihr Projekt zur Ver- mit Menschen auf der ganzen Welt in Kontakt. Englisch. fügung. Mit Vorträgen und Präsentationen Da die Schülerinnen und Schüler in Gruppen hielten sie sich gegenseitig auf dem Laufenden. arbeiteten, waren sie auch in den sozialen Kom- Teen-Preneurs – der etwas andere Ein Logbook sorgte dafür, dass Zielformulie- petenzen gefordert.» Englischunterricht rungen und Zielerreichungen übersichtlich So entstand beispielsweise eine soziale «Welchen Beitrag leistet ihr für eine bessere festghalten werden konnten. Aufräumaktion gegen Plastikmüll, eine Uhr Welt?», lautete die Ausgangsfrage, die Stella Stella Stejskal erklärt: «Ich half wo nötig, mit inkludiertem Desinfektionsmittel gegen Stejskal ihren Schülerinnen und Schülern motivierte, begleitete und vernetzte meine Coronaviren, ein Businessplan für ein veganes stellte. Sie überlegten, wo Probleme liegen und Schülerinnen und Schüler mit Menschen aus Fast-Food-Lokal, ein Verein, der gegen Rassis- liessen dann gemeinsam Ideen für Lösungen dem Berufsleben, die ihnen bei den jeweiligen mus mobilisieren will und eine App für Jugend- sprudeln. Woran die Lernenden arbeiten woll- Projekten weiterhelfen konnten. Da diese Men- liche mit Depressionen. ten, entschieden sie selbst. Die Erkenntnis, schen mehrheitlich nicht Deutsch sprachen, Teen-Preneurs ist eines von zehn Projekten dass unsere Umwelt formbar ist, war das Ziel. war es nur logisch und notwendig, dass die in der Schweiz, das von der educreators Foun-
dation im Wettbewerb Shapers of the Future 2020 ausgezeichnet wurde. Die Erfahrungen Wie bei jeder Form von Unterricht gibt es Ler- nende, die begeistert sind und selbstständig arbeiten, und Lernende, die viel Unterstützung brauchen. Der Umgang mit Frustrationen war für einige Schülerinnen und Schüler eine grosse Herausforderung. Zu merken, dass das hoch gesteckte Ziel nicht erreichbar ist, dass Mind-Map zum Thema Depression. sie das Problem nicht lösen können, liess ein- zelne Gruppen fast verzweifeln. Da half das Coaching der Lehrperson weiter; das hiess: Überwindung der Frustration und die enga- rinnen mir nach der Schule mitteilen, dass sie klare Fragen stellen, die Schülerinnen und gierte Suche nach Alternativen. das, was ich mit ihnen im Unterricht begonnen Schüler mit den Grenzen konfrontieren und sie «Als Lehrperson musste ich diese Frust- habe, privat weiterführen wollen, ist das das neue Wege entdecken lassen. phase in Kauf nehmen, da die Aufgabenstel- Schönste, das mir als Lehrperson passieren «Einer Gruppe lag der Regenwald sehr am lung bewusst sehr offen war», erklärt Stella kann», meint Stella Stejskal. Herzen», erzählt Stella Stejskal. «Als die Ler- Stejskal. Deshalb überlegte sie nach jeder nenden merkten, dass ihre Idee der Rettung Lektion, welche Gruppen selbstständig weiter- Reaktionen und Einschätzungen nicht realisierbar ist, wollten sie einen Fleisch arbeiten können und wo ihre Unterstützung Jede Lehrperson, die sich auf ein solches Pro- ersatz erfinden. Als dann auch diese Idee nicht angezeigt war. Hilfreich dabei war der Aus- jekt einlässt, muss sich bewusst sein, dass es zustande kam, war der Frust da. Und dieser tausch mit einer Kollegin, die schon Erfahrung Reaktionen unterschiedlichster Natur geben war sehr gross.» Stella Stejskal begleitete die mit dieser Art des offenen Unterrichts hatte. wird. Eltern können genau wie die Schülerin- enttäuschte Gruppe, indem sie Fragen stellte Eine Mädchengruppe beschloss, eine App nen und Schüler sehr begeistert sein, weil sie und alternative Lösungen anbot. Nachdem sich für psychische Gesundheit zu entwickeln. allenfalls sogar selbst so arbeiten oder aber auch die Idee eines eigenen Foodtrucks als zu «Dies war offensichtlich ein wichtiges Thema sehr skeptisch oder gar ablehnend reagieren anspruchsvoll herausstellte, wendete sich die für sie. Depressionen sind für sie ein reales und Bedenken äussern. Auch die anderen Gruppe an einen Mann, der einen veganen Problem, und sie wollten etwas tun, das ande- Lehrpersonen, Schulleitungen und Behörden Foodtruck betreibt. Mit ihm zusammen plan- ren unruhigen Teenagern hilft», erklärt Stella werden in diesem Rahmen Feedbacks geben. ten und realisierten die Lernenden in Liestal Stejskal den Eifer der jungen Frauen. Diese Hier hilft die frühzeitige und transparente eine Aktion. Die immer realistischer werdende Gruppe arbeitete nach dem abgeschlossenen Orientierung aller Beteiligten. Stella Stejskal Einschätzung der eigenen Mittel und Ressour- Semester in der Freizeit weiter an der App und informierte gleich zu Beginn alle Beteiligten cen war eine Facette des wertvollen Lernpro- wurde von einer Fachperson, die Stella Stejs- und zeigte ihnen den Bezug zum Lehrplan 21 zesses dieser Gruppe. Dazu gesellten sich die kal vermittelt hatte, begleitet. «Wenn Schüle- und das vorgesehene Bewertungssystem auf. Wenn mir Schülerinnen und Schüler mitteilen, privat weiterführen zu wollen, was ich mit ihnen im Unterricht begonnen habe, ist das das Schönste, das mir passieren kann.
12 13 Präsentation der Gruppe «App für Jugendliche mit Depressionen». Dabei gewichtete sie die Präsentationen und Produkte stärker als klassische Prüfungen. «Die Schülerinnen und Schüler haben in diesem Semester sicher viel mehr englisch gesprochen als im traditionellen Unterricht», resümiert Stella Stejskal und ist sich gleichzei- tig bewusst, dass die Grammatik hintanstehen musste, obwohl sie in einer Wochenlektion ganz klassisch mit dem Englischbuch unter- richtete. «Gerade Schülerinnen und Schüler, die die Klarheit der Grammatik mögen, sind da zu kurz gekommen», gibt Stella Stejskal zu. Dafür erweiterten die Lernenden in diesem Semester ihre digitalen, kommunikativen und sozialen Kompetenzen. Stella Stejskal wünscht sich, dass alle Ler- nenden auf ihre Schulzeit zurückblicken und sagen können: «Hier habe ich gelernt, mich Präsentation der Gruppe «Fake News». selbst zu verstehen und zu mögen. Ich habe gelernt, mit anderen zusammen etwas zu er- schaffen, das grösser ist als jede und jeder Einzelne von uns. Jetzt fühle ich mich fit für Die Stiftung educreators sucht das Leben.» ■ PH-Absolventinnen und Absolventen der letzten 5 Jahre, also neue, engagierte Lehrpersonen, die Veränderung bewirken wollen, indem sie Kreativität, Spiel und Menschlichkeit in die Schule bringen und fördern. Educreators will Vernetzung ermöglichen und Unterstützung bieten: rb.gy/naidq8 Die Gruppe Teen-Preneurs der Sekundarschule Burg in Liestal. profil 3/21 © Schulverlag plus AG
Lernreise Volksschulen 20 Lehrpersonen starten ihren CAS-Lehrgang zur «Schule in der Digitalkultur» – und dies im Wald. Der Lernort passt gut zum Thema «Wie lerne ich, eine fragende und neugierige Haltung einzunehmen?» und setzt einen bewussten Kontrast zu Vor- stellungen von Schulen in der Digitalkultur. Von Christian Graf.
14 15 Endstation Tschädigen. Wer die Waldschule nehmbar. Es sind keine Kinderstimmen, denn gang durch «seine» Schule, wie es zu diesem Meggen besucht, steigt hier aus und geht zu es ist Ferienzeit in der «Naturschule Wild- Garten gekommen ist: «Gartenarbeit und die Fuss einen kleinen Weg hinauf. Der Mann, der wuchs», wie sie sich selbst nennt. Im Kreis Haltung von Hühnern sind Leidenschaften von vor dem letzten Haus am Weg steht, ist offen- stehen die 20 Teilnehmenden des CAS-Lehr- uns Lehrpersonen. Man muss etwas von sich sichtlich Besuch gewohnt. «Sie wollen sicher gangs «Lernreise Volksschule – Schule in der einbringen als Lehrperson, die Kinder sollen zur Waldschule. Dann sind Sie richtig. Gehen Digitalkultur» und werten die Ergebnisse der die Leidenschaft ihrer Lehrerinnen und Lehrer Sie weiter bergauf, oben haben Sie zwei Mög- Vormittagsarbeit aus. Am Bauwagen hängen spüren.» lichkeiten: dem Waldrand entlang oder durch persönliche «Glaubenssätze» zur Schule: «Ich den Wald. Dieser Weg ist schöner.» bin sicher, dass die LEIDENSCHAFT der wich- Spielraum für Veränderungen tigste Treiber für das Lernen ist» oder «Ich bin Nach und nach wird deutlich, dass der Lernort Auf dem Weg zur «Naturschule Wildwuchs» überzeugt, dass Heterogenität zu Empathie für die Weiterbildung nicht zufällig ausgewählt Die Spannung steigt: Wo führt der steile Weg führt». Um diese Vorstellungen wird es noch ist, sondern in enger Verbindung zum Kursin- hin, wie sieht eine Naturschule aus, und wes- mehrmals gehen an diesem Tag und in den halt steht. Auf der «Lernreise» erleben die Teil- halb genau ist sie Lernort für eine Weiterbil- künftigen sechs Etappen auf der Lernreise. nehmenden Lernorte, an denen Schulkultur dung zum Thema Schule in der Digitalkultur? erarbeitet und gelebt wird. «Wir zeigen auf, dass Nach einem etwa 15-minütigen Spazier- Gartenarbeit und Hühner auch die eher sperrigen Rahmenbedingungen gang durch den Wald ist der Rauch eines Feu- In der Küche nebenan bereiten zwei Mitarbei- der Volksschule viel Spielraum für Verände- ers zu riechen. Hinter diesem kleinen Hügel terinnen der Naturschule auf offenem Feuer das rungen ermöglichen. Und wir bringen Leute muss die Naturschule sein. Noch eine kurze Mittagessen vor, mit Kräutern und Gemüse aus ins Gespräch, die etwas bewegen wollen», be- Strecke durch dorniges Dickicht, vorbei an ei- dem kleinen Schulgarten. Remo Ehrenbolger, schreibt Rahel Tschopp die Idee hinter dem ner Toilette – und plötzlich sind Stimmen ver- der Schulleiter, erklärt auf einem kurzen Rund- neuen CAS-Lehrgang der PH Schaffhausen, den profil 2/21 3/21 © Schulverlag plus AG
sie zusammen mit Andreas Brugger und Felix Die lebhaften Diskussionen beim Mittagessen tragt ihr eure Gedanken und Vorstellungen in Hollenstein leitet. zeigen, wie inspirierend die gemeinsame Arbeit der Gruppe zusammen und versucht, mit den Auch Remo Ehrenbolger nimmt am Kurs in einer Stimmung der Veränderung und des Materialien, die ihr im Wald gesammelt habt teil: «Mich motivierte der Austausch und das Aufbruchs wirken. und auf dem Hintergrund eurer Glaubenssätze, Kennenlernen von anderen Lehrpersonen und gemeinsam einen Prototypen der Schule der Schulleitungspersonen, die interessiert sind an Prototyp der Schule der Zukunft Zukunft zu bauen.» Veränderung und Verbesserung der Schulkul- Nach dem Mittagessen steht der nächste Schritt Die Gruppen suchen sich einen Arbeits- tur. Als Gastgeber für den Prolog hat mich das an: Die Gruppen werden sich mit der Schule platz, der auch als Standort für ihren Proto Setting neugierig gemacht: Start einer Weiter- der Zukunft auseinandersetzen. Auf dem Spa- typen geeignet ist, eine flache Stelle, ein ab bildung rund um digitale Lernkultur – und wir ziergang zu einem Waldstück, unmittelbar ne- sterbender Baumstrunk, eine Jungpflanze – der starten draussen in der Natur, ohne Strom.» ben einer geheimnisvollen Moorlandschaft Ort wird in die Gedankenarbeit miteinbezo- gelegen, suchen die Teilnehmenden weitere gen. Die Lernkultur steht im Zentrum Gegenstände, die sie für Ihre Visualisierung Nach einer knappen Stunde werden die Remo Ehrenbolger hat auch der enorm grosse verwenden wollen: Pilze, eine Feder, ein stach- entstandenen Modelle nach klaren Regeln vor- und breite Erfahrungsschatz überzeugt, den liger Zweig, ein paar rote Beeren. gestellt: Die Gruppe hat exakt 5 Minuten für die Kursleitung mitbringt. Dieser gehe «weit Felix Hollenstein, Kursleiter mit langjähri- die Präsentation, anschliessend werden Ver- über das Digitale hinaus. Digitale Lernkultur ger Erfahrung in Innovationstechniken und ständnisfragen aus dem Publikum beantwor- wird nicht als ‹alles muss digital sein› verstan- Design Thinking in der Wirtschaft, erteilt den tet. In einer nächsten Runde wird zusammen- den. Im Zentrum und als Ausgangspunkt steht Gruppen den Auftrag: «Macht euch zuerst ein- getragen, welche Aspekte des Prototyps den immer die Lernkultur und der individuelle zeln Gedanken zur Frage, wie die Schule der Anwesenden besonders gefallen. Zum Ab- Lernprozess». Zukunft aussehen soll. Wenn der Gong ertönt, schluss gibt es Anregungen an die Gruppe, Die Diskussionen zeigen, wie inspirierend die gemeinsame Arbeit wirkt.
16 17 welche Merkmale und Themen in der Weiter- Grundlage und Anker für den weiteren bearbeitung verdeutlicht werden sollten. Kursverlauf dienen werden. Die Gruppe scheint eingestimmt auf die nächsten sechs Klare Vorstellungen einer Etappen der Lernreise. Dabei stehen Teilfragen zukünftigen Schule zur Schule in der Digitalkultur im Zentrum, auf Die Anlage der Arbeitssequenz weist Merk- die an verschiedenen Lernorten gemeinsam male des Design Thinkings auf, das das CAS und mit Fachpersonen vor Ort nach möglichen methodisch prägen wird. Zum einen werden Antworten gesucht wird. neue Ideen durch Experimentieren entwickelt und in einem Prototypen visualisiert. Zum an- Tschädigen. Nach dem Besuch ist die Endsta- deren werden die Zwischenergebnisse früh tion zur Startstation geworden. Viele Gedan- und immer wieder präsentiert, um Anregun- ken und Eindrücke werden die Weiterreise gen der Gruppe aufzunehmen und in den begleiten. ■ nächsten Vertiefungsschritt einfliessen lassen zu können. Online: Auf profil-online.ch Die zweite Präsentation, die den Kurstag finden Sie die Gruppen www.profil-online.ch abschliesst, zeigt, wie hilfreich die kurze Aus- präsentation eines Proto- tauschrunde für die Weiterentwicklung der typs «Schule der Zukunft» sowie eine Bildgalerie mit Prototypen gewesen ist. Die Bilder und Erläu- Impressionen des CAS- terungen der Gruppen zeichnen klare Vorstel- Lehrgangs. lungen einer zukünftigen Schule, die als profil 3/21 © Schulverlag plus AG
Der leere Raum: Freiraum für fantasievolles Spiel Im «Spielzeugfreien Kindergarten» können Kinder neue Spielwelten entdecken und dabei ihre Lebenskompetenzen stärken. Ein Interview mit Cornelia Rüdisüli, die das Projekt umgesetzt und anschliessend wissenschaftlich untersucht hat. Von Verena Eidenbenz. Das Projekt «Spielzeugfreier Kindergar- was neu erlaubt war. Aber das wilde Spiel legte fantasievollen Spielideen, die Ausdauer, das ten» stammt aus Deutschland und wurde sich sehr bald. Selbstvertrauen und die Freude an der Auto- dort in den 1990er-Jahren als Instrument nomie. für die Suchtprävention entwickelt. Auch Welche Beobachtungen haben Sie bei in der Schweiz findet die Idee Anklang. Ihren Kindergartenkindern gemacht? Gab es auch Kinder, die Mühe hatten mit Was war Ihre Motivation, das Projekt dem grossen Freiraum? aufzunehmen? Aus dem chaotischen Explorationsspiel entstan- den bald Spielinhalte, die fliessend ineinander Mühe hatten einige Kinder mit wenig Spiel Cornelia Rüdisüli: An einer Berufseinfüh- übergingen. Aus den Gefängnissen aus dem erfahrung, und auch die mehrsprachigen rungsweiterbildung an der PH habe ich das Räuber-Polizei-Spiel wurden Häuser für andere und zurückhaltenden Kinder hatten anfangs Projekt kennengelernt. Das kindliche Spiel hat Spielzwecke. Auch die Gruppenkonstellationen Schwierigkeiten, sich im Spiel einzubringen. mich schon immer interessiert und fasziniert. änderten sich und machten einer vielfältigeren Da keine Spielsachen vorhanden waren, die Ich war neugierig, denn das Projekt lässt viel Durchmischung Platz, insbesondere was die eine Spielhandlung vorgeben, lief alles über Freiraum für die Spielideen der Kinder. Mädchen und Knaben betraf. Die Kinder mach- die Kommunikation. Diese Kinder verbrachten ten in verschiedenen Bereichen grosse Fort- viel Zeit in der Zuschauerrolle, schliesslich Wie haben Ihre Kindergartenkinder schritte. Auch die mehrsprachigen Kinder blüh- konnten aber alle am Spiel teilhaben. Einige reagiert und den spielzeugfreien Leer- ten auf. Sie hatten viele Übungsmöglichkeiten, Kinder klagten anfangs über Langeweile. So raum genutzt? waren sie doch während des Spiels dauernd unangenehm sich das anfühlte, ich musste aufgefordert zu kommunizieren. Ich habe auch genau wie sie lernen, das Neue auszuhalten. Die Kinder haben sich sehr gefreut und waren mit dem sogenannten «blauen Stuhl» – ange- nicht traurig, als wir die Spielsachen gemein- lehnt an das Kinderbuch von Claude Boujon – Wie erlebten Sie selbst die veränderte sam weggeräumt haben. Auch dass einige Re- gearbeitet. Auf diesem Konfliktlösestuhl konn- Rolle als Lehrperson? geln aufgehoben wurden, wie zum Beispiel das ten die Kinder ihre Probleme und Bedürfnisse Verbot, im Raum umherzurennen und auf Ti- einbringen und gemeinsam mit der Klasse Ich hatte teilweise Mühe, mich zurückzuhal- sche zu klettern, haben sie positiv aufgenom- verhandeln und Lösungen suchen. Viele Besu- ten, wenn Kinder nicht ins Spiel fanden oder men. Allerdings war es anfangs ziemlich cha- cher und Besucherinnen – Eltern und andere beim Lösen eines Problems nicht reüssierten. otisch und laut. Die Kinder haben sich den Lehrpersonen – waren beeindruckt, wie gut Der Zwiespalt zwischen Eingreifen oder Zuwar- neuen Freiraum erobert und alles ausgetestet, das den Kindern gelang. Schön waren auch die ten war eine ständige Gratwanderung. Ich
18 19 hatte plötzlich viel Zeit für das Gespräch mit Cornelia Rüdisüli einzelnen Kindern. So lernte ich sie besser und promoviert an der Pädagogischen Hochschule Zürich zum auch anders kennen als im Normalbetrieb. Thema «Kindliche Playfulness im Kontext der Spiel- und Lernumgebung» und ist Dozentin an der Pädagogischen Welche Lernchancen ergeben sich für die Hochschule Schaffhausen. Sie ist ausgebildete Kindergarten- Kinder allgemein und in Bezug auf ihre und Unterstufenlehrperson und unterrichtete mehrere Jahre Kreativität? als Klassenlehrperson im Kindergarten. Im Spiel ergeben sich immer viele Lerngelegen- heiten. Im überfachlichen Bereich beziehen sie sich auf das Selbstvertrauen, die Selbststän- digkeit, auf die Kommunikation und den sozi- alen und emotionalen Bereich. Auch im fachli- rialien ständig aufgefordert, in ihrem Spiel www.spielzeugfrei.ch chen Bereich lernen die Kinder einiges dazu. kreativ zu sein. Die Messung der Kreativität Bild: © 3DarcaStudio - stock.adobe.com Im «Spielzeugfreien Kindergarten» müssen die ist jedoch herausfordernd. Aus subjektiver Kinder das Spiel erst selbst gestalten. Wenn sie Einschätzung haben die Kinder ihr kreatives sich beispielsweise bei einem «Verkaufsspiel» Potenzial weiterentwickelt, weil sie im Spiel mit Geld oder Masseinheiten beschäftigen, ist immer wieder Probleme selbst lösen mussten. normalerweise durch das Spielmaterial be- Die Selbstständigkeit der Kinder nahm enorm reits Vieles vorgegeben. Im Projekt müssen sie zu. Dies wird durch die Zurückhaltung der sich erst mit der Frage auseinandersetzen, wel- Lehrperson zusätzlich unterstützt. Auch nach che Geldeinheiten es gibt, wie diese aussehen Beendigung des Projekts kamen die Kinder und wie sie diese mit dem unstrukturierten weniger oft zu mir, wussten sich meist selbst Material symbolisieren könnten. Der Lernge- zu helfen und zeigten viel Ausdauer beim Lö- winn ist dadurch um einiges grösser. Die Kin- sen von Problemen. ■ der sind aufgrund der Situation und der Mate- Konzept «Spielzeugfreier Kindergarten» Das freie, selbstgewählte und -bestimmte Spiel ist für das kindliche Lernen zentral. Doch wegen eines Überangebots an Spielzeugen und Freizeitbeschäftigungen fehlt den Kindern zunehmend Zeit und Raum für fantasievolle, selbst kreierte Spiele mit Die Kinder anderen. Deshalb erstaunt es nicht, dass das Projekt «Spielzeugfreier Kindergarten» immer mehr Zuspruch erfährt. Das ursprüngliche Konzept wurde in den letzten Jahren machten in in vielen Kantonen teils in Zusammenarbeit mit Pädagogischen Hochschulen und den Stellen für Suchtprävention weiterentwickelt. verschiedenen Über einen Zeitraum von 6–12 Wochen wird im Kindergarten auf alle vorgefertigten Spielmaterialien wie Legos, Tischspiele, Bauklötze, Autos, Puppen usw. verzichtet. Bereichen grosse Nach dem gemeinsamen Wegräumen spielen die Kinder mit dem Mobiliar, eventuell ergänzt mit Tüchern, Seilen und Kartonkisten. Da vorgegebene Unterrichtsphasen wegfallen, bestimmen die Kinder selbst, was, mit wem und wie lange sie spielen Fortschritte. wollen. Dadurch sollen ihre Kreativität, ihre Konfliktfähigkeit und weitere Lebenskom- petenzen wie das Selbstvertrauen, Einfühlungsvermögen, die Fähigkeit, Beziehungen einzugehen und Stress zu bewältigen sowie die Sprachkompetenzen gefördert werden. Kinder sollen auch Langeweile aushalten lernen. Diese Kompetenzen sollen sie im späteren Leben vor riskantem Suchtmittelkonsum bewahren. Im Lehrplan 21 sind diese unter den überfachlichen Kompetenzen aufgeführt. https://bit.ly/3oJ3aLv profil 3/21 © Schulverlag plus AG
Schulräume im Wandel Pädagogische Überlegungen, zusätzlicher Platzbedarf, die Übernahme eines neuen Schulzimmers oder einfach Freude an Veränderungen können Gründe für die Umgestaltung von Schulraum sein. Die kreative Lösungssuche in diesem Prozess vereint die vier porträtierten Beispiele. Von Seraina Stricker. «Die Schule selber soll ein angenehmer Aufent- son und den Peers oftmals als dritter Päda- lagerten ihr Material unter dem Pult am Bo- halt sein, eine Augenweide von innen und goge bezeichnet. Veränderungen pädagogi- den, auf dem Pult, im Schulrucksack oder aussen. Das Schulzimmer muss innen hell, scher Konzepte, strukturelle oder personelle unsystematisch im Schulzimmer verteilt. Für rein und überall mit Bildern geschmückt sein Anpassungen sowie nötige Neu- oder Umbau- die Junglehrerin war dieser Raum nicht un- (…). Weiter muss bei der Schule aussen nicht ten führen dazu, dass die Schulraumplanung terrichtstauglich. Sie erhielt ein minimales nur ein Lauf- oder Spielplatz liegen (…), son- stets aktuell bleibt und Schulräume heute in Budget für Neuanschaffungen, das jedoch dern auch ein Garten, in dem man bisweilen einem stetigen Entwicklungsprozess stehen. längst nicht ausreichte. So investierte sie per- die Kinder zur Augenlust an Bäume, Blumen Die vier im folgenden porträtierten Beispiele sönlich einige hundert Franken und viel Zeit und Kräuter führt.» zeigen verschiedene Auslöser, Ausgangslagen für die Ersteigerung und den Transport von und Motivationen für Schulraumveränderun- Möbeln, um das Schulzimmer einzurichten. (Comenius, Didacta Magna, 1632 – zitiert nach Luley gen, die mit unterschiedlichen Herausforde- Nebst der sinnvollen Materialablage war ihr 2000, S. 13) rungen, Lösungsansätzen und Umsetzungen dabei wichtig, das Zimmer offen und einla- Comenius, der mit der Didacta Magna ein für verbunden sind. Kreativität für individuelle dend zu gestalten, unkompliziert einen Kreis seine Zeit fortschrittliches und umfassendes Lösungen und Freude über das Ergebnis ver- für gemeinschaftliche Aktivitäten oder Grup- didaktisches Lehrbuch geschrieben hat, mass eint die vier Beispiele. penarbeitsplätze einrichten zu können und der Gestaltung des Schulraums inklusive noch genügend Platz für Bewegung zur Verfü- Aussenraum bereits im 17. Jahrhundert eine Unterrichtstauglichkeit gung zu stellen. Dies gelang ihr, indem sie die grosse Bedeutung zu. Sprachlich ist das Zitat Die Raumgestaltung hat eine grosse Wirkung Pulte im Rechteck anordnete und ein systema- veraltet, doch die Aktualität und Bedeutung auf Kinder, aber auch auf Erwachsene. Eine tisches Ablagesystem für die Schülerinnen der Schulraumgestaltung hat sich nicht verän- junge Lehrerin, welche nicht mit Namen ge- und Schüler aufbaute. Rechtzeitig zum Schul- dert, wohl aber deren Ausgestaltung. Was als nannt werden möchte, hat dies diesen Sommer beginn hatte sie das Zimmer bereit, das ihr angenehmer Anblick definiert wird, ist nicht intensiv erlebt. Sie übernahm eine fünfte einerseits einen organisierten Start ermög- nur den persönlichen Vorlieben, sondern auch Klasse als Klassenlehrerin und traf auf ein lichte, andererseits immer noch Möglichkei- dem Zeitwandel unterworfen. Sowohl die Äs- sehr spärlich eingerichtetes Klassenzimmer, ten für die Weiterentwicklung bot. Einen klei- thetik wie auch die Pädagogik spielen eine in dem zwar genügend Tischflächen zur Ver- nen Lohn für die grosse Investition erhielt sie Rolle bei der Schulraumgestaltung. Nicht ohne fügung standen, aber keine sinnvollen Aufbe- durch die Kinder, die sehr positiv auf das neu Grund wird der Schulraum neben der Lehrper- wahrungsorte. Die Schülerinnen und Schüler eingerichtete Klassenzimmer reagierten.
20 21 Unterricht entwickeln fand eine Entwicklung statt, die ohne Umge- Seit einem Jahr unterrichtet Adrian Huber ge- Ein anderes Motiv stand bei Adrian Huber im staltung vermutlich in kleineren Schritten meinsam mit seiner Frau Rachel Huber eine Fokus, als er vor fünf Jahren als Schulleiter der vorwärts gegangen wäre. Er betont allerdings dritte Klasse in Bolligen. Zum zweiten Mal Schule Bäriswil die Umgestaltung der Schul- auch, dass für ihn die Unterrichtsentwicklung setzte er eine Umgestaltung des Schulraums zimmer nach dem Churermodell initiierte. nicht mit der Raumumgestaltung abgeschlos- nach den Ideen des Churermodells um. Dabei Neues auszuprobieren, den Unterricht wei- sen ist, sondern ein fortwährender Prozess ist, konnte seine Frau, langjährige Kindergärtne- terzuentwickeln und damit den Schülerinnen bei der die Raumgestaltung nur ein kleines rin, dank ihrer Erfahrung mit offen gestalteten und Schülern, aber auch den Lehrpersonen Element ist. Klassenzimmern zusätzliche Impulse setzen. neue interessante Erfahrungen zu ermöglichen, war bei der Umstellung seine Hauptantriebs- kraft. Die Lehrpersonen in Bäriswil konnte er mit seiner Begeisterung für das Churermodell anstecken, sodass die ganze Schule die Räume umgestaltete. Ihn überzeugte die Idee, die Lehrperson aus dem Zentrum des Raums zu nehmen und mit dem fest vorgesehenen Kreis ein gemeinschaftlich organisierter Treffpunkt im Klassenzimmer aufzubauen. Von Herausfor- derungen wie engen Platzverhältnissen oder der Finanzierung von neuem Mobiliar liess er sich zu kreativen Lösungen verleiten. Das Er- gebnis bestätigte seine Intention, dass eine radikale Umgestaltung des Schulraums auto- matisch Prozesse der Unterrichtsentwicklung auslöste. Insbesondere in Bezug auf die innere Differenzierung, der Flexibilität bei den Ar- beitsformen und dem kooperativen Lernen Beide: Schule Bäriswil, Umgestaltung der Schulzimmer nach dem Churermodell. Die Raumgestaltung hat eine grosse Wirkung auf Kinder, aber auch auf Erwachsene. profil 3/21 © Schulverlag plus AG
Beide: Schule Laupen – Pausenplatzneugestaltung Partizipation Schulraum beschränkt sich nicht nur auf Klas- sen- oder Schulzimmer, auch der Aussenraum gehört dazu. Aufgrund eines wegfallenden Spielplatzes in der Gemeinde Laupen initiierte die Gemeinde eine Pausenplatzneugestaltung. Sie wandte sich mit diesem Bedürfnis an die Fachstelle SpielRaum, welche solche Projekte ausschliesslich partizipativ angeht. Nebst der Dorfbevölkerung und den Lehrpersonen stel- ler Bedürfnisse gerichtet wurde, von der freut nahm er zur Kenntnis, dass dabei die len die Fachleute die Schülerinnen und Schü- Rutschbahn für die jüngeren Schülerinnen Idee der Gestaltung eines eigenen Schulraums ler in den Fokus der Partizipation. In Laupen und Schüler über Rückzugsmöglichkeiten in auftauchte. Denn ein Raum wartete bereits wurden diese stufengerecht mit spielerischen Form von Holzhäusern bis zu Tischen und Bän- darauf, neu genutzt zu werden, unter anderem Methoden befragt, auf welchen Teilen des Pau- ken für die Schülerinnen und Schüler des als Aufenthaltsraum für die Schülerinnen und senplatzes sie sich bereits wohl fühlen, welche Zyklus 3. So entstand nach einem Planungs- Schüler. Peter Bigler kombinierte seine päda- Bedürfnisse noch nicht abgedeckt sind und wie prozess, bei dem immer wieder Feedback ein- gogische Motivation, die Selbstwirksamkeit sie sich ihren Traumpausenplatz vorstellen. geholt wurde, ein Projekt, das eine hohe Iden- der Schülerinnen und Schüler, ihre Selbststän- Dabei orientiert sich die Fachstelle SpielRaum tifikation und viele positive Reaktionen aller digkeit und den Durchhaltewillen zu stärken stets an folgenden Grundbedürfnissen fürs Anspruchsgruppen auslöste. und die vier Fähigkeiten Kommunikation, Spielen: bewegen, verändern und gestalten, Kreativität, kritisches Denken und Kollabora- sich zurückziehen, klettern und beobachten. Verantwortung abgeben tion zu fördern, mit dem Mut, die Verantwor- Gemäss Anne Wegmüller, Geschäftsführerin Einen über die Partizipation hinausgehenden tung abzugeben und vielleicht auch ein Teil- der Fachstelle SpielRaum, äussern die Kinder Ansatz wählte Peter Bigler, Schulleiter der projekt wieder abzubrechen. Dies veranlasste bei vielen Pausenplatzprojekten das Bedürf- Schule Schötz, für die Neugestaltung eines ihn, nicht nur die Gestaltung des Raumes fast nis nach mehr Rückzugsmöglichkeiten und Schulraums. Mittels eines Design Thinking- vollständig den Schülerinnen und Schülern zu vielen Grünflächen. So war dies auch in Lau- Prozesses liess er Schülerinnen und Schüler überlassen, sondern auch die künftige Bewirt- pen der Fall, wo der Schwerpunkt bei der Neu- Ideen sammeln, wie die Schule noch stärker schaftung des Raumes inklusive der Nachfol- gestaltung auf die Abdeckung möglichst vie- zu ihrer eigenen Schule werden könnte. Er- geregelung. So übernahm eine achte Klasse
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