Rendite- und Risiko-Kennzahlen für Immobilien aus Nachhaltigkeitssicht - Der Nachhaltigkeit von Immobilien einen finanziellen Wert geben

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Rendite- und Risiko-Kennzahlen für Immobilien aus Nachhaltigkeitssicht - Der Nachhaltigkeit von Immobilien einen finanziellen Wert geben
Der Nachhaltigkeit von Immobilien
einen finanziellen Wert geben

Rendite- und Risiko-Kennzahlen für
Immobilien aus Nachhaltigkeitssicht

                                    April 2015
Impressum

Herausgeber
Center for Corporate Responsibility and Sustainability (CCRS) an der Universität Zürich,
Zähringerstrasse 24, 8001 Zürich

Autoren
Dr. Rudolf Marty, CCRS
Dr. Erika Meins, CCRS

Begleitgruppe
Peter Ascari, Liegenschaftenverwaltung der Stadt Zürich
Dr. Rolf Borner, Immobilien Basel-Stadt
Franz Fischer, Suva
Christoph König, Swisscanto
Christof Rüegg, Suva
Marcel Stieger, Zürcher Kantonalbank
Thomas Weilenmann, Migros-Pensionskasse

Review
Dr. Daniel Sager, Meta-Sys AG

Unterstützung

                                            MPK
                                      MIGROS-PENSIONSKASSE

Gestaltung und Layout
Christian Pfister, spective GmbH

Titelbild
© hb architekten, 3185 Schmitten

 2
Executive Summary

Bei der Verwendung der in der Praxis verbreiteten        Empfehlungen
finanziellen Kennzahlen wie Netto- und Brutto-­          Aus diesen Gründen wird für Anwendungen in der
Rendite, Gesamt- und Cashflow-Rendite oder               Praxis die Kombination einer Rentabilitäts-Kenn-
inter­ner Zinssatz wird den Anlagerisiken von Ren-       zahl mit einer Risiko-Kennzahl empfohlen. Bei der
dite-Liegenschaften nur implizit Rechnung getra-         Wahl der Rentabilitäts-Kennzahl bestehen meh­rere
gen. Dies kann dazu führen, dass die Anlagerisiken       Optionen. Je nach Kennzahl wird das eine oder
nicht vollständig berücksichtigt werden.                 andere Beurteilungskriterium besser erfüllt. Die
                                                         Kriterien der Langfristigkeit und Praxistauglichkeit
Nachhaltigkeit impliziert Berücksichtigung Risiko        werden von Cashflow-Rendite, Gesamt-­Rendite
Aus nachhaltiger Investitionssicht ist eine vollstän-    und Netto-Barwert mit sicheren Zahlungen
dige und möglichst explizite Berücksichtigung der        ­erfüllt, sofern der zugrunde lie­gende Marktwert
Risiken zentral. Neuere in der Literatur diskutierte      mit einem dynamischen Verfahren ermit­telt wird.
Ansätze wie die Netto-Barwertmethode mit sto-
chastischer Simulation quantifizieren neben der          Empfohlene Risiko-Kennzahlen
Rentabilität auch die Risiken, indem wichtige in         Bei der Betrachtung des Risikos ist zu unterscheiden
die Bewertung eingehende gesamtwirtschaftliche           zwischen dem unsystematischen und dem syste-
Grössen wie Inflation und Zinsen als Zufalls­pro­        matischen Risiko. Bei den Risiko-Kennzahlen, wel-
zesse simuliert werden.                                  che das unsystematische Risiko explizit erfassen, ist
                                                         der Aufwand hoch und die Anwendung verlangt
Zu aufwändig: Ansätze zur gleichzeitigen                 viel spezifisches Know-how. Eine Möglichkeit, das
Berücksichtigung von Rendite und Risiko                  unsystematische Risiko mit weniger Aufwand zu
In der vorliegenden Arbeit werden die in der Pra­        erfassen, besteht mit Scoring-Modellen wie dem
xis verbreiteten und neuere Ansätze zur Per­      for­   ESI-Indikator. Dieser erfüllt zudem das Erfordernis,
mance-­  Messung mithilfe von sechs Kriterien in         Umwelt- und Gesell­schafts­a spekte zu berücksich-
Bezug auf Nach­hal­tig­keit und Pra­xis­taug­lich­keit   tigen und ist deshalb aus Nachhaltigkeitssicht die
beurteilt. Die Ergeb­nisse dieser Beurteilung zeigen,    erste Wahl.
dass keine der betrach­te­ten Kennzahlen, die mit
einem vertretbaren Aufwand durchführbar sind,            Empfehlungen auf Portfolio-Ebene
eine Renditebeurteilung mit ­einer expliziten Risiko­    Auf Portfolio-Ebene kann eine Beurteilung der
betrach­tung verbindet. Zudem zeigt die Anwen-           Ren­ta­bi­li­tät der Immobilienanlagen als Ganzes –
dung der verschiedenen Ansätze, dass das Resul­tat       zum Beispiel im Vergleich zu anderen Anlagen wie
wesentlich von den gewählten Verfahren abhängt:          Obligationen oder Aktien – von Interesse sein. In
Gemäss fünf von sechs Verfahren ist eine Investi-        dieser Betrachtung empfiehlt sich, zusätzlich das
tion in die Beispielimmobilie rentabel. Zum gegen-       systematische Risiko zu erfassen. Dieses hängt
teiligen Schluss kommt allerdings das Ergeb­nis des      zum Beispiel von der Entwicklung von gesamt-
Verfahrens unter Berücksichtigung des systema-           wirtschaftlichen Faktoren wie der Inflation oder
tischen Risi­kos – operationalisiert mit den histori-    der Preisentwicklung am Immobilienmarkt ab. Ein
schen Mittelwerten für Inflation und Zins. Dieses        möglicher ­Ansatz dafür stellt die Verwendung von
Resul­tat verdeutlicht den Stellenwert von Risiko­       Sensi­ti­vi­täts­ana­ly­sen oder des Netto-Barwertes
aspek­ ten bei der Beurteilung der Rentabilität.         mit Szenarien bzw. mit stochastischen Simu­      la­
                                                         tio­nen dar. Wie gut das Risiko bei diesen Metho­
                                                         den erfasst wird, steht und fällt allerdings mit der
                                                         konkreten Ausformulierung des Haupt- und Risiko­
                                                         szena­rios bzw. mit der Wahl der Parameter für die
                                                         Werttreiber der Immo­bi­lie. Eine sinnvolle Anwen-
                                                         dung setzt deshalb spezifisches Fachwissen voraus.

                                                                                                            3
Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 6
   1.1 Ziele .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 6
   1.2 Vorgehen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 6

2. Anforderungen an Performance-Kennzahlen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                   6
   2.1 Nachhaltigkeit .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .      6
       2.1.1 Langfristigkeit .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .        7
       2.1.2 Risiko  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .    7
       2.1.3 Umwelt- und Gesellschaftsaspekte .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                        7
   2.2 Praxistauglichkeit  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .       7
       2.2.1 Vergleichbarkeit .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .          7
       2.2.2 Investitionszeitpunkt  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .             8
       2.2.3 Aufwand .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .          8

3. Ansätze zur Messung der Performance von Immobilien  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 8
   3.1 Statische Rendite-Kennzahlen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 8
       3.1.1 Brutto- bzw. Netto-Rendite .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 8
       3.1.2 Pay-off-Periode .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 8
       3.1.3 Gesamt- bzw. Cashflow-Rendite  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 9
   3.2 Dynamische Rentabilität mit sicheren Zahlungsströmen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 9
       3.2.1 Interner Zinssatz  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 9
       3.2.2 Netto-Barwertmethode .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 9
   3.3 Dynamische Rentabilität mit unsicheren Zahlungsströmen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  10
       3.3.1 Einfache Sensitivitätsanalyse  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 10
       3.3.2 Netto-Barwert mit Szenarioanalyse  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  10
       3.3.3 Netto-Barwert mit stochastischer Simulation  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  10
       3.3.4 Standardabweichung .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 13
       3.3.5 Value-at-Risk (VaR)  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  13
       3.3.6 Expected Shortfall (ES) .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 13
   3.4 Scoring-Modelle .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  14
       3.4.1 Interne Ratings .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 14
       3.4.2 Economic Sustainability Indicator (ESI)  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 15
   3.5 Realoptionen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 15

4. Beurteilung der Performance-Kennzahlen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  18

5. Fazit und Empfehlungen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                  21

Literaturverzeichnis  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .          22

                                                                                                                                                      5
1. Einleitung                                                         Nachhaltigkeit und Praxistauglichkeit formuliert
                                                                      und konkrete Beurteilungskriterien hergeleitet. Im
Die finanzielle Performance von Immobilien, die                       dritten Kapitel werden einerseits die in der Praxis
zu Renditezwecken gehalten werden, wird in der                        verbreiteten Rendite-Kennzahlen für Immobilien
Regel mit der Rendite gleichgesetzt. Dazu werden                      und die für ihre Anwendung notwendigen Vor-
aus Inves­ti­tions­sicht Auszahlungen (Aufwendun-                     aussetzungen am Beispiel einer (fiktiven) Rendite-
gen) und Einzahlungen (Erträge) zueinander ins                        liegenschaft kurz vorgestellt. Andererseits werden
Verhältnis gesetzt. Eine Definition und Auflistung                    neuere Ansätze zur Beurteilung von Immo­     bi­
                                                                                                                     lien­
in der Praxis verbreiteter finanzieller Kennzahlen                    anla­gen mit Fokus auf dem Risiko erläutert. An der
von Immobilien finden sich u. a. in der Dokumen-                      Beispielimmobilie wird aufgezeigt, wie diese Ver-
tation D 0213 des Schweizerischen Ingenieur- und                      fahren zusätzliche Informationen zu liefern vermö-
Architektenvereins (SIA, 2005), in einer Publikation                  gen. Im vierten Kapitel erfolgt mithilfe der zuvor
von Schultheiss (2010) oder in der Fachinformation                    eingeführten Beurteilungskriterien die Beurteilung
der Swiss Funds & Asset Management Association                        der vorgestellten Rendite- und Risiko-Kennzahlen
(2008). Darin werden zentrale betriebswirtschaft-                     aus Nachhaltigkeitssicht. Die vorliegende Arbeit
liche Rendite- und Kosten-Kennzahlen für Immo-                        schliesst mit einem Fazit und konkreten Empfehlun-
bilien vorgestellt sowie deren Berechnung anhand                      gen für die Verwendung von Performance-Kenn-
ein­facher Rechenbeispiele dargestellt.                               zahlen in der immobilienwirtschaftlichen Praxis.
Im Hinblick auf eine Investitionsentscheidung sind
auch Risikoaspekte entscheidend. Das Risiko ist
neben der Rendite zentral für die Beurteilung, ob
eine Immobilie aus Investitionssicht nachhaltig ist.                  2. Anforderungen an Performance-
Aber wie kann das Risiko bei Immobilienanlagen                           Kennzahlen
gemessen werden? Und welche Kennzahlen sind
taugliche Grundlagen für nachhaltige Investitions-                     Um die Performance einer Immobilieninvestition
entscheidungen?                                                        zu beurteilen, muss zunächst präzisiert werden,
                                                                       was eine «gute» Performance ausmacht. Die Ant-
1.1 Ziele                                                              wort darauf kann je nach Hintergrund der Investi-
Ziel der vorliegenden Publikation ist erstens, einen                   tion unterschiedlich ausfallen. Eine «gute» Immo­
Überblick über in der Praxis verbreitete Perfor-                       bi­lien­inves­ti­tion kann für ein Entwicklungsprojekt
mance-Kennzahlen1 für Renditeliegenschaften zu                        ­eines kurzfristig orientierten Immobilienentwicklers
geben und neuere Ansätze zur Rendite- und Risiko-                      anders aussehen als für eine Renditeliegenschaft
                                                                       ­
Beurteilung anhand einfacher Beispiele vorzustel-                      einer Pensionskasse oder für eine selbst genutzte
len. Zweitens wird beurteilt, inwiefern sich die vor-                  Betriebsimmobilie.
gestellten Ansätze als Grundlage für nachhaltige
Investitionsentscheidungen eignen, und es werden                      2.1 Nachhaltigkeit
konkrete Empfehlungen zur Verwendung dieser                           Ausgangslage für die folgenden Überlegungen ist
Kennzahlen in der Praxis formuliert.                                  eine «nachhaltige Investitionssicht»: Es wird von
                                                                      Renditeliegenschaften ausgegangen, die von lang-
1.2 Vorgehen                                                          fristig orientierten, risikoaversen Endinvestoren ge-
Zunächst werden im zweiten Kapitel Anforderun-                        halten werden. Gemäss Meins und Burkhard (2014)
gen an Performance-Kennzahlen aus Sicht der                           ist eine Immobilie «aus Investitionssicht nachhal-
                                                                      tig, wenn sie den wirtschaftlichen Nutzen für den
1
    Verfahren zur Beurteilung der Rentabilität nehmen in der
                                                                      Inves­ tie­
                                                                                ren­
                                                                                   den langfristig maximiert und dabei
    Regel eine ex ante Betrachtung vor, das heisst, sie schätzen
    im Voraus ab, ob eine Investition wirtschaftlich ist. In einer    möglichst viele positive und möglichst wenig nega-
    umfassenden Betrachtung gehören dazu die Berücksichti-            tive soziale und ökologische Auswirkungen hat. Für
    gung von Rendite und Risiko. Die Beurteilung der finan­ziel­      die Beurteilung des wirtschaftlichen Nutzens sind
    len Performance hingegen nimmt streng genommen eine
                                                                      sowohl Rentabilität als auch Risiko heranzuziehen.»
    ex post Betrachtung vor, das heisst, es wird die tatsächlich
    realisierte Rendite gemessen. Falls die Performance nur kurz-     Aus dieser nachhaltigen Investitionssicht ergeben
    fristig betrachtet wird, ist das Anlagerisiko unvollständig ab-   sich verschiedene Anforderungen an Performance-
    gebildet. Erst in einer langfristigen Betrachtung kommt das       Kennzahlen. Daneben gibt es eine Reihe von
    Risiko vollumfänglich zum Ausdruck. Wenn im Folgenden der
                                                                      Anfor­de­run­gen bezüglich der Praxistauglichkeit der
    Einfachheit halber der Begriff Performance verwendet wird,
    ist damit auch die Rentabilität gemeint und damit neben der       Kennzahlen. Diese Anforderungen werden im Fol-
    Rendite stets auch das Risiko.                                    genden kurz aufgeführt und diskutiert.

    6
2.1.1 Langfristigkeit                                     auch als spezifisches Risiko bezeichnet (und das
Die Performance-Kennzahlen sollten sämtliche              systematische als unspezifisches Risiko).
absehbaren von einer Immobilie ausgelösten Zah-           Kennzahlen zur Beurteilung der Performance von
lungsströme während der gesamten Anlagedauer              Immobilien sollten in einer nachhaltigen Inves­        ti­
erfassen, d. h. neben den Mieterträgen sollten die        tions­sicht also neben der Rendite auch das ­Risiko
Kennzahlen die vom Immobilieneigentümer zu tra-           abbilden. Die Quantifizierung des Risikos soll
genden Betriebskosten sowie die Instandhaltungs-          ­explizit erfolgen und das asymmetrische ­Risiko
und Sanierungskosten einer Anlageimmobilie                 abbilden. In einer (absoluten) Betrachtung von
berück­sich­ti­gen. Die Anlageperiode sollte im S­ inne    Immo­bilien mit anderen Anlageklassen (d. h. bei-
einer langfristigen Betrachtung eine Dauer von             spielsweise einem Vergleich einer Immobilienan-
mindestens 20 – 40 Jahren ab dem Zeitpunkt des             lage mit einer Aktienanlage) sind sowohl das sys-
Erwerbes («buy and hold») bzw. ab dem Zeitpunkt            tematische wie auch das unsystematische Risiko
der Beurteilung der Immobilie umfassen.                    von Bedeutung. Wenn es hingegen darum geht,
                                                           verschiedene Immo­bi­lien­anla­gen miteinander zu
2.1.2 Risiko                                               vergleichen (rela­tive Betrachtung), ist in erster Linie
In einer nachhaltigen Investitionssicht ist gemäss         das unsyste­matische Risiko von Bedeutung.
der eingangs präsentierten Definition das ­  Risiko
zu berücksichtigen. Aber was heisst Risiko im             2.1.3 Umwelt- und Gesellschaftsaspekte
Zusam­  men­hang mit Renditeliegenschaften? Häu-          In einer nachhaltigen Investitionssicht soll eine
fig wird das Risiko als Verteilung der möglichen          Immo­  bi­
                                                                   lie den wirtschaftlichen Nutzen für den
Ereignisse (hier: Immobilienwerte) dargestellt. Der       Investierenden langfristig maximieren, dabei aber
Modus ent­   spricht dann dem wahrscheinlichsten          möglichst viele positive und möglichst wenig nega­
Ereignis, also dem wahrscheinlichsten Immobilien­         tive soziale und ökologische Auswirkungen haben
wert. In der neueren finanzwissenschaftlichen Be-         (­siehe Beginn dieses Kapitels). Die Kennzahlen soll-
trachtung wird Risiko als Abweichung auf beide            ten deshalb neben der finanziellen Performance
Seiten des Erwartungswerts verstanden. Die ein-           auch Aspekte in Bezug auf Umwelt und Gesell­
zelne Abwei­chung kann also positiv oder negativ          schaft beurteilen. Dazu gehören ökologische Aus­
sein. In diesem Zusammenhang wird von einem               wir­ kun­
                                                                  gen der Immobilie wie durch den Heiz­
symmetrischen Risiko­ver­ständ­nis gesprochen.            wärme­bedarf verursachte Treibhausgasemissionen
Ursprünglich stammt der Risikogedanke aus der             oder die Recyklier­  bar­
                                                                                  keit der verwendeten Bau­
Versicherungsmathematik. Weil es um die Vermei-           mate­ria­lien, aber auch soziale Aspekte wie die Ver-
dung von Grösstschäden geht, liegt der Fokus hier         wendung von gesundheitsschädigenden Baumate-
einzig auf der negativen Abweichung. Dies wird            rialien oder Lärmbelastung (siehe z. B. SIA 112/1,
als asymmetrisches Risiko­ver­ständ­nis bezeichnet.       2004).
In dieser Perspektive ­bezieht sich das Risiko auf
Wahrscheinlichkeit und Ausmass des Wertver-               2.2 Praxistauglichkeit
lusts einer Immobilie. In einer nachhaltigen Inves-       Neben diesen Anforderungen ist die Praxistaug-
titionssicht ist insbesondere das asymmetrische           lichkeit der Performance-Kennzahlen zentral. Im
Risiko zu berücksichtigen. (Meins und Burkhard,           Folgenden werden Anforderungen aus Sicht der
2014)                                                     Praxis­taug­lich­keit präzisiert.
Zudem kann zwischen systematischen und unsys-
tematischen Risiken unterschieden werden. Syste-          2.2.1 Vergleichbarkeit
matische Risiken wie Veränderungen von Inflation,         Die Kennzahlen sollten bei mehreren sich gegen-
Zinsen und Diskontierungssätzen haben Auswir-             seitig ausschliessenden Immobilien-Investitions-
kungen auf den gesamten Immobilienmarkt: Es               projekten (mit unterschiedlichen Kaufpreisen,
sind alle Immobilien davon betroffen. Unsystema-          Anlage­   dauern und Netto-Mieterträgen) zu einer
tischen Risiken wie einem Hochwasser hingegen             eindeutigen Beurteilung ihrer relativen Rentabilität
sind lediglich einzelne Immobilien ausgesetzt. Ob         kommen. Dies unter der Voraussetzung, dass die
eine Immobilie davon betroffen ist, hängt von den         einzelnen Investitionsprojekte vergleichbare Risiken
spezifischen Immobilienmerkmalen ab, also von der         aufweisen bzw. dass die Risiken vernachlässigbar
unmittelbaren Lage (z. B. von Hochwasser gefähr-          sind. Bei unterschiedlichen Risiken der einzelnen
dete Lage) oder von den Gebäudemerkmalen (z. B.           Inves­ti­tions­pro­jekte sollten die Kennzahlen zu einer
bauliche Sicherheitsvorkehrungen gegen Hoch­              eindeutigen Beurteilung der risikobereinigten Ren-
wasser). Das unsystematische Risiko wird deshalb          tabilität der Immobilien beitragen können.

                                                                                                                 7
2.2.2 Investitionszeitpunkt                            (Soll) von CHF 0,601 Mio. bzw. von 0,459 Mio.
Wird die Unsicherheit der zukünftigen Zahlungs-        ­unter Abzug der vom Immobilieneigentümer zu tra-
ströme einer Immobilie bei der Berechnung der           genden Betriebs- und Instandhaltungskosten. Die
Performance-Kennzahl unter Einbezug der Tat-            Immobilie wird Anfang 2015 in mässigem Z      ­ ustand
sache berücksichtigt, dass es sich bei einer Sanie-     zu einem Kaufpreis von CHF 7,8 Mio. erwor­ben.
rungs- oder Erweiterungsinvestition in der Regel        Nach vier Jahren, d. h. 2018, ist eine wert­erhal­tende
um irreversible Ausgaben handelt (d. h. um «sunk        Sanierung in Höhe von CHF 0,8 Mio. geplant.
costs», sofern ein Verkauf der Immobilie nur ­unter
erheblichen Transaktionskosten möglich ist), so         3.1 Statische Rendite-Kennzahlen
kann sich zusätzlich zur Annahme bzw. Ablehnung         3.1.1 Brutto- bzw. Netto-Rendite
der Investition das zeitliche Aufschieben der Inves-    Bei den statischen Performance-Kennzahlen wie
titionsentscheidung als Handlungsoption erwei-          Brutto- bzw. Netto-Rendite und Amortisations-
sen. Das Verschieben der Investitionsentscheidung      dauer (Pay-off-Periode) gehen in die Berechnung
ist umso vorteilhafter, je mehr dadurch relevante      ausschliesslich die in der betrachteten Periode
Infor­ma­tio­nen hinsichtlich des Immobilienrisikos    anfal­len­den Investitionsausgaben sowie die ­Brutto-
verfügbar werden. Performance-Kennzahlen für           bzw. Netto-Erträge aus der Investition ein. Im
eine Sanierungs- oder Erweiterungsinvestition soll-    Falle von Immobilien handelt es sich gemäss SIA
ten damit neben den mit einer Immobilie verbun-        0213 (2005) bei den Investitionserträgen um die
denen Risiken auch die Möglichkeit einer zeitlichen    Soll-Miet­erträge (Summe aller in der betrachteten
Verschiebung der Investitionsausgaben berücksich-      ­Periode möglichen Mieterträge bei Vollvermietung)
tigen, also die Ermittlung des optimalen Inves­ti­      bzw. um die Netto-Mieterträge (Ist-Mieterträge
tions­zeit­punktes ermöglichen.                         abzüglich der Betriebs- und Instandhaltungskosten)
                                                        und bei den Investitionsausgaben um den aktuellen
2.2.3 Aufwand                                           Marktwert:
Schliesslich sollen die Rendite- und Risiko-Kenn-
                                                           Brutto- bzw. Netto-Rendite:
zahlen keinen unverhältnismässigen Aufwand                           Soll-Mietertag bzw. Ist-Mietertrag
(im Verhältnis zum Nutzen) hinsichtlich der Daten-              abzüglich Betriebs- und Instandhaltungskosten
                                                                                                              = Rendite
                                                                                  Marktwert
bereitstellung und der Berechnung verursachen.
Selbstverständlich sollte das Ergebnis zudem ein-
fach verständlich und dadurch leicht zu kommuni-       Bei der im Jahre 2015 erworbenen Beispielimmobi-
zieren sein.                                           lie (Kaufpreis: CHF 7,8 Mio.) mit einem Soll-Miet­
                                                       ertrag bzw. Ist-Mietertrag abzüglich der Betriebs-
                                                       und Instand­hal­tungs­kos­ten in Höhe von CHF 0,601
                                                       bzw. CHF 0,459 Mio. ergeben sich Brutto- bzw.
3. Ansätze zur Messung der Performance                 Netto-Renditen von 7,7% bzw. 5,9%.2
   von Immobilien
                                                       3.1.2 Pay-off-Periode
Die Rentabilität von Immobilien kann statisch oder     Die Amortisationsdauer bzw. Pay-off-Periode die-
dynamisch gemessen werden. Die in der Praxis ver-      ser Immobilie berechnet sich als Quotient aus dem
breiteten Ansätze zur Messung der Performance          Marktwert und den Ist-Mieterträgen abzüglich der
von Immobilien berücksichtigen in der Regel das        Betriebs- und Instandhaltungskosten, wobei dieser
Risiko nur implizit. Um das Risiko explizit zu beur­   Wert bei der Beispielimmobilie 17 Jahre beträgt:
tei­
   len, können dynamische Ansätze verwendet                Pay-off-Periode:
werden, welche die Unsicherheit zukünftiger Zah­                                   Marktwert
                                                                                                            = Jahre
lungs­ströme modellieren (Monte-Carlo-Simula­tio­                    Ist-Mietertrag abzüglich Betriebs- und
                                                                             Instandhaltungskosten
nen, Realoptions-Ansatz), oder Scoring-Modelle.
Diese Ansätze werden im Folgenden präsentiert
und deren Berechnung wird, wo angezeigt, anhand        Überschreitet die Brutto- bzw. Netto-Rendite einen
einer Beispielimmobilie illustriert.                   vordefinierten Schwellenwert, bzw. unterschreitet
Bei der Beispielimmobilie handelt es sich um ein       die Pay-off-Periode eine untere Grenze, so kann
Mehrfamilienhaus mittleren Alters (Baujahr 1980)
                                                       2
                                                            Die absoluten Renditegrössen sind im aktuellen Kontext
in einer Agglomerationsgemeinde eines regiona-
                                                            hoch. Der Hauptgrund ist die Annahme in Bezug auf die
len Zentrums. Mit einer Nutzfläche von 3 300 m²             langfristige Inflationsentwicklung, die sich auf das frühere
generiert die Immobilie 2015 jährliche Miet­erträge         Marktumfeld bezieht.

 8
eine Immobilie unter bestimmten Voraussetzun-                       3.2.1 Interner Zinssatz
gen als rentable Anlage, die das eingesetzte Kapital                Bei der Methode des internen Zinssatzes, auch als
ange­mes­sen verzinst, betrachtet werden.                           Internal Rate of Return (IRR) bezeichnet, wird der
                                                                    Barwert der Immobilie ihrem Kaufpreis bzw. Markt-
3.1.3 Gesamt- bzw. Cashflow-Rendite                                 wert gleichgesetzt. Der Barwert ergibt sich als
Bei der Cashflow-Rendite handelt es sich um eine                    Summe der abdiskontierten Cashflows der Immo­
Grösse, die den an den Immobilieneigentümer aus-                    bilie während der ersten Phase der Anlagedauer
bezahlten Ertrag, d. h. den Cashflow der Immobilie,                 (T Jahre) und ihrem abdiskontierten Restwert. Der
ins Verhältnis setzt zum durchschnittlich gebun-                    Restwert entspricht der Summe der Barwerte der
denen Kapital in der betrachteten Anlageperiode.                    während der Restnutzungsdauer (zweite Phase
Das gebundene Kapital ist definiert als arithmeti-                  der Anlagedauer) der Immobilie anfallenden Cash-
sches Mittel aus dem Marktwert einer Immobilie                      flows. Der interne Zinssatz ergibt sich durch das
zu ­Beginn und am Ende der betrachteten Anlage­                     Auflösen der unten stehenden Gleichung nach dem
periode. Unter der Gesamt-Rendite wird die Cash-                    internen Zinssatz:
flow-Rendite zuzüglich der Wert­ände­rungs-­Ren­                        Interner Zinssatz:
dite einer Immobilie verstanden:                                             T        Cashflow (t 0+i)            Restwert (T)
                                                                         ∑   i=1   (1+ Interner Zinssatz i
                                                                                                        )
                                                                                                           +
                                                                                                             (1+
                                                                                                                 Interner Zinssatz T
                                                                                                                                  )
                                                                                                                                     = Kaufpreis (t 0)
Cashflow- (bzw. Gesamt-)Rendite:                                                             100                       100
  Cashflow der Immobilie (+ Wertänderung der Immobilie)
                                                        = Rendite
           durchschnittlich gebundenes Kapital                      Es wird unterstellt, dass die Mieterträge der Bei­
                                                                    spiel­immo­bilie während der gesamten Anlagedauer
Für die Beispielimmobilie wird für das erste Anlage­                im Ausmass von 80%3 einer jährlich als konstant
jahr ein Cashflow in Höhe von CHF 0,373 Mio.                        angenommenen Teuerungsrate von 1,25% anstei-
ange­nom­men. In Bezug auf den Marktwert der Bei-                   gen, wobei im vierten Jahr nach dem Erwerb der
spielimmobilie wird für das erste Anlagejahr, d. h.                 Immobilie (d. h. 2018) eine werterhaltende Reno­
2015, eine Marktwertsteigerung im Ausmass des                       va­
                                                                      tion (Instandsetzungskosten: CHF 0,8 Mio.)
Vorjahres, d. h. 2,5%, unterstellt, woraus sich Ende                getätigt wird. Dies führt u. a. wegen reduzierter
2015 ein Marktwert von CHF 7,995 Mio. ­ergibt.                      Mieterträge (CHF 0,318 Mio.) infolge temporärer
Aufgrund dieser Annahmen resultiert für die erste                   Leerstände zu einem negativen Cashflow in diesem
Anlageperiode eine Gesamt- bzw. Cashflow-Ren­                       Jahr (CHF – 0,482 Mio.).
dite von 7,3% bzw. 4,7%.                                            Mit einem Kaufpreis von CHF 7,8 Mio. ergibt sich
Die statischen Performance-Kennzahlen können                        durch Lösen obiger Gleichung ein interner Zinssatz
die Rentabilität einer Immobilie nur unter restrik-                 von 5,4%. Implizit wird dabei unterstellt, dass die
tiven Annahmen (d. h. konstante oder konstant                       während der Anlagedauer anfallenden Cashflows
wachsende Zahlungsströme während der Anlage-                        zu diesem Zinssatz angelegt werden können. Über-
dauer) wiedergeben. Sich im Zeitablauf ändern-                      steigt der interne Zinssatz einer Anlageimmobilie
de Zahlungsströme (z. B. durch Renovations- und                     einen vorgegebenen Schwellenwert, so handelt
                                                                    ­
Instand­set­zungs­kos­ten) einer Immobilie führen bei               es sich gemäss diesem Kriterium um eine rentable
Brutto- bzw. Netto-Renditen zu einer erschwerten                    Inves­ti­tion, bei der der Kaufpreis im Vergleich zu
Interpretierbarkeit. Bei der Gesamt- bzw. Cashflow-                 einer ähnlichen Anlagemöglichkeit höher verzinst
Rendite hängt die Aussagekraft von der Güte der                     wird.
Schätzung des Marktwertes ab.
                                                                    3.2.2 Netto-Barwertmethode
3.2 Dynamische Rentabilität mit sicheren                            Bei der Netto-Barwertmethode (auch Net Present
    Zahlungsströmen                                                 Value, NPV, genannt) werden die während der
Bei den dynamischen Performance-Kennzahlen                          ersten Phase der Anlagedauer anfallenden Cash-
wie der Methode des internen Zinssatzes gilt es,                    flows sowie der erwartete Immobilien-Restwert mit
grundsätzlich alle während der gesamten Anlage-                     ­einem dem Risiko der Liegenschaft entsprechenden
dauer erwar­ te­ten Zahlungsströme inklusive des                     Zinssatz (d. h. dem Diskontierungssatz) auf den
Rest­wertes der Immobilie zu berücksichtigen. ­Dabei                 ­Beginn der Anlagedauer abdiskontiert. Vom Immo­
werden die Unsicherheiten bezüglich der Höhe der                      bilien-Barwert wird anschliessend der Kaufpreis
zukünftigen Zahlungsströme als Grundlage zur                          bzw. Marktwert subtrahiert, was den Netto-­Bar­
Erfas­sung des Risikos verwendet.
                                                                    3
                                                                         Anpassung der Mieten an die Teuerung (40%) und an die
                                                                         Betriebs- und Unterhaltskosten (40%).

                                                                                                                                                    9
wert ergibt. Ist er positiv, so lässt sich mit der Im-                                dass die Investition mit dem maximalen Netto-Bar-
mobilie eine angemessene Rendite erwirtschaften.                                      wert nicht notwendigerweise den maximalen inter-
    Netto-Barwert :
                                                                                      nen Zinssatz aufweist, wobei in diesem Fall auf das
        T         Cashflow (t 0+i)             Restwert (T)                           erstere Kriterium abgestellt wird.
    ∑   i=1   (1+ Diskontierungssatz i
                                    )
                                       +
                                         (1+
                                             Diskontierungssatz T
                                                               )
                                                                  – Kaufpreis (t 0)

                         100                        100
                                                                                      3.3 Dynamische Rentabilität mit unsicheren
Bei der Beispielimmobilie wird mit einem konstan-                                          Zahlungsströmen
ten Diskontierungssatz von 5% gerechnet. Wird für                                     Die vorangehenden Ansätze berücksichtigen das
die Immobilie für die zweite Phase der Anlage­dauer                                   Risiko zukünftiger Zahlungsströme von Immo­bi­lien
eine Restnutzungsdauer von 90 Jahren unter­                                           nicht oder nur implizit. Um das Risiko explizit zu be-
stellt, so ergibt sich der Netto-Barwert als S­ umme                                  rücksichtigen, kann die Rentabilität ebenfalls dyna­
der während der ersten Phase abdiskontierten                                          misch, aber unter Berücksichtigung der Unsicher­
Cashflows und des abdiskontierten Barwertes des                                       heit von Zahlungsströmen ermittelt werden.
Restwertes abzüglich des zu Beginn der Anlage-
periode realisierten Kaufpreises bzw. Marktwertes                                     3.3.1 Einfache Sensitivitätsanalyse
der Immo­bilie. Gemäss obiger Formel beträgt der                                      Ein in der Praxis angewandtes Verfahren zur Be-
Barwert der Beispielimmobilie CHF 8,492 Mio., der                                     rücksichtigung der Risiken sind einfache Sensitivi-
damit ihren Kaufpreis von CHF 7,8 Mio. übersteigt,                                    tätsanalysen ohne Verwendung von expliziten Ver-
d. h. der Netto-Barwert ist mit CHF 0,692 Mio.                                        teilungsannahmen. Dabei wird der Netto-Barwert
posi­tiv. Damit handelt es sich gemäss diesem Krite-                                  einer Immobilie für eine Reihe möglicher Werte
rium um eine rentable Investition.                                                    einer in die Barwert-Berechnung einer Immobi-
Die Hauptschwäche der beiden dynamischen Per-                                         lie eingehenden Grösse berechnet. Beispielsweise
formance-Kennzahlen besteht im mangelhaften                                           kann der Einfluss des Diskontierungssatzes bzw. der
Umgang mit dem Risiko. Beim internen Zinssatz                                         Wachstumsrate der Cashflows auf den Netto-Bar-
wird die Unsicherheit hinsichtlich der Höhe der                                       wert bzw. auf den internen Zinssatz einer Immobilie
zukünf­  ti­
           gen Zahlungsströme, die eine Immobi-                                       durch die (isolierte) Variation dieser Einflussgrössen
lie generiert, ganz ausgeblendet bzw. mittels der                                     quantifiziert werden («ceteris paribus»-Annahme).
Risiko­prämie bei einer vergleichbaren Anlage beur­
teilt. Bei der Netto-Barwertmethode wird das R  ­ isiko                               3.3.2 Netto-Barwert mit Szenarioanalyse
durch die Höhe des Aufschlages auf den risiko­                                        Eine in der Praxis zunehmend häufiger an­ge­wandte
losen Zinssatz zwar berücksichtigt4, aber nur impli-                                  Methode ist die Verwendung von Szenario­analy­
zit. Der risikogerechte Aufschlag kann zwar durch                                     sen, d. h. das Ausformulieren einiger (weniger) kon­
lage- und objektspezifische Immobilienmerkmale                                        sis­
                                                                                         ten­
                                                                                            ter Szenarien für die zentralen Wert­    trei­
                                                                                                                                         ber
begründet werden. Insgesamt bleibt jedoch der                                         einer Renditeliegenschaft. Beispielsweise kann für
Netto-Barwert sehr sensitiv auf den unterstellten                                     eine Immobilie mit üblicherweise infla­tions­inde­xier­
Diskontierungssatz. Bei der Methode des internen                                      ten Mieten neben einem Hauptszenario mit mode-
Zinssatzes ist zusätzlich die Eindeutigkeit bzw. Exis-                                raten Teuerungsraten ein Tief- und ein Hochinfla-
tenz einer Lösung für den internen Zinssatz nicht                                     tions-Szenario definiert werden. Der Netto-Barwert
garantiert, d. h. bei mehreren Vorzeichenwechseln                                     der Immobilie wird anschliessend für die drei Teue­
der Zeitreihe der Cashflows können mehrere bzw.                                       rungsszenarien berechnet. Die mit den Eintretens-
keine internen Zinssätze resultieren (siehe zum Bei-                                  wahrscheinlichkeiten der Szenarien gewichteten
spiel Shestopaloff und Marty, 2011). Schliesslich                                     Netto-Barwerte können so zu einem Erwartungs-
kann die Anwendung des internen Zinssatzes und                                        wert des Net Present Value der Immobilie aggregiert
der Netto-Barwertmethode auf mehrere Zahlungs-                                        werden. Ist der Erwartungswert des Netto-Barwer-
ströme zu widersprüchlichen Resultaten bezüglich                                      tes der Immobilie positiv, so wird ein Investor die
der Rentabilität der (einander ausschliessenden)                                      Immobilie als rentabel beurteilen, mit der sich im
Inves­ti­tions­mög­lich­kei­ten führen. Dies bedeutet,                                Vergleich zum risikofreien Zinssatz im Durchschnitt
                                                                                      eine angemessene Zusatzrendite erzie­len lässt.
4
     In der Praxis wird ein Erfahrungswert für den Diskontierungs-
     satz zwischen 3,5% – 4,5% unterstellt bzw. aus dem Markt-                        3.3.3 Netto-Barwert mit stochastischer Simulation
     wert einer Immobilie abgeleitet. Nach Abzug eines mittelfris-                    Neuere in der Literatur vorgeschlagene An­   sätze
     tig als plausibel erachteten Wertes von 1% für den risikolosen
                                                                                      modellieren die Unsicherheit, die von externen
     Zinssatz (Rendite für langfristige Obligationen der Eidgenos-
     senschaft) ergibt sich ein Aufschlag für das immobilienspezi-                    werttreibenden Faktoren wie Inflation oder Dis-
     fische Risiko im Bereich zwischen 2,5%- und 3,5%-Punkten.                        kontierungssatz auf die Cashflows ausgeht, durch

10
Berücksichtigung derer statistischen Eigenschaften                  und Diskontierungssätze neu als miteinander positiv
(siehe beispielsweise Hoesli, Jani, Bender, 2006). Die              korrelierte Zufalls­variab­len model­liert werden. Die
statistischen Verteilungseigenschaften wichtiger                    positive Korrelation ergibt sich erstens aus der Defi­
gesamtwirtschaftlicher Variablen, die in die Netto-                 ni­tion des Diskontierungssatzes als Summe eines
Barwert-Berechnung der Cashflows einer Immobi-                      zeitlich variierenden risikolosen Zinssatzes und einer
lie eingehen, d. h. Erwartungswert, Standard­abwei­                 konstanten Risikoprämie, die den Immobilieneigen-
chung, Korrelation, können aufgrund historischer                    tümer für die Übernahme des Risikos entschädigt.
Zeitreihen geschätzt werden. Dies ermöglicht es,                    Zweitens eskomptieren die nominellen Zinsen die
eine Sequenz von Cashflows einer Immobilie durch                    erwartete Teuerung über die Laufzeit der Anlage,
stochastische Simulation beliebig oft zu wieder­                    was zu einer weitgehend synchronen Dynamik von
holen. Pro simulierte Sequenz von Cashflows lässt                   risikolosen Zinsen und Inflation führt. Wie aus der
sich daraus der Barwert einer Immobilie berechnen.                  unten stehenden Grafik 1 ersichtlich, wiesen der
Auf diese Weise ist es möglich, für die Immobilie                   Kurzfristzins für CHF-Geldmarktanlagen und die
eine empirische Häufigkeitsverteilung der simulier-                 Inflationsraten der Schweiz während der vergan-
ten Barwerte zu generieren. Diese kann genutzt                      genen 20 Jahre in der Tat eine ausgeprägt positive
werden, um das Risiko zu bestimmen.                                 (gleichzeitige) Korrelation auf.
Mit der im Abschnitt 3 eingeführten Bei­spiel­immo­                 Sowohl bezüglich der Entwicklung der Inflations-
bilie wird im Folgenden aufgezeigt, wie ver­schie­                  raten als auch bezüglich der Kurzfristzinsen wird
dene Performance-Kennzahlen mithilfe empi­       risch              unterstellt, dass sie im Konjunkturverlauf um einen
abgestützter stochastischer Simulationen berech-                    langfristig konstanten Mittelwert schwanken, der
net werden können. Als stochastischer Haupt-                        durch kurzfristige und zufällige Störungen über-
treiber des Netto-Barwertes der Bei­     spiel­
                                              immo­ bi­             lagert wird. Hinsichtlich des langfristigen Mittel­
lie werden zeitlich variierende Infla­tions­raten und               wertes von Kurzfristzinsen und Inflation werden die
Diskontierungssätze während der ersten Phase der                    historischen Mittelwerte der vergangenen 20 Jahre
Anlagedauer (2015 – 2024) identifiziert, auf die der                unterstellt (Mittelwert von Inflation bzw. Kurzfrist-
Anleger als gesamtwirtschaftliche Grös­sen keinen                   zinsen, 1995 – 2014: 0,8% bzw. 1,2%). Bezüglich
Einfluss hat. Im Unterschied zu A    ­ bschnitt 3.2.2,              der Volatilität (Standardabweichung) von Kurzfrist-
wo diese Grössen für die Berechnung des Netto-                      zinsen und Inflationsraten werden ebenfalls die his-
Barwertes der Immobilie als konstant angenommen                     torischen Werte der Periode 1995 – 2014 übernom-
wurden (1,25% bzw. 5%), sollen die Inflationsraten                  men (1,2%- bzw. 0,8%-Punkte).

Grafik 1
Korrelation zwischen Kurzfristzinsen und Inflation Schweiz
Kurzfristzins                          Korrelation zwischen Inflation und Zinsen 1995 – 2014: 0,47
 4,5%
                                                                                •
 4,0%                                                     •
                                                          •     •                    •
                                                                                                                 R² = 0,216
 3,5%
                                                                           •                         •
                                                                           •
 3,0%                                                                                     •• ••
 2,5%                                                       •                                            •   •
                                               •         • ••                               • •
 2,0%
                                                                                                     •              •         •
 1,5%
                                              ••       • • •• ••••      •
                                                          •                 ••
                                                     •        •       • •• •• ••
 1,0%
                                          ••          •
 0,5%                                                                  ••      •
                                                                    •            •
 0,0%             ••     •    • • • •• • •            ••••• •••    • • •

–0,5%
    –1,5%       –1,0%        – 0.5%       0,0%           0,5%           1,0%             1,5%        2,0%    2,5%             3,0%
                                                               Inflation

Quelle: eigene Darstellung auf Basis von SNB-Daten

                                                                                                                                  11
Grafik 2
Simulierte Zeitreihen für die Entwicklung des Kurzfristzinses und der Inflation

 5,0%

 4,0%

 3,0%

 2,0%

 1,0%

 0,0%

–1,0%

–2,0%
    2015        2016         2017          2018       2019         2020           2021   2022     2023       2024      2025

           Kurzfristzins (1. Simulation)          Kurzfristzins (2. Simulation)
           Inflation (1. Simulation)              Inflation (2. Simulation)

Quelle: CCRS, Simulationen auf Basis von SNB-Daten

Ausgehend von den Ende 2014 vorliegenden                              ­ erte mit CHF 7,688 Mio. unter dem Kaufpreis
                                                                      W
ausser­ordentlich tiefen Werten für Kurzfristzinsen                   von CHF 7,8 Mio., d. h. die Beispielimmobilie ist also
und Inflationsraten, werden für die erste Phase                       keine rentable Inves­ti­tion.
der Anlagedauer (d. h. 2015 – 2024) je 50 000 Zeit­                  Der mit den simulierten Barwerten ermittelte Mit-
reihen dieser beiden gesamtwirtschaftlichen Grös­                    telwert liegt damit deutlich unter dem Barwert,
sen simuliert. In der Grafik 2 sind je zwei simu­lierte              der ohne die stochastische Simulation der Infla­tion
Verläufe der Kurzfristzinsen und Inflationsraten                     und des risikolosen Zinssatzes berechnet ­      wurde
während dieser Periode dargestellt, welche die Ver-                  (CHF 8,492 Mio., siehe Abschnitt 3.2.2). Der Grund
teilungseigenschaften (Mittelwert, Standard­abwei­                   dafür sind die Verteilungseigenschaften der simu-
chung und Korrelation) der Periode 1995 – 2014                       lierten Grössen, insbesondere der Erwartungswert
aufweisen. Die zu Jahreswerten aggregierten simu-                    des Diskontierungssatzes und der Inflation. Wäh-
lierten Zeitreihen der Zinsen und Inflation gehen                    rend der Erwartungswert der Teuerung mit 0,8%
anschliessend in die Berechnung des Barwertes der                    deutlich unter dem Wert von 1,25% liegt, der in
Immobilie ein, wobei zum Zinssatz eine kon­stante                    Abschnitt 3.2.2 verwendet wurde, beträgt der
Risikoprämie in Höhe von 4%-Punkten addiert                          Erwar­tungs­wert des Diskontierungssatzes, der einer
wird, um den risikogerechten Abdiskontierungssatz                    konstanten Risikoprämie in Höhe von 4%-Punkten
zu bestimmen. Insgesamt werden mit den je 50 000                     plus dem Erwartungswert des Kurzfristzinses von
simulierten Zeitreihen der Kurzfristzinsen und Infla-                1,2% entspricht, in etwa dem in Abschnitt 3.2.2
tionsraten 50 000 Barwerte der Immobilie simuliert.                  unterstellten Wert. Damit zeigt sich, dass die Wahl
Die Häufigkeitsverteilung der 50 000 simulierten                     empirisch fundierter Verteilungsparameter für
Barwerte der Immobilie ist in Grafik 3 dargestellt.                  die simulierten gesamtwirtschaftlichen Grössen
Auf der Grundlage dieser Verteilung lässt sich das                   ­einen bedeutenden Einfluss auf die Bewertung von
Risiko auf verschiedene Arten ermitteln. Das von                      Immo­bi­lien bzw. auf die Beurteilung derer Rentabi-
werttreibenden Faktoren ausgehende symmetri-                          lität haben kann. Während der Netto-Barwert der
sche Risiko kann bei der Beurteilung der Renta-                       Beispielimmobilie unter der Annahme einer kon-
bilität einfliessen, indem der Mittelwert der simu-                   stanten (und im historischen Vergleich zu hohen)
lierten Barwerte dem Kaufpreis gegenübergestellt                      Teuerung deutlich positiv ist, wird er bei Verwen-
wird. Ist der erstere höher als der Kaufpreis, ist                    dung stochastischer Inflationsraten, deren Mittel-
die Inves­ti­tion rentabel, sonst nicht. Bei der Bei­                 wert dem historischen Muster entsprechen, leicht
spiel­immo­bi­lie liegt der Mittelwert der simulierten                negativ.

12
Grafik 3
Häufigkeitsverteilung der simulierten Barwerte der Beispielimmobilie

absolute
Häufigkeit
4 000

3 500

3 000

2 500

2 000

1500

1000

 500

   0
   5,5                       6,5                   7,5                   8,5                 9,5                 10,5
                                                           Mio. CHF
        Mittelwert: CHF 7,688 Mio.; Standardabweichung: CHF 0,557 Mio.

Quelle: CCRS

3.3.4 Standardabweichung                                        überschreiten sollte. Die (1-x)%-VaR-­   Grösse für
Das symmetrische Risiko kann auch als Risikokenn-               den Barwert einer Immobilie sollte damit nur mit
zahl ausgewiesen werden: Die Standard­abwei­chung               einer Wahrscheinlichkeit von x% nach Ablauf der
als symmetrisches Risikomass gibt die Streuung                  Anlagedauer unterschritten werden. Der Kaufpreis
(CHF 0,557 Mio.) des Barwertes der Bei­spiel­immo­              ist aus dieser Sicht adäquat, d. h. verfügt über ein
bi­lie um ihren Erwartungswert (CHF 7,688 Mio.)                 akzeptables Rendite-Risiko-Verhältnis, wenn er
an. Wird hinsichtlich der (empirischen) Häufigkeits-            unter der x%-VaR-Kennzahl liegt. Welches Ver-
                                                                ­
verteilung der simulierten Immo­bi­lien­-Bar ­werte             trauensniveau für x gewählt wird, hängt u. a. von
eine bestimmte Ver ­tei­lungs­annahme getroffen                 der Risikoaversion des Investierenden ab.
(beispielsweise Normalverteilung), so lassen sich
Aussagen in Bezug auf die Häufigkeit des Auftre-                3.3.6 Expected Shortfall (ES)
tens der Immo­bi­lien­-Bar­werte machen (zum Bei-               Eine konservativere Risiko-Kennzahl, d. h. eine
spiel in 68 Prozent aller möglichen zukünftigen                 Kennzahl, die die Verlustrisiken im Falle einer un-
Zins- und Teuerungsszenarien resultiert ein Bar-                günstigen Wertentwicklung der Immobilie umfas­
wert der Immo­bilie zwischen CHF 7,688 Mio. plus/­              sen­der beschreibt als die VaR-Grösse, ist der
minus eine Standardabweichung), d. h. zwischen                  ­Expected Shortfall. Dieser gibt den erwarteten
CHF 7,131 Mio. und CHF 8,245 Mio.                                Wert einer Investition wieder, sollte der x%-VaR-
                                                                 Grenzwert am Ende der ersten Phase der Anlage­
3.3.5 Value-at-Risk (VaR)                                        periode unter­   schrit­
                                                                                        ten werden, beispielsweise
Auch asymmetrische Risikogrössen können, basie-                 wegen einer rückläufigen Preisentwicklung bei
rend auf der Verteilung der simulierten Barwerte,               Immo­  bi­
                                                                         lien. Im Falle einer Renditeimmobilie gibt
ermittelt werden. Als mögliche Kennzahlen bieten                dieses Mass den erwarteten Immobilienwert am
sich gemäss Hoesli, Jani und Bender (2006) die ­unter           Ende der Anlagedauer in den x% aller möglichen
den Fachbegriffen «Value-at-Risk» (VaR) und «Ex-                Fälle an, in denen die Bewertung der Immobilie am
pected Shortfall» (ES) in den Finanzwissenschaften              ungünstigsten ausfällt und evtl. sogar unter den
populär gewordenen asymmetrischen Risiko-Kenn-                  Kaufpreis zu liegen kommt. Als bedingter Erwar-
zahlen an. Unter der VaR-Kennzahl wird eine mo-                 tungswert des x%-Quantils einer Verteilung des
netäre Grösse verstanden, die eine Investition nach             Wertes einer Rendite­immo­bi­lie nach einer vor­defi­
einem bestimmten Zeitraum (d. h. der Anlage­dauer)              nier­ten Anlagedauer liegt der Expected Shortfall
mit einem vordefinierten Vertrauensniveau von x%                stets tiefer als die x%-VaR-Risiko-Kennzahl.

                                                                                                                  13
Grafik 4
Empirische Verteilungsfunktion für die Beispielimmobilie mit 5%-ES bzw. 5%-VaR

kumulierte
Wahrscheinlichkeit
  100%

                                           5%-ES
                                                   5%-VaR

                                                                      Mittelwert
     90%

     80%

     70%

     60%

     50%

     40%

     30%

     20%

     10%

     0%
       5,0                     6,0                          7,0             8,0                      9,0                  10,0
                                                              Mio. CHF
           5%-Expected Shortfall: CHF 6,603 Mio.; 5% Value-at-Risk: CHF 6,773 Mio.

Quelle: CCRS

Bei der konkreten Anwendung der asymmetrischen                    jeweiligen Immobilienmerkmalen abhängt, ist der
Risikomasse VaR bzw. ES ist ein Vertrauensniveau                  Aufwand, durch die Modellierung der unsicheren
zu bestimmen, das u. a. von der Risikotoleranz                    Zahlungsströme das unsystematische Risiko herzu-
des Immobilieneigentümers abhängig ist. Baroni,                   leiten, jedoch ungleich grösser und wird deshalb in
Barthélémy und Mokrane (2007) empfehlen auf-                      der Praxis nicht 1:1 angewendet. Eine ver­ein­fachte
grund der Annahmen, die bei der Konstruktion                      Methode, um das unsystematische Risiko zu
dieser Risikomasse getroffen wurden (u. a. Normal-                erfas­sen, ermöglichen Scoring-Modelle. Mit diesen
verteilung), ein relativ hohes Vertrauensniveau von               Model­len5 werden mithilfe vordefinierter Kriterien
90% bzw. 95%, was einem VaR von 10% bzw. 5%                       die Risiken einzelner Immobilien in der Regel ordinal
entspricht.                                                       oder intervallskaliert beurteilt.
Für die zu Beginn eingeführte Beispielimmobi-
lie wird ein Vertrauensniveau von 5% postuliert.                  3.4.1 Interne Ratings
In Grafik 4 ist die simulierte empirische Vertei-                 Wie alle Scoring-Modelle beruhen proprietäre
lungsfunktion zusammen mit ihrer 5%-VaR- bzw.                     Verfahren der Risikobeurteilung von Immobilien
5%-ES-Kennzahl und ihrem Mittelwert dargestellt.                  bzw. Immobilien-Portfolios auf Einschätzungen. In
Die Grafik zeigt, dass die 5%-ES-Grösse eine res-                 der Praxis werden sie zum Teil von institutionellen
triktivere Risikokennzahl ist als der 5%-VaR-Wert                 Anle­gern zur Risikobeurteilung von Immobilien und
(CHF 6,603 verglichen mit CHF 6,773 Mio.), da der                 Immobilien-Portfolios eingesetzt und deshalb auch
Kaufpreis höchstens dem 5%-ES- bzw. 5%-VaR                        als «internes Rating» bezeichnet. Weil in diesen
entsprechen darf.                                                 die Einschätzung des institutionellen Anlegers zum
                                                                  Ausdruck kommt, sind sie nicht generalisierbar.
3.4 Scoring-Modelle
Während sich die mithilfe von Szenarioanalysen und
stochastischen Simulationen hergeleiteten Kenn-
zahlen eher dafür eignen, das systematische Risiko
von Immobilien zu erfassen, können diese Metho-
den auch genutzt werden, um das unsystematische
                                                                  5
                                                                      Unter Scoring-Modellen werden qualitative Verfahren zur
                                                                      Bewertung verschiedener Handlungsalternativen, Verfahren
Risiko einer Immobilie zu quantifizieren. Weil das
                                                                      zur Ermittlung einer eindeutigen Präferenzreihenfolge und
unsystematische Risiko nicht für alle Immobilien                      Methoden zur Entscheidungsunterstützung bei multipler
gleich ausfällt, sondern von der Ausprägung der                       Zielsetzung verstanden (siehe Pickle, 2001).

14
3.4.2 Economic Sustainability Indicator (ESI)           Grafik 5
 Beim Economic Sustainability Indicator (ESI ®-          ESI®-Indikator für die Beispielimmobilie
Indikator) handelt es sich um ein Scoring-Modell
zur Erfassung des (unsystematischen) Nachhal-                          Flexibilität und Polyvalenz
                                                                                  1
tigkeitsrisikos von Immobilien. Die Gewichtung
­beruht methodisch auf einer dynamischen Model­                                  0,5
                                                                                                 Ressourcenverbrauch
 lie­
    rung von Barwerten unter Berücksichtigung                                    0,0              und Treibhausgase
                                                         Gesundheit
 von unsiche­ren Zahlungsströmen (in Analogie zu         und Komfort            –0,5
 Abschnitt 3.3). Ausgangslage ist die Annahme,
 ­                                                                              –1,0
 dass sich nachhaltige Immobilien u. a. dadurch aus-
 zeichnen, dass sie besser in der Lage sind, mit den
 Folgen langfristiger Entwicklungen umzugehen. Sie
 haben damit im Vergleich zu anderen Immobilien
 ein tieferes Risiko, aufgrund von Entwicklungen wie               Sicherheit          Standort und Mobilität

 Klimawandel, demografischem Wandel oder stei-           Quelle: CCRS, Anwendung unter www.ESIweb.ch
 genden Energiepreisen an Wert zu verlieren bzw.
 eine höhere Chance, an Wert zu gewinnen (Meins
 und Burkhard, 2014).                                    sowie bei der Flexibilität. Handlungsbedarf b
                                                                                                     ­ esteht
 Methodisch wird für die Gewichtung wie folgt vor-       hingegen beim Ressourcenverbrauch und bei den
 gegangen: Die Folgen von wahrscheinlichen lang-         Treibhausgasen. Hier schneidet die Immobilie
 fristigen Entwicklungen auf die Zahlungsströme          schlecht ab, was insbesondere auf den hohen Heiz-
 einer Referenzimmobilie werden modelliert – in          wärmebedarf zurückzuführen ist. Im Rahmen der
 Abhängigkeit der Ausprägung der Nachhaltigkeits-        für 2018 geplanten umfassenden Sanierung sollte
 merkmale der Referenzimmobilie. Die Unsicherheit        dies deutlich verbessert werden.
 über langfristige Entwicklungen wird durch die
 Verwendung von Szenarien mit verschiedenen Ein-         3.5 Realoptionen
 tretenswahrscheinlichkeiten berücksichtigt. ­ Deren     Sowohl bei den statischen als auch den dynami-
 Auswirkung auf den Barwert der Immobilie wird           schen Performance-Kennzahlen wird davon ausge-
 mittels Monte-Carlo-Simulationen ermittelt und          gangen, dass eine Investition zu einem bestimmten
 führt zu einer Verteilung von Barwerten. Diese          Zeitpunkt getätigt wird. Es kommen aber durchaus
 wiederum werden für die Ermittlung des Risikos          Situationen vor, in denen beispielsweise eine Sanie­
 verwendet (in Analogie zum Netto-Barwert mit            rungs- oder Erweiterungsinvestition während e­ ines
 stochastischer Simulation, der in Abschnitt 3.3.2       bestimmten Zeitraumes durchgeführt werden kann.
 beschrieben wird). Für weitere Details zur Methode      Es stellt sich dann zusätzlich zur Bewertung der
 siehe Meins und Sager (2015).                           Investitionsmöglichkeit die Frage nach dem opti­
 Im Ergebnis liegt ein Rating vor, dem fünf wert­rele­   malen Investitionszeitpunkt. Wird beispielsweise
vante Nachhaltigkeitsmerkmale zugrunde liegen,           eine Erweiterungsinvestition zu früh getätigt, so ist
die im Hinblick auf das Wertänderungsrisiko ge-          die Rentabilität im Verhältnis zum eingegangenen
wichtet sind. Das Rating nimmt Werte von – 1 bis         Risiko zu tief. Durch das Abwarten und die Auswer-
+ 1 an, wobei positive Werte auf ein Potenzial der       tung relevanter Informationen kann unter Umstän-
Wertsteigerung und negative Werte auf das Risiko         den das Risiko reduziert werden, ohne dass sich der
eines Wertverlusts hinweisen. Die Anwendung ist          Netto-Barwert der Investition wesentlich reduziert.
mithilfe der Webapplikation ESIweb möglich (für          Durch die Berücksichtigung der Wahl des optimalen
die Details und Beispiele zur Anwendung bei der          Zeitpunktes der Ausführung einer Sanierungsinves-
Immobilienbewertung, Portfolioanalyse oder Inves-        tition lässt sich damit das Risiko dieser Investitions-
titionsentscheidungen in der Praxis siehe Meins und      projekte minimieren. Zur Beantwortung der Frage
Burkhard, 2014).                                         nach dem optimalen Investitionszeitpunkt sind
Das Ergebnis kann auch als Spinnendiagramm dar-          finanzökonomische Konzepte für Investitionsent-
gestellt werden, das auf einen Blick Stärken und         scheidungen in der Realwirtschaft unter Unsicher-
Schwächen der Immobilie aufzeigt. Für die Beispiel­      heit und Irreversibilität entwickelt und vorgeschla-
immobilie beträgt das ESI-Rating 0,15. Das heisst,       gen worden (siehe beispielsweise Dixit und Pindyck,
es besteht ein Wertentwicklungspotenzial. Dies ist       1994). Es handelt sich bei diesen Konzepten um die
zurückzuführen auf das gute Abschneiden bei den          Realoptionsmethode, einer Verallgemeinerung der
Merkmalen Sicherheit, Gesundheit und Komfort             Netto-Barwertmethode mit unsicheren Zahlungen.

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In der Praxis haben auf der Realoptionsmethode                  Die Tatsache, dass für Einzelimmobilien keine Preis-
 basierende Ansätze vor allem bei der Bewertung                  zeitreihen vorliegen und kein liquider Markt exis-
 von Investitionsprojekten zur Gewinnung von Roh-                tiert, macht die Bewertung von Sanie­rungs­inves­
 stoffen Verbreitung gefunden. In diesem Bereich                ti­tio­
                                                                      nen mittels finanzökonomischer Verfahren
 hängt die Rentabilität von Investitionsprojekten               anspruchsvoll. Um in Analogie zur Bewertung von
 nämlich massgeblich von der nur schwer prognos-                Finanzoptionen ein die Sanierungsoption replizie-
 tizierbaren langfristigen Entwicklung von bestimm-             rendes Portfolio zu konstruieren, muss eine Reihe
 ten Rohstoffpreisen ab. Bei Immobilien-Inves­       ti­        von Voraussetzungen gegeben sein. Eine davon ist,
 tions­pro­jek­ten hingegen ist der Einsatz von auf der         dass ein handelbarer Immobilienindex existiert, der
 Realoptionsmethode basierenden Verfahren zur                   eng mit dem Preis derjenigen Immobilie korreliert
 Beurteilung beispielsweise von Sanierungsinvesti-              ist, für die eine Sanierungsoption bewertet werden
 tionen wenig verbreitet. Da sich dies jedoch auf-              soll. Eine Eigenschaft der Bewertung von Sanie­
 grund des zunehmenden Einsatzes spezialisierter                rungs­inves­ti­tions­pro­jek­ten mit der Real­options­
 Programme ändern könnte, werden im Folgenden                   methode im Vergleich zur Bewertung mit dem
 die Grundzüge dieser Methode mithilfe einer wert­              Netto-Barwertverfahren ist, dass bei der letzteren
 erhö­ hen­den Sanierungsinvestition anhand einer               Methode stets tiefere Werte resultieren als bei
 Beispielimmobilie erläutert.                                   der Anwendung des Realoptionsverfahrens, es sei
 Zwischen der Möglichkeit, eine Immobilie während               denn, die Option hat keinen Wert.
 eines gewissen Zeitraumes werterhöhend reno-                   Die Bewertung einer werterhöhenden Immobilien-
vieren zu können und einer Option, die zum Kauf                 renovation mit der Realoptionsmethode soll analog
­einer Aktie zu einem vordefinierten Ausübungspreis             zu Huterer (2012) anhand einer zu sanierenden Bei-
 berech­ tigt, existieren gewisse Parallelen. Sowohl            spielimmobilie aufgezeigt werden. Sie wird A   ­ nfang
 im Falle der Aktien- als auch der Sanierungsoption             2015 gekauft und soll innerhalb von 11 Jahren,
 zahlt das der Option zugrunde liegende Aktivum                 d. h. während der ersten Phase der Anlage­periode,
 während der Optionslaufzeit periodisch Dividenden              ­saniert werden. Es besteht einerseits die Möglich-
 bzw. Mieterträge aus. Weiter unterliegen sowohl                 keit, die Sanierung 2015 in Höhe von CHF 1,5 Mio.
 die der Sanierungs- als auch die der Aktienoption               vorzunehmen, die den Barwert der Liegenschaft um
 zugrundeliegenden Aktiven im Zeitablauf Schwan-                 knapp 0,2 Mio. erhöht. Andererseits kann mit der
 kungen. Ein wichtiger Unterschied zwischen einer                Renovation bis Ende 2025 zuge­wartet werden, um
 Kaufoption auf eine Aktie und einer Sanie­rungs­                die Investition nur im Falle einer hinreichend posi-
 option besteht in der Verfügbarkeit öffentlicher                tiven Wertentwicklung der Liegenschaft durchzu-
 Preisinformationen. Während für Aktien von an                   führen. Der Wert der zeitlich aufschiebbaren Sanie­
 Börsen gehandelten Firmen öffentlich zugängliche                rungs­inves­ti­tion kann somit analog zum Wert einer
 Preise in hoher Frequenz verfügbar sind, existiert             Kaufoption auf eine Aktie bestimmt werden, wobei
 für eine einzelne Immobilie keine öffentlich verfüg-           der Basiswert durch den Barwert der unmittelbar
 bare Preishistorie.                                            durchgeführten Sanie­rungs­inves­ti­tion gegeben ist.

Tabelle 1
Bewertungs-Parameter der Sanierungsoption

 Beschreibung Eingabeparameter                                 Wert für die Beispielimmobilie
 Barwert sanierte Liegenschaft 2015                            CHF 3,093 Mio.
 Barwert bestehende Liegenschaft 2015                          CHF 2,896 Mio.
 Sanierungskosten 2015                                         CHF 1,5 Mio.
 Wachstumsrate der Sanierungskosten                            1% (Wachstum Baupreisindex)
 Risikoloser Zinssatz                                          1,5% (Rendite Staatsobligation)
 Volatilität, annualisiert in % (für sanierte und bestehende   10%
­Liegenschaft)
 Gesamt-Rendite der Liegenschaft (in %) für sanierte und       8,8%*
­bestehende Liegenschaft
 Cashflow-Rendite der Liegenschaft für sanierte Immobilie      2,7%
 Cashflow-Rendite der Liegenschaft für bestehende Immobilie    3,7%
* Durchschnittsrendite SWX IAZI Investment Real Estate Performance Index 2005 – 2013 für Renditeimmobilien
Quelle: CCRS, IAZI

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