Resonanzpädagogik Proteste gegen Bildungsabbau - NEU mit dem Mitgliedermagazin der Sektion Zürich Lehrberufe - vpod ...
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Nummer 198 / September 2016 Zeitschrift für Bildung, Erziehung und Wissenschaft Resonanzpädagogik Proteste gegen Bildungsabbau NEU mit dem Mitgliedermagazin der Sektion Zürich Lehrberufe
Inhalt Der Bildungsabbau Zeitschrift für in den Kantonen Bildung, Erziehung beeinträchtigt die und Wissenschaft Qualität öffentlicher Bildung. vpod bildungspolitik 198 September 2016 Ausgewählte Artikel der aktuellen Nummer der vpod bildungspolitik sind auch auf unserer Homepage zu finden. Jeweils zwei Monate nach Erscheinen sind die vollständigen Hefte als pdf abrufbar: vpod-bildungspolitik.ch Impressum Redaktion / Koordinationsstelle Birmensdorferstr. 67 Postfach 8279, 8036 Zürich Tel: 044 266 52 17 Fax: 044 266 52 53 Email: redaktion@vpod-bildungspolitik.ch Homepage: www.vpod-bildungspolitik.ch Herausgeberin: Trägerschaft im Rahmen des Resonanz Verbands des Personals öffentlicher Dienste VPOD Einzelabonnement: Fr. 40.– pro Jahr (5 Nummern) Der Resonanzbegriff steht im Einzelheft: Fr. 8.– Mittelpunkt eines neuen Konzepts Pflichtlektion Kollektivabonnement: Sektion ZH Lehrberufe; kritischer Pädagogik. Sparen am Zürich Lehrberufsgruppen AG, BL, BE (ohne Biel), LU, SG. Service Public und Bildungsabbau Satz: erfasst auf Macintosh verunmöglichen auch «Resonanz». 11 – 14 Das Mitgliedermagazin der Layout: Sarah Maria Lang, Brooklyn Sektion Zürich Lehrberufe Titelseite Foto: antifalten / photocase.de Aktionstag am 28. September gegen Abbaupolitik Druck: Ropress, Zürich – Bildung wird kaputtgespart – Neuzugang Roseli 04 Resonanz in Gesellschaft und Schule Ferreira – 10ni-Pause und Agenda. ISSN: 1664-5960 Ein gelingendes Leben braucht Resonanz- Erscheint fünf Mal jährlich erfahrungen. Diese sind sowohl Bedingung als Redaktionsschluss Heft 199: auch Resultat von Bildungsprozessen. 10. Oktober 2016 07 Politik der leeren Kassen VSoS Auflage Heft 198: 3800 Exemplare Zahlungen: Die Unternehmenssteuerreform III würde Milliar- 19 Wer oder was ist behindert? PC 80 - 69140 - 0, vpod bildungspolitik, Zürich denlöcher in die öffentlichen Kassen reissen. Allenfalls die Schule selber? Inserate: Gemäss Tarif 2011; die Redaktion kann Davon wäre auch der Bildungsbereich betroffen. Die Kolumne des Vereins für eine Volksschule die Aufnahme eines Inserates ablehnen. ohne Selektion. Redaktion Verantwortlich im Sinne des Presserechts Aktuell Johannes Gruber 08 Eine Frage des politischen Willens Film und Medien Redaktionsgruppe Das Waadtländer Modell der KITA-Finanzierung 20 When I Grow Up I Want to Be Susanne Beck-Burg, Roseli Ferreira, Christine ist eine Mogelpackung. Nötig wären stattdessen a Tourist Flitner, Fabio Höhener, Markus Holenstein, Ernst ausreichende öffentliche Mittel. Joss, Ute Klotz, Ruedi Lambert (Zeichnungen), Ein Film über den Traum eines Jungen aus Thomas Ragni, Martin Stohler, Ruedi Tobler, Peter Gambia und die Wirklichkeit globaler Ungleichheit. 15 Von der Sekundarschule zur Wanzenried Gesamtschule? 22 Migration erforschen und erfahren Eine neue Geschichte des Schulwesens im Beteiligt an Heft 198 Die Webseite conTAKT-spuren.ch stellt Hilfsmittel misterQM / photocase.de Kanton Bern fokussiert auf den Aspekt der Hildegard Hefel, Birgit Henökl-Mbwisi, Liselotte für die Behandlung von Migration im Unterricht Selektion. Lüscher, Roland Schaller, Daniel Weibel bereit. Dieser Ausgabe der bildungspolitik liegt der Flyer «Abbau stoppen!» bei. 2 vpod bildungspolitik 198
Editorial m 28.09. findet in Zürich ein dazu, dass bei der Umsetzung des neuen A Aktionstag mit Demonstration gegen die kantonale Spar- und Abbaupolitik statt. Der vorliegenden Ausgabe der vpod bildungspolitik ist ein Flyer beigelegt, der unter dem Motto «Weil unsere Lehrplan 21 (LP 21) ein Qualitätsabbau in Kauf genommen wird, indem Unterricht in Halbklassen reduziert wird und bei der Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen gespart werden soll. Katrin Meier, die Präsidentin der Bildung kaputt gespart wird – Abbau stoppen, VPOD Sektion Lehrberufe Zürich, zog daraufhin gemeinsam gegen Sparpolitik» zur Teilnahme die Reissleine und reichte im Kantonsrat eine an den Protesten aufruft. Die Artikel von Roseli Einzelinitiative für ein Moratorium des LP 21 Ferreira (vgl. S. 11) und Fabio Höhener (vgl. ein (vgl. bildungspolitik 197, S. 15). Mit der S. 12-13) beleuchten die Hintergründe der Umsetzung des LP 21 soll gewartet werden, geplanten Ausgabenkürzungen des Kantons. bis auch die notwendigen Ressourcen für diese Die Steuersenkungspolitik der letzten Jahre bereit stehen. Ende August stellte sich mehr und Jahrzehnte führt dazu, dass das Ziel als ein Drittel der Mitglieder des Kantonsrats eines ausgeglichenen Budgets nur mehr durch hinter die Initiative, sodass sich nun die Ausgabenkürzungen zu erreichen ist. Ihren Teil Regierung mit der Forderung nach einem dazu beigetragen haben auch Steuerausfälle Moratorium und mehr Mittel beschäftigen durch die Unternehmenssteuerreform II. Nun muss. drohen noch grössere Einnahmenverluste für die öffentlichen Kassen mit dem Inkrafttreten Das Manifest der InitiantInnen des Aktionstags der Unternehmenssteuerreform III, das es vom 28.09. verweist auf einen Punkt, der deshalb unbedingt zu verhindern gilt (vgl. Vielen noch zu wenig bewusst ist. Während S. 7). Mit einer «Politik der leeren Kassen» die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen betreiben bürgerliche Parteien eine Demontage durch die bürgerliche Spar- und Abbaupolitik des Service Public: Nachdem Einnahmen unter Druck gerät, suchen die Verantwortlichen durch Steuergeschenke an Firmen und Reiche für diese Politik nach «Sündenböcken»: gezielt reduziert wurden, heisst es nun, Asylsuchende, MigrantInnen, IV-BezügerInnen dass im öffentlichen Verkehr, im Sozial- und seien verantwortlich dafür, dass Leistungen Gesundheitsbereich sowie bei der Bildung gekürzt werden müssen. Treten wir in gespart werden muss. unserem Kampf gegen die Abbaupolitik auch einer solchen rechtspopulistischen Ein gutes Bildungssystem hat jedoch Stimmungsmache entgegen: gemeinsam und seinen Preis. Es braucht entsprechende miteinander solidarisch. Rahmenbedingungen, ohne diese kann auch ein progressives Konzept wie das der «Resonanzpädagogik» (vgl. S. 4-6) nicht zu einem guten Unterricht beitragen. Ebenso braucht es ausgebildete Lehrpersonen und angemessene Arbeitsbedingungen. Stattdessen führt im Kanton Zürich die Johannes Gruber Abbaupolitik im Bildungsbereich etwa Redaktion vpod bildungspolitik vpod bildungspolitik 198 3
thema Resonanz in Gesellschaft und Schule In zwei Publikationen beschäftigt sich der Sozialwissenschaftler Hartmut Rosa mit Resonanz. Auf allgemeiner Ebene als Ausdruck gelingenden Lebens von Menschen in unserer modernen Gesellschaft. Spezifisch innerhalb der Schule als Bedingung und Resultat gelingender Bildungsprozesse. Von Johannes Gruber iner grösseren Öffentlichkeit ist Hartmut auch ein Blick in seine umfassende, grundle- Depression oder eines Burnouts: «Man E Rosa mit seinem Buch über Beschleuni- gung als genuine Veränderung der Zeitstruk- gende Studie über Resonanz zu empfehlen. ‹hat› beispielsweise Familie, Arbeit, Verein, Religion etc., aber sie ‹sagen› einem nichts: turen in modernen Gesellschaften1 bekannt Resonanz und Entfremdung Es findet keine Berührung mehr statt, das geworden. Die Analyse der modernen Anhand von idealtypischen Beispielen il- Subjekt wird nicht mehr affiziert und erfährt Zeitverhältnisse respektive die Offenlegung lustriert Rosa dort zu Beginn seine zentrale keine Selbstwirksamkeit.» (ebd. S. 316) sozialpathologischer Entwicklungen führte These, dass die Weltbeziehungen der ein- ihn nun zur Beschäftigung mit dem Weltver- zelnen Menschen gelingen oder misslingen Resonanzvernichtung durch hältnis der Menschen. Dieses Jahr erschien können. Resonanz ist das grundlegende Steigerungsimperative sein Werk «Resonanz. Eine Soziologie der Merkmal eines Gelingens. In einer von Dass die kapitalistischen Arbeitsverhältnisse Weltbeziehung» (2016a), in dem er unter- Resonanz geprägten Beziehung berühren die Beziehungen des modernen Menschen sucht, auf welche Art und Weise Menschen sich Subjekt und Welt und verändern sich zur Welt deformieren, war bereits der Aus- Welt erfahren und sich diese aneignen. Im dadurch. Unterschiedliche Resonanzräu- gangspunkt für das Denken von Marx. Rosa Anschluss daran veröffentlichte er gemein- me – Rosa nennt etwa Familie, Freunde, knüpft mit den Begriffen «Entfremdung» sam mit Wolfgang Endres das Buch «Reso- Politik, Arbeit, Religion, Natur, Kunst und und «Verdinglichung» hier an. Auch die his- nanzpädagogik. Wenn es im Klassenzimmer Geschichte – ermöglichen es den Indivi- torischen Analysen von Charles Taylor greift knistert» (2016b), das gewissermassen eine duen prinzipiell, libidinöse Bindungen Rosa auf: Während das abendländische Sub- Anwendung seiner «Soziologie der Weltbe- aufzubauen und so Resonanzerfahrungen jekt um 1500 noch keine starre Form gehabt ziehung» auf Schule und Bildungssystem zu machen. Was sich Rosa unter Resonanz haben, offen und durchlässig gewesen sein darstellt. Bereits im Resonanzbuch ist letz- vorstellt, wird deutlicher, wenn man seine soll, kam es mit der Herausbildung der mo- teren ein Unterkapitel gewidmet, an welches Bestimmung von Resonanz als dem Ande- dernen Gesellschaft zu dessen Schliessung nun «Resonanzpädagogik» anknüpft und die ren der Entfremdung in den Blick nimmt: und Distanzierung. Mittels rationaler und Bedeutung von Resonanz für gelingenden Entfremdung stellt für ihn eine «Beziehung instrumenteller Bezugsformen bewältigen Brian Jackson / fotolia.com Unterricht weiter ausführt. Um jedoch Rosas der Beziehungslosigkeit» (Rahel Jaeggi) dar, die Menschen unserer Zeit mit einem «abge- Entwurf von Resonanzpädagogik nicht nur die von Indifferenz und Abwehr geprägt ist, pufferten Selbst» (Charles Taylor) ihr Leben, als Rezeptsammlung im Sinne der Ratge- in der «Welt stets kalt, starr, abweisend und das im Kapitalismus des 21. Jahrhunderts berliteratur wahrzunehmen, sondern ein nichtresponsiv erscheint» (Rosa 2016a, S. tieferes Verständnis seiner Diagnosen und 316). Der Verlust aller Resonanzräume ist 1 Hartmut Rosa (2005): Beschleunigung. Die Veränderung Handlungsempfehlungen zu entwickeln, ist wiederum auch das zentrale Merkmal einer der Zeitstrukturen in der Moderne. FaM / Suhrkamp. 4 vpod bildungspolitik 198
Resonanz immer mehr durch Beschleunigung und auf der Suche nach sich selbst die richtigen der Zwang zur Resonanzsimulation grösser Wettbewerb geprägt wird. Entscheidungen zu treffen, ist das Subjekt werden, was Rosa «zu den entfremdendsten Damit moderne Gesellschaften ihren Wei- auf Resonanzräume angewiesen. Erst wenn Erscheinungen spätmoderner Arbeits- und terbestand sichern können, so diagnostiziert die Weltaneignung über diese gelingt, Lebenswelten» (Rosa 2016a, S. 626) zählt. Rosa, sind diese auf einen Modus dynami- konstituiert es sich als Individuum: «Insbe- scher Stabilisierung angewiesen, der sich sondere spätmoderne Individuen versuchen Was tun? insbesondere durch Steigerungsimperative unentwegt, ihre Gefühle zu verstehen, ihren Es wird deutlich, dass die Art und Qualität der auszeichnet. Politik reduziert sich damit auf Körper zu spüren, harmonische Familien- Weltbeziehung nur sehr eingeschränkt auf Her- und Sicherstellung von Wettbewerbs- beziehungen zu etablieren, sich beruflich individueller Ebene steuerbar ist. Will man fähigkeit. «Werden die Steigerungsimpe- zu verwirklichen, künstlerisch zu entfalten, tatsächlich Resonanzräume und -möglich- rative nicht erfüllt, drohen Jobverluste und spirituell weiterzuentwickeln. Sie sind damit keiten wieder vergrössern, so kommt man Firmenzusammenbrüche, die einhergehen in allen Dimensionen ihres Lebens auf der um eine «Ersetzung der ‹blindlaufenden› mit sinkenden Staatseinnahmen (durch Suche nach Antwortbeziehungen und Re- kapitalistischen Verwertungsmaschinerie zurückgehendes Steueraufkommen) und sonanzerfahrungen.» (Rosa 2016a, S. 599) durch wirtschaftsdemokratische Institutio- mit einer Erhöhung der Sozialausgaben Bemerkenswert ist, dass sich diese Reso- nen [nicht umhin], welche die Entscheidun- (durch steigende Arbeitslosigkeit), was ten- nanzorientierung nicht nur auf den Bereich gen über Produktionsziele ebenso wie über denziell zu Haushalts- und Schuldenkrisen des Privaten beschränkt, sondern auch in den Produktionsformen und -mittel an die Mass- und darüber vermittelt schliesslich zu einer Arbeitsbeziehungen anzutreffen ist. Rosa stäbe gelingenden Lebens zurückzubinden Krise des politischen Systems führt.» (Rosa verweist darauf, dass heute vielfach sowohl vermögen.» (Rosa 2016a, S. 715) 2016a, S. 681) die Arbeitnehmenden wie auch die Arbeitge- So klar Rosa hier gegen Ende des Buches Damit die Menschen in solchen Gesell- ber eine Identifikation mit der Arbeit erwar- formuliert: Wie dies gelingen könnte, dazu schaften überleben können, müssen sie ten. Der Anspruch auf Selbstverwirklichung finden sich kaum mehr als Andeutungen. permanent ihre psychischen Energien zur / Selbstwirksamkeit stösst auf den zur Steige- Rosa beschränkt sich weitgehend darauf, Selbstoptimierung mobilisieren: «Gleich- rung der Leistungsfähigkeit: «Spätmoderne «eine andere Form des Daseins, eine andere gültig, wie kreativ, aktiv und schnell wir in Akteure haben längst erkannt, dass sie ein Existenzweise, eine andere Art und Weise des diesem Jahr sind, nächstes Jahr müssen wir resonantes Verhältnis zu ihrem Körper und auf Welt und Leben Bezogenseins wenigs- uns steigern, lautet die Grundbefindlichkeit ihrer Psyche benötigen, um langfristig kre- tens wieder erahnbar» (Rosa 2016a, S. 736) spätmoderner Subjekte fast überall auf der ativ und leistungsfähig zu sein, und dass sie zu machen. Ob dies für die Weiterführung Welt.» (Rosa 2016a, S. 711) Und: «Es gibt sich resonant um ihre Kollegen, Kunden oder Kritischer Theorie bereits ausreicht, sei keinen Aspekt menschlichen Lebens und Klienten kümmern müssen, um erfolgreich dahingestellt. menschlicher Körper mehr, der sich nicht zu sein». (Rosa 2016a, S. 622) Angesichts der mittels neuer Bio-, Pharma-, Psycho- und Optimierungserfordernisse am Arbeitsplatz Resonanzpädagogik Computertechnologien messen und erfas- dürften die Möglichkeiten für echte Reso- In seinem Werk «Resonanzpädagogik» fehlt sen und darüber verbessern, steigern oder nanzerfahrungen jedoch stetig kleiner und die gesellschaftstheoretische Einbettung da- optimieren liesse.» (ebd., S. 715) Solchen Rationalisierungs- und Opti- mierungszwängen stehen die Individuen weitgehend ohnmächtig gegenüber. Indem diese Ängste der Individuen befördern, den Ansprüchen nicht genügen zu können, erschüttern sie die Basis für Resonanzer- fahrungen. Die Geschichte der Moderne erscheint so als eine «Resonanzkatastrophe», deren Beschreibung sich insbesondere bereits Philosophen der frühen Kritischen Theorie wie Erich Fromm, Theodor W. Adorno oder Herbert Marcuse gewidmet haben. Jürgen Habermas und Axel Honneth reformulierten und aktualisierten deren Fra- gestellungen. Auch Hartmut Rosa sieht sich in dieser Tradition, wenn er seine «Soziologie der Weltbeziehungen […] als eine Kritik der historisch realisierten Resonanzverhältnisse […] und damit […] als eine modifizierte und erneuerte Form der Kritischen Theorie» (Rosa 2016a, S. 36) charakterisiert. Ambivalenzen der Moderne Rosa betont die Ambivalenzen der Moderne, Hartmut Rosa und Wolfgang Endres: die sich in deren Freiheitsvorstellung zeigen: Hartmut Rosa: Resonanz. Eine Resonanzpädagogik. Wenn es im Indem soziale Beziehungen, Wohnort, Be- Soziologie der Weltbeziehung. Klassenzimmer knistert. ruf, Lebenspartner sowie religiöse, politische Suhrkamp, 2016. 815 Seiten, Beltz, 2016. 128 Seiten, Fr. 21.90 oder ästhetische Anschauungen nicht mehr Fr. 45.90 von der Tradition vorgegeben werden, müs- sen diese individuell gewählt werden. Um vpod bildungspolitik 198 5
Resonanz Die gelungene Stunde: Das Resonanzdreieck Die misslungene Stunde: Das Entfremdungsdreieck Lehrer Lehrer erreicht die Schüler und empfindet Schüler als Bedrohung; erreicht vermittelt Begeisterung; lässt sie nicht; erfährt sie als desinteressiert und sich aber auch «berühren» den Lehrstoff als aufgezwungen Schule Schule als als Resonanzraum Entfremdungszone Stoff Schüler Stoff Schüler erscheint beiden Seiten als ist vom Thema gelangweilt oder ist vom Thema gefesselt; fühlt erscheint beiden Seiten als Feld von bedeutungsvollen überfordert; Antipathie und / sich angenommen / aufgehoben Zumutung; sagt ihnen nichts; Möglichkeiten und oder Missachtung gegenüber und ist zugleich offen spricht sie nicht an; «ödet sie an» Herausforderungen Klassenkameraden und Lehrer gegen nahezu vollständig. Fragen ausserhalb ich auch hören können. Auch und gerade, für den Wettbewerb zu erwerben, ist auf des Bildungssystems respektive der Institu- wenn sie nicht auf Einklang stösst, sondern Konkurrenten fokussiert und untergräbt tion Schule stellen sich hier anscheinend wenn es Widerspruch gibt. Das ist eine in diesem Sinne Resonanzbeziehungen.» kaum. Stattdessen beschränkt sich Rosa wichtige Doppelfunktion: die Stimme muss (Rosa 2016b, S. 83) auf eine phänomenologische Darstellung auch widersprechen dürfen, sonst gibt es eines gelingenden Bildungsprozesses, die keine eigene Stimme, keinen eigenen Klang. Cui bono? sich eng an die begriffliche Systematik sei- Meine Stimme muss auf eine andere Stimme Resonanz als das «prozesshafte In-Be- nes Resonanzbuchs anlehnt. Die Idee von treffen, sonst gibt es keine Resonanz. Aber ziehung-Treten mit einer Sache» ist eine Bildung ist für ihn, «Welt für die Subjekte diese andere Stimme darf dem Kind nicht als Voraussetzung wie auch ein Ergebnis von zum Sprechen zu bringen oder in Resonanz etwas Feindliches begegnen, sondern muss Bildungsprozessen. Sozialstrukturell ist Re- zu versetzen.» (Rosa 2016b, S. 18) Dies zu ihm als etwas Zugewandtes, das es etwas sonanzfähigkeit sehr ungleich verteilt. Wenn ermöglichen ist die Aufgabe der Schule, angeht, entgegentreten.» (Rosa 2016b, S. 31f.) Kinder in die Schule kommen, haben sie die junge Menschen neugierig auf die Welt bereits ihre spezifischen «Resonanzachsen» und ihr zukünftiges Leben machen und zur Statt Angst und Wettbewerb (potentielle Interessensgebiete) mehr oder Ausbildung «dispositionaler Resonanz» Auf beiden Seiten ist Begeisterung ein weniger stark ausgebildet. Die Reproduktion beitragen soll. Die Aufgabe der Resonanz- Gradmesser für Resonanz, die etwa an den (sic!) sozialer Ungleichheit im Bildungssys- pädagogik ist es, dazu beizutragen, indem leuchtenden Augen von Lehrenden und tem ist Rosa zufolge Resultat davon, «dass die mit ihrer Hilfe das Bildungsgeschehen Lernenden abgelesen werden kann. Rosa Schulen und Bildungsinstitutionen für pri- überdacht und verbessert wird, um so die Be- interpretiert die Interaktionen im Klassen- vilegierte Bevölkerungsgruppen gleichsam reitschaft und Fähigkeit der Jugendlichen zu zimmer im Sinne eines Kampfs um Sicht- als Resonanzverstärker fungieren […] wäh- «Anverwandlungsprozessen» – gerade auch barkeit, Anerkennung und Wertschätzung. rend sie für die sogenannten Bildungsver- in schwierigen Fällen –vermehrt zu fördern: «Fast alle Menschen, vor allem Kinder und lierer nur Entfremdungszonen sind» (Rosa «Der neue Begriff meint Pädagogik als das Jugendliche, haben eine fundamentale, eine 2016a, S. 753). Dies führt sozialstrukturell Verstehen eines Bildungsgeschehens, das existentielle Angst, nicht zu genügen, nicht auch in der Schule zu einer sehr ungleichen viele Dimensionen hat.» (Rosa 2016b, S. 20) gut genug zu sein, vielleicht sogar falsch zu Ausprägung «dispositionaler Resonanz», Eine Rolle spielen unter anderem räumliche sein in dieser Welt, in ihrem Kern nicht ok zu was wiederum Auswirkungen auf spätere Ar- Aspekte im Schulgebäude, die Verlaufsfor- sein.» (Rosa 2016b, S. 68). Eine solche Angst beitsmarktchancen hat. Erziehungsstil und men von Begegnungen und Interaktionen. verunmöglicht Resonanzbeziehungen. Im -praktiken der Mittel- und Oberschichtsel- Im Unterricht wiederum ist der produktive Unterricht muss diese deshalb abgebaut und tern orientieren sich am Ideal der Resonanz. Umgang mit Fehlern und Scheitern zentral. eine Vertrauensbasis von Lehrpersonen und Indem sie die «physischen, psychischen, SchülerInnen geschaffen werden. musischen, kreativen, emotionalen und Widerspruch und Zuwendung Wettbewerbsformen wie die Notengebung sozialen Fähigkeiten» (ebd. S. 622) ihrer Indifferenz und Abwehr gelte es bei Schü- erschweren dies. Obwohl Rosa auch deren Kinder fördern, fördern sie zugleich auch Abbildungen nach Hartmut Rosa (2016): Resonanz. S. 409 und 411. lerInnen wie Lehrpersonen zu überwinden. pädagogischen Nutzen anerkennt, sieht er deren Wettbewerbsfähigkeit in der Schule Rosa plädiert für einen «demokratisch- diese in einem starken Spannungsverhältnis und auf dem Arbeitsmarkt. Um der immer deliberativen Auto-Paternalismus» im Un- zum Bildungsprozess: «So lautet meine stärkeren Marginalisierung sogenannter terricht, bei dem den Lehrenden die Aufgabe Lieblingsthese: Ich kann mit jemandem nur «bildungsferner» Kinder entgegenzuwirken, zufällt, die Resonanzsensibilität der Schüle- entweder konkurrieren oder resonieren. […] fordert Rosa eine Bildungspolitik, die die rInnen zu erkennen und zum Schwingen zu In dem Moment, in dem ein Schüler einen Schule auch für diese zu Resonanzräumen bringen, Lernvorschläge zu machen und Be- anderen als Konkurrenten wahrnimmt, macht. Politisch stösst dies jedoch auf den geisterung zu wecken: «Die Idee ist, dass der kann er nicht in eine Resonanzbeziehung Widerstand derjenigen gesellschaftlichen Lehrer durch seine Begeisterung den Stoff zu ihm treten. Dann will er sich nicht von Gruppen, die von der Benachteiligung ande- zum Sprechen bringt, und damit beginnt ihm erreichen und schon gar nicht verletzen rer profitieren und nicht dazu bereit sind, für der Stoff auch für die Schüler zu sprechen.» lassen. Da geht es dann nur darum, Kopf und ein gutes Bildungssystem mehr öffentliche (Rosa 2016b, S. 48) Eine Resonanzbezie- Schultern über ihm zu halten oder Ellenbo- Mittel aufzuwenden. Konkret werden solche hung ist jedoch mindestens zweipolig: «Im gen einzusetzen. Das heisst, eine Wettbe- gesellschaftlichen Konflikte anhand der Bildungsprozess, im Resonanzraum Schule, werbskultur, bei der es bei jedem Schritt der aktuellen Auseinandersetzungen um die muss die eigene Stimme des Kindes zur Ent- Auseinandersetzung darum geht, besser zu Unternehmenssteuerreform III (vgl. S. 7) faltung kommen. Und diese Stimme muss sein als andere oder auch nur das Rüstzeug und um kantonale Sparpakete. (vgl. S. 11-13) 6 vpod bildungspolitik 198
Die Umsetzung der USR III würde insbesondere die Gemeinden zu Sparmassnahmen bei der Bildung zwingen. Politik der leeren Kassen Ein Inkrafttreten der Unternehmenssteuerreform III (USR III) würde Milliardenlöcher in die öffentlichen Kassen reissen. Leidtragende wären in erster Linie die Kommunen – sie müssten Abbaumassnahmen durchführen. Auch der Bildungsbereich wäre wohl massiv davon betroffen. Von Christine Flitner och ist es nicht zu spät. Die SP hat zu- besteuerung auf Dividenden. Dafür sollen abbauen. In Zürich sollen im Rahmen N sammen mit den Gewerkschaften und weiteren Kräften das Referendum gegen die die Kantone einen höheren Anteil der Bun- dessteuer erhalten, um Spielraum für die der «Leistungsüberprüfung 2016» allein im Bildungsbereich 15 Millionen gespart verheerende «Reform» ergriffen, und bis Senkung der Gewinnsteuern zu haben. So werden. In Luzern sollen im Rahmen des Ende September werden noch Unterschrif- wird der Unterbietungswettbewerb zwischen Konsolidierungsprogramm KP 17 insgesamt ten gesammelt. den Kantonen weiter angeheizt. Das trifft 330 Millionen Franken eingespart werden, besonders die Städte, die keine Möglichkeit unter anderem durch eine Erhöhung der Un- Worum geht es? zur Refinanzierung haben. terrichtsverpflichtung für die Lehrpersonen, Im Zentrum der Unternehmenssteuerre- eine Streichung des Dienstaltergeschenks form III steht das Ziel, bestimmte Steu- Milliardenausfälle drohen und eine allgemeine wöchentliche Arbeits- erprivilegien für internationale Firmen Der Zentralverband öffentliches Personal zeiterhöhung beim Staatspersonal um circa abzuschaffen, welche die Europäische Union Schweiz und einzelne Gemeinden haben 1.25 Stunden. Die Lehrpersonen haben schon und die OECD nicht länger akzeptieren. Ein ausgerechnet, was das bedeutet. Die Stadt angekündigt, welche Folgen eine Pensen- weiteres Ziel, nämlich die Fehler der Un- Biel müsste nach den Berechnungen des aufstockung haben wird: Zur Entlastung ternehmenssteuerreform II zu korrigieren, ZV mit Ausfällen von 15 Millionen Franken müssten beispielsweise Klassenlager und wurde im Laufe des Gesetzgebungsprozesses rechnen, Bern mit 35, Lausanne mit 50 und ausserschulische Anlässe gestrichen und fallen gelassen. (Man erinnert sich: bei der Winterthur mit knapp 30 Millionen, um Elterngespräche limitiert werden. Abstimmung zur USR II wurden seinerzeit nur ein paar Beispiele zu nennen. Sebastien Sollte die USR III umgesetzt werden, wäre vom zuständigen Bundesrat bewusst die zu Guex, Professor an der Universität Lausanne das alles nur ein sanftes Vorspiel im Ver- erwartenden Steuerausfälle verschwiegen.) und Spezialist für Steuerfragen, schätzt die gleich zu den Mindereinnahmen, die dann Auch die Absicht, das Steuersubstrat ins- gesamten Ausfälle für die öffentliche Hand auf die Gemeinden zukämen – zusammen gesamt zu erhalten, blieb auf der Strecke. auf fünf bis acht Milliarden Franken jährlich. mit entsprechenden Abbaumassnahmen. nicolasberlin / photocase.de Die im Juni verabschiedete Lösung sieht Bekanntlich wird der Rotstift in den Gemein- vielmehr tiefe Löcher in den öffentlichen den gewöhnlich vor allem beim Personal, im Unterschreiben! Kassen vor, ohne Gegenfinanzierung durch Sozialbereich und bei der Bildung angesetzt. Daher: Wer noch nicht unterschrieben hat, die Unternehmen und AktionärInnen. Die Schon in den vergangenen Jahren wurde sollte das unverzüglich tun: https://www. ursprünglich geplante Kapitalgewinnsteuer hier an vielen Stellen gestrichen. Winterthur sp-ps.ch/de/kampagnen/unterschriften- wurde wieder fallen gelassen, ebenso eine baut seit 2014 im grossen Stil ab und will sammlungen/referendum-usr-iii Harmonisierung und Erhöhung der Teil- bis 2019 110 Stellen und 40 Lehrstellen vpod bildungspolitik 198 7
Es lohnt sich also, das Modell einmal ge- nauer anzusehen. Insbesondere interessiert die Frage, wie die Finanzierung geregelt ist, welche Ziele damit angestrebt und erreicht wurden, und wie das im Vergleich zu Kantonen wie beispielsweise Basel-Stadt oder Zürich aussieht, in denen die Kinder- tagesstätten bisher ohne Arbeitgeberbeiträge finanziert werden. Stiftung FAJE Budget 2015: circa 58 Millionen Sonstige 9% 43% Kanton Private AG 39% Zunächst ein Blick auf das Modell.1 Die Waadtländer Lösung besteht aus zwei Teilen, nämlich einer Stiftung auf der einen Seite und den Gemeindenetzwerken mit den Be- treuungseinrichtungen auf der anderen Sei- te. Die Stiftung (die Fondation pour l’accueil de jour des enfants FAJE) wird massgeblich von der öffentlichen Hand und den Arbeit- gebern gespeist. Der verpflichtende Beitrag Eine Frage des der Privatwirtschaft von derzeit 0,08 Prozent der Lohnsumme fliesst in diese Stiftung. Das sind etwa 40 Prozent des Stiftungsfonds. Die politischen Willens Stiftung schüttet einen Teil des Geldes an die Netzwerke der Gemeinden aus, gibt eine Art Anstossfinanzierung für neu geschaffene Bei den Diskussionen um den Ausbau der Kita-Versorgung in Plätze und unterstützt Notfall-Betreuungs- der Deutschschweiz respektive dessen Finanzierung wird das angebote («accueil d’urgence», z.B. wenn Waadtländer Modell als Vorbild genannt. Dieses ist jedoch eine Kinder krank sind) sowie zwei Organisa- Mogelpackung. Von Christine Flitner tionen mit pädagogischen Aufgaben. Die Finanzierung der Betreuungseinrichtungen enn es um die Finanzierung der fa- nanzierungsmodelle zu überprüfen und ins- ist nicht Aufgabe der Stiftung, dafür verfügt W milienergänzenden Kinderbetreuung geht, ist häufig lobend von der Romandie besondere auch die Rolle der Unternehmen anzusehen, die aufgrund des verbreiteten sie auch über zu wenig Geld.2 Die zweite Säule des Waadtländer Modells die Rede, insbesondere vom Kanton Waadt. Fachkräftemangels ein ganz konkretes sind die Betreuungseinrichtungen. Deren Dank der Zusammenarbeit von Unterneh- Interesse an ausgebauten Tagesbetreuungs- Finanzierung sieht im Jahr 2016 folgender- men, öffentlicher Hand und Betreuungs- angeboten für berufstätige Frauen haben. massen aus: Von den insgesamt knapp 430 Francesca Schellhaas / photocase.de einrichtungen werde dort die Finanzierung Auch aus linken Kreisen tönt daher vermehrt Millionen Franken Gesamtkosten zahlen die sichergestellt, und die Privatwirtschaft der Ruf danach, die Privatwirtschaft zur Gemeinden 43 Prozent, der Kanton 9, die beteilige sich zu einem Drittel an den für die Kasse zu bitten. Die Zürcher AL-Initiative Eltern 39 und die Arbeitgeber insgesamt 6 Kindetreuung anfallenden Kosten. Das ist «Kinderbetreuung Ja», die im September Prozent. In diesen 6 Prozent ist der Beitrag so leider nicht richtig, und das Waadtländer zur Abstimmung kommt, verfolgt diese enthalten, der über die Stiftung FAJE an die Modell wird zu Unrecht zur Nachahmung Idee, und auch die SP Basel-Stadt fordert Netzwerke ausgeschüttet wird. Beiträge der empfohlen. in einer Stellungnahme vom Mai 2016 «die Unternehmen, die über den obligatorischen Da es der Kinderbetreuung überall an Einführung von entsprechend innovativen Stiftungsbeitrag hinausgehen, sind freiwil- Geld fehlt, liegt es nahe, verschiedene Fi- Modellen in Basel». lig: Und wie die Zahlen der vergangenen 8 vpod bildungspolitik 198
Aktuell Jahre zeigen, sind diese unbedeutend. den Kosten generiert faktisch nur einen Der Beitrag der Privatunternehmen an den schmalen Betrag, der sich nicht auf die Kosten für die Kinderbetreuung ist also bei Betreuungsgrad im Vergleich genannten Ziele auswirkt. Für einen sub- genauem Hinsehen gering. Trotzdem sind Vorschulische Schulische stantiellen Beitrag zu den Betreuungskosten sie in der Stiftung, welche über die Politik der Betreuung Betreuung müsste der Arbeitgeberbeitrag erheblich Kinderbetreuung im Kanton entscheidet, mit höher sein.9 mehreren Sitzen vertreten und haben damit Waadt 20144 19.3% 12.7 % Der Nutzen des Waadtländer Vorgehens ein unverhältnismässig starkes Mitsprache- subventionierte liegt also bestenfalls in einem anderen recht bei der Gestaltung und Entwicklung Plätze Punkt: In Kantonen mit unterversorgten (24% inkl. nicht des Bereiches. Die Eltern, die immerhin 39 subventionierte Landgemeinden kann ein Fonds zur Anstoss- Prozent der Kosten tragen, sind dagegen nur Plätze) finanzierung dazu beitragen, dass Einrich- mit einem Sitz im Stiftungsrat vertreten.3 tungen aufgebaut werden, dass gemeinsame Es stellt sich die Frage, ob die Waadtländer Zürich 20125 19.8% 12.3 % Konzepte entstehen und dass Eltern in allen Konstruktion Dynamik in den Ausbau der Gemeinden gleiche Bedingungen vorfinden. Basel-Stadt 22.6 % 25.8% Tagesbetreuung gebracht hat, welche an- 20146 (eigene der Schulkinder Es bleibt aber zu überprüfen, ob die Beteili- Berechnung) werden betreut (in unterschiedli- chem Umfang) Finanzierung Finanzierung Kita-Plätze Kinderbetreuungseinrichtungen Budget 2016: 429 Millionen 100% sammeln. Waadt und Zürich geben an, wie 3 3% Sonstige viele Vollzeitplätze im Verhältnis zur jeweili- 6 gen Altersgruppe zur Verfügung stehen. Die 34 Kantone Angaben zur schulischen Betreuung in Basel beziehen sich dagegen auf die Zahl betreuter 52 70 9% Kinder, nicht auf die Anzahl Plätze. Die 73 50% Tabelle zum Betreuungsgrad lässt trotzdem die Aussage zu, dass das Angebot in allen drei Eltern Kantonen vergleichbar ist. Vergleicht man 66 39% 43% das Wachstum in den vergangenen Jahren, so ist die Bilanz für den Kanton Waadt eher 39 30 Kommunen 27 schlechter. Dort wurden seit 2006 etwa 9000 neue Plätze geschaffen, im bedeutend 0% Waadt Zürich Basel Bern kleineren Kanton Basel-Stadt waren es 3100.7 Anteil Eltern Arbeitgeber Finanzierung Private AG 6% Immer wieder wird darauf hingewiesen, Öffentl. Hand Sonstige dass die Elternbeiträge an die institutionelle Kinderbetreuung in der Schweiz zu hoch dernorts nicht besteht. Ein messbares Krite- sind und damit eine erwünschte höhere gung der Arbeitgeber da tatsächlich fördernd rium zu dieser Frage ist der Betreuungsgrad Berufstätigkeit von Frauen verhindern. Im wirkt oder nicht eher einen Bremsklotz (gemessen an der Anzahl der Vollzeitplätze Finanzierungsvergleich zeigt sich, dass der darstellt. Die urbanen Zentren Basel, Bern, im Verhältnis zur Anzahl Kinder im Kan- Beitrag der Eltern im Kanton Waadt deutlich Zürich oder Genf haben jedenfalls längst ton). Interessant ist auch die Frage, ob die geringer ist als in Zürich, nämlich 38 Prozent vorgemacht, dass es vor allem eine Frage des Elternbeiträge, die in der Schweiz immer im Vergleich zu 66 in Zürich. Aber auch in politischen Willens ist, ob die Kinderbetreu- wieder als unverhältnismässig hoch beurteilt Basel und Bern, wo es keine Beiträge der ung ausgebaut wird und wie die Kosten für werden, durch das Modell gesenkt werden. Privatwirtschaft gibt, zahlen die Eltern weni- diese verteilt werden. Schwieriger zu beurteilen ist die Entwicklung ger, nämlich durchschnittlich 30 Prozent in der pädagogischen Qualität, die hier nicht Basel8 und 27 Prozent in Bern (2014). beurteilt wird. Fazit: Weder die Angebotsentwicklung Vergleichbare Zahlen zum Betreuungs- noch die Höhe der Elternbeiträge wird durch Christine Flitner ist Zentralsekretärin des VPOD grad lassen sich nur schwer zusammenstel- das «Waadtländer Modell» beeinflusst. Die für die Bereiche Bildung, Erziehung, Wissenschaft len, da die Kantone unterschiedliche Daten Beteiligung der privaten Unternehmen an sowie Frauen. 1 Die folgende Beschreibung stützt sich in Waadt fürs Jahr 2016 sind im genannten 5 Gemäss Kinderbetreuungsindex Gemein- Kanton im genannten Zeitraum etwa 12000 erster Linie auf die Beschreibung des Mo- Gemeindebericht mit knapp 430 Millionen den Kanton Zürich, 2012. Neuere Zahlen Plätze schaffen müssen. dells mit aktuellen Zahlen zur Finanzierung Franken angegeben, betragen also sieben- stehen nicht zur Verfügung. 8 Vgl. Sozialberichterstattung des Kantons im Bericht des Waadtländer Gemeindever- mal mehr als das Stifungsbudget. 6 Gemäss ED Basel: «Tagesbetreuung in Basel-Stadt 2013. bands (Union des Communes Vaudoises) 3 Die Arbeitnehmenden sind gar nicht Zahlen» 2014, und Angaben im Ratschlag anlässlich der geplanten Gesetzesrevision 9 Eine Senkung der Elternbeiträge von 39 im Stiftungsrat vertreten, sondern nur im des Regierungsrats zur Totalrevision des auf 30 Prozent der Gesamtkosten wie in 2016: http://www.ucv.ch/fileadmin/docu- begleitenden Konsultativgremium; nur der Gesetzes betreffend Tagesbetreuung von ments/pdf/Th%C3%A8mes/Accueil_de_ Basel würde bei gleichbleibenden Platz- Berufsverband Avenir social hat zurzeit Kindern (TBG), 2016 zahlen voraussetzen, dass der Arbeitge- jour/LAJE_Financement_Explicatif.pdf einen Sitz im Stiftungsrat. 7 Bei Schülerzahlen von 17635 in Basel- berbeitrag in Waadt auf circa 0.2 Prozent 2 Das Budget der Stiftung betrug im Jahr 4 Exposé des motifs et projet de loi modi- Stadt gegenüber 94827 im Kanton Waadt der Lohnsumme ansteigt, also mehr als 2015 circa 58 Millionen Franken. Vgl. FAJE, fiant la loi du 20 juin 2006 sur l’accueil de (Schuljahr 2014/ 2015). Im Vorschulbereich verdoppelt wird. Rapport annuel 2015, http://www.faje.ch/ jour des enfants (LAJE), février 2016, Can- (0-4) gab es 2015 etwa 9100 Kinder in actualite/actualite.html ton de Vaud, http://www.faje.ch/actualite/ Basel-Stadt und 41100 Kinder im Kanton Die Kinderbetreuungskosten im Kanton rev_laje/EMPL_LAJE_03_03_2016.pdf Waadt. Nach diesem Vergleich hätte der vpod bildungspolitik 198 9
Inserate Im Jahr 2012 wurde in einer Volksabstimmung der Bundesbeschluss über die Jugendmusikförderung angenommen. Was ist seither geschehen? Wie wurde der Beschluss bisher umgesetzt und was tut sich in den Kantonen und Gemeinden? Die Tagung am 5. November 2016 in Bern soll über den Stand der Dinge informieren und endlich Schwung in die Umsetzung bringen. Was lässt sich für eine echte Förderung der Musik tun? Welchen Platz soll die Musik in der Schule haben? Und wie könnte das beispielsweise in den Tagesschulen aussehen, die derzeit auf dem Vormarsch sind? Zielpublikum: «Più mosso» oder Musiklehrpersonen aus Musikschulen und Volks- schulen, Fachpersonen aus Horten und Tagesschulen, «molto moderato»: Dozierende, PolitikerInnen und alle, die sich für Musik- und Rhythmuserziehung interessieren. Tagungskosten: Wie weiter mit der Musikinitiative? Für VPOD-Mitglieder kostenlos, für Nichtmitglieder Fr. 60.- (Teilzeitarbeitende und Personen in Ausbildung Fr. 40.-) Detailliertes Programm ab Mitte September unter VPOD-Tagung Musik und Schule www.vpod.ch/kalender Anmeldungen bis zum 25. Oktober 2016 Samstag, 5. November 2016, 10.00 – 14.00 Uhr an VPOD Zentralsekretariat, Patrizia Loggia, patrizia.loggia@vpod-ssp.ch oder unter Bern, Hotel Bern, Zeughausgasse 9 www.vpod.ch/kalender Inserate; Bild oben: Carölchen / photocase.de 10 vpod bildungspolitik 198
Mitgliedermagazin der Sektion Zürich Lehrberufe Aktionstag am 28.09. gegen Abbau-Politik Bis 2019 will der Zürcher Regierungsrat 1.8 Milli- den Widerstand der Betroffenen her- arden Franken an öffentlichen Ausgaben streichen. vorrief, werden heute nur noch depart- Jetzt formiert sich mit einem kantonalen Aktions- mentsspezifische Generalkürzungen tag am 28. September Widerstand. verordnet – Konkretes folgt dann scheibchenweise. Die Salamitaktik Das vom Regierungsrat geplante Abbaupaket läuft unter des Regierungsrats erschwert damit dem harmlos klingenden Begriff «Leistungsüberprü- absichtsvoll eine integrale Kritik dieser fung 2016» (LÜ16). Leistungen zu überprüfen bedeutet Abbaupolitik. jedoch offenbar vor allem den Abbau zentraler öffentli- Einnahmenseitig liegen dem viel cher Leistungen. LÜ16 bedroht damit die Qualität der beschworenen «Sparzwang» zurück- kantonalen Grundversorgung und betrifft Angestellte gehende Mittel zugrunde, die Ergebnis und Bürger_innen gleichermassen. einer jahrzehntelangen Fiskalpolitik Trotz positiven Jahresabschlusses 2015 und eines zugunsten reicher Einzelpersonen mittelfristigen Ertragsüberschusses von 1.351 Milliarden und Grossunternehmen ist. Alleine Franken (Ausgleich 2008-2015) setzt der Regierungsrat zwischen 1996 und 2006 wurden den Rotstift an. In der Finanzplanung 2016-2019 drohe Steuersenkungen von insgesamt ei- ein Loch von 1,8 Milliarden Franken, das vor allem mit ner Milliarde Franken durchgesetzt, Ausgabenkürzungen gestopft werden soll. Betroffen die seither jährlich in der Kasse des wären vor allem die Bereiche Bildung, Gesundheit und Kantons fehlen. Hinzu kamen Steuer- öffentlicher Regionalverkehr. So soll z.B. bei Schüler_ reformen wie die Unternehmenssteu- innen gespart werden (grössere Klassen), bei Lehrlingen erreform II, die ein riesiges Loch in die (Schliessung von Lehrwerkstätten), bei Suchtkranken Kasse des Kantons gerissen hat. Mit der (reduzierte Öffnungszeiten von Anlaufstellen), bei den USR III droht nun bereits der nächste Spitälern (Festschreibung tiefer Fallpauschalen), bei der «bürgerlich» verantwortete Steueraus- Frauenberatung (Flora Dora), sowie bei Geflüchteten fall. Statt mit Kürzungen den Service (Budget Nothilfe). Selbst der ZVV, der trotz konstantem Public infrage zu stellen und auf Kosten des Personals Ausbau den schweizweit höchsten Kostendeckungsgrad zu sparen, stünde vielmehr ein kritischer Blick auf die ausweist, soll mit noch zu definierenden Massnahmen gesamtgesellschaftliche Lastenverteilung an. zur Kasse gebeten werden. Ein Bündnis unter Beteiligung des VPOD Zürich or- Gemäss Finanzhaushaltsgesetz ist der Kanton Zü- ganisiert nun am 28. September 2016 einen kantonalen rich dazu verpflichtet, mittelfristig ein ausgeglichenes Aktionstag gegen dieses Abbau-Paket. Tagsüber finden Budget zu präsentieren. Diese so genannte «Ausgaben- dezentrale Aktionen statt, die am Abend in eine zent- bremse» hält fest, dass der Kanton Massnahmen zur rale Kundgebung münden. Die Besammlung beginnt dauerhaften Senkung der Ausgaben ergreifen muss, um 18:00 Uhr am Bürkliplatz, gestartet wird kurz vor wenn abzusehen ist, dass das Budget nicht ausgeglichen 19:00 Uhr. Es ist wichtig, dass wir uns als betroffene ausfällt. Seit 2001 griff das Gesetz bereits mehrere Bürger_innen gegen die geplante Abbaupolitik zur Male und hatte umfangreiche Abbau-Pakete zur Folge. Wehr setzen und zahlreich teilnehmen! Insgesamt wurden seither 5,7 Milliarden Franken an Mehr Informationen zum Aktionstag unter Ausgaben gekürzt, wovon knapp 2/3 auf die Bereiche www.kaputtgespart.ch. Bildung (1,2 Milliarden), Gesundheit (1,1 Milliarden) und Personal (1,1 Milliarden) entfielen. Während der Regierungsrat am Anfang der 2000er Roseli Ferreira, Gewerkschaftssekretärin des VPOD Zürich Jahre noch spezifische Abbaupläne vorlegte und damit Lehrberufe vpod zürich Pflichtlektion 4 | 16 11
Panorama Bildung wird kaputtgespart Nicht nur der Kanton Zürich, sondern auch andere erbringen. Diese Bereitschaft ist umso erstaunlicher, da Deutschschweizer Kantone und der Bund streichen aus volkswirtschaftlicher und finanzpolitischer Sicht der die Bildungsinvestitionen zusammen. Der Bund Abbau widersinnig ist. Er beruht nicht auf einer fundierten plant bei Bildung und Forschung bis 2019 rund Analyse der Kantonsfinanzen, sondern ist vielmehr einer 550 Millionen Franken zu kürzen. In den Kantonen Fehlbudgetierung und dem Willen geschuldet, den Staat beträgt der Abbau bei Anstellungsbedingungen und zu verscherbeln. Denn um die Bundesfinanzen steht Schulqualität für die Jahre 2016 bis 2018 in etwa es weitaus weniger schlimm, als uns das bürgerliche gleich viel. Doch die desaströse Finanzpolitik ruft Finanzpolitiker weismachen wollen. nun breiten Widerstand hervor. Bund spart an der Realität vorbei Der Bund streicht aus der Finanzplanung für die Jahre Gemessen an allen Voranschlägen seit 2006 hätte der 2017 bis 2019 rund 2,8 Milliarden Franken. Am stärksten Bund ein Minus von 218 Millionen Franken erzielen Federn lassen muss die Entwicklungshilfe. An zweiter müssen. In Tat und Wahrheit resultierten aber Über- Stelle folgt Bildung und Forschung. 550 Millionen Franken schüsse in der Höhe von 26.9 Milliarden Franken. So und damit 20 Prozent des gesamten Abbaupaketes geht endete auch das letzte Jahr mit einem überraschend hohen zu Lasten der ETH Zürich und Lausanne Überschuss. Um fast zwei Milliarden Franken hat sich sowie weiteren Forschungsanstalten. Der der Bund verrechnet. Die Nachricht, dass das Ergebnis «Die Finanzen werden Bundesrat vermeldet, dass die Sparmass- besser ausfällt, als erwartet wurde, kommt mittlerweile nahmen in dieser Höhe nötig werden, um so verlässlich, wie das Amen in der Kirche: Mittlerweile schlecht geredet, um die ausfallenden Steuereinnahmen aus rechnet das Finanzdepartement für das Jahr 2016 mit den Service Public der verschlechterten Wirtschaftslage zu kompensieren. Angesichts der massiven kaputtzusparen.» Steuergeschenke in den letzten Jahren ein blanker Hohn. Ausgleichende Massnah- men auf der Einnahmeseite gehören bei den Bürgerlichen Kantone kürzen beim zum politisch Undenkbaren. In der Schweiz hat sich eine Kultur des «Gürtel-enger-Schnallens» etabliert. Dem Service Public Service Public wird dabei leichtsinnig die Luft abgeschnit- Die Kantone stehen in Sachen Abbaupakete Seit Jahren verrechnet sich der ten. Bereitwillig opfern Politiker_innen die Qualität der dem Bund in nichts nach. Diese streichen über Bund massiv bei der öffentlichen Dienstleistungen und die Arbeitsbedingun- eine halbe Milliarde Franken bei der Bildung. Budgetierung gen der Angestellten, welche diese Dienstleistungen Im Aargau sollen die Dienstaltersgeschenke sukzessive abgeschafft werden, die Dauer der Lohnnachzahlung im Todesfall wird Bundesbudget: Voranschlag und Ergebnis reduziert und alle Volksschullehrpersonen müssen pro Woche eine Lektion zusätzlich 8000 unterrichten. Zudem gibt es im Jahr 2017 Voranschlag (Mio. Fr.) keine Lohnerhöhungen. Dies bereits zum Ergebnis (Mio. Fr.) dritten Mal in Folge. Die Aargauer Lehrer_ 6000 innen haben Widerstand angekündigt. Geplant sind mehrere Protestaktionen und eine grosse Kundgebung vor dem Grossratsgebäude während der Unterrichtszeit. 4000 Der Kanton Luzern schnürt das grösste Abbaupaket seiner Geschichte. Betroffen 2000 sind Menschen mit Behinderung, Eltern und Schulkinder, ÖV-Benützer_innen und ganz besonders die Angestellten beim Kanton. Gegen diesen Abbau des Service Public 0 hat sich eine «Allianz für Lebensqualität» gebildet. Die breite Allianz bestehend aus dem VPOD und zahlreichen Parteien und -2000 Verbänden lancieren drei kantonale Initiativen. 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Quelle: Eidgenössische Finanzverwaltung 12 vpod zürich Pflichtlektion 4 | 16
Neuzugang in der Sektion Lehrberufe Vom Corporate Watchdog zur kantonalen Bildungspolitik einem Überschuss von 1,7 Milliarden Franken. Budgetiert Ich ahnte nichts Böses, als ich im wurde ein Defizit von 500 Millionen Franken. Das Ergeb- Januar diesen Jahres eine ruhige nis wäre sogar erfreulich, wenn der Bundesrat daraus die Minute nutzte, um eine Tasse Tee richtigen Schlüsse ziehen würde. Doch die verbesserte zu trinken und meine privaten Ausgangslage veranlasst Bundesbern nicht dazu, auf die Mails zu lesen. Das Kind war noch Abbaumassnahmen zu verzichten. Im Gegenteil: Das in der Schule, das Mittagessen kö- nächste Sparprogramm ist bereits in Planung. Der Bun- chelte vor sich hin, ein ungewöhn- desrat hat angekündigt im zweiten Halbjahr ein weiteres lich friedlicher Montagmorgen, Abbauprogramm für die Jahre 2018 bis 2020 vorzulegen. da traf es mich beim Überfliegen Die Bürgerlichen haben ein Glaubwürdigkeitsproblem. eines seit jeher abonnierten Job- Seit Jahren werden unnötige Sparübungen mit Fehlkal- Newsletters wie ein Blitz – der kulationen legitimiert. Die massiv besseren Rechnungs- VPOD Zürich war auf der Suche ergebnisse bleiben wiederum ohne Auswirkungen. Gute nach einer Gewerkschaftssekretä- Finanzierungsergebnisse haben kaum Folgen auf die rin! War das nicht vielleicht etwas Investitionspolitik. Das zeigt, dass das Sparen kein Na- für mich? Gewerkschaftsarbeit! turgesetz, sondern politisch gewollt ist. Der Widerstand Bildungspolitik! Gleichstellung! gegen den Abbau bedarf ebenfalls einer politischen Ant- Der portugiesischen Seconda, wort, damit unsere Bildung nicht kaputtgespart wird. Tochter eines Metallarbeiters und einer Carearbeiterin, schlug das Foto: zvg Fabio Höhener, Gewerkschaftssekretär VPOD Lehrberufe Zürich Herz bis zum Hals. Eigentlich war ich gar nicht auf Stellensuche. Seit fast neun Jahren arbeitete ich bei der Erklärung von Bern (jetzt Roseli Ferreira: Mit Helm und Weitblick Public Eye) in der digitalen Kommunikation und war zufrieden damit. Als ehemalige Journalistin hatte ich dort 2007 meine Traumstelle gefunden; insbesondere die Projektarbeit und das Campaigning hatten es mir Mit der Bildungs-, Gesundheits- und ÖV- angetan. Natürlich brachte ich als Gründungsmitglied Initiative fordern sie einen starken Service der dortigen Personalkommission und VPOD-Mitglied public. Zudem findet am 27. September 2016 ein grosses Interesse an arbeitsrechtlichen und gesell- eine «Landsgemeinde für Lebensqualität» schaftspolitischen Fragen mit; und immerhin hatte ich statt. Im Luzerner Kantonsrat wollen die zusammen mit Kolleg_innen erfolgreich einen GAV Direktbetroffenen über das Abbaupaket abgeschlossen. Aber würde diese gewerkschaftliche und mögliche Alternativen für einen Erfahrung reichen, um beim VPOD zu landen (übrigens lebenswerteren Kanton diskutieren. eine selbstkritische Frage, die sich wohl meist nur Frauen, internalisiertem Sexismus sei Dank, vor einer Die Mehrzahl der Kantone hat in den Stellenbewerbung stellen)? Wie Sie es sich an dieser letzten Jahren Kürzungen im Bildungsbereich Stelle bereits sicher denken können: Ja! beschlossen oder bereits umgesetzt. Der Seit Juli führt mich nun meine morgendliche Velo- Dachverband «Lehrerinnen und Lehrer fahrt zum Bahnhof Wiedikon, und obwohl ich es nach Schweiz» (LCH) geht davon aus, dass von neun Jahren fast erwartete, bin ich noch kein einziges 2013 bis 2015 Kürzungen im Bildungsbereich Mal aus autopilotinnenhafter Nostalgie stattdessen an in der Höhe von 265 Millionen Franken der Dienerstrasse gelandet. Womöglich hat das damit beschlossen wurden. Dazu kommen noch zu tun, dass mir meine neue Aufgabe so gut gefällt. die geplanten Kürzungen zwischen 2016 und Bestimmt trägt jedoch auch das tolle Team dazu bei, 2018 in den Deutschschweizer Kantonen im dass ich mich von Anfang an an der Birmensdorfer Umfang von mehr als einer halben Milliarde Strasse wohlgefühlt habe. Mich erwarten vielfältige He- Franken. Die weitaus höchsten Abstriche rausforderungen beim VPOD. Ich weiss, dass vielerorts betreffen direkt die Anstellungsbedingungen die Spielräume für gewerkschaftliche Arbeit eng sind der Lehrpersonen wie Lohnkürzungen oder und dass diese teilweise durch eine als alternativlos Pensenerhöhungen. Ebenfalls oft sind die angepriesene Abbau-Politik enger werden. Meine lang- Unterrichtsbedingungen betroffen: Die jährige berufliche Erfahrung hat mich jedoch gelehrt, Klassengrössen werden erhöht und Lektionen dass Räume nur dann entstehen, wenn sie geschaffen gestrichen. werden. Das ist mein Job. Ich freu mich drauf. Roseli Ferreira, Gewerkschaftssekretärin VPOD Lehrberufe Zürich vpod zürich Pflichtlektion 4 | 16 13
10ni-Pause Parolen bereits in den Kantonen Waadt, Freiburg Ja zur Initiative AHVplus und Neuenburg bewährt. Durch die Er- 25. September 2016 Während sich Pensionskassen auch weiterung der Finanzierungsbasis wird dank Negativzinsen in der Krise befin- sichergestellt, dass die Kosten des wach- den, und den Pensionierten Rentenver- senden Angebots für die Gemeinden KANTON ZÜRICH luste drohen, trägt die AHV trotz demo- tragbar bleiben. Der VPOD unterstützt graphischer Entwicklung seit der letzten das JA zu dieser Vorlage. Mehr Infos Volksinitiative Bezahlbare Lohnprozentanpassung 1975 doppelt so unter http://kinderbetreuung-ja.ch/ Kinderbetreuung Ja viele Renten wie damals. Eine beschei- dene Erhöhung der Lohnbeiträge um je 0,4 Prozent für Arbeitgeber_innen BVK: Rentenziel unerreichbar EIDGENÖSSISCH und Arbeitnehmende reichte, um Zu den Kritiker_innen der BVK gehören die Erhöhung der AHV-Renten um die Zürcher Bezirksgerichte. Im Sep- Volksinitiative AHVplus Ja 10 Prozent zu finanzieren. Mit einem tember 2015 hielten sie fest, dass es sich Bruttolohn von 5000 Franken würde bei den beschlossenen Anpassungen im Volksinitiative grüne Wirtschaft Ja eine heute 30-Jährige etwa 20 Franken Grunde um einen Rentenabbau von mehr im Monat bezahlen, aber nach der 10-15 Prozent handelt. Am 15. Juni 2016 Pension monatlich fast 200 Franken fand nun eine Aussprache zwischen ei- Nachrichtendienstgesetz Nein mehr Rente erhalten. Um mit der 2. ner Delegation der Bezirksgerichte und Säule auf dasselbe Rentenniveau zu der BVK statt. In einem Arbeitspapier kommen, müsste sie 40‘000 Franken der Bezirksgerichte heisst es: «[...] dass KOMMUNAL – STADT ZÜRICH zusätzlich ansparen. Der VPOD setzt die von Ihnen vorgenommene ‹Aktua- sich im Sinne existenzsichernder Frau- lisierung der versicherungstechnischen Instandsetzung und Umbau enrenten für ein JA zu dieser Vorlage Grundlagen per 1. Januar 2017› für prak- Schulhaus Schütze Ja ein. Mehr Informationen zur Initiative tisch alle Versicherten das formulierte unter http://ahvplus-initiative.ch Rentenziel von 60 Prozent deutlich un- Ersatzneubau Schulhaus erreichbar macht. Es bleibt für uns daher Schauenberg Ja fraglich, ob die von Ihnen beschlossene Kinderbetreuungsinitiative Ja Regelung mit der Stiftungsurkunde Im Kanton Zürich müssen Eltern viel und namentlich dem darin statuierten, mehr für die Kinderbetreuung bezah- vom Regierungsrat am 30. Mai 2007 be- erneut struktureller Gewalt ausgesetzt. len als in anderen Kantonen. Mit der schlossenen Stiftungszweck vereinbar Umso wichtiger ist es, sich auch hier Einrichtung eines kantonalen Betreu- ist.» Mehr Informationen im Protest- zu engagieren und ein Zeichen gegen ungsfonds soll sich das nun ändern. Un- Ticker http://bvk-monitor.ch Rassismus und Ausgrenzung zu setzen ternehmen würden 0.2 bis 0.5 Prozent – für Offenheit und Solidarität! Am der AHV-pflichtigen Lohnsumme in den 18. September findet in Zürich der 15. Fonds einzahlen – jährlich kämen so Lauf gegen Rassismus Lauf gegen Rassismus statt. Die Gelder mindestens 120 Millionen Franken zu- Noch nie waren so viele Menschen auf des Sponsor_innenlaufs kommen sammen. Mit diesen Mitteln können die der Flucht wie heute. Sie lassen ihre Organisationen wie der SPAZ oder der Gemeinden dafür sorgen, dass Krippen Heimat hinter sich, um Sicherheit und ASZ zugute. Weitere Informationen und Horte für alle bezahlbar werden. Schutz zu suchen. Einmal in «sicheren» zum Lauf gegen Rassismus unter Betreuungsfonds dieser Art haben sich Ländern angekommen, sind sie oft www.laufgegenrassismus.ch Lauf gegen Rassismus Gesellschaftliches und Informationen über Veranstaltungen Sonntag, 18. September 2016, politisches Engagement Agenda und Versammlungen sind auch ab 10:00 Uhr nach der Pensionierung aufrufbar unter: Bäckeranlage, Zürich Mit: Ruth Gurny, Soziologin, www.zuerich.vpod.ch/ Denknetz, ehemalige Leiterin der kalender Abstimmungssonntag Forschungsstelle des Departements Sonntag, 25. September 2016 Soziale Arbeit ZHAW Donnerstag, 29. September 2016, Kantonaler Aktionstag 17:00 Uhr gegen das Abbaupaket VPOD Sitzungssaal, 5. Stock Mittwoch, 28. September 2016, Demonstration ab 18:00 Uhr Bürkliplatz, Stadthausanlage IMPRESSUM VPOD ZÜRICH PFLICHTLEKTION: Organ des VPOD Zürich Lehrberufe, Birmensdorferstrasse 67, 8036 Zürich, Tel: 044/295 30 00, Fax: 044/295 30 03, www.vpod-zh.ch, Redaktion: Roseli Ferreira und Fabio Höhener, Layout und Druck: ROPRESS, 8048 Zürich, Nr. 4 / September 2016, erscheint fünf Mal jährlich, 1. Jahrgang, Auflage: 3800 14 vpod zürich Pflichtlektion 4 | 16
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