Angriff auf unabhängige Medien stoppen - SP Schweiz
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Mitgliederzeitung der SP Schweiz 174 · Ausgabe CH · Februar 2018 AZB 3001 Bern Angriff auf unabhängige Medien stoppen Ein Ja zu «No Billag» am 4. März würde das Aus für das Schweizer Radio und Fernsehen bedeuten. In die Lücke, die SRG und die privaten Sender hinterlassen, könnten machthungrige Milliardäre springen, die mit eigenen Sendern ihre politischen Zwecke verfolgen. Seiten 4 und 5 ADIEU FLAVIA UND LEYLA 100 JAHRE LANDESSTREIK Ende Februar verlassen die beiden Generalsekretärinnen die Eine Infokampagne zum Landesstreik schaut auf das historische SP Schweiz. Ein Gespräch über schöne Momente und Frust im Amt Ereignis zurück und beleuchtet die Auswirkungen, die dieses bis und über Stärken und Schwächen ihrer Partei. Seiten 6 und 7 heute hat. Seiten 16 und 17
2 LINKS 174 ∙ 2018 Aktuell Liebe Genossinnen und Genossen INHALT Liebe Sympathisantinnen und Sympathisanten 2–3 Aktuell In knapp einem Monat stimmen wir über die «No Billag»- Initiative ab, die die Radio- und Fernsehgebühren abschaf- 4–5 Abstimmungen «No Billag» heisst «No Schweizer fen will. Wird diese Initiative angenommen, bedeutet dies Radio und Fernsehen» das Aus für die SRG. Es gibt kein «Echo der Zeit» mehr, kein «Morgenstund hat Gold im Mund», keinen Bestatter und 6–7 Gespräch Die scheidenden Co-General kein Skirennen, um nur einige Beispiele zu nennen. Aber sekretärinnen Flavia Wasser auch viele private Radio- und Fernsehstationen müssen ih- fallen und Leyla Gül im Interview. ren Betrieb einstellen, denn sie erhalten ebenfalls Gebüh- von Andrea Bauer ren. Wer macht dann in der Schweiz Radio und Fernsehen? 8 Positionen – Diejenigen, welche sich eigene Sender leisten können. Kommt «No Billag» «Wirtschaft 4.0» – nämlich durch, müssen die Konzessionen künftig an die Meistbietenden ver- ein erster Zwischenhalt steigert werden. Was das bedeuten würde, können wir uns ausmalen, wenn von Lukas Wiss wir einen Blick nach Italien werfen, wo Silvio Berlusconi seit Jahren eigene 9 – 12 Kantone Fernseh- und Radiosender betreibt und für seine politischen Interessen instru- Ausgewählte Seiten aus mentalisiert. Damit nicht auch hierzulande finanzkräftige Investoren unsere den kantonalen Splittings Radio- und Fernsehsender übernehmen, müssen wir «No Billag» am 4. März 13 Personen ablehnen. Die Argumente liefern wir auf den folgenden Seiten. Stefan Krattiger über das Lebens- Für Flavia Wasserfallen und Leyla Gül ist «No Billag» die letzte Kampagne als gefühl des Kampagnenleiters von Andrea Bauer Co-Generalsekretärinnen. Nach fünfeinhalb Jahren verlassen sie Ende Februar die SP Schweiz. Im Interview schauen die beiden auf ihre Zeit bei der SP Schweiz 14 Positionen zurück, auf schöne Momente, aber auch frustrierende. Und sie verraten, was Die Ideen der «Reformorientierte Plattform» zur Sicherheits- und die SP für sie so einzigartig macht und wo die Partei noch besser werden kann. Armeepolitik Eine der grössten Stärken der SP sind die Mitwirkungsmöglichkeiten für Mit- von Chantal Galladé glieder, da sind sich Flavia und Leyla einig. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das und Daniel Jositsch Projekt zum neuen Wirtschaftskonzept der SP: Seit letztem Sommer beteiligen 15 Debatte sich zahlreiche Mitglieder an der Erarbeitung dieses Papiers. Sie haben eine «Intersektionale Klassenpolitik»: Analyse der aktuellen wirtschaftspolitischen Situation gemacht und eine Prio- Drei Literaturtipps zu einer wichtigen Debatte. risierung der Themen vorgenommen. In einem ersten Zwischenhalt sollen nun von Pascal Zwicky die Delegierten zu Wort kommen und beides diskutieren. Für all jene, die am 24. Februar nicht an der DV in Altdorf sind, liefern wir wei- 16 – 17 Aktuell 100 Jahre Landesstreik: ter hinten eine Zusammenfassung des Papiers. Allen anderen wünsche ich eine Teste dein Wissen über das gute Diskussion. historische Ereignis! Und Leyla und Flavia wünsche ich von Herzen alles Gute! von Gisela Nyfeler 18 – 19 Veranstaltungen Andrea Bauer, Chefredaktorin «links» IMPRESSUM Herausgeberin: SP Schweiz, Theaterplatz 4, 3011 Bern, Telefon 031 329 69 69, Fax 031 329 69 70 Erscheint 6 Mal pro Jahr, Auflage 36 796 (Wemf) Abonnementspreise: Für Mitglieder der SP Schweiz gratis Adressänderungen/Abo: abo@spschweiz.ch Redaktion: Andrea Bauer (Chefredaktion), Niklaus Wepfer (SO), Livia Diem (BS), Ruedi B rassel (BL), Hannes Rettenmund (BE), Katharina Kerr (AG), Yannick Gauch (LU), Julian Fitze (TG), Michael Sutter (Region Bern), Urs Geiser ( Korrektor) E-Mail Redaktion: l inks@spschweiz.ch Gestaltung/Produktion: Atelier Bläuer, Bern Druck: Ringier Print Adligenswil AG, Postfach 3739, 6002 Luzern Anzeigen: Kilian Gasser, Medienvermarktung GmbH, G itschenstrasse 4, 6460 Altdorf, Tel. 041 871 24 46, Fax 041 871 24 47, k g@kiliangasser.ch Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 29.1.2018. Redaktionsschluss nächste Ausgabe: 23.4.2018.
Aktuell LINKS 174 ∙ 2018 3 Transparenzregelungen bei Parteifinanzen SP Frauen* einstimmig Schutz von Arbeits- kennt. Jahr für Jahr wird dieser Umstand von gegen Burkaverbot bedingungen ist nicht der GRECO (Groupe d’Etats contre la Corrup- tion) sowie immer wieder auch von der OECD Die SP Frauen* hat an ihrer Delegiertenver- verhandelbar (Organisation für wirtschaftliche Zusammen- sammlung Ende Januar einstimmig die Nein- Die Arbeitsbedingungen in der Schweiz arbeit und Entwicklung) kritisiert. In keinem Parole zum Burka-Verbot beschlossen. Die sind momentan gleich mehrfach von rechts Land können die Bürgerinnen und Bürger Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» wurde unter Beschuss. So greifen mehrere in der so häufig abstimmen und wählen wie in der vom konservativen «Egerkinger-Komitee» Wirtschaftskommission hängige Vorstösse Schweiz. Gerade deshalb ist es wichtig, dass lanciert und letzten September eingereicht. die Beschränkung der Arbeitszeit an, die mit offenen Karten gespielt wird. Die Stimm- Die SP erarbeitet zurzeit einen Gegenvor- garantiert, dass Arbeitnehmende genügend bevölkerung hat das Recht zu wissen, welche schlag zur «Burka-Initiative». Der Gleichstel- Ruhezeit erhalten. Damit nicht genug: Die grossen Geldgeber hinter welcher Partei oder lungsartikel in der Bundesverfassung soll so Bürgerlichen wollen auch die Ladenöffnungs- hinter welchem Komitee stecken. ergänzt werden, dass künftig eine bessere zeiten weiter ausdehnen und Sonntagsarbeit Integration und Gleichstellung von Migran- einführen. Auch dazu sind Vorstösse von tinnen in der Schweiz möglich ist. bürgerlichen Parlamentsmitgliedern hängig. EU: Jetzt muss es vorwärtsgehen Aussenminister Ignazio Cassis hat letzte Woche signalisiert, dass er die Verhandlun- gen mit der EU über die Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen noch in diesem Jahr abschliessen will. Cassis ist beim Wort zu nehmen: Ein neues Abkommen mit der EU ist Bund muss Angebot der SDA sichern Weiter haben die Bürgerlichen Ende Januar in der Rechtskommission einen Vorstoss zum Die SP ist besorgt über den Kahlschlag bei Schutz älterer Arbeitnehmender abgelehnt, der Nachrichtenagentur SDA. Die Entlassun- der insbesondere einen wirksamen Kündi- gen und Abbaumassnahmen sind die Folge gungsschutz fordert. Schliesslich kündigte eines falschen Renditedenkens der Gross- die SVP letzte Woche an ihrer Medienkon- verlage. Die SP fordert den Bundesrat auf, ferenz an, sich gegen die flankierenden den Service public, den die SDA erbringt, zu Massnahmen zu stellen. Damit greift sie die retten. In einer Interpellation wird der Bun- Löhne und Arbeitsbedingungen der einhei- wichtig für die Schweiz, weil es die Bezie- desrat darum angefragt, ob er Pläne hat, die mischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- hungen zur wichtigsten Handelspartnerin Leistungen der SDA zu sichern, und ob sich mer frontal an. Die SP kritisiert das Vorgehen stabilisiert und sichert. Sobald das Verhand- der Bund vorstellen kann, sich an einer neu- der Bürgerlichen scharf und wird sich mit lungsergebnis auf dem Tisch liegt, wird die en, nicht-gewinnorientierten Nachrichten- aller Kraft gegen eine Verschlechterung der SP dieses beurteilen und sich dazu positio- agentur zu beteiligen. Ausserdem wird die SP Arbeitsbedingungen stellen. nieren. Klar ist: Die flankierenden Massnah- in der Frühlingssession eine Fraktionsmotion men, die Löhne und Arbeitsbedingungen in einreichen mit konkreten Forderungen zum der Schweiz schützen, dürfen nicht abge- Erhalt der SDA respektive zur Sicherung von schwächt werden. Genauso wenig dürfen Qualität und Service public. Bundesrat lehnt die in der EU anstehenden Verbesserungen Transparenz-Initiative ab gegen Lohndumping durch das Abkommen ausgehebelt werden. Der Bundesrat lehnt die Transparenz-Initia- tive ohne Gegenvorschlag ab, wie er letzte Woche kommuniziert hat. Dieser Entscheid widerspricht dem Anliegen, Abhängigkeiten in der Politik offenzulegen. Gerade in einer direkten Demokratie, wie sie die Schweiz kennt, ist eine derart intransparente Politikfi- nanzierung sehr problematisch. Die Schweiz ist europaweit das einzige Land, das keinerlei
4 LINKS 174 ∙ 2018 Abstimmung NEIN ZU «NO BILLAG» «No Billag» heisst «No Schw und Fernsehen» Bei einer Annahme der Initiative muss die SRG den Betrieb einstellen, weiteren 34 regionalen Radio- und TV-Stationen droht das Aus. Für die Schweiz, wo die Bürgerinnen und Bürger mehrmals pro Jahr über teils komplexe Vorlagen befinden und wo die sprachliche und geografische Vielfalt gross ist, wäre das verheerend. Ein unabhängiges und vielfältiges Radio- und Fernsehangebot ist für unsere Demokratie unverzichtbar. Medien-Monopoly für Reiche Kommerz statt Qualität Verlust der regionalen Vielfalt Höhere Kosten für weniger und Mächtige Nebst Milliardären würden rein Auch 13 regionale Fernsehsender Inhalt Bei einer Annahme der Initiative kommerzielle Anbieter die Lücke und 21 Regionalradios finanzie- Ab 2019 bezahlt jeder Haushalt drohen Verhältnisse wie in Itali- füllen. Diese richten sich natur- ren sich heute massgeblich mit 365 Franken pro Jahr für die en oder den USA. Die Radio- und gemäss einzig nach der Quote. Gebührengeldern. Ihnen allen SRG-Angebote in vier Landes- Fernsehkonzessionen müssten Information, Kultur und Bildung droht bei einem Ja das Aus. Be- sprachen und für 34 Regional- – ohne Auflagen – an den Meist- lassen sich aber über den kleinen sonders bitter wäre dies für Rand- sender – also 1 Franken pro Tag. bietenden versteigert werden. Schweizer Markt kaum finanzie- regionen, in denen ein kostende- Ein vergleichbares Programm Finanzkräftige Investoren wür- ren. Ohne Gebühren und Leis- ckender Betrieb ohne Gebühren «à la carte» von Privaten wäre den private Sender betreiben, tungsauftrag entfiele ausserdem schlicht nicht finanzierbar ist. viel teurer. Bereits ein Pay-TV- um Einfluss auf die öffentliche die bestehende Verpflichtung der Denn die extrem kleinräumigen Jahresabonnement nur für Sport Meinung zu nehmen und ihre SRG, mit ihrer journalistischen lokalen Märkte sind viel zu klein, ist teurer als die heutigen Rund- eigenen politischen Interessen Arbeit eine Vorbildfunktion zu um ein vergleichbares Angebot funkgebühren. Ein Wechsel von durchzusetzen. Gerade für die übernehmen. Und die Abschaf- aufrechtzuerhalten. Zuschaue- der Gebühren finanzierung hin Schweiz mit ihrer direkten De- fung der unabhängigen Be- rinnen und Zuschauer sähen sich zu kostenpflichtigen Abonne- mokratie, die ohne unabhängige schwerdeinstanz hätte zur Folge, gezwungen, auf ausländische menten würde höhere Kosten für Medien und zuverlässige Infor- dass Nutzerinnen und Nutzer Angebote auszuweichen. weniger Inhalt bedeuten. mationen nicht funktionieren gegenüber den Medien keine An- kann, wäre das verheerend. sprüche und keine Rechte mehr geltend machen können. DARUM GEHT ES Die Volksinitiative «Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernseh gebühren» wurde vom Verein «No Billag» 2015 eingereicht. Sie will die Empfangsgebühren abschaffen und dem Bund oder durch den Bund beauftragten Firmen verbieten, Radio- und Fernsehstationen zu subventionieren oder selber solche zu betreiben. Weiter soll der Bund dazu verpflichtet werden, die Konzessionen für Radio und Fernsehen künftig regelmässig an den Meistbietenden zu verstei- gern. Ausserdem soll die unabhängige Beschwerdeinstanz abge- schafft werden. www.spschweiz.ch/nobillag-nein JA ZUR FINANZORDNUNG 2021 Bund soll weiterhin Steuern erheben können Die heute geltende Finanzordnung befris- der Mehrwertsteuer belaufen sich auf über rung beantragt, ist aber unterlegen. Der Bun- tet die Erhebung der direkten Bundessteuer 42 Milliarden Franken und machen mehr als desrat schlug daraufhin eine Verlängerung und der Mehrwertsteuer durch den Bund auf 60 Prozent des Bundeshaushalts aus. Ohne auf 15 Jahre vor, die in beiden Räten schliess- Ende 2020. Mit dem Bundesbeschluss über diese Steuern kann der Staat seine Aufgaben lich einstimmig angenommen wurde. Die die neue Finanzordnung 2021 soll diese Be- im bisherigen Umfang nicht mehr wahrneh- Vorlage ist unbestritten, weil sie jedoch eine fugnis bis 2035 verlängert werden. Die Ein- men. Im Nationalrat hat die SP zusammen Verfassungsänderung zur Folge hat, müssen nahmen aus der direkten Bundessteuer und mit den Grünen eine unbefristete Verlänge- sich die Stimmberechtigten dazu äussern.
STAND PUNKT eizer Radio Flavia Wasserfallen, Co-General sekretärin der SP Schweiz Einladung Die «Reformorientierte Plattform» hat Mitte No Billag ist eine extreme Initiative Monat den Medien ihren Standpunkt zur Ein Ja ist das Ende der SRG Sicherheits- und Armeepolitik vorgestellt Ein Ja bedroht alle 34 Lokalsender (siehe Beitrag Seite 14). Ein immer wieder heiss und kontrovers diskutiertes Thema. Ein Ja nützt machthungrigen Einige mögen sich an den Parteitag 2008 in Milliardären Aarau erinnern. Die Delegierten debattierten Falsche Gelegenheit zum ein Positionspapier zur öffentlichen Sicherheit Zeichensetzen und es flogen die Fetzen zwischen gestandenen Regierungsräten und lauten Gsoa-Aktivistin- nen. Repression, Polizei, Videoüberwachung, Jugendgewalt, breit war die Palette der «flügel- kampftauglichen» Themen. In jüngerer Zeit führten wir beim neuen Nach- Ohne Gebühren keine SRG! richtendienstgesetz oder dem revidierten Überwachungsgesetz für die Bundespolizei (Büpf) leidenschaftliche Auseinandersetzungen. Befürworter rund um den Gewerbeverband behaupten, die SRG würde bei ei- Vor drei Monaten nun warf die Geschäftsleitung Jonas Zürcher ner Annahme der No-Billag-Initiative weiterbestehen. Es gebe einen Plan B. der SP ein umfassendes Luftwaffenkonzept in Dank ihrer Infrastruktur, einem hohen Marktanteil und gutem Personal hätten die Diskussion, welches die Frage der Kampfjet- die SRF-Sender einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Privaten und könnten beschaffung ausführlich behandelt. Den pazi- darum in einem freien Markt bestehen. Die SRG könne darum auch ohne Ge- fistischen Kräften in der Partei ging das Konzept bührengelder künftig Einnahmen von über einer Milliarde generieren. 200 bis zu weit. Entsprechend hoch gingen die Wogen 600 Millionen kämen demnach aus dem Verkauf von Pay-TV-Angeboten (etwa an der Delegiertenversammlung im Oktober. für Fussball, Ski oder Schwingen). Mit Werbung – geht es nach den Befürwor- Knapp setzte sich die «pragmatische» Haltung tern von No Billag, soll die SRG in Zukunft uneingeschränkt werben dürfen – der Geschäftsleitung durch – bedauerlicherwei- liessen sich gut 400 Millionen einnehmen. Weitere 230 bis 410 Millionen Fran- se gab es in der Diskussion keine Stellungnahme ken kämen aus Fördergeldern von Bund, Kantonen und Privaten hinzu. aus dem Umfeld der «Plattform». Dieser Plan geht aus verschiedenen Gründen nicht auf: Zuerst einmal müsste So ist es bei uns in der SP. Die Diskussionen die No-Billag-Initiative bei einer Annahme bereits 2019 in Kraft treten. Die SRG sind zahlreich, einmal verliert der eine, mal der kann sich aber nicht innerhalb dieser kurzen Zeit neu erfinden. Die Pay-TV- andere Flügel, mal sind wir uns alle einig. Am Angebote würden im kleinen Schweizer Markt nicht genügend Abonnentinnen Ende steht jeweils ein demokratisch gefasster und Abonnenten finden. Kommt hinzu, dass diese mit Werbung überladene Entscheid, der dank einer guten Streitkultur Sendungen kaum akzeptieren würden – wenn sie schon extra dafür bezahlen. entstehen kann und akzeptiert wird. Wie die prognostizierten Werbeeinnahmen zusammenkommen sollen, steht Inhaltliche Beiträge von verschiedenen Seiten damit ebenfalls in den Sternen. Schliesslich stagniert der gesamte Werbemarkt bringen uns weiter. Es ist richtig, die ganze in der Schweiz und die SRG selber konnte ihre Werbeeinnahmen in den letzten Breite der Partei zu zeigen, da bin ich ganz bei zwanzig Jahren nicht steigern. Auch der dritte «Finanzierungsvorschlag», die der «Plattform». Was uns hingegen keinen Fördergelder des Bundes, ist absurd. Schliesslich steht im Initiativtext von No Millimeter weiterbringt, sind pauschale und Billag: «Der Bund subventioniert keine Radio- und Fernsehstationen.» undokumentierte Vorwürfe, die Partei meide diese oder jene Debatte oder habe Mühe mit ei- nem bestimmten Thema. Von solch faktenfreien FLYER UND PLAKATE BESTELLEN Worthülsen und Pauschalkritik via Medien halte ich nichts. Ab Mitte Januar waren wir in den Städten mit Plakaten präsent, seit letzter Ich möchte alle dazu einladen, ihren Standpunkt Woche läuft schweizweit unsere ÖV-Kampagne in den Postautos an und zu vertreten, Diskussionen zu fordern und zu unsere rund 500 000 Abstimmungszeitungen werden verteilt. Auch für die führen und die zahlreichen dafür geschaffenen Facebook-Seite haben wir für die Schlussphase noch einiges geplant. Super Gelegenheiten (Delegiertenversammlung, ist, wenn du mit deiner Sektion noch eine Stand-, Strassen- oder Verteil Parteitag, Prozess Wirtschaft 4.0, Veranstaltun- aktion organisieren kannst. Flyer und Plakate kannst du weiterhin kostenlos gen, Fachkommissionen etc.) zu nutzen. bestellen. Wir «mussten» bereits mehrmals nachdrucken und bedanken uns Mit dieser Einladung schliesse ich meinen letz- bei dieser Gelegenheit für den grossartigen Einsatz ganz vieler! Auch Abstim- ten «Standpunkt» und verabschiede mich als mungszeitungen haben wir noch am Lager. Co-Generalsekretärin. Ich freue mich auf viele Begegnungen und Diskussionen mit euch bei www.spschweiz.ch/material anderen Gelegenheiten. Auf bald!
Michael Arn «Es soll auch etwas weh tun» Während fünfeinhalb Jahren haben Leyla Gül und Flavia Wasserfallen man versucht sie zu lösen. Dank dieser Breite gemeinsam das Generalsekretariat der SP Schweiz geleitet. Auf Ende sprechen wir mehr Menschen an. Februar treten sie von ihrem Amt zurück. Andrea Bauer Gehört es zu euren Aufgaben als General- Flavia, Leyla, ihr hört Ende Februar als Ge- gegen die steigende Prämienlast brauchen sekretärinnen, die Partei zusammenzu- neralsekretärinnen auf – weshalb gerade mehr Ausdauer, die haben wir zum Glück! halten? jetzt? Man kann den Erfolg aber auch anders mes- Flavia: Wir sehen uns und das gesamte Se- Leyla: Letztes Jahr mussten wir uns die Frage sen: daran, dass wir trotz geringen finanzi- kretariat als Dienstleistungszentrum der stellen, ob wir bei den Wahlen 2019 noch in ellen Mitteln gute Kampagnen machen oder Partei, gegenüber den Mitgliedern, den Sek- dieser Funktion tätig sein werden. Wir ha- dass wir Mitglieder gewinnen. tionen, den Organen oder der Fraktion. Und ben hin und her überlegt. Die Antwort war wenn wir das gut machen wollen, müssen schliesslich Nein – mit viel Wehmut. Es soll Leyla, du hast kurz vor eurem Arbeitsbe- wir alle gleich behandeln und die Breite der aber auch etwas weh tun, einen Job aufzu- ginn gesagt, du wollest als Generalsekre- Partei fördern statt bekämpfen. geben, den man gerne macht. Es ist jetzt – tärin mithelfen, die SP zukunftsfähig zu Leyla: Klar, es gibt immer wieder Mitglieder, knapp zwei Jahre vor den Wahlen – der logi- machen. Ist die SP heute zukunftsfähiger die sich aufregen über Äusserungen von Re- sche Zeitpunkt, guten Nachfolgerinnen oder als vor fünf Jahren? gierungsrätinnen, Bundesräten oder Parla- Nachfolgern genügend Zeit zu geben, sich Leyla: Nun, ein Indikator ist unser Mitglie- mentsmitgliedern. Meist hilft hier das Ge- einzuarbeiten. derwachstum, das Flavia angetönt hat. Wir spräch. Insgesamt ist die Breite der SP jedoch haben 2017 zum dritten Mal in Folge Mit- gut und wichtig für uns, solange wir uns auf Wird «No Billag» am 4. März abgelehnt, glieder gewonnen. Das ist absolut gegen den derselben Werteebene befinden. könntet ihr eure Zeit als Generalsekretä- Trend bei allen anderen etablierten Parteien. rinnen mit einem Abstimmungssieg krö- Darauf können wir alle stolz sein. Wie ist euer Verhältnis zur JUSO? nen. Als Linke wird man allgemein nicht Flavia: Bei der Rentenreform hatten wir mit politischen Siegen überhäuft – frust- Ist das Mitgliederwachstum nicht auch Mühe mit der Rolle der JUSO. Es war ein riert euch das manchmal? eine Reaktion auf den weltweiten Aufstieg Stück weit parteischädigend, dass sie die Re- Leyla: Ab und zu schon, ja. Natürlich wollen des Rechtspopulismus? form bekämpft hat. Trotz allem hatten wir wir gewinnen und unsere Anliegen verwirk- Leyla: Das sicher auch. Nur: Es ist nicht immer eine gute Zusammenarbeit. Dank der lichen, alles andere wäre seltsam. Nur war es selbstverständlich, dass jemand, der sich engen Anbindung der JUSO und dem Ver- halt schon immer so: Seit es diese Partei gibt, Sorgen wegen des wachsenden Rechtspopu- ständnis für die unterschiedlichen Rollen sind wir in der Minderheit und müssen mit- lismus macht, in die SP eintritt. von JUSO und SP. Die JUSO hat links der SP hilfe taktischer Allianzen oder mit Beharr- Flavia: Wir haben die Mitgliedergewinnung eine sehr wichtige Funktion – dessen sind lichkeit weiterkommen. zu einer ständigen Aufgabe gemacht und sich nicht immer alle bewusst. Flavia: Wir dürfen nicht vergessen, dass wir werben viel gezielter als früher, indem wir trotz dieser Minderheitsposition immer wie- mit interessierten Menschen direkt spre- Die SP hat letztes Jahr viel in die Vorlage der sehr viel erreichen. So haben wir alleine chen. Auch die Mitgliederpflege ist viel wich- zur Rentenreform investiert. Nicht nur mit gegen alle anderen grossen Parteien und die tiger geworden. der Kampagne, sondern bereits im Vorfeld Wirtschaft das Referendum gegen die USR Leyla: Ein weiteres Erfolgsrezept liegt in der mit der Urabstimmung. Hat euch die Ab- III gewonnen. Das war ein Riesenerfolg. An- Breite unserer Partei. Wir schaffen es im- lehnung stark getroffen? dere Anliegen wie die erleichterte Einbürge- mer wieder, die Partei zusammenzuhalten. Flavia: Das war der grösste Frust in meiner rung, der Vaterschaftsurlaub oder der Kampf Interne Konflikte werden ausgetragen und Zeit als Generalsekretärin ...
Gespräch LINKS 174 ∙ 2018 7 Weshalb? Wo kann die SP noch besser werden? der erhöhen, was die Bevölkerung wiederum Flavia: Weil die damit verbundene Chan- Leyla: Viele würden jetzt sagen: in der Kom- ablehnt. Eine katastrophale Situation, ausge- ce – die Renten zu sichern und die AHV zu munikation. Ich habe von vielen Sektionen löst von bürgerlichen Märchenerzählern. stärken – gross war und so schnell nicht wie- gehört, wir müssten einfacher, verständli- derkommt. Und weil unsere Urabstimmung cher kommunizieren. Diese Ansicht teile ich Es wird oft kritisiert, die SP habe keine ei- dazu gezeigt hat, dass die Mitglieder diese nicht. Ich glaube, hinter dieser Kritik steht genen Geschichten zu erzählen … Chance auch packen wollten. ein Bedürfnis nach einfachen Lösungen. Sie Flavia: Wir haben viel an unseren Geschich- Leyla: Die Urabstimmung – es war übrigens ist Ausdruck von Hilflosigkeit in einer Welt, ten gearbeitet. Das 125-Jahr-Jubiläum 2013 die erste seit 1995 – war eine schöne Erfah- in der unglaublich viel Beängstigendes pas- bot uns die Möglichkeit, die vielen Errun- rung. Dass sich zu einer so wichtigen Frage siert. genschaften aufzuzeigen, die ohne die SP alle äussern konnten, wurde sehr geschätzt. Flavia: Wir müssen differenzieren. Dass man nicht umgesetzt worden wären: die AHV, das Das unterscheidet die SP von anderen Par- die SP versteht, ist wichtig. Wir müssen er- Frauenstimmrecht, die Rechte der Arbeit- teien: Die Mitwirkungsmöglichkeiten eines klären, weshalb wir etwas tun. Das ist nicht nehmenden. Die nächste Gelegenheit dazu einfachen Basismitglieds sind viel grösser. immer einfach. Ich bin aber genau darum in haben wir beim 100-Jahre-Jubiläum des Lan- Wir haben keine Parteielite, die über die der SP, weil wir uns bewusst sind, dass die desstreiks. Woran wir jedoch arbeiten müs- Köpfe der Basis hinweg etwas entscheidet. Probleme nie einfach sind und die Welt kom- sen, ist unsere Geschichte für die Zukunft. Auch das macht uns zukunftsfähig. plex und zusammenhängend. Es ist eine rie- Die Zukunft ist mit Ängsten verbunden – vor sige Herausforderung, diese Komplexität zu der Globalisierung, der Digitalisierung, dem Ist auch das Engagement der Mitglieder erklären. Die Leute sind aber in der Lage, sie Klimawandel. Bisher haben wir immer ver- grösser als bei anderen Parteien? zu erfassen. Wir können die SVP nicht kopie- sucht, die Menschen mit der Hoffnung, mit Leyla: Ganz bestimmt. Das Engagement ist ren, wir haben ein anderes Weltbild. einem positiven Zugang abzuholen. Das ist riesig. Ich war immer wieder gerührt und be- Leyla: Was ich beängstigend finde, ist, dass gerade im Zusammenhang mit der voran- geistert zu sehen, wie viel auf allen Ebenen so viele Leute den simplen Rezepten glauben. schreitenden Technisierung extrem schwie- der SP gearbeitet wird. Die Mitglieder sind Ich sehe es als Aufgabe der SP, ein Gegenpol rig; dort haben wir die gute Geschichte noch unser wichtigstes Kapital. dazu zu sein. Aber nicht mit linkem Populis- nicht gefunden. Flavia: Wir könnten ohne das Engagement mus, sondern mit dem, was wir machen. Und unserer Mitglieder keine Kampagnen durch- das kann auch einmal ein fünfseitiges Papier Wo muss die SP sonst noch besser werden? führen. Die SP lässt aber auch ihre grundle- sein. Leyla: Was wir nicht so gut können, ist Pri- gende politische Ausrichtung von der Basis Flavia: Unsere Aufgabe ist es auch, Dogmen oritäten setzen. Wir nehmen uns oft zu viel bestimmen. Ich kann mich nicht erinnern, zu durchbrechen. vor, finden alles wichtig. Ein Beispiel dafür dass in den letzten Jahren eine andere Partei ist die Wahlplattform 2015, wo wir uns mit etwa in der Europapolitik eine so breite Aus- Was für Dogmen? Mühe und Not auf zehn Themen festlegen legeordnung gemacht hätte wie wir. Flavia: Jahrzehntelang hat man den Leuten konnten. Das sind zu viele, drei hätten es sein eingebläut: Die Wirtschaft braucht mög- müssen. Ganz alles kann man aber nicht basisde- lichst viel Freiheit, möglichst wenig Regu- mokratisch bestimmen lassen ... lierung und so viele Steuerprivilegien wie Bevor ihr eure Stelle angetreten habt, hast Flavia: Natürlich nicht. Es gibt ein Dilemma möglich, das ist gut für eure Arbeitsplätze. du, Flavia, gesagt, du möchtest beweisen, zwischen dem Einbinden der Basis, das Zeit Bei der USR III konnten wir – trotz der Kom- dass man das Generalsekretariat mit ei- beansprucht, und dem Alltagsgeschäft, das plexität der Sache – aufzeigen, dass das ein ner Co-Leitung führen kann. Für eure bedingt, dass man auch mal einen Pflock Märchen ist, das nur dazu dient, dass die Nachfolge schlägt die Geschäftsleitung einschlägt. Da müssen wir stets ein Gleich- Profiteure immer noch mehr profitieren und nun wieder zwei Personen vor. Der Beweis gewicht finden. Ein aktuelles Beispiel dafür die Bevölkerung leer ausgeht. Es gibt ausser- scheint erbracht … ist das Wirtschaftskonzept. Es wird in ei- dem immer mehr Beispiele, wie in Luzern, Flavia: Ja. Dass sich das Präsidium und die nem anderthalbjährigen Prozess erarbeitet, die zeigen, dass die Dumpingsteuerstrategie Geschäftsleitung wieder für eine Co-Leitung der sehr basisdemokratisch ist. Gleichzeitig der Bürgerlichen brutal gescheitert ist. Der entschieden haben, war für uns ein riesiger muss sich das Präsidium oder die Fraktion Kanton hat immer weniger Mittel zu Verfü- Aufsteller. zu aktuellen wirtschaftspolitischen Fragen gung, muss bei der Bildung, der Prämienver- äussern können, auch wenn sie Gegenstand billigung oder im Behindertenbereich Leis- Gibt es Dinge, die ihr ungern aus der Hand basisdemokratischer Diskussionen sind. tungen kürzen und möchte die Steuern wie- gebt, wenn ihr Ende Februar euer Büro räumt? Flavia: Ja, die Möglichkeit, mit so vielen un- WEITER MIT EINER CO-LEITUNG terschiedlichen, gescheiten Menschen zu- sammen etwas zu erarbeiten. Wir sitzen oft Leyla Gül (43) und Flavia Wasserfallen (38) treten per Ende Februar 2018 als Co-Generalse- um den runden Tisch in unserem Büro und kretärinnen der SP Schweiz zurück. Sie leiten das Generalsekretariat seit Oktober 2012 ge- haben irgendein konkretes Problem, für das meinsam und haben die SP durch die Wahlen 2015 sowie durch 18 Abstimmungssonntage, wir gemeinsam eine Lösung suchen – etwas 13 Delegiertenversammlungen und 3 Parteitage geführt. läuft medial in die falsche Richtung oder Für ihre Nachfolge schlägt die Geschäftsleitung Rebekka Wyler und Michael Sorg vor. Rebekka für eine Kampagne fehlt die zündende Idee. Wyler war zehn Jahre lang Mitglied des Zürcher Stadtparlaments und vertritt die SP heute Diese Momente werde ich am meisten ver- im Gemeinderat von Erstfeld. Sie hat Geschichte studiert und ist seit 2003 in verschiedenen missen. Und die Möglichkeit, in sehr vieles Funktionen im Bereich Records Management und Archiv tätig. Michael Sorg arbeitet seit 2013 hineinzusehen und nahe an den Entschei- als Mediensprecher für die SP Schweiz. Er hat Geschichte und Politikwissenschaften studiert dungsprozessen zu sein. und war während fünf Jahren in der Privatwirtschaft im Bereich Kommunikation und Marke- Leyla: Bei mir ist es fast jedes der Mäppli, die ting tätig. Die neue Co-Leitung wird an der Delegiertenversammlung vom 24. Februar in Alt- auf meinem Tisch liegen. In jedem steckt viel dorf gewählt. Herzblut. Und natürlich wird mir die Zusam- menarbeit mit Flavia fehlen.
8 LINKS 174 ∙ 2018 Positionen «WIRTSCHAFT 4.0» Ein erster Zwischenhalt Das Arbeitspapier «Wirtschaft 4.0» ist aus den Berichten von vier Arbeitsgrup- cenverbrauch voneinander entkop- pen entstanden. Die wichtigsten Aussagen dieser Berichte wurden zusammenge- pelt werden. Wir fordern in einer führt und ergänzt. Neben einer Lageanalyse, welche die wichtigsten Entwick- Doppelstrategie mehr nachhaltiges lungen der letzten zehn Jahre beschreibt, haben wir 18 politische Stossrichtun- Wachstum: Einerseits wollen wir die gen formuliert, die im weiteren Prozess konkretisiert werden müssen. Kreislaufwirtschaft und den Ausbau erneuerbarer Energien als Wirt- In der aktuellen wirtschaftspoliti- Globale Konzerne sind mächtiger schaftsfaktor stärken, andererseits schen Debatte wollen wir drei grosse als manche Staaten. Eine Re-Regu- zu einem Wertewandel beitragen, Kontroversen klären: Erstens die zu- lierung des globalen Finanzsystems weg vom materiellen Wachstum als nehmende Digitalisierung und Auto- findet nicht statt. Schweizer Banken oberster Priorität. matisierung und deren Auswirkun- und Konzerne gehören zu den gröss- gen auf die Arbeitswelt. Es herrscht ten Profiteuren, hiesige Angestellte Drei politische Stossrichtungen keine Einigkeit darüber, ob die können sich aber auch schnell auf Um neben der Analyse auch Ansätze Nachfrage nach menschlicher Ar- der Verliererseite wiederfinden, für politisches Handeln aufzuzei- beit sich ändern wird, jedoch ist ab- etwa wenn ihr Arbeitsplatz verlagert gen, stellt «Wirtschaft 4.0» drei po- sehbar, dass leicht automatisierbare Lukas Wiss, wissenschaftli- wird. litische Stossrichtungen vor. Berufe im Industrie- und Dienstleis- cher Mitarbeiter Wirtschafts- Drittens müssen wir uns der Wir wollen zum einen Investiti- politik tungssektor schnell verschwinden Wachstumsfrage stellen: Nicht neu onen in die Infrastruktur und den oder sich verändern werden und ist die Erkenntnis, dass das Brut- Service public ausbauen, allen vor- massiv in Weiterbildung und Qua- toinlandprodukt BIP ein unzurei- an im Kommunikations- und Ener- lifikation der Arbeitnehmenden in- chender Indikator für Lebensqua- giebereich. Wir müssen massiv in vestiert werden muss. Gleichzeitig lität und menschliche Entwicklung Weiterbildung investieren, um der bieten sich aber auch Chancen, die ist. Umwelt- und Klimaschutz sind Digitalisierung zu begegnen. Zudem wir nutzen wollen: Das Leben wird unter dem Eindruck der globalen soll ein Zukunftsfonds helfen, die bequemer und flexibler gestaltbar, Wirtschaftskrise in der öffentlichen Umwälzungen der nächsten zehn und theoretisch wird der Zugang zu Wahrnehmung in den Hintergrund Jahre zu bewältigen. Wissen und Bildung durch das Inter- gerückt, aber die Probleme sind Zweitens brauchen wir faire Re- net erleichtert und demokratisiert. längst nicht gelöst. Da das kapitalis- geln: Kapitaleinkommen und Fi- Zweitens geht, obwohl das tische Wirtschaftssystem nur unter nanztransaktionen müssen endlich Wachstum des Welthandels im Wachstumsbedingungen funktio- angemessen besteuert, Steuerflucht Rückgang begriffen ist, die Globali- nieren kann und auch Lebensstan- muss entschlossen bekämpft wer- sierung nach wie vor in beachtlichem dard und Grundversorgung weiter den. Die Arbeitsgesetze müssen zum Tempo voran: Wer über Kapital ver- Teile der Weltbevölkerung noch Schutz der Arbeiterinnen und Ar- fügt, kann es fast rund um den Glo- ungenügend bis elend sind, müssen beiter aktualisiert werden. bus uneingeschränkt investieren. Wirtschaftswachstum und Ressour- Drittens braucht es mehr Mitbe- stimmung: Nicht die Kapitaleigner und Aktionärinnen allein sollen Ryan Tang/Unsplash Die Wirtschaft sind nicht die Aktionärinnen und Aktionäre und wirtschaftliche Entscheide fällen, nicht die Wirtschaftsverbände, die Wirtschaft sind wir. wir wollen die Demokratie auch auf betrieblicher Ebene verankern. Hierzu bietet das bestehende Wirt- schaftsdemokratiepapier der SP Schweiz Antworten. Der Prozess zur Überarbeitung des bestehenden Wirtschafts- ZVG konzepts wurde im August 2017 mit einer Kick-off-Tagung gestartet. Seither wurden in einem partizipativen Prozess eine Analyse sowie eine Priorisierung der Themen vorgenommen. Alle Informationen zum Prozess und zu den Inhalten werden laufend auf www.sp-ps.ch/wirtschafts- konzept publiziert.
LINKS SO «Jetzt hast du ein Jahr Pause, geniess das doch!» 2000 Meter über Meer: Draussen gen hat? Was macht eine Kantonsrä- Zunge haben: Damit wir doppelt so tobt Burglind lustvoll mit Schnee, tin, wenn in der 8er-Gondel über «No viel hören, wie wir reden können. drinnen dreht das weisse Wasser Billag» debattiert wird? Ganz einfach: Für mich als Parteipräsidentin im Glas seine Wirbel und macht uns Sie politisiert! Ich kann mich nur stimmt das geflügelte Wort «Nach langsam, aber sicher ein bisschen ganz selten raushalten, habe fast im- den Wahlen ist vor den Wahlen!» sturm. «Nimm no e Pastis!», sagt der mer etwas zu sagen! Den einen mag eigentlich nicht. Es müsste heissen eine und der andere. Und subito folgt das zu viel sein, sie finden, Reden ist «Nach den Wahlen ist FÜR die Wah- eine Runde für alle in der Hütte, wir Silber, Schweigen ist Gold! Ich lebe len». Liebe Genossinnen, liebe Ge- sind nur wenige, die bei dem Wet- das Gegenteil: Ich muss nachhaken, nossen, lasst uns nicht nur auf die ter auf die Piste gehen. «Hoffentlich Franziska Roth, wenn der Mann mit dem Bier an der Wahlen hin die «SP bi de Lüt» sein. schneit es uns ein, mag nicht arbei- Parteipräsidentin Skibar behauptet: «Die Schweiz wäre Politik findet wie das Wetter täglich rosso17@bluewin.ch ten gehen!», sagt ein junger Snöber. ohne Sozialdemokraten besser dran.» und überall statt. Die Gespräche an «6 Wochen Ferien für alle wäre da- Ich teile meine Meinung gerne mit der Bar, in der Gondel, am Famili- mals die Lösung gewesen, aber wir und ab und zu muss ich auch jeman- entisch oder im Zug beweisen mir Trottel kasteien uns selber!», meint dem die Meinung sagen. Logisch tap- immer wieder, dass die SP die richti- ein anderer. «Vergiss es, solchen pe ich dabei in das eine oder andere gen Themen setzt. Wenn wir mit den Sozi-Schmarren können wir uns Fettnäpfchen, aber manchmal argu- Menschen in Diskussion bleiben, so nicht leisten!» – «Wer ist wir?», will mentiere ich richtig gut. So manches finden wir auch dank der zum Teil ich wissen und schon wieder bin ich Thema für unsere Parteiversamm- 180 Grad anderen Ansichten gute Ar- wie abends davor in einer Diskus- lungen, so viele schlagkräftige Argu- gumente für unsere eigene Position. sion über Staat und Gesellschaft. mente im Gemeinde- oder Kantons- Und ab und zu sogar Neumitglieder. «Hey Rosso, die Wahlen sind vorbei rat habe ich durch das Mitmischen und auch wenn wir 2500 Meter über im Volk gewonnen. Stets gebe ich Meer dem Himmel näher sind, hier mich dabei mit Haut und Haar zu Gespräche im oben findest du die fehlenden Stim- erkennen, debattiere Auge in Auge men sowieso nicht! Jetzt hast du ein und kämpfe Zahn um Zahn – verbal Alltag beweisen Jahr Pause, geniess das doch!», meint – mit Lust und Passion. Inkognito je- einer meiner Begleiter schmunzelnd. mandem die Meinung sagen, kommt mir immer wieder, Ein Wahl-freies Jahr? Was also für mich nicht in Frage. Ich bin es ge- macht eine Parteipräsidentin, wenn wohnt, Tacheles zu reden. dass die SP die sie für ein paar Tage auf der Bettmer- Freiheit heisst, das Recht zu haben, alp weilt? Was macht eine Gemeinde- anderen zu sagen, was sie nicht hören richtigen Themen rätin im Après-Ski, nachdem sie auf wollen. Aber ich habe auch erkannt, ihren Brettern ein paar Kurven gezo- warum wir zwei Ohren und nur eine setzt.
10 LINKS LINKS REGIOBE Seitentitel 174 ∙ 2018 KANTONALE ABSTIMMUNGEN Ja zum Tram Bern – Ostermundigen Den öffentlichen Verkehr attraktiv halten alle besser gewährleistet werden soll. Andere Zersiedelung. Das Tram Bern – Ostermundi- Der Bus zwischen Bern und Ostermundigen Beispiele sind der Umbau der Bahnhöfe in gen hat sich in einem langjährigen Planungs- transportiert pro Jahr rund 8,4 Millionen Tramelan, Zweisimmen und Konolfingen. prozess als beste der möglichen Lösungen Fahrgäste. Die heutige Infrastruktur ist Bei all diesen Projekten gilt: Eine hohe Le- herausgestellt. Alternativen wie etwa ein damit überlastet: Die Busse sind oft über- bensqualität für die Bevölkerung im ganzen Ausbau der S-Bahn, eine andere Linienfüh- füllt und es kommt zu Verspätungen. In Kantonsgebiet wird nur dank der Solidarität rung oder der Einsatz von Doppelgelenkbus- den nächsten Jahren entstehen zwischen der Regionen untereinander möglich. sen wurden sorgfältig geprüft, erwiesen sich Bern und Ostermundigen neue Wohnungen Mit dem Tram Bern – Ostermundigen jedoch als weniger geeignet. Tramprojekte und Arbeitsplätze, eine Verbesserung der wird der öffentliche Verkehr gestärkt und sind Erfolgsgeschichten. Das zeigt sich in Zü- Situation ist auch deshalb dringend nötig. die Umwelt entlastet. Dank einem guten öV- rich, Lausanne und Genf, aber auch in unse- Das Tram Bern – Ostermundigen gehört Angebot lassen viele Leute das Auto zu Hause. rem Kanton mit dem Tram Bern-West. zu einer langen Reihe von kantonalen Inves- Das Tram ist ein Beitrag zur Verdichtung der titionen, mit denen das Vorwärtskommen für bestehenden Siedlungsfläche und bremst die Die GL empfiehlt zuhanden des Parteitags die JA-Parole. Sludge G auf flickr.com DARUM GEHT ES Die Buslinie zwischen Bern und Ostermun- digen ist überlastet. Mit der Umstellung auf Trambetrieb soll mehr Kapazität ge- schaffen werden. Bern und Ostermundigen haben in Volksabstimmungen dazu bereits Ja gesagt und ihre Anteile an den Gesamt- kosten gesprochen. Gegen den vom Gros sen Rat mit deutlicher Mehrheit beschlos- senen Kantonsbeitrag von 102 Millionen Franken ans Bauprojekt wurde das Refe- rendum ergriffen. Das Tram Bern – Ostermundigen ist eine umweltfreundliche Investition für den ganzen Kanton. Nein zur Lehrplan-Initiative Schule harmonisieren statt verpolitisieren desverfassung zugestimmt, der eine Harmo- Mike Frajese auf pixelio.de Gute Bildung ist DIE zentrale Investition nisierung der Lerninhalte vorsieht. in unsere Zukunft. Das Schulsystem muss Lehrpläne legen fest, welche Inhalte in darum den heutigen Anforderungen ent- den Schulfächern wie vermittelt werden. sprechen. Dazu gehört, dass Umzüge über Der Lehrplan 21 wurde von den 21 deutsch- Kantonsgrenzen hinweg für Schulkinder zu sprachigen Kantonen gemeinsam entwickelt. keinen Nachteilen führen. Auch deshalb hat Er vereinheitlicht den Schulstoff in der 2006 eine deutliche Mehrheit der Bevölke- Deutschschweiz und passt den Unterricht rung dem neuen Bildungsartikel in der Bun- den heutigen Bedürfnissen an. Lehrpläne sind keine politischen Programme, sondern wissenschaftlich fundierte Fachwerke. Die DARUM GEHT ES Erziehungsdirektion erarbeitet sie mit Unter Gute Bildung bringt Chancengleichheit, die stützung von Fach- und Lehrpersonen. Lehrplan-Initiative schafft unnötige Unsi- Die Initiative «Lehrpläne vors Volk» will, Das Komitee der Lehrplan-Initiative cherheit. dass Lehrpläne nicht mehr von der Erzie- stammt aus dem Umfeld der EDU und der hungsdirektion erlassen, sondern vom SVP. Sie sind gegen den Lehrplan 21 und sicherheit und wird deshalb von einer breiten Grossen Rat oder in einer Volksabstim- wollen ihn abschiessen. Dafür will das Ini- Allianz abgelehnt: 122 Grossrätinnen und mung beschlossen werden. Sie zielt gegen tiativkomitee nun Lehrpläne zum Politikum Grossräte stimmten dagegen, nur 19 unter- den Lehrplan 21: Würde die Initiative ange- machen und das Volk darüber abstimmen stützten sie. Die Parteien von SP bis FDP so- nommen, könnte der bereits aufgegleiste lassen. Eine politische Diskussion über den wie Lehrerverbände, Gewerkschaften und Lehrplan 21 rückwirkend mit einem Refe- aktuellen, rund 400 Seiten dicken Lehrplan Wirtschaftsverbände empfehlen ein Nein zur rendum torpediert werden. ist aber nicht sachgerecht, es droht Willkür Lehrplan-Initiative. Auch die GL empfiehlt statt Schulqualität. Die Initiative schafft Un- zuhanden des Parteitags die NEIN-Parole.
LINKS Kanton BE Seitentitel Luzern LINKS LINKS 174 171∙ 2018 ∙ 2017 1111 «Es stimmt grundsätzlich etwas nicht mit der kantonalen Sozial- und Familienpolitik» Wer im Kanton Bern Sozialhilfe bezieht, kommt künftig noch mehr unter Druck. Der Grosse Rat hat Ende letz- ten Jahres den Grundbedarf um 8 Prozent gekürzt. Damit ist Bern der Kanton, der am wenigsten für den Grund bedarf ausrichtet. Zugleich gibt es im Kanton Bern am meisten bedürftige Kinder und Jugendliche. Der Abbau trifft die sozial Schwächsten be- sonders stark, die SP hat sich erfolglos dage- gen gewehrt. Die höheren Anreizleistungen werden kaum Abhilfe schaffen. Denn nicht alle sind im Arbeitsmarkt integrierbar. Felix Wolffers, wen trifft dieser Kahlschlag am härtesten? Bei allen unterstützten Personen wird der Grundbedarf für den Lebensunterhalt ge- kürzt. Wer arbeitet oder an einem Beschäf- tigungsprogramm teilnimmt, kann diese Kürzung ganz oder etwas kompensieren. Deshalb sind all diejenigen besonders be- troffen, die nicht arbeiten können. Also Kin- der, Alleinerziehende oder Kranke. Unsere Berechnungen zeigen, dass lediglich eine Minderheit die vom Kanton geplanten Kür- zungen kompensieren kann. Deshalb geht es den meisten Personen in Zukunft finanziell schlechter als heute. Felix Wolffers ist Leiter des Sozialamts der Stadt Bern und Co-Präsident der Schweizerischen Springt bei den Kindern die Stadt in die Konferenz für Sozialhilfe (SKOS). Lücke? Schon heute ist ja jedes achte Kind in der Schweiz von Armut betroffen oder Speziell Einzelelternhaushalte sind oft weil es hier viele offene Stellen gibt. Wichtig bedroht? von Einkommensarmut betroffen. Trifft ist, dass diese Kurzausbildungen anschluss- Die Sozialhilfe wird kantonal geregelt, es das auch für Bern zu? fähig sind ans Berufsbildungssystem und macht kaum Sinn, wenn einzelne Gemein- 2016 wurden in der Stadt Bern 624 Einzel eine spätere Berufslehre erleichtern. den Sonderlösungen beschliessen und selbst elternhaushalte von der Sozialhilfe unter finanzieren. Es muss somit in erster Linie auf stützt, das sind 16 Prozent aller Unterstüt- Wäre es nicht primär Aufgabe des Kan- kantonaler Ebene versucht werden, Kürzun- zungsdossiers. Auffallend ist, dass im Kanton tons, Mittel und Möglichkeiten zur Verfü- gen zu Lasten von Kindern und Jugendlichen Bern besonders viele Einzelelternhaushalte gung zu stellen? zu verhindern. bedürftig sind. In Biel ist mehr als die Hälfte Der Kanton Bern finanziert für alle Gemein- dieser Haushalte von Sozialhilfe abhängig. den Beschäftigungs- und Integrationsange- Zudem: In keinem andern Kanton sind so bote. Wegen der Entwicklung auf dem Ar- viele Kinder und Jugendliche in der Sozial- beitsmarkt braucht es aber zusätzliche Qua- hilfe wie in Bern. Da stimmt grundsätzlich lifizierungsangebote. Zwar finanziert der etwas nicht mit der kantonalen Sozial- und Kanton auch hier gewisse Kurse, es braucht Familienpolitik. aber einen Ausbau. Beschäftigung und Ar- beitsvermittlung genügen oft nicht mehr, Es reicht nicht, bloss zu fordern, dass mehr weil die reale Arbeitslosigkeit für Unqua- Sozialhilfebeziehende wieder in den Ar- lifizierte im Kanton Bern bereits heute bei beitsmarkt integriert werden. Es braucht 11 Prozent liegt. Es führt deshalb kein Weg auch genügend gezielte Angebote. Haben an der beruflichen Qualifizierung auch von wir die? Personen in der Sozialhilfe vorbei. Diesen Der Arbeitsmarkt will Fachleute, in der So- Aspekt muss der Kanton noch vermehrt be- zialhilfe haben aber mehr als die Hälfte der rücksichtigen. Erwachsenen keinen Berufsabschluss. Es Interview: Marieke Kruit braucht deshalb Qualifizierungsangebote für diese Personen. Dabei geht es nicht immer um eine Langzeitausbildung wie eine Berufs- lehre, sondern vielfach um kürzere Ausbil- «Wer nicht arbeiten dungen, wie etwa den Pflegehelferinnenkurs des Roten Kreuzes. Die Stadt Bern will heuer kann, ist besonders zusätzliche niederschwellige Kursangebote schaffen, insbesondere im Gastrobereich, betroffen.»
LINKS BS | BL AUS DEM GROSSEN RAT 4 Vorstösse im Bereich Wohnen Kaum ist das Wohnpositionspapier Anzug J. Vitelli: Wiedereinführung von 4800.– pro Jahr auf beispielswei- Ende November 2017 verabschiedet ‹Fonds de Roulement› se 10 000.– pro Jahr könnten ältere worden, liegen bereits die ersten Mit einem Maximalbetrag von zehn Menschen mit einem höheren Betreu- Umsetzungspläne als Vorstösse Mio. Franken konnte der Regierungs- ungsbedarf weiterhin in ihrer Woh- auf dem Tisch. Mit der Einreichung rat früher rasch eine Liegenschaft nung bleiben, da sie sich die benötigte eines Vorstosspakets will die SP mit Wohn- und/oder Kleingewerbe- Betreuung dazu auch leisten können. Basel-Stadt eine soziale und nach- nutzung erwerben. Diese konnte er haltige Wohnpolitik im Kanton in der Folge unter Nutzungsauflagen Anzug R. Brigger: vorantreiben. an Dritte weiterveräussern. Das 1976 Stopp den Wohnraumfressern eingeführte Gesetz wurde 1996 ab- Jörg Vitelli, Grossrat SP BS In den letzten Jahren wurden im- Motion P. Pfister: Anpassung der geschafft, weil es angeblich zu wenig mer mehr Wohnungen in Apparte- Grundstückgewinnsteuer genutzt wurde. Da die Situation auf menthäuser umgewandelt oder als Der spekulative Handel mit Immo- dem Wohnungsmarkt sich geändert B & B und Airbnb genutzt. Die SP bilien ist einer der Gründe, weshalb hat, soll der Regierungsrat prüfen, will nun von der Regierung wissen, günstiger Wohnraum verschwindet. ob der Fonds de Roulement wieder wie v iele Einheiten dem Wohnungs- So wird dem Eigentümer beispiels- eingeführt werden kann. markt entzogen wurden und wie sie weise nach §109, Art. 4 des kantona- das Problem in den Griff bekommen len Steuergesetzes eine Steuersatz- Anzug B. Greuter: will. Weiter sollen alle nicht be- reduktion abhängig von der Investi- Höhere Vergütung von betreutem willigten Betriebe nachträglich ein tionsquote gewährt, was dazu führt, Alterswohnen Baugesuch einreichen. Die Gesuche dass Luxus-Sanierungen den Steu- Ältere Menschen haben oft den sollen streng nach den Kriterien des ersatz massiv senken. Um den spe- Wunsch, so lange wie möglich in ih- Wohnraumfördergesetzes beur- kulativen Handel mit Immobilien rer eigenen Wohnung leben zu kön- teilt werden. Bei abgelehnten Gesu- einzuschränken, soll deshalb § 109, nen statt in einem Pflegeheim. Mit der chen muss die Rückumwandlung in Art. 4 ersatzlos gestrichen werden. Erhöhung des maximalen Betrages Wohnraum kontrolliert werden. AUS DEM LANDRAT Lohngleichheit? In diesem Jahr feiern wir im Kanton verdeutlicht (BFS). Das kann und Und deshalb spielt also Lohngleich- Baselland 50 Jahre Frauenstimm- darf nicht sein. Mit dem SP-Vor- heit keine Rolle? Wie absurd. Und recht. Ein denkwürdiger Geburtstag. stoss für Lohnüberprüfungen nach ja, Lohnkontrollen mögen Betriebe Sind wir in dieser Zeit in der Gleich- Geschlecht greift die SP Baselland etwas kosten. Das Kostenargument stellung der Geschlechter nicht doch deshalb den Bereich der Lohnkont- für Betriebe ab 50 Mitarbeitende ein ganzes Stück weitergekommen? rollen auf. Solche werden zwar (wie ist in unseren Augen nicht stich- Nach gut 50 Jahren, könnte man aus der Antwort auf meine Inter- haltig – angesichts der Pflicht zur meinen, sollten die rechtliche und pellation hervorgeht) durchgeführt. Einhaltung der Lohngleichheit und die tatsächliche Gleichstellung nicht Aber leider differenzieren sie nicht vor allem vor dem Hintergrund der mehr so weit auseinander klaffen. nach dem Geschlecht. Damit ver- Diskriminierung von Frauen und Leider ein Irrglaube. Noch immer Miriam Locher ist Präsidentin schliessen sie bewusst die Augen somit einer Zuwiderhandlung gegen braucht es den tagtäglichen Einsatz der SP-Landratsfraktion vor dem Tatbestand effektiver Dis- das Gleichstellungsgesetz. Es hat für Gleichstellungsanliegen. Dies kriminierung. Lohnkontrollen sind sich gezeigt, dass Selbstdeklarati- beweist – leider als negatives Bei- durch Steuergelder finanziert. Diese on nicht reicht. Deshalb braucht es spiel – der Kanton Baselland, der Steuergelder finanzieren also eine verbindliche Kontrollen. Die rechte sich beharrlich weigert, die Charta Ungleichbehandlung von Männern Mehrheit reagiert mit Ignoranz und zur Lohngleichheit zu unterzeich- und Frauen. Arroganz auf unsere Vorstösse und nen. Schauen wir das Beispiel der Weshalb man nicht genauer hin- weigert sich standhaft, einen wich- Lohngleichheit konkret an: schauen will, konnte mir der Regie- tigen Schritt in Richtung gelebte Seit Jahrzehnten ist die Lohn- rungsrat nicht erklären. Trotzdem Gleichstellung zu gehen. Wir bleiben gleichheit in der Bundesverfassung ist er nicht bereit, unsere Motion am Thema dran. Denn Lohngleich- und im Gleichstellungsgesetz ver- entgegenzunehmen. Dies mit haar- heit ist kein Geschenk an die Frauen, ankert. Und trotzdem: Frauen ver- sträubenden Ausreden. Unter ande- sondern ein Recht und ein Verfas- dienen immer noch durchschnitt- rem ist zu lesen, dass der Anteil der sungsauftrag, der unverzüglich um- lich 20 % weniger, wie eine Studie Frauen im Baugewerbe gering sei. gesetzt werden muss!
Personen LINKS 174 ∙ 2018 13 Das Lebensgefühl des Kampagnenleiters Das Rezept für die perfekte Kampagne hat Stefan Krattiger nicht und hauchdünn gewannen. Sowieso war das gefunden, jede ist anders. Schlimm findet er das nicht, im Gegenteil. wechselnde Gegen- und Miteinander mit an- Genau das macht seinen Job so spannend. Andrea Bauer dern Parteien und Akteuren spannend. Auf unterschiedlichen Seiten des Kampagnen- Stefan, wie macht man eigentlich eine Welches waren rückblickend deine Lieb- grabens hatten wir oft mit ähnlichen Prob- gute Kampagne? lingskampagnen? lemen zu kämpfen. Eine Berufskollegin hat Es gibt viele, die glauben, das Patentrezept Natürlich diejenigen, die wir gewonnen ha- es sehr treffend beschrieben: Du bist immer gefunden zu haben – ich gehöre nicht dazu. ben – als SP-Kampagnenleiter ist man dies- zu spät, hast kein Geld und irgendwer hat die Bei einer Kampagne spielen viele Dinge zu- bezüglich nicht verwöhnt: die Referenden Doodle-Umfrage noch nicht ausgefüllt. Das sammen: die Ausgangslage, der Terminplan, zum Gripen und zur USR III etwa oder die ist – grob zusammengefasst – das Lebens die Medien, die anderen Parteien, die Politi- «Durchsetzungsinitiative». Bei der Letzte- gefühl des Kampagnenleiters. kerinnen und Politiker. Je nachdem entsteht ren waren unglaublich viele Leute mit ganz eine Dynamik, die ganz viele dazu bewegt, unterschiedlichen Argumenten beteiligt, sich zu engagieren. Jede Abstimmungskam- sodass eine einmalige Dynamik entstand. «Du bist immer pagne ist anders – das macht es so span- Bei «No Billag» wiederholt sich das ein Stück nend. Man kann auch nichts falsch machen weit, das macht mich zuversichtlich. Auch zu spät, hast kein und trotzdem verlieren. der Wahlkampf 2015 war eine tolle Erfah- rung. Daneben gab es viele kleinere Kampa- Geld und irgend- Wobei wir bereits bei der entscheidenden gnen, an die ich mich sehr gerne erinnere. Frage wären: Welchen Unterschied macht wer hat die Doodle- eine Kampagne überhaupt? Weshalb? Das erfahren wir in den meisten Fällen Meist ging es um gesellschaftspolitische Umfrage noch nicht nicht. Um es herauszufinden, müssten wir Fragen, zum Beispiel als wir zusammen mit ein Paralleluniversum haben, in dem wir der FDP die CVP-Ehe-Initiative bekämpften ausgefüllt.» keine Kampagne machen. Kannst du damit leben? Jonas Zürcher Vielleicht ist es für die Motivation sogar bes- ser so (lacht). Wie viel kostet eine Kampagne? Es kommt darauf an, wer sie macht. Für eine konventionelle Kampagne mit Plakaten, In- seraten und einer Online-Kampagne geben die Bürgerlichen problemlos 5 Millionen aus. Und dabei haben die Leute noch nicht das Gefühl, das ganze Land sei zuplakatiert. So viel Geld haben wir nicht. Wenn wir auf eine halbe Million kommen, ist das viel. Wir holen aus diesem Geld aber mehr raus. Wir machen mehr selber und können auf die Un- terstützung unserer Mitglieder und Aktivis- tinnen bauen. Das ist unsere Stärke! Wenn eine andere Partei 20 000 Flyer verteilt, ist das viel. Wir dagegen bringen problemlos 200 000 Flyer und 800 000 Abstimmungs- zeitungen unter die Leute. Stefan Krattiger (34) verlässt Ende März die SP Schweiz. Bereits während seines Studiums machte er 2007 ein Praktikum in der Kampagnenabteilung. Von 2009 bis 2011 war er Chefredaktor des «links». Nach einem Unterbruch kehrte er Anfang 2013 als Kampagnenleiter zur SP Schweiz zurück.
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