Angriff auf unabhängige Medien stoppen - SP Schweiz

 
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Angriff auf unabhängige Medien stoppen - SP Schweiz
Mitgliederzeitung der SP Schweiz
      174 · Ausgabe CH · Februar 2018
      AZB 3001 Bern

Angriff auf unabhängige
Medien stoppen
Ein Ja zu «No Billag» am 4. März würde das Aus für das Schweizer Radio und Fernsehen bedeuten. In die
Lücke, die SRG und die privaten Sender hinterlassen, könnten machthungrige Milliardäre springen, die mit
eigenen Sendern ihre politischen Zwecke verfolgen. Seiten 4 und 5

ADIEU FLAVIA UND LEYLA                                          100 JAHRE LANDESSTREIK
Ende Februar verlassen die beiden Generalsekretärinnen die      Eine Infokampagne zum Landesstreik schaut auf das historische
SP Schweiz. Ein Gespräch über schöne Momente und Frust im Amt   Ereignis zurück und beleuchtet die Auswirkungen, die dieses bis
und über Stärken und Schwächen ihrer Partei. Seiten 6 und 7     heute hat. Seiten 16 und 17
Angriff auf unabhängige Medien stoppen - SP Schweiz
2     LINKS
      174 ∙ 2018   Aktuell

Liebe Genossinnen und Genossen                                                                                                            INHALT
Liebe Sympathisantinnen und Sympathisanten
                                                                                                                                          2–3         Aktuell
                     In knapp einem Monat stimmen wir über die «No Billag»-
                     Initiative ab, die die Radio- und Fernsehgebühren abschaf-                                                           4–5         Abstimmungen
                                                                                                                                                      «No Billag» heisst «No Schweizer
                     fen will. Wird diese Initiative angenommen, bedeutet dies
                                                                                                                                                      Radio und Fernsehen»
                     das Aus für die SRG. Es gibt kein «Echo der Zeit» mehr, kein
                     «Morgenstund hat Gold im Mund», keinen Bestatter und                                                                 6–7         Gespräch
                                                                                                                                                      Die scheidenden Co-General­
                     kein Skirennen, um nur einige Beispiele zu nennen. Aber
                                                                                                                                                      sekretärinnen Flavia Wasser­
                     auch viele private Radio- und Fernsehstationen müssen ih-                                                                        fallen und Leyla Gül im Interview.
                     ren Betrieb einstellen, denn sie erhalten ebenfalls Gebüh-                                                                       von Andrea Bauer
                     ren. Wer macht dann in der Schweiz Radio und Fernsehen?
                                                                                                                                          8           Positionen
– Diejenigen, welche sich eigene Sender leisten können. Kommt «No Billag»                                                                             «Wirtschaft 4.0» –
nämlich durch, müssen die Konzessionen künftig an die Meistbietenden ver-                                                                             ein erster Zwischenhalt
steigert werden. Was das bedeuten würde, können wir uns ausmalen, wenn                                                                                von Lukas Wiss

wir einen Blick nach Italien werfen, wo Silvio Berlusconi seit Jahren eigene                                                              9 – 12      Kantone
Fernseh- und Radiosender betreibt und für seine politischen Interessen instru-                                                                        Ausgewählte Seiten aus
mentalisiert. Damit nicht auch hierzulande finanzkräftige Investoren unsere                                                                           den kantonalen Splittings

Radio- und Fernsehsender übernehmen, müssen wir «No Billag» am 4. März                                                                    13          Personen
ablehnen. Die Argumente liefern wir auf den folgenden Seiten.                                                                                         Stefan Krattiger über das Lebens-
Für Flavia Wasserfallen und Leyla Gül ist «No Billag» die letzte Kampagne als                                                                         gefühl des Kampagnenleiters
                                                                                                                                                      von Andrea Bauer
Co-Generalsekretärinnen. Nach fünfeinhalb Jahren verlassen sie Ende Februar
die SP Schweiz. Im Interview schauen die beiden auf ihre Zeit bei der SP Schweiz                                                          14          Positionen
zurück, auf schöne Momente, aber auch frustrierende. Und sie verraten, was                                                                            Die Ideen der «Reformorientierte
                                                                                                                                                      Plattform» zur Sicherheits- und
die SP für sie so einzigartig macht und wo die Partei noch besser werden kann.                                                                        Armeepolitik
Eine der grössten Stärken der SP sind die Mitwirkungsmöglichkeiten für Mit-                                                                           von Chantal Galladé
glieder, da sind sich Flavia und Leyla einig. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das                                                                    und Daniel Jositsch
Projekt zum neuen Wirtschaftskonzept der SP: Seit letztem Sommer beteiligen                                                               15          Debatte
sich zahlreiche Mitglieder an der Erarbeitung dieses Papiers. Sie haben eine                                                                          «Intersektionale Klassenpolitik»:
Analyse der aktuellen wirtschaftspolitischen Situation gemacht und eine Prio-                                                                         Drei Literaturtipps zu einer
                                                                                                                                                      wichtigen Debatte.
risierung der Themen vorgenommen. In einem ersten Zwischenhalt sollen nun                                                                             von Pascal Zwicky
die Delegierten zu Wort kommen und beides diskutieren.
Für all jene, die am 24. Februar nicht an der DV in Altdorf sind, liefern wir wei-                                                        16 – 17     Aktuell
                                                                                                                                                      100 Jahre Landesstreik:
ter hinten eine Zusammenfassung des Papiers. Allen anderen wünsche ich eine                                                                           Teste dein Wissen über das
gute Diskussion.                                                                                                                                      historische Ereignis!
Und Leyla und Flavia wünsche ich von Herzen alles Gute!                                                                                               von Gisela Nyfeler

                                                                                                                                          18 – 19     Veranstaltungen
Andrea Bauer, Chefredaktorin «links»

IMPRESSUM Herausgeberin: SP Schweiz, Theaterplatz 4, 3011 Bern, Telefon 031 329 69 69, Fax 031 329 69 70 Erscheint 6 Mal pro Jahr, Auflage 36 796 (Wemf) Abonnements­preise: Für
­Mitglieder der SP Schweiz gratis Adressänderungen/Abo: abo@spschweiz.ch Redaktion: Andrea Bauer (Chefredaktion), Niklaus Wepfer (SO), Livia Diem (BS), Ruedi B                ­ rassel (BL), Hannes
 Rettenmund (BE), Katha­rina Kerr (AG), Yannick Gauch (LU), Julian Fitze (TG), Michael Sutter (Region Bern), Urs Geiser (­ Korrektor) E-Mail Redaktion: l­ inks@spschweiz.ch Gestaltung/Produktion:
 Atelier Bläuer, Bern Druck: Ringier Print Adligenswil AG, Postfach 3739, 6002 Luzern Anzeigen: Kilian Gasser, Medienvermarktung GmbH, G         ­ itschenstrasse 4, 6460 Altdorf, Tel. 041 871 24 46,
Fax 041 871 24 47, k­ g@kiliangasser.ch Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 29.1.2018. Redaktionsschluss nächste Ausgabe: 23.4.2018.
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                                                                                                                                    174 ∙ 2018   3
                                                                                                    Transparenzregelungen bei Parteifinanzen
SP Frauen* einstimmig                            Schutz von Arbeits­-                               kennt. Jahr für Jahr wird dieser Umstand von
gegen Burkaverbot                                bedingungen ist nicht                              der GRECO (Groupe d’Etats contre la Corrup-
                                                                                                    tion) sowie immer wieder auch von der OECD
Die SP Frauen* hat an ihrer Delegiertenver-      verhandelbar                                       (Organisation für wirtschaftliche Zusammen-
sammlung Ende Januar einstimmig die Nein-        Die Arbeitsbedingungen in der Schweiz              arbeit und Entwicklung) kritisiert. In keinem
Parole zum Burka-Verbot beschlossen. Die         sind momentan gleich mehrfach von rechts           Land können die Bürgerinnen und Bürger
Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» wurde      unter Beschuss. So greifen mehrere in der          so häufig abstimmen und wählen wie in der
vom konservativen «Egerkinger-Komitee»           Wirtschaftskommission hängige Vorstösse            Schweiz. Gerade deshalb ist es wichtig, dass
lanciert und letzten September eingereicht.      die Beschränkung der Arbeitszeit an, die           mit offenen Karten gespielt wird. Die Stimm-
Die SP erarbeitet zurzeit einen Gegenvor-        garantiert, dass Arbeitnehmende genügend           bevölkerung hat das Recht zu wissen, welche
schlag zur «Burka-Initiative». Der Gleichstel-   Ruhezeit erhalten. Damit nicht genug: Die          grossen Geldgeber hinter welcher Partei oder
lungsartikel in der Bundesverfassung soll so     Bürgerlichen wollen auch die Ladenöffnungs-        hinter welchem Komitee stecken.
ergänzt werden, dass künftig eine bessere        zeiten weiter ausdehnen und Sonntagsarbeit
Integration und Gleichstellung von Migran-       einführen. Auch dazu sind Vorstösse von
tinnen in der Schweiz möglich ist.               bürgerlichen Parlamentsmitgliedern hängig.         EU: Jetzt muss es
                                                                                                    vorwärtsgehen
                                                                                                    Aussenminister Ignazio Cassis hat letzte
                                                                                                    Woche signalisiert, dass er die Verhandlun-
                                                                                                    gen mit der EU über die Weiterentwicklung
                                                                                                    der bilateralen Beziehungen noch in diesem
                                                                                                    Jahr abschliessen will. Cassis ist beim Wort zu
                                                                                                    nehmen: Ein neues Abkommen mit der EU ist

Bund muss Angebot
der SDA sichern                                  Weiter haben die Bürgerlichen Ende Januar in
                                                 der Rechtskommission einen Vorstoss zum
Die SP ist besorgt über den Kahlschlag bei       Schutz älterer Arbeitnehmender abgelehnt,
der Nachrichtenagentur SDA. Die Entlassun-       der insbesondere einen wirksamen Kündi-
gen und Abbaumassnahmen sind die Folge           gungsschutz fordert. Schliesslich kündigte
eines falschen Renditedenkens der Gross-         die SVP letzte Woche an ihrer Medienkon-
verlage. Die SP fordert den Bundesrat auf,       ferenz an, sich gegen die flankierenden
den Service public, den die SDA erbringt, zu     Massnahmen zu stellen. Damit greift sie die
retten. In einer Interpellation wird der Bun-    Löhne und Arbeitsbedingungen der einhei-           wichtig für die Schweiz, weil es die Bezie-
desrat darum angefragt, ob er Pläne hat, die     mischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-           hungen zur wichtigsten Handelspartnerin
Leistungen der SDA zu sichern, und ob sich       mer frontal an. Die SP kritisiert das Vorgehen     stabilisiert und sichert. Sobald das Verhand-
der Bund vorstellen kann, sich an einer neu-     der Bürgerlichen scharf und wird sich mit          lungsergebnis auf dem Tisch liegt, wird die
en, nicht-gewinnorientierten Nachrichten-        aller Kraft gegen eine Verschlechterung der        SP dieses beurteilen und sich dazu positio-
agentur zu beteiligen. Ausserdem wird die SP     Arbeitsbedingungen stellen.                        nieren. Klar ist: Die flankierenden Massnah-
in der Frühlingssession eine Fraktions­motion                                                       men, die Löhne und Arbeitsbedingungen in
einreichen mit konkreten Forderungen zum                                                            der Schweiz schützen, dürfen nicht abge-
Erhalt der SDA respektive zur Sicherung von                                                         schwächt werden. Genauso wenig dürfen
Qualität und Service public.                     Bundesrat lehnt                                    die in der EU anstehenden Verbesserungen
                                                 Transparenz-Initiative ab                          gegen Lohndumping durch das Abkommen
                                                                                                    ausgehebelt werden.
                                                 Der Bundesrat lehnt die Transparenz-Initia-
                                                 tive ohne Gegenvorschlag ab, wie er letzte
                                                 Woche kommuniziert hat. Dieser Entscheid
                                                 widerspricht dem Anliegen, Abhängigkeiten

                                                 in der Politik offenzulegen. Gerade in einer
                                                 direkten Demokratie, wie sie die Schweiz
                                                 kennt, ist eine derart intransparente Politikfi-
                                                 nanzierung sehr problematisch. Die Schweiz
                                                 ist europaweit das einzige Land, das keinerlei
Angriff auf unabhängige Medien stoppen - SP Schweiz
4     LINKS
      174 ∙ 2018   Abstimmung
NEIN ZU «NO BILLAG»

«No Billag» heisst «No Schw
und Fernsehen»
Bei einer Annahme der Initiative muss die SRG den Betrieb einstellen, weiteren 34 regionalen Radio- und
TV-Stationen droht das Aus. Für die Schweiz, wo die Bürgerinnen und Bürger mehrmals pro Jahr über teils
komplexe Vorlagen befinden und wo die sprachliche und geografische Vielfalt gross ist, wäre das verheerend.
Ein unabhängiges und vielfältiges Radio- und Fernsehangebot ist für unsere Demokratie unverzichtbar.
Medien-Monopoly für Reiche          Kommerz statt Qualität              Verlust der regionalen Vielfalt      Höhere Kosten für weniger
und Mächtige                        Nebst Milliardären würden rein      Auch 13 regionale Fernsehsender      Inhalt
Bei einer Annahme der Initiative    kommerzielle Anbieter die Lücke     und 21 Regionalradios finanzie-      Ab 2019 bezahlt jeder Haushalt
drohen Verhältnisse wie in Itali-   füllen. Diese richten sich natur-   ren sich heute massgeblich mit       365 Franken pro Jahr für die
en oder den USA. Die Radio- und     gemäss einzig nach der Quote.       Gebührengeldern. Ihnen allen         SRG-Angebote in vier Landes-
Fernsehkonzessionen müssten         Information, Kultur und Bildung     droht bei einem Ja das Aus. Be-      sprachen und für 34 Regional-
– ohne Auflagen – an den Meist-     lassen sich aber über den kleinen   sonders bitter wäre dies für Rand-   sender – also 1 Franken pro Tag.
bietenden versteigert werden.       Schweizer Markt kaum finanzie-      regionen, in denen ein kostende-     Ein vergleichbares Programm
Finanzkräftige Investoren wür-      ren. Ohne Gebühren und Leis-        ckender Betrieb ohne Gebühren        «à la carte» von Privaten wäre
den private Sender betreiben,       tungsauftrag entfiele ausserdem     schlicht nicht finanzierbar ist.     viel teurer. Bereits ein Pay-TV-
um Einfluss auf die öffentliche     die bestehende Verpflichtung der    Denn die extrem kleinräumigen        Jahresabonnement nur für Sport
Meinung zu nehmen und ihre          SRG, mit ihrer journalistischen     lokalen Märkte sind viel zu klein,   ist teurer als die heutigen Rund-
eigenen politischen Interessen      Arbeit eine Vorbildfunktion zu      um ein vergleichbares Angebot        funkgebühren. Ein Wechsel von
durchzusetzen. Gerade für die       übernehmen. Und die Abschaf-        aufrechtzuerhalten. Zuschaue-        der Gebühren­   finanzierung hin
Schweiz mit ihrer direkten De-      fung der unabhängigen Be-           rinnen und Zuschauer sähen sich      zu kostenpflichtigen Abonne-
mokratie, die ohne unabhängige      schwerdeinstanz hätte zur Folge,    gezwungen, auf ausländische          menten würde höhere Kosten für
Medien und zuverlässige Infor-      dass Nutzerinnen und Nutzer         Angebote auszuweichen.               weniger Inhalt bedeuten.
mationen nicht funktionieren        gegenüber den Medien keine An-
kann, wäre das verheerend.          sprüche und keine Rechte mehr
                                    geltend machen können.

 DARUM GEHT ES
 Die Volksinitiative «Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernseh­
 gebühren» wurde vom Verein «No Billag» 2015 eingereicht. Sie will
 die Empfangsgebühren abschaffen und dem Bund oder durch den
 Bund beauftragten Firmen verbieten, Radio- und Fernsehstationen
 zu subventionieren oder selber solche zu betreiben. Weiter soll der
 Bund dazu verpflichtet werden, die Konzessionen für Radio und
 Fernsehen künftig regelmässig an den Meistbietenden zu verstei-
 gern. Ausserdem soll die unabhängige Beschwerdeinstanz abge-
 schafft werden.

  www.spschweiz.ch/nobillag-nein

JA ZUR FINANZORDNUNG 2021

Bund soll weiterhin Steuern erheben können
Die heute geltende Finanzordnung befris-         der Mehrwertsteuer belaufen sich auf über      rung beantragt, ist aber unterlegen. Der Bun-
tet die Erhebung der direkten Bundessteuer       42 Milliarden Franken und machen mehr als      desrat schlug daraufhin eine Verlängerung
und der Mehrwertsteuer durch den Bund auf        60 Prozent des Bundeshaushalts aus. Ohne       auf 15 Jahre vor, die in beiden Räten schliess-
Ende 2020. Mit dem Bundesbeschluss über          diese Steuern kann der Staat seine Aufgaben    lich einstimmig angenommen wurde. Die
die neue Finanzordnung 2021 soll diese Be-       im bisherigen Umfang nicht mehr wahrneh-       Vorlage ist unbestritten, weil sie jedoch eine
fugnis bis 2035 verlängert werden. Die Ein-      men. Im Nationalrat hat die SP zusammen        Verfassungsänderung zur Folge hat, müssen
nahmen aus der direkten Bundessteuer und         mit den Grünen eine unbefristete Verlänge-     sich die Stimmberechtigten dazu äussern.
Angriff auf unabhängige Medien stoppen - SP Schweiz
STAND
                                                                                                                     PUNKT

eizer Radio                                                                                                              Flavia
                                                                                                                         Wasserfallen,
                                                                                                                         Co-General­
                                                                                                                         sekretärin der
                                                                                                                         SP Schweiz

                                                                                    Einladung
                                                                                   Die «Reformorientierte Plattform» hat Mitte
                  No Billag ist eine extreme Initiative
                                                                                    Monat den Medien ihren Standpunkt zur
                 Ein Ja ist das Ende der SRG                                       Sicherheits- und Armeepolitik vorgestellt
                 Ein Ja bedroht alle 34 Lokalsender                                (siehe Beitrag Seite 14). Ein immer wieder heiss
                                                                                   und kontrovers diskutiertes Thema.
                  Ein Ja nützt macht­hungrigen
                                                                                    Einige mögen sich an den Parteitag 2008 in
                  Milliardären                                                      Aarau erinnern. Die Delegierten debattierten
                 Falsche Gelegenheit zum                                           ein Positionspapier zur öffentlichen Sicherheit
                  Zeichensetzen                                                     und es flogen die Fetzen zwischen gestandenen
                                                                                    Regierungsräten und lauten Gsoa-Aktivistin-
                                                                                    nen. Repression, Polizei, Videoüberwachung,
                                                                                    Jugendgewalt, breit war die Palette der «flügel-
                                                                                    kampftauglichen» Themen.
                                                                                    In jüngerer Zeit führten wir beim neuen Nach-

 Ohne Gebühren keine SRG!                                                           richtendienstgesetz oder dem revidierten
                                                                                    Überwachungsgesetz für die Bundespolizei
                                                                                    (Büpf) leidenschaftliche Auseinandersetzungen.
 Befürworter rund um den Gewerbeverband behaupten, die SRG würde bei ei-            Vor drei Monaten nun warf die Geschäftsleitung

                                                                                                                                  Jonas Zürcher
 ner Annahme der No-Billag-Initiative weiterbestehen. Es gebe einen Plan B.         der SP ein umfassendes Luftwaffenkonzept in
 Dank ihrer Infra­struktur, einem hohen Marktanteil und gutem Personal hätten       die Diskussion, welches die Frage der Kampfjet-
 die SRF-Sender einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Privaten und könnten         beschaffung ausführlich behandelt. Den pazi-
 darum in einem freien Markt bestehen. Die SRG könne darum auch ohne Ge-            fistischen Kräften in der Partei ging das Konzept
 bührengelder künftig Einnahmen von über einer Milliarde generieren. 200 bis        zu weit. Entsprechend hoch gingen die Wogen
 600 Millionen kämen demnach aus dem Verkauf von Pay-TV-Angeboten (etwa             an der Delegiertenversammlung im Oktober.
 für Fussball, Ski oder Schwingen). Mit Werbung – geht es nach den Befürwor-        Knapp setzte sich die «pragmatische» Haltung
 tern von No Billag, soll die SRG in Zukunft uneingeschränkt werben dürfen –        der Geschäftsleitung durch – bedauerlicherwei-
 liessen sich gut 400 Millionen einnehmen. Weitere 230 bis 410 Millionen Fran-      se gab es in der Diskussion keine Stellungnahme
 ken kämen aus Fördergeldern von Bund, Kantonen und Privaten hinzu.                 aus dem Umfeld der «Plattform».
    Dieser Plan geht aus verschiedenen Gründen nicht auf: Zuerst einmal müsste      So ist es bei uns in der SP. Die Diskussionen
 die No-Billag-Initiative bei einer Annahme bereits 2019 in Kraft treten. Die SRG   sind zahlreich, einmal verliert der eine, mal der
 kann sich aber nicht innerhalb dieser kurzen Zeit neu erfinden. Die Pay-TV-        andere Flügel, mal sind wir uns alle einig. Am
 Angebote würden im kleinen Schweizer Markt nicht genügend Abonnentinnen            Ende steht jeweils ein demokratisch gefasster
 und Abonnenten finden. Kommt hinzu, dass diese mit Werbung überladene              Entscheid, der dank einer guten Streitkultur
 Sendungen kaum akzeptieren würden – wenn sie schon extra dafür bezahlen.           entstehen kann und akzeptiert wird.
 Wie die prognostizierten Werbeeinnahmen zusammenkommen sollen, steht               Inhaltliche Beiträge von verschiedenen Seiten
 damit ebenfalls in den Sternen. Schliesslich stagniert der gesamte Werbemarkt      bringen uns weiter. Es ist richtig, die ganze
 in der Schweiz und die SRG selber konnte ihre Werbeeinnahmen in den letzten        Breite der Partei zu zeigen, da bin ich ganz bei
 zwanzig Jahren nicht steigern. Auch der dritte «Finanzierungsvorschlag», die       der «Plattform». Was uns hingegen keinen
 Fördergelder des Bundes, ist absurd. Schliesslich steht im Initiativtext von No    Millimeter weiterbringt, sind pauschale und
 Billag: «Der Bund subventioniert keine Radio- und Fernsehstationen.»               undokumentierte Vorwürfe, die Partei meide
                                                                                    diese oder jene Debatte oder habe Mühe mit ei-
                                                                                    nem bestimmten Thema. Von solch faktenfreien
  FLYER UND PLAKATE BESTELLEN                                                       Worthülsen und Pauschalkritik via Medien halte
                                                                                    ich nichts.
  Ab Mitte Januar waren wir in den Städten mit Plakaten präsent, seit letzter       Ich möchte alle dazu einladen, ihren Standpunkt
  Woche läuft schweizweit unsere ÖV-Kampagne in den Postautos an und                zu vertreten, Diskussionen zu fordern und zu
  unsere rund 500 000 Abstimmungszeitungen werden verteilt. Auch für die            führen und die zahlreichen dafür geschaffenen
  Facebook-Seite haben wir für die Schlussphase noch einiges geplant. Super         Gelegenheiten (Delegiertenversammlung,
  ist, wenn du mit deiner Sektion noch eine Stand-, Strassen- oder Verteil­         Parteitag, Prozess Wirtschaft 4.0, Veranstaltun-
  aktion organisieren kannst. Flyer und Plakate kannst du weiterhin kostenlos       gen, Fachkommissionen etc.) zu nutzen.
  bestellen. Wir «mussten» bereits mehrmals nachdrucken und bedanken uns            Mit dieser Einladung schliesse ich meinen letz-
  bei dieser Gelegenheit für den grossartigen Einsatz ganz vieler! Auch Abstim-     ten «Standpunkt» und verabschiede mich als
  mungszeitungen haben wir noch am Lager.                                           Co-Generalsekretärin. Ich freue mich auf viele
                                                                                    Begegnungen und Diskussionen mit euch bei
   www.spschweiz.ch/material                                                       anderen Gelegenheiten. Auf bald!
Angriff auf unabhängige Medien stoppen - SP Schweiz
Michael Arn

              «Es soll auch etwas
                weh tun»
              Während fünfeinhalb Jahren haben Leyla Gül und Flavia Wasserfallen                                 man versucht sie zu lösen. Dank dieser Breite
              gemeinsam das Generalsekretariat der SP Schweiz geleitet. Auf Ende                                 sprechen wir mehr Menschen an.
              Februar treten sie von ihrem Amt zurück. Andrea Bauer
                                                                                                                 Gehört es zu euren Aufgaben als General-
              Flavia, Leyla, ihr hört Ende Februar als Ge-      gegen die steigende Prämienlast brauchen         sekretärinnen, die Partei zusammenzu-
              neralsekretärinnen auf – weshalb gerade           mehr Ausdauer, die haben wir zum Glück!          halten?
              jetzt?                                            Man kann den Erfolg aber auch anders mes-        Flavia: Wir sehen uns und das gesamte Se-
              Leyla: Letztes Jahr mussten wir uns die Frage     sen: daran, dass wir trotz geringen finanzi-     kretariat als Dienstleistungszentrum der
              stellen, ob wir bei den Wahlen 2019 noch in       ellen Mitteln gute Kampagnen machen oder         Partei, gegenüber den Mitgliedern, den Sek-
              dieser Funktion tätig sein werden. Wir ha-        dass wir Mitglieder gewinnen.                    tionen, den Organen oder der Fraktion. Und
              ben hin und her überlegt. Die Antwort war                                                          wenn wir das gut machen wollen, müssen
              schliesslich Nein – mit viel Wehmut. Es soll      Leyla, du hast kurz vor eurem Arbeitsbe-         wir alle gleich behandeln und die Breite der
              aber auch etwas weh tun, einen Job aufzu-         ginn gesagt, du wollest als Generalsekre-        Partei fördern statt bekämpfen.
              geben, den man gerne macht. Es ist jetzt –        tärin mithelfen, die SP zukunftsfähig zu         Leyla: Klar, es gibt immer wieder Mitglieder,
              knapp zwei Jahre vor den Wahlen – der logi-       machen. Ist die SP heute zukunftsfähiger         die sich aufregen über Äusserungen von Re-
              sche Zeitpunkt, guten Nachfolgerinnen oder        als vor fünf Jahren?                             gierungsrätinnen, Bundesräten oder Parla-
              Nachfolgern genügend Zeit zu geben, sich          Leyla: Nun, ein Indikator ist unser Mitglie-     mentsmitgliedern. Meist hilft hier das Ge-
              einzuarbeiten.                                    derwachstum, das Flavia angetönt hat. Wir        spräch. Insgesamt ist die Breite der SP jedoch
                                                                haben 2017 zum dritten Mal in Folge Mit-         gut und wichtig für uns, solange wir uns auf
              Wird «No Billag» am 4. März abgelehnt,            glieder gewonnen. Das ist absolut gegen den      derselben Werteebene befinden.
              könntet ihr eure Zeit als Generalsekretä-         Trend bei allen anderen etablierten Parteien.
              rinnen mit einem Abstimmungssieg krö-             Darauf können wir alle stolz sein.               Wie ist euer Verhältnis zur JUSO?
              nen. Als Linke wird man allgemein nicht                                                            Flavia: Bei der Rentenreform hatten wir
              mit politischen Siegen überhäuft – frust-         Ist das Mitgliederwachstum nicht auch            Mühe mit der Rolle der JUSO. Es war ein
              riert euch das manchmal?                          eine Reaktion auf den weltweiten Aufstieg        Stück weit parteischädigend, dass sie die Re-
              Leyla: Ab und zu schon, ja. Natürlich wollen      des Rechtspopulismus?                            form bekämpft hat. Trotz allem hatten wir
              wir gewinnen und unsere Anliegen verwirk-         Leyla: Das sicher auch. Nur: Es ist nicht        immer eine gute Zusammenarbeit. Dank der
              lichen, alles andere wäre seltsam. Nur war es     selbstverständlich, dass jemand, der sich        engen Anbindung der JUSO und dem Ver-
              halt schon immer so: Seit es diese Partei gibt,   Sorgen wegen des wachsenden Rechtspopu-          ständnis für die unterschiedlichen Rollen
              sind wir in der Minderheit und müssen mit-        lismus macht, in die SP eintritt.                von JUSO und SP. Die JUSO hat links der SP
              hilfe taktischer Allianzen oder mit Beharr-       Flavia: Wir haben die Mitgliedergewinnung        eine sehr wichtige Funktion – dessen sind
              lichkeit weiterkommen.                            zu einer ständigen Aufgabe gemacht und           sich nicht immer alle bewusst.
              Flavia: Wir dürfen nicht vergessen, dass wir      werben viel gezielter als früher, indem wir
              trotz dieser Minderheitsposition immer wie-       mit interessierten Menschen direkt spre-         Die SP hat letztes Jahr viel in die Vorlage
              der sehr viel erreichen. So haben wir alleine     chen. Auch die Mitgliederpflege ist viel wich-   zur Rentenreform investiert. Nicht nur mit
              gegen alle anderen grossen Parteien und die       tiger geworden.                                  der Kampagne, sondern bereits im Vorfeld
              Wirtschaft das Referendum gegen die USR           Leyla: Ein weiteres Erfolgsrezept liegt in der   mit der Urabstimmung. Hat euch die Ab-
              III gewonnen. Das war ein Riesenerfolg. An-       Breite unserer Partei. Wir schaffen es im-       lehnung stark getroffen?
              dere Anliegen wie die erleichterte Einbürge-      mer wieder, die Partei zusammenzuhalten.         Flavia: Das war der grösste Frust in meiner
              rung, der Vaterschaftsurlaub oder der Kampf       Interne Konflikte werden ausgetragen und         Zeit als Generalsekretärin ...
Angriff auf unabhängige Medien stoppen - SP Schweiz
Gespräch              LINKS
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Weshalb?                                        Wo kann die SP noch besser werden?               der erhöhen, was die Bevölkerung wiederum
Flavia: Weil die damit verbundene Chan-         Leyla: Viele würden jetzt sagen: in der Kom-     ablehnt. Eine katastrophale Situation, ausge-
ce – die Renten zu sichern und die AHV zu       munikation. Ich habe von vielen Sektionen        löst von bürgerlichen Märchenerzählern.
stärken – gross war und so schnell nicht wie-   gehört, wir müssten einfacher, verständli-
derkommt. Und weil unsere Urabstimmung          cher kommunizieren. Diese Ansicht teile ich      Es wird oft kritisiert, die SP habe keine ei-
dazu gezeigt hat, dass die Mitglieder diese     nicht. Ich glaube, hinter dieser Kritik steht    genen Geschichten zu erzählen …
Chance auch packen wollten.                     ein Bedürfnis nach einfachen Lösungen. Sie       Flavia: Wir haben viel an unseren Geschich-
Leyla: Die Urabstimmung – es war übrigens       ist Ausdruck von Hilflosigkeit in einer Welt,    ten gearbeitet. Das 125-Jahr-Jubiläum 2013
die erste seit 1995 – war eine schöne Erfah-    in der unglaublich viel Beängstigendes pas-      bot uns die Möglichkeit, die vielen Errun-
rung. Dass sich zu einer so wichtigen Frage     siert.                                           genschaften aufzuzeigen, die ohne die SP
alle äussern konnten, wurde sehr geschätzt.     Flavia: Wir müssen differenzieren. Dass man      nicht umgesetzt worden wären: die AHV, das
Das unterscheidet die SP von anderen Par-       die SP versteht, ist wichtig. Wir müssen er-     Frauenstimmrecht, die Rechte der Arbeit-
teien: Die Mitwirkungsmöglichkeiten eines       klären, weshalb wir etwas tun. Das ist nicht     nehmenden. Die nächste Gelegenheit dazu
einfachen Basismitglieds sind viel grösser.     immer einfach. Ich bin aber genau darum in       haben wir beim 100-Jahre-Jubiläum des Lan-
Wir haben keine Parteielite, die über die       der SP, weil wir uns bewusst sind, dass die      desstreiks. Woran wir jedoch arbeiten müs-
Köpfe der Basis hinweg etwas entscheidet.       Probleme nie einfach sind und die Welt kom-      sen, ist unsere Geschichte für die Zukunft.
Auch das macht uns zukunftsfähig.               plex und zusammenhängend. Es ist eine rie-       Die Zukunft ist mit Ängsten verbunden – vor
                                                sige Herausforderung, diese Komplexität zu       der Globalisierung, der Digitalisierung, dem
Ist auch das Engagement der Mitglieder          erklären. Die Leute sind aber in der Lage, sie   Klimawandel. Bisher haben wir immer ver-
grösser als bei anderen Parteien?               zu erfassen. Wir können die SVP nicht kopie-     sucht, die Menschen mit der Hoffnung, mit
Leyla: Ganz bestimmt. Das Engagement ist        ren, wir haben ein anderes Weltbild.             einem positiven Zugang abzuholen. Das ist
riesig. Ich war immer wieder gerührt und be-    Leyla: Was ich beängstigend finde, ist, dass     gerade im Zusammenhang mit der voran-
geistert zu sehen, wie viel auf allen Ebenen    so viele Leute den simplen Rezepten glauben.     schreitenden Technisierung extrem schwie-
der SP gearbeitet wird. Die Mitglieder sind     Ich sehe es als Aufgabe der SP, ein Gegenpol     rig; dort haben wir die gute Geschichte noch
unser wichtigstes Kapital.                      dazu zu sein. Aber nicht mit linkem Populis-     nicht gefunden.
Flavia: Wir könnten ohne das Engagement         mus, sondern mit dem, was wir machen. Und
unserer Mitglieder keine Kampagnen durch-       das kann auch einmal ein fünfseitiges Papier     Wo muss die SP sonst noch besser werden?
führen. Die SP lässt aber auch ihre grundle-    sein.                                            Leyla: Was wir nicht so gut können, ist Pri-
gende politische Ausrichtung von der Basis      Flavia: Unsere Aufgabe ist es auch, Dogmen       oritäten setzen. Wir nehmen uns oft zu viel
bestimmen. Ich kann mich nicht erinnern,        zu durchbrechen.                                 vor, finden alles wichtig. Ein Beispiel dafür
dass in den letzten Jahren eine andere Partei                                                    ist die Wahlplattform 2015, wo wir uns mit
etwa in der Europapolitik eine so breite Aus-   Was für Dogmen?                                  Mühe und Not auf zehn Themen festlegen
legeordnung gemacht hätte wie wir.              Flavia: Jahrzehntelang hat man den Leuten        konnten. Das sind zu viele, drei hätten es sein
                                                eingebläut: Die Wirtschaft braucht mög-          müssen.
Ganz alles kann man aber nicht basisde-         lichst viel Freiheit, möglichst wenig Regu-
mokratisch bestimmen lassen ...                 lierung und so viele Steuerprivilegien wie       Bevor ihr eure Stelle angetreten habt, hast
Flavia: Natürlich nicht. Es gibt ein Dilemma    möglich, das ist gut für eure Arbeitsplätze.     du, Flavia, gesagt, du möchtest beweisen,
zwischen dem Einbinden der Basis, das Zeit      Bei der USR III konnten wir – trotz der Kom-     dass man das Generalsekretariat mit ei-
beansprucht, und dem Alltagsgeschäft, das       plexität der Sache – aufzeigen, dass das ein     ner Co-Leitung führen kann. Für eure
bedingt, dass man auch mal einen Pflock         Märchen ist, das nur dazu dient, dass die        Nachfolge schlägt die Geschäftsleitung
einschlägt. Da müssen wir stets ein Gleich-     Profiteure immer noch mehr profitieren und       nun wieder zwei Personen vor. Der Beweis
gewicht finden. Ein aktuelles Beispiel dafür    die Bevölkerung leer ausgeht. Es gibt ausser-    scheint erbracht …
ist das Wirtschaftskonzept. Es wird in ei-      dem immer mehr Beispiele, wie in Luzern,         Flavia: Ja. Dass sich das Präsidium und die
nem anderthalbjährigen Prozess erarbeitet,      die zeigen, dass die Dumpingsteuerstrategie      Geschäftsleitung wieder für eine Co-Leitung
der sehr basisdemokratisch ist. Gleichzeitig    der Bürgerlichen brutal gescheitert ist. Der     entschieden haben, war für uns ein riesiger
muss sich das Präsidium oder die Fraktion       Kanton hat immer weniger Mittel zu Verfü-        Aufsteller.
zu aktuellen wirtschaftspolitischen Fragen      gung, muss bei der Bildung, der Prämienver-
äussern können, auch wenn sie Gegenstand        billigung oder im Behindertenbereich Leis-       Gibt es Dinge, die ihr ungern aus der Hand
basisdemokratischer Diskussionen sind.          tungen kürzen und möchte die Steuern wie-        gebt, wenn ihr Ende Februar euer Büro
                                                                                                 räumt?
                                                                                                 Flavia: Ja, die Möglichkeit, mit so vielen un-
 WEITER MIT EINER CO-LEITUNG                                                                     terschiedlichen, gescheiten Menschen zu-
                                                                                                 sammen etwas zu erarbeiten. Wir sitzen oft
 Leyla Gül (43) und Flavia Wasserfallen (38) treten per Ende Februar 2018 als Co-Generalse-      um den runden Tisch in unserem Büro und
 kretärinnen der SP Schweiz zurück. Sie leiten das Generalsekretariat seit Oktober 2012 ge-      haben irgendein konkretes Problem, für das
 meinsam und haben die SP durch die Wahlen 2015 sowie durch 18 Abstimmungssonntage,              wir gemeinsam eine Lösung suchen – etwas
 13 Delegiertenversammlungen und 3 Parteitage geführt.                                           läuft medial in die falsche Richtung oder
 Für ihre Nachfolge schlägt die Geschäftsleitung Rebekka Wyler und Michael Sorg vor. Rebekka     für eine Kampagne fehlt die zündende Idee.
 Wyler war zehn Jahre lang Mitglied des Zürcher Stadtparlaments und vertritt die SP heute        Diese Momente werde ich am meisten ver-
 im Gemeinderat von Erstfeld. Sie hat Geschichte studiert und ist seit 2003 in verschiedenen     missen. Und die Möglichkeit, in sehr vieles
 Funktionen im Bereich Records Management und Archiv tätig. Michael Sorg arbeitet seit 2013      hineinzusehen und nahe an den Entschei-
 als Mediensprecher für die SP Schweiz. Er hat Geschichte und Politikwissenschaften studiert     dungsprozessen zu sein.
 und war während fünf Jahren in der Privatwirtschaft im Bereich Kommunikation und Marke-         Leyla: Bei mir ist es fast jedes der Mäppli, die
 ting tätig. Die neue Co-Leitung wird an der Delegiertenversammlung vom 24. Februar in Alt-      auf meinem Tisch liegen. In jedem steckt viel
 dorf gewählt.                                                                                   Herzblut. Und natürlich wird mir die Zusam-
                                                                                                 menarbeit mit Flavia fehlen.
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8   LINKS
    174 ∙ 2018   Positionen

«WIRTSCHAFT 4.0»

Ein erster Zwischenhalt
Das Arbeitspapier «Wirtschaft 4.0» ist aus den Berichten von vier Arbeitsgrup-                                              cenverbrauch voneinander entkop-
pen entstanden. Die wichtigsten Aussagen dieser Berichte wurden zusammenge-                                                 pelt werden. Wir fordern in einer
führt und ergänzt. Neben einer Lageanalyse, welche die wichtigsten Entwick-                                                 Doppelstrategie mehr nachhaltiges
lungen der letzten zehn Jahre beschreibt, haben wir 18 politische Stossrichtun-                                             Wachstum: Einerseits wollen wir die
gen formuliert, die im weiteren Prozess konkretisiert werden müssen.                                                        Kreislaufwirtschaft und den Ausbau
                                                                                                                            erneuerbarer Energien als Wirt-
In der aktuellen wirtschaftspoliti-                                     Globale Konzerne sind mächtiger                     schaftsfaktor stärken, andererseits
schen Debatte wollen wir drei grosse                                    als manche Staaten. Eine Re-Regu-                   zu einem Wertewandel beitragen,
Kontroversen klären: Erstens die zu-                                    lierung des globalen Finanzsystems                  weg vom materiellen Wachstum als
nehmende Digitalisierung und Auto-                                      findet nicht statt. Schweizer Banken                oberster Priorität.
matisierung und deren Auswirkun-                                        und Konzerne gehören zu den gröss-
gen auf die Arbeitswelt. Es herrscht                                    ten Profiteuren, hiesige Angestellte                Drei politische Stossrichtungen
keine Einigkeit darüber, ob die                                         können sich aber auch schnell auf                   Um neben der Analyse auch Ansätze
Nachfrage nach menschlicher Ar-                                         der Verliererseite wiederfinden,                    für politisches Handeln aufzuzei-
beit sich ändern wird, jedoch ist ab-                                   etwa wenn ihr Arbeitsplatz verlagert                gen, stellt «Wirtschaft 4.0» drei po-
sehbar, dass leicht automatisierbare    Lukas Wiss, wissenschaftli-     wird.                                               litische Stossrichtungen vor.
Berufe im Industrie- und Dienstleis-    cher Mitarbeiter Wirtschafts-       Drittens müssen wir uns der                         Wir wollen zum einen Investiti-
                                        politik
tungssektor schnell verschwinden                                        Wachstumsfrage stellen: Nicht neu                   onen in die Infra­struktur und den
oder sich verändern werden und                                          ist die Erkenntnis, dass das Brut-                  Service public ausbauen, allen vor-
massiv in Weiterbildung und Qua-                                        toinlandprodukt BIP ein unzurei-                    an im Kommunikations- und Ener-
lifikation der Arbeitnehmenden in-                                      chender Indikator für Lebensqua-                    giebereich. Wir müssen massiv in
vestiert werden muss. Gleichzeitig                                      lität und menschliche Entwicklung                   Weiterbildung investieren, um der
bieten sich aber auch Chancen, die                                      ist. Umwelt- und Klimaschutz sind                   Digitalisierung zu begegnen. Zudem
wir nutzen wollen: Das Leben wird                                       unter dem Eindruck der globalen                     soll ein Zukunftsfonds helfen, die
bequemer und flexibler gestaltbar,                                      Wirtschaftskrise in der öffentlichen                Umwälzungen der nächsten zehn
und theoretisch wird der Zugang zu                                      Wahrnehmung in den Hintergrund                      Jahre zu bewältigen.
Wissen und Bildung durch das Inter-                                     gerückt, aber die Probleme sind                         Zweitens brauchen wir faire Re-
net erleichtert und demokratisiert.                                     längst nicht gelöst. Da das kapitalis-              geln: Kapitaleinkommen und Fi-
    Zweitens geht, obwohl das                                           tische Wirtschaftssystem nur unter                  nanztransaktionen müssen endlich
Wachstum des Welthandels im                                             Wachstumsbedingungen funktio-                       angemessen besteuert, Steuerflucht
Rückgang begriffen ist, die Globali-                                    nieren kann und auch Lebensstan-                    muss entschlossen bekämpft wer-
sierung nach wie vor in beachtlichem                                    dard und Grundversorgung weiter                     den. Die Arbeitsgesetze müssen zum
Tempo voran: Wer über Kapital ver-                                      Teile der Weltbevölkerung noch                      Schutz der Arbeiterinnen und Ar-
fügt, kann es fast rund um den Glo-                                     ungenügend bis elend sind, müssen                   beiter aktualisiert werden.
bus uneingeschränkt investieren.                                        Wirtschaftswachstum und Ressour-                        Drittens braucht es mehr Mitbe-
                                                                                                                            stimmung: Nicht die Kapitaleigner
                                                                                                                            und Aktionärinnen allein sollen
                                                                                                       Ryan Tang/Unsplash

 Die Wirtschaft sind nicht die Aktionärinnen und Aktionäre und                                                              wirtschaftliche Entscheide fällen,
 nicht die Wirtschaftsverbände, die Wirtschaft sind wir.                                                                    wir wollen die Demokratie auch
                                                                                                                            auf betrieblicher Ebene verankern.
                                                                                                                            Hierzu bietet das bestehende Wirt-
                                                                                                                            schaftsdemokratiepapier der SP
                                                                                                                            Schweiz Antworten.

                                                                                                                             Der Prozess zur Überarbeitung
                                                                                                                             des bestehenden Wirtschafts-
                                                                                            ZVG

                                                                                                                             konzepts wurde im August
                                                                                                                             2017 mit einer Kick-off-Tagung
                                                                                                                             gestartet. Seither wurden in
                                                                                                                             einem partizipativen Prozess eine
                                                                                                                             Analyse sowie eine Priorisierung
                                                                                                                             der Themen vorgenommen. Alle
                                                                                                                             Informationen zum Prozess und
                                                                                                                             zu den Inhalten werden laufend
                                                                                                                             auf www.sp-ps.ch/wirtschafts-
                                                                                                                             konzept publiziert.
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LINKS SO

«Jetzt hast du ein Jahr
Pause, geniess das doch!»
2000 Meter über Meer: Draussen                                 gen hat? Was macht eine Kantonsrä-        Zunge haben: Damit wir doppelt so
tobt Burglind lustvoll mit Schnee,                             tin, wenn in der 8er-Gondel über «No      viel hören, wie wir reden können.
drinnen dreht das weisse Wasser                                Billag» debattiert wird? Ganz einfach:       Für mich als Parteipräsidentin
im Glas seine Wirbel und macht uns                             Sie politisiert! Ich kann mich nur        stimmt das geflügelte Wort «Nach
langsam, aber sicher ein bisschen                              ganz selten raushalten, habe fast im-     den Wahlen ist vor den Wahlen!»
sturm. «Nimm no e Pastis!», sagt der                           mer etwas zu sagen! Den einen mag         eigentlich nicht. Es müsste heissen
eine und der andere. Und subito folgt                          das zu viel sein, sie finden, Reden ist   «Nach den Wahlen ist FÜR die Wah-
eine Runde für alle in der Hütte, wir                          Silber, Schweigen ist Gold! Ich lebe      len». Liebe Genossinnen, liebe Ge-
sind nur wenige, die bei dem Wet-                              das Gegenteil: Ich muss nach­haken,       nossen, lasst uns nicht nur auf die
ter auf die Piste gehen. «Hoffentlich     Franziska Roth,      wenn der Mann mit dem Bier an der         Wahlen hin die «SP bi de Lüt» sein.
schneit es uns ein, mag nicht arbei-      Parteipräsidentin    Skibar behauptet: «Die Schweiz wäre       Politik findet wie das Wetter täglich
                                          rosso17@bluewin.ch
ten gehen!», sagt ein junger Snöber.                           ohne Sozialdemokraten besser dran.»       und überall statt. Die Gespräche an
«6 Wochen Ferien für alle wäre da-                             Ich teile meine Meinung gerne mit         der Bar, in der Gondel, am Famili-
mals die Lösung gewesen, aber wir                              und ab und zu muss ich auch jeman-        entisch oder im Zug beweisen mir
Trottel kasteien uns selber!», meint                           dem die Meinung sagen. Logisch tap-       immer wieder, dass die SP die richti-
ein anderer. «Vergiss es, solchen                              pe ich dabei in das eine oder andere      gen Themen setzt. Wenn wir mit den
Sozi-Schmarren können wir uns                                  Fettnäpfchen, aber manchmal argu-         Menschen in Diskussion bleiben, so
nicht leisten!» – «Wer ist wir?», will                         mentiere ich richtig gut. So manches      finden wir auch dank der zum Teil
ich wissen und schon wieder bin ich                            Thema für unsere Parteiversamm-           180 Grad anderen Ansichten gute Ar-
wie abends davor in einer Diskus-                              lungen, so viele schlagkräftige Argu-     gumente für unsere eigene Position.
sion über Staat und Gesellschaft.                              mente im Gemeinde- oder Kantons-          Und ab und zu sogar Neumitglieder.
«Hey Rosso, die Wahlen sind vorbei                             rat habe ich durch das Mitmischen
und auch wenn wir 2500 Meter über                              im Volk gewonnen. Stets gebe ich
Meer dem Himmel näher sind, hier                               mich dabei mit Haut und Haar zu           Gespräche im
oben findest du die fehlenden Stim-                            erkennen, debattiere Auge in Auge
men sowieso nicht! Jetzt hast du ein                           und kämpfe Zahn um Zahn – verbal          Alltag beweisen
Jahr Pause, geniess das doch!», meint                          – mit Lust und Passion. Inkognito je-
einer meiner Begleiter schmunzelnd.                            mandem die Meinung sagen, kommt           mir immer wieder,
   Ein Wahl-freies Jahr? Was also                              für mich nicht in Frage. Ich bin es ge-
macht eine Parteipräsidentin, wenn                             wohnt, Tacheles zu reden.                 dass die SP die
sie für ein paar Tage auf der Bettmer­-                           Freiheit heisst, das Recht zu haben,
alp weilt? Was macht eine Gemeinde-                            anderen zu sagen, was sie nicht hören     richtigen Themen
rätin im Après-Ski, nachdem sie auf                            wollen. Aber ich habe auch erkannt,
ihren Brettern ein paar Kurven gezo-                           warum wir zwei Ohren und nur eine         setzt.
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                 REGIOBE
            Seitentitel
      174 ∙ 2018

KANTONALE ABSTIMMUNGEN

Ja zum Tram Bern – Ostermundigen
Den öffentlichen Verkehr attraktiv halten      alle besser gewährleistet werden soll. ­Andere                        Zersiedelung. Das Tram Bern –  Ostermundi-
Der Bus zwischen Bern und Oster­mundigen       Beispiele sind der Umbau der Bahnhöfe in                              gen hat sich in einem langjährigen Planungs-
transportiert pro Jahr rund 8,4 Millionen      Tramelan, Zweisimmen und Konolfingen.                                 prozess als beste der möglichen Lösungen
Fahrgäste. Die heutige Infrastruktur ist       Bei all diesen Projekten gilt: Eine hohe Le-                          heraus­gestellt. Alternativen wie etwa ein
damit überlastet: Die Busse sind oft über-     bensqualität für die Bevölkerung im ganzen                            Ausbau der S-Bahn, eine andere Linienfüh-
füllt und es kommt zu Verspätungen. In         ­Kantonsgebiet wird nur dank der Solidarität                          rung oder der Einsatz von Doppelgelenkbus-
den nächsten Jahren entstehen zwischen         der Regionen untereinander möglich.                                   sen wurden sorgfältig geprüft, erwiesen sich
Bern und Ostermundigen neue Wohnungen             Mit dem Tram Bern – Ostermundigen                                  jedoch als weniger geeignet. Tramprojekte
und Arbeitsplätze, eine Verbesserung der       wird der öffentliche Verkehr gestärkt und                             sind Erfolgsgeschichten. Das zeigt sich in Zü-
Situation ist auch deshalb dringend nötig.     die Umwelt entlastet. Dank einem guten öV-                            rich, Lausanne und Genf, aber auch in unse-
    Das Tram Bern – Ostermundigen gehört       Angebot lassen viele Leute das Auto zu ­Hause.                        rem Kanton mit dem Tram Bern-West.
zu einer langen Reihe von kantonalen Inves-     Das Tram ist ein Beitrag zur Verdichtung der
titionen, mit denen das Vorwärtskommen für      bestehenden Siedlungsfläche und bremst die                           Die GL empfiehlt zuhanden des Parteitags die
                                                                                                                     JA-Parole.

                                                                                           Sludge G auf flickr.com
                                                                                                                         DARUM GEHT ES
                                                                                                                         Die Buslinie zwischen Bern und Ostermun-
                                                                                                                         digen ist überlastet. Mit der Umstellung
                                                                                                                         auf Trambetrieb soll mehr Kapazität ge-
                                                                                                                         schaffen werden. Bern und Ostermundigen
                                                                                                                         haben in Volksabstimmungen dazu bereits
                                                                                                                         Ja gesagt und ihre Anteile an den Gesamt-
                                                                                                                         kosten gesprochen. Gegen den vom Gros­
                                                                                                                         sen Rat mit deutlicher Mehrheit beschlos-
                                                                                                                         senen Kantonsbeitrag von 102 Millionen
                                                                                                                         Franken ans Bauprojekt wurde das Refe-
                                                                                                                         rendum ergriffen.
Das Tram Bern – Ostermundigen ist eine umweltfreundliche Investition für den ganzen Kanton.

Nein zur Lehrplan-Initiative
Schule harmonisieren statt verpolitisieren     desverfassung zugestimmt, der eine Harmo-
                                                                                                                      Mike Frajese auf pixelio.de

Gute Bildung ist DIE zentrale Investition      nisierung der Lerninhalte vorsieht.
in unsere Zukunft. Das Schulsystem muss            Lehrpläne legen fest, welche Inhalte in
darum den heutigen Anforderungen ent-          den Schulfächern wie vermittelt werden.
sprechen. Dazu gehört, dass Umzüge über        Der Lehrplan 21 wurde von den 21 deutsch-
Kantonsgrenzen hinweg für Schulkinder zu       sprachigen Kantonen gemeinsam entwickelt.
keinen Nachteilen führen. Auch deshalb hat     Er vereinheitlicht den Schulstoff in der
2006 eine deutliche Mehrheit der Bevölke-      Deutschschweiz und passt den Unterricht
rung dem neuen Bildungsartikel in der Bun-     den heutigen Bedürfnissen an. Lehrpläne
                                               sind keine politischen Programme, sondern
                                               wissenschaftlich fundierte Fachwerke. Die
 DARUM GEHT ES                                 Erziehungsdirektion erarbeitet sie mit Unter­                         Gute Bildung bringt Chancengleichheit, die
                                               stützung von Fach- und Lehrpersonen.                                  Lehrplan-Initiative schafft unnötige Unsi-
 Die Initiative «Lehrpläne vors Volk» will,        Das Komitee der Lehrplan-Initiative                               cherheit.
 dass Lehrpläne nicht mehr von der Erzie-      stammt aus dem Umfeld der EDU und der
 hungsdirektion erlassen, sondern vom          SVP. Sie sind gegen den Lehrplan 21 und                               sicherheit und wird deshalb von einer breiten
 Grossen Rat oder in einer Volksabstim-        wollen ihn abschiessen. Dafür will das Ini-                           Allianz abgelehnt: 122 Grossrätinnen und
 mung beschlossen werden. Sie zielt gegen      tiativkomitee nun Lehrpläne zum Politikum                             Grossräte stimmten dagegen, nur 19 unter-
 den Lehrplan 21: Würde die Initiative ange-   machen und das Volk darüber abstimmen                                 stützten sie. Die Parteien von SP bis FDP so-
 nommen, könnte der bereits aufgegleiste       lassen. Eine politische Diskussion über den                           wie Lehrerverbände, Gewerkschaften und
 Lehrplan 21 rückwirkend mit einem Refe-       aktuellen, rund 400 Seiten dicken Lehrplan                            Wirtschaftsverbände empfehlen ein Nein zur
 rendum torpediert werden.                     ist aber nicht sachgerecht, es droht Willkür                          Lehrplan-Initiative. Auch die GL empfiehlt
                                               statt Schulqualität. Die Initiative schafft Un-                       zuhanden des Parteitags die NEIN-Parole.
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                                                                                                      Seitentitel
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«Es stimmt grundsätzlich etwas nicht mit
der kantonalen Sozial- und Familienpolitik»
Wer im Kanton Bern Sozialhilfe bezieht, kommt künftig noch mehr unter Druck. Der Grosse Rat hat Ende letz-
ten Jahres den Grundbedarf um 8 Prozent gekürzt. Damit ist Bern der Kanton, der am wenigsten für den Grund­
bedarf ausrichtet. Zugleich gibt es im Kanton Bern am meisten bedürftige Kinder und Jugendliche.
Der Abbau trifft die sozial Schwächsten be-
sonders stark, die SP hat sich erfolglos dage-
gen gewehrt. Die höheren Anreizleistungen
werden kaum Abhilfe schaffen. Denn nicht
alle sind im Arbeitsmarkt integrierbar.

Felix Wolffers, wen trifft dieser Kahlschlag
am härtesten?
Bei allen unterstützten Personen wird der
Grundbedarf für den Lebensunterhalt ge-
kürzt. Wer arbeitet oder an einem Beschäf-
tigungsprogramm teilnimmt, kann diese
Kürzung ganz oder etwas kompensieren.
Deshalb sind all diejenigen besonders be-
troffen, die nicht arbeiten können. Also Kin-
der, Alleinerziehende oder Kranke. Unsere
Berechnungen zeigen, dass lediglich eine
Minderheit die vom Kanton geplanten Kür-
zungen kompensieren kann. Deshalb geht es
den meisten Personen in Zukunft finanziell
schlechter als heute.
                                                 Felix Wolffers ist Leiter des Sozialamts der Stadt Bern und Co-Präsident der Schweizerischen
Springt bei den Kindern die Stadt in die         Konferenz für Sozialhilfe (SKOS).
Lücke? Schon heute ist ja jedes achte Kind
in der Schweiz von Armut betroffen oder          Speziell Einzelelternhaushalte sind oft           weil es hier viele offene Stellen gibt. Wichtig
bedroht?                                         von Einkommensarmut betroffen. Trifft             ist, dass diese Kurzausbildungen anschluss-
Die Sozialhilfe wird kantonal geregelt, es       das auch für Bern zu?                             fähig sind ans Berufsbildungssystem und
macht kaum Sinn, wenn einzelne Gemein-           2016 wurden in der Stadt Bern 624 Einzel­         eine spätere Berufslehre erleichtern.
den Sonderlösungen beschliessen und selbst       elternhaushalte von der Sozialhilfe unter­
finanzieren. Es muss somit in erster Linie auf   stützt, das sind 16 Prozent aller Unterstüt-      Wäre es nicht primär Aufgabe des Kan-
kantonaler Ebene versucht werden, Kürzun-        zungsdossiers. Auffallend ist, dass im Kanton     tons, Mittel und Möglichkeiten zur Verfü-
gen zu Lasten von Kindern und Jugendlichen       Bern besonders viele Einzelelternhaushalte        gung zu stellen?
zu verhindern.                                   bedürftig sind. In Biel ist mehr als die Hälfte   Der Kanton Bern finanziert für alle Gemein-
                                                 dieser Haushalte von Sozialhilfe abhängig.        den Beschäftigungs- und Integrationsange-
                                                 Zudem: In keinem andern Kanton sind so            bote. Wegen der Entwicklung auf dem Ar-
                                                 viele Kinder und Jugendliche in der Sozial-       beitsmarkt braucht es aber zusätzliche Qua-
                                                 hilfe wie in Bern. Da stimmt grundsätzlich        lifizierungsangebote. Zwar finanziert der
                                                 etwas nicht mit der kantonalen Sozial- und        Kanton auch hier gewisse Kurse, es braucht
                                                 Familienpolitik.                                  aber einen Ausbau. Beschäftigung und Ar-
                                                                                                   beitsvermittlung genügen oft nicht mehr,
                                                 Es reicht nicht, bloss zu fordern, dass mehr      weil die reale Arbeitslosigkeit für Unqua-
                                                 Sozialhilfebeziehende wieder in den Ar-           lifizierte im Kanton Bern bereits heute bei
                                                 beitsmarkt integriert werden. Es braucht          11 Prozent liegt. Es führt deshalb kein Weg
                                                 auch genügend gezielte Angebote. Haben            an der beruflichen Qualifizierung auch von
                                                 wir die?                                          Personen in der Sozialhilfe vorbei. Diesen
                                                 Der Arbeitsmarkt will Fachleute, in der So-       Aspekt muss der Kanton noch vermehrt be-
                                                 zialhilfe haben aber mehr als die Hälfte der      rücksichtigen.
                                                 Erwachsenen keinen Berufsabschluss. Es                                       Interview: Marieke Kruit
                                                 braucht deshalb Qualifizierungsangebote
                                                 für diese Personen. Dabei geht es nicht immer
                                                 um eine Langzeitausbildung wie eine Berufs-
                                                 lehre, sondern vielfach um kürzere Ausbil-        «Wer nicht arbeiten
                                                 dungen, wie etwa den Pflegehelferinnenkurs
                                                 des Roten Kreuzes. Die Stadt Bern will heuer      kann, ist besonders
                                                 zusätzliche niederschwellige Kursangebote
                                                 schaffen, insbesondere im Gastrobereich,          betroffen.»
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AUS DEM GROSSEN RAT

4 Vorstösse im Bereich Wohnen
Kaum ist das Wohnpositionspapier         Anzug J. Vitelli: Wiedereinführung                                          von 4800.– pro Jahr auf beispielswei-
Ende November 2017 verabschiedet         ‹Fonds de Roulement›                                                        se 10 000.– pro Jahr könnten ältere
worden, liegen bereits die ersten        Mit einem Maximalbetrag von zehn                                            Menschen mit einem höheren Betreu-
Umsetzungspläne als Vorstösse            Mio. Franken konnte der Regierungs-                                         ungsbedarf weiterhin in ihrer Woh-
auf dem Tisch. Mit der Einreichung       rat früher rasch eine Liegenschaft                                          nung bleiben, da sie sich die benötigte
eines Vorstosspakets will die SP
­                                        mit Wohn- und/oder Kleingewerbe-                                            Betreuung dazu auch leisten können.
­Basel-Stadt eine soziale und nach-      nutzung erwerben. Diese konnte er
 haltige Wohnpolitik im Kanton           in der Folge unter Nutzungsauf­lagen                                        Anzug R. Brigger:
 voran­treiben.                          an Dritte weiterveräussern. Das 1976                                        Stopp den Wohnraumfressern
                                         eingeführte Gesetz wurde 1996 ab-            Jörg Vitelli, Grossrat SP BS   In den letzten Jahren wurden im-
Motion P. Pfister: Anpassung der         geschafft, weil es angeblich zu wenig                                       mer mehr Wohnungen in Apparte-
Grundstückgewinnsteuer                   genutzt wurde. Da die Situation auf                                         menthäuser umgewandelt oder als
Der spekulative Handel mit Immo-         dem Wohnungsmarkt sich geändert                                             B & B und Airbnb genutzt. Die SP
bilien ist einer der Gründe, weshalb     hat, soll der Regierungsrat prüfen,                                         will nun von der Regierung wissen,
günstiger Wohnraum verschwindet.         ob der Fonds de Roulement wieder                                            wie ­v iele Einheiten dem Wohnungs-
So wird dem Eigentümer beispiels-        eingeführt werden kann.                                                     markt entzogen wurden und wie sie
weise nach §109, Art. 4 des kantona-                                                                                 das Problem in den Griff bekommen
len Steuergesetzes eine Steuersatz-      Anzug B. Greuter:                                                           will. Weiter sollen alle nicht be-
reduktion abhängig von der Investi-      Höhere ­Ver­gütung von betreutem                                            willigten Betriebe nachträglich ein
tionsquote gewährt, was dazu führt,      Alterswohnen                                                                Baugesuch einreichen. Die Gesuche
dass Luxus-Sanierungen den Steu-         Ältere Menschen haben oft den                                               sollen streng nach den Kriterien des
ersatz massiv senken. Um den spe-        Wunsch, so lange wie möglich in ih-                                         Wohnraumfördergesetzes         beur-
kulativen Handel mit Immobilien          rer eigenen Wohnung leben zu kön-                                           teilt werden. Bei abgelehnten Gesu-
einzuschränken, soll deshalb § 109,      nen statt in einem Pflegeheim. Mit der                                      chen muss die Rückumwandlung in
Art. 4 ersatzlos gestrichen werden.      Erhöhung des maximalen Betrages                                             Wohnraum kontrolliert werden.

AUS DEM LANDRAT

Lohngleichheit?
In diesem Jahr feiern wir im Kanton                                      verdeutlicht (BFS). Das kann und            Und deshalb spielt also Lohngleich-
Baselland 50 Jahre Frauenstimm-                                          darf nicht sein. Mit dem SP-Vor-            heit keine Rolle? Wie absurd. Und
recht. Ein denkwürdiger Geburtstag.                                      stoss für Lohnüberprüfungen nach            ja, Lohnkontrollen mögen Betriebe
Sind wir in dieser Zeit in der Gleich-                                   Geschlecht greift die SP Baselland          etwas kosten. Das Kostenargument
stellung der Geschlechter nicht doch                                     deshalb den Bereich der Lohnkont-           für Betriebe ab 50 Mitarbeitende
ein ganzes Stück weitergekommen?                                         rollen auf. Solche werden zwar (wie         ist in unseren Augen nicht stich-
Nach gut 50 Jahren, könnte man                                           aus der Antwort auf meine Inter-            haltig – angesichts der Pflicht zur
meinen, sollten die rechtliche und                                       pellation hervorgeht) durchgeführt.         Einhaltung der Lohngleichheit und
die tatsächliche Gleichstellung nicht                                    Aber leider differenzieren sie nicht        vor allem vor dem Hintergrund der
mehr so weit auseinander klaffen.                                        nach dem Geschlecht. Damit ver-             Diskriminierung von Frauen und
Leider ein Irrglaube. Noch immer         Miriam Locher ist Präsidentin   schliessen sie bewusst die Augen            somit einer Zuwiderhandlung gegen
braucht es den tagtäglichen Einsatz      der SP-Landratsfraktion         vor dem Tatbestand effektiver Dis-          das Gleichstellungsgesetz. Es hat
für Gleichstellungsanliegen. Dies                                        kriminierung. Lohnkontrollen sind           sich gezeigt, dass Selbstdeklarati-
beweist – leider als negatives Bei-                                      durch Steuergelder finanziert. Diese        on nicht reicht. Deshalb braucht es
spiel – der Kanton Baselland, der                                        Steuergelder finanzieren also eine          verbindliche Kontrollen. Die rechte
sich beharrlich weigert, die Charta                                      Ungleichbehandlung von Männern              Mehrheit reagiert mit Ignoranz und
zur Lohngleichheit zu unterzeich-                                        und Frauen.                                 Arroganz auf unsere Vorstösse und
nen. Schauen wir das Beispiel der                                           Weshalb man nicht genauer hin-           weigert sich standhaft, einen wich-
Lohngleichheit konkret an:                                               schauen will, konnte mir der Regie-         tigen Schritt in Richtung gelebte
   Seit Jahrzehnten ist die Lohn-                                        rungsrat nicht erklären. Trotzdem           Gleichstellung zu gehen. Wir bleiben
gleichheit in der Bundesverfassung                                       ist er nicht bereit, unsere Motion          am Thema dran. Denn Lohngleich-
und im Gleichstellungsgesetz ver-                                        entgegenzunehmen. Dies mit haar-            heit ist kein Geschenk an die Frauen,
ankert. Und trotzdem: Frauen ver-                                        sträubenden Ausreden. Unter ande-           sondern ein Recht und ein Verfas-
dienen immer noch durchschnitt-                                          rem ist zu lesen, dass der Anteil der       sungsauftrag, der unverzüglich um-
lich 20 % weniger, wie eine Studie                                       Frauen im Baugewerbe gering sei.            gesetzt werden muss!
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 Das Lebensgefühl
des Kampagnenleiters
Das Rezept für die perfekte Kampagne hat Stefan Krattiger nicht                                   und hauchdünn gewannen. Sowieso war das
gefunden, jede ist anders. Schlimm findet er das nicht, im Gegenteil.                             wechselnde Gegen- und Mit­einander mit an-
Genau das macht seinen Job so spannend. Andrea Bauer                                              dern Parteien und Akteuren spannend. Auf
                                                                                                  unterschiedlichen Seiten des Kampagnen-
Stefan, wie macht man eigentlich eine             Welches waren rückblickend deine Lieb-          grabens hatten wir oft mit ähnlichen Prob-
gute Kampagne?                                    lingskampagnen?                                 lemen zu kämpfen. Eine Berufskollegin hat
Es gibt viele, die glauben, das Patentrezept      Natürlich diejenigen, die wir gewonnen ha-      es sehr treffend beschrieben: Du bist immer
gefunden zu haben – ich gehöre nicht dazu.        ben – als SP-Kampagnenleiter ist man dies-      zu spät, hast kein Geld und irgendwer hat die
Bei einer Kampagne spielen viele Dinge zu-        bezüglich nicht verwöhnt: die Referenden        Doodle-Umfrage noch nicht ausgefüllt. Das
sammen: die Ausgangslage, der Terminplan,         zum Gripen und zur USR III etwa oder die        ist – grob zusammengefasst – das Lebens­
die Medien, die anderen Parteien, die Politi-     «Durchsetzungsinitiative». Bei der Letzte-      gefühl des Kampagnenleiters.
kerinnen und Politiker. Je nachdem entsteht       ren waren unglaublich viele Leute mit ganz
eine Dynamik, die ganz viele dazu bewegt,         unterschiedlichen Argumenten beteiligt,
sich zu engagieren. Jede Abstimmungskam-          sodass eine einmalige Dynamik entstand.            «Du bist immer
pagne ist anders – das macht es so span-          Bei «No Billag» wiederholt sich das ein Stück
nend. Man kann auch nichts falsch machen          weit, das macht mich zuversichtlich. Auch          zu spät, hast kein
und trotzdem verlieren.                           der Wahlkampf 2015 war eine tolle Erfah-
                                                  rung. Daneben gab es viele kleinere Kampa-         Geld und irgend-
Wobei wir bereits bei der entscheidenden          gnen, an die ich mich sehr gerne erinnere.
Frage wären: Welchen Unterschied macht                                                               wer hat die Doodle-
eine Kampagne überhaupt?                          Weshalb?
Das erfahren wir in den meisten Fällen            Meist ging es um gesellschaftspolitische           Umfrage noch nicht
nicht. Um es herauszufinden, müssten wir          Fragen, zum Beispiel als wir zusammen mit
ein Paralleluniversum haben, in dem wir           der FDP die CVP-Ehe-Initiative bekämpften          ausgefüllt.»
keine Kampagne machen.

Kannst du damit leben?

                                                                                                                                                   Jonas Zürcher
Vielleicht ist es für die Motivation sogar bes-
ser so (lacht).

Wie viel kostet eine Kampagne?
Es kommt darauf an, wer sie macht. Für eine
konventionelle Kampagne mit Plakaten, In-
seraten und einer Online-Kampagne geben
die Bürgerlichen problemlos 5 Millionen
aus. Und dabei haben die Leute noch nicht
das Gefühl, das ganze Land sei zuplakatiert.
So viel Geld haben wir nicht. Wenn wir auf
eine halbe Million kommen, ist das viel. Wir
holen aus diesem Geld aber mehr raus. Wir
machen mehr selber und können auf die Un-
terstützung unserer Mitglieder und Aktivis-
tinnen bauen. Das ist unsere Stärke! Wenn
eine andere Partei 20 000 Flyer verteilt, ist
das viel. Wir dagegen bringen problemlos
200 000 Flyer und 800 000 Abstimmungs-
zeitungen unter die Leute.

 Stefan Krattiger (34) verlässt Ende März
 die SP Schweiz. Bereits während seines
 Studiums machte er 2007 ein Praktikum
 in der Kampagnenabteilung. Von 2009
 bis 2011 war er Chefredaktor des «links».
 Nach einem Unterbruch kehrte er Anfang
 2013 als Kampagnenleiter zur SP Schweiz
 zurück.
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