Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risi-koexposition des Motorisierten Individualverkehr - TU ...

 
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Masterarbeit
 zum Thema
 Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risi-
 koexposition des Motorisierten Individualver-
 kehr.

vorgelegt von: Daniel Höfler

Studiengang: Master Verkehrswirtschaft
Verantwortlicher
Hochschullehrer : Prof. Dr. rer. pol. Ostap Okhrin
Betreuer: Dr. rer. nat. Martin Treiber

 Dresden, den 19.10.2021

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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 Einleitung .......................................................................................................................... 1
Kapitel 2 Verkehrssicherheit ........................................................................................................... 3
 2.1 Verkehrssicherheit: Sicherheits- und Risikowahrnehmung ................................................. 4
 2.2 Risikometrie ............................................................................................................................ 6
 2.3 Realisierungskonzepte .......................................................................................................... 11
Kapitel 3 Entwicklung der Verkehrssicherheut in Deutschland ................................................ 14
 3.1 Exkurs Verkehrsgeschichte-der Weg zum MIV .................................................................. 14
 3.2 Maßnahmen und Zwischenbilanzen der Verkehrssicherheit: Trümmerjahre- die Zeit bis
 1950 ....................................................................................................................................... 16
 3.3 Maßnahmen und Zwischenbilanz der Verkehrssicherheit 1950-1970 ............................... 19
 3.4 Maßnahmen und Zwischenbilanz der Verkehrssicherheit 1970-1990 ............................... 24
 3.5 Maßnahmen und Zwischenbilanz der Verkehrssicherheit 1990-2020 ............................... 30
Kapitel 4 Betrachtung der Verkehrssicherheit mit Hilfe von Zeitreihenanalysemethoden ..... 35
 4.1 Zeitreihenanalyse und ARIMA Modell ............................................................................... 35
 4.2 Evaluations-Modelle für die Auswertung Verkehrssicherheit prägender Maßnahmen.... 47
 4.3 Evaluation ausgewählter, die Verkehrssicherheit prägender Maßnahmen anhand der
 Interventionsanalyse und des Causal Impacts .................................................................... 51
Kapitel 5 Fazit .................................................................................................................................. 60
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................. vii

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Schadenshäufigkeitsverteilung in Deutschland 2005, Quelle: Schnieder 2012 S.161 ...... 8
Abbildung 2: Aktive und Passive Sicherheit, Quelle: Kramer 2013 S.4 ............................................... 10
Abbildung 3: Verkehrsunfälle 1906-1913, Quelle: selbsterstellt .......................................................... 17
Abbildung 4: Kfz-Bestand bis 1939, Quelle: selbsterstellt ................................................................... 17
Abbildung 5: Todesrate 1906-1913, Quelle: selbsterstellt .................................................................... 18
Abbildung 6: Todesrate 1936-1938, Quelle: selbsterstellt .................................................................... 18
Abbildung 7: Verkehrsunfälle und Verkehrstote 1950-1970, Quelle: selbsterstellt.............................. 22
Abbildung 8: Aktiver Sicherheitsindex 1950-1970, Quelle: selbsterstellt ............................................ 22
Abbildung 9: Entwicklung der Todesrate 1950-1970, Quelle: selbsterstellt ......................................... 23
Abbildung 10: Unfälle mit Personenschäden/ Fz-km, Quelle: selbsterstellt ......................................... 23
Abbildung 11: Todesopfer Außerhalb und Innerhalb von Ortschaften, Quelle: Praxenthaler 2001, S.55
............................................................................................................................................................... 24
Abbildung 12: Getötete Kinder im Straßenverkehr, Quelle: selbsterstellt ............................................ 24
Abbildung 13: Unfälle je Ortslage, Quelle: selbsterstellt ...................................................................... 25
Abbildung 14: Tote je Ortslage, Quelle: selbsterstellt .......................................................................... 25
Abbildung 15: Getötete Verkehrsteilnehmer je Fz-km, Quelle: selbsterstellt ....................................... 26
Abbildung 16: Sicherheitsgurt Werbung, Quelle: Praxenthaler 2001 S.79 ........................................... 26
Abbildung 17: Gurtanlegequote, Quelle: selbsterstellt.......................................................................... 27
Abbildung 18: Hauptverursacher Unfälle, Quelle: selbsterstellt ........................................................... 29
Abbildung 19: Tote je Altersgruppe, Quelle: selbsterstellt ................................................................... 29
Abbildung 20: Sicherheitsindex ab 1990, Quelle: selbsterstellt ............................................................ 30
Abbildung 21:Anteil Alkohol 1990-2019, Quelle: selbsterstellt ........................................................... 31
Abbildung 22: Entwicklung Verkehrstote je Ortslage, Quelle: selbsterstellt ........................................ 32
Abbildung 23: Unfallursachen, Quelle: selbsterstellt ............................................................................ 34
Abbildung 24: Zeitreihe monatliche Verkehrsunfälle, Quelle: selbsterstellt ........................................ 35
Abbildung 25: Monatliche Entwicklung der Unfälle, Quelle selbsterstellt ........................................... 36
Abbildung 26: Gleitender Durchschnitt, Quelle: selbsterstellt .............................................................. 36
Abbildung 27: Dekompensation der Daten, Quelle: selbsterstellt ........................................................ 37
Abbildung 28: ACF, Quelle: selbsterstellt ............................................................................................ 38
Abbildung 29: PACF, Quelle: selbsterstellt .......................................................................................... 38
Abbildung 30: Änderung der Unfälle pro Monat, Quelle: selbsterstellt ............................................... 39
Abbildung 31: ACF Diff 1, Quelle: selbsterstellt .................................................................................. 40
Abbildung 32: PACF: Diff 1, Quelle: selbsterstellt .............................................................................. 40
Abbildung 33: Änderung Verkehrsunfälle je Monat, Quelle: selbsterstellt .......................................... 41
Abbildung 34: ACF und Res ETS, Quelle: selbsterstellt ...................................................................... 44
Abbildung 35: ACF und Res ARIMA, Quelle: selbsterstellt ................................................................ 44
Abbildung 36: ACF und Res SARIMA, Quelle: selbsterstellt .............................................................. 44
Abbildung 37: ACF und Res opt. ARIMA, Quelle: selbsterstellt ......................................................... 45
Abbildung 38: Forecast ETS, Quelle: selbsterstellt .............................................................................. 45
Abbildung 39: Forecast ARIMA, Quelle: selbsterstellt ........................................................................ 45
Abbildung 40: Forecast SARIMA, Quelle: selbsterstellt ...................................................................... 46
Abbildung 41: Forecast Opt ARIMA, Quelle: selbsterstellt ................................................................. 46
Abbildung 42: ACF und Res Final ARIMA, Quelle: selbsterstellt ....................................................... 46
Abbildung 43: Forecast Final ARIMA, Quelle: selbsterstellt ............................................................... 47
Abbildung 44: aktiver Sicherheitsindex 1990, Quelle: selbsterstellt .................................................... 49
Abbildung 45: Causal Impact Kfz 2001, Quelle: selbsterstellt ............................................................. 51
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Abbildung 46: aktiver Sicherheitsindex 1972, Quelle: selbsterstellt .................................................... 52
Abbildung 47: passiver Sicherheitsindex 1984, Quelle: selbsterstellt .................................................. 52
Abbildung 48: passiver Sicherheitsindex ab 1999, Quelle: selbsterstellt .............................................. 53
Abbildung 49: Gurtanlegequote 1984, Quelle: selbsterstellt................................................................. 54
Abbildung 50: Verkehrstote Kinder 1972, Quelle: selbsterstellt .......................................................... 54
Abbildung 51: Verkehrstote Außerorts 2003, Quelle: selbsterstellt...................................................... 55
Abbildung 52: Verunglückte 1999, Quelle: selbsterstellt ..................................................................... 56
Abbildung 53: Verunglückte innerorts 2006, Quelle: selbsterstellt ...................................................... 56
Abbildung 54: Verkehrstote Innerorts 1984, Quelle: selbsterstellt ....................................................... 57
Abbildung 55: Causal Impact Kfz 1984 bzw. 1990, Quelle: selbsterstellt ............................................ 58
Abbildung 56: Causal Impact 1980, Quelle: selbsterstellt .................................................................... 58
Abbildung 57: Causal Impact 1986, Quelle: selbsterstellt .................................................................... 59
Abbildung 58: Causal Impact 1999, Quelle: selbsterstellt .................................................................... 59

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Schadensausmaß, Quelle: Schnieder 2012 S.154 ................................................................... 7
Tabelle 2: Implementierung Verkehrssicherheitsmaßnahmen, Quelle: selbsterstellt ............................ 12
Tabelle 3: Anzahl der Einwohner je PKW, Quelle: Merki 2008 S.56 .................................................. 16
Tabelle 4: Maßnahmen 1950-1970, Quelle: selbsterstellt ..................................................................... 20
Tabelle 5: Maßnahmen 1970-1990, Quelle: selbsterstellt ..................................................................... 28
Tabelle 6: Technische Maßnahmen, Quelle: selbsterstellt .................................................................... 32

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Abkürzungsverzeichnis

ABS Antiblockiersystem
ACF Autocorrelation Function
ADAC Allgemeine Deutsche Automobil-Club
ADF Augmented Dickey-Fuller
AIC Akaike Information Criterion
AIS Overall Abbreviated Injury Scale
AR Autoregressive
ARIMA Autoregressive Integrated Moving Average
ARMA Autoregressive Moving Average
AvD Automobilclub von Deutschland
BAVC Bruderhilfe Automobil- und Verkehrssicherheitsclub
DDR Deutsche Demokratische Republik
DM Deutsche Mark
DVR Deutscher Verkehrssicherheitsrat
ETS Exponential Smoothing
EU Europäische Union
FGSV Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen
Fz Fahrzeug
Kfz Kraftfahrzeug
KPSS Kwiatkowski-Phillips-Schmidt-Shin
LDW Lane Departure Warning
LKA Lane Keeping Assistent
LKW Lastkraftwagen
MA Moving Average
MIV Motorisierter Individualverkehr
MPU Medizinisch- Psychologische Untersuchung
PACF Partial Autocorrelation Function

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PKW Personenkraftwagen
SARIMA Seasonal Autoregressive Integrated Moving Average
StVG Straßenverkehrsgesetz
StVO Straßenverkehrsordnung
TÜV Technischer Überwachungsverein

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Kapitel 1 Einleitung

„Das Auto durch die Lande hetzt.

Grell tutet die Trompete.

Wer hat es in den Sumpf gesetzt?

Die rasend schnelle Kröte.“

(vgl. Kenneth Grahame 2004 S.179)

Dieses Gedicht aus dem Buch „Der Wind in den Weiden“ von Kenneth Grahame aus dem Jahr
1908 beschreibt das Problem der Verkehrssicherheit und den Umgang mit den frisch erfunde-
nen Automobilen. In diesem Buch sind die Protagonisten Tiere, welche jedoch wie Menschen
leben und dieselben Freuden und Nöte teilen. Ein sehr wohlhabender „Kröterich“ entdeckt die
Kraft und die Schnelligkeit der Automobile für sich und fährt ohne Rücksicht auf Verluste
durch die Lande. Dabei baut er regelmäßig Unfälle und bringt seine Mitmenschen/“Mittiere“
in Gefahr. Auch wenn diese Geschichte in einem fiktiven England spielt, ist sie in einigen
Punkten nicht weit von der Realität entfernt und spiegelt sehr gut die anfängliche Einstellung
gegenüber PKWs und die Probleme der Verkehrssicherheit durch fehlende Regeln im Straßen-
verkehr wider.

Diese Arbeit befasst sich mit der Entwicklung der Verkehrssicherheit in Deutschland von der
Zeit der Entwicklung des Automobils bis hin ins Jahr 2021. Im besonderen Fokus steht dabei
der Motorisierte Individualverkehr und die Maßnahmen, die ergriffen worden sind, um den
Straßenverkehr sicherer zu gestalten.

Das zweite Kapitel steckt dabei den Rahmen dieser Arbeit, indem erklärt wird wie Verkehrssi-
cherheit wahrgenommen und gemessen wird. Anschließend wird erklärt welche Arten von
Maßnahmen ergriffen werden können, um die Verkehrssicherheit aufrechtzuerhalten und zu
verbessern. Kapitel 3 beschreibt zuerst, als kurzen Exkurs, die Entwicklung von der Postkutsche
zum Automobil. Anschließend werden epochenweise umgesetzte Maßnahmen der Verkehrssi-
cherheit vorgestellt und anhand entsprechender Kennziffern deskriptiv analysiert. Diese bilden
dann die Grundlage für die weitere genauere Betrachtung der Daten. Dabei liegen erst ab den

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1950iger Jahren umfangreiche Daten zur Analyse vor. Die Zeit davor wird dementsprechend
nur kurz beleuchtet.

Das vierte Kapitel bildet den Hauptteil dieser Arbeit. Dieses beschäftigt sich mit der Zeitrei-
henanalyse und dem Aufstellen eines Modells zur weiterführenden Entwicklung der Verkehrs-
sicherheit. Hierfür werden ARIMA-Modelle genutzt. Anschließend werden die Strukturbrüche
der Zeitreihen ausgewählter Verkehrskennziffern, verursacht durch die im vorangegangenen
Kapitel vorgestellten Maßnahmen untersucht. Dies dient der Evaluierung der getroffenen Maß-
nahmen. Die Anwendung der Modelle und die Analyse der Daten erfolgt mit der Open Source
Software R-Studio. In dieser Arbeit wird das analytische Vorgehen exemplarisch schrittweise
beschrieben, jedoch werden die zur Datenanalyse verwendeten Programmcodes, nicht detail-
liert abgebildet, da der Fokus auf dem allgemeinen Vorgehen, den Ergebnissen und deren In-
terpretation liegt.

Am Ende dieser Arbeit soll eine Aussage darüber getroffen werden können, inwieweit sich die
Verkehrssicherheit, seit der Entwicklung des Automobils, entwickelt hat und welche Maßnah-
men Diese im besonderen Maße geprägt haben. Fragen, die sich in diesem Zusammenhang
stellen sind:

 • Gibt es Maßnahmen, die sich in den Zeitreihen aller Verkehrskennzahlen wiedererken-
 nen lassen und somit einen besonders starken Anteil an der Verkehrssicherheit genom-
 men haben?
 • Gibt es Maßnahmen die einen Strukturbruch eingeläutet haben, auf dessen Grundlage
 sich die Verkehrssicherheit dauerhaft verbessert hat?

In den nachfolgenden Kapiteln soll ein Einblick über die Entwicklung der Verkehrssicherheit
gegeben werden und diese Fragen geklärt werden.

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Kapitel 2 Verkehrssicherheit

Sicherheit im Verkehr beschreibt nicht das „Freisein von jeglicher Gefahr“, sondern resultiert
aus der Unsicherheit des Verkehrs und dem damit verbundenen Risiko Schaden in einem be-
stimmten Umfang zu erleiden. Sowohl Risiko als auch Schaden sollen daher dem Nutzen ent-
sprechend minimal gehalten werden (vgl. Kramer 2013 S. 2). Dabei bedient man sich verschie-
dener Risikokennziffern, um Ziele verbal formulieren zu können.

Das nachfolgende Kapitel befasst sich mit diesen Grundbegriffen und Wahrnehmung der Ver-
kehrssicherheit und der damit verbundenen Risikometrie und der Risikowahrnehmung.

Verkehrssicherheit, das Zusammenspiel aus Verkehr und Sicherheit, bezeichnet die Risiken
und Gefahren, die bei der Ortsveränderung von Personen oder Sachgütern, welche sich mit
Hilfe von Verkehrsmitteln in der Verkehrsinfrastruktur fortbewegen (vgl. Schnieder 2012
S.74). In dieser Art der Definition verstecken sich vielerlei Teilbegriffe, die die Sicherheit
beschreiben:

Verkehrssicherheit kann sowohl die Verkehrsobjektsicherheit (die reisende Person), als auch
die Verkehrsmittelsicherheit (das verwendete Transportmittel) beschreiben. Das Verkehrsrisiko
beschreibt dabei die Wahrscheinlichkeit und den Schweregrad einer möglichen Verletzung oder
auch eines Verkehrsschadens, die aus einem Verkehrsunfall entstehen können (vgl. Schnieder
2012 S.77 f).

Dabei können zwei wesentliche Sicherheitstermini verwendet werden: sicherheitskritisch, so-
wie sicherheitsrelevant. Der erstere beider Ausdrücke beschreibt die Vermeidung eines mögli-
chen Schadenspotentials und der zweite die Aufrechterhaltung des bestehenden Sicherheitssys-
tems. Beide Ausdrücke definieren damit die Maßnahmen zur Umsetzung der Sicherheit, welche
einen großen Stellenwert in dieser Arbeit aufweisen.

Hierbei wird wiederum in zwei Kategorien unterschieden: zum einen den Schutz des Systems.
Dieser versucht das Verkehrssystem vor Fremdeinwirkung zu schützen, d.h. Straßen werden
beispielsweise befestigt, damit sie nicht abrutschen. Die zweite Kategorie ist der Schutz der
Umwelt, welche Versagen innerhalb des Verkehrssystems vorbeugen soll. Einem PKW versa-
gen die Bremsen und dies kann zu Unfällen führen (vgl. Schnieder 2012 S.75). Durch solche

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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

Ereignisse entstehen Wechselwirkungen, die ebenfalls ein Risiko für andere Verkehrsteilneh-
mer mit sich bringen.

2.1 Verkehrssicherheit: Sicherheits- und Risikowahrnehmung
Bevor die Maßnahmen erklärt werden können, die Verkehrssicherheit gewährleisten sollen,
muss zuerst geklärt werden, wie Sicherheit empfunden wird und auf welchen Ebenen Maßnah-
men umgesetzt werden können. Verkehrssicherheit kann nicht einfach erlebt werden, sondern
lässt sich lediglich anhand bestimmter Sachverhalte beobachten und messen. Dies geschieht
mitunter über die individuelle Wahrnehmung, welche olfaktorische (Riechen), gustatorisch
(Schmecken), optisch (Sehen), haptisch (Tasten) und akustisch (Hören) erfolgen kann. Im Ver-
kehrssicherheitskontext sind jedoch nur die optische, haptische und akustische Wahrnehmung
von nennenswerter Relevanz (vgl. Schnieder 2012 S.84 f).

• Die visuelle Wahrnehmung funktioniert über die physikalische Wahrnehmung der Ausbrei-
 tung von Licht von der Reizquelle weg, hin zum menschlichen Auge. Dabei spielt das Licht
 eine entscheidende Rolle, da bei abnehmendem Licht, die Fähigkeit der optischen Wahr-
 nehmung und vor allem der Farbwahrnehmung immer weiter abnimmt. Gerade im Straßen-
 verkehr arbeitet man oft mit optischen Reizen und der Verwendung von Signalfarben. So
 signalisiert z.B. die Heckleuchte eines vorausfahrenden bremsenden Fahrzeugs, dass dies
 zum Stillstand kommt und man seine Geschwindigkeit diesem Hindernis anpassen sollte.
 Ebenfalls spielt die physiologische Ebene, also die Verarbeitung der optisch wahrgenom-
 menen Informationen eine wichtige Rolle im Straßenverkehr. Der Missbrauch von Alkohol
 und Drogen, aber auch das höhere Lebensalter eines Verkehrsteilnehmers können die Wahr-
 nehmung und Verarbeitung der visuellen Reize maßgeblich beeinflussen (vgl. Schnieder
 2012 S.87).
• Die Bedeutung der akustischen Wahrnehmung ist in zweierlei Hinsicht für die Verkehrssi-
 cherheit von Bedeutung: zum einen dient sie als Hauptkommunikationsmittel des Men-
 schen, zum anderen ist sie ein wesentlicher Bestandteil des Orientierungssinns. Mit Hilfe
 des Dopplereffekts ist es sogar möglich die Bewegungsrichtung eines Objekts mit Hilfe der
 akustischen Wahrnehmung auszumachen (vgl. Hutter 2017). Das Wissen um solche Infor-
 mationen ermöglicht mitunter eine Bestätigung der visuellen Wahrnehmung. Ein Vorteil
 der rein akustischen Wahrnehmung ist dabei, dass sie richtungsunabhängig erfolgt. Die Per-
 son muss nicht ihren Kopf in eine Richtung bewegen, um ein Warnsignal im Sichtfeld wahr-
 nehmen zu können; sondern kann dieses akustisch und bewegungsunabhängig wahrnehmen
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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

 und verarbeiten. Oft ergänzen sich visuelle und akustische Wahrnehmung insofern, dass
 beide Sinne angesprochen werden, falls einer der beiden durch irgendeine Weise einge-
 schränkt wird (vgl. Schnieder 2012 S.87).
• Die haptische Wahrnehmung erfolgt über die Haut des Menschen über die Wahrnehmung
 von mechanischen Reizen oder auch Temperaturveränderungen. Auch hier wird oftmals auf
 eine Wechselwirkung mit anderen Wahrnehmungsarten angepeilt. So verlassen sich Sehbe-
 hinderte Menschen beispielsweise auf taktile Elemente im Verkehrsraum, wie die Verän-
 derung des Bodenbelags oder die Vibration des Lenkrads bei Überschreitung der Fahrbahn-
 markierung (vgl. Schnieder 2012 S.88).

Jedoch reicht die Betrachtung der physischen Wahrnehmung nicht aus, da die Risikowahrneh-
mung von einer Vielzahl von Kriterien beeinflusst wird, die die darauf aufbauenden Maßnah-
men erklären. Dabei kann man von folgenden Kategorien der Risikowahrnehmung sprechen:

Die objektive und subjektive Risikowahrnehmung bildet dafür die Grundlage. Die objektive,
also rationale Wahrnehmung bedient sich empirisch belegbarer Fakten und betrachtet die Un-
fallwahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit der Schwere des Schadens oder analysiert mit
Hilfe deduktiver Modelle die Unfallhäufigkeit verglichen mit der Grundgesamtheit. Die objek-
tive Risikowahrnehmung wird auch in dieser Arbeit mit Hilfe verschiedener statistischer Me-
thoden genutzt, um eine rationale Aussage zur Verkehrssicherheit tätigen zu können.

Die subjektive und emotionale Wahrnehmung unterscheidet sich von Person zu Person und
kann auch durchaus irrationale Züge aufweisen. Sie ist auf die subjektive Wahrnehmung von
Situationen und Umständen zurückzuführen und kann in über 50 Risikomerkmale untergliedert
werden. So werden Situationen, in denen das Individuum einen höheren persönlichen Einfluss
nimmt als weniger bedrohlich wahrgenommen und zeigen somit ein höheres Sicherheitsemp-
finden. Ein Beispiel dafür ist die Teilnahme am Straßenverkehr als Führer eines Fahrzeugs im
Gegensatz zur Reise mit einem Flugzeug. Im Flugzeug hat die Person keinerlei Einfluss auf das
Geschehen, wodurch es als unsicher klassifiziert ist. Dies ist aber nur ein Beispiel von vielen
möglichen Szenarien, die zur Diskrepanz zwischen rationaler und emotionaler Wahrnehmung
beitragen (vgl. Schnieder 2012 S.88 ff).

Das Beispiel des Mitreisenden im Flugzeug lässt sich auch sehr gut auf die aktive und passive
Wahrnehmung übertragen. Die aktive Risikowahrnehmung erfolgt, wenn das Individuum selbst
in das Geschehen eingreifen kann, auf Grundlage des erlebten. Er ist also ein Beobachter 1.

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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

Ordnung und beeinflusst das Verkehrsgeschehen aktiv. Die Risikowahrnehmen kann aber auch
auf passive Art und Weise geschehen, zum Beispiel durch das Erleben des Verkehrsgeschehens
aus Sicht eines Mitreisenden oder Polizisten. Man spricht hierbei vom Beobachter 2. Ordnung,
der die Situation von außen betrachtet und nach seiner eigenen Auffassung bewertet. Dabei
divergieren die Eigen- und Fremdwahrnehmung, was eine Studie der Continental aus dem Jahr
2005 aufzeigt. Das eigene Fahrverhalten wird grundsätzlich als besser eingeschätzt, als das der
anderen Verkehrsteilnehmer und männliche Fahrzeugführer neigen vermehrt dazu ihre Fahr-
leistung zu überschätzen. Dieser Fakt wird später in der deskriptiven Auswertung der Verkehrs-
kennzahlen aufgegriffen (vgl. Luhmann 1991, nach Schnieder 2012 S.91 f).

Dieses Beispiel kann wiederum auf die individuelle Risikowahrnehmung bezogen werden, da
hierbei vor allem soziodemografische Merkmale berücksichtigt werden. Kollektive Risikowahr-
nehmung betrachtet die Bewertung von Risiken durch eine Gruppe welchen sozialen und kul-
turellen Merkmalen unterliegt. Ein Beispiel hierfür findet sich in der Politik und dem Straßen-
verkehrsrecht: die lange Diskussion um die Anpassung des Tempolimits, welche auch in einem
späteren Kapitel thematisiert werden wird (vgl. Schnieder 2012 S.92 f).

Die kollektive Wahrnehmung wird dabei oft auf medialer Ebene geprägt, man spricht von einer
mittelbaren Risikowahrnehmung. Anders als bei der unmittelbaren Risikowahrnehmung erlebt
das Individuum das Geschehen weder aktiv noch passiv, sondern bekommt Informationen dar-
über vermittelt. Oftmals entsteht dabei eine Diskrepanz zwischen objektiver Informationsver-
mittlung und medialer Übertragung, da über besonders schwere Verkehrsunfälle besonders in-
tensiv berichtet wird und dadurch eine scheinbar höhere Relevanz entsteht (vgl. Schnieder 2012
S.95).

Das relative Ziel der Verkehrssicherheit sieht das Beibehalten oder sogar Verbessern des mo-
mentanen Sicherheitssystems vor. Das absolute Ziel bedient sich der nachfolgend erklärten
Kennziffern zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Sicherheit (vgl. Schnieder 2012 S.
610).

2.2 Risikometrie
Das Verkehrsrisiko bildet eine wichtige Kenngröße, welche hilft die Verkehrssicherheit zu de-
finieren und zu interpretieren. Dabei ist das Risiko als solches nicht ohne weiteres einheitlich
definierbar, jedoch kann man allgemein von der Abwägung von Gewinnen und Vorteilen (des
kürzeren Wegs) zur Kompensierung eventueller Verluste sprechen. Dabei klassifizieren vor
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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

allem die Verluste die Höhe des Risikos, weshalb anschließend einige erläutert werden sollen.

Durch Verkehrsunfälle kann es unter anderem zu Sachschäden an Fahrzeugen und der Infra-
struktur kommen. Dabei entstehen Kosten, die durch die Betriebsstörung kompensiert werden
müssen. Im Bereich der Infrastruktur können das beispielsweise Fahrbahnschäden sein. Um-
weltschäden, sowie auch Immissionsschäden werden kurzzeitig erfasst und werden analysiert,
um die Langzeitschäden festzustellen. Hierbei handelt es sich z.B. um den Schadstoffgehalt in
der Luft oder die Auswirkungen des Umgebungslärms (vgl. Schnieder 2012 S.152 f).

Diese Arbeit befasst sich jedoch vor allem mit etwaigen Personenschäden. Dabei werden diese
mit Hilfe der Zahl der Todesopfer, der Leicht- sowie der Schwerverletzten betrachtet. Für die
Klassifizierung dieser Merkmale verwendet man eine vierstufige Ordinal/Nominal skalierte
Übersicht, welche sich an der „Overall Abbreviated Injury Scale“ orientiert, welche die
Schwere der Verletzung definiert (vgl. Seiffert 2007, nach Schnieder 2012 S.154):

Tabelle 1: Schadensausmaß, Quelle: Schnieder 2012 S.154

 Klasse Beschreibung AIS Beispiel
 S0 Keine Verletzung AIS 0 Keine Verletzung
 S1 Leichte Verletzung AIS 1, AIS 2 Gehirnerschütterung
 S2 Schwere Verletzung AIS 3, AIS 4 Rippenfraktur
 S3 Tödliche Verletzung AIS 5, AIS 6 Gehirnblutung

Vor allem steht die Anzahl der tödlichen Verletzungen als Kennzahl im Mittelpunkt, welche es
als kritische Kennzahl zu reduzieren gilt. Ein komplexer Ansatz, welcher sich dieser Kennzah-
len bedient, ist die Idee die Ausfallzeit eines Personenschadens über einen Zeitraum darzustel-
len. Dabei wird die mittlere Lebenszeit, die Restlebenszeit und die Überlebenswahrscheinlich-
keit mit berücksichtig. Eine Verletzung würde somit die effektive Lebenszeit verkürzen (vgl.
Schnieder 2012 S.156). Dieser Ansatz wird vor allem von Versicherungen genutzt.

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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

Dabei treten nicht alle Verletzungsarten gleich häufig auf. Die Schadenseintrittshäufigkeit, wel-
che sich durch wiederholtes Eintreten einer Schadensart ergibt, bietet eine Übersicht darüber.
Ähnlich die Schadensausmaßhäufigkeit, welche die Grundlage für volkwirtschaftliche Scha-
 densmaßberechnungen bildet. Abbil-
 dung 1 verdeutlicht die Schadenshäu-
 figkeitsverteilung (vgl. Baum 2010,
 nach Schnieder 2012 S.161). Diese
 Grafik veranschaulicht, dass Ver-
 kehrstote zwar im Vergleich zu Ver-
 letzungen deutlich seltener vorkom-
 men, jedoch mit ihnen hohe volks-
 wirtschaftliche Kosten einhergehen.
Abbildung 1: Schadenshäufigkeitsverteilung in Deutschland 2005,
Quelle: Schnieder 2012 S.161

Um die Auswirkungen von Unfällen einschätzen zu können sind Risikomaße notwendig. Dabei
kann das Risiko für das Schadensausmaß und die –wahrscheinlichkeit für eine Person indivi-
duell oder kollektiv untersucht werden. Individuelle Risiken (Risiko für eine Person) beziehen
sich oft auf Vergleichswerte wie Tote je Anzahl an Verkehrssystemnutzer, wohingegen kollek-
tive Risikobetrachtung eines Systems sich auf die Leistung dieses Systems bezieht. Also wer-
den beispielsweise Tote je Fahrzeugkilometer betrachtet (vgl. Schnieder 2012 S.166). Da ab-
solute Zahlen schwer miteinander zu vergleichen sind, ist es oft angebrachte diese zu normali-
sieren. Dabei kann man die Verkehrskennzahlen mit verschiedenen Merkmalsklassen in Ver-
bindung setzen. Die Risikowerte im Verkehr lassen sich mit Verkehrsleistung (z.B. Anzahl der
Fahrzeuge, Fahrleistung), Verkehrsweginfrastruktur (Weglänge), Verkehrsleittechnik (Ver-
kehrszeichen) und Verkehrsgeografie/-wirtschaft (Bevölkerung) vergleichen (vgl. Schnieder
2012 S.173). Die dabei resultierenden Kennzahlen, wie z.B. die Anzahl der Unfälle je Kraft-
fahrzeuge bezeichnet man als Sicherheitsindex (vgl. Kramer 2013 S.7). Diese Arbeit nutzt die-
sen Ansatz, um die langfristige Entwicklung der Verkehrssicherheit in Deutschland zu analy-
sieren. Anhand dieser Analyse können dann geeignete Modelle aufgestellt werden, um bei-
spielsweise Maßnahmen zu evaluieren. Diese Modelle finden vor allem in Form von Simulati-
onen statt oder nutzen Modellfahrzeuge, können aber auch statistisch ausgeführt werden. Ein
parametrischer Modellansatz, von Nilssons, kann beispielsweise zur Evaluation der Geschwin-
digkeitsbegrenzung angewandt werden (vgl. Nilsson 2004, nach Schnieder 2012 S. 209).
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2.3 Implementierungskonzepte

Nachfolgend werden die Konzepte erklärt, welche zur Realisierung der Verkehrssicherheit bei-
tragen sollen. Die detaillierten Implementierungsbeispiele werden in Kapitel 3 in der zeitlichen
Entwicklung der Verkehrssicherheit betrachtet.

Grundlegend unterscheidet man zwei wesentliche Konzeptansätze: aktive und passive Sicher-
heit (siehe Abb. 2). Worauf sich diese Maßnahmen beziehen können, wurde bereits in Kapitel
2.1 erläutert. Aktive Sicherheitsmaßnahmen beziehen sich auf die Gefährdungsvermeidung
oder auch Gefährdungsabwehr. Sie sorgen also dafür, dass es erst gar nicht zu einem Unfall
kommt. Passive Sicherheitsmaßnahmen beschäftigen sich mit Schadensminderung. Grundsätz-
lich unterscheiden sich passive Maßnahmen dadurch von aktiven Maßnahmen, dass sie ihre
Funktionalität nicht verlieren. Ist ein Sitz zum Beispiel mit einer Nackenstütze ausgestattet, ist
das ein permanenter Schutz-Umstand. Aktive Maßnahmen setzen jedoch eine Handlung voraus
und sind daher anfälliger für Systemfehler (vgl. Schnieder 2012 S.402).

Eine vollkommene Gefährdungsvermeidung ist trotz aller Maßnahmen nicht realisierbar. Jeder
Verkehrsteilnehmer, der sich dem Verkehr aussetzt, setzt sich auch einem Risiko aus. Dieses
Risiko kann jedoch durch die Gefahrenabwehr verringert werden. Beispiele hierfür sind das
Antiblockiersystem und die elektronische Fahrzeugstabilisierung. In beiden Fällen tritt zwar
eine Gefährdung kurzzeitig ein, dieser wird aber sogleich intervenierend gegengesteuert (vgl.
Schnieder 2012 S.406). Kommt es trotzdem zum Schadensfall ist Gefahrenabwehr notwendig.
Gefahrenabwehr kann beispielsweise in Form von Barrieren (also Fahrbahnbegrenzungen) oder
Schutzvorrichtungen (z.B. Airbags) realisiert werden.

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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

Abbildung 2: Aktive und Passive Sicherheit, Quelle: Kramer 2013 S.4

Die Umsetzung der Gefährdungsverhinderung oder –minderung beruht auf verschiedenen funk-
tionalen Konzepten. Der Grundgedanke ist es, ein System zu gestalten, das in einem sicheren
Zustand bleibt (vgl. Schnieder 2012 S.409). Ein Konzept regelt die Einhaltung eines zulässigen
Grenzraumes. Die reaktive Überwachung überwacht Zustandsgrößen wie Temperatur oder
Drehzahlen und warnt, falls es zu einer Überschreitung dieser Schwellenwerte kommt. Polizei-
liche Geschwindigkeitskontrollen sind ein verkehrsorganisatorisches Beispiel. Proaktive Über-
wachungskonzepte sind beispielsweise der Erwerb der Fahrerlaubnis oder die Hauptuntersu-
chung des Fahrzeugs. Beide Überwachungsarten sind eng mit den zwei weiteren Konzepten
verbunden (Steuerung und Regelung), da sie oftmals nur greifen (reaktive Überwachung), wenn
diese ausfallen (vgl. Schnieder 2012 S.409 ff). Die konzeptionelle Umsetzung der Steuerung
erfolgt mitunter über Warnhinweise. Würde eine hohe Geschwindigkeit dazu führen, dass das
Fahrzeug aus einer Kurve geschleudert wird, ist eine Vorgabe einer Höchstgeschwindigkeit
mittels Verkehrszeichen umzusetzen (vgl. Schnieder 2012 S.413). Regelungen helfen dabei
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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

vorgegebene Werte einzuhalten. Dabei sind technische Anpassungen sehr verbreitet. So helfen
das Antiblockiersystem oder auch die Spurhaltung (Lane Keeping Assistant) beim Einhalten
dieser (vgl. Schnieder 2012 S.415). Der Schutz vor Gefährdungen kann mit Hilfe dieser Kon-
zepte realisiert werden. Sie liefern Informationen für den Verkehrsteilnehmer. Jedoch können
darüber hinaus Gefährdungen entstehen, wenn diese Informationen zwar vorhanden, aber den-
noch ignoriert werden. Deshalb muss darüber hinaus auch eine Warnung erfolgen, z.B. durch
optische oder akustische Zeichen oder Signale (vgl. Schnieder 2012 S.420 f).

2.3 Realisierungskonzepte
Im Wesentlichen unterscheidet man drei Gruppen der Realisierungskonzepte: Menschliche,
Technisch/Physikalische und Informationstechnische.

Die Menschlichen Realisierungskonzepte bauen auf Education, Exercise, Enforcement und En-
gineering. Der Erwerb der Fahrerlaubnis spiegelt die Erziehung und Ausbildung fundamental
wider. Das Erlernen und der Umgang mit den Verkehrsregeln, der praktischen Ausbildung
durch Fahraufgaben, aber auch das Instandhalten der Fahrzeuge sollen einen Rahmen für si-
chern Umgang im und mit dem Straßenverkehr schaffen (vgl. Krüger 2010, nach Schnieder
2012 S.443 f). Dabei gilt es die erworbenen Fähigkeiten zu wiederholen und zu üben. Erfahrene
Fahrer neigen dazu, seltener Fehler mit schweren Folgen zu machen. Dieser Gedanke wird im
deskriptiven Teil der Arbeit näher beleuchtet. Daher wird für junge Fahranfänger begleitendes
Fahren angeboten, damit sie schon früh den Umgang mit dem Fahrzeug erlernen können (vgl.
Schnieder 2012 S.447). Die Kontrolle und Bestrafung erfolgt mit Hilfe von Bußgeldern und
einem Strafpunktesystem, auch dieser Umstand wird in der Zeitreihenentwicklung der deut-
schen Verkehrssicherheit im späteren Abschnitt aufgegriffen. Kontrolle kann aber nicht nur zu
Bestrafung, sondern auch zur Belohnung verkehrskonformen Verhaltens sorgen. Ein solches
System setzen viele Versicherungen ein, um besondere „gute“ Fahrweise mit geringeren Ver-
sicherungsbeiträgen zu belohnen (vgl. Schnieder 2012 S.454).

Das Engineering bringt Technisch/Physikalische Konzepte hervor. Hierzu zählen z.B. Systeme
zur Vermeidung des Abkommens vom Verkehrsweg oder Kollisionsvermeidung. Aber auch
Anwendung von physikalischen Prinzipen (Umsetzung im Sicherheitsgurt) oder Gestaltung und
Form von Werkstoffen (vgl. Schnieder 2012 S.457-462). Informationstechnische Konzepte
sind für die Überwachung der Funktionsfähigkeit der Systeme zuständig.

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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

Implementiert werden diese Konzepte für Verkehrsobjekte, -mittel, -infrastruktur und –organi-
sation (vgl. Schnieder 2012 S. 488). Auch die Implementierung kann man in drei Gruppen glie-
dern: Prävention, Intervention und Postvention (siehe Tabelle 2).

Tabelle 2: Implementierung Verkehrssicherheitsmaßnahmen, Quelle: selbsterstellt

 Prävention Intervention Postvention
 Verkehrsobjekt Verkehrsordnung Sensorik Schutzkleidung
 Verkehrsmittel TÜV Assistent Systeme Keine scharfen Kan-
 ten
 Verkehrsinfrastruk- Kurven Fahrbahnmarkierun- Rückhaltsysteme
 tur gen
 Verkehrsorganisa- Werbekampagnen Fokus auf Fahraufga- Rettungsgasse
 tion ben

Präventionsmaßnahmen konzentrieren sich auf das Vermeiden von Fehlern. In der Verkehrsin-
frastruktur werden sie vor allem durch bauliche Maßnahmen genutzt. So können Kurven bei-
spielsweise ein monotones Geradeausfahren unterbrechen und somit Müdigkeit und Sekunden-
schlaf vorbeugen (vgl. Natzschka 2011, nach Schnieder 2012 S.496). Die Gestaltung der Ver-
kehrsmittel und der regelmäßigen Überprüfung durch die Hauptuntersuchung dienen ebenfalls
der Prävention. Selbiges gilt für Maßnahmen zur Ladungssicherung oder allgemein der Stra-
ßenverkehrsordnung, welche die Verkehrsobjekte schützen soll (vgl. Schnieder 2012 S.497 ff).
Zur Verkehrsorganisation zählen neben die Einhaltung von Grenzwerten wie der Geschwindig-
keit und Werbekampagnen, auch der Erwerb und die Aufrechterhaltung der Fahrerlaubnis (vgl.
Schnieder 2012 S.499 f).

Interventionsmaßnahmen sehen das gezielte Eingreifen unmittelbar vor dem Unfallgeschehen
vor. Verkehrsorganisatorisch betrachtet sieht eine Studie von Bartel und Hager aus dem Jahr
2006 Werbekampagnen durch große Schilder am Straßenrand, die dazu auffordern langsamer
zu fahren, als problematisch an. Hingegen soll der Fahrer ermahnt werden konzentriert zu fah-
ren und sich nicht ablenken zu lassen (vgl. Schnieder 2012 S.504 f).

Postventionsmaßnahmen sehen beispielsweise Vorgaben am Verkehrsmittel oder am Verkehrs-
objekt (Schutzhelm für Motorradfahrer) vor, welche das Schadensausmaß begrenzen sollen
(vgl. Schnieder 2012 S.509 ff).
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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

Einen Umfassenden Einblick in die Evaluation von Maßnahmen und Konzepten liefert das
„Handbook of Road Traffic Measures“ von Elvik und Vaa et al aus dem Jahr 2009, welches zur
Bewertung der umgesetzten Verkehrsmaßnahmen in Deutschland zu Rate gezogen werden
kann. In dieser Arbeit werden etwaige Maßnahmen anhand von Modellen im Bereich der Zeit-
reihenanalyse beurteilt, wohingegen Elvik und Vaa auf viele umfangreiche Studien aus ver-
schiedenen Ländern zurückgreifen können. Daher erfolgt die Bewertung der Maßnahmen an-
hand der zugrundeliegenden Verkehrskennzahlen. Eine Evaluation der Kosten/Nutzen Kompo-
nenten erfolgt jedoch nicht.

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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

Kapitel 3 Entwicklung der Verkehrssicherheut in
 Deutschland

3.1 Exkurs Verkehrsgeschichte-der Weg zum MIV
Der Verkehr vor der industriellen Revolution beruhte zum größten Teil noch auf reiner Mus-
kelkraft: Ziehen, rudern, tragen, gehen. Hierfür wurde vor allem eine Vielzahl von Tieren, wie
z.B. Ochsen, Pferde, Esel oder Elefanten eingesetzt, diese mechanische Arbeit zu erleichtern.
Diese zogen Wägen und Karren oft durch schlecht befestigte Straßen, Sümpfe und politisch
unsichere Gebiete, die das Reisen gefährlich machten. Fernreisen wurden durch die technisch
weiter fortgeschrittenen Schiffe unternommen (vgl. Merki 2008 S.16 f). Der Personenverkehr
wurde oft durch Postkutschen realisiert. Einfache „lange Fuhrwagen, mit zwei Sitzen, ohne
Riemen und Federn“ (vgl. Karamsin 1789 nach Popp 1989 S.67). Reisende klagten nicht nur
über die schlechte Einrichtung der Kutschen, sondern auch über die schlechten Wege, die ge-
rade außerhalb der Städte zunehmend schlechter wurden (vgl. von Schaden 1822 & Schopen-
hauer 1839 nach Popp 1989 S.71 & 152). Bis ins 18. Jahrhundert hinein befanden sich die
Straßen in Deutschland noch auf römischen Niveau (vgl. Merki 2008 S.21). Dadurch konnte
eine Wegstrecke von zwei Meilen sich auch schon mal über zwei Stunden ziehen (vgl. Mutz
2004). Es gab jedoch auch Eilwagen, die mit bis zu 8 km/h über die Straßen „rasten“. Bei sol-
chen Geschwindigkeiten fühlte man als Mitreisender jeden Stein und wurde jedes Mal ein Stück
vom Sitz in die Höhe geworfen, wenn die starren Holzräder über die holprigen Straßen fuhren
(vgl. Moritz 1783 nach Popp 1989 S.203). Das Reisen mit der Postkutsche war auf keinen Fall
sicher. Die Kutscher litten vermehrt an Trunkenheit, was zu zahlreichen Unfällen führte (vgl.
Mutz 2004), aber auch die schlechten Straßen taten ihr Übriges. Wenn dann eine Achse oder
ein Rad zerbrachen, sah man sich oftmals allein in unsicherem Gelände, bedroht durch Stra-
ßenräuber und wilde Tiere (vgl. Mutz 2004), was dieses kurze Gedicht von Heinrich Heine
1844 sehr gut zusammenfasst:

 „Im nächtlichen Walde humpelt dahin
 Die Chaise. Da kracht es plötzlich –
 Ein Rad ging los. Wir halten still.
 Das ist nicht sehr ergötzlich.

 Der Postillion steigt ab und eilt
 Ins Dorf und ich verweile
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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

 Um Mitternacht allein im Wald.
 Ringsrum ertönt ein Geheule.“
 (vgl. Heine 1844)

Damit die industrielle Revolution voranschreiten konnte, durfte man also sein Hauptaugen-
merkt nicht mehr ausschließlich auf die Weltmeere, sondern auch auf den europäischen Konti-
nent legen (vgl. Merki 2008 S.20). Das Verkehrsmittel der Zukunft musste zuverlässig, für
Laien einfach verständlich, vom Tempo attraktiv sein und durfte dabei auf den bestehenden
Straßen die Verkehrssicherheit nicht mehr beeinträchtigen als bisherige Verkehrsmittel.
Dampfbetriebene Wägen und auch erste motorisierte Kutschen waren zu langsam, kompliziert
und unzuverlässig und konnten sich daher nicht durchsetzen (vgl. Merki 2008 S.52 ff). Das
Automobil wurde zwar schon 1886 erfunden, jedoch kam der Markt erst durch den Wettbewerb
im Motorisierungsbereich richtig in Schwung (vgl. Merki 2008 S.54). Der Vormarsch des Ver-
brennungsmotors war Ende des 19. Jahrhunderts auch noch nicht abzusehen. Mehrere Antriebe,
wie der Elektro-, Dampf- und Verbrennungsantrieb lieferten sich ein Kopf an Kopf Rennen.
1899 überschritt erstmals ein Elektroautomobil die Marke von 100 km/h (vgl. Merki 2008 S.
53).

Die ersten Erträge aus dem Verkauf von Autos wurden auch in die Weiterentwicklung gesteckt
und so wurden LKWs und Reisebusse entwickelt. Die anfangs teuren Automobile entschädig-
ten ihre Käufer mit höherem Komfort, höherem Tempo und größeren Reiseweiten gegenüber
Kutschen. Trotz der immer weiter sinkenden Kosten blieb das Auto anfangs noch ein Privileg
der wohlhabenden Bevölkerung und galt als „soziokulturelles Kapital“ Anders als in den USA,
in welchen bereits nach dem I. Weltkrieg die ländliche Bevölkerung und die Farmer als wich-
tige Zielgruppe des Automobils galten (vgl. Merki 2008 S.55). Angangs hatte das Automobil
mit einer großen gesellschaftlichen Ablehnung zu kämpfen, die sich vor allem durch Unfälle,
Staub und Lärm charakterisierte (vgl. Merki 2008 S.58). Ende der 20er Jahre, durch die Ge-
wöhnung an die neuen Maschinen und die wachsende Bedeutung des Automobils nahm diese
Ablehnung immer mehr ab, wodurch der Vormarsch des Automobils immer rapider voran-
schritt. Mit diesem Umbruch im Straßenverkehr veränderte sich auch das Verkehrsrisiko und
der Umgang mit der Verkehrssicherheit, welches in den nachfolgenden Kapiteln beleuchtet
wird.

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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

3.2 Maßnahmen und Zwischenbilanzen der Verkehrssicherheit: Trümmerjahre-
 die Zeit bis 1950

Der PKW war in Deutschland auf dem Vormarsch, wenn auch nicht ganz so rasant wie in an-
deren Ländern, was Tabelle 3 verdeutlicht. Trotzdem formten sich eine Vielzahl von Initiatio-
nen, um den neu entstehenden Verkehr zu sichern. Gerade im nicht staatlichen Bereich entstan-
den viele Initiativen.

So wurden mitunter 1899 der Automobilclub von Deutschland (AvD) und 1903 der Allgemeine
Deutsche Automobil-Club (ADAC) gegründet, welche sich schon früh um die Verkehrssicher-
heit sorgten. 1924 gründeten sie die Deutsche Verkehrswacht, welche vor allem Aufklärungs-
arbeit leisten und ein Sicherheitsbewusstsein schaffen sollte.

Tabelle 3: Anzahl der Einwohner je PKW, Quelle: Merki 2008 S.56

 Jahr Deutschland Frankreich USA

 1902 18600 4241 3442

 1913 1567 437 81

 1930 131 38 5,3

Auch Universitäten begannen sich mit dem Thema Verkehrssicherheit auseinander zu setzen
und zu forschen und somit wurde 1934 die Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen ge-
gründet (vgl. Praxenthaler 2001 S.16 f).

Das Gerüst und den Rahmen der Straßenverkehrssicherheit bildet das Straßenverkehrsgesetz
(StVG) und die damit verbundene Straßenverkehrsordnung (StVO), welche 1934 noch die als
Reichs-Straßenverkehrs-Ordnung bekannte, noch bestehende Einzel-Ordnungen ablöste (vgl.
Praxenthaler 2001 S.23). Der deutsche Kaiser Wilhelm der II. beschloss beispielsweise 1910,
dass das zulässige Tempolimit innerorts für bis zu 5,5t schwere Fahrzeuge 15km/h betragen
durfte. Dieser Wert wurde 1923 auf 30 km/h angehoben. Auch erste Entwicklungen in der Ver-
kehrspsychologie und Rettungswesen wurden unternommen. Bereits 1903 wurde die erste Ver-
ordnung zur Ausbildung und Führung eines PKWs erlassen (vgl. Rietig 2004). 1924 wurden
die ersten dreifarbigen Lichtsignalanlagen in Deutschland aufgestellt, Zweifarbige für Fußgän-
ger, folgten erst 20 Jahre später (vgl. BAVC 2021).
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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

Die 1934 erlassene Reichs-Straßenverkehrs-Ordnung hatte folgenden Grundsatz: „Jeder Teil-
nehmer am öffentlichen Verkehr hat sich so zu verhalten, daß er keinen Andren schädigt (…)“.
Diese sah deshalb nur noch einige Regeln vor: Geschwindigkeitsbegrenzungen wurden aufge-
hoben, das Kraftfahrzeug hatte immer Vorfahrt gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern,
musste sich aber bei Dunkelheit entsprechend kenntlich machen. Man spricht hierbei vom so-
genannten Vertrauensgrundsatz, welcher besagt, dass man nicht mit der Unvorsichtigkeit des
Anderen rechnen müsse, da man von verkehrsgerechtem Verhalten aller ausgehen kann (vgl.
Praxenthaler 2001 S.23-26 & § 27, RGBl 1934 I, S.463). Die daraus resultierenden erhöhten
Unfallzahlen führten zu vermehrten Geschwindigkeitskontrollen. In den Jahren 1939-45 wur-
den auf Grund dessen, aber vor allem wegen der Ölkrise, entstanden durch den II. Weltkrieg
erneut Geschwindigkeitsbegrenzungen eingeführt (vgl. von Leszczynski 2017). Die Anwen-
dung von Sicherheitsgurten und Testdummys wurden damals bereits in den USA erforscht,
sollte sich aber erst viele Jahre später nach Deutschland übertragen (vgl. Praxenthaler 2001
S.76)

Aus der Zeit des I. und II. Weltkrieges gibt es kaum Daten und auch die Datenerhebung war
zum damaligen Zeitpunkt bei weitem noch nicht so ausgereift und umfangreich. Trotzdem kann
man einige Risikokennziffern betrachten.

 Verkehrsunfälle KFZ Bestand
 25000 4000000

 3500000
 20000
 3000000
 15000
 2500000

 10000 2000000

 1500000
 5000
 1000000
 0 500000
 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913
 0
 Unfälle Personenschaden Sachschaden 1900 1910 1920 1930 1940 1950

Abbildung 3: Verkehrsunfälle 1906-1913, Quelle: selbsterstellt Abbildung 4: Kfz-Bestand bis 1939, Quelle: selbsterstellt

Der Kfz-Bestand steigt in den Jahren bis 1939 überproportional an, bis zu einem Punkt, an dem
es 18,7 Einwohner je PKW gibt. Auch die Unfallzahlen steigen damit einhergehend weiter an.

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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

In Kriegszeiten gibt es jedoch keinen genauen Überblick über die Unfallzahlen. Interessant je-
doch ist, dass sich die Unfälle noch aus gleichen Teilen aus Sach- und Personenschäden zusam-
mensetzen (was sich in späteren Jahren maßgeblich verändern wird). 1937 kommt es im Ver-
gleich zum Jahr 1913 zu fast 23mal mehr Straßenverkehrsunfällen.

Der aktive Sicherheitsindex wird an der Anzahl der Kraftfahrzeuge im Verhältnis zu den Un-
fällen bemessen und betrachtet Maßnahmen wie Straßenausbau und Verkehrsregeln zur Ver-
besserung der Sicherheit. Durch den Ausbau von Straßen, vor allem dem Bau von Autobahnen
(später mehr) und weiteren oben aufgeführten Maßnahmen verbessert sich der Sicherheitsindex
zunehmend. Dieses Bild spiegelt auch die Todesrate wider.

 Tote/10 000 Kfz Tote/10 000KFZ
 70 70

 60 60

 50 50

 40 40

 30 30

 20 20

 10 10

 0 0
 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1936 1937 1938

Abbildung 5: Todesrate 1906-1913, Quelle: selbsterstellt Abbildung 6: Todesrate 1936-1938, Quelle: selbsterstellt

Zu Beginn des Vormarschs des Automobils ist die Todesrate 100-mal höher als über 100 Jahre
später im Jahr 2019. Die damals gelegten Grundsteine zur modernen Verkehrssicherheit zeigen
erste Ergebnisse, bleiben doch noch weit hinter den Kennzahlen des 21. Jahrhunderts zurück.
Die Entwicklung dahin und die Sicherheitsverbessernden Maßnahmen werden fortfolgend wei-
ter erklärt.

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Risikomaße im Verkehr: Eine langfristige Risikoexposition des Motorisierten Individualverkehr

3.3 Maßnahmen und Zwischenbilanz der Verkehrssicherheit 1950-1970

Auch Anfang der 50iger Jahre wurden viele nicht staatliche Organisationen gegründet, welche
das Ziel der Verkehrssicherheit verfolgen. Dazu zählen die Bundes- bzw. Deutsche Verkehrs-
wacht, welche vor allem mit ehrenamtlichen Helfern und Vereinen arbeitete. In diesem Zeit-
raum wurde auch die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) gegrün-
det, welche im späteren Verlauf ausführlicher erwähnt wird. Schon Anfang der 50iger Jahre
wurde Alkohol im Straßenverkehr als Problem erkannt. Die Bekämpfung dieses Umstandes mit
Hilfe von Aktionen und Infoständen, u.a. in Diskotheken, macht sich der Bund für alkoholfreies
Fahren zur Aufgabe. Auch Versicherungen und Mediziner zeigten zunehmendes Interesse an
der Verkehrssicherheit und so bildeten sich Kampagnen in Form von Filmen, Puppenspielen
oder Beratungen. Ein bekannter Slogan aus dieser Zeit besagt: „Hör auf deine Frau-fahr vor-
sichtig!“ (vgl. Praxenthaler 2001 S.17-21).

Aus der Zeit vor 1950 galt noch der Vertrauensgrundsatz, dass das Kfz immer Vorfahrt hatte.
Dieser wurde aber Anfang der 60iger Jahre gestürzt. Der Gedanke kam auf, die Straßenver-
kehrsordnung wieder mit Grundregeln im Straßenverkehr auszustatten und die Unfallforschung
belegte 1959 mit den Hauptunfallursachen im Straßenverkehr (u.a. Geschwindigkeitsvergehen,
Alkohol, Vorfahrtsmissachtung) diesen Gedanken. Der PKW musste fortan erhöhte Rücksicht
gegenüber schwächeren Verkehrsteilnehmern zeigen und wurde zum defensiveren Fahren auf-
gerufen. Dabei gab es Beschlüsse, die sich 1964 mit der Einführung des Zebrastreifens und der
besonderen Rücksichtsame gegenüber Kindern (1970) befassten (vgl. Praxenthaler 2001 S.23-
27). Die hohen Unfallzahlen Anfang der 50iger Jahre führten auch zur Gründung der Gesell-
schaft für Verkehrsmedizin. Durch die hohe Anzahl an Verkehrsunfällen sollten mit Hilfe des
Strafrechts die Verkehrsregeln strenger durchgesetzt und überwacht werden. Trotzdem wurden
1967 Verkehrsverstöße entkriminalisiert und man wurde nicht bestraft, sondern ermahnt (vgl.
Nehm 1996 nach Praxenthaler 2001 S.30). Jedoch wurden in dieser Zeitepoche einige wegwei-
sende Maßnahmen getroffen, um den zukünftigen Straßenverkehr sicher zu gestalten. Ab 1950
wurde beispielsweise in PKWs vorne und hinten eine knautschbare Karosserie verbaut (vgl.
Praxenthaler 2001 S.129) und ein Vorreiter der TÜV Plakette eingeführt (vgl. Praxenthaler
2001 S.36). Nachfolgend werden einige Maßnahmen chronologisch aufgelistet:

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