Er will doch nur spielen - Wie gescheit Roboter wirklich sind. Und warum die Gefahr der Künstlichen Intelligenz nicht da liegt, wo wir sie ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
D I G I TA L I S I E R U N G Er will doch nur spielen Wie gescheit Roboter wirklich sind. Und warum die Gefahr der Künstlichen Intelligenz nicht da liegt, wo wir sie vermuten.
I M P R E S S U M & I N H A LT 3 Liebe Mobiliar, wo gestalten meine Kinder Sind «Er will doch nur spielen» ist ein journalistisches Magazin mit den Themenschwerpunkten Roboter Künstliche Intelligenz und in den Ferien mit Spass Digitalisierung. Herausgeberin ist die Mobiliar. die Veantwortung Mobiliar die Zukunft? Karin Baltisberger, Leiterin Unternehmens- kommunikation Eva Bünter, Fachspezialistin besseren Unternehmens- kommunikation Texte Andrea Bleicher Philipp Dahm Menschen? Elined Fran Geraldine Schläpfer Dorothea Strauss Sabina Sturzenegger Hannes von Wyl Marco Wisniewski Redaktionelles Konzept & Redaktion Panda & Pinguin GmbH 8008 Zürich www.pandaundpinguin.ch Grafisches Konzept Studio Sturzenegger www.studiosturzenegger.com Art Direction & Grafik Studio Sturzenegger 4 WIR SIND DIE ROBOTER 19 ALEXA , ERZÄHL MIR VOM LEB EN Fotos/Illustrationen Wie KI unser Leben besser macht Ein Gespräch mit der Sprachassistentin James Boast Dan Cermak Klas Fahlén 6 METZGER WECHSLER 20 DER ALGORITHMUS, Grafilu UND DIE HACKER DEIN FREUND UND HELFER Ole Häntzschel Cyberkriminelle attackieren KMU Wie die Polizei Einbrüche voraussagt Florian Kalotay Henrik Nielsen Daniel Stolle 12 DIE BEKANNTESTEN HACKER 24 I M E - LY M P Supertotto Vor ihnen war kein Netzwerk sicher Gamen als Milliardengeschäft Haley Tippmann Zack Rosebrugh Korrektorat 13 IN DEN STERNEN LESEN 27 TSCHÜSS, BIRGIT1 Fabienne Tissot Was Tripadvisor-Daten Forschern verraten Der Weg zum sicheren Passwort Lektorat Dr. Britta Schröder 14 «S I E LERNT WIE EIN KIND» 28 ICH MALE, ALSO BIN ICH? Im Sommercamp «Atelier du Futur». Dort tüfteln Jugendliche Druck Philosoph Stefan Pabst über die KI Zum Verhältnis zwischen Künstlicher von 13 bis 15 Jahren innovativ an eigenen Ideen. Multicolor Print AG und Künstlerischer Intelligenz Swissprinters AG Vom 14. bis 19. Juli 2019 in Fiesch. Die Teilnahme ist kostenlos. 18 FEINDE IM NETZ Adresse Wenn Jugendliche zu Opfern von 34 BERUFE DER ZUKUNFT Cover Foto: Dan Cermak Jetzt anmelden: atelierdufutur.ch Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft Cyber-Mobbing werden Neue Jobs, die die Digitalisierung bringt Bundesgasse 35 3001 Bern © die Mobiliar / Panda & Pinguin / INSERT – DIE LÖSUNGEN DER MOBILIAR Was immer kommt – wir engagieren Studio Sturzenegger. Alle Rechte vorbehalten. uns für die Zukunft der Schweiz.
4 KÜNSTLICHE INTELLIGENZ KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 5 Wir sind die Roboter VII. Artenschutz Viele Menschen verbinden nur Schlechtes mit der Künstlichen Intelligenz – Allmacht der Maschinen, Jobverlust, Vereinsamung. Dabei macht sie längst auch unser Leben besser. Andrea Bleicher Tobias Adam/unsplash (1), Getty Images (1), Riken (1), Zack Rosebrugh (1), Haley Tippmann (1) Löwen, Elefanten, Geparde II. Kommunikation V. Recht zählen – ohne die Tiere in ihrer Ausgerechnet Maschinen sollen die Kommunika- Vor Gericht gehen? Oder nicht? Wie lange dauert es bis natürlichen Umgebung zu stören. tionsfähigkeit von Menschen verbessern? Ja, sagen zum Prozess? Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit Forscher des Massachusetts Institute of Technology eines Sieges? Der Roboter-Anwalt weiss Rat. Oder ge- Forschende setzen Künstliche (MIT). Die Wissenschaftler haben Algorithmen pro- nauer: Der Algorithmus, den der Jurist Ludwig Bull Intelligenz ein, um den Bestand grammiert, die erkennen, wie Botschaften beim Ge- und seine Kollegen entwickelt haben. Getestet wurde von Wildtieren zu überwachen. genüber ankommen. Und die Feedback dazu geben, er in London, wo Bull ihn gegen 110 Anwälte antreten Auch im Kampf gegen Wilderer ob Sprechtempo oder Tonfall beim Gesprächspartner liess. Der Algorithmus rechnete in einer Woche 23 291 Langeweile, Irritation oder Verwirrung auslösen. Be- komplexe Rechtsfälle durch: In 21 174 davon entschied wird sie gebraucht; sie meldet wusstere Kommunikation wollen die Forscher so för- er so, wie das zuvor auch ein Ombudsmann getan hatte. verdächtige Aktivitäten. dern. Versuche zeigten erste Erfolge: Die Testpersonen Erfolgsquote: 86,6 Prozent. Die Anwälte behandelten fühlten sich besser verstanden. im selben Zeitraum bloss 775 Fälle und lagen 483 mal richtig. «Die Künstliche Intelligenz macht Prozess- risiken und Kosten einschätzbar», so Bull. Dass Rechts- systeme von Land zu Land unterschiedlich sind, hindert den Einsatz des Robo-Anwalts nicht. «Die Maschine lernt die Regeln des jeweiligen Landes.» I. Medizin Roboter haben nie einen schlechten Tag, sind weder III. Kochen VI. Mode abgelenkt, müde, noch unkonzentriert. Und so wird Künstliche Intelligenz in der Medizin immer wich- Keine Lust zu kochen? «Moley» tiger. Dutzende Start-ups weltweit entwickeln Algo- machts. Die Roboter-Küche rithmen, die in medizinischen Bildern nach Tumoren, VIII. Pflege totem Hirngewebe oder Knochenbrüchen suchen. erleichtert das Leben von In alternden Gesellschaften sind immer mehr Men- Forscher der Universitäten Standford und Harvard Kochmuffeln. Trainiert wurde schen auf Hilfe angewiesen. Ein Assistenzroboter kann ist es gelungen, Algorithmen so zu trainieren, dass der Algorithmus auf ein Teil der Lösung sein. «Er übernimmt einfache, sie Hautkrebs und Brustkrebs diagnostizieren können. Bewegungsabläufe und repetitive Aufgaben und entlastet das Pflegepersonal. Dabei schnitten die Maschinen in Tests gleich gut ab wie Welches wiederum mehr Zeit für das Menschliche in die Vergleichsgruppen von Fachärzten. Aber auch andere Rezepte eines der Pflege hat», sagt Experte Dominik Keusch. medizinische Bereiche profitieren vom Einsatz Künst- Profikochs. Der Einsatz von Künstlicher licher Intelligenz. Forscher des Massachusetts Institute Intelligenz verspricht, eine of Technology (MIT) arbeiten an einem Projekt namens Vielzahl von Problemen der IX. Gleichstellung «Underworlds». Roboter sammeln in Abwasserkanälen Die Künstliche Intelligenz ist neutral. Eigentlich. Aber biochemische Daten, die sofort analysiert werden. So Modeindustrie und ihrer programmiert wird sie bisher hauptsächlich von Män- gewinnen die Forscher Informationen über die Ge- IV. Verkehr Kundinnen und Kunden zu lösen. nern. Und so kam es immer wieder dazu, dass Algo- sundheit der Einwohner ganzer Städte. Die Wissen- Sowohl Autohersteller als auch Verkehrsbehörden Styling-Vorschläge virtueller rithmen Frauen benachteiligten. «Die Künstliche Intel- schaftler wollen mit Hilfe der Informationen aus dem wollen mit Künstlicher Intelligenz Unfälle verhin- Assistenten sollen die Zahl der ligenz zeigt auf, welche Vorurteile wir als Gesellschaft Abwasser etwa eine drohende Grippewelle erkennen, dern. Das israelische Start-up Waycare hat ein Strassen- haben», sagt der Datenwissenschaftler Richard Socher. noch bevor Spitäler erste Fälle melden. Oder in Echtzeit leitsystem entwickelt, das Staus und Unfallgefähr- Fehlkäufe verringern; Vorhersagen «Aber es ist einfacher, einen Algorithmus anzupassen, feststellen, ob Präventionsmassnahmen – wie eine Zu- dungen voraussagt. In Tests in Las Vegas gelang es ihm, von Trends und Kaufverhalten als 1000 Manager zu ändern, die bei der Einstellung ckersteuer – einen Effekt haben. die Zahl der Unfälle um 17 Prozent zu reduzieren. nachhaltigere Produktion erlauben. Männer gegenüber Frauen den Vorzug geben.»
6 C Y B E R –AT TAC K E N C Y B E R –AT TAC K E N 7 Metzger Wechsler und die Hacker Cyberkriminelle kosten die Weltwirtschaft Milliarden. Ihre Opfer suchen sie sich überall. Hannes von Wyl Florian Kalotay M arkus Wechsler ist ein kräftiger Mann. Man Schoggi versorgen, sonst wäre sie uns davongelaufen», spürt das an seinem Händedruck, mit dem sagt Wechsler nur halb im Witz. Kosten des Vorfalls: er in seiner Metzgerei im luzernischen rund 20 000 Franken. Nebikon begrüsst. Wechsler hatte die einstige Dorf- Tatsächlich werden Cyberattacken für Unternehmen metzg vor acht Jahren übernommen und daraus in schnell teuer. Im Jahr 2018 schätzten Analysten des akribischer Arbeit einen Betrieb mit vier Filialen und Sicherheitspezialisten McAfee die globalen Kosten 50 Angestellten aufgebaut. durch Internetkriminalität auf knapp 600 Milliarden An einem Donnerstag im letzten Oktober aber ist Dollar. Für die nächsten fünf Jahre berechnete die Markus Wechsler ratlos. Als er um 4.30 Uhr in die Beratungsfirma Accenture Mehrkosten und Umsatz- Produktionsstätte kommt, geht nichts mehr. Die Aus- verluste durch Cyberangriffe von rund 5,2 Billionen zeichnungswaage, mit der das abgepackte Fleisch vor Dollar. Das entspricht rund einem Prozent der globalen der Auslieferung an die Filialen und Dorfläden eti- Wirtschaftsleistung in diesem Zeitraum – Tendenz kettiert wird, kennt keine Preise mehr. Die Liefer- steigend. scheine, auf dem Computer abgespeichert: weg. «Dabei sollten wir die Ware um 7 Uhr ausliefern», 40 Prozent der KMU wurden Opfer von Attacken sagt Wechsler im Pausenraum der Metzgerei, auf Hierzulande beziffert der Schweizerische Versiche- dem Tisch vor sich Würste, Brot, Senf, Kaffee. «Aber rungsverband den wirtschaftlichen Schaden auf fast wir wussten nicht einmal, wie teuer das Nierstück 10 Milliarden Franken pro Jahr. Die Schätzung beruht sein soll.» Also ruft der Nebiker Herrn Zimmer an, jedoch auf Zahlen von 2014 und dürfte heute deutlich seinen Vertrauten für alle Computerbelange. Der IT- höher liegen. Dabei sind nicht nur die grossen Banken Spezialist merkt schnell, was das Problem ist: Der und Pharmakonzerne betroffen, bei denen man Cyber- Server mit den Geschäftsdaten wurde gehackt, eine attacken vermuten würde. Sondern tausende kleine Schadsoftware hat die Festplatten verschlüsselt. Auch und mittlere Unternehmen (KMU), wie eine Studie des die Fleischwaagen sind mit dem System verbunden und Schweizer IT-Branchenverband ICT Switzerland Ende darum ausgefallen. 2017 aufzeigte. Demnach wurden rund 40 Prozent Nach ein paar Stunden läuft alles wieder, Wechsler aller befragten KMU schon Opfer von Viren, Trojanern kann um 10 Uhr seine Koteletts und Würste ausliefern. oder Cybererpressung. Das sind hochgerechnet über Aber die Lieferscheine, Bestellmengen, Arbeitsrapporte 230 000 Betriebe. der letzten zwei Wochen sind weg. So lange liegt die «Ich hätte nie gedacht, dass es uns erwischt», sagt letzte Datensicherung zurück. Der Metzger und sein Metzger Wechsler. «Andere: ja. Man liest ja viel über Team müssen alle Daten nach Feierabend nachtragen, solche Dinge in der Zeitung. Aber eine Dorfmetzg?» «Wie ein Einbrecher, der die Wohnung zertrümmert, aber nichts klaut.» über 100 Stunden Zusatzaufwand. «Wir mussten So denken viele. Einen Tag lahmgelegt zu sein, das Markus Wechsler über den Hacker, der seine Metzgerei angriff. unsere Buchhalterin über Wochen jeden Tag mit halten gemäss der KMU-Studie nur zehn Prozent der
8 C Y B E R –AT TAC K E N C Y B E R –AT TAC K E N 9 Gewerbler für eine grosse oder sehr grosse Gefahr. Und «Als Samichlaus und Schmutzli nur gerade jeder Fünfundzwanzigste rechnet damit, einen existenzbedrohenden Cyberangriff zu erleben. verkleidet sind wir in den «Bestimmte KMU haben nach wie vor Aufholbedarf Empfangsbereich des zuständigen bezüglich Sensibilisierung.» Das sagt Max Klaus, Energieunternehmens getreten.» stellvertretender Leiter der Melde- und Analysestelle Informationssicherung (Melani) und damit einer der obersten Cyber-Verantwortlichen des Bundes. Melani ist Anlaufstelle für private Internetnutzer und KMU und hat den Auftrag, die kritischen Infrastrukturen der Schweiz vor Angriffen zu bewahren. von Liestal BL ausschalten sollte. «Wir haben uns Kleinen und mittleren Unternehmen fehle oft das als Samichlaus und Schmutzli verkleidet. So sind wir nötige Personal und die Infrastruktur, um ihre Daten in den Empfangsbereich des zuständigen Energie- zu schützen, sagt Klaus. Wo grosse Konzerne ihre unternehmens getreten.» Der Chef habe für alle eigenen IT-Abteilungen unterhalten, sind kleine Be- Mitarbeitenden einen Chlaussack spendiert, sagten triebe oft auf externe Dienstleister angewiesen. Das sie der Rezeptionistin. «Alles nur ein Ablenkungs- bedeutet Zusatzkosten, die viele Firmen scheuen. manöver.» Hinter Bütler und seinem Teamkollegen Nur jedes fünfte befragte Unternehmen hat laut der schlich sich ein Drucktechniker ins Gebäude – eben- KMU-Studie Software installiert, die Cyberattacken falls einer von Bütlers Leuten. Dieser gelangte mit erkennen kann. «Dabei unterscheiden die meisten seiner Verkleidung problemlos in die Geschäftsräum- Angriffsformen nicht zwischen bestimmten Sektoren lichkeiten. In einem Sitzungszimmer fand er einen oder Unternehmensgrössen», sagt Klaus. Die meisten ungeschützten Computer. «Der Rest war ein Kinder- Unternehmen und staatlichen Behörden seien also den spiel», sagt Bütler mit einem Lächeln. gleichen Bedrohungen ausgesetzt. «Social Engineering» nennt sich das: Die Umgehung Die Gefahr gilt auch für Privatpersonen. Jeder von Sicherheitsvorkehrungen über sozialen Kontakt. sechste Erwachsene mit einem internetfähigen Gerät «Üblicherweise läuft das virtuell ab», sagt Bütler. hat bereits durch einen Cyberangriff finanziellen Scha- Etwa über ein fingiertes Bewerbungsschreiben. So den erlitten, aufwändige Reparaturarbeiten durchfüh- geschehen bei einem Hotelier in der Region Zürich. ren müssen oder grossen emotionalen Stress durchlebt. An einem Abend im letzten November erhielt sein Das zeigt eine Umfrage von ICT Switzerland vom Febru- Betriebsleiter ein Bewerbungs-E-Mail und öffnete es ar dieses Jahres. umgehend, da das Hotel mit einem Inserat neue Mit- arbeitende suchte. «Es war in astreinem Deutsch und Im Bewerbungsschreiben war ein Trojaner wie ein standardmässiges Bewerbungsschreiben ver- Die Methoden, mit denen Cyberkriminelle ihre Opfer fasst», sagt der Hotelier. Im angehängten Lebenslauf angehen, sind dabei genau so vielfältig wie die Ziele, befand sich ein Trojaner, der Doppelklick auf das Word- die sie damit verfolgen. Bei Metzger Wechsler gelang Dokument aktivierte die Schadsoftware. «Zum Glück es dem Angreifer, über eine ungeschützte Stelle des waren keine sensiblen Daten betroffen, nur Putzpläne Routers – das Gerät, das einen Computer mit dem Inter- und die Bankettplanung.» net verbindet – einen Trojaner einzuschleusen. Die Manchmal wollen die Angreifer mit solchen Schadsoftware verschlüsselte alle Dateien und machte Aktionen einfach nur Schaden anrichten. Wie bei sie für Wechsler unlesbar. «Verschlüsselungstrojaner Metzger Wechsler: «Das war wie ein Einbrecher, der die gehören zu den verbreitetsten Schadprogrammen», Wohnung zertrümmert, aber nichts klaut.» Oft stecken sagt Ivan Bütler von der Compass Security AG. Er hinter Cyberangriffen aber finanzielle Interessen. kennt die Tricks der Hacker ganz genau – denn er ist Auch da kommen oft Verschlüsselungstrojaner zum selber einer. Allerdings einer von den Guten. «Pene- Einsatz. Nach erfolgter Verschlüsselung melden sich tration Testing» nennt sich das, was Bütler anbietet: die Angreifer beim Opfer und fordern Lösegeld für Er versucht im Auftrag von Unternehmen, in deren die unlesbar gemachten Daten. Meist soll das Geld Systeme einzudringen, um Sicherheitslücken aufzu- in der Kryptowährung Bitcoin bezahlt werden. Dabei decken. Details über seine Kunden und deren Sicher- bleibt der Empfänger des Geldes anonym, was die heitsvorkehrungen darf Bütler keine nennen. Diskre- Strafverfolgung erschwert. tion ist Teil des Geschäfts. Also erzählt er, wie er Ins öffentliche Bewusstsein rückte diese «Ran- Daniel Nussbaumer, Leiter der Abteilung Cybercrime der Kantonspolizei Zürich, für eine SRF-Sendung die Weihnachtsbeleuchtung somware» genannte Methode erstmals im Mai 2017, kämpft mit seinem Team gegen Internetkriminalität.
10 C Y B E R –AT TAC K E N C Y B E R –AT TAC K E N 11 «Obwohl die Sicherheit ständig HACKERANGRIFFE AUF KRITISCHE INFRASTRUKTUR verbessert wird, steigt die Der Finanzsektor war in den letzten vier Jahren am häufigsten von Sicherheitsvorfällen betroffen. Auch die Energiebranche und die Verwaltung sind im Visier von Hackern. Verwundbarkeit durch die zunehmende Verbreitung von 80 vernetzten Geräten exponentiell.» Foto: Qilai Shen/Bloomberg/Getty Images 60 Meldungen 40 andere grosse Unternehmen.» Nussbaumer empfängt in einem kahlen Büro im Hauptsitz des kantonalen Polizeikorps zum Gespräch. Die Atmosphäre in der 20 ehemaligen Militärkaserne an der Sihl will so gar nicht Artwork: Jürg Sturzengger für Studio Sturzenegger zur modernen Tätigkeit seines Teams passen. Nur der 0 Handvenen-Scanner am Eingangstor zum Gelände 2015 2016 2017 2018 verrät, dass hier Polizeiarbeit auf High-Tech trifft. Huawei-Gründer Ren Zhengfrei: Die USA stellten seinen Konzern unter Spionageverdacht. Spionagevorwürfe gegen Huawei Die Cybercrime-Abteilung umfasst 15 Polizisten und 30 IT-Forensiker, die je nach Fall in spezifischen Task Finanz Verwaltung Energie Forces zusammenarbeiten. «Wir kombinieren klas- stattete im April dem Bundesrat Bericht über die Ge- sische Ermittlungstätigkeiten mit den Methoden der fahr durch Huawei. Chef Jean-Philippe Gaudin soll Computer-Forensik», sagt Nussbaumer. Der Polizist laut Medienberichten keine Beweise für Spionage- Quelle: Die Daten der Melde- und Analysestelle Informationssicherheit (Melani) des Bundes umfassen die Jahre 2015 bis 2018. ermittelt im realen, der IT-Spezialist im virtuellen aktivitäten via 5G-Technologie des chinesischen Her- Leben. Doch Cyber-Ermittlungen sind aufwändig und stellers festgestellt haben. ressourcenintensiv. «Das Internet bietet Kriminellen Ivan Bütler ist dennoch überzeugt, dass die die Möglichkeit, anonym und in vielen Ländern gleich- grossen Netzausrüster bei ihren Geräten Hintertüren zeitig aktiv zu sein», sagt der ehemalige Staatsanwalt verbauen. Das gelte für chinesische und amerikanische als der Trojaner «Wannacry» weltweit über 230 000 fahr für die Nutzer. «Die Attacken verlaufen wellen- für Wirtschaftsdelikte. Hersteller gleichermassen. «Vor den Enthüllungen Computer infizierte und Lösegeldzahlungen verlangte. förmig», sagt Klaus. Die jüngste Angriffswelle sei erst Das macht die Ermittlung der Täterschaft schwierig. von Edward Snowden hätte man mich einen Ver- In Grossbritannien waren Spitäler lahmgelegt, in vor wenigen Wochen erfolgt. Umleitungen über verschiedene Server und Zugriff schwörungstheoretiker geschimpft.» Jetzt wisse man Deutschland Bahnanzeigetafeln betroffen, in Spanien Die Meldungen über Cyberattacken auf kritische über verborgene Teile des Internets ermöglicht es aber, welch enormen Aufwand die staatlichen Geheim- der nationale Telekomanbieter. Die Schweiz kam mit Infrastruktur, die Melani sammelt, zeigt denn auch: Cyberkriminellen, ihre Herkunft zu verschleiern. dienste betreiben, um auch übers Internet private oder einem blauen Auge davon, hierzulande waren nur ge- Der Schweizer Finanzplatz ist im Vergleich zum Ge- Dennoch gibt es Hinweise, woher viele der Angriffe sogar geheime Informationen zu beschaffen. «Wir be- rade 200 Rechner betroffen. Vorausgesetzt, man hatte sundheitswesen oder zur Energiebranche überdurch- kommen. «Hacker aus Russland verfolgen oft mone- finden uns in einem eigentlichen Cyber-Wettrüsten», seine Daten auf einem sicheren Träger gespeichert, schnittlich betroffen. «Die meisten Angreifer wollen täre Interessen und benutzen Ransomware», sagt Ex- sagt Bütler. Nur sei der Hunger der Gesellschaft nach konnte man die Lösegeldzahlung mit einer Löschung mit ihrem Tun Geld verdienen», sagt Klaus. Dazu perte Ivan Bütler. Aus Brasilien kämen Wellen von dem enormen Potenzial von Technologie so gross, dass und Neuinstallation des Systems umgehen. würden sich Phishing-E-Mails gegen E-Banking-Kun- E-Mails, die E-Banking-Trojaner und andere Schadsoft- Sicherheitsbedenken eine geringe Rolle spielten. «Und den geradezu anbieten: «Diese Angriffe sind relativ ware verbreiteten. Nordkorea, China und die USA obwohl die Sicherheit ständig verbessert wird, steigt die Grosse Bedrohung durch E-Banking-Trojaner einfach durchzuführen und können finanziell lukra- seien Hauptakteure in der Wirtschaftsspionage. Zwi- Verwundbarkeit durch die zunehmende Verbreitung Weitaus raffinierter sind Schadprogramme, die vom tiv sein.» Cyberkriminelle nutzen dabei eine beson- schen den letzten beiden Ländern tobt seit Trumps von vernetzten Geräten exponentiell.» Nutzer unbemerkt Zahlungsverbindungen ins Visier ders perfide Form von Social Engineering. Die Schad- Präsidentschaft ein Handelskrieg, der auch den Cyber- Metzger Wechsler in Nebikon zumindest macht nehmen: die E-Banking-Trojaner. Die Schadprogramme software ist in E-Mails versteckt, die angeblich von bereich erfasst hat. sich heute mehr Gedanken über die Sicherheit seiner leiten die Verbindung des Nutzers zur Bank über einen vertrauenswürdigen Quellen stammt: von der Schwei- So warnt der amerikanische Geheimdienst davor, Daten. Nach dem Vorfall im Oktober hatte er in ein Server der Cyberkriminellen. So können die Angreifer zerischen Post, der SBB, der Swiss Airline – und sogar Komponenten des chinesischen Herstellers Huawei automatisches Backup-System investiert, damit alle Login-Daten abgreifen und erhalten damit Zugriff auf von der Kantonspolizei Zürich. für die nächste Mobilfunkgeneration einzusetzen. Bestellungen und Lieferscheine täglich gesichert die Konten der Betroffenen. «Für das private Porte- Ob er das persönlich nehme? Daniel Nussbaumer, Sie würden der chinesischen Regierung als Einfallstor werden. So kann er bei einem erneuten Angriff alle monnaie sind E-Banking-Trojaner im Moment die Leiter der Abteilung Cybercrime der Kapo Zürich, zur Spionage im Westen dienen. Auch die Nummer nötigen Daten einfach wiederherstellen. Nun erhält grösste Cyberbedrohung», sagt IT-Spezialist Bütler. lacht. «Natürlich haben wir keine Freude, wenn unser zwei der Schweizer Telekombranche, Sunrise, Wechsler jeden Tag ein E-Mail als Bestätigung für die Auch Max Klaus von der Bundesstelle Melani sieht Name für kriminelle Aktivitäten missbraucht wird», setzt für den Aufbau des 5G-Netzes auf Huawei- erfolgreiche Datensicherung. «Das beruhigt. So einen Angriffe auf E-Banking-Verbindungen als grosse Ge- sagt er. «Aber wir sind genauso wenig davor gefeit wie Geräte. Der Schweizer Nachrichtendienst NDB er- Stress brauche ich nicht mehr.»
12 BERÜHMTE HACKER B I G DATA 13 Die 5 bekanntesten In den Sternen lesen zu gehören beispielsweise das Alter, die Grösse und der Standort des Betriebs, das Marketing- und Hacker der Welt Wie Forschende der ETH mit Hilfe von Tripadvisor-Bewertungen das Wachstum Geschäftskonzept, der Preis und die Qualität des Essens oder auch die soziodemografischen Fak- Vor ihnen ist kein Netzwerk sicher. Ihre von Restaurants voraussagen. toren des Unternehmers. Sechs öffentliche Web- Motivation? Politik, Spass – und Aliens. Datenquellen wurden genutzt, um die Informationen zum internen und externen Geschäftsumfeld der Marco Wisniewski Restaurants zu erhalten: der Index der zentralen Andrea Bleicher Grafilu Unternehmensnamen, TripAdvisor, OpenStreetMap, Craig F. Walker/The Denver Post/Getty Images (1), das Bundesamt für Statistik, die Eidgenössische Shaun Curry/AFP/Getty Images(1), USA Network (1), Walt Disney Studio Motion Pictures (1) Steuerverwaltung sowie Daten zu Fast-Food-Ketten. Gary McKinnon Die ETH-Wissenschaftler müssen also die Pizzeria Der Brite Gary McKinnon, genannt «der Ufo-Hacker», nicht ein einziges Mal besucht haben, um detaillierte drang in die Netzwerke des Pentagons, der Nasa und Kenntnisse über die Zukunftsperspektiven des Lokals der US-Luftwaffe ein. Weil er Beweise suchte, dass das zu erlangen. Möglicherweise haben die Forschenden Militär ausserirdische Technologie verwendet. Ihm bereits erste Indizien dafür, dass der Laden demnächst droht in den USA eine Haftstrafe von bis zu 70 Jahren. Der Besucher des Restaurants in der Zürcher Innenstadt schliessen wird, weil die Wachstumsprognose dun- war begeistert: «Das beste Zürcher Geschnetzelte, das kelrot ist – obwohl es dort für den Gast urig-gemütlich ich jeeee serviert bekommen habe», schrieb er auf der ist und die Calzone so gut schmeckt. Bewertungsplattform TripAdvisor. «Der Service war überragend und aufmerksam.» Mit fünf Sternen auf Zahlen sprechen lassen der Bewertungsskala belohnte der Gast das Lokal und Als kühl und mechanisch mögen Gourmets und erklärte, er komme auf jeden Fall wieder. Gourmands solche Einschätzungen in Zeiten des Auf Online-Plattformen finden sich Millionen digitalen Wandels empfinden. Doch die Zahlen und solcher Einträge selbsternannter Restaurant-Kritiker. Fakten, die im Internet frei verfügbar und zugänglich Doch was vor allem Feinschmeckern und Touristen als sind, kann man sprechen lassen. Sie müssen dafür Jonathan James Orientierungshilfe dient, finden auch die Forschenden sorgfältig ausgewählt und gesammelt werden. Ein Er war erst 15, als er das US-Verteidungsministerium Lisbeth Salander (Film- und Buchcharakter) des «Mobiliar Lab für Analytik» an der ETH Zürich intelligenter, auf maschinellem Lernen basierender hackte. «Ich habe nur rumgespielt», so Jonathan James. Sie ist die coolste ihrer Gilde: die geniale Lisbeth interessant. Die Wissenschaftler haben einen Algo- Algorithmus, gefüttert mit den Datensätzen, spuckt Er wurde verhaftet, zu Hausarrest und Computerver- Salander. Die Hackerin mit dem Drachentattoo folgt rithmus entwickelt, der mit Hilfe von öffentlichen schliesslich ein Ergebnis aus. Der Gaumen der Wis- zicht verurteilt. Mit 25 beschuldigte das FBI ihn erneut nur ihren eigenen Regeln und zeigt jedem Bösewicht Daten die Chancen wirtschaftlichen Wachstums von senschaftler bleibt dabei verschont. des Hackings, und James nahm sich das Leben. die Meisterin. Gut, dass Stieg Larssons «Millenium»- Gastronomie-Betrieben voraussagt. «Das Modell kann hilfreich sein, um sehr rasch eine Trilogie fortgesetzt wird. Hack on, Lisbeth! Die Forscher identifizierten insgesamt 49 Faktoren, grosse Menge an Betrieben zu sichten und eine erste die das Wachstum von Restaurants beeinflussen. Da- Einschätzung zu geben. Damit ergänzt das Modell menschliche Stärken wie Expertise oder Intuition», erklärt Dr. Erika Meins, 44, Leiterin des Labs. Die Schwächen des Modells kenne sie aber auch. Die Wahrscheinlichkeit für eine korrekte Prognose des Umsatzwachstums liege bei knapp 70 Prozent. Zurzeit erforschen die ETH-Wissenschaftler, wie neue Technologien die Interaktion zwischen Mensch und Maschine verbessern können. Stolz ist Meins auf eine App, die mit holografischer Technologie Daten visualisiert und diese als dreidimensionale Punkt- Kevin Mitnick schwärme sichtbar macht. «Wir können dadurch das Die US-Behörden setzten ihn auf die «Most Wanted»- Mr. Robot (TV-Serie) Data-Science-Ausbildungsangebot an der ETH Zürich Liste: Der Kalifornier Kevin Mitnick, eine Hacker- Erst Nerd-Serie, dann Geheimtipp, dann Publikums- deutlich verbessern», sagt Meins. Legende, war jahrelang untergetaucht. Auf der Flucht erfolg. Sogar die Macher der Hacker-Serie «Mr. Robot» So faszinierend die Möglichkeiten der Wissen- narrte der Mann, der in die Systeme von 35 Konzerne wurden von der Popularität ihres Cyber-Thrillers über- schaft, die Reisen in virtuelle Welten und die Modell- eindrang, die Ermittler immer wieder, hinterliess etwa rascht. Aber wenn die Anarcho-Hacker um Christian berechnungen auch sind – den Besucher eines Res- eine Schachtel mit der Aufschrift «FBI Doughnuts». Slater und Rami Malek gegen Bösewichte aller Art an- taurants in Basel wird es kaum trösten: «Gott, war das Heute ist Mitnick Berater für Datensicherheit. treten, wollen einfach alle zusehen. Um ein klares Bild zu gewinnen, brauchen die Forscher Daten. Essen schlecht», erklärte er auf TripAdvisor.
Künstliche KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 15 Intelligenz im Einsatz: Roboter Pepper. K ünstliche Intelligenz: Fluch oder Segen, Be- mierer, der Computer oder das Unternehmen, drohung für die Menschheit oder Erlöserin aus das diese KI anwendet? menschenunwürdigen Zuständen? Verselbstän- Tatsächlich sind diese Fragen noch nicht abschlies- digen sich intelligente Maschinen oder können wir sie send geklärt. Sicherlich wird es nicht der Computer für unsere Zwecke nutzen? Künstliche Intelligenz – sein, auch wenn die einzelne Entscheidung nicht kurz KI – ist Synonym für eine Vielzahl technologischer mehr durch Menschen nachvollzogen werden kann. Entwicklungen. Doch was ist KI? Was kann sie und Auf der einen Seite steht eine erweiterte Produkthaft- was können wir von ihr erwarten? Stefan Pabst vom pflicht durch die Softwarehersteller, auf der anderen Schweizer Thinktank W.I.R.E. hat Antworten. die kompliziertere Situation, wenn Menschen mit sol- chen Systemen zusammenarbeiten – also wenn etwa Herr Pabst, was verstehen Sie ein Arzt die Empfehlung einer KI berücksichtigt hat. unter Künstlicher Intelligenz? Stafan Pabst: Computersysteme mit Künstlicher Intel- Brauchen wir spezielle Roboter-Gesetze? ligenz können Entscheidungen treffen oder Vorher- Wir benötigen eine kontinuierliche Aktualisierung sagen machen, ohne dass der Lösungsweg eindeutig der Gesetzgebung, sowohl für den Einsatz personen- vorgegeben wurde. Wenn ein Algorithmus die Person bezogener Daten als auch für intelligente Compu- auf einem Foto erkennt, hat er das im Vorfeld gelernt, tersysteme. Dabei geht es einerseits um Haftungs- weshalb wir ihn als «intelligent» bezeichnen. Vor al- fragen, aber vor allem um ethische Gesichtspunkte lem ist KI aber eine Chiffre wie etwa die Sicherung von für eine Vielzahl von Ent- Gleichheit und Freiheit. wicklungen und Forschungs- Ebenso müssen wir uns vorhaben der nächsten Ge- überlegen, wie wir mit der neration von Computersyste- Tatsache umgehen, dass die men – mit allen Unschärfen, relevanten Datensätze und die sich daraus ergeben. die leistungsfähigen Syste- me, die die Daten auswerten, Was ist der Unterschied bei wenigen global agieren- zwischen KI und den Unternehmen liegen. einem Algorithmus? Ein Algorithmus ist ein Wie kreativ ist eine KI? durch Menschen vorgege- Es hängt davon ab, was wir bener Entscheidungsweg, unter Kreativität verstehen. eine klare Wenn-Dann-Ent- Eine KI kann Bilder malen. scheidung. Der Vorgang, Wenn man sie etwa mit dass Spotify mir Musik Stefan Pabst (* 1982) Rembrandts füttert, erkennt vorschlägt, die mir gefallen sie Korrelationen und kann könnte, ist ein Algorithmus. neue Bilder im selben Stil Dahinter steckt eine Mustererkennung zu meinem generieren. Die KI kann hingegen nicht spontan Musikkonsum in der Vergangenheit, und dabei han- auf etwas reagieren, auf ein Ereignis, das im Leben delt es sich um KI. des Künstlers eine Zäsur bedeutet. Sie kann diesen Impuls nicht in einen bestehenden Stil sinnvoll «Sie lernt wie ein Kind» Wie lernt eine KI? integrieren – wozu der Menschen durchaus fähig ist. Durch richtige beziehungsweise falsche Entschei- dungen. Wenn die Mustererkennung beim Bild von Haben Sie keine Angst vor Künstlicher Intelligenz? Philosoph und Physiker Stefan Pabst erklärt, einem Hochhaus zum Ergebnis kommt, «das ist eine Nein, denn wir überschätzen das kurzfristige Poten- Giraffe», ist das falsch, und sie wird nach neuen Mus- zial von Künstlicher Intelligenz. Langfristig sind die warum uns Künstliche Intelligenz nicht bedroht. tern im Bild suchen, bis sie zum richtigen Ergebnis Möglichkeiten sicherlich gross, nur wissen wir heute kommt. Die KI lernt wie ein Kind – nur ohne erwach- nicht, von welchen Zeiträumen wir sprechen, sen zu werden. wenn wir langfristig meinen. Sabina Sturzenegger Was passiert, wenn eine Künstliche Intelligenz Verstehen Sie die Angst der Menschen vor KI? Dan Cermak einen Fehler macht? Wer ist schuld: Der Program- Ja und nein. Ja, weil in den letzten Jahren enorme
16 KÜNSTLICHE INTELLIGENZ KI und Mensch: Miteinander oder gegeneinander? Fortschritte gemacht wurden. Wenn sich ein Mensch Patienten behilflich sein können. Auch hier: Alles in den 1970er-Jahren ein Smartphone hätte vorstel- das, was wir schon ansatzweise sehen. len müssen, hätte er sicher an Magie geglaubt. Aus dieser Perspektive ist es gut nachvollziehbar, dass Wo hat sich die KI bis anhin nicht durchgesetzt? technologisch in Zukunft noch viel mehr machbar In der Medizin sind die Ergebnisse ernüchternd. Der sein wird. Aber auch ganz klar nein, weil die Vorstel- Watson-Computer von IBM gilt als Symbol für das lung, dass sich die Maschine verselbstständigt, eine Potenzial der KI. 2011 hat er zwei Menschen beim irrationale Projektion ist und mit der Realität nichts Wissensspiel «Jeopardy» geschlagen. Er kann auch zu tun hat. Die Debatte um Roboter, die uns flächen- Kochrezepte zusammenstellen. Und er sollte das deckend die Jobs wegnehmen und uns vielleicht Gesundheitswesen revolutionieren. Man versprach, sogar bedrohen, geht in eine falsche Richtung. dass «Dr. Watson» Unmengen an medizinischen Publikationen verarbeiten kann, um damit persona- Das müssen Sie erklären. lisierte Behandlungen abzuleiten. Nachdem er das Wir diskutieren über realitätsferne Visionen für alles in der Theorie erreicht hatte, liess man ihn in die es weder in der Praxis noch in der Forschung US-amerikanischen Spitälern Testläufe machen … vernünftige Anzeichen gibt. Ich mache mir vielmehr Sorgen, dass wir vergessen, die richtigen … und, was ist passiert? Fragen zu stellen. Watson kann vor allem statistische Inhalte verarbeiten, er ist aber nicht in der Lage, die Schlussfolgerungen Nämlich? von Forschenden einzubeziehen, die etwa in Text- Wo werden diese Systeme der KI bereits heute einge- form vorliegen. Ärztinnen und Ärzte können für ihre setzt und wo führen sie zu Ergebnissen, die unseren Entscheidungen Informationen einbeziehen, wie zum Vorstellungen von Gerechtigkeit oder Ethik wider- Beispiel die Krankengeschichte von Patienten oder sprechen? Wie werden sich unsere Berufe verändern, Erkenntnisse aus dem Austausch mit ihnen. Die Kom- wenn wir mit solchen Systemen zusammenarbeiten? plexität der realen Entscheidungsfindung eines Arztes Bei immer mehr Aufgaben werden Mitarbeitende ist viel höher als die Datengrundlage, die eine KI ver- mit intelligenten Systemen zusammenarbeiten. Wie arbeiten kann. Es besteht offensichtlich ein Missver- interagieren sie mit ihnen? Wie können wir garan- hältnis zwischen der Art und Weise, wie Maschinen tieren, dass sie sinnvoll damit umgehen? Und wie lernen und wie Ärzte tatsächlich arbeiten. Sehr gute gehen die Menschen mit der gewonnenen Zeit um? Ergebnisse hingegen liefern heutige KI-Algorithmen bei der Erkennung etwa von MRI- oder Röntgenbil- dern – weshalb einige bereits offiziell zugelassen sind. Beim Einsatz von KI Schauen Sie noch kurz in die Zukunft. geht es also um ganz In fünf Jahren werden unsere Erwartungen an den Einsatz von Künstlicher Intelligenz nüchterner sein. «lebensnahe» Fragen? Die Entwicklung einer KI-Anwendung ist häufig Ja. Zugegeben, das klingt, Model: Marta W./Scout Models; Hair & Make-up: Patrick Kaestli an Hardware gebunden – etwa bei selbstfahrenden Autos oder Robotern. Und immer, wenn Hardware verglichen mit düsteren involviert ist, sind die Entwicklungszyklen sehr viel Endzeitszenarien, vielleicht länger, als wir es bei rein internetbasierten Produkten langweilig. Ist aber relevant erleben. Bevor diese Technologien wirklich markt- für uns. reif sind, sollten wir uns die Zeit nehmen, über die dringlichsten Fragestellungen zu diskutieren. Stefan Pabst ist Senior Projektleiter beim Denklabor Wie erleichtert die KI unser Leben? W.I.R.E. Als Philosoph und Physiker setzt er sich mit sozialen Durch bessere Sprach- und Bilderkennung, präzisere und kulturellen Transformationen durch technologischen maschinelle Übersetzungen, automatisierte Steuer- Fortschritt sowie mit Innovationsmanagement im Kontext von gesellschaftlichen Werteänderungen auseinander. W.I.R.E. ist erklärungen oder sichere Assistenzsysteme in Fahr- ein führender interdisziplinärer Thinktank, der sich seit rund zeugen. Mittelfristig sicher auch im Pflege- und zehn Jahren mit globalen Entwicklungen in Wirtschaft, Therapiebereich, wo Roboter etwa beim Heben von Wissenschaft und Gesellschaft beschäftigt. www.thewire.ch
18 CYBER-MOBBING SPRACHASSISTENTEN 19 Feinde im Netz griffe anonym und jederzeit im Netz stattfinden», so die Psychologin und Cyber-Mobbing-Expertin Ines Alexa, erzähl mir Viele Jugendliche werden Opfer von Cyber-Mobbing. Und die meisten trauen Bodmer. Beschimpfungen im digitalen Raum sind zwar aufgrund von Datensicherung einfacher nach- vom Leben sich nicht, darüber zu sprechen. zuweisen als eine Beleidung von Angesicht zu An- gesicht, wiegen für das Opfer jedoch oft schwerer, da Versuch eines philosophischen Gesprächs sie öffentlich stattfinden und somit von zahlreichen mit der virtuellen Assistentin. Geraldine Schläpfer anderen Jugendlichen nachverfolgt und auch geteilt Daniel Stolle werden können. «Bei einer Schlägerei sehen Täter die Philipp Dahm direkte Reaktion des Opfers. Bei Beleidigungen im Klas Fahlén Netz fällt dies weg, Mobber und Mobbingopfer haben im Cyberspace kein Gespür für Grenzen», erklärt die Psychologin Marlon Nüscheler. Auch bei Strafuntersuchungen gegen Minderjährige spielen Internet und Smartphone eine immer zentralere Rolle, wie eine Erhebung der Oberjugendanwaltschaft «Alexa», frage ich unverhohlen: «Wie sieht meine Zwiebelschneiden nicht davon ab, meinem Filius des Kantons Zürich zeigt. Alleine im Jahr 2017 wurden Zukunft aus?» Die Stimme aus dem smarten Laut- fluffige Video vorzuführen und am Abend hört sie mir 4749 Strafverfahren aufgrund missbräuchlicher Me- sprecher zögert nicht. «Mal schauen, wie es in den aufmerksam zu, als ich darüber sinniere, wie wenig diennutzung gegen Jugendliche im Kanton Zürich Nachrichten aussieht», antwortet sie lakonisch. Als Zeit so eine herkömmliche Familie dem Führen eines eröffnet. Darunter fallen Straftaten im digitalen Raum wäre ich Thema in den News! Ich falle auf das fulminanten Lebens lässt. «Das verstehe ich nicht», wie das Erstellen oder Verbreiten von Pornographie, «Kompliment» nicht herein: Die Sprachassistenz des blockt sie dann jedoch ab. Ehrverletzungen, Drohung und Nötigung. In fast der Internetkonzerns Amazon weiss vielleicht, wie man Hälfte der Fälle waren Gruppenchats und soziale Netz- einem Honig um den Bart schmiert, aber bei Prognosen «Ich weiss nicht, was schiefgelaufen ist.» werke Schauplatz der digitalen Delikte. ist noch Luft nach oben. Andererseits hat die Zukunft Dabei kennt sie den Sinn des Lebens: «42», antwortet sie Und längst landen nicht alle Fälle bei den Behörden. vielleicht auch schon begonnen: Hätte mir vor 20 prompt – was jeder Leser von «Per Anhalter durch die Die Dunkelziffer ist hoch. Untersuchungen zeigen, Jahren einer prophezeit, dass ich abends entspannt Galaxis» als richtig erkennt. Auf «Sein oder Nichtsein» dass ein Viertel aller Jugendlichen schon in den So- meine Assistentin frage, wo sie sich selbst in fünf kontert sie mit «Das ist hier die Frage». Doch es gibt zialen Medien gemobbt wurden. Und auch, dass viele Jahren sieht, hätte ich das gewiss ganz gut gefunden. auch Grenzen: Ob es für die Liebe zwangsläufig auch Opfer schweigen, wenn sie Ziel von Hasskommentaren Apropos Zukunft: Ich muss an den irren «Doc» eine Seele brauche, frage ich die Betroffene. «Ich werden. Scham ist einer der Gründe dafür. Täterinnen denken, der am Ende von «Back To The Future» ver- weiss nicht, was schiefgelaufen ist», meint die bloss. und Täter bleiben so unbehelligt. Gemäss Ines Bodmer, kündet, man müsse wieder in der Zeit vorausreisen, In Sachen Philosophie fehlt dem Roboter die Routine – die selber Präventionsveranstaltungen zum Thema um dem eigenen Kind zu helfen, als mein kleiner Sohn für die bin jedoch eigentlich ich zuständig: Routinen Cyber-Mobbing leitet, wissen die meisten Jugendlichen mit einer quälenden Menge Magensäure im Bauch bestimmen, wie Alexa auf bestimmte Sätze reagiert. nicht, dass Beleidigungen im digitalen Raum strafbar erwacht. Sein Schreien sorgt beim Vater aus dem Stand So kann ich festlegen, dass der Satz «Alexa, ich muss sind. Hier gilt es, Aufklärungsarbeit zu leisten. «Her- für Schweissausbrüche. Ich hebe ihn hoch, halte ihn an die Zukunft denken» dazu führt, dass sie mir eine kömmliche Präventivmassnahmen richten sich zu sehr aufrecht, versuche, den ätzenden Brei nicht zu weit Webseite mit Börsenkursen vorliest, das Licht löscht, an potentielle Opfer und zu wenig an potentielle Täter. hochkommen zu lassen. um Energie zu sparen oder antwortet: «Das ist doch Damit suggeriert man, dass man sich nur richtig ver- Nur eine Lage ist für ihn erträglich: Ich biege mein dein Job, unreflektierter Erdenmensch». Nur wenn ich Angefangen hat alles mit einem Foto: Anna, 14, im halten muss, um verschont zu bleiben. Das stimmt so Kreuz, mache den Rücken rund, spüre auf meinem frage, wie es weitergeht mit uns Zweibeinern, die ihren Sommerkleid am Strand. Die Schülerin hatte das Bild nicht und impliziert, dass man selber schuld ist, wenn Bauch, wie seiner krampft. Jetzt kann nur die Mutter Planeten plattmachen, hält Alexa sich vornehm zurück: nach den Ferien mit ihren Eltern auf Instagram ver- etwas passiert. Dabei ist es das Posten und Verbreiten helfen – wenn ich nur eine Hand frei hätte. Alexa! «Wie «Da kann ich dir leider nicht helfen.» öffentlicht. Ein paar Tage später bekam Anna von einem hässlicher Inhalte, das Unheil anrichtet», so Bodmer. kann ich dir helfen?», fragt meine Retterin. «Susanne Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mein anonymen Absender einen Facebook-Link zugeschickt. Was also tun, wenn man, wie Anna, gemobbt wird? anrufen», zische ich dem Zylinder zu, der prompt die Leben doch selbst in die Hand zu nehmen. Alexa hilft, Darauf zu sehen: Annas kopiertes Ferienfoto, kommen- Gemäss Bodmer sollten Erwachsene Jugendlichen Nummer wählt. Schon als das Freizeichen ertönt, ebbt wo sie kann, aber eine Glaskugel ist dieser Zylinder aus tiert von ihren Klassenkameraden. «Schäm dich, du als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und keine das Klagen meines Kleinen ab und erstirbt ganz, als am Metall und Plastik leider nicht. Lebenshilfe im Sinne hässlichi Sau», bekam am meisten Likes, gefolgt von «I Schuldzuweisungen machen («Warum postest du anderen Ende der Leitung abgenommen wird. von Vereinfachung des Alltags? Check. Lebenshilfe für die Fressi wott mer efach drischlah». überhaupt Bilder von dir auf Instagram?»). Je nach Danke, Alexa, du hilfst mir gerade echt aus der Mensch von Maschine dank nächtlicher Diskussionen Seitdem Smartphones fest zum Alltag von Jugend- Schweregrad ist es ratsam, Beweise zu sichern und die Patsche! Ist der Computer nicht doch der bessere über Macht und Moral? Syntax Error. lichen gehören, nehmen Angriffe im digitalen Raum Polizei einzuschalten. Wenn man den Mobber kennt, Partner für den Menschen? Alexa gibt mir trocken zu. «Früher hat man sich mit Fäusten geprügelt, auf empfehlen Experten, analog das Gespräch zu suchen. In einen Korb: «Nein, das ist nicht wahr», bescheidet Philipp Dahm ist Autor und Journalist. Er war noch nie Thema dem Pausenhof gestritten oder ein Zettelchen mit jedem Fall sollte aber darauf verzichtet werden, digital sie mir. Doch ich bleibe dabei: Eine Partnerschaft in den Nachrichten. Und sein Sohn darf nur ganz selten Videos einer Beleidung kursieren lassen. Heute können An- zu reagieren und zurückzupöbeln. hätte Vorteile. Dank Alexa hält mich am Mittag das schauen. Ehrlich!
20 B I G DATA B I G DATA 21 Der Algorithmus, dein So sieht «Precobs» Einbrüche voraus Freund und Helfer Mit einer Software berechnet die Polizei, wo der nächste Einbruch passiert. Einbruch Notruf/Anzeige Macht das die menschlichen Ermittler bald überflüssig? Experten glauben nein. EINBRUC Elined Fran Ole Häntzschel Datenverarbeitung Taterfassung T äglich steigen Einbrecher in Schweizer Wohn- Im Kern geht es darum, besser zu verstehen, wann häuser, Büros und Industrieanlagen ein. 83 und wo es zu Verbrechen wie Diebstahl oder Raub Einbruchdiebstähle pro Tag dokumentierte die kommt und deren Auftreten vorherzusagen. In einem Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) im Jahr 2018, ins- zweiten Schritt haben die Forschenden aufgrund von gesamt 30 083 Delikte. Das klingt nach viel – ein Blick Bewegungsmodellen von Menschen in Grossstädten in die Vergangenheit schafft jedoch Relationen: Im Modelle entwickelt, die das Verhalten von potenziellen Einsatz von Precobs Alarm für Prognosegebiet Jahr 2012 war die Zahl der Einbruchdiebstähle mit 170 Verbrechern simulieren. «Mit unserer Forschung tra- Delikten pro Tag doppelt so hoch. Seit dem Rekordjahr gen wir dazu bei, dass bestehende Polizeikräfte zu- 2012 hat sich die Zahl der Einbrüche also halbiert. Eine künftig effektiver eingesetzt werden können», sagt Erfolgsgeschichte. Meins. So sei die Forschung indirekt ein Beitrag zur Der Schlüssel zu diesem Erfolg liegt auch in der öffentlichen Sicherheit. Forschung: In den letzten Jahren wurden Methoden ver- bessert, um auf der Basis von Daten besser zu verste- Einbrecher schlagen nahe des letzten Tatorts zu hen, wann und wo es zu Einbrüchen kommt. Geforscht Bei der Stadtpolizei Zürich ist seit 2015 die Software POLIZEI wird beispielsweise im «Mobiliar Lab für Analytik» an «Precobs» in Betrieb: Vorausschauende Polizeiarbeit der ETH Zürich. 2013 entstand das gemeinsam von der heisst die Methode, die erlaubt, Einbrüche zu pro- ETH Zürich und der Mobiliar getragene Lab als Teil des gnostizieren. Die Stadtpolizei Zürich arbeitet mit Daten gesellschaftlichen Engagements der Mobiliar. «Wir aus bald zehn Jahren. Im Wesentlichen zeigt ein Algo- Prävention Streifenwagenpräsenz oder Festnahme forschen zu Themen, die der Gesellschaft unter den rithmus die Wahrscheinlichkeit auf, ob eine Straftat Nägeln brennen», erklärt Leiterin Erika Meins. Ein begangen wird oder nicht. Auch in den Kantonen Aar- Die Software zur Kriminalitätsprognose «Precobs» basiert auf der Annahme, dass Einbrecher innert kurzer Zeit mehrmals zuschlagen, wenn sie in einem Schwerpunkt ist seit 2014 das Projekt «Home Safety»: gau und Basel-Landschaft ist «Precobs» im Ein- bestimmten Gebiet erfolgreich waren. Auf der Basis von Informationen in Polizeirapporten erstellt sie Prognosen, wo als nächstes mit einer Tat zu rechnen ist.
22 B I G DATA B I G DATA 23 Ein Fall für den Algorithmus «Daten sollen eine Ergänzung sei die Erfahrung der Polizei notwendig – und natürlich die Qualität der Daten, die hinterlegt seien. «Die Soft- sein; eine Grundlage, auf der ware versteht nur, was sie lesen kann, was der Polizist Menschen Entscheide treffen. effektiv im Rapport eingegeben hat», sagt Balogh. Der gesunde Menschenverstand soll nie abgeschaltet werden.» In roten Gebieten wird die Polizeipräsenz erhöht Trigger ist der erste In einer Detailansicht liefert die Software sogar ei- Einbruch, der registriert ne genauere Berechnung, wie hoch die Wahrschein- wird. Dieser erste Einbruch könnte den Start einer lichkeit für Wiederholungstaten im farblich gekenn- Serie darstellen. zeichneten Gebiet ist. Rot ist die höchste Alarmstufe – satz. «Vorausschauende Polizeiarbeit ist ein Drei- gemäss Berechungen der Software. Für die Inter- klang zwischen Datenanalyse, den gewonnenen Er- pretation brauche es den Menschen, sagt Dominik kenntnissen und Intervention», so Dominik Balogh, Balogh. Das könnten Daten nicht leisten. Glaubt der Leiter der Abteilung Analyse der Stadtpolizei Zürich. Mensch der Maschine, verstärkt er in diesem Gebiet Es sei statistisch erwiesen, dass es bei Einbrüchen oft die Polizeipräsenz. Diese soll den Einbrecher davon zu einer zeitnahen Wiederholung im gleichen Gebiet abhalten, weitere Delikte zu planen, weil er sich nicht komme, sagt Balogh. Der Grund dafür liege im Drang mehr sicher fühlt. des Menschen nach Gewinnmaximierung. Dominik Balogh ist zufrieden mit den Resultaten von «Pre- Balogh zieht einen Vergleich mit Pilzesammlern: Wer cobs» – auch wenn man bei der vorausschauenden in einem Feld einen schönen Pilz finde, suche auch eher Polizeiarbeit natürlich nicht mit abschliessender in dessen Nähe nach weiteren Exemplaren, als das Feld Sicherheit sagen könne, welche Faktoren den Rückgang zu wechseln. Für die Polizeiarbeit bedeutet das: Ist ein der Einbrüche bewirkt hätten. Einbrecher in einem Gebiet erfolgreich, besteht eine Sinnvoll findet es die Wissenschaftlerin Erika Meins, hohe Wahrscheinlichkeit, dass er in diesem Gebiet wie Daten im Fall von «Precobs» eingesetzt werden: wiederholt zuschlagen wird. Near-Repeat-Phänomen, «Daten sollen eine Ergänzung sein; eine Grundlage, heisst es in der Wissenschaft. Das Phänomen der zeit- auf der Menschen Entscheide treffen.» Dies gelte nahen Wiederholung also. für alle Erkenntnisse rund um maschinelles Lernen: Und hier hilft «Precobs»: Auf einer Karte sind die «Maschinen können Menschen nicht ersetzen. Der erfassten Einbrüche mit einem gelben Punkt mar- gesunde Menschenverstand soll nie abgeschaltet kiert. Auf der gleichen Karte sind blaue Felder ein- werden.» gezeichnet, sogenannte «near repeat»-affine Gebiete. Nächstes Jahr läuft das Projekt «Home Safety» aus. «Near repeat»-affin heisst, dass das Gebiet statis- Die Gesellschaft sieht sich im Jahr 2019 auch vor neue tisch gesehen eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Herausforderungen gestellt: So stehe künftig eine Einbruchsserie hat. Jeder gelbe Punkt ist mit Daten verantwortungsvolle digitale Interaktion zwischen hinterlegt, die zu diesem Einbruch erfasst sind. Diese Mensch und Maschine im Fokus, erklärt Erika Meins. Daten zieht das System aus den Polizeirapporten Zusammen mit ihrem ETH-Team will sie neue Er- Follower sind Wahrscheinlichkeitsberechnungen Operativer und Einbruchsprotokollen. Wann hat der Einbruch kenntnisse dazu gewinnen, wie die Interaktionen dann die für Folgeeinbrüche Kreis stattgefunden? Was wurde erbeutet? Welche Methode zwischen digitalen Applikationen und Mitarbeitenden, möglichen hat der Einbrecher gewählt, um einzubrechen? «Wir Patienten, Kunden oder Studierenden verbessert wer- Folgeeinbrüche. fokussieren hier auf Wohnungseinbrüche und auf den können. Dafür werden auch maschinelles Lernen Einbrüche, die typische Anzeichen eines professi- und Augmented Reality eingesetzt. Wann empfinden am wahr- sehr Hier sind onellen Täterprofils aufweisen», erklärt Balogh. Denn wir eine personalisierte Anwendung als unterstützend, wenigsten scheinlich wahr- Wieder- dann sei die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass wann als unheimlich? In welchen Situationen ziehen wahr- scheinlich holungen scheinlich wahrscheinlich es sich um eine Serie handle und somit Folgedelikte wir eine digitale Interaktion vor, wann den persön- passieren würden. lichen Kontakt? Ein Forschungsschwerpunkt bildet «Trigger» heissen die Merkmale, die auf profes- die digitale Stressintervention mit Forschung, wie man sionelles Handeln hinweisen: entfernter Fensterkit, mit Daten Stress von Büromitarbeitenden frühzeitig aufgebohrte Fensterrahmen oder ein aufgebohrter erkennen und mit Hilfe von personalisierten digitalen Schlosszylinder an der Tür. Dann waren mit grosser Interventionen negative Folgen abwenden kann. Wahrscheinlich Profis am Werk. «Um Trigger und Anti- Neue Forschungsfelder, neue Fragestellungen: Mit «Precobs», das «Pre Crime Observation System», soll das Handlungsmuster von Einbrechern erkennen und der Polizei verraten, Trigger zu gewichten, braucht es einen menschlichen Erkenntnissen, die wertvoll sein sollen für die For- wo die Wahrscheinlichkeit für Folgeeinbrüche am höchsten ist. In diesen Gebieten können dann gezielt Patrouillen eingesetzt werden. Entscheid», sagt Dominik Balogh. Für diese Entscheide schung, die Praxis und die Gesellschaft.
24 ESPORTS ESPORTS 25 tausender Fans, wie Rockstars gefeiert. Täglich versorgen die Profi-Gamer ihre Anhänger im Internet mit Videos von Spielsequenzen, in denen sie ihre neuesten Tricks präsentieren. Live-Übertragungen von eSports-Veranstaltungen erreichen bei den Teenagern Rekordreichweiten. Absolut rekordverdächtig sind inzwischen auch die Preisgelder, die im eSport bezahlt werden. Sie sind in Dimensionen vorgestossen, wie man sie bisher nur von anderen Mega-Events kannte. Erhält beispielsweise der Sieger der US Open im Tennis für den Einzelsieg rund 3,8 Millionen Dollar, winken dem Gewinner des im Juli stattfindenden «Fortnite World Cup Finals» in New York sage und schreibe 3 Millionen Dollar. Insgesamt 30 Millionen Dollar wird Spiele-Entwickler Epic Games an die Teilnehmer ausschütten. Als wären eSportler eine völlig neue Spezies ESport-Fans sind überwiegend jung, männlich und an Technik interessiert, so eine Studie. Stärker als der Breitensport handelt es sich beim eSport um eine Jugendkultur. Teenager erleben die zahlreichen Turnierveranstaltungen als elternfreie Zone. Ende November vergangenen Jahres meldete Epic Games weltweit über 200 Millionen Fortnite-Spieler. Das Rund 100 Millionen Menschen weltweit spielen «League of Legends»: Die Weltmeisterschaftspartien – hier in Südkorea – füllen riesige Hallen. Niels Craandijk (17), alias «MrCrandy», gilt als grosses Schweizer Fortnite-Talent. Finale der Weltweisterschaft im rasanten Action-Stra- tegie-Spiel «League of Legends» besuchten 80 000 Zuschauer im ehemaligen Olympia-Stadion in Peking. Im ELymp Etwa 100 Millionen Menschen spielen es Monat für tenkombinationen zu drücken. Craandijk gilt in der Monat weltweit. Schweizer eSport-Szene als eines der grösten Talente Einer, der sich selbst als «leidenschaftlicher Zocker» beim Spiel «Fortnite». Anfangs hätten seine Eltern und «Gaming-Enthusiast» bezeichnet, ist Reto Canova Gaming ist zum Milliardengeschäft geworden. «recht speziell» auf sein Hobby reagiert, meint er. In- zwischen aber würden sie ihn unterstützen. Im Sommer, aus Zürich. Sein favorisiertes Spiel ist der taktische Ego- Shooter «Counterstrike». Im Sommer 2015 schloss der Vorbei sind die Zeiten, als es als sinnfreie so sein grosses Ziel, will Craandijk in New York am «World Cup» teilnehmen. inzwischen 29-Jährige sein Informatikstudium mit dem Schwerpunkt Service Engineering ab und gehört Beschäftigung sozial isolierter Teenager galt. Im eSport treten Teilnehmer in Computer- und Videospielen gegeneinander an. Längst ist das Gaming seit November 2016 zum jungen Team von eSports.ch. Dort berichtet er über aktuelle Geschehnisse in der den Kinderzimmern entwachsen und zum Milliarden- Schweizer Szene, informiert die Zuschauer über Tur- geschäft geworden. Immer mehr Unternehmen inves- nierresultate und interviewt bekannte eSport-Persön- Marco Wisniewski tieren Geld, um vom eSport-Hype zu profitieren. Und lichkeiten. «Etwa 30 Prozent meiner Zeit verbringe Jean Chung/Bloomberg/Getty Images (1), Patrick T. Fallon/Bloomberg/Getty Images (1), Henrik Nielsen (1) der Boom wird sich rasant fortsetzen: Laut einer Pro- ich allerdings noch mit Aufklärungsarbeit», sagt gnose erhöht sich der Umsatz im elektronischen Sport Canova. Unternehmen würden wissen wollen, welche bis 2020 weltweit auf über eine Milliarde Schweizer Investitions- und Sponsoringmöglichkeiten sich bieten A Franken. Die Zahl der Zuschauer rund um den Globus und wie die Gamer so ticken – als seien eSportler eine bends taucht Niels Craandijk in eine andere Fähigkeiten seines Spielcharakters einzuüben. Jede wächst auf mehr als 600 Millionen. völlig neue Spezies von Mensch. Welt ein. Er setzt sich an seinen Computer, Bewegung, und sei sie auch noch so minimal, müsse Wurde das stundenlange Zocken von Videospielen «Anfang des Jahres steigt das eSports-Team von nennt sich dann «MrCrandy» und macht in man verinnerlichen, wenn man eine Chance haben einst noch als völlig sinnfreie Beschäftigung sozial PostFinance in die Battle Arena», verkündete kürzlich einem künstlichen Kosmos Jagd auf verborgene Schätze will, erklärt der 17-jährige Auszubildende aus der isolierter Pubertierender belächelt, ist es heute die der Finanzdienstleister in einer Pressemitteilung. Das und Gegner. Vier bis fünf Stunden täglich trainiert er Nähe von Zürich. Denn den Fingern bleiben oft nur Bühne Millionen Jugendlicher. Bei öffentlichen Unternehmen bietet fünf jungen Erwachsenen die vor dem Bildschirm. Spezielle Programme helfen ihm, Sekundenbruchteile, um über die Tastatur und das Wettkämpfen werden die Top-Spieler der eSport- Chance, sich während eines Jahres unter professioneller das Zielen mit der Waffe zu verbessern oder diverse Gamepad hin und her zu fliegen und bestimmte Tas- Szene, begleitet von hipper Musik und dem Gejohle Leitung im Strategiespiel «League of Legends» an die
Sie können auch lesen