Rohstoffe für Batterien - EPub Bayreuth
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Das Wissenschaftsmagazin der Universität Bayreuth 15. Jahrgang Ausgabe 1 August 2019 Materialien & Analytik Rohstoffe für Batterien Seiten 8-13 Energiesysteme Batterien und elektrische Antriebe Seiten 42-46 Thema Batterien Nachhaltigkeit Batterien als Schlüsseltechnologie Seiten 64-67
Grusswort Liebe Leserinnen und Leser, N achhaltigkeit in der Energieversorgung ist an- gesichts des Klimawandels eine der Zukunfts- fragen des 21. Jahrhunderts. Neuen Technologien Ingenieurwissenschaften und auch die Wirtschafts- informatik werden sich noch stärker als bisher ver- netzen. Soziale und ökologische Probleme, die mit der Energiespeicherung kommt dabei eine Schlüs- dem Abbau der heute üblichen Batterie-Rohstoffe selrolle zu. Auf diesem Gebiet will die Universität in Ländern Afrikas oder Südamerikas verknüpft sind, Bayreuth mit ihrem Bayerischen Zentrum für Batte- dürfen dabei nicht aus dem Blick geraten: Die Ent- rietechnik (BayBatt) innovative Entwicklungen offen- wicklung von Batteriespeichern auf der Basis ande- siv vorantreiben. rer, gut verfügbarer und recyclefähiger Materialien steht auf der Agenda weit vorn. Dabei geht es nicht allein darum, durch eine Auswei- tung der Elektromobilität die CO2-Emissionen zu ver- Die Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung, ringern. Stationäre Speicher in privaten Haushalten, das Bayerische Zentrum für Batterietechnik an der Industrieanlagen und öffentlichen Einrichtungen, Universität Bayreuth anzusiedeln, hat erneut gezeigt: Prof. Dr. Stefan Leible, Präsident die in intelligente Energiesysteme integriert sind, Auch auf dem Gebiet der Energieforschung und der Universität Bayreuth. werden dazu beitragen, dass der Anteil erneuerbarer Energietechnik ist unser Campus ein dynamischer, Energien am Stromverbrauch weiter steigen kann. der Zukunft zugewandter Wissenschaftsstandort. Hierfür reicht der „State of the Art“ in der Batterie- technik allerdings nicht aus. Deshalb wollen wir auch Es grüßt sie herzlich die Grundlagenforschung intensivieren und die ge- wonnenen Erkenntnisse nutzen, um zur Entwicklung Ihr effektiver, sicherer und marktfähiger Speichertech- nologien beizutragen. Erneut wird sich hierbei die hervorragende interdisziplinäre Zusammenarbeit bewähren, die unsere Campusuniversität seit mehr Prof. Dr. Stefan Leible als vier Jahrzehnten prägt. Physik und Chemie, die Präsident der Universität Bayreuth Weitere SPEKTRUM-Ausgaben Auf der Homepage der Universität Bayreuth finden Sie unter anderem auch die vorigen SPEKTRUM-Ausgaben zu den folgenden Themen: 2/2018: Krieg 1/2018: Planet Erde 2/2017: Nachhaltigkeit 1/2017: Governance 2/2016: Molekulare Biowissenschaften 1/2016: Innovationen 2/2015: Digitalisierung 1/2015: Kulturbegegnungen und transkulturelle Prozesse 2/2014: Energie • www.uni-bayreuth.de/de/universitaet/presse/spektrum 2 Ausgabe 1 . 2019
Editorial A ls der bayerische Ministerpräsident im April 2018 verkündete, dass die Universität Bayreuth eine neue Forschungseinrichtung – nämlich ein Bay- können. Masterstudierende, Doktoranden und Post- docs aus dem In- und Ausland sind willkommen, sich mit eigenen Ideen und Konzepten daran zu beteiligen. erisches Zentrum für Batterietechnik (Baybatt) – er- Mittelfristig ist auch der Aufbau eines Studiengangs halten solle, war man sich auf dem Campus sofort zur Batterieforschung und -technik geplant. Wie die einig: Wir bringen für dieses Vorhaben beste Vor- Universität Bayreuth insgesamt, hat auch ihr Zentrum aussetzungen mit. Das Profilfeld „Energieforschung für Batterietechnik eine „third mission“: Angesichts der und Energietechnologie“ ist in natur- und ingeni- technischen, ökonomischen und gesellschaftspoliti- eurwissenschaftlicher Forschung und Lehre an der schen Herausforderungen, die mit der Energiewende Universität Bayreuth fest etabliert, und das Zentrum verbunden sind, wird es bei der Suche nach innova- für Energietechnik (ZET) bündelt seit vielen Jahren tiven Lösungen mit Unternehmen, aber auch mit öf- für Batteriespeicher relevante Kompetenzen aus ver- fentlichen Einrichtungen zusammenarbeiten. schiedenen Disziplinen. Prof. Dr.-Ing. Michael Danzer ist Batterien haben das Potenzial, einen Paradigmen- Inhaber des Lehrstuhls für Elektri- Das BayBatt wird an diese campusumspannende wechsel im Energie- und Verkehrssektor einzuleiten, sche Energiesysteme (EES) an der Universität Bayreuth. Zusammenarbeit anknüpfen und das Thema „Batte- der letztlich alle Bürgerinnen und Bürger betrifft. rien“ auf mehreren Skalen bearbeiten. Diese reichen Gerade unter diesem Aspekt würde es mich freuen, von der Untersuchung molekularer Strukturen und wenn Sie unserer SPEKTRUM-Ausgabe neue, interes- Prozesse über die Modellierung einzelner Elektroden sante Anregungen entnehmen können. und Zellen bis hin zur Steuerung und Koordination von Batterien in einem intelligenten Energiesystem. Freundliche Grüße Die neue SPEKTRUM-Ausgabe, die Sie in Händen halten, will Schlaglichter auf die Vielfalt der span- Ihr nenden Fragestellungen der Batterieforschung in Bayreuth werfen. Prof. Dr.-Ing. Michael Danzer Der wissenschaftliche Nachwuchs wird am BayBatt Leiter des Bayerischen Zentrums für Batterietechnik an herausfordernden Forschungsprojekten mitwirken (BayBatt) an der Universität Bayreuth Impressum SPEKTRUM-Magazin der Universität Bayreuth Auflage: Redaktionsleitung: deutsche Ausgabe: 1.500 Stück Christian Wißler (V.i.S.d.P.) englische Ausgabe: 500 Stück Druck: bonitasprint gmbh, Würzburg Herausgeber: Universität Bayreuth Satz und Layout: Stabsabteilung Presse, Marketing GAUBE media agentur, Bayreuth und Kommunikation (PMK) www.gaube-media.de Christian Wißler M.A., Titelseite: Batterieraum in einem Fachwirt Public Relations (BAW), 95440 Bayreuth Energiepark (sst). Stabsabteilung PMK Telefon (09 21) 55 - 53 56 / - 53 24 Bildquellen-Kennzeichnung: der Universität Bayreuth, Abb. links: E-Tankstelle auf dem Campus pressestelle@uni-bayreuth.de sst: www.shutterstock.com Wissenschaftskommunikation. der Universität Bayreuth (Foto: Christian Wißler). Alle Beiträge sind bei Quellenangaben und Belegexemplaren frei zur Veröffentlichung. Ausgabe 1 . 2019 3
Thema Batterien 2 Grußwort Prof. Dr. Stefan Leible Präsident der Universität Bayreuth 3 Editorial Prof. Dr.-Ing. Michael Danzer Leiter des Bayerischen Zentrums für Batterietechnik (BayBatt) an der Universität Bayreuth 3 Impressum 4 Inhaltsverzeichnis 26 Im Keylab für Device Engineering werden neuartige Wissenschaftspolitik Batterie-Knopfzellen entwickelt (Foto: C. Wißler). 6 Energiespeicherung – eine der zentralen Zukunftsfragen 18 Prozesstechnologien Fragen an Bernd Sibler, MdL, für neue Festelektrolyte Bayerischer Staatsminister für Innovationen für die Lithium- Wissenschaft und Kunst Ionen-Batterie der Zukunft 22 Nanostrukturierte Oxide Funktionelle Materialien für die elektrochemische Energie- speicherung und -wandlung 26 Batterien auf Kunststoffbasis Lösungsmittelfreie Elektrolyte für die nächste Generation von Batterien 8 30 Lithium-Ionen-Batterien Auch soziale und ökologische Umstände der Roh- stoffgewinnung sind in der Batterieforschung zu be- Herausforderungen der aktuellen achten (Foto: Felix Malte Dorn / Shutterstock.com). Technologie Modellierung & Simulation Materialien & Analytik 34 Batteriemodellierung 8 Rohstoffe für Batterien Wege zum Verständnis und Design Nicht nur die Leistung zählt elektrochemischer Energiespeicher 14 38 Wärmemanagement in Batterien 14 Alles im Fluss Flussbatterien – eine interessante Option für die Flussbatterien speichern Zwischenspeicherung erneuerbarer Energien Erhöhte Sicherheit durch thermische (Foto: M. K. Kayarkatte). Sonnen- und Windenergie Analysen und Simulationen 4 Ausgabe 1 . 2019
Inhaltsverzeichnis Mit dem Modell einer Batterie wurde das Bayerische Zentrum für Batterietechnik (BayBatt) auf dem Campus der Universität Bayreuth im September 2018 festlich eröffnet (Foto: Peter Kolb). Energiesysteme 42 Batterien und elektrische Antriebe Systembetrachtungen 64 Wichtiges Forschungsfeld: die Steuerung und Koordi- für die Elektromobilität nation einer großen Anzahl von Batteriespeichern (sst). Nachhaltigkeit 60 Energiezukunft gemeinsam gestalten Wie regionale Partner die Energiewende vorantreiben 64 Batterien als Schlüsseltechnologie 60 Durch interdisziplinäre Batterie- Batteriespeichersysteme – ein Beitrag zur kom- forschung zu einer nachhaltigeren munalen Energieversorgung (Foto: F. X. Bogner). Energiewirtschaft 54 Intelligente Energieknoten sind das Herz moderner Energiesysteme (Foto: B. Zeilmann). 47 Mit Elektroantrieb voll im Rennen Das Elefant Racing-Team Wissenschaftsgeschichte 48 Smart Homes 68 Humboldt und Volta Wärme und Strom für Von den Experimenten Galvanis unser künftiges Wohnen zur Erfindung der Batterie 54 Industrielle und 38 kommunale Anlagen Untersuchung der Wärmeleitfähigkeit mit spek- Energieoptimierter Betrieb mithilfe troskopischen Methoden (Foto: K. Herrmann). intelligenter Batteriesteuerung Ausgabe 1 . 2019 5
Wissenschaftspolitik Energiespeicherung – eine der zentralen Zukunftsfragen Fragen an Bernd Sibler, MdL, Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst S ehr geehrter Herr Minister Sibler, es ist noch kein Jahr vergangen, seit Ihr Ministerium auf dem Campus der Universität Bayreuth das Bayerische Zen- trum für Batterietechnik an der Universität Bayreuth ankündigt, stellt Ministerpräsident Söder fest: „Der Elektromobilität gehört die Zukunft.“ Welche Im- trum für Batterietechnik – kurz: BayBatt – eröffnet pulse erwartet die Staatsregierung dazu aus der For- hat. Was hat die Bayerische Staatsregierung bewogen, schung an der Universität Bayreuth? auf diesem Gebiet der Energieforschung ein neues Zentrum ins Leben zu rufen? Und weshalb wurde das Wenn wir beim Klimaschutz vorangehen und unse- BayBatt als Einrichtung der Universität Bayreuth ge- re Abhängigkeit von fossilen Energieträgern redu- gründet – und nicht an einem anderen Standort, bei- zieren wollen, kommen wir an der Elektromobilität spielsweise als außeruniversitäres Institut? nicht vorbei. Hier haben wir aber noch einigen Spiel- raum bei der Weiterentwicklung, zum Beispiel bei Energiespeicherung ist eine der zentralen Zukunfts- der Reichweite und der Frage, was mit den Batterien fragen! Bei der internationalen Suche nach Antwor- passiert, wenn sie nicht mehr nutzbar sind. In diesen ten wollen wir hier in Bayern innovative Impulse set- Bereichen kann BayBatt mit seinem interdisziplinä- zen. Mit einem eigenen Forschungszentrum können ren Ansatz, der den gesamten Lebenszyklus einer wir unsere Kompetenz bündeln und vertiefte For- Batterie in den Blick nimmt, ganz entscheidende Im- schungsarbeit leisten. Unser Ziel ist es, über die ge- pulse auf dem Weg zur effizienten und nachhaltigen samte Wertschöpfungskette von Batteriespeichern Batterie von morgen setzen. hinweg zukunftsträchtige Entwicklungen anzusto- Abb. 1: „Sonnenscheibe“ des Glaskünst- ßen. Wir setzen dabei neben der Forschung auch auf Der Koalitionsvertrag der Staatsregierung aus CSU lers Florian Lechner vor der Fakultät für Ingenieurwissenschaften (Foto: Christian die akademische Aus- und Fortbildung junger Nach- und Freien Wählern weitet die Batterieforschung am Wißler). wuchskräfte. Schließlich brauchen wir sie auf diesem BayBatt auf stationäre Energiespeicher aus. Welche Be- Zukunftsfeld als Visionäre und Problemlöser! Dazu deutung hat die Erforschung innovativer Speichertech- wollen wir ein ansprechendes Angebot machen. niken für die regionale und landesweite Energiewende? Das Konzept der Universität Bayreuth zur Gründung Die Weiterentwicklung stationärer Energiespeicher eines Forschungs- und Entwicklungszentrums für ist der Schlüssel für die Energieversorgung von Batterietechnik hat übrigens all diese Punkte berück- sichtigt. Die Ausrichtung und Schwerpunktsetzung der Universität hat es möglich gemacht, dass wir das Bayerische Zentrum für Batterietechnik im Septem- ber letzten Jahres – und damit nur wenige Monate nach seiner Ankündigung – eröffnen konnten. Denn „Energieforschung und Energietechnologie“ ist bereits seit Jahren ein wichtiger Forschungs- schwerpunkt der Universität Bayreuth – disziplin- und fakultätsübergreifend. Auf diese große Expertise und Kompetenz bauen wir. Abb. 2: Blick auf den zentralen Campus In seiner Regierungserklärung vom April letzten Jah- der Universität Bayreuth (Foto: UBT). res, in der er das Forschungs- und Entwicklungszen- 6 Ausgabe 1 . 2019
Wissenschaftspolitik morgen. In Bayern können wir beim Ausbau der regenerativen Energiequellen schon große Erfolge vorweisen. Für die wirtschaftliche und nachhaltige Nutzung und Vernetzung dieser dezentral produ- zierten grünen Energie sind stationäre Energiespei- cher aber ganz essentiell. Denn mit diesen können wir die Schwankungen von Wind- und Sonnenkraft ausgleichen und eine umfassende Versorgungs- sicherheit in unseren Stromnetzen gewährleisten – damit können wir unser Leben ganz konkret und fühlbar ein Stück weit besser machen. Die nächste Generation sicherer, intelligenter und nachhaltiger Energiespeicher wird aus Bayreuth kom- men – dies hat die Staatsregierung in ihrem Minis- terratsbeschluss vom September 2018 angekündigt. Zudem verspricht sie eine interdisziplinäre Zusam- menarbeit und enge Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft. Wie kann diese ausgestaltet werden? der Lösung konkreter Fragestellungen im Bereich Abb. 3: Bernd Sibler, MdL, Bayerischer Staatsmi- nister für Wissenschaft und Kunst (Foto: ©StMWK). der Batterietechnik nachhaltig unterstützen. Hinzu Die Universität Bayreuth ist in ein weites und vor kommt, dass wir mit dem geplanten Studienange- allem äußerst erfolgreiches Kompetenznetzwerk bot auf den vorhandenen Bedarf an Fachkräften in mit außeruniversitären Partnern eingebunden. Da- diesem Bereich reagieren. von wird auch BayBatt maßgeblich profitieren! So sind die beteiligten Arbeitsgruppen bereits jetzt im Zweifelsohne spielt die Batterietechnik eine zentra- Rahmen von Projekten oder Industrieaufträgen in le Rolle in der Industriepolitik des Freistaates, wenn vielfältiger Weise mit der Wirtschaft verbunden. Für es darum geht, die aktuellen Herausforderungen in wichtige Impulse von außen wird darüber hinaus den Wirtschaftsbranchen Verkehr und Energie zu der aus Wissenschafts- und Wirtschaftsvertretern zu- meistern. Sowohl bei der Elektromobilität als auch sammengesetzte Beirat des BayBatt sorgen. bei der Energieversorgung nehmen moderne und effiziente Batterien eine Schlüsselrolle ein. Erfolg- Welche direkten und mittelbaren Effekte erwarten Sie reiche Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im in Bezug auf die bayerische Wirtschaft? Welche Rolle Bereich der Batterietechnik sind daher für die Zu- spielt die Batterietechnik für die zukünftige Indust- kunftsfähigkeit unseres Industriestandortes Bayern riepolitik des Landes? immens wichtig. Sie tragen vor allem auch dazu bei, den Wirtschaftsstandort Bayern mit eigenen Innova- BayBatt ist eng mit der Wirtschaft verknüpft. Ent- tionen zu stärken. sprechend gut wird sich die Forschung zielgerichtet an deren Bedürfnissen orientieren und diese bei Denken wir einmal weit in die Zukunft voraus: Wie wird das BayBatt im Jahre 2028 dastehen? Auf welche Leistungen und Erfolge soll es am 10. Jahrestag seiner Gründung zurückblicken können – und was wollen Sie als Bayerischer Wissenschaftsminister dafür tun, dass diese Vision Wirklichkeit wird? Ich bin überzeugt, dass sich BayBatt in den kom- menden Jahren erfolgreich als weithin sichtbare For- schungseinrichtung positionieren wird! Sicherlich werden wir vielfältige Impulse zur Batterietechno- logie ‚made in Bayreuth’ in vielen Häusern, Geräten und Autos finden. Damit dies gelingt, werde ich die weitere Entwicklung von BayBatt weiter eng beglei- Die Fragen stellten ten. Ich werde mich nach Kräften für diese einzigarti- Michael Danzer und ge Forschungseinrichtung in Oberfranken einsetzen! Christian Wißler. Ausgabe 1 . 2019 7
Materialien & Analytik Thorsten Gerdes Rohstoffe für Batterien Nicht nur die Leistung zählt Der Salar de Uyuni im Südwesten Boliviens, der auf einer Höhe von 3.653 Metern liegt, ist nicht nur die größte Salzpfanne der Erde, sondern enthält eines der weltweit größten Lithiumvorkommen (sst). 8
S eit der italienische Physiker Alessandro Volta im Jahr 1800 die Batterie erfunden hat, sind immer wieder neue Batterietypen entwickelt worden. Ob „Der Energiebedarf bei der Gewinnung und Smartphone, Hörgerät, Fernbedienung, Herzschritt- Raffination von Batteriewerkstoffen ist oft beträchtlich.“ macher, Anlasser im Auto oder unterbrechungsfreie Stromversorgung großer Anlagen – so unterschied- lich wie die Anwendungen sind auch die verwen- deten Batterien. Angesichts des Klimawandels und Verfügbarkeit von Rohstoffen der Notwendigkeit, insbesondere in großen Städten die Luftqualität zu verbessern, haben Batterien als Zur Herstellung von Batterien werden Rohstoffe wie Energiespeicher heute eine Bedeutung gewonnen, Lithium, Kobalt, Nickel, Mangan und Graphit benö- die vor wenigen Jahren noch unvorstellbar war. Von tigt, die nicht unbegrenzt in der Erdkruste zur Ver- Batterien wird heute erwartet, dass sie wiederauflad- fügung stehen und mit Anwendungen in anderen bar sind, möglichst keine toxischen Stoffe enthalten Bereichen im Wettbewerb stehen. Gleichzeitig steigt und aus Rohstoffen bestehen, die gut verfügbar die globale Nachfrage. So lag der weltweite Bedarf und preisgünstig sind. Auch unter kritischen Bedin- an Speicherkapazität für Lithium-Ionen-Batterien im gungen wie Überhitzung oder mechanischer Schä- Jahr 2015 noch bei etwa 70 GWh, doch 2025 wird er digung müssen Batterien sicher sein, und am Ende – selbst wenn man moderate Wachstumsszenarien einer möglichst langen Lebensdauer sollte ein Recy- zugrunde legt – bereits bei 535 GWh liegen. Die gute cling obligatorisch sein. Nachricht lautet: Die weltweiten Vorkommen für alle Batterierohstoffe übersteigen den prognostizierten Die Batterien, die heute weltweit pro Jahr auf den Bedarf der nächsten Jahre jeweils deutlich. Dies Markt kommen, haben eine Speicherkapazität von schließt allerdings nicht aus, dass es zu zeitweiligen insgesamt rund 500 Gigawattstunden. Für ihre Verknappungen oder Preissteigerungen einzelner erstmalige vollständige Aufladung würde ein Kern- Rohstoffe kommen kann. kraftwerk ungefähr ein halbes Jahr benötigen. Die Autor Energiespeicher-Roadmap des Fraunhofer-Instituts Es darf trotz optimistischer Prognosen aber nicht für System- und Innovationsforschung (ISI) prognos- übersehen werden, dass die Förderung von Batte- tiziert für 2050 eine Nachfrage an Speicherkapazität, rierohstoffen auch heute noch oft mit sozialen und die sich auf 8.000 bis 10.000 Gigawattstunden (GWh) ökologischen Problemen einhergeht. Die Arbeits- pro Jahr beläuft.1 Um den Bedarf decken zu können, bedingungen in den Minen sind in zahlreichen roh- müssen nicht allein hinreichende Rohstoffressour- stoffreichen Ländern der Erde gesundheitsschädi- cen, Fertigungstechnologien und -kapazitäten zur gend, die Arbeitslöhne gering. Nicht selten kommt Verfügung stehen. Es müssen auch Batteriewerk- es zwischen Bergbauunternehmen und der ein- stoffe, -zellen und -systeme optimiert oder völlig neu heimischen Bevölkerung zu Konflikten wegen des entwickelt werden. Wasserverbrauchs. Belastete Abwässer, die aus dem Abbau und der Aufarbeitung von Batterierohstoffen In Bayreuth haben Forschergruppen am Lehrstuhl entstehen, können die Umwelt schädigen. Zudem ist für Werkstoffverarbeitung seit 15 Jahren Batterie- der Energiebedarf bei der Gewinnung und Raffinati- Prof. Dr.-Ing. Thorsten Gerdes werkstoffe und Herstellungsverfahren entwickelt, on von Batteriewerkstoffen oft beträchtlich, was die leitet das Keylab Glastechnologie Zellen gefertigt, physikalisch und elektrochemisch „Graue Energie“2, aber auch die Kosten erhöht. Fünf am Lehrstuhl für Keramische charakterisiert und bewertet. Schwerpunkte waren wichtige Batterierohstoffe – Blei, Lithium, Kobalt, Werkstoffe der Universität Anodenwerkstoffe für Lithium-Ionen-Batterien, Ano- Graphit und Zink – sollen nachfolgend genauer be- Bayreuth. den- und Kathodenwerkstoffe für wiederaufladbare trachtet werden. Zink-Luft-Batterien, Separatoren zur Trennung der Anode von der Kathode und Analysen zur Aufklä- rung von Alterungsprozessen der Zellkomponenten. Blei Darüber hinaus befassen sich die Forschungsarbei- ten aber auch mit der Frage, wie sich Batterierohstof- Der wichtigste Batterierohstoff ist schon seit den fe ersetzen lassen, die unter wirtschaftlichen, sozia- 1950er Jahren Blei. Das gilt sowohl für den Bedarf len, ökologischen oder politischen Aspekten kritisch von fast neun Millionen Tonnen pro Jahr als auch zu bewerten sind. für die Nachfrage nach Batteriekapazität. Diese liegt aktuell bei knapp 400 GWh pro Jahr und ist damit viermal höher ist als für Lithium-Ionen-Batterien. Als Ausgabe 1 . 2019 9
Materialien & Analytik toxisches Schwermetall hat Blei unter den Batterie- stärksten mit Feuchtigkeit reagiert, muss die Ferti- werkstoffen eine besondere Stellung. Viele etablier- gung der Batteriezellen unter absolut trockenen Be- te Anwendungen, wie bleihaltige Bildschirmröhren, dingungen erfolgen. Schon heute kommt weit mehr haben mittlerweile ihre technologische Bedeutung als ein Drittel des weltweit geförderten Lithiums in verloren. Andere Anwendungen, wie Blei in Metall- Lithium-Ionen-Batterien zum Einsatz. Selbst vorsich- loten, sind gesetzlich verboten. Daher stehen gut 80 tige Wachstumsprognosen sagen voraus, dass dieser Prozent des weltweit verfügbaren Bleis für die Ver- Anteil bis zum Jahr 2025 auf zwei Drittel steigt.5 wendung in Blei-Batterien zur Verfügung.3 Zudem sind die Recyclingraten im Vergleich zu anderen Als Rohstoffe für die Batterieherstellung dienen vor Batterierohstoffen sehr hoch. Das liegt nicht nur an allem lithiumhaltige Mineralien, die insbesondere in der ausgereiften Recycling-Technologie, sondern in Australien abgebaut werden, und lithiumhaltige So- Deutschland auch an einem Pfandsystem für Blei- levorkommen in Chile. Die Fördermenge aus beiden Säure-Batterien, das im Vergleich mit anderen Batte- Ländern zusammen deckt zurzeit etwa 80 Prozent rierohstoffen einmalig ist. Von den 370.000 Tonnen des globalen Lithiumbedarfs. Wegen der erwarte- Blei, die jährlich hierzulande verarbeitet werden, ten hohen Bedarfssteigerungen bauen viele Länder stammen etwa 65 Prozent aus recycliertem Blei.4 ihre Förderkapazitäten aus oder nehmen stillgelegte Bergwerke wieder in Betrieb. Neue Bergbauprojek- te werden gestartet. Der seit 2015 um mehr als das Dreifache gestiegene Lithiumpreis begünstigt auch den Abbau in Lagerstätten mit einem niedrigen Lithi- umgehalt, der einen höheren Aufwand für die Aufar- beitung bedingt. In jüngster Zeit ist der Lithiumpreis allerdings so deutlich gefallen, dass die Wirtschaft- lichkeit einiger Projekte schwieriger geworden ist. Auch aus der Lagerstätte Zinnwald in Sachsen nahe der deutsch-tschechischen Grenze könnten zukünf- 100 % 4,9 % 10,2 % 0,4 % 0,1 % 90 % 1,6 % 1,0 % 2,5 % 1,4 % 5,0 % 3,1 % 80 % 2,5 % Abb. 1: Links: Blei-Säure-Batterien post mortem. Als Starterbatterie in Fahrzeugen oder zur Sicherung 4,5 % 2,7 % Rechts: Die Bildung von Bleisulfat-Kristallen hat einer unterbrechungsfreien Stromversorgung in In- 5,1 % 4,2 % zur Blockade der Bleielektrode geführt (Bilder: 70 % 6,4 % Tobias Michlik). dustrieanlagen sind Blei-Säure-Batterien gut geeig- 7,9 % 7,1 % net. Sie besitzen eine ausreichende Zyklenstabilität, 60 % und das Preis-Leistungsverhältnis ist günstig. Die 12,0 % Zyklenstabilität sinkt jedoch drastisch, wenn die Ent- 50 % ladetiefe steigt – beispielsweise bei Elektrofahrzeu- 13,4 % gen, die zwecks Energieeinsparung mit einer Start- 40 % Stopp-Automatik ausgestattet sind. In dieser Hinsicht 66,6 % 30 % besteht für diesen alten Batterietyp noch immer Ent- wicklungsbedarf. Vermutlich wird es noch bis ins Jahr 20 % 2025 dauern, bis die Jahrzehnte alte Dominanz der 37,4 % Blei-Batterien durch andere Batterietypen, insbeson- 10 % dere durch Lithium-Ionen-Batterien, abgelöst wird. 0% Abb. 2: Lithium-Nachfrage 2015 im Vergleich zur Nachfrage 2015 Prognose 2025 Prognose 2025 (Grafik: Andreas Gaube). Quellen: Roskill Information Services Ltd.: Lithium: Lithium Übrige Anwendungen Glas Global Industry, Markets & Outlook. London 2016 Aluminiumherstellung Schmierstoffe (Nachfrage 2015); DERA Rohstoffinformationen: Lithium ist nicht nur in Gläsern, Glaskeramiken und Nicht wiederaufladbare Batterien Glaskeramik Rohstoffrisikobewertung – Lithium. Berlin 2017 Keramiken – beispielsweise in Kochfeldern oder Luftaufbereitung (Prognose 2025), vgl. Anm. 5. Dieser Prognose liegt Keramik ein Szenario zugrunde, in der das Gesamtnachfra- Zahnersatz – ein wichtiger Bestandteil, sondern auch Metallpulver Wiederaufladbare Batterien gewachstum 9,2 Prozent beträgt. in Batterien. Weil es unter allen Alkalimetallen am Polymere 10 Ausgabe 1 . 2019
Materialien & Analytik Abb. 3: Links: Teststand zur elektrochemischen Charakterisierung von Batterie-Experimentalzellen, rechts: Experimentalzellen zur elektrochemischen Analyse neuartiger Batterie-Werkstoffe (Fotos: Christian Wißler). Literaturtipp T. Michlik et al.: Improved Dis- charge Capacity of Zinc Particles by Applying Bismuth-Doped Silica Coating for Zinc-Based Batteries. Batteries (2019), Bd. 5, tig nicht unerhebliche Mengen Lithium gefördert der Vergangenheit zumindest teilweise zu unterbin- Heft 1. werden. Aktuelle Schätzungen gehen von 25 Millio- den. Damit wird der Kleinbergbau, in dem im Kon- DOI:10.3390/batteries5010032. nen Tonnen Mineral aus, wobei der durchschnittliche go 150.000 bis 200.000 Menschen beschäftigt sind, Lithiumgehalt bei 0,45 Prozent liegt.6 Das wichtigste auch zukünftig substanziell zum weltweiten Kobalt- Mineral in diesem Vorkommen ist das Zinnwaldit mit angebot beitragen.9 einem Lithiumgehalt von etwa 1,6 Prozent.7 Infolge der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung der E-Mobilität, die auf Lithium-Ionen-Batterien an- Kobalt gewiesen ist, wird sich die Kobaltnachfrage bis 2026 Kobalt ist ein wichtiger Bestandteil in Superlegie- 100 % rungen, Hartmetallen, Stählen, Emailles und Glä- 4,2 % 3,4 % sern. Fast die Hälfte der 2017 weltweit geförderten 5,1 % 4,5 % Co-Metall (33 %) 90 % 7,0 % 117.000 Tonnen entfielen allerdings auf die Batte- 8,5 % 2,0 % rieherstellung. Häufig wird der Rohstoff Kobalt als 80 % 2,7 % besonders kritisch eingeschätzt: Er lässt sich nur 16,0 % bedingt durch andere Rohstoffe ersetzen, und die 70 % 16,5 % Vorkommen beschränken sich auf wenige Länder. So Gesamtnachfrage Kobalt 8,1 % sind die DR Kongo mit über 64 Prozent, die Russische 60 % 12,2 % 3,9 % Föderation mit 4,6 Prozent und Australien mit 4,2 Prozent am weltweiten Kobaltabbau beteiligt.8 Die 50 % 4,7 % DR Kongo ist der mit Abstand wichtigste Kobaltlie- Co-Chemikalien (67 %) 40 % 8,2 % 26,7 % ferant und besitzt mit 3,5 Millionen Tonnen etwa 48 Batterien (55,1 %) Prozent der globalen Kobaltreserven. Das Länderrisi- 30 % ko – das aus unsicheren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen resultiert – gilt in diesem 20 % 35,5 % zentralafrikanischen Staat als besonders hoch. Hier 26,4 % wird der Bergbau häufig mit Kinderarbeit und ille- 10 % galem Kleinbergbau zur Finanzierung von Milizen in Verbindung gebracht. 0% 2,3 % 2,0 % 2015 2025 Etwa 75 Prozent des weltweit benötigten Kobalts Weitere Anwendungen Weitere chemische Anwendungen Abb. 4: Kobaltnachfrage nach Anwen- stammen aus industriellem Bergbau, 10 Prozent aus Magnete Keramik und Farbstoffe dungsbereichen im Jahr 2017 und 2026 Recycling und etwa 13 Prozent aus Kleinbergbau. Karbide und Diamantwerkzeuge LIB für E-Mobilität (Grafik: Andreas Gaube). Daten aus S. Al Barazi: Rohstoffrisikobe- Zertifizierungen des Bergbaus und Kooperativen tra- Schnellarbeitsstahl LIB für weitere Anwendungen wertung – Kobalt. DERA Rohstoffinfor- gen heute dazu bei, die gravierendsten Missstände Superlegierungen NiMH / NiCd mationen 36. Berlin 2018. Ausgabe 1 . 2019 11
Materialien & Analytik fikationen des Graphits werden in Bayreuth von der Firma Future Carbon und dem Institut für Innovative Verfahrenstechnik (InVerTec) zu neuen Silizium-Koh- lenstoff-Anoden weiterverarbeitet. Diese Anoden zeichnen sich durch eine hohe Zyklenstabilität aus und eignen sich daher für eine neue Generation von Lithium-Ionen-Batterien. Abb. 5: Die Bou Azzer-Kobaltmine im Anti-Atlas in Marokko (Foto: Sunart Media / Shutterstock.com). voraussichtlich verdoppeln.10 Diese Prognose be- rücksichtigt bereits, dass der Kobaltanteil in den Bat- terien sinken wird, weil stattdessen neue Kathoden- 1 Fraunhofer-Institut für System werkstoffe zum Einsatz kommen. Wie alle Rohstoffe und Innovationsforschung ISI: wird sich auch Kobalt in den nächsten Jahren sehr Energiespeicher-Roadmap (Update 2017) – Hochenergie-Batterien 2030+ wahrscheinlich verteuern. Diese Entwicklung be- und Perspektiven zukünftiger Batte- günstigt Investitionsentscheidungen zum Ausbau rietechnologien. Karlsruhe 2017. Abb. 6: Arbeitsgruppe des Projekts „Coatemo“ im Graphit- der Primärförderung, so dass mittelfristig keine Ver- 2 Die „graue Energie“ ist die Energie, die Bergwerk Kropfmühl in Bayern. Hier gefördertes und zu Graphen für Herstellung, Transport und Entsor- sorgungsengpässe zu befürchten sind. veredeltes Material wird in Bayreuth zu Graphit-Silizium-Anoden gung eines Produktes benötigt wird. für Lithium-Ionen-Batterien weiterverarbeitet (Foto: Hochschule 3 S. Mohr, D. Giurco et al.: Global Landshut). Projection of Lead-Zinc Supply from Known Resources, Resources Graphit (2018), 7(1), 17. DOI 10.3390/resour- Zink ces7010017. Ohne Graphit keine Bleistifte. Noch bedeutender ist 4 Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe: Rohstoffwissenschaftli- der Werkstoff in der Feuerfestindustrie, in Gießerei- Zink ist ein gut verfügbarer, preiswerter und seit lan- che Steckbriefe – Blei. Hannover 2018. en, in Bremsbelägen, als Elektrodenwerkstoff in der gem etablierter Rohstoff für Primärbatterien. Zu un- 5 M. Schmidt: Rohstoffrisikobewertung Metallurgie und eben auch in Batterien und Brenn- terscheiden sind dabei Zink-Kohle-, Alkali-Mangan-, – Lithium. DERA Rohstoffinformatio- nen 33, Berlin 2017. stoffzellen. Etwa 1,2 Millionen Tonnen Graphit-Flakes Silberoxid- oder Zink-Luft-Batterien. Jährlich werden 6 A. Stark: Lithium aus Sachsen soll werden jährlich gefördert.11 Davon besitzen aber nur auf dem Weltmarkt 13,7 Millionen Tonnen angebo- Versorgungssicherheit für Batterien 380.000 Tonnen eine ausreichende Qualität, um für ten, die hauptsächlich für den Korrosionsschutz von schaffen, Process – Chemie.Pharma. Verfahrenstechnik, 19. Feb. 2019. Anoden in Lithium-Ionen-Batterien verwendet wer- Stahl, in Gusslegierungen oder als Bestandteil von 7 Das Zinnwald-Lithium-Projekt: Li- den zu können. Das Besondere am Graphit ist, dass Messing verwendet werden. Demgegenüber ist der thiumverbindungen aus Deutschland. er nicht nur als natürliche Ressource verfügbar ist, Bedarf an Zink für Batterien von untergeordneter Be- DERA Industrieworkshop 27. Juni 2017, Berlin. sondern auch synthetisch hergestellt werden kann. deutung.14 Allerdings wird Batteriezink in sehr hoher 8 S. Al Barazi: Rohstoffrisikobewertung Natürliche und synthetische Graphite ergänzen sich Reinheit als feines Pulver benötigt, das genau defi- – Kobalt. DERA Rohstoffinformatio- in ihren Vorzügen, so dass Batterieanoden durch nierte Dotierungen mit weiteren Metallen (Bismut, nen 36: Berlin 2018. 9 S. Vetter: Aktuelle Entwicklung und deren Kombination optimiert werden können. Die Indium) aufweist. Dadurch steigen die Herstellungs- Akteurslandschaft im kongolesi- Preise für Graphit sind mit etwa 1.000 Euro pro Ton- kosten. Besonders häufig wird Zink heute in Primär- schen Kleinbergbausektor, DERA ne im Vergleich zu anderen Batterierohstoffen mo- batterien für Hörgeräte eingesetzt. Industrieworkshop zur Verfügbarkeit von Kobalt für den Industriestandort derat und relativ konstant.12 Gleichwohl gilt Graphit Deutschland. Berlin, 2. Juli 2018. als kritischer Rohstoff – nicht wegen mangelnder Zink-Luft-Batterien unterscheiden sich von anderen 10 ebd. Verfügbarkeit, sondern aufgrund der Tatsache, dass Zink-Batterien dadurch, dass Zink mit Luftsauerstoff 11 U.S. Geological Survey: Mineral Commodity Summaries, 2018. sich das weltweite Angebot auf China und Indien mit reagiert und dabei oxidiert wird. Weil das Kathoden- 12 Bundesanstalt für Geowissenschaften Marktanteilen von 71 bzw. 14 Prozent konzentriert.13 material kein fester Bestandteil dieser Batterien ist, und Rohstoffe (BGR): Preismonitor In Bayern wird in der Graphitgrube Kropfmühl tra- sind sie leicht und kompakt. Mit etwa 1.000 Watt- Oktober 2018. 13 Bundesanstalt für Geowissenschaften ditionell Graphit abgebaut. Der Betreiber des Berg- stunden pro Kilogramm besitzen sie eine theoreti- und Rohstoffe (BGR): Graphit – Roh- werks, die AMG Kropfmühl, entwickelt in einem sche Energiedichte, die dreimal höher ist als die von stoffwirtschaftliche Steckbriefe, 03/2014. vom Bundesministerium für Bildung und Forschung Lithium-Ionen-Batterien. Der Traum der Batterie- 14 U. Dorner: Rohstoffrisikobewertung – Zink. DERA Rohstoffinformationen (BMBF) geförderten Projekt die Veredelung des Gra- forscher ist daher eine wiederaufladbare Zink-Luft- 25. Berlin 2015. phits zu Graphenen. Diese zweidimensionalen Modi- Batterie, die diese hohe Energiedichte mit einer ho- 12 Ausgabe 1 . 2019
Materialien & Analytik hen Zyklenstabilität verbindet, wie sie in modernen Lithium-Ionen-Batterien realisiert ist. Eine solche Se- kundärbatterie ließe sich hervorragend recyceln, und die Rohstoffkosten wären gering. Allerdings haben Zink-Luft-Batterien bis heute den Nachteil, dass sie vergleichsweise schnell altern. Denn während der Entladung der Anode bilden sich lösliche Zinkat-Ionen, die in hoher Konzentration eine elektrisch nicht leitfähige Zinkoxidschicht bilden. Da- durch nimmt die Leitfähigkeit der Anode und somit auch die Zyklenfähigkeit der Batterie stetig ab. Hier Abb. 7: Funktionsprinzip einer Zink-Luft- setzt das vom BMBF geförderte Projekt „PrintEnergy“ Sekundärbatterie (Grafik: Michael Fink). am Lehrstuhl für Werkstoffverfahrenstechnik an. Um die Zyklenfähigkeit zu verbessern, entwickeln die For- katalytisch aktiven Schicht besteht. Erst die Vorgän- scher im Keylab Glastechnologie eine Glasbeschich- ge in dieser reaktiven Schicht ermöglichen die für die tung für die in der Anode enthaltenen Zinkpartikel. Auf- und Entladung der Batterie notwendigen Teilre- Infolge der Beschichtung entsteht auf der Anode aktionen: die Reduktion des Luftsauerstoffs (O2) und während des Entladens ein Gel-Elektrolyt, der die Zin- die erneute Oxidation des Entladeprodukts (OH-) zu kat-Ionen aufnimmt und dennoch elektrisch leitfähig Sauerstoff. Hinsichtlich ihrer hohen katalytischen bleibt. Um die Leitfähigkeit zu erhöhen und die Wie- Aktivität sind Edelmetalle wie Platin und Iridium für deraufladbarkeit der Batterie noch weiter zu verbes- den Einsatz in Luftkathoden zwar geeignet, doch sern, wird Bismutoxid in das Glasnetzwerk eingebaut. sie sind sehr teuer und wenig stabil. Die Bayreuther Forschungsarbeiten in diesem Bereich konzentrie- Die Bayreuther Forscher arbeiten noch in einer wei- ren sich deshalb auf die Entwicklung von Katalysa- teren Hinsicht an der Optimierung von Zink-Luft-Se- tormaterialien, die nicht nur möglichst wenig Kobalt kundärbatterien: Um die Verwendung des kritischen enthalten, sondern auch frei von Edelmetallen sind. Rohstoffs Kobalt zu verringern, entwickeln sie für die Kathode dieser Batterien – die sogenannte Luftka- Auch wenn die geologische Verfügbarkeit der Bat- thode – Werkstoffe, die nur wenig oder überhaupt terierohstoffe grundsätzlich gegeben ist, bleibt eine kein Kobalt enthalten. Die Luftkathode unterschei- Ressourcenschonung durch Effizienzerhöhungen det sich von anderen Batteriekathoden dadurch, und Recyclingstrategien zwingend erforderlich, ge- dass sie den für die Erzeugung elektrochemischer nauso wie die Entwicklung von Substitutionsstrate- Energie benötigten Sauerstoff aus der umgebenden gien. Forschung, Entwicklung und ein tiefgreifendes Luft bezieht. Sie gewährleistet eine kontinuierliche Verständnis der Werkstoffe bleiben daher für den Abb. 8: Testzelle zur Untersuchung der elektro- Zu- und Abfuhr des Sauerstoffs, weil sie im Wesent- chemischen Eigenschaften der Aktivmaterialien nachhaltigen Umbau unserer Energieversorgung (Foto: Michael Fink). lichen aus einer gasdurchlässigen Schicht und einer unabdingbar. mechanisches Beschichten Zinkpartikel (Bi, In) Bi2O3-CaO-ZnO-Glas Funktionalisiertes Zinkpartikel Abb. 9: Am Lehrstuhl für Werkstoffverfahrens- Der Lehrstuhl für Werkstoffverarbeitung an der Universität Bayreuth wurde von Prof. Dr. Monika Willert-Porada bis technik werden glasbeschichtete Zink-Partikel als Anodenwerkstoff für wiederaufladbare Zink-Luft- zu ihrem Tod im Dezember 2016 geleitet. Die Arbeiten werden zukünftig am Lehrstuhl für Werkstoffverfahrenstech- Batterien entwickelt, um die noch unzureichende nik von Prof. Dr.-Ing. Christina Roth und im Keylab Glastechnologie von Prof. Dr.-Ing. Thorsten Gerdes weitergeführt. Zyklenstabilität zu verbessern (REM-Aufnahmen: Tobias Michlik). Ausgabe 1 . 2019 13
Materialien & Analytik Christina Roth Alles im Fluss Flussbatterien speichern Sonnen- und Windenergie Das Anwendungszentrum erneuerbare Energien am Fraunhofer- Institut für Chemische Technologie (ICT) in Pfinztal koppelt ein Windrad mit Flussbatterien. Der Lehrstuhl für Werkstoffverfah- renstechnik an der Universität Bayreuth kooperiert mit dem ICT im Verbundvorhaben „DegraBat: Degradationsprozesse in All- Vanadium-Redox-Flow-Batterien“, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wird (Foto: Anwen- dungszentrum erneuerbare Energien am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT).
W enn die Sonne scheint und der Wind weht, sind die besten Voraussetzungen erfüllt, um Energie aus erneuerbaren Quellen in unser Ver- tären Prozesse von Reduktion und Oxidation haben beim Entladen der Batterie zur Folge, dass Elektro- nen an die Elektroden abgegeben und in einen äu- Abb. 1: Funktionsprinzip einer Vanadium- sorgungsnetz einzuspeisen. Leider wird Strom aber ßeren Leiterkreis übertragen werden. Hier fließt der Flussbatterie. Weil sich in beiden Elektrolytbehäl- tern Vanadium befindet, ist gewährleistet, dass die gerade zu diesen Zeiten eher weniger gebraucht, Strom, der in das Stromnetz eingespeist und vom Elektrolyte nicht durch andere chemische Elemente sondern beispielsweise dann, wenn frühmorgens Endverbraucher für den Betrieb elektrischer Geräte verunreinigt werden (Grafik: Christina Roth / und noch im Dunkeln zehntausende Bürger ihre eingesetzt wird. Christian Göppner / Andreas Gaube, Fotos: sst). Kaffeemaschine anschalten wollen. Um ein besseres Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu erzielen und resultierende Stromspitzen im Netz ab- zupuffern, sind Flussbatterien (Redox Flow Batteries) eine interessante Option. Im Unterschied zu Lithium- Ionen-Batterien, die mit festen Elektrolyten arbeiten, wird die Energie in wässrigen Lösungen gespeichert. Pumpen bewirken, dass diese flüssigen Elektrolyte durch poröse Elektroden hindurchfließen. So wird die Batterie schnell geladen und im Bedarfsfall wieder entladen. Flussbatterien eignen sich für große sta- tionäre Anwendungen, in denen die überschüssige Energie aus Windparks und Solarfeldern zwischen- gespeichert werden muss. Sie sind vergleichsweise wartungsarm und zeichnen sich dadurch aus, dass Energie (kWh) und Leistung (kW) über einen weiten Bereich variiert werden können. Mithilfe der Flussbatterie als Stromspeicher könnte Bereits vor 70 Jahren wurde die Flussbatterie in ei- also der koffeinbedürftige Bundesbürger morgens ner Patentanmeldung von Walter Kangro als Ver- seine Kaffeemaschine mit Strom betreiben, der über fahren zur Speicherung von elektrischer Energie Nacht zwischengespeichert wurde. Selbst wenn es vorgestellt.1 In den Folgejahren wurde sie an der viele morgendliche Kaffeetrinker in Bayreuth geben TU Braunschweig intensiv erforscht. In den 1980er sollte, würden sie weder Netzschwankungen noch Jahren entwickelte die Forschungsgruppe von Ma- einen Stromausfall verursachen. ria Skyllas-Kazacos an der University of New South Wales in Australien die Vanadium-Flussbatterie, die einen Meilenstein auf dem Weg zur Kommerzialisie- Robuste Elektroden durch Kohlenstoff rung dieser technologischen Entwicklung darstellt.2 Das in der Flussbatterie verwendete Vanadium ist Autorin ein Schwermetall und muss in verdünnter Schwe- Aufbau und Funktion felsäure gelöst werden. Daraus ergeben sich gleich der Vanadium-Flussbatterie zwei Probleme: Das Besondere an einer Vanadium-Flussbatterie ist, Es kann bislang nur eine vergleichsweise ge- dass ausschließlich Vanadium als Elektrolyt verwen- ringe Menge an Vanadium gelöst werden. Von det wird – und zwar in den verschiedenen Oxidati- der gelösten Menge hängt aber unmittelbar ab, onsstufen V2+ (violett) und V3+ (grün) sowie V4+ (blau) wie viel Strom in der Batterie gespeichert wer- und V5+ (gelb). Diese Elektrolyt-Paare verteilen sich den kann. Daher werden derzeit Zusatzstoffe auf zwei Behälter (Tanks), die jeweils mit einer elek- wie Phosphorsäure erforscht, um die Vanadi- trochemischen Halbzelle in Verbindung stehen. Die umkonzentration zu erhöhen. beiden Halbzellen enthalten die Elektroden und sind Die zum Lösen von Vanadiumsalzen verwen- durch eine nicht-leitende Polymermembran räum- dete Schwefelsäure ist sehr korrosiv. Die für Prof. Dr.-Ing. Christina Roth lich getrennt: An der Kathode in der positiven Halb- die Elektroden verwendeten Materialien müs- ist seit April 2019 Inhaberin des zelle wird V5+ (gelb) zu V4+ (blau) reduziert, während sen daher besonders beständig sein, damit sie Lehrstuhls für Werkstoffverfah- an der Anode in der negativen Halbzelle V2+ (violett) nicht durch den stetigen Kontakt mit den sau- renstechnik an der Universität zu V3+ (grün) oxidiert wird. Dabei fließt ein Ionen- ren Lösungen angegriffen werden. Die meisten Bayreuth. strom durch die Polymermembran. Die komplemen- korrosionsstabilen Materialien, zu denen hoch- Ausgabe 1 . 2019 15
Materialien & Analytik legierte Stähle und Edelmetalle wie Platin zäh- Kohlenstofffilze sind somit als Werkstoffe für kor- Literaturtipps len, sind jedoch teuer. Kohlenstoffmaterialien rosionsbeständige Elektroden in Flussbatterien J. Noack et al.: The Chemistry sind daher eine spannende Alternative. prinzipiell geeignet. Doch die bisher verwendeten of Redox‐Flow Batteries, Ange- handelsüblichen Gewebe haben eine Reihe von wandte Chemie (2015), Vol. 127, Aktuell werden Kohlenstofffilze – dies sind kom- Nachteilen, die nach wie vor eine Herausforderung 9912-9947. DOI: 10.1002/ merziell erhältliche Gewebe aus Kohlenstofffasern für Forschung und Entwicklung darstellen: anie.201410823. – als poröse Elektroden verwendet. Durch diese Gewebe werden die sauren Vanadiumlösungen hin- Die Elektroden besitzen nur eine vergleichswei- A. Fetyan et al.: Comparison of durchgepumpt. Kohlenstoff ist dafür aus mehreren se kleine Oberfläche für katalytische Reaktionen. Electrospun Carbon−Carbon Gründen gut geeignet: Er ist gegenüber den sauren Die Benetzbarkeit der Elektroden und ihre Re- Composite and Commercial Felt Lösungen beständig, leitet die Elektronen gut und aktionsfähigkeit werden durch die aktivierende for Their Activity and Electrolyte ist vergleichsweise preiswert. Allerdings sind die Vorbehandlung zwar verbessert, aber ihre kata- Utilization in Vanadium Redox bislang verwendeten Kohlenstofffilze nicht für die lytische Leistungsfähigkeit ist immer noch sehr Flow Batteries, ChemElectro- Anwendung in Flussbatterien konzipiert. Ursprüng- begrenzt. Chem (2019), Vol. 6, 130-135. lich wurden sie aufgrund ihrer flammhemmenden Die Vorbehandlung erfordert zwar keinen ho- DOI: 10.1002/celc.201801128. Eigenschaften als Ofenisolierung eingesetzt. Damit hen Aufwand, doch es stellt sich die Frage, ob sie in der Lage sind, die Reduktion und Oxidation sie beim Hersteller der Kohlenstofffilze oder der Vanadiumlösung beim Laden bzw. Entladen der beim Kunden vorgenommen werden soll. Dies Flussbatterie zu katalysieren, müssen sie hierfür zu- ist vor allem bei Haftungsfragen wichtig. Wer nächst aktiviert werden. Dies kann beispielsweise übernimmt die Haftung, wenn die Filzaktivie- im Ofen durch eine Temperaturbehandlung bei 400 rung nicht zum gewünschten Erfolg führt? Grad Celsius über eine Dauer von 30 Stunden unter Luftatmosphäre geschehen, oder auch durch den Filzhersteller sind deshalb im engen Kontakt mit Kontakt mit stark oxidierenden Säuren. Dadurch der Wissenschaft, um diese Nachteile zu beseitigen. steigt die Benetzbarkeit der Filze, so dass sich der Das Ziel ist es, die Elektroden mit Oberflächen zu Kontakt zwischen ihnen und der Vanadiumlösung versehen, die unmittelbar aktiv sind und keiner zu- verbessert. Zudem werden durch den Kontakt sätzlichen Aktivierung bedürfen, um ihrer Rolle als der Kohlenstoffoberfläche mit dem Luftsauerstoff Katalysatoren gerecht zu werden. Wenn sich derart funktionelle Gruppen erzeugt, welche die jeweils optimierte Filze industriell fertigen ließen, könnten gewünschte Reduktion oder Oxidation des Vanadi- sie vom Hersteller ohne Vorbehandlung an die Batte- Abb. 2: Vanadium-Flussbatterien arbeiten mit ums beschleunigen. Wie dieser Mechanismus genau rieproduzenten ausgeliefert und direkt in der Fluss- vier wässrigen Vanadiumlösungen. Die Farben entsprechen den unterschiedlichen Oxidationsstufen funktioniert, ist in der Forschung bisher noch nicht batterie verbaut werden. des Vanadiums (Foto: Joachim Langner). hinreichend geklärt. Innovative Strategien zur „Flussbatterien eignen sich für große stationäre Anwendungen, Optimierung der Elektroden in denen die überschüssige Energie aus Windparks und Auch der Lehrstuhl für Werkstoffverfahrenstechnik Solarfeldern zwischengespeichert werden muss.“ an der Universität Bayreuth befasst sich mit der He- rausforderung, die Elektroden von Flussbatterien zu optimieren. In den letzten Jahren hat die Arbeits- gruppe um Prof. Dr.-Ing. Christina Roth an der FU Berlin eine Reihe von neuen Ansätzen verfolgt: Grundlegend für eine Optimierung der Elektro- den ist ein besseres Verständnis der Prozesse, die ab- laufen, wenn eine Batterie immer und immer wieder geladen und entladen wird. Dabei nimmt die Ener- giemenge, die gespeichert und freigesetzt werden kann, kontinuierlich ab. Um dieses Alterungsphä- nomen in kommerziell erhältlichen Filzelektroden Abb. 3: Dr. Igor Derr, ehemaliger Doktorand in besser zu verstehen, wird unter anderem die elek- der Arbeitsgruppe von Prof. Dr.-Ing. Christina Roth, trochemische Impedanzspektroskopie angewendet. beim Laboraufbau zur Testung der Batterieleistung (Foto: Manoj Krishna Kayarkatte). Bei diesem Verfahren bestimmt man den Widerstand 16 Ausgabe 1 . 2019
Materialien & Analytik des Wechselstroms und setzt ihn mit seiner Frequenz wie Zuckerwatte auf der Sammlerplatte abgelegt. in Beziehung. Dabei ist es wichtig, den durch die De- Während der Herstellung des Gewebes lassen sich gradation der Elektroden verursachten Leistungs- die Hochspannung, der Abstand zwischen Nadel- verlust von der Alterung anderer Komponenten der spitze und Sammlerplatte sowie die Viskosität der Batterie – wie etwa der Polymermembran oder der Lösung variieren. Auf diese Weise erhält man die Vanadiumlösung – zu unterscheiden. Die durch die unterschiedlichsten Strukturen, zum Beispiel ver- elektrochemischen Untersuchungen gewonnenen schiedene Faserdurchmesser, Porengrößen und Ver- Erkenntnisse können dazu beitragen, der Alterung zweigungen. Da das Polymergewebe unmittelbar der Filzelektroden durch eine entsprechende Vorbe- nach der Herstellung noch nicht elektronenleitend handlung entgegenzuwirken.3 ist, muss es bei mindestens 1.700 Grad Celsius unter Inertgas im Ofen geheizt werden. Übrig bleibt ein Eine andere Strategie zur Optimierung der Elek- Kohlenstofffilz, der eine 100fach größere Oberfläche troden zielt darauf ab, die zu ihrer Aktivierung not- als die kommerziellen Elektroden hat und deshalb wendige Vorbehandlung unter Luft überflüssig zu viel leistungsfähiger ist.5 machen. Dafür werden kommerziell erhältliche Fil- ze – bevor sie in die Elektroden eingesetzt werden – mit einer zweiten Kohlenstoffphase überzogen, so Alternative Werkstoffe dass ein Kohlenstoff-Kohlenstoff-Komposit entsteht. für bessere Umweltverträglichkeit Während die Fasern im Filz hauptsächlich Elektronen leiten, hat der Kohlenstoffüberzug eine katalytische Künftig werden auch die Verfügbarkeit von Batte- Funktion. Er soll die Reaktion im Kontakt mit der Va- rierohstoffen und deren Rückführung in den Stoff- nadiumlösung beschleunigen.4 kreislauf stärker ins Zentrum der Forschungsprojekte auf dem Bayreuther Campus rücken. Was geschieht, Eine weitere Strategie verzichtet ganz auf die wenn eine Batterie nicht mehr genügend Energie kommerziellen Filze. Sie wendet das Elektrospinn- speichern kann, weil sie sich über ihre Lebensdau- verfahren an, um die benötigten Kohlenstoffelek- er erschöpft hat? Unter dem Aspekt des Recyclings troden selbst herzustellen. Beim Electrospinning wird ist Vanadium als Schwermetall sicher nicht die erste eine Kunststofflösung durch Anlegen einer Hoch- Wahl. Ein neuer, an der Universität Jena entwickel- spannung zwischen Nadelspitze und Sammlerplat- ter Forschungsansatz zielt darauf ab, das Vanadium te aus der Spitze „gezogen“, verwirbelt und ähnlich durch recycelbare Polymere zu ersetzen.6 In diesem Kohlenstoffmaterialien im Fall sind Polymere, die Ladungen aufnehmen und Rasterelektronenmikroskop: wieder abgeben, entscheidend für die Speicher- Abb. 4: Kommerzielle Filzelektrode (Bild: Abdulmonem Fetyan). fähigkeit der Batterie. An der Universität Bayreuth Abb. 5: Kohlenstoff-Kohlenstoff-Komposit mit salz- werden in einem interdisziplinären Team verstärkt stangenähnlichen Fasern (Bild: Maike Schnucklake). Eisensysteme ins Visier genommen und daraufhin Abb. 6: Ein in der AG Roth elektrogesponnenes untersucht, ob sie als besser verfügbare Werkstoffe Gewebe mit 100fach größerer Oberfläche (Bild: das Vanadium ersetzen können. Von beiden Alterna- Abdulmonem Fetyan). Abb. 7 (links): Rasterelektronische Aufnahme tiven verspricht man sich im Vergleich mit Vanadium von Fasern mit Spindelstruktur, die mit dem Elektro- nicht allein eine bessere Umweltverträglichkeit, son- spinnverfahren erzeugt werden können dern auch einen erheblichen Preisvorteil. (Bild: Mahboubeh Maleki). Abb. 8: Das Prinzip des Elektrospinnverfahrens (Grafik: Abdulmonem Fetyan). 1 W. Kangro, DE Patent 914264 (1949). 2 E. Sum et al.: Investigation of the V(V)/V(IV) system for use in the positive half-cell of a redox battery, Journal of Power Sources (1985), Vol. 16, 85-95. DOI: 10.1016/0378-7753(85)80082-3. 3 J. Schneider et al.: Degradation phenomena of bismuth-modified felt electrodes in VRFB studied by electrochemical impedance spectroscopy, Batteries (2019), 5(1), 16. DOI: 10.3390/batteries5010016. 4 M. Schnucklake et al.: Salt-templated porous carbon-carbon composite electrodes for application in vanadium redox flow batteries, Journal of Materials Chemistry A (2017), 5, 25193-25199. DOI: 10.1039/C7TA07759A. 5 A. Fetyan et al.: Electrospun Carbon Nanofibers as Alternative Electrode Materi- als for Vanadium Redox Flow Batteries, ChemElectroChem (2015) 2, 2055-2060. DOI: 10.1002/celc.201500284; siehe auch Literaturtipps: A. Fetyan et al., ChemE- lectroChem (2019). 6 Vgl. die Pressemitteilung vom 5. Juli 2017: https://idw-online.de/de/news698945. Ausgabe 1 . 2019 17
Materialien & Analytik Autorenteam des Lehrstuhls für Funktionsmaterialien Prozesstechnologien für neue Festelektrolyte Innovationen für die Lithium-Ionen-Batterie der Zukunft Forschungsarbeiten zum Zellaufbau einer Lithium-Ionen- Batterie und ihrer Prüfung (Foto: Christian Wißler). 18
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