Politik & sport - wenn der wettkampf die arena wechselt - Magazin für politische ...

Die Seite wird erstellt Marvin Jacob
 
WEITER LESEN
Politik & sport - wenn der wettkampf die arena wechselt - Magazin für politische ...
magazin für politische entscheidungen
ausgabe 03 / winter 2010
hammelsprung.nrwschool.de

politik & sport –
wenn der wettkampf
die arena wechselt

                                        u.a. mit
                                        volker beck
                                        volker bouffier
                                        dr. ralf brauksiepe
                                        stefan keßler
                                        armin laschet
Wir haben ein Herz
                          für Randsportarten.

www.waz-mediengruppe.de
2   editorial
     4   grußwort
    52   kein kommentar
    84   alumni im interview: judith klose
    86   impressum

         die entscheider

     6   angie mach den jogi! – oder ob politik vom fußball lernen kann
    10   fairplay made in china
    14   drei fragen an ... stefan keßler
    16   the new game – lobbying und sport
    20   doping im spitzensport: strafrecht ja oder nein?
    24   the games must go on! – sport zwischen krieg und frieden
    28   cricket als entspannungspolitik –
         wie sport vertrauen zwischen zwei erzfeinden schaffen kann
    32   die entdeckung der sportpolitik:
         von der verbandlichen autonomie zum politikfeld sport

         die geldgeber

    36   die macht der fifa
    40   die politik der deutschen fußball liga –
         mittels marktregulierung auf der erfolgsspur
    44   fußballvereine in finanznot – müssen jetzt die städte helfen?
    48   abpfiff nach 90 minuten – doch wer bezahlt die dritte halbzeit?

         das volk

    53   drei fragen an ... dr. ralf brauksiepe
    54   von der sprache des sports
    58   interview: armin laschet
    62   die ultra-szene als ort des bürgerschaftlichen engagements?
    66   die gesellschaftliche verantwortung des sports –
         perspektiven aus der praxis
    70   die spiele der anderen
    74   interview: volker beck
    77   kopf oder zahl
    80   politik und sport in der mediengesellschaft –
         eine bestandsaufnahme

1
Editorial

Wenn die Ränge leer gefegt und die Flut-      dert den Sport (S. 62). Sport meint dabei      Verantwortung der internationalen Ge-         Politiker medienwirksame und strategische Instrumente aus dem Sport adaptieren,        Zudem bedanken wir uns für die vielen
lichter ausgeschaltet sind, wird es still.    nicht nur die körperliche Anstrengung,         meinschaft, trotz Jubel und Trubel auch       um die Bürger mit ihren Reformen zu begeistern (S. 6)? Ob Fußballrhetorik in die-      positiven Rückmeldungen, die konst-
Weit gefehlt! Denn Sport findet nicht         mit Sport kann Menschen ein Weg in die         die gesellschaftlichen und politischen        sem Fall unmittelbar Abhilfe schaffen kann, bleibt zu bezweifeln (S. 84).              ruktive Kritik und die weiterführende
nur auf dem Spielfeld statt und sein Ein-     Gesellschaft geebnet werden. Sei es für        Defizite der Austragungsländer zu the-                                                                                               Unterstützung unserer Förderer, die gro-
fluss ist nicht durch Linien und Netze        Menschen mit Migrationshintergrund             matisieren (S. 14). Ein offener Diskurs ist   Da der HAMMELSPRUNG aus der Feder von Studierenden stammt und durch Gast-              ßes Vertrauen in unser Engagement set-
begrenzt. Immer wieder zeigt sich, dass       (S. 54) oder für Menschen, die sich auf-       auch über die unfaire, schmutzige Seite       beiträge von Lehrenden und Praktikern bereichert wird, darf der Blick in die Wis-      zen. Wir möchten den Austausch gerne
die Bedeutung von Sport weit über die         grund ihrer sexuellen Orientierung hin-        des Sports zu führen. Sportler wollen         senschaft auch in dieser Ausgabe nicht fehlen. Im Gastbeitrag nähert sich Dr. Jürgen   fortführen und freuen uns auf Ihr Feed-
körperliche Anstrengung hinausgeht.           ter ihrer sportlichen Leistung verstecken      ganz oben auf dem Treppchen stehen.           Mittag neben dem Politikfeld „Sport“ auch dem umfassenden Forschungsbereich            back. Dieses können Sie wie gewohnt
Sport begeistert, verbindet, spaltet, lässt   müssen – aus Angst vor Diskriminierung         Für dieses Ziel wird nicht selten zu un-      „Sportpolitik“ (S. 32).                                                                unter    hammelsprung@nrwschool.de
hoffen und verzweifeln. Doch wo und           (S. 70). Sport fördert also die Integration.   erlaubten Mitteln gegriffen (S. 20). Es ist                                                                                          äußern. Für einen noch lebhafteren
wie wirkt der Sport über das rein Sportli-    Unsere Interviewpartner Armin Laschet          jedoch nicht der erfolgshungrige Sport-       Die Lektüre des sportlichen HAMMELSPRUNG zeigt einmal mehr: Deutschland ist            und weiterführenden Informationsaus-
che hinaus und wann wechselt der Wett-        (S. 58) und Volker Beck (S. 74) zeigen in      ler allein, die verantwortlichen Verbände     Fußballdeutschland! In der Bundesrepublik leben geschätzte 82 Millionen Fußball-       tausch erreichen Sie uns zudem über
kampf die Arena? Wie stehen politische        diesem Sinne an aktuellen Beispielen,          tragen eine Mitschuld. Sie müssen sich        bundestrainer. Unter ihnen viele HAMMELSPRUNG-Redakteure. Dennoch kann                 http://facebook.com/hammelsprung
Entscheidungen damit im Zusammen-             dass Sport an vielen Stellen Brücken           vor allem Vorwürfen bezüglich inner-          und sollte die Vielzahl an Fußballbezügen im Gesamtzusammenhang gelesen wer-           und       http://twitter.com/hammel-
hang? Inspiriert durch ein aufregendes        bauen kann. Auch Dr. Ralf Brauksiepe           verbandlicher Demokratie und Transpa-         den. Viele Entwicklungen und Beispiele stehen stellvertretend sowohl für andere        sprungmag.
Sportjahr 2010 mit Olympischen Win-           weist im Gespräch auf die Bedeutung            renz stellen (S. 36). Oft sind finanzielle    Sportarten, als auch für andere gesellschaftliche Bereiche.
terspielen, Handball-EM, sowie Ho-            von Sport als motivationsförderndes            Gründe, insbesondere im Spitzensport,                                                                                                Und jetzt: Auf die Plätze, fertig, los!
ckey-, Eishockey-, Basketball- und Fuß-       Element hin, insbesondere für Men-             die treibende Kraft für diese Missstän-       Der HAMMELSPRUNG zeichnet sich durch seinen interdisziplinären Ansatz aus.
ball-WM befasst sich die dritte Ausgabe       schen mit Behinderung, die durch den           de. Denn die Rolle des Geldes im Sport        In offenen Diskussionen quer zu Jahrgangsgrenzen und Hochschulhierarchien wird         Wir wünschen Ihnen eine interessante
des ­HAMMELSPRUNG „Politik & Sport            Sport seltene Anerkennung erfahren (S.         wird immer bedeutender. Um finanziell         dieses Magazin-Projekt jedes Mal neu belebt. Wissenschaftlich orientierte Beiträge     Lektüre.
– wenn der Wettkampf die Arena wech-          53). Analog hierzu setzt sich Ian Mengel,      zu überleben, sind daher viele Fußball-       werden auch in der 3. Ausgabe bewusst mit journalistischen Formaten vermischt
selt“ mit diesen Fragen.                      einer unserer Gastautoren, mit seinem          vereine auf die Unterstützung der Poli-       und um Beiträge aus der Praxis bereichert. Dieses Potpourri aus Formen und Sti-        Die Redaktion
Charakterisiert durch seinen Facet-           Verein PLAY!YA in Berlin für den sozi-         tik angewiesen (S. 44). Ein finanzielles      len verspricht Abwechslung und eine diversifizierte Auseinandersetzung mit einer
tenreichtum, finden wir Sport in allen        alen Mehrwert des Sports ein und liefert       Spannungsfeld zwischen Sport und Po-          scheinbar simplen Thematik.
Bereichen: Gesellschaft, Politik, Wirt-       einen Einblick in die Praxis (S. 66).          litik entsteht auch bei der Frage, wer die    Benjamin Brinkmann von der Fachhochschule Düsseldorf hat in der Gestaltung des
schaft und somit selbstverständlich                                                          Kosten für die Sicherheit, insbesondere       HAMMELSPRUNG nun den Hattrick geschafft, er vollendet seine gestalterische Tri-
auch täglich in den Medien. Deshalb be-       Sportliche Großereignisse begeistern die       bei Fußballspielen, tragen muss (S. 48).      logie auf exzellente Weise. Fabian Nawrath, Student an der Fachhochschule Aachen,
schränkt sich der HAMMELSPRUNG als            Massen und verhelfen nicht selten zur          Und auch wer im Fußball an der Spitze         und Rebecca Haupt, selbstständige Grafikdesignerin und Fotografin, haben mit ihren
Magazin für politische Entscheidungen         Entspannung bei internationalen Kon-           mitmischen möchte, braucht eine Stra-         fotografischen Arbeiten ihre Sicht der Dinge deutlich gemacht und diese Ausgabe zu-
in dieser Ausgabe eben nicht ausschließ-      flikten (S. 28). Sie offenbaren jedoch auch    tegie, die nur mit viel Geld realisierbar     sätzlich bereichert.
lich auf den Bereich der Politik, sondern     eine Schattenseite. Wenn Sport für poli-       zu sein scheint (S. 40). Ebenfalls erfährt
wagt gelegentlich einen Blick über den        tische Zwecke instrumentalisiert wird,         klassische Lobbyarbeit im Bereich Sport       Unser ganz besonderer Dank gilt in dieser Ausgabe dem Hessischen Ministerpräsi-
Tellerrand hinaus, denn: Erst das Zu-         kann dies verheerende Folgen haben (S.         großen Zulauf. Sie soll Abhängigkeiten        denten Volker Bouffier für sein Grußwort.
sammenspiel von Politik, Wirtschaft           24). Und gerade abseits der großen Stadi-      mindern und Interessen deutlich formu-
und Gesellschaft übt auf den Sport mal        en, wo internationale Fernsehteams nur         lieren (S. 16). Unser Gastautor Dr. Jörg-
bewusst, mal unbewusst starken Ein-           selten zu sehen sind, zeigt sich, dass die     Uwe Nieland setzt sich in diesem Sinne
fluss aus und verlagert den Wettkampf         Rechte und Bedürfnisse derjenigen, die         mit der Interessengemeinschaft „Sport
in neue Arenen.                               nicht am Spektakel teilhaben können, ig-       – Wirtschaft – Medien“ auseinander und
                                              noriert werden. Die Olympischen Spiele         fragt nach dem Ausmaß der Medialisie-
Im Grußwort zu dieser Ausgabe betont          2008 in China (S. 10) und die Fußball-         rung und Entertainisierung des Sports
der Hessische Ministerpräsident Volker        WM 2010 in Südafrika (S. 77) sind dafür        (S. 80). Von den hohen Einschaltquoten                                                                                               Der HAMMELSPRUNG
Bouffier, dass Sport von Menschen für         die jüngsten und prominentesten Bei-           eines Bundeligaspiels kann die Politik                                                                                               ist ein überparteiliches und unkommerzielles politi-
                                                                                                                                                                                                                                  sches Magazin, von Studierenden der NRW School of
Menschen gemacht wird (S. 4). Insbe-          spiele. So betont auch Stefan Keßler von       nur träumen. Fragt sich also, was die                                                                                                Governance an der Universität Duisburg-Essen ge-
sondere das Ehrenamt belebt und för-          Amnesty International im Interview die         Politik vom Sport lernen kann? Können                                                                                                gründet und im Dezember 2009 erstmalig erschienen.

                                                                                                                                           3
Grußwort

von Volker Bouffier

Was in unserer Gesellschaft hat eine solche Bindewirkung wie der Sport? Die Bedeu-             treiben möchten. Breitensport und Spitzensport sind keine Gegensätze, sondern sie
tung des Sports für die Gesellschaft kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.            ergänzen sich. Ohne Breite keine Spitze und ohne Spitze keine Breite.
Deutlich wird der Stellenwert nicht nur im Blick auf die Zahlen, sondern auch im
Blick auf das tägliche Leben in den Vereinen. Zahlen zeigen den quantitativen Rang             An dieser Stelle gilt es, eine Lanze für das Ehrenamt zu brechen. Der Sport lebt vom
des Sports: die Mitglieder der vielen 10.000 Vereine zählen nach Millionen. Das Le-            ehrenamtlichen Engagement, von der Bereitschaft, unentgeltlich für einen Verein zu
ben im Verein zeigt den qualitativen Rang des Sports: hier treffen sich alle Altersklas-       arbeiten und dafür zu sorgen, dass andere Sport treiben können. Eine Politik für den
sen aus allen gesellschaftlichen Gruppen.                                                      Sport, wie sie die Hessische Landesregierung versteht, baut auf die ehrenamtlichen
                                                                                               Helferinnen und Helfer in den Vereinen. Die Ehrenamtlichen sind es, die dafür sor-
Aber die Bedeutung des Sports endet nicht bei den Vereinen und ihren aktiven Mit-              gen, dass die staatlichen Fördermittel und die Beiträge von Sponsoren sinnvoll ein-
gliedern, sie reicht sehr viel weiter. Sportliche Wettbewerbe üben auf viele Menschen          gesetzt werden. Dafür zu sorgen, dass ein Verein seinen Mitgliedern die Möglichkeit
eine große Faszination aus. Beispielhaft deutlich wird dies an jedem Bundesliga-Wo-            bietet, Sport treiben zu können, bedeutet viel Arbeit: Organisatorischer Aufwand
chenende.                                                                                      von der Kassenführung bis zur Mitgliederversammlung und zur ordentlichen Akten-
                                                                                               führung, aber vor allem auch emotionaler Aufwand. Neue Mitglieder sollen gewon-
Der Sport hat eine große, die Gesellschaft zusammenfassende Kraft. Die Bindewir-               nen werden, die bisherigen Mitglieder sollen betreut werden, die Angebote des Ver-
kung zum Beispiel der Kirchen, Parteien und Gewerkschaften lässt mehr und mehr                 eins sollen immer wieder durchdacht und neuen Entwicklungen angepasst werden.
nach. Das ist zu bedauern – aber wir müssen es zunächst einmal sachlich feststellen.           Besonders wichtig ist dabei die Arbeit für Kinder und Jugendliche. Indem Kindern
Übrigens: Auch die Medien haben die Bindewirkung, die sie früher hatten, heute                 erklärt wird, wie man eine bestimmte Sportart ausübt, wird ihnen noch viel mehr
nur in geringerem Maße. Weil der Sport so eine große Wirkung entfaltet, ist er auch            vermittelt als die sportliche Kompetenz. Ihre gesamte persönliche Entwicklung wird
unverzichtbar, wenn es darum geht, die Integration zu fördern. Für Menschen mit                damit gefördert. Alles das kostet viel Zeit und Leistungskraft, wer dies aufbringt, ver-
Migrationshintergrund kann die sportliche Betätigung in einem Verein auch ein gu-              dient Anerkennung und Respekt.
ter Zugang zu unserer Gesellschaft sein. Der örtliche Verein zeigt es ebenso, wie die
Fußballnationalmannschaft: der Sport trägt die Integration.                                    Wie jetzt deutlich geworden ist, hat das Thema „Sport und Politik“ viele Facetten.
                                                                                               Wenn die Politik den Sport unterstützt, dann unterstützt sie gleichzeitig andere
Wenn die Politik das Ziel hat, die Menschen einer Gesellschaft zusammenzufüh-                  wichtige Bereiche. So werden Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen geför-
ren, dann muss sie dem Sport und dessen Förderung also besondere Aufmerksam-                   dert, der Zusammenhalt der Gesellschaft wird gestärkt und der Vereinzelung wird
keit widmen. In Hessen und vielen anderen Ländern Deutschlands geschieht das. In               entgegengewirkt. Sportpolitik ist damit zum Beispiel auch Sozialpolitik und Ge-
Hessen hat der Sport sogar Verfassungsrang. „Der Sport genießt den Schutz und die              sundheitspolitik. Wer in der Politik Verantwortung trägt, an welcher Stelle auch im-
Pflege des Staates, Gemeinden und Gemeindeverbände“, heißt es in Artikel 62a der               mer, muss die Tatsache im Blick behalten, dass die Bereiche ineinander greifen und
Hessischen Landesverfassung. Dabei muss man wissen, dass unsere Verfassung nur                 dass Veränderungen in dem einen Bereich Auswirkungen auf die anderen Bereiche
in einer Volksabstimmung geändert werden kann. Mit der Einführung dieses Satzes                haben. Im vernetzten System einer modernen Gesellschaft führen viele Fäden zum
in die Verfassung haben sich also die Bürgerinnen und Bürger Hessens ausdrücklich              Knotenpunkt des Sports.
zum Sport bekannt.

Dafür hatten sie gute Gründe: Im Sport geht es darum, Werte und Tugenden zu ver-
mitteln. Fairness, Loyalität, Bescheidenheit, Kameradschaft, Einsatz, Mut, Diszip-
lin, Ausdauer, Verantwortung, Teamgeist, Mitmenschlichkeit, Toleranz, Respekt,
Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit – es gibt fast nichts, was man im Sport nicht lernen
kann. Dabei gilt es festzuhalten, dass es nicht nur die großen Ereignisse sind, die die
Menschen zusammenführen, nicht nur die Bundesliga-Wochenenden, nicht nur die
Weltmeisterschaften, nicht nur die großen Sportereignisse, in welcher Sportart auch
immer. Für die Gemeinschaft sorgen auch die vielen ganz normalen Vereine, die den
Menschen die Chance geben, selbst Sport zu treiben. Beides ist wichtig: der Spit-
zensport, der die Zuschauer begeistert und der für viele Amateure jeden Alters das                                                          Volker Bouffier
Vorbild ist, und der Amateursport, der diejenigen zusammenbringt, die selbst Sport                                                          Hessischer Ministerpräsident

                                                                                           5
Noch eine halbe Stunde, dann hat das Warten ein Ende. Der nervöse Blick geht
                                                                          immer wieder zur Uhr, die Zeiger scheinen zu schleichen. Alles ist vorbereitet.
                                                                          Freunde sind da, gekühlte Getränke stehen bereit und der richtige Sender läuft
                                                                          auch schon. Angespannte Aufregung macht sich breit. Erste Diskussionen über
                                                                          Aufstellung, Strategie und Taktik werden laut. Und irgendwann ist es dann end-
                                                                          lich soweit: Die Pressekonferenz von Angela Merkel und Philipp Rösler über die
                                                                          neue Gesundheitsreform beginnt! Spannung pur!

                                                                          von Janina Latzke

                              Falscher Film? Leider ja. Niemand lädt      Medialer Hattrick?
                              seine Freunde zu sich ein, um live das
                              Aktuellste über die anstehende Gesund-      Aber was müsste die Politik tun, um
                              heitsreform zu hören. Oder die Bundes-      ähnliche Begeisterungsstürme auszu-
                              tagsdebatte über die neue Afghanistan-      lösen wie die wöchentliche Bundesliga
                              Strategie zu verfolgen. Denn Politik ist    oder sogar die großen Turniere? Kann
                              langweilig. Politiker sind undurchschau-    die Politik hier etwas vom Fußball ler-
                              bar. In einer Umfrage der Nürnberger        nen? Der erste Gedanke, wenn es um
                              Gesellschaft für Konsumforschung ran-       die Spannung in der Politik geht, führt
                              gieren sie auf dem letzten Platz, wenn      zumeist über die Medien. Politik würde
                              es um Vertrauen und Beliebtheit geht.       demnach als „Zweikampf“ inszeniert,
                              Dagegen verkörpert Joachim Löw nach         als „Revier-Derby“ zwischen den Par-
                              einer aktuellen SPIEGEL-Umfrage ein         teien mit spannendem Finale – am bes-
                              Deutschland, wie es sich 82 Prozent der     ten mit Elfmeter-Krimi. Da gibt es harte
                              Deutschen wünschen – wobei nicht            Fouls von Rechtsaußen und schnelle
                              genauer darauf eingegangen wird, was        Konter der gegnerischen Mannschaft.
                              das genau beinhaltet. Dementspre-           Merkel schafft mit ihrem gekonnten
                              chend ist das Interesse am Sport, ins-      Kurzpassspiel mal wieder den Hattrick –
                              besondere an Großereignissen, unge-         drei Gesetze in nur einem halben Monat,
                              brochen. Die Aufstellung der eigenen        das gab es zuletzt vor zwei Jahren in der
                              Fußball-­Nationalmannschaft kann je-        zweiten Liga bei Rüttgers gegen Kraft!
                              des Kind mitschreien, bei den Namen         Und jede Woche zeigt ein Blick auf die
                              der Kabinett-Nationalmannschaft gerät       aktuelle Parteitabelle, wer sich denn in
                              man schnell ins Stottern: Ilse wer? Ach     der letzten Woche wie und mit wem ge-
                              Schröder kenn ich natürlich, ich dachte     schlagen und wer gewonnen hat. Politik
                              aber immer, der wäre schon in Rente.        als Sportshow? So einfach ist es nicht.
                              Kein Wunder also, dass die Politik bei      Der Showanteil in der Politik wird zwar
                              so viel Popularität eifersüchtig auf den    gefühlt größer, spannender macht er die
                              Sport ist – und kaum eine Gelegenheit       Politik aber nicht. Hinter dem dargestell-
                              auslässt sich in seinem Glanz zu sonnen:    ten Zweikampf stehen komplexe Partei-
                              Begeisterter Tribünenjubel, herzliche       apparate mit unterschiedlichen internen
                              Glückwünsche oder auch der (Fußball-)       Strömungen. Warum tatsächlich diese
                              Sportjargon. Mit einer „gelben Karte“       oder jene Entscheidung getroffen wurde

angie mach den jogi! –
                              werden Politiker seit eh und je verwarnt.   – also der spannende Teil – bleibt dabei
                                                                          häufig im Dunkeln. Politik ist zudem ein

oder ob politik vom fußball                                                                                            Janina Latzke
                                                                                                                       hat an der RWTH Aachen Politik sowie Sprach- und
                                                                                                                       Kommunikationswissenschaft studiert und ist seit
                                                                                                                       Oktober 2009 Masterstudentin an der NRW School

lernen kann
                                                                                                                       of Governance. Praktische Erfahrungen sammelte
                                                                                                                       sie unter anderem im Bundestag, beim DAAD, bei
                                                                                                                       einer Kommunikationsagentur und im Presse- und
                                                                                                                       Wahlkampfteam der Grünen NRW.

                              7
zäher Prozess, der sich nicht so plakativ darstellen lässt, wie die Bundesligatabelle.   Teamkollegen mit entzogenem Vertrau-        gen. Unpopuläre Entscheidungen müs-
Ergebnisse sind nicht so eindeutig wie im Sport, es gibt nicht immer klare Sieger und    en bestraft. Beim nächsten Mal bekommt      sen getroffen werden, auch wenn es sich
Verlierer. Der Versuch, die Politik durch die Übernahme von medialen Gesetzmäßig-        er oder sie nicht den Ball. Gegenseitige    um den besten Stürmer der Saison han-
keiten und Showelementen für den Bürger spannender zu machen, ist in der Vergan-         Schuldzuweisungen sind in der Regel         delt. Es gilt, zu überzeugen und zu zei-
genheit häufiger gescheitert, als dass er erfolgreich war. Die mäßigen Einschaltquo-     unproduktiv – geschlossen auftreten         gen, dass der eingeschlagene Weg Sinn
ten beim TV-Duell zur letzten NRW-Landtagswahl sind ein Beispiel hierfür.                heißt die Devise.                           macht. War die Entscheidung richtig, ist
                                                                                                                                     der Respekt danach umso größer. Denn
Interne Angelegenheiten                                                                  Dabei läuft es natürlich nicht immer        zu viel Zaudern, zu viel Hin und Her,
                                                                                         gut in der Mannschaft. Manchmal wer-        machen den Trainer einer Mannschaft
Wenn die Politik aber weitaus schlechter zu vermarkten ist als der Sport, kann die       den Spiele verloren, so manches Gesetz      unglaubwürdig. Dabei spielt Kommu-
Politik sich dann überhaupt mehr als nur eine „verbale“ Scheibe vom Sport abschnei-      bleibt im Netz der Bürokratie kleben, bis   nikation eine Rolle, sowohl die inter-
den? Gibt es Schnittstellen, die nicht direkt die Außendarstellung betreffen? Nein,      es völlig verformt wieder ausgespuckt       ne Kabinenbesprechung, als auch die
mag mancher sagen, Sport und Politik sind völlig unterschiedliche Dinge, auch wenn       wird. Dabei ist gerade nach Rückschlä-      Statements in der Öffentlichkeit. Leere
man sich das interne System und Entscheidungsmanagement ansieht. Im Sport hat            gen Ausdauer gefragt. Wichtig ist, dass     Versprechungen, ausgelatschte Phrasen
der Trainer quasi diktatorische Vollmachten. Er kann aufstellen, wen er will, er kann    es klare Ziele gibt und eine passende       und lustlose Interviews motivieren und
die Taktik vorgeben, die ihm vorschwebt. Wenn ein Sportler seine Leistung nicht          Strategie. Was wollen wir erreichen?        begeistern niemanden. Das Gegenmit-
bringt, kommt er auf die Bank. Basta. In Demokratien und gerade in Deutschland           Was ist uns am wichtigsten? Und wie         tel sind persönliche, klare und auch in-
heißen unsere Spieler mit Vornamen oft Veto und sehen es gar nicht ein, sich von         kann das Ziel erreicht werden? Müdes        spirierende Worte – im Sport wie in der
der Politik auf irgendeine Bank setzen zu lassen. Reformen, die ihnen nicht gefallen,    Gekicke hier, Mittelfeldgeplänkel da,       Politik.
werden mit allen Kräften blockiert. In zähen Verhandlungen und mit vielen Kompro-        führen zu keinem Tor. Wenn die Strate-
missen werden die meisten dann zu Reförmchen, damit überhaupt etwas passiert.            gie partout nicht zum Ziel führt, sollte    Klar, der Sportplatz ist nicht das Poli-
Nein, Sport hat mit Politik rein gar nichts zu tun.                                      außerdem nicht das Ziel, sondern viel-      tikparkett. Politik ist nicht nur ergeb-
Oder doch? Schließlich geht es hier wie dort um eine Mannschaft, die zusammen-           leicht die Strategie geändert werden. Ein   nisorientiert, die Koordination um ein
gestellt werden muss, in der jeder sein Spezialgebiet und eine bestimmte Funktion        Gesetz, das nicht verabschiedet wird,       Vielfaches schwieriger und das tägliche
hat. Es gibt Ziele, die von der Gesellschaft erwartet werden, manchmal kann der          muss nicht direkt schlecht sein, nur hat    Organisieren von Mehrheiten nicht zu
Trainer aber auch selbst Ziele festlegen. Um diese zu erreichen, muss die Mannschaft     man vielleicht nicht die überzeugenden      vergleichen mit den Traineranweisun-
zusammenarbeiten und braucht zudem eine kluge Strategie. Aber wie könnten diese          Argumente vorgetragen oder nicht mit        gen für ein kommendes Spiel. Wirklich
Weisheiten aus dem Sport/Politik-Einmaleins konkret im Politik- und Regierungs-          den richtigen Leuten gesprochen. Ein        viel lernen kann die Politik darum nicht
management aussehen?                                                                     Gesetz, das keine Wirkung zeigt, macht      vom Fußball. Aber eine kluge Aufstel-
                                                                                         das Ziel nicht unerreichbar, nur muss       lung, ein klares, realistisches Ziel und
Team – Ziel – Idee                                                                       das Ziel möglicherweise auf einem an-       eine innovative Strategie können hier
                                                                                         deren Weg, mit einer anderen Taktik,        wie da erhöhte Aufmerksamkeit auf sich
Fußball und Politik sind Mannschaftssportarten. Wie der Trainer stellt auch der Re-      von einem anderen Ansatzpunkt aus vi-       ziehen – und das ist im Sport selbstver-
gierungschef sich sein Team zusammen. Dabei bleibt eine Mannschaft ohne jeglichen        siert werden. Hier ist Mut zu neuen Ide-    ständlicher als in der Politik. Denn auch
Esprit blass und wenig begeisternd. Jedes Mitglied deckt ein bestimmtes Feld auf         en gefragt. Denn kaum ein Spiel wurde       Politik kann zum spannenden Schlagab-
dem Platz ab und ist mit der jeweiligen Position beziehungsweise dem Thema ver-          je durch Zaghaftigkeit gewonnen. Die        tausch werden, zum Ort leidenschaftli-
bunden. Dabei hat jedes Mitglied bestimmte Freiheiten, wie es seine Rolle ausfüllen      Komplexität von Problemen erfordert         chen Engagements und kreativer Ideen,
möchte, welche Akzente er oder sie setzen kann. Die Person hängt damit eng mit der       kreative Lösungen. Auf dem Platz geht       über die es sich lohnt zu fachsimpeln.
Wahrnehmung seines Arbeitsbereiches zusammen. Die Entscheidung über die Aus-             es um den Kampf um die besseren Kon-        Und Politik hat etwas, was der Sport
wahl der Mannschaft hat damit viel Einfluss auf die Politik und ihre Perzeption – eine   zepte. Eine Mannschaft darf sich dabei      nicht hat: Politische Entscheidungen be-
kluge Zusammenstellung ist die Grundlage für den Erfolg.                                 auch nicht zu sehr beirren lassen. Kritik   treffen früher oder später jeden. Darum
Eine Mannschaft funktioniert nicht ohne Teamarbeit und Fairplay. Auch das beste          sollte ernst genommen werden, aber das      stellt schon mal die Getränke kalt – die
Team – Grüße an Frankreichs WM-Fußballer – bleibt erfolglos, wenn das interne            eigene Handeln darf nicht nur von der       nächste Pressekonferenz kommt be-
Gleichgewicht nicht stimmt. Alleingänge scheitern in der Regel und werden von den        Stimmung außerhalb des Teams abhän-         stimmt.

                                                                                         9
fairplay
                     Die Griechen erfanden nicht nur die
                     Demokratie, sondern auch die „Olym-
                     pische Idee“. Zwei Ideale, die seither
                     untrennbar mit den Olympischen

made in china
                     Spielen verbunden sind. Doch im Jahr
                     2008 wurde beides auf eine harte
                     Probe gestellt.

                     von Anna von Spiczak

                     Es ist der 8. August 2008. Die Olympischen Sommerspiele beginnen mit einer beein-
                     druckenden und störungsfreien Eröffnungsshow. Nicht selbstverständlich, denn ge-
                     rade die letzten Monate waren geprägt durch weltweite Boykottaufrufe und zuneh-
                     mend brutale Proteste von Menschenrechtlern, Tibetern und deren Sympathisanten.
                     Dass die Olympischen Spiele ausgerechnet in dem von Menschenrechtsverletzungen
                     gekennzeichneten China stattfinden, ist für viele Akteure nicht nur unbegreiflich,
                     sondern auch eine einmalige Gelegenheit, auf die aktuelle Situation in der Volksre-
                     publik aufmerksam zu machen. Vor allem die seit Jahrhunderten andauernde Un-
                     terdrückung der Tibeter gerät in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Das
                     traditionsreiche Sportereignis fungiert als Bühne für eine politische Grundsatzdebat-
                     te über Menschenrechte und Demokratie. Es stellt sich die Frage: Welche politische
                     Dimension hat der Sport?

                     Der gefährliche Riese

                     Ein Leben in der heutigen Konsumgesellschaft ist ohne die Exporte aus China kaum
                     mehr denkbar. Experten sind sich einig, dass schon in wenigen Jahren wirtschaft-
                     lich starke Nationen wie Japan und die USA hinter China zurückbleiben. Momentan
                     scheint es, als könnte nichts den Aufstieg des „Drachens“ aufhalten, vor allem nicht
                     seine Kritiker.
                     Weltweit ist das Problem der Menschenrechte in China bekannt. In der Volksrepublik
                     gilt jedoch der Grundsatz, dass alle von der offiziellen Politik abweichenden Meinun-
                     gen nicht geduldet und alle Bestrebungen, die die Machthabenden als Gefährdung
                     der bestehenden Ordnung ansehen, konsequent unterdrückt werden. Dies endet
                     nicht selten damit, dass Oppositionelle oder Angehörige religiöser Gemeinschaf-
                     ten als Opfer unfairer Gerichtsprozesse ins Gefängnis gesperrt werden. China als
                     Rechtsstaat zu bezeichnen wäre undenkbar. Man denke gerade nur an die Verleihung
                     des diesjährigen Friedensnobelpreises an den chinesischen Dessidenten Liu Xiaobo,
                     die für die Führung in Peking einer „schallenden Ohrfeige“ gleichkommt. Nicht nur
                     in der Unterdrückung der Meinungsfreiheit, sondern auch in der Beschneidung der
                     allgemeinen Rechte eines Einzelnen zugunsten der Gesamtgesellschaft, zeigt ein
                     Charakteristikum kommunistischer Systeme.
                     Die Todesstrafe ist ein weiteres Instrument, das aus menschenrechtlichen und ethi-
                     schen Gründen zu hinterfragen ist. Sie wird in der Volksrepublik nicht nur bei Ge-
                     waltverbrechen verhängt, wie in den Vereinigten Staaten, sondern auch bei vielen

                                                                Anna von Spiczak
                                                                ist Masterstudentin an der NRW School of Gover-
                                                                nance, Mitarbeiterin des Instituts und Autorin des Bu-
                                                                ches „Imageumbrüche und politischer Wandel in der
                                                                deutschen Atompolitik: Von der ungetrübten Euphorie
                                                                zur Altlast“. Sie beschäftigt sich überwiegend mit
                                                                umwelt- und energiepolitischen Themen im Bereich
                                                                der Politikfeldanalyse.

                11
anderen, weniger schwer wiegenden            als die Olympischen Spiele im national-           2008. Als Inspektoren des IOC ihren Ab-    Wirtschaftsnationen hat sich letztlich zu
Delikten. Die Zahl der Vollstreckungen       sozialistischen Deutschland ausgetra-             schlussbericht über Peking verfassten,     einem Boykott durchringen können und
wird offiziell auf 8.000 pro Jahr bezif-     gen wurden, etablierte sich eine breite           wurde betont, dass nur die organisatori-   wurden damit ihrer politischen Verant-
fert, Experten gehen jedoch von einer        Öffentlichkeit, die zum Boykott aufrief,          sche Fähigkeit der Ausrichtung beurteilt   wortung nicht gerecht.
deutlich höheren Dunkelziffer aus. Die       weil sie Zweifel an der Einhaltung der            wurde und politische Fragen keine Be-
Exportnation ist somit Spitzenreiter         Olympischen Charta hatte. Die Olym-               rücksichtigung fanden. Die Menschen-       Was bleibt nach 2008?
hinsichtlich staatlich durchgeführter        pische Erziehung nach Baron Pierre de             rechtsprobleme in China wurden einer-
Hinrichtungen.                               Coubertin, dem Begründer der neuzeit-             seits als Argument für die Austragung      Bis heute, zwei Jahre nach dem Event,
In Tibet wird vornehmlich das Men-           lichen Olympischen Spiele (1896), grün-           der Olympischen Spiele verwendet, weil     hat sich die Menschenrechtssituation in
schenrecht der Religionsfreiheit verletzt.   det sich auf Idealen, die weder mit dem           man sich eine Verbesserung der Lage        China nicht ansatzweise verbessert. Dies
Immer stärker setzen sich chinesische        Deutschland des Jahres 1936 noch mit              erhoffte. Eine weitverbreitete Meinung     gilt vor allem für die Situation der Tibe-
Behörden hier für effektivere Sicher-        China 2008 vereinbar sind. Es geht hier-          war, dass die politische Situation nur     ter. Immer noch ist das Regime in China
heitsmaßnahmen ein, um Unabhängig-           bei um die Vorstellung einer harmoni-             dann verbessert werden könnte, wenn        geprägt durch Unterdrückung, mangeln-
keitsdemonstrationen abzuwehren und          schen Ausbildung des ganzen Menschen              man sich für China entscheidet und es      de Rechtstaatlichkeit und eine hohe Zahl
religiöse Aktivitäten einzugrenzen.          und die Idee der menschlichen Vervoll-            nicht länger isoliert. Andererseits wur-   an Tötungsdelikten durch staatliche Or-
Die politische Führung ist intensiv da-      kommnung über das Streben nach ei-                den diese Probleme auch als Argument       gane. Es zeigt sich also, dass ein Boykot-
rum bemüht, Informationen über die           ner guten Leistung. Dominiert wird der            gegen eine Vergabe der Spiele an Peking    taufruf zwar das Interesse der Medien
Situation des Landes nicht nach außen        „Olympismus“ sowohl durch die frei-               verwendet, da ein gewisser Standard an     garantiert, politisch aber nichts bewir-
dringen zu lassen. Es ist offensichtlich,    willige Bindung an ethische Grundsätze            Menschenrechten bereits vor den Festi-     ken kann, sofern er nicht realisiert wird.
dass Peking den Konflikt eher durch          im sportlichen Handeln wie Fairplay und           vitäten gegeben sein müsste.               Festzustellen ist, dass die Olympische
Geheimhaltung als durch eine Neuge-          Chancengleichheit, als auch durch den             Jede Veranstaltung mit großer öffentli-    Idee keinen nachhaltigen Effekt auf das
staltung der Tibet- beziehungsweise          Friedensgedanken und die Völkerver-               cher Aufmerksamkeit kann politisch in-     autoritäre Regime in China und seinen
Menschenrechtspolitik lösen möchte.          ständigung, die von den Menschen Re-              strumentalisiert werden. Dies gilt umso    selbstgerechten Politikstil gehabt hat.
Eine wichtige Rolle bei der Unterdrü-        spekt und Toleranz im Umgang mitein-              mehr, je höher die Außenwirkung oder       Dabei standen diese Olympischen Spiele
ckung des Informationsflusses spielt die     ander fordert. Darüber hinaus dominiert           aber der mit dem Ereignis verbundene       wie lange nicht mehr im Fokus der po-
Verweigerung, internationalen Men-           der Glaube an die Förderung emanzipa-             politische Anspruch ist. Dessen waren      litischen Öffentlichkeit, denn das Me-
schenrechtsorganisationen die Einreise       torischer Entwicklungen im und durch              sich die internationalen politischen Ak-   dienecho der Protestbewegungen war
in die Volksrepublik China zu gestatten.     den Sport. In diesen Punkten erhebt die           teure bewusst.                             weltweit enorm. Es ist daher umso ent-
Akteure der internationalen Staaten-         olympische Bewegung einen politischen             Auch wenn das IOC eine politische Be-      täuschender zu sehen, dass der interna-
gemeinschaft kennen die Zustände in          Anspruch, an dem auch in schwierigen              wertung des Auswahlverfahrens offiziell    tionale Druck auf China, die Tibet-Frage
China und dennoch wird wenig dagegen         Situationen festzuhalten ist.                     ablehnte, wurde später die Verknüpfung     zu lösen und die Menschenrechtslage zu
unternommen. Mit den Olympischen             Als Berlin den Zuschlag für die Aus-              des Sports mit der politischen Diskussi-   verbessern, nach den Spielen so plötz-
Spielen 2008 sollte aber alles anders wer-   tragung der Sportfestspiele bekommt,              on deutlich, nämlich als schon vor dem     lich nachgelassen hat. Da das chinesische
den.                                         harmoniert die Politik der Weimarer               Start des Events die Proteste und die      Regime sich in der Vergangenheit weder
                                             Republik mit der Olympischen Charta.              Boykottaufrufe auch von Seiten der poli-   diskussions- noch kompromissbereit ge-
Die Olympische Idee                          Als jedoch 1933 Hitler die Macht ergreift,        tischen Akteure unüberhörbar laut wur-     zeigt hat, wird diese ebenso unangeneh-
                                             ist der Zuschlag erteilt und der Bruch der        den. Diese nutzten die öffentliche Wir-    me wie wichtige Thematik international
Die Olympischen Spielen sind nicht ir-       Olympischen Idee damit vorgegeben.                kung der Olympischen Spiele, um für        nicht weiter diskutiert. Die Zustände
gendein Sportevent – vielmehr leben          Eine Entwicklung, die das IOC – das In-           die eigenen politischen Vorstellungen      werden – so scheint es – aus Bequemlich-
sie von einer eigenen Philosophie. Die       ternationale Olympische Komitee – vor-            zu werben. Somit haben auch die westli-    keit und insbesondere wohl auch wegen
Kritik war daher aufgrund des Austra-        her nicht absehen konnte.                         chen Länder, die zunächst einen Boykott    wirtschaftlicher Interessen ignoriert.
gungsortes entsprechend groß. Und das        Die Metropole Peking hingegen erhielt             erwogen hatten, die olympische Büh-        Die ethischen Grundsätze scheinen sich
nicht zum ersten Mal – die Geschichte        im Jahr 2001 den Zuschlag für die Aus-            ne für ihre politischen Zwecke genutzt.    in Anbetracht der Wirtschaftsmacht des
scheint sich zu wiederholen. Auch 1936,      tragung der olympischen Sommerspiele              Doch keine der westlich orientierten       Landes wohl zu relativieren.

                                                                                          13
drei fragen an ...
                                                                                        stefan
                                                                                        keßler *
Herr Keßler, die Menschenrechts-            ausgefordert wurde. Der Arbeit von Am-      kommunistische Regime Ihrer Arbeit           auch im zehnten Jahr seit ihrem Beginn
verletzungen in China sind seit             nesty International hat diese Diskussion    gegenüber?                                   fortgesetzt.
Jahrzehnten international bekannt.          Nutzen gebracht, weil die menschen-                                                      Eine Verbesserung der Menschenrechts-
Warum wurde dennoch die Situati-            rechtlichen Anliegen zur VR China vor-      Die chinesischen Behörden haben ihre         lage ist also keineswegs eingetreten und
on in China, gerade im Vorfeld der          getragen und bekannt gemacht werden         Beschneidung der Rechte auf freie Mei-       die Arbeit von Menschenrechtsorga-
Olympischen Spiele 2008 in Pe-              konnten. Spannend und fruchtbar war         nungsäußerung, Versammlungs- und             nisationen wie Amnesty International
king, derart kritisch diskutiert und        auch, dass die Verbindung von Sport         Vereinigungsfreiheit weiter intensiviert,    bleibt in China schwierig. Die Opfer von
inwiefern hatte dies Einfluss auf die       und Menschenrechten augenfällig wur-        was zum Teil auf die Brisanz einer Rei-      Menschenrechtsverletzungen sind somit
Arbeit von Amnesty International?           de, sodass auch Menschen, die sich eher     he bedeutender Jubiläen zurückzufüh-         weiterhin dringend auf die solidarische
                                            für Sport als für Menschenrechtspolitik     ren war, darunter der 60. Jahrestag der      Unterstützung der Weltöffentlichkeit
Die Olympischen Spiele lenken in ei-        interessieren, bereit waren, sich für die   Gründung der Volksrepublik China am          und den Protest – auch aus den Reihen
nem besonderen Maße die Aufmerk-            Opfer von Menschenrechtsverletzungen        1. Oktober 2009. Menschenrechtsvertei-       des Sports(!) – angewiesen.
samkeit auf die Situation im jeweiligen     zu engagieren.                              diger wurden inhaftiert, strafrechtlich
Gastland. Da die olympische Idee auch                                                   verfolgt, unter Hausarrest gestellt oder
die Förderung des friedlichen Zusam-        Warum wurde, Ihrer Meinung nach,            fielen dem „Verschwindenlassen“ zum
menlebens der Menschen enthält, ist es      die internationale Diskussion um die        Opfer. Die allumfassenden Kontrollen
unabdingbar, dass in diesem Kontext         Menschenrechtssituation in China            des Internets und der Medien hatten
auch die Menschenrechtslage kritisch        nach dem Abschluss der Olympi-              weiterhin Bestand. Auch 2009 kam es
beleuchtet wird. Hinzu kommt bei der        schen Spiele so schnell beendet?            zu Massenverhaftungen in der Autono-
VR China, dass gerade im Vorfeld der                                                    men Uigurischen Region Xinjiang. Eine
Olympischen Spiele landesweit ein           Das gilt für die mediale Öffentlich-        Untersuchung der Menschenrechtslage
Anstieg der Repressionen sowie strik-       keit, nicht aber für die Arbeit von Men-    in tibetischen Siedlungsgebieten durch
tere Kontrollmaßnahmen gegenüber            schenrechtsorganisationen. Mit dem          unabhängige Beobachter wurde unter-
Menschenrechtsverteidigerinnen und          Abschluss der Olympischen Spiele            bunden. Die Behörden unterwarfen den
–verteidigern, Angehörigen von Reli-        schwenkte der „Scheinwerfer“ der Me-        Handlungsspielraum der Religionsaus-
gionsgemeinschaften, Rechtsanwälten         dien auf andere Teile der Welt und da-      übung nach wie vor einer rigiden Kon-
und Journalisten festzustellen waren.       mit stand auch die Menschenrechtslage       trolle, was bedeutete, dass katholische
Im Anschluss an Proteste und Unru-          in China nicht mehr im Mittelpunkt der      und protestantische Gemeindemitglie-
hen, die im März 2008 in Lhasa (Tibet)      Aufmerksamkeit. Im politischen Rah-         der, die ihren Glauben außerhalb des
begannen, nahmen die Behörden mehr          men, bei der Lobbyarbeit ging und geht      staatlich sanktionierten Rahmens prak-
als 1.000 Personen fest, von denen Hun-     die Diskussion aber weiter.                 tizierten, drangsaliert, inhaftiert und in
derte zum Jahresende weiterhin in Ge-                                                   manchen Fällen auch zu Gefängnisstra-
wahrsam oder „verschwunden“ waren.          Wie beurteilen Sie die heutige Men-         fen verurteilt wurden. Das drakonische
Eine Reihe gewaltsamer Zwischenfälle        schenrechtssituation in China? Hat          und systematische Vorgehen gegen die
mit angeblich terroristischem Hinter-       sie sich gebessert und wie steht das        spirituelle Bewegung Falun Gong wurde
grund wurde benutzt, um massiv gegen
die uigurische Bevölkerung in der Au-
tonomen Uigurischen Region Xinjiang
vorzugehen. Folter und andere Formen
der Misshandlung waren weit verbreitet.
Diese Realität stand in einem so kras-
sen Gegensatz, sowohl zur olympischen
                                                                                                                                     * Stefan Keßler
Idee wie zur offiziellen Propaganda, dass                                                                                            ist ehrenamtlicher Vorstandssprecher von Amnesty
eine kritische Diskussion geradezu her-                                                                                              International Deutschland.

                                            15
the new game –
                          Lobbying ist in einer pluralistischen
                          Gesellschaft alltäglich, da es un-
                          zählige Interessengruppen gibt. Ob
                          Dackelzüchterverein, Rüstungsindus-

lobbying und sport
                          trie oder die großen Sportligen – alle
                          wollen ihre Interessen durchsetzen.
                          Aber warum kann Lobbying, vor allem
                          im Sport, überhaupt erfolgreich sein?

                          von Niels Hauke

                          Deutschland folgt seit Jahrzehnten einer ganz bestimmten Tradition: Jeden Samstag-
                          nachmittag versammeln sich Millionen von Menschen vor den Fernsehgeräten und
                          Radios, um die aktuellen Spiele der Fußball-Bundesliga zu verfolgen und mitzufie-
                          bern. Um diese Tradition zu kennen muss man nicht einmal selbst ein großer Fuß-
                          ballfan sein, denn es scheint sich dabei um ein allgemeingültiges Gesetz zu handeln.
                          Eines ist dabei ganz offensichtlich: Fußball wird von vielen Menschen – vielleicht so-
                          gar zu Recht – als faszinierender, spannender und bewegender als Politik empfunden.
                          Dabei gibt es eine viel engere Verbindung zwischen Sport und Politik, als manch einer
                          glauben mag. Gemeint ist die versuchte Einflussnahme von Sportvereinen und -ver-
                          bänden auf die Politik, auch bekannt als Lobbyismus. Genauso wie andere Verbände,
                          versuchen auch Interessengruppen aus der Welt des Sports Einfluss auf die Politik zu
                          nehmen, um ihre Interessen besser umsetzen zu können. Aber wie funktioniert so
                          etwas eigentlich? Und: Stimmt das Bild vom Lobbyisten, der mit einem prall gefüll-
                          ten Geldkoffer ahnungslose Politiker im Hinterzimmer für seine „Machenschaften“
                          gewinnen will?
                          Ganz so einfach ist es wie immer nicht. In Deutschland gibt es knapp 2.200 in das
                          Lobbyregister des Deutschen Bundestages eingetragene Interessengruppen. Bei Lob-
                          bying handelt es sich in der Regel jedoch nicht um die genannte illegitime Einfluss-
                          nahme in Hinterzimmern, sondern um die Vertretung von Interessen bestimmter
                          gesellschaftlicher Gruppen. Genau genommen kommt es zwischen dem politischen
                          Entscheidungsträger und dem Interessenvertreter zu einem rationalen Tausch-
                          geschäft. Gegenstand eines solchen Tausches sind Informationen zu bestimmten
                          Sachthemen einerseits und der Möglichkeit der Einflussnahme andererseits.

                          Tausche Sportschuhe gegen Anzug

                          Interessengruppen verfügen nicht nur über Informationen zu Auswirkungen poli-
                          tischer Maßnahmen (d.h. Expertise zu ganz bestimmten Sachthemen, die sonst nur
                          wenigen oder niemandem zu Verfügung steht und somit knapp ist), sie sind auch in
                          die Implementation solcher Maßnahmen eingebunden. Oft können sie die Einflüs-
                          se und Auswirkungen politischer Maßnahmen besser beurteilen, als die politischen
                          Entscheider selbst. Wen wundert das auch? Lobbyisten sind schließlich Experten auf
                          ihrem jeweiligen Gebiet. Die politischen Entscheidungsträger wiederum sind daran
                          interessiert, die Fachinformationen der Interessengruppen zu nutzen, um unbeab-
                          sichtigte Effekte zu vermeiden. Der Plan muss schließlich aufgehen, die getroffene

                                                                      Niels Hauke
                                                                      studierte an der Universität Osnabrück Social
                                                                      Sciences und ist seit 2009 Student des Masterstudi-
                                                                      engangs Politikmanagement an der NRW School of
                                                                      Governance. Praktische Erfahrungen sammelte er bei
                                                                      Praktika im Deutschen Bundestag und im Wissen-
                                                                      schaftsministerium des Landes NRW.

                     17
politische Entscheidung soll von der Bevölkerung akzeptiert werden. Das Interesse       jeweiligen Profiligen – Deutsche Fußball     Erinnern wir uns nun an die einführen-      Empfänger ausgegangen werden. Für un-
der politischen Entscheidungsträger resultiert aus der Tatsache, dass die Komplexität   Liga (DFL), Basketball Bundesliga (BBL),     de Klassifikation von Lobbyismus als        ser Beispiel bedeutet dies konkret, dass
bestimmter Sachverhalte oft über den Sachverstand von Verwaltungsbürokratien hi-        Deutsche Eishockey Liga (DEL), und die       rationales Tauschgeschäft, bei dem die      es ganz offensichtlich für den Entschei-
nausgeht und daher Beratung sowie Formulierungshilfe von Experten aus den jewei-        Handball Bundesliga (HBL) – einen eige-      Tauschpartner das Ziel verfolgen, ihren     dungsträger nicht nur sehr interessante
ligen Interessengruppen vonnöten ist. Umgekehrt ist der Interessenvertreter daran       nen Lobbyverband gegründet. Vor allem        eigenen Nutzen zu maximieren. Der           Ressourcen gegeben haben muss, die
interessiert, die Entscheidungsträger, also etwa die Bundesregierung, das Parlament,    das Werbeverbot für Alkoholika würde         Einfluss, der vom Interessenvertreter       dazu geführt haben, dass ein Werbever-
die Ministerialbürokratie oder die Referenten der Arbeitsgemeinschaften, in einem       dem Profisport eine wichtige Einnahme-       auf den Entscheidungsträger ausgeübt        bot für Alkoholika nicht zustande ge-
möglichst frühen Stadium in seinem Sinne zu beeinflussen. Beeinflussung bedeutet,       quelle von rund 300 Millionen Euro pro       wird hat die Funktion, eine politische      kommen ist. Auch muss von einer engen
dass der Lobbyist zum Beispiel einen Gesetzesentwurf verändert oder sogar einen ei-     Jahr entziehen. Sport und Alkohol – auf      Entscheidung mitzusteuern. Im Falle         und vertrauensvollen Zusammenarbeit
genen Entwurf einreicht, der seine Interessen berücksichtigt. Der Job des Lobbyisten    den ersten Blick eine feindliche Verbin-     des oben genannten Beispiels handelt        zwischen diesem Entscheidungsträger
hat somit Ähnlichkeit mit dem eines Zauberkünstlers: Er muss seine Tricks anwen-        dung, auf den zweiten Blick anschei-         es sich darum, die Entscheidung für ein     und dem Lobbyisten ausgegangen wer-
den ohne dass es jemand bemerkt, er muss am besten überall gleichzeitig sein können     nend eine innige Liebe, denn beim Geld       Werbeverbot von Alkoholika zu kippen.       den, was sicher nicht nur für den Bereich
und über alle Handlungen der Beteiligten informiert sein. Interessenvertreter benö-     scheint auch der Jugendschutz an seine       Allerdings darf dabei nicht von einem       des Sports gilt.
tigen Informationen über alle Vorgänge, die im Vorfeld des politischen Entschei-        Grenzen zu stoßen.                           mechanischen Bild von Lobbying aus-
dungsprozesses stehen, da sie mit Hilfe dieser Informationen ihre Vorstellungen von                                                  gegangen werden. Der politische Erfolg
Politikinhalten realisieren können. Sie kommen aus den verschiedensten Bereichen        Lobbyist und Politiker –                     hängt nämlich nicht nur von der Menge
der Gesellschaft – vom Tabakliebhaber über den Taubenzüchter bis hin zum Sport-         große Gefühle                                und der Art an Ressourcen ab, die ein
manager. Aus dem Verständnis des Lobbyisten und des Politikers ergibt sich, dass                                                     Lobbyist anzubieten hat. Der Mythos
für das Zustandekommen von Tauschprozessen ein gegenseitiges Interesse an einem         Interessant am Lobbying im Bereich           des prall gefüllten Geldkoffers bleibt in
Austausch von Ressourcen unabdingbar ist. Müssen sich demnach ein Sportmanager          Sport sind vor allem das Ausmaß und          diesem Falle also ein Mythos – abgese-
für Politik und ein Politiker für Sport interessieren?                                  die Medienwirksamkeit. Zwischen Sport        hen natürlich von Korruption und Beste-
                                                                                        und Politik besteht eine enge Verbin-        chung im Sport, was jedoch ein anderes
Wenn es darum geht, Lobbying im Bereich des Sports zu betreiben, ja. Im Sportaus-       dung, mit der die Politik meistens me-       Thema wäre. Selbst mit den raffiniertes-
schuss des Deutschen Bundestages wird Lobbying so offen betrieben wie in keinem         dienwirksam punkten kann. Besonders          ten Taktiken und Strategien in petto wird
anderen Bereich des Parlaments. Darüber hinaus ist der Sportausschuss der einzige       deutlich wird dieser Zusammenhang am         der Lobbyist immer noch kein geplantes
Ausschuss seiner Art, der stets öffentlich tagt. Immerhin: Im Gegensatz zu manch        Verhältnis der Kanzlerin Angela Merkel       Alkoholverbot verhindern können, da
anderer Lobby lassen sich die Vorteile des Sports, wie etwa Förderung der eigenen       und der Fußballnationalmannschaft:           sich der politische Entscheidungsträ-
Gesundheit, Pflege der sozialen Kontakte oder auch das Entstehen von Teamgeist,         Die Kanzlerin bei den Sportlern in der       ger nicht so einfach instrumentalisieren
nicht von der Hand weisen. Sportlobbyisten haben so gesehen einen deutlichen Vor-       Umkleidekabine, die Kanzlerin hände-         oder manipulieren lässt. Ein Griff in die
teil gegenüber Tabak- oder Waffenlobbyisten. Nichtsdestotrotz gibt es auch in der       schüttelnd mit Jogi Löw, die Kanzlerin       Trickkiste allein ist eben nur die halbe
Welt des Sports sehr heterogene Interessen. Dabei kann es sich etwa um Interessen       jubelnd auf der Ehrentribüne bei Länder-     Miete für ein Tauschgeschäft. Ganz we-
von Gruppen handeln, die die Ausübung ihrer Sportart sicherstellen wollen, zum          spielen der deutschen Elf. Dies alles sind   sentlich für erfolgreiches Lobbying ist
Beispiel wenn Umweltbestimmungen das Ausüben von Sportarten einschränken.               Bilder, die wir kennen und die auf uns       etwas ziemlich Banales: Die persönliche
Dies kann etwa im Kanu- oder Rudersport der Fall sein. Ganz anders, aber ebenso re-     positiv wirken, ohne dass wir in der Re-     und oft über Jahre gewachsene vertrau-
alistisch, stellt sich die Lage dar, wenn nach einem Amoklauf über eine Verschärfung    gel dabei an Lobbyismus denken. Diese        ensvolle Beziehung zwischen Lobbyist
der Waffengesetze nachgedacht wird. Dann laufen die Schützenverbände Sturm, da          Bilder und noch viele weitere Beispiele      und Entscheidungsträger. Denn eines
sie ihre Sportart gefährdet sehen. Trotzdem geht es hierbei nicht nur um eine Sicher-   zeigen jedoch, dass das gegenseitige In-     steht fest: Jegliches Signal, welches der
stellung der Ausübung einer Sportart: Da man für die Ausübung des Schießsports          teresse von Sport und Politik weitrei-       Interessenvertreter direkt oder indirekt
naturgemäß eine Waffe benötigt, haben im Falle einer geplanten Verschärfung der         chend ist. Die öffentliche Darstellung der   an seine Adressaten aussendet, würde
Waffengesetze auch die Hersteller von (Sport-) Waffen ein Interesse daran, solche       jubelnden Angela Merkel ist sogar auch       ohne Folgen bleiben, wenn nicht auch
Gesetzesänderungen zu verhindern, womit wir auch schon bei den kommerziellen            ein Stück weit politisches Interesse und     die Bereitschaft bestünde, diese Signale
Interessen in der Welt des Lobbyings im Sportbereich sind. Um bei Themen wie            durch die Sportverbände verwirklichter       zu empfangen. Daher muss in solch ei-
der Regulierung von Sportwetten oder dem Verbot von Alkoholwerbung im Sport             Lobbyismus.                                  nem Zusammenhang immer auch von
Einfluss nehmen zu können, haben die vier größten deutschen Sportverbände der                                                        einer Interaktivität zwischen Sender und

                                                                                        19
doping im spitzensport:
                                                                        In regelmäßigen Abständen werden Spitzensportler des Dopings überführt. Da-
                                                                        bei sind so gut wie alle Sportarten betroffen. Um Doping besser zu bekämpfen,
                                                                        mehren sich seit Jahren die Stimmen, die Dopingsünder als Straftäter verurtei-
                                                                        len wollen. Deutschland sieht aber keinen Handlungsbedarf und überlässt die

strafrecht ja oder nein?
                                                                        Bestrafung nach wie vor den Verbänden. Muss der Staat umdenken?

                                                                        von Frederic Hüttenhoff

                           Wenn Sportler des Dopings überführt           Die Schwierigkeit der deutschen
                           werden, wundert man sich oft über de-         Verbandsautonomie
                           ren Erklärungen. Eines der bekanntesten
                           Beispiele ist Dieter Baumann, der 1999        In Deutschland wehrt man sich nach wie
                           überhöhte Nandrolon-Werte in seinem           vor erfolgreich gegen die strafrechtliche
                           Körper auf seine Zahnpasta zurückführ-        Dopingverfolgung, vor allem weil Sport-
                           te. Angeblich hätten ihm unbekannte           Funktionäre die bestehende Verbands­
                           Täter das verbotene Dopingmittel in die       autonomie durch den Staat bedroht
                           Tube gefüllt. Er wurde für 2 Jahre vom        ­sehen. Das Problem ist die Verflechtung
                           Leichtathletik-Weltverband IAAF ge-            von Politik und Sport. Viele deutsche
                           sperrt. Ähnlich erging es Jan Ullrich, der     Politiker sind oftmals Schirmherren bei
                           2002 positiv auf Amphetamine getestet          sportlichen Veranstaltungen oder ver-
                           wurde und anschließend behauptete,             bandspolitisch im Sport tätig. Gleichzei-
                           dass ihm ein Unbekannter in der Dis-           tig sitzen sie aber in Bundes- oder Land-
                           co zwei Amphetamin-Pillen angeboten            tagen im Innen- oder Sportausschuss.
                           haben soll. Er konnte angeblich nicht          Italien zeigt, welche Probleme damit
                           schnell genug ablehnen. Auch er wur-           verbunden sind. Obwohl hier Haftstra-
                           de gesperrt. Sportler, die in Deutsch-         fen von bis zu drei Jahren möglich sind,
                           land betrügen, werden zwar von ihren           wurde bisher noch kein Sportler wegen
                           Verbänden bestraft, aber strafrechtlich        Dopings strafrechtlich verurteilt. Ein In-
                           nicht verfolgt. Anders sieht es in Spani-      teressenkonflikt ist also auch hier nicht
                           en, Frankreich und Italien aus. In diesen      vollständig auszuräumen. 2007 erließ
                           Ländern gilt Doping als Straftat und wird      die Bundesregierung ein Anti-Doping-
                           vom Staat mit hoheitlichen Maßnahmen           Gesetz, das zwar den Besitz und Ver-
                           verfolgt. So können in Italien Doping-         trieb von Doping-Mitteln verbietet, aber
                           vergehen von Sportlern mit Haftstrafen         nicht die Einnahme. Das heißt, dass nur
                           von bis zu drei Jahren geahndet werden.        Personen bestraft werden können, die
                           Die Frage, ob Dopingbekämpfung bei             Handel mit Dopingmitteln betreiben.
                           nichtstaatlichen Veranstaltungen eine          Ein Sportler würde demnach nur verur-
                           Staatsaufgabe sein sollte, ist in Deutsch-     teilt werden, wenn er größere Mengen
                           land dagegen stark umstritten.                 an Doping-Mitteln besitzt. Die CDU be-
                                                                          gründete diesen Schritt damit, dass das
                                                                          Strafrecht nicht dazu da sei, Sponsoren,
                                                                          Zuschauer oder sportliche Konkurrenz
                                                                          vor moralischer Enttäuschung zu be-

                                                                                                                       Frederic Hüttenhoff
                                                                                                                       studiert den Masterstudiengang Politikmanagement
                                                                                                                       an der NRW School of Governance. Zuvor absolvierte
                                                                                                                       er den B.A. in Sozial-, Medien- und Kommunikations-
                                                                                                                       wissenschaften an der HHU Düsseldorf. Zurzeit ist er
                                                                                                                       als wiss. Hilfskraft am Institut für Arbeit und Qualifi-
                                                                                                                       kation der Universität Duisburg-Essen tätig. Weitere
                                                                                                                       praktische Erfahrungen sammelte er in den Bereichen
                                                                                                                       der Unternehmenskommunikation und Public Affairs.

                           21
wahren. Zudem würde es sich streng ge-       Doping wird die Wahrnehmung von                  dann auch seine Mannschaft, sein Verein oder sogar der Verband deutliche Vorteile.
nommen um eine Art Selbstschädigung          Sport verzerrt, denn mit Sport werden            Demnach werden sowohl das Prinzip des fairen als auch des finanziellen Wettbe-
handeln, die man rechtlich nicht verur-      generell bestimmte Wertvorstellungen,            werbs zu oft mit Doping verletzt. Auch deshalb wären rechtliche Regelungen sinn-
teilen kann. Tatsächlich ist diese Ansicht   etwa die der Fairness, des sportlichen           voll, damit es zu einer Bestrafung von Doping kommt. Dabei muss aber auch immer
aber nicht weitreichend genug.               Wettkampfs und der einwandfreien Mo-             eine Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Wissenschaftliche Untersuchungen wie-
In Bezug auf dopende Sportler könnte         ral verbunden. Diese Wertvorstellun-             sen bereits vielfach darauf hin, dass die Bestrafung von Doping nicht mehr als den
man sagen, dass die Strafen der jewei-       gen werden im Spitzensport an die Zu-            Tatbestand der Täuschung oder des Betrugs aufweisen darf.
ligen Verbände, also Startsperren, Ab-       schauer vor Ort und oftmals auch über
erkennung von Titeln und Preisgeldern        die Massenmedien an die allgemeinen              Fairness konsequent schützen! Aber nicht um jeden Preis
die Karriere bedrohen oder mitunter          Sportinteressierten weltweit weiterge-
beenden. Das wäre vermutlich für den         geben. Der Sportler genießt durch sei-           Der Profisport als gesellschaftliches Ereignis wird durch Fairness definiert. Wenn
Sportler bereits Strafe genug. Dies setzt    ne Leistung ein hohes Ansehen und hat            diese durch Doping unterwandert wird, hat das wirtschaftliche und gesellschaftliche
aber voraus, dass die Verbände diese         damit eine große Vorbildfunktion inne.           Folgen für den Sport. Als bestes Beispiel dient hier der Radrennsport, der in Deutsch-
Strafen auch konsequent umsetzen. Oft-       Daher rückt auch die Lebensweise eines           land durch Dopingaffären mit einem starken Imageverlust zu kämpfen hat. Die
mals scheint das nicht der Fall zu sein.     erfolgreichen Sportlers in die Mitte der         Nutzung von Doping ist Betrug am Sport, an den Konkurrenten, an den Zuschau-
Sportler und Verband verfolgen häufig        Gesellschaft und wird oftmals imitiert.          ern und an den Sponsoren. Um den effektiven Schutz davor zu gewährleisten, wäre
die gleichen Interessen. Darüber hin-        Diese Vorbildfunktion kann auch zu               das Strafrecht zwar ein geeignetes Mittel. Letztlich bleibt aber die Frage bestehen,
aus ist ein Verband abhängig von seinen      einem besseren gesellschaftlichen Mit-           ob die Einführung des Strafrechts in Dopingfällen wirklich die einzige Möglichkeit
Sportlern, insbesondere von sehr erfolg-     einander führen. Man erinnere sich nur           einer effektiveren Dopingbekämpfung ist. Denn streng genommen bekämpft man
reichen, die Aufmerksamkeit und Spon-        an die Fußballweltmeisterschaft 2006             damit nicht die Ursachen, sondern nur die Auswirkungen. Außerdem würde eine
sorengelder generieren. Daher befinden       in Deutschland, bei der die Medien eine          strafrechtliche Verfolgung andere erhebliche Probleme mit sich bringen. Der Fall um
sich Verbände in einer Zwickmühle. Ei-       neue Form des nationalen Bewusstseins            Claudia Pechstein ist ein Negativbeispiel. Die deutsche Eisschnellläuferin wurde auf-
nerseits müssen sie glaubhaft versichern,    ausmachten.                                      grund erhöhter Blutwerte und damit lediglich wegen des Dopingverdachts für alle
dass eine aktive Anti-Doping-Politik         Wenn ein Spitzensportler aber dopt,              internationalen und nationalen Wettkämpfe gesperrt. Ihr konnte bisher kein direktes
betrieben wird, andererseits aber droht      vermittelt er falsche Wertvorstellungen          Dopingvergehen nachgewiesen werden. In diesem Fall wäre eine strafrechtliche Ver-
dadurch der Verlust von Sponsoren und        und darf niemals ein Vorbild für andere          folgung nur schwer einzuleiten. Schließlich gab es nicht den endgültigen Dopingbe-
Werbegeldern, die man gerne halten           sein. Sonst würde der Eindruck vermit-           weis, auch wenn Ärzte bestätigt haben, dass die Blutwerte nicht auf natürliche Weise
möchte. Hier wäre der staatliche Eingriff    telt, dass manipuliert werden muss, um           zustande kommen konnten. Sollte es in Deutschland wirklich eine strafrechtliche
ein mögliches Mittel, um die Dopingbe-       seine Ziele erreichen zu können. Folglich        Verfolgung für Doping-Sünder geben, so müsste die Schuld des Sportlers eindeutig
kämpfung frei von anderen Interessen         könnten mit einer strafrechtlichen Do-           geklärt sein. Italien und andere Länder Europas zeigen, dass dies nur schwer umsetz-
konsequent und in einheitlicher Weise        pingverfolgung die Wertvorstellungen             bar ist. Die deutsche Politik steht somit weiterhin in der Pflicht, verstärkt über die
durchführen zu können. Den Sportlern         des Sports eine rechtliche Verankerung           physischen und psychischen Gefahren des Dopings aufzuklären. Gelänge eine er-
würden mit einer Strafverfolgung wegen       erhalten.                                        folgreiche Prävention, würden strafrechtliche Maßnahmen gar nicht erst nötig sein.
Dopings Grenzen gesetzt, die von den         Nicht zuletzt sind die wirtschaftlichen          Auf lange Sicht, scheint dies allerdings utopisch.
Sportverbänden in dieser Klarheit und        Auswirkungen des Dopings zu nennen.
Härte nie definiert werden könnten.          Profisport bewegt viel Geld und die Ein-
                                             nahme von Doping kann deshalb durch-
Was muss geschützt werden?                   aus als Wettbewerbsverzerrung angese-
                                             hen werden. Der Sportler kann sich so
Allgemein gilt, dass der Leistungssport      unrechtmäßig an Preisgeldern und damit
bzw. Spitzensport in Deutschland und         verbundenen Sponsorengeldern berei-
weltweit ein Rechtsgut ist, das Allge-       chern, die eigentlich rechtmäßig einem
meininteressen bedient und deshalb           mit fairen Mitteln agierenden Sportler
auch geschützt werden muss. Durch            zustehen würden. Damit schafft sich

                                                                                         23
Sie können auch lesen