RUNDBRIE F Forum für Mitglieder und Freunde des Pazifik-Netzwerkes e.V - Pazifik-Infostelle

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RUNDBRIEF
       Forum für Mitglieder und Freunde des Pazifik-Netzwerkes e.V.
  September 2017                                                     Nr. 109 ~ 3 / 17

 Der Pazifik auf internationaler Bühne

                Foto von Ingrid Schilsky.

2017 ist für die pazifischen Staaten ein wichtiges Jahr: Im November findet die inter-
nationale Klimakonferenz (COP23) in Bonn statt und zwar unter der Führung von Fid-
schi. Wie stolz das Land darauf ist, sieht man auch auf den Flugzeugen von Fiji
Airways: Das Logo, welches von einer Fidschianerin entworfen wurde, ist nun auf je-
dem Flugzeug der Linie zu sehen – und macht damit sowohl Werbung für die Region
als auch auf die große Veranstaltung aufmerksam. Doch nicht nur der Klimawandel
lässt den Pazifik für Aufmerksamkeit sorgt: Auch die Ozeane und ihre Erhaltung, Tief-
seebergbau und die Politik rücken den Pazifik immer mehr in den internationalen Fo-
kus, wie im Rundbrief nachzulesen ist (S.)
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Rundbrief September 2017                                                                  Seite 2

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Liebe Mitglieder, Freundinnen und Freunde des Pazifik-Netzwerks,

wieder einmal scheint der Pazifik zum Spielball der Weltpolitik zu werden: Im Zuge der drohen-
den Eskalation des Konflikts zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Nordko-
rea drohte das nordkoreanische Militär im August mit einem - möglicherweise nuklearen -
Angriff auf die Pazifik-Insel Guam. Das im nördlichen Pazifik gelegene Guam, welches kulturell
zur Region Mikronesien gehört, ist seit 1899 (mit Unterbrechung während des 2. Weltkriegs)
von den USA besetzt und beheimatet einen wichtigen Stützpunkt des US-Militärs. Der Konflikt
zeigt, wie wenig selbstbestimmt viele Gebiete im Pazifik bis heute sind und wie wenig ihr Wohl
im Mittelpunkt steht, wenn die Interessen vermeintlich mächtigerer Akteure aufeinanderpral-
len.

 Einladung zur Jahrestagung & Mitgliederversammlung des Pazifik-Netzwerks:
 Mit der vielfältigen und faszinierenden Region Mikronesien befasst sich übrigens auch die
 nächste Jahrestagung des Pazifik-Netzwerks, zu der ich Sie herzlich einladen möchte. Sie
 findet zusammen mit der Mitgliederversammlung vom 16. – 18. Februar 2018 in Lu-
 therstadt Wittenberg statt. (Mehr Infos auf S. 46).

Ähnliches gilt übrigens auch für die Kultur der pazifischen Staaten, die nur zu gerne zu
Kitsch verklärt, entfremdet und aus dem Kontext gerissen wird, wenn es den Interessen
scheinbar mächtigerer Gesellschaften entspricht. Ein sehr perfides Beispiel hierfür offenbarte
sich im August in der amerikanischen Stadt Charlottesville, in der es zu rassistischen Aus-
schreitungen kam. Bei einem Anschlag mit einem Auto starb eine Gegendemonstrantin. Zuvor
waren zahlreiche Neonazis und rechte Hardliner mit Fackelzügen durch die US-Universitätsstadt
marschiert. Die Fackeln, die sie bei sich trugen, bezeichneten die Medien als Tiki torches, also
Tiki-Fackeln. Die Bezeichnung leitet sich von dem polynesischen Begriff „Tiki“ her, der ur-
sprünglich eine Art Ahnen- oder Götterfigur bezeichnet. Bei den Maori in Neuseeland findet er
sich beispielsweise in der Bezeichnung der bekannten, meist aus Jade gefertigten „Hei-Tiki“-
Anhänger wieder. Als in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts vor allem hawaiianisch
inspirierte Einrichtungsgegenstände in den USA populär wurden, entstand dort der sogenannte
„Tiki-Stil“. Da in diesem Zuge große, tatsächlich auch in Teilen Polynesiens verbreitete Fackeln
z.B. vor Restaurants oder Gartengrundstücken beliebt wurden, tragen sie bis heute die polyne-
sische Bezeichnung im Namen.

Dennoch, trotz dieser eher betrübenden Beispiele: Der Pazifik ist nicht nur Spielball mächtigerer
Staaten und Gesellschaften. Nein, die unabhängigen pazifischen Staaten versuchen auch, Welt-
politik aktiv mitzugestalten. Dies wird auch hier in Deutschland sehr sichtbar werden, wenn im
November anlässlich der 23. Klimakonferenz der Vereinten Nationen, die in diesem Jahr
unter der Präsidentschaft Fidschis steht, Tausende DiplomatInnen sowie VertreterInnen von
Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt nach Bonn strömen werden. Aus logistischen
Gründen finden die Verhandlungen dort am Sitz des UN-Klimasekretariats statt, sowohl
Deutschland und Fidschi haben jedoch versprochen, dass von der Konferenz dennoch ein fid-
schianischer „Bula Spirit" ausgehen soll.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!
Mit pazifischen Grüßen!

Oliver Hasenkamp
Vorsitzender des Pazifik-Netzwerk e.V.
Kontakt: oliver.hasenkamp@pazifik-netzwerk.org
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Rundbrief September 2017                                                      Seite 3

                                                              INHALTSÜBERSICHT
Liebe Leserinnen und Leser,

und wieder halten Sie eine Ausgabe des
Rundbriefes des Pazifik-Netzwerkes in       dann finden Sie hier natürlich wie immer
Händen – diesmal prall gefüllt mit vielen   auch Neuigkeiten aus dem Vereinsleben
Berichten und Informationen zum Meer:       (S.43); Hinweise zu neuen Büchern, Fil-
Sei es ein Rückblick auf die große Oze-     men und Terminen (S.51), der Blick über
ankonferenz in New York (S.25) oder         den Tellerrand (S.33) oder das Feuille-
eine Veranstaltung dazu in Berlin (S.23),   ton – diesmal mit einem Gedicht für die
sei es der Hinweis auf ein neues Buch       verstorbene Teresia (S.41). Und damit
(S.3), eine Matrosenschule in Kiribati      wird auch der dritte Schwerpunkt deut-
(S.13), eine Rezension zum Thema Meer       lich: Was Frauen im Pazifik bewegen
und Umweltmigration (S.35) oder aber        können (S.12 und S.49), was sie aber
auch der Kalender (S.56), der wieder        auch erleiden müssen (S.44), ist in meh-
zum Verkauf steht. Daneben gibt es ei-      reren Berichten ebenfalls zum Nachle-
nen zweiten Schwerpunkt in diesem           sen.
Brief: Die Klimakonferenz in Bonn im
November, die sowohl auf den Flugzeu-       In diesem Sinne wünsche ich ihnen viel
gen (S.1) als auch mit Infos zu pazifi-     Freude beim Lesen und verbleibe mit
schen Gästen (S.11) oder auch einem         fränkisch-pazifischen Grüßen,
traurigen Nachruf auf Tony de Brum
(S.48) ihre Schatten voraus wirft. Und      Steffi Kornder,
                                            Redakteurin

KURZ NOTIERT

„Welt im Wandel: Menschheitserbe Meer“ – ein Gutachten des Wissenschaftlichen
Beirats der Bundesregierung

Trotz zahlreicher völkerrechtlicher Abkommen und freiwilliger Verpflichtungen werden
die Meere immer noch massiv überfischt, verschmutzt und zunehmend als letzte große
Ressourcenquelle der Erde ausgebeutet. Den schlechten Zustand der Meere nimmt der
WBGU jetzt zum Anlass, eine langfristige Vision für einen nachhaltigen Umgang mit
dem blauen Kontinent zu entwickeln: Alle Meereszonen mit Ausnahme des Küstenmee-
res sollten zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt werden. Um diesem Fernziel
für die Meeres-Governance näher zu kommen stellt der WBGU zusätzlich Handlungs-
empfehlungen vor, die an laufende Politikprozesse anschließen. Dafür betrachtet er
beispielhaft die beiden Schwerpunkte Nahrung – nachhaltige Fischerei und Aquakultur
– sowie Energie aus dem Meer. Das Gutachten zeigt, dass ein nachhaltiger Umgang mit
den Meeren dringend notwendig ist, dass eine Transformation zur klimaverträglichen,
nachhaltigen Gesellschaft auch mit den Meeren möglich ist und dass sie weltweit er-
hebliche Vorteile für eine nachhaltige Energieversorgung sowie für die Ernährungssi-
cherheit bringen kann.
Weitere Infos: www.wbgu.de/hg2013/
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    2     Editorial
    3     Kurz notiert: Menschheitserbe Meer
          Pazifische Berichte
   5      Trump und das neue Verhältnis zu Asien und dem Pazifik (Klaus Schilder)
   7      Forderungen zu einer Neuausrichtung (Oliver Hasenkamp, Pazifik-Netzwerk)
   11     Pazifik-Gäste rund um die Klimakonferenz (Eckart Garbe, Oliver Hasenkamp)
   12     Do you know an inspiring woman? (Steffi Kornder)
   13     Vom „Walk in the freezer“ zum Schiffsbrückensimulator (Ingrid Schilsky)
   17     Schwarzer Donnerstag? (Ingrid Schilsky)
   18     Aktion natürliche Medizin in den Tropen (Hans-Martin Hirt)
          Tagungs- und Veranstaltungsberichte
   19     Searching for our future (Robert Steinle, Michaela Appel)
   20     Der 16. Wantok Bung im Allgäu (Carsten Klink)
   21     ÖRK-Generalsekretär besucht Pazifikregion
   22     Hiroshima-Gedenken 2017 (Steffi Kornder)
   23     Rettet die Ozeane (Helga Schwarz)
   25     Die Ozeankonferenz der Vereinten Nationen (Oliver Hasenkamp)
   30     Unser Meer ist kein Experimentierfeld! (Jan Pingel)
   31     ESfO Conference 2017 (Matthias Kowasch)
          Blick über den Tellerrand
   33     Nicht dieselbe Sprache (Patricia Fritze)
          Rezensionen
   35     Atlas der Umweltmigration (Carola Klöck)
   36     Ceremonial Houses of the Abelam (Hermann Mückler)
   40     Erklärt: Clay-Pot-Chili (Carsten Klink)
   41     Feuilleton: Transcend Teresia
   41     Regionale Treffen von Pazifik-Interessierten
   42     Leserforum
   43     Nachrichten aus dem Verein (Oliver Hasenkamp)
   44     Gefährliche Orte für Frauen (Marion Struck-Garbe)
   45     Spiel bei Kampagne
   46     Einladung zur Jahrestagung 2018
          In Memoriam
   48     Tony de Brum (Marion Struck-Garbe, Oliver Hasenkamp)
   49     Alice Rigney (Volker Craig)
   51     Termine
   54     Neue Medien in der Präsenzbibliothek der Pazifik-Infostelle
   55     Disclaimer und Impressum
   56     Info des Tages: Kalender 2018
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Interessen statt Werte
Trump und das neue Verhältnis zu Asien und dem Pazifik
                                                                                 Von Klaus Schilder

Derzeit ist wenig an strategischen Über-            ersten Amtstag des neugewählten Präsi-
legungen für die Ausgestaltung der poli-            denten auch der Politik der Vorgängerre-
tischen und wirtschaftlichen Beziehun-              gierung, im Rahmen des sog. „Pivot to
gen der USA mit den Staaten in Asien                Asia“ eine neue strategische Annähe-
und dem Pazifik erkennbar. Die US-                  rung an die Region aufzubauen, eine
Administration setzt momentan auf zwei              klare Absage erteilt hat1. Bestandteil der
grundlegende Aspekte der Ausgestal-                 Strategie waren u.a. zahlreiche neue Mi-
tung der künftigen Zusammenarbeit: Ei-              litärverträge mit pazifischen Staaten, die
nerseits soll nach dem Rückzug aus den              das Kräfteverhältnis in der Region durch
Verhandlungen um die Trans-Pacific-                 Schaffung einer Allianz kleinerer Staa-
Partnership (kurz TPP) verstärkt auf bi-            ten unter US-amerikanischer Führung
laterale Handels- und Investitionsab-               gegenüber dem dominanten Einfluss
kommen in der Region gesetzt werden,                China ausgleichen sollten („Balancing“).
andererseits wird der starke politische             Obama selbst bezeichnete sich während
Fokus auf Nordkorea nicht nur das künf-             seiner Amtszeit gerne als ersten pazifi-
tige Verhältnis der USA mit China prä-              schen Präsidenten.
gen, sondern auch das Verhältnis zu an-
deren asiatischen Staaten. Eine umfas-              Drohende Militarisierung der Region
sende politische Strategie für die Region           Trump setzt nun ein klares Signal zur
Asien-Pazifik fehlt der Trump-Regierung             weiteren Militarisierung der Region, in-
aber bislang – sie ist auch nicht ange-             dem er den Ausbau der US-Flotte im Pa-
kündigt. Mit Blick auf die im November              zifik und damit eine Stärkung der Mili-
2017 anstehenden Gipfeltreffen von                  tärpräsenz der USA in der Region voran-
APEC (Asia-Pacific Economic Coopera-                treibt2. Unter der sog. „Asia-Pacific Sta-
tion) und ASEAN (Association of                     bility Initiative“ (APSI) zur Wahrung von
Southeast Asian Nations) läuft den USA              Sicherheitsinteressen planen die USA
die Zeit für eine überzeugende Positio-             von 2018 bis 2022 Militärausgaben in
nierung davon.                                      der Region in Höhe von insgesamt 7,5
                                                    Milliarden US-Dollar. Politisch zielt die
Die jüngsten Verlautbarungen der US-                APSI vor allem auf eine Politik der Stärke
Regierung zu einer künftigen Asien-Pazi-            gegenüber China durch den Ausbau der
fik-Strategie bestehen aus zum Teil wi-             Militärpräsenz der USA im Pazifik, auch
dersprüchlichen politischen Entschei-               durch Waffenverkäufe an verbündete
dungen, öffentlichen Stellungnahmen,                Staaten in der Region 3 . Dieser neue
informellen Ankündigungen und Bot-                  Pragmatismus im Umgang mit dem Pa-
schaften in den sozialen Medien, die al-            zifik könnte aber letztlich wider Erwarten
lesamt mehr Fragen aufwerfen als be-                zu einer Stärkung der politischen Bande
antworten. Klar ist vor allem, dass die             mit der Region führen, wenn auch unter
Trump-Administration mit dem Rückzug                anderen Vorzeichen und geleitet von
aus den Verhandlungen um die TPP am                 klaren Wirtschafts- und Machtinteressen

1  www.thediplomat.com/2017/03/straight-from-the-   3www.thediplomat.com/2017/06/what-mattis-shan-
us-state-department-the-pivot-to-asia-is-over/      gri-la-dialogue-speech-revealed-about-trumps-asia-
2 www.time.com/4770196/pentagon-asia-pacific-mi-    policy/
litary-spending/
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der USA. Die Gefahr eines neuen kon-                   dem Abkommen fehlen jegliche Bestim-
ventionellen wie nuklearen Wettrüstens                 mungen zum Schutz von Umwelt, Men-
im Pazifik wird damit größer und weckt                 schen- und Arbeitnehmerrechten, und
erschreckende Erinnerungen an die Zei-                 damit für eine gerechte, nachhaltige und
ten des Kalten Kriegs 4 . Klar ist schon               menschenwürdige regionale Integration.
jetzt, dass die Menschenrechte und poli-
tische Freiheit zu den Verlierern dieses               Das RCEP würde vor allem die chinesi-
neuen Pragmatismus gegenüber Asien                     schen Handelsinteressen mit Australien
und dem Pazifik gehören werden.                        und Neuseeland durch Schaffung eines
                                                       gemeinsamen Marktes stärken 8 . Über
Das RCEP - Ein Fuß in der Tür für die                  die Marktöffnung der pazifischen Staa-
USA?                                                   ten gegenüber Australien und Neusee-
Außerdem hat auch der Rückzug aus den                  land im Rahmen des Mitte 2017 abge-
TPP-Verhandlungen die Glaubwürdigkeit                  schlossenen PACER plus Kooperations-
der USA massiv beschädigt. Politische                  abkommen wären die elf pazifischen Mit-
Macht kann nicht alleine auf militärische              glieder – Fidschi, Papua-Neuguinea und
Stärke aufgebaut werden, sondern vor                   zuletzt im Juni 2017 Vanuatu hatten sich
allem auf politischem Vertrauen und                    aus den Verhandlungen zurückgezogen -
wirtschaftspolitischer   Berechenbarkeit               automatisch auch Teil der pazifischen
im Kreise der pazifischen Partner. Beides              Freihandelszone unter RCEP. Das kann
geht den USA im Pazifik zunehmend ver-                 weitreichende und schädliche Konse-
loren. Die Verhandlungen über das Regi-                quenzen für die pazifischen Inselstaaten
onal Comprehensive Economic Part-                      nach sich ziehen. Denn die PACER plus-
nership (RCEP) sind nach dem fakti-                    Mitgliedsstaaten wären verpflichtet, ihre
schen Scheitern von TTP der einzige ver-               Märkte nach Inkrafttreten von RCEP im
bleibende plurilaterale Verhandlungs-                  Rahmen der PACER plus-Meistbegünsti-
prozess für ein Freihandelsabkommen in                 gungsklausel schrittweise und mit weni-
der Region 5 . Wenn die Verhandlungen                  gen Ausnahmen auch für Produkte,
wie geplant Ende 2017 abgeschlossen                    Dienstleistungen und Investitionen aus
würden, könnte mit einem Anteil von 40                 den ASEAN-Staaten zu öffnen. Bereits
Prozent am Welthandel und unter chine-                 jetzt existieren unter PACER plus nur
sischer Führung die größte Freihandels-                wenige wirtschaftliche Vorteile für die
zone der Welt geschaffen werden. Wenn                  pazifischen Inselstaaten. Eine weitere
auch nicht direkt, so sind die USA durch               Marktöffnung würde die Schieflage im
ihre Verbündeten Australien, Japan,                    Außenhandel vieler pazifischer Insel-
Neuseeland und Südkorea an den Ver-                    staaten mit den asiatischen Wirtschafts-
handlungen mit den zehn ASEAN-                         lokomotiven voraussichtlich noch ver-
Staaten beteiligt 6 . Da kein Vertrags-                stärken, auch wenn für einige sensible
partner, werden die USA aber nicht an                  Produkte und Dienstleistungen Ausnah-
möglichen Wachstumsgewinnen durch                      meregelungen vorgesehen sind.
das RCEP teilhaben – möglicherweise
neben ihrem beschädigten Ansehen der                   Steigendes Konfliktrisiko im Pazifik
größte Verlust für die USA in der Re-                  Die jüngsten Drohungen Nordkoreas mit
gion 7 . Allerdings steht das RCEP für                 einem Angriff auf die seit 1946 zum US-
‚Freihandel pur‘ neoklassischer Diktion,               amerikanischen Hoheitsgebiet gehören-
                                                       den Militärstützpunkt Guam sind nicht

4 www.thediplomat.com/2017/02/how-trumps-histo-        6 www.www.ft.com/content/2fe572fc-ff39-11e6-
ric-defense-spending-proposal-could-affect-asia/       96f8-3700c5664d30
5 Abgesehen vom asiatisch-pazifischen Freihandels-     7 www.www.dw.com/en/rcep-free-trade-deal-is-no-

abkommen (Free Trade Area of the Asia-Pacific,         substitute-for-the-tpp/a-36621736
FTAAP), das von der APEC seit 1998 auf maßgebli-       8 www.www.twn.my/title2/resurgence/2016/314-

ches Betreiben Chinas verhandelt wird und erst als     315/cover02.htm
der übernächste Schritt regionaler Integration gilt.
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die ersten seit der Annexion der Insel im           Säbelrasseln im Kontext von „America
Jahre 1898. Angesichts des realen oder              First“ rasch als leere Drohgebärde her-
vorgetäuschten Fortschritts der nordko-             ausstellen10.
reanischen Raketentechnik und dem
schon unter der Vorgängerregierung                  Fazit
eingeleitetem Aufstocken der US-                    Ohne Strategie kein politischer Füh-
Militärpräsenz im Pazifik ist die Bedro-            rungsanspruch der USA für mehr Sicher-
hung allerdings größer geworden. Das                heit, Wohlstand und Demokratie im Pa-
Konfrontationsrisiko ist aber vor allem             zifik. Vorschläge dafür gibt es zwar ge-
durch die jüngste verbale Eskalation                nug, sie reichen von der Fortführung und
(„Feuer und Wut“) aus dem Weißen Haus               Stärkung des außenpolitischen Fokus
verstärkt worden 9 . Der Konflikt mit               auf Asien und den Pazifik, und damit
Nordkorea droht sich damit gefährlich               dem Wiederaufbau verlorenen politi-
hochzuschaukeln. Im Fall eines Angriffs             schen Vertrauens über einen selbstbe-
wäre auch mit dem Übergreifen des Kon-              wussten und gleichrangigen Umgang mit
flikts auf andere Pazifikstaaten zu rech-           China und die Einhegung der regionalen
nen. Grundlegend für die militärische               Konfliktherde bis dahin, die Förderung
Strategie der Trump-Regierung in der                von Demokratie, Rechtstaatlichkeit und
Region ist allerdings die Analyse, dass             der Wahrung der Menschenrechte fort-
China geostrategisch als einziger ernst-            zuführen11. Das bloße Über-Bord-Kippen
zunehmender Gegner gilt, sowohl poli-               der bisherigen US-Politik im Pazifik
tisch, wirtschaftlich wie auch militärisch.         reicht allerdings nicht aus, es hat schon
Trump setzt daher auf einen „Frieden                jetzt das Ansehen der USA erheblich ge-
durch Stärke“ in der Region, wenn die               schädigt. Der Rückzug auf rein national
US-Pazifikflotte bis 2025 auf 355 Schiffe           geprägte Interessenpolitik ebensowenig.
anwachsen und so mit der Erweiterung
entsprechender chinesischer Kapazitä-               Zum Autor: Dr. Klaus Schilder, Politikrefe-
ten mithalten soll. Da aber eine über-              rent beim Bischöflichen Hilfswerk MISEREOR
zeugende außenpolitische Strategie für              in Berlin.
Asien und den Pazifik in Washington bis-
lang nicht in Sicht ist, könnte sich das

Forderungen zu einer Neuausrichtung der deutschen Politik gegen-
über den pazifischen Inselstaaten
                                                                        Von Pazifik-Netzwerk e.V.

Klimawandel bekämpfen – Tiefseeberg-                die trotz enger historischer Verbindun-
bau verhindern – Beziehungen stärken                gen und einer wachsenden weltpoliti-
Bei der Bundestagswahl im September                 schen Bedeutung in der bundesdeut-
2017 und den anschließenden Koaliti-                schen Politik bisher vergleichsweise we-
onsverhandlungen werden wichtige poli-              nig Aufmerksamkeit erfährt. Dies zeigt
tische Weichenstellungen getroffen, die             sich schon daran, dass Deutschland
auch gravierende Auswirkungen auf an-               keine einzige Botschaft in der Region un-
dere Weltregionen haben. Dies gilt ins-             terhält. Die 14 unabhängigen Staaten
besondere für die pazifische Inselregion,           Cook-Inseln, Fidschi, Föderierte Staaten
                                                    von Mikronesien, Kiribati, Nauru, Niue,
9 www.abcnews.go.com/US/story-trumps-fire-fury-     11www.thediplomat.com/2017/07/the-ticking-clock-
comments-north-korea/story?id=49119059              on-trumps-asia-strategy/
10 www.www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/pro-

ducts/aktuell/2017A20_pau.pdf
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Rundbrief September 2017                                                          Seite 8
Marshall-Inseln, Palau, Papua-Neugui-         im Pazifik als die Schwelle, ab der die Le-
nea, Salomonen, Samoa, Tonga, Tuvalu          bensgrundlagen der BewohnerInnen der
und Vanuatu sind jedoch wichtige Part-        Inseln so stark beeinträchtigt werden,
ner für Deutschland und aufgrund ihrer        dass ein Leben auf diesen Inseln nicht
Vulnerabilität von Politikentscheidungen      länger möglich ist.
in Deutschland in besonderer Weise be-
troffen.                                      Wir fordern:
                                               Die Bundesregierung muss die für das
Die fidschianische Präsidentschaft der           UN-Klimaabkommen von Paris fest-
UN-Klimakonferenz in Bonn im Novem-              gesetzten nationalen Beiträge (Natio-
ber 2017 zeigt beispielshaft, dass die pa-       nally   Determined      Contributions,
zifischen Staaten eine stärkere Beteili-         NDCs) zur Reduzierung der eigenen
gung auf internationaler Ebene anstre-           Treibhausgasemissionen vollständig
ben. Die Aufnahme Deutschlands als Di-           und umgehend umsetzen.
alogpartner des Pacific Islands Forum im       Die Bundesregierung muss sich in-
Jahr 2016 ist ein erster richtiger Schritt       nerhalb der Europäischen Union und
zum Ausbau der Beziehungen zwischen              der Vereinten Nationen für die Um-
Deutschland und dem Pazifik, der auch            setzung des Klimaabkommens von
in anderen Bereichen eine stärkere Be-           Paris und des angestrebten Ziels ei-
rücksichtigung der pazifischen Bevölke-          ner Begrenzung des globalen Tempe-
rungen und ihrer Anliegen in der deut-           raturanstiegs auf max. 1,5° einset-
schen Politik folgen sollte.                     zen.
                                               Um eine Begrenzung des Tempera-
Pazifik-Netzwerk e.V., Pazifik-Informati-        turanstiegs auf max. 1,5° zu ermög-
onsstelle und Ozeanien-Dialog fordern            lichen, muss die Bundesregierung
deshalb, dass die Abgeordneten des zu-           den vollständigen Umstieg auf erneu-
künftigen deutschen Bundestags und die           erbare Energien schnellstmöglich
zukünftige Bundesregierung sich für fol-         umsetzen, sich weltweit für eine De-
gende Ziele einsetzen:                           karbonisierung einsetzen und den Be-
                                                 schluss des Pacific Islands Develop-
1. Entschlossener Klimaschutz zur                ment Forum zum Verzicht auf fossile
   Begrenzung des globalen Tempe-                Brennstoffe unterstützen.
   raturanstieg auf 1,5°C

Fakt ist: Die pazifischen Inselstaaten ge-    2. Unterstützung bei der Anpassung
hören zu den Gebieten, die am stärksten          an den Klimawandel und Klima-
vom globalen Klimawandel, insbeson-              migration in Würde
dere dem Meeresspiegelanstieg, betrof-
fen sind. Dabei sind sie selbst nur in sehr   Fakt ist: Der Klimawandel zerstört
geringem Maße Verursacher des Klima-          vielerorts die begrenzten landwirtschaft-
wandels. Für viele besonders niedrig ge-      lich nutzbaren Flächen und führt zum
legene Staaten wie Tuvalu, Kiribati und       durch Korallensterben bedingten Rück-
die Marshall-Inseln ist eine Begrenzung       gang der Fischbestände. Somit bedroht
des globalen Temperaturanstiegs auf           der Klimawandel die wirtschaftliche Le-
2°C nicht ausreichend, um das Überle-         bensgrundlage zahlreicher Menschen
ben auf ihren Inseln sicherzustellen. Nur     ebenso wie die traditionellen Lebenswei-
eine Begrenzung des Temperaturan-             sen und Kulturen des Pazifiks. Bereits
stiegs auf max. 1,5°C, wie sie im UN-         heute führen die Auswirkungen des Kli-
Klimaabkommen von Paris zumindest             mawandels im Pazifik zu erzwungenen
angestrebt wird, bietet den BewohnerIn-       Umsiedlungen von Menschen. Die Be-
nen des Pazifiks und vieler anderer Welt-     wohnerInnen der pazifischen Inselregion
regionen eine tragfähige Zukunftsper-         benötigen daher dringend zusätzliche
spektive. Dieser Wert gilt vielen Staaten     Unterstützung bei der Anpassung an
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den Klimawandel sowie verlässliche in-      Tourismus; der Ozean ist für sie wichti-
ternationale Schutzrechte, welche ihnen     ger Bestandteil der kulturellen und spiri-
dort, wo dies unausweichlich ist, eine      tuellen Identität als auch wirtschaftliche
Klimamigration in Würde ermöglichen.        Lebensgrundlage. So widerspricht Tief-
                                            seebergbau den von den Vereinten Nati-
Wir fordern:                                onen beschlossenen Zielen für nachhal-
 Die Bundesregierung muss seine fi-        tige Entwicklung, insbesondere dem Ziel
   nanziellen Zusagen für den Green Cli-    der nachhaltigen Nutzung der Ozeane
   mate Fund zur Unterstützung vom          (Nr. 14).
   Klimawandel betroffener Staaten er-
   füllen.                                  Wir fordern:
 Die Bundesregierung muss zusam-            Die Bundesregierung muss alle Vor-
   men mit gleichgesinnten Staaten             haben und politischen Initiativen zum
   mögliche Kürzungen der Finanzierung         Abbau mineralischer Ressourcen in
   des Green Climate Fund und anderer          der Tiefsee sowie jegliche wirtschaft-
   Programme in Folge der Politik der          liche Förderpolitik im Bereich Tiefsee-
   US-Regierung unter Donald Trump             bergbau sofort stoppen.
   durch die Aufstockung eigener Bei-        Die Bundesregierung muss sich inter-
   träge ausgleichen.                          national innerhalb der Vereinten Na-
 Die Bundesregierung muss sich inter-         tionen und der Internationalen Mee-
   national für die Schaffung von Regel-       resbodenbehörde für ein Verbot von
   werken und Schutzmechanismen zur            Tiefseebergbau einsetzen.
   Klimamigration einsetzen, welche die
   Situation der Menschen im Pazifik be-
   rücksichtigen und ihnen eine „Klima-     4. Einrichtung von deutschen Bot-
   migration in Würde“ gemäß des Kon-          schaften und Kultureinrichtungen
   zepts der Migration with Dignity des        im Pazifik
   früheren Präsidenten von Kiribati,
   Anote Tong, ermöglichen.                 Fakt ist: Der Pazifik und Deutschland
                                            sind historisch eng miteinander ver-
                                            knüpft. Als ehemalige Kolonialmacht in
3. Tiefseebergbau im Pazifik verhin-        zahlreichen Gebieten des Pazifiks, da-
   dern                                     runter Papua-Neuguinea, Samoa und
                                            weite Teile Mikronesiens, trägt Deutsch-
Fakt ist: Die kommerzielle Ausbeutung       land eine historische Verantwortung. Auf
der Ressourcen der Tiefsee mit ihren        deutscher Seite scheint mittlerweile gro-
verheerenden Folgen für Küstenbewoh-        ßes Desinteresse an der Aufarbeitung
nerInnen droht im Pazifik ihren Anfang      und Bewahrung des gemeinsamen kul-
zu nehmen: Das weltweit erste kommer-       turellen Erbes sowie der Förderung des
zielle Tiefseebergbauprojekt soll im Jahr   kulturellen Austauschs mit der Pazifik-
2019 vor Papua-Neuguinea starten, un-       Region zu herrschen: So gibt es seit der
zählige weitere Projekte könnten folgen.    Schließung der deutschen Botschaft in
Auch Deutschland hat sich bereits Lizen-    Papua-Neuguinea in der gesamten pazi-
zen für Explorationen im Pazifik gesi-      fischen Inselregion keine einzige deut-
chert. Tiefseebergbau trägt nicht zu ei-    sche Vertretung mehr, ebenso kein Goe-
ner nachhaltigen Entwicklung bei, son-      the-Institut und keine Deutsch-Pazifi-
dern führt zu wirtschaftlicher Ausbeu-      sche Handelskammer, Baudenkmäler
tung sowie der Zerstörung von Lebens-       und Friedhöfe im Pazifik verfallen, die
grundlagen und Biodiversität im Pazifik.    Zahl der Lehrstühle an deutschen Uni-
Das ganze Ausmaß der Katastrophe ist        versitäten mit pazifischem Schwerpunkt
noch nicht absehbar: Weite Teile der pa-    geht stetig zurück.
zifischen Bevölkerung leben in Subsis-
tenzökonomie, vom Fischfang oder vom
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Rundbrief September 2017                                                      Seite 10
Die Abwesenheit einer deutschen Bot-         5. Einrichtung einer Deutsch-Pazifi-
schaft hat teilweise zur Folge, dass pazi-      schen Parlamentariergruppe
fische Geschäftsreisende, Konferenzteil-
nehmerInnen und andere Gäste zu-             Fakt ist: Die pazifische Inselregion ist
nächst ein Visum für Australien, Neusee-     weiterhin die einzige Region der Welt,
land oder die Philippinen benötigen, um      für welche es im Deutschen Bundestag
dort für ein deutsches Visum mehrtägige      keine Parlamentariergruppe für einen
Hotel-Aufenthalte einplanen zu müssen.       koordinierten Austausch und eine syste-
Dies ist angesichts der steigenden welt-     matische Zusammenarbeit auf parla-
politischen Bedeutung der Region und         mentarischer Ebene gibt. Gerade vor der
der engen historischen Verbindungen          historischen Verbindung und Verantwor-
zwischen Deutschland und vielen pazifi-      tung Deutschlands gegenüber den pazi-
schen Staaten ein unhaltbarer Zustand.       fischen Inselstaaten ist dieser Zustand
                                             nicht länger hinnehmbar. Die Einrich-
Wir fordern:                                 tung einer Deutsch-Pazifischen Parla-
 Die Bundesregierung muss die Ein-          mentariergruppe      ist ein   wichtiger
   richtung einer deutschen Botschaft in     Schritt, um den pazifischen Partnern im
   der pazifischen Inselregion in die        Bereich des Klimaschutzes und in ande-
   Wege leiten.                              ren Bereichen ein wichtiges Signal zu
 Die Bundesregierung muss auf die           senden und durch parlamentarischen
   Wiederbelebung des kulturellen Aus-       Austausch zu einer Stärkung der demo-
   tauschs zwischen Deutschland und          kratischen Institutionen der pazifischen
   den pazifischen Staaten, beispiels-       Staaten beizutragen.
   weise durch die Einrichtung eines
   Goethe-Instituts, hinarbeiten.            Wir fordern:
 Die Bundesregierung muss sich für           Die Einrichtung einer Deutsch-Pazifi-
   den Erhalt und die Schaffung neuer           schen Parlamentariergruppe im Deut-
   Lehrstühle zum Pazifik an deutschen          schen Bundestag als einen zeitgemä-
   Universitäten und den Ausbau des             ßen und überfälligen Schritt, der so-
   wissenschaftlichen Austauschs zwi-           wohl den gemeinsamen Interessen
   schen Deutschland und den Pazifik            und der historischen Verantwortung
   einsetzen.                                   Deutschlands Rechnung trägt.

                                             Pazifik-Netzwerk e.V.
Rundbrief September 2017                                                          Seite 11
Pazifik-Gäste und Termine rund um die Klimakonferenz COP23
                      Von Eckart Garbe, Oliver Hasenkamp, Sabine Minninger und Jan Pingel

Vorbemerkung: Nach unseren Informa-               2. bis 4. Nov. - Bonn: COY13 (Con-
tionen kommen anlässlich des Weltkli-              ference of Youth / Jugend-Klima-Kon-
magipfels COP23 nicht bloß offizielle Re-          ferenz) in Bonn-Beuel mit einem Bei-
gierungsdelegationen aus den Pazifi-               trag des Pazifik-Netzwerk zum „Kli-
schen Inselstaaten nach Deutschland                mawandel in den pazifischen Insel-
bzw. Bonn´, sondern auch zahlreiche                staaten“ (geplant).
Aktivisten und NGO-Akteure. Da es sich
um ein Mammut-Ereignis handelt und                3. bis 7. Nov. - Bonn: People's Cli-
die Vorbereitungen dezentral laufen, ist           mate Summit – ergänzend findet der
es schwierig, einen genauen Überblick              People's Climate Summit statt. Dort
zu bekommen und zu behalten, denn es               treffen sich zivilgesellschaftliche Or-
wird auch weiterhin bei den Gästen und             ganisationen und Klimaaktivisten im
Terminen laufend Veränderungen ge-                 Vorfeld der Klimakonferenz; es wer-
ben. Viele Einzelheiten sind noch in Pla-          den etliche pazifische Gäste teilneh-
nung. Es ist deshalb dringend zu raten,            men. Vom 3. bis 5.11. gibt es ein Ak-
sich auch kurzfristig noch einmal nach             tions-Wochenende, am 6. und 7.11.
dem aktuellsten Stand zu erkundigen.               gibt es Dutzende Workshops.
Nachfolgend was uns bei Redaktions-
schluss an Informationen vorlag.                  6. bis 17. Nov. - Bonn: Weltklima-
                                                   gipfel COP23. Fidschi hat diesmal den
                                                   Vorsitz bei diesem Gipfel. Die Ver-
   1. Nov. - Bremerhaven: Emele Du-               handlungen laufen insgesamt zwei
    ituturaga von PIANGO (Dachverband              Wochen, zu Ende der letzten Woche
    d.    Nicht-Regierungsorganisationen           kommen die Minister*innen aus den
    auf den Pazifischen Inseln in Suva,            beteiligten Ländern dazu. Oliver Ha-
    Fidschi, und Reverend Tafue Lusama             senkamp, Pazifik-Netzwerk, nimmt
    vom Tuvalu Climate Action Network              dort für die DGVN teil, Julia Ratzmann
    sowie Tuvalu Christian Church sind             voraussichtlich für die Pazifik-Info-
    nachmittags und abends im Klima-               stelle.
    haus in Bremerhaven. Geplant ist
    eine gemeinsame Veranstaltung von             13. Nov. - Bonn: Pacific Night im Al-
    Brot für die Welt (BfdW) und Klima-            ten Wasserwerk, organisiert durch
    haus/Deutsche Klimastiftung.                   BfdW, mit pazifischen Gästen und ge-
                                                   ladenen RegierungsvertreterInnen.
   2. Nov. - Hamburg: Emele Duitutu-              Einladung nötig, da es bloß begrenzt
    raga und Reverend Tafue Lusama                 Platz gibt (Informationen beim Vor-
    Nach dem Mittag ist ab 12.00 Uhr ein           stand des Netzwerkes).
    Fachgespräch geplant im ZMÖ in Oth-
    marschen und abends 18.30 Uhr eine            15. Nov. - Berlin: Veranstaltung der
    öffentliche Veranstaltung: „Talanoa -          Nordischen Botschaften in Koopera-
    pazifische Stimmen zu Klimawandel              tion mit DGVN zu Klimawandel, u.a.
    und Migration“ an der Universität              mit Live-Schalte nach Bonn zu den
    Hamburg mit Beteiligung von Green-             MinisterInnen aus Skandinavien; Ter-
    peace,     BfdW,     Pazifik-Netzwerk          min kann sich noch ändern.
    Gruppe Hamburg und Infostelle Kli-
    magerechtigkeit ZMÖ Nordkirche.               16. Nov. - Berlin: Vorstellung der
                                                   Klimaflucht-Wanderausstellung von
                                                   Klimastiftung/Klimahaus und Deut-
Rundbrief September 2017                                                         Seite 12
   scher Gesellschaft der Vereinten Na-      Auch Maria Tiimon (Kiribati) und ihre
   tionen (DGVN). Geplant ist u.a. die       Kollegin Jill von Pacific Calling Part-
   Teilnahme von Kathy Jetnil-Kijiner        nership (Sydney) sowie die Stewards-
   von den Marshall Inseln (Kathy hat        hip-Beauftragte der Pazifischen Kirchen-
   2014 Furore gemacht, als sie im Vor-      konferenz (PCC) Frances Namoumou
   feld des Klimagipfels in Paris bei den    und auf Einladung von MISEREOR Kardi-
   Vereinten Nationen in New York ein        nal Sir John Ribat aus Papua-Neuguinea
   beeindruckendes Gedicht gegen den         werden in Bonn beim Weltklimagipfel
   Klimawandel vortrug, 2016 wurde           und dem People's Climate Summit sein.
   ihre Mutter Hilda Heine als erste Frau    Diese Liste ist sicherlich nicht vollstän-
   Präsidentin der Marshall Inseln). Die     dig. Die Pazifik-Informationsstelle und
   Klimaflucht-Ausstellung steht auch        das Pazifik-Netzwerk freuen sich auf je-
   beim People's Climate Summit in           den Hinweis auf weitere Termine mit
   Bonn.                                     Gästen aus dem Pazifik.

“Do you know an inspiring Pacific woman?”
                                                         Übersetzt von Steffi Kornder

Diese Frage nach inspirierenden, inno-       Ein anderes Beispiel: Dr. Hilda C.
vativen und einzigartigen Frauen aus der     Heine, die Präsidentin der Marshallin-
Pazifik-Region wurde in einer internatio-    seln. Sie ist die erste Frau in der Pazifik-
nalen Kampagne gestellt – heraus ka-         Region, die an der Spitze eines Staates
men dabei 70 Profile von Frauen aus          steht (seit Januar 2016) und damit den
Ozeanien, die ihre Region weiterentwi-       Weg für mehr Frauen in politischen Spit-
ckelt haben. Viele dieser Frauen sind Pi-    zenpositionen ebnen will. Ihr Leitspruch
oniere in ihren Bereichen (Wirtschaft,       lautet: “We expect research, knowledge
Soziales, Kultur, Politik….) und konnten     and understanding on how to address
zum Teil sehr viel bewegen und ändern.       the pressing issues of climate change so
Viele der Frauen sind noch jung, stehen      that we can continue to call these islands
am Anfang ihrer Karriere. Andere stehen      our home…”
mitten im Leben, sind schon Großmüt-
ter, haben viel gesehen und bewegt.          Die Kampagne wurde zum 70. Geburts-
                                             tag der Pacific Community ins Leben ge-
Da ist zum Beispiel Teresia Kieuea           rufen, die sich dazu verschrieben hat,
Teaiwa, Wissenschaftlerin und Poetin         die Menschen in der Region weiter zu
mit Kiribati-Wurzeln. Sie hat sich ihr Le-   entwickeln und mit ihnen gemeinsam in
ben lang für Menschenrechte und soziale      die Zukunft zu blicken. Bei der Konferenz
Gerechtigkeit im Pazifik eingesetzt: Fe-     Anfang Oktober werden alle Frauen vor-
minismus, pazifische Kulturen, Kunst         gestellt und geehrt.
und auch Pädagogik gehörten zu ihren
Steckenpferden. Quer über den gesam-         Weitere Infos:
ten Pazifik verteilt hat sie studiert, un-   www.spc.int/events/13th-triennial-con-
terrichtet, gesprochen, gehandelt. Ihre      ference-of-pacific-women-and-6th-
Stimme ist im März 2017 für immer ver-       meeting-of-the-pacific-ministers-for-
stummt.                                      women/
Rundbrief September 2017                                                          Seite 13

Vom „Walk in freezer“ zum Schiffsbrückensimulator

                                            Im Atollstaat Kiribati feierte in diesem
                                            Jahr die mit deutscher Hilfe aufgebaute
                                            Seefahrtssschule ihr 50jähriges Beste-
                                            hen. Die dort ausgebildeten Seeleute be-
                                            fahren auf Schiffen internationaler Ree-
                                            dereien alle Weltmeere und tragen er-
                                            heblich zum Nationaleinkommen bei.

                                                                       Von Ingrid Schilsky

                                                Drei Jahre später schlossen sich acht
Alles begann im Jahr 1964 mit einem             deutsche Reedereien zum „South Pacific
Unfall an Bord des Frachters Cap Frio der       Marine Services (SPMS)“ zusammen, um
Reederei Hamburg-Süd, mitten im Zent-           gemeinsam das Potential der guten See-
ral-Pazifik. Ein Besatzungsmitglied war         leute aus dem Südpazifik zu nutzen. Bis
schwer verletzt. Die nächstgelegene In-         heute betreibt SPMS (mit inzwischen nur
sel mit einem Krankenhaus war das Ta-           noch sechs Reedereien) in Kiribati ein
rawa-Atoll auf den Gilbert-Inseln, da-          Büro zur Vermittlung von Seeleuten.
mals (zusammen mit den Ellice Islands)          Auch die Leitung der Schule und einige
britische Kolonie. Der Frachter musste          Schlüsselpositionen werden seit Jahren
im Eingang zur Lagune ankern, und der           durch SPMS besetzt und finanziert. Die
Besatzung fiel auf, dass die einheimi-          Qualität der englischsprachigen Ausbil-
schen Fischer bei der Rettungsaktion            dung wird international geschätzt.
und den anschließenden Transporten
zwischen Schiff und Insel großes see-           Was heute wie selbstverständlich klingt,
männisches Geschick aufwiesen. Dies             erforderte in den ersten Jahren unge-
wurde begeistert an die Zentrale der            wöhnliche Anstrengungen. Das wurde
Reederei in Hamburg gemeldet, wo man            bei der Jubiläumsfeier am 22. Juli
sich gerade mit dem Problem des Ar-             2017 spürbar, als mit John Simpson
beitskräftemangels für die wachsende            (damals für China Navigation) ein Lehrer
deutsche Handelsflotte herumschlug; es          der ersten Stunde aus dem Nähkästchen
war die Zeit, in der auch andere Bran-          plauderte. Der Schulbetrieb startete mit
chen verstärkt um Gastarbeiter aus dem          einem Trainingsschiff, einem Beiboot,
Ausland warben. Gleichzeitig stand die          drei Hütten und einem Büro. Gravieren-
Kolonialregierung in Tarawa vor dem             der als der Mangel an Material und Lehr-
Problem, dass die Phosphatreserven auf          plänen war jedoch das fehlende Vorstel-
Banaba („Ocean Island“) fast erschöpft          lungsvermögen der jungen Atollbewoh-
und keine neuen Einnahmequellen für             ner über die weite Welt, die bald ihr Ar-
die Inseln in Sicht waren.                      beitsplatz sein sollte. Hochhäuser? Fahr-
                                                stühle? Winter? Als seine Jungs partout
So fanden sich die Partner für eine „Ma-        nicht einsehen wollten, warum sie die
rine Training School“ zusammen, zu              warme Schutzkleidung, die er ihnen gab,
denen neben Hamburg-Süd und der Ko-             für ihre internationalen Einsätze mitneh-
lonialregierung am Anfang auch noch die         men sollten, traf John Simpson eine Ver-
Reederei China Navigation gehörte. Der          einbarung mit dem einzigen größeren
erste Kursus startete im April 1967 mit         Lebensmittelladen und erfand den
45 Auszubildenden.                              „Walk in freezer“: Er brachte seine
                                                Schüler zum Laden, schloss sie in die
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Gefrierkammer ein und kam nach 15 Mi-
nuten zurück. Dann war dieses Thema
erledigt.

Der britische Einfluss an der Schule sank
mit der Unabhängigkeit der Gilbert-
und Ellice- Inseln (aus ersteren wurde
1979 Kiribati, aus letzteren bereits 1978
Tuvalu). Die Schule entwickelte sich wei-
ter und passte sich deutschen und inter-
nationalen Ausbildungsstandards an.

Inzwischen sind über 5000 Seeleute an
der Schule ausgebildet worden, die seit
1983 „Marine Training Centre“ (MTC)
heißt und kurz danach, mit japanischer
Entwicklungshilfe, um eine Abteilung für
Fischerei erweitert wurde, in der See-
leute für die japanische Thunfischflotte
trainiert werden. Die Ausbildung für die
Handelsflotte erstreckt sich im Deck-,
Maschinen-     oder   Wirtschaftsbereich
über 20 Monate, davon 2 Monate an
Bord eines SPMS-Schiffes. Nach mindes-
tens 24 Monaten weiterer Seefahrtszeit      Trainee vom 98. Kurs beim Spleißen. Fotos in diesem
                                            Artikel: Ingrid Schilsky.
kann dann an der Schule die Prüfung
zum Matrosen, Motorenwärter oder Ste-       schwierigsten Bedingungen geübt wer-
ward abgelegt werden. Derzeit fahren        den kann. Dass den zur Zeit über 150
knapp 700 Seeleute auf SPMS-Schiffen,       Internatsschülern modernste Ausbil-
von denen sich etliche zu Schiffsoffizie-   dungseinrichtungen und Gebäude zur
ren oder -ingenieuren weitergebildet ha-    Verfügung stehen, ist vor allem der neu-
ben, einer sogar zum Kapitän. Vor der       seeländischen     Entwicklungshilfepolitik
Schifffahrtskrise waren es sogar mal        zu verdanken. Diese hat seit 1983 ihren
über 1100 Seeleute.                         Schwerpunkt auf den pazifischen Inseln.
                                            Das MTC in Kiribati wird als besonders
Die Ausbildung erstreckt sich von hand-     erfolgreich angesehen. Deshalb sagte
werklichen Fertigkeiten wie dem             zur 50-Jahr-Feier eine extra aus dem
Spleißen von Tauen bis zum Training an      neuseeländischen Außen- und Handels-
einem modernen Brückensimulator,            ministerium angereiste Vertreterin für
mit Hilfe dessen das Steuern eines meh-     die nächsten 5 Jahre einen weiteren Zu-
rere hundert Meter langen Schiffes unter    schuss von 2,8 Mio NZD zu. Auch aus
                                            Australien, Japan und Deutschland
                                            kommt immer wieder Unterstützung; so
                                            erhielt die Bibliothek vom zuständigen
                                            deutschen Botschafter Gerhard Thiede-
                                            mann aus Wellington bei der Feier einen
                                            Zuschuss von 15.000 AUD für die An-
                                            schaffung neuer Bücher.

Brückensimulator am MTC.
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Seit etlichen Jahren versorgt ein Arzt in
einer – ebenfalls mit neuseeländischem
Geld - gut ausgestatteten kleinen Klinik
auf dem Schulgelände nicht nur die Aus-
zubildenden, sondern nimmt vor allem
die für Seeleute so wichtigen Untersu-
chungen zur Seediensttauglichkeit vor.
In den Anfängen mussten sich die Aus-
bilder noch mit einem einfachen Sehtest
zur Rot-Grün-Blindheit behelfen.

Die Ausbildung begann vor 50 Jahren
mit sehr viel Drill. Einiges davon wurde
im Laufe der Jahrzehnte abgeschafft,
z.B. die morgendliche Kontrolle der sau-
beren Fingernägel. Was sich allerdings
bei den Auszubildenden seit einem hal-
ben Jahrhundert großer Beliebtheit er-
freut, offenbar keinerlei negative Assozi-
ationen hervorruft und deshalb immer
beibehalten wurde, sind die zu Anfang
eingeführten „laufenden“ Nummern, die
groß und stolz auf der Brust getragen
werden.
Was sich, zum Leidwesen der Verant-
wortlichen auf allen Seiten, trotz aller
Aufklärungsarbeit ebenfalls wenig ver-       auch für den einheimischen marinen Ar-
ändert hat, ist die Anfälligkeit mancher     beitsmarkt.
Seeleute für erhöhten Alkoholkonsum,
und ihre Leichtgläubigkeit, wenn sie sich    Mit ihren Rücküberweisungen (Remit-
zum Drogenschmuggel überreden las-           tances), die jährlich bei acht bis zwölf
sen, was schon manchmal zu drakoni-          Millionen Austral-Dollar liegen, tragen
schen Strafen in fremden Ländern             die Seeleute nicht unwesentlich zum
führte.                                      Staatshaushalt der kleinen Inselrepublik
                                             bei. Dieser Betrag wird nur noch durch
Seit Jahren wird versucht, auch junge        Gebühren aus der internationalen
Frauen für Berufe auf See zu begeis-         Vergabe von Fischereilizenzen getoppt.
tern. Zwar finden sich immer wieder In-      Wie wichtig die Seeleute für sein Land
teressierte, vor allem im Catering-Be-       sind, betonte auch Staatspräsident Ta-
reich, aber nach wenigen Jahren auf See      neti Maamau in seiner Rede während des
kehren die Frauen aus unterschiedlichen      „Golden Jubilee”. Das für das MTC zu-
Gründen doch auf ihre Inseln zurück.         ständige Arbeitsministerium hatte keine
Allerdings: Ob kurz oder lange auf See –     Mühe gescheut, mit einem aufwendigen
wer für immer nach Kiribati zurückkehrt,     Jubiläumsprogramm die Wertschätzung
hat von jeher gute Chancen, zu Hause         des Landes für die Schule auszudrücken.
einen Job zu finden oder sich mit einem      Neben Vorführungen aus den verschie-
kleinen Reparaturbetrieb oder Laden          denen Werkstatt- und Schulungsberei-
selbständig zu machen, auch auf den          chen des MTC präsentierten sich einhei-
Außeninseln. Die in der Ausbildung und       mische Tanzgruppen, die amtierende
auf den Schiffen erworbenen Fertigkei-       Miss Kiribati war mit einer lebhaften Per-
ten zahlen sich in vielfacher Weise aus,     formance vertreten und eine witzige Ein-
für die Seeleute und ihre Familien, aber     lage der Landespolizeikapelle amüsierte
Rundbrief September 2017                                                          Seite 16
nicht nur die auswärtigen Gäste, son-           Wahrscheinlich hätten westliche Waren,
dern mehr noch die Einheimischen, die           wie früher Videorekorder und heute Mo-
oft und gerne lachen (was mich persön-          biltelefone, auch ohne Seeleute ihren
lich immer wieder fasziniert hat: Die           Einzug nach Kiribati gehalten, nur etwas
Fröhlichkeit ausgerechnet auf diesen            später. Dennoch hat uns vor 30 Jahren
überaus kargen Inseln!).                        gerade der Einfluss von Videofilmen
                                                manchmal erschüttert – waren doch
                                                diese Filme das einzige Bildmaterial, das
                                                es, vor allem auf den äußeren Inseln,
                                                vom „Rest“ der Welt gab. Und da, auch
                                                aus sprachlichen Gründen, vor allem
                                                selbsterklärende bildkräftige Schläger-
                                                filme im Kung-Fu-Stil gezeigt wurden,
                                                entstand der Eindruck, so gehe es gene-
                                                rell außerhalb von Kiribati zu; auch bei
                                                angehenden Seeleuten, die dann grö-
                                                ßere Ängste vor ihrem ersten Flug in die
                                                weite Welt hatten. Nicht selten übrigens
Dorf in Nordtarawa.                             fanden diese Kampffilmvorführungen
                                                auf den Außeninseln damals in den Ver-
Fazit: Dass in einem Land mit wenig ei-         sammlungshallen der Kirchen statt, da
genen Ressourcen ein Entwicklungspro-           diese die einzigen Einrichtungen mit Ge-
jekt über 50 Jahre lang erfolgreich läuft,      nerator waren …
ist sicher beispiellos. Dennoch bleiben
heute noch die gleichen Fragen wie vor
30 Jahren, als ich die Schule zum ersten
Mal besuchte:

Was ist ein „gerechter Lohn“ für die
Seeleute? Ist es der gewerkschaftlich
ausgehandelte Heuervertrag, der sehr
gut qualifizierte Seeleute fast so viel ver-
dienen lässt wie Regierungsmitglieder?
Der aber im Vergleich zu europäischen
Löhnen so niedrig ist, dass die Seeleute       Übungshafen mit Freifallboot.
als Arbeitskräfte konkurrenzfähig sind
trotz ihrer hohen An- und Heimflugkos-          Heute haben moderne Kommunikations-
ten und trotz der erheblichen finanziellen      mittel längst auch Kiribati erreicht. Auf
Mittel, die die deutschen Reeder in den         den größeren Inseln ist Internet verfüg-
Schulbetrieb stecken.                           bar, und der Ausbau der Infrastruktur
                                                für die kleineren Dörfer steht oben auf
Wirken sich die von den Seeleuten ins           der Prioritätenliste der derzeitigen Re-
Land gebrachten Konsumgüter negativ             gierung, die mit ihrer „Kiribati Vision
auf das Zusammenleben und die Kultur            2020“ die Abwanderung von den „outer
des Landes aus? Haben die Matrosen              islands“ auf das bereits elend übervöl-
eine Orientierung weg von einer Gesell-         kerte Südtarawa-Atoll stoppen will. Dem
schaft, in der alles geteilt wurde, hin zu      entspricht die jahrzehntelange Praxis
einer Gesellschaft mit westlich-nördli-         des Marine Training Centre, für die Ein-
chen Gütern und Werten (wie dem Stre-           gangsprüfungen auf alle bewohnten In-
ben nach Geld) mitverursacht?                   seln des Landes zu fahren und von über-
                                                all neue Auszubildende mitzubringen.
                                                Mit seiner qualifizierten Ausbildung lag
                                                das MTC jedoch auch auf der politischen
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Linie der Vorgängerregierungen, die mit
ihrem Fokus auf „Migrate with dignity“
erreichen wollten, dass gut ausgebildete
Arbeitskräfte anstelle von Handlangern
auswandern, wenn der Klimawandel dies
erforderlich macht.

Inwieweit allerdings das Bestreben der
neuen Regierung, auf den Außeninseln
neben Transport und Kommunikation,
Solarstrom und Wasserversorgung auch
den Tourismus zu entwickeln, mit den        Löschübung an der MTC Fire School.
von derselben Regierung mit Schrecken
registrierten fortschreitenden klimawan-    Zur Autorin: Netzwerkmitglied Ingrid
delbedingten Veränderungen wie Ero-         Schilsky aus Hamburg hat vor fast 30 Jah-
                                            ren knapp zwei Jahre lang als „begleitende
sion der Küsten, Versalzung küstenna-
                                            Lebensgefährtin” in Kiribati gelebt und ist
her Zonen und Trinkwasservorräte und
                                            jetzt zum ersten Mal wieder dort gewesen.
infolgedessen steigendem Landmangel
einhergeht, ist ein anderes Thema …

„Schwarzer Donnerstag“ – ???

Betio/Tarawa, Republic of Kiribati,
20.7.2017: An diesem Donnerstagmor-
gen fallen mir in unserem einfachen Ho-
tel zuerst die schwarzgekleideten einhei-
mischen Frauen auf. Ein Trauerfall? Ich
weiß nicht mal, ob auf diesen zentralpa-
zifischen Inseln unsere Tradition der
schwarzen Trauerkleidung bekannt ist,
und wage nicht zu fragen. Als mir später
im Nachbarort immer wieder Frauen in
Schwarz begegnen, traue ich mich. Er-
staunt werde ich angeschaut: Ob ich
denn die „Thursdays in Black“ nicht
kenne?       Das     sei    doch      ein
INTERNATIONALER Tag gegen Gewalt
an Frauen und Kindern … Ich bin be-
schämt.
                                            weltweit täglich unter Gewalt leiden und
Meine Internetrecherche zu Hause            sich aus eigener Kraft nicht dagegen
ergibt: Bei seiner Vollversammlung im       wehren können.
Jahr 2013 hat der Ökumenische Rat der
Kirchen dazu aufgerufen, die bereits in     Meine Hochachtung für die Frauen in
den 1980er Jahren gestartete Men-           Kiribati, die jeden Donnerstag SCHWARZ
schenrechtskampagne „Donnerstage in         tragen!
Schwarz“ wieder aufleben zu lassen, um
daran zu erinnern, dass viele Frauen        Autorin: Ingrid Schilsky
Rundbrief September 2017                                                                    Seite 18
Aktion Natürliche Medizin in den Tropen
anamed international e.V.
                                                                             Von Hans-Martin Hirt

                                                        exportiert und zurück in die Tropen als
                                                        wirksamer Bestandteil von Rheumasal-
                                                        ben importiert. Auch heute noch wird die
                                                        Heilpflanze Artemisia annua in Tansania
                                                        industriell angebaut und kommt dann,
                                                        über den Umweg über Europa, als für
                                                        viele unbezahlbar teure Malaria-Tablet-
                                                        ten zurück in die Entwicklungsländer.
                                                        Wir als Touristen empfinden tropische
                                                        Länder als paradiesisch, wenn wir dort
                                                        mit unseren eigenen Tabletten ankom-
                                                        men. Einheimische Menschen erfahren
                                                        dieses Paradies als Tropenhölle, zum
                                                        „Davonlaufen“, weil kein Mensch auf der
                                                        Welt bereit ist, die erforderlichen Kosten
                                                        für den Einkauf dringendst notwendiger
                                                        („westlicher“) Medikamente auch nur
                                                        annähernd zu spenden.
Hirt mit Mitarbeiter Dr. Feleshi aus Tansania auf ei-
ner AIDS Tagung. Fotos in diesem Artikel: H.-M.
Hirt.                                                   Tropische Länder sind extrem arm an
                                                        Papiergeld, aber extrem reich an Heil-
Tropenparadies für Touristen, Tro-                      pflanzen. Deswegen will unsere „Aktion
penhölle für Einheimische?                              Natürliche Medizin“ mit einem Minimum
Weiße Eroberer brachten europäische                     an Spenden ein Maximum an Menschen-
Krankheiten in die heutigen Entwick-                    leben retten. Dazu bieten wir Seminare
lungsländer, zum Beispiel Masern und                    in aller Welt an. Erfahrungsgemäß kann
Windpocken. Die Europäer waren immun                    somit die Hälfte der bisher importierten
oder geimpft gegen diese Krankheiten;                   Medikamente vor Ort produziert werden.
die lokalen Medizinmänner aber waren                    Dafür wollen wir in Afrika und Asien den
mit ihrem Latein am Ende: Ihre Vorfah-                  Bau von anamed-Ausbildungszentren
ren hatten ein immenses Wissen über                     unterstützen und Literatur in einheimi-
Heilpflanzen angehäuft, aber nicht ge-                  schen Sprachen drucken, sodass immer
gen diese neuen Krankheiten. Alterna-                   mehr „chemische" Medikamente durch
tive Eins war, die Geister anzurufen,                   selbst hergestellte Heilpflanzen-Präpa-
aber die Heiler starben ja selbst an die-               rate ersetzt werden können. „Ganz ne-
sen neuen Krankheiten. Alternative Zwei                 benbei“ bekommen unsere Seminartei
war nur anfangs noch möglich: Sich zu-                  nehmenden dabei wieder den berechtig-
rück zu ziehen, jeden Kontakt mit Wei-                  ten Stolz auf ihr einheimisches Wissen
ßen zu vermeiden. Alternative Drei war                  zurück.
dagegen „nachhaltig“: Das eigene Wis-
sen als Humbug zu bezeichnen, und                       Zum Autor: Dr.Hans-Martin Hirt, Jahr-
fortan nur noch an die Kraft der bunten                 gang 1951 in Winnenden, Studium der Phar-
Pillen und Injektionen der Weißen zu                    mazie in Heidelberg, 1985–1991 Medizini-
glauben. Dieser Minderwertigkeitskom-                   scher Berater in Matamba-Solo/Zaire; seit
                                                        1994 freiberuflicher Berater für „Natürliche
plex hat sich bis heute erhalten und wird
                                                        Medizin" auf Anforderung von Überseepart-
ständig durch unsere Industrienationen
                                                        nern.
gefördert. So wird auch heute noch Chili                Weitere    Informationen     zum    Verein:
aus den Entwicklungsländern nach China                  www.anamed.org/.
Rundbrief September 2017                                                                            Seite 19

                                      TAGUNGS- UND VERANSTALTUNGSBERICHTE
Searching for our future in the discoveries of our past
                                                          Von Robert Steinle und Michaela Appel

                                                   Nutzen seiner unmittelbaren Mitmen-
                                                   schen, Verwandten und Freunde von den
                                                   Cook Islands, sondern zu einem insge-
                                                   samt besseren Verständnis seiner Kultur
                                                   in der Welt.

                                                   Nach einer sehr intensiven lecture in der
                                                   Ausstellung, die sich schnell zu einem le-
                                                   bendigen Spontan-Austausch mit den
Ngaa Kitai Taria. Fotos: Museum Fünf Kontinente.
                                                   Gästen entwickelt hatte, gab es noch
                                                   eine unangekündigte Überraschung: Im
Unter diesem Motto zeigte Ngaa Kitai               Garten des Museums Fünf Kontinente
Taria Pureariki am 28. Juni 2017 im                hatte Ngaa einen traditionellen Erdofen
Polynesien-Raum der Ozeanien-Ausstel-              umu ausgehoben, angeheizt und im Bei-
lung des Museums Fünf Kontinente di-               sein der lecture-Gäste befüllt. Der Ge-
rekt anhand von Figuren und Objekten               nuss der in zwei Stunden fertig gegarten
viele Details der Geschichte, Kultur und           Speisen bildete den krönenden Ab-
Umwelt der Cook-Inseln auf. Dem Publi-             schluss dieses wahrlich nicht alltäglichen
kum wurde schnell klar, dass für ihn die           Museums-Nachmittages mit vielen er-
Muster und Motive auf den Exponaten                staunt-zufriedenen TeilnehmerInnen.
neben der mündlichen Überlieferung
Ausdruck der Grundwerte einer traditio-            Zum Autor: Dr. Robert Fin Steinle, Pres-
nellen Kultur sind, die durch Auswirkun-           sereferent, und Michaela Appel, Leiterin
gen der Missionierung in weiten Teilen             der Abteilung Südasien, Südostasien und
verloren ging. Weil er aus einer Familie           Australien, Museum Fünf Kontinente Mün-
stammt, deren Mitglieder innerhalb ihrer           chen.
Gesellschaft über Generationen hinweg
die Funktion von care-takers innehatten,
war Ngaa glücklicherweise in der Lage,
unmittelbare Aussagen zu deren Inhal-
ten zu treffen.

Ngaa Kitai Taria Pureariki war zum zwei-
ten Mal nach Europa gekommen, um er-
neut Schätze aus seiner Heimat in den
Museen Englands, Schottlands und
Frankreichs kennen zu lernen und seine
eigenen Wurzeln besser zu verstehen.
Denn nur so kann er, wie er selbst sagt,           Ngaa erklärt interessierten Besuchern Ausstellungsstücke.
sein Wissen vermehren und es in die Zu-
kunft tragen. Nicht nur zum Wohl und
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