RUNDBRIEF - HERBST 2021 - Freie Waldorfschule Leipzig
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RUNDBRIEF HERBST 2021 INHALT Editorial: Rote Blätter fallen ................................................................................................................................................. 5 Herzlich willkommen! Die Begrüßungsansprachen der Klassen 1–13 ................................................................... 6 Ein Ort der Begegnung, des gemeinsamen Lernens und Verstehens: Die Elternschule stellt sich vor ............ 22 Keine Waldorfschule ohne Kreise: Der Beratungskreis stellt sich vor .................................................................... 24 Hallo, wir sind die Neuen: Unsere neuen Lehrer- und Hort-KollegInnen im Porträt ............................................ 26 Seht, sie tanzen wieder: Die Werkstatt-Aufführungen der Klassen 4B und 6B ................................................... 32 Verwandlung: Interner Eurythmieabschluss der 12. Klasse ......................................................................................... 26 Das Leben ist eine Schule: Die besondere Prüfung: Der Waldorf-Abschluss ........................................................ 36 Gerne erinnere ich mich an einen blinden Mann aus Afghanistan: Bericht aus dem Sozialpraktikum ............... 38 Do you know, what I would like for my lunch today? Aus dem Englischunterricht der Klasse 3B ..................... 40 Crocodile Comics: Aus dem Englischunterricht der Klasse 6A ...................................................................................... 42 Wie gründe ich eine Schule? Zur Entstehung von Gut Loberthal ................................................................................. 44 In klarer Herbstnacht Erzengel Michael wacht: Wie wir Michaeli zelebrieren ......................................................... 46 Erstens kommt es anders: Ein Lagebericht vom FAST fertigen Hortgebäude ....................................................... 48
RUNDBRIEF HERBST 2021 Rote Blätter fallen … EDITORIAL MICHAELI 2021 — TEXT: NINA LUCKNER | FOTOS: PIXABAY / ALEXANDER SCHMIDT Das Jahr neigt sich im goldenen Herbst seinem Ende echt und wahr, selbst wenn uns manche Aspekte mit- zu und wir alle blicken auf ein weiteres Jahr unter be- unter stören. Und dass die Welt gut ist, dazu können sonderen Umständen zurück. Das Schuljahr dagegen wir viel beitragen: gemeinsam und im Zusammenhalt 4 ist noch jung: Wir haben neue erste Klassen begrüßt, und mit der Orientierung auf höhere Weisheit, von der 5 viele neuen Kolleg*innen sind zu uns an die Schule ge- wir ahnen können in der Michaelizeit. kommen und im Umland von Leipzig hat sogar eine ganz neue kleine Waldorfschule ihre Arbeit aufgenom- In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Freude am vor- men. Genauso aber wie über Anfänge wurde sich auch liegenden Rundbrief. über Abschlüsse Gedanken gemacht und so hat der Waldorfabschluss in der 12. Klasse eine neue Gestalt Nina Luckner angenommen. Unsere wachsende Schulgemeinschaft findet einerseits Halt in den äußeren Rhythmen von Jahreslauf und Schuljahr, andererseits aber auch im Zu- sammenhalt von Groß und Klein in einer besonderen Zeit. Rhythmus trägt Leben und unser aller Lebens- kräfte erfahren Stärkung durch das, was wir immer wieder in Gemeinschaft erleben: in Elternabenden, bei Festen in sich wandelnder Gestalt, in der Begegnung in Arbeitskreisen, vor allem aber im schulischen Alltag und im gemeinsamen Tun und Blicken auf die Welt. Die Liebesbeziehung zur Welt und zur Erde ermöglichen wir Erwachsenen und leben sie den Kindern und Jugendli- chen vor – Sie als Eltern zuhause, wir als Kolleg*innen in der Schule. „ … Rote Blätter fallen, Unsere waldorfpädagogischen Leitsätze in den Jahren graue Nebel wallen, der Schulzeit sind uns Lehrer*innen dabei Anspruch und Ansporn zugleich: Die Welt ist schön, auch unab- kühler weht der Wind. …“ hängig von uns als Betrachter, außerdem ist die Welt Herbstlied | Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1782)
RUNDBRIEF HERBST 2021 Nun war es eine Zeitlang bei der Frau Holle, da ward es hinein. Sie kam, wie die andere, auf die schöne Wiese traurig und wusste anfangs selbst nicht, was ihm fehlte, und ging auf demselben Pfade weiter. Als sie zu dem endlich merkte es, dass es Heimweh war; ob es ihm Backofen gelangte, schrie das Brot wieder: „Ach, zieh Herzlich willkommen! hier gleich vieltausendmal besser ging als zu Haus, so mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich, ich bin hatte es doch ein Verlangen dahin. Endlich sagte es zu schon längst ausgebacken.“ Die Faule aber antwortete: ihr: „Ich habe den Jammer nach Haus gekriegt, und „Da hätt ich Lust, mich schmutzig zu machen.“ und ging wenn es mir auch noch so gut hier unten geht, so kann fort. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief: „Ach, ich doch nicht länger bleiben, ich muss wieder hinauf zu schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle mitein- den Meinigen.“ Die Frau Holle sagte: „Es gefällt mir, ander reif.“ Sie antwortete aber: „Du kommst mir recht, Die Begrüßungsansprachen der Klassen 1–13 dass du wieder nach Haus verlangst, und weil du mir so es könnte mir einer auf den Kopf fallen.“ und ging damit zu Beginn des Schuljahres 2021/22 — treu gedient hast, so will ich dich selbst wieder hinauf- weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam, fürchtete FOTOS: PRIVAT / PIXABAY / PEXELS bringen.“ Sie nahm es darauf bei der Hand und führte es sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zähnen schon vor ein großes Tor. Das Tor ward aufgetan, und wie das gehört hatte, und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Mädchen gerade darunter stand, fiel ein gewaltiger Tag tat sie sich Gewalt an, war fleißig und folgte der Goldregen, und alles Gold blieb an ihm hängen, so dass Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie dachte es über und über davon bedeckt war. „Das sollst du haben, an das viele Gold, das sie ihr schenken würde; am zweiten sie sprach: „Hast du die Spule hinunterfallen lassen, so weil du so fleißig gewesen bist,“ sprach die Frau Holle Tag aber fing sie schon an zu faulenzen, am dritten hol sie auch wieder herauf.“ Da ging das Mädchen zu und gab ihm auch die Spule wieder, die ihm in den noch mehr, da wollte sie morgens gar nicht aufstehen. dem Brunnen zurück und wusste nicht, was es anfan- Brunnen gefallen war. Darauf ward das Tor verschlos- Sie machte auch der Frau Holle das Bett nicht, wie gen sollte; und in seiner Herzensangst sprang es in den sen, und das Mädchen befand sich oben auf der Welt, sich‘s gebührte, und schüttelte es nicht, dass die Fe- Brunnen hinein, um die Spule zu holen. Es verlor die Be- nicht weit von seiner Mutter Haus; und als es in den dern aufflogen. Das ward die Frau Holle bald müde und sinnung, und als es erwachte und wieder zu sich selber Hof kam, saß der Hahn auf dem Brunnen und rief: sagte ihr den Dienst auf. Die Faule war das wohl zufrie- 7 kam, war es auf einer schönen Wiese, wo die Sonne „Kikeriki, unsere goldene Jungfrau ist wieder hie.“ den und meinte, nun würde der Goldregen kommen; schien und vieltausend Blumen standen. Auf dieser Da ging es hinein zu seiner Mutter, und weil es so mit die Frau Holle führte sie auch zu dem Tor, als sie aber Wiese ging es fort und kam zu einem Backofen, der war Gold bedeckt ankam, ward es von ihr und der Schwester darunter stand, ward statt des Goldes ein großer Kes- voller Brot; das Brot aber rief: „Ach, zieh mich raus, zieh gut aufgenommen. sel voll Pech ausgeschüttet. „Das ist zur Belohnung mich raus, sonst verbrenn ich: ich bin schon längst aus- Das Mädchen erzählte alles, was ihm begegnet war, deiner Dienste,“ sagte die Frau Holle und schloss das gebacken.“ Da trat es herzu und holte mit dem Brot- und als die Mutter hörte, wie es zu dem großen Reich- Tor zu. Da kam die Faule heim, aber sie war ganz mit schieber alles nacheinander heraus. Danach ging es tum gekommen war, wollte sie der andern, hässlichen Pech bedeckt, und der Hahn auf dem Brunnen, als er weiter und kam zu einem Baum, der hing voll Äpfel, und und faulen Tochter gerne dasselbe Glück verschaffen. sie sah, rief: rief ihm zu: „Ach, schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel Sie musste sich an den Brunnen setzen und spinnen; „Kikeriki, unsere schmutzige Jungfrau ist wieder hie.“ sind alle miteinander reif.“ Da schüttelte es den Baum, und damit ihre Spule blutig ward, stach sie sich in die Das Pech aber blieb fest an ihr hängen und wollte, so- KLASSE 1A dass die Äpfel fielen, als regneten sie, und schüttelte, Finger und stieß sich die Hand in die Dornhecke. Dann lange sie lebte, nicht abgehen. Carolin Erikson bis keiner mehr oben war; und als es alle in einen Haufen warf sie die Spule in den Brunnen und sprang selber zusammengelegt hatte, ging es wieder weiter. Endlich Frau Holle | Ein Märchen der Brüder Grimm kam es zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine alte Frau, weil sie aber so große Zähne hatte, ward ihm Eine Witwe hatte zwei Töchter, davon war die eine Angst, und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief schön und fleißig, die andere hässlich und faul. Sie hatte ihm nach: „Was fürchtest du dich, liebes Kind? Bleib bei KLASSE 1B und wären doch viel klüger. aber die hässliche und faule, weil sie ihre rechte Tochter mir, wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich tun willst, Sandra Brose Sie zogen alle drei miteinander fort und kamen an einen war, viel lieber, und die andere musste alle Arbeit tun so soll dir‘s gut gehn. Du musst nur achtgeben, dass du Ameisenhaufen. Die zwei Ältesten wollten ihn aufwüh- und der Aschenputtel im Hause sein. Das arme Mäd- mein Bett gut machst und es fleißig aufschüttelst, dass Die Bienenkönigin len und sehen, wie die kleinen Ameisen in der Angst chen musste sich täglich auf die große Straße bei einem die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt; ich bin herumkröchen und ihre Eier forttrügen, aber der Brunnen setzen und musste so viel spinnen, dass ihm die Frau Holle.“ Weil die Alte ihm so gut zusprach, so Zwei Königssöhne gingen einmal auf Abenteuer und Dummling sagte: „Lasst die Tiere in Frieden, ich leid‘s das Blut aus den Fingern sprang. Nun trug es sich zu, fasste sich das Mädchen ein Herz, willigte ein und be- gerieten in ein wildes, wüstes Leben, so dass sie gar nicht, dass ihr sie stört!“ dass die Spule einmal ganz blutig war, da bückte es sich gab sich in ihren Dienst. Es besorgte auch alles nach nicht wieder nach Haus kamen. Der jüngste, welcher Da gingen sie weiter und kamen an einen See, auf dem damit in den Brunnen und wollte sie abwaschen; sie ihrer Zufriedenheit und schüttelte ihr das Bett immer der Dummling hieß, machte sich auf und suchte seine schwammen viele, viele Enten. Die zwei Brüder wollten sprang ihm aber aus der Hand und fiel hinab. Es weinte, gewaltig, auf dass die Federn wie Schneeflocken umher- Brüder; aber wie er sie endlich fand, verspotteten sie ein paar fangen und braten, aber der Dummling ließ es lief zur Stiefmutter und erzählte ihr das Unglück. Sie flogen; dafür hatte es auch ein gut Leben bei ihr, kein ihn, dass er mit seiner Einfalt sich durch die Welt schla- nicht zu und sprach: „Lasst die Tiere in Frieden, ich leid‘s schalt es aber so heftig und war so unbarmherzig, dass böses Wort und alle Tage Gesottenes und Gebratenes. gen wollte, und sie zwei könnten nicht durchkommen nicht, dass ihr sie tötet!“
RUNDBRIEF HERBST 2021 Endlich kamen sie an ein Bienennest, darin war so viel Die erste war: In dem Wald unter dem Moos lagen die KLASSE 2A Honig, dass er am Stamm herunterlief. Die zwei wollten Perlen der Königstochter, tausend an der Zahl; die Doreen Gürlebeck Feuer unter den Baum legen und die Bienen ersticken, mussten aufgesucht werden, und wenn vor Sonnen- damit sie den Honig wegnehmen könnten. Der Dumm- untergang noch eine einzige fehlte, so ward der, wel- Liebe Kinder! ling hielt sie aber wieder ab und sprach: „Lasst die Tiere cher gesucht hatte, zu Stein. Herzlich willkommen in eurem zweiten Schuljahr und in Frieden, ich leid‘s nicht, dass ihr sie verbrennt!“ Der älteste ging hin und suchte den ganzen Tag, als eurem zweiten Klassenzimmer. Endlich kamen die drei Brüder in ein Schloß, wo in den aber der Tag zu Ende war, hatte er erst hundert gefun- Die Tafel ist noch ganz neu, aber wie letztes Jahr seht den nächsten und überall verliefen die Ameisenstra- Ställen lauter steinerne Pferde standen, auch war kein den; es geschah, wie auf der Tafel stand: Er ward in ihr zwei Frösche auf dem Bild. Doch die Geschichte, die ßen, auf denen die Tiere ebenfalls steil bergauf und Mensch zu sehen, und sie gingen durch alle Ställe, bis Stein verwandelt. Am folgenden Tage unternahm der ich euch dazu erzählen möchte, ist eine andere: bergab liefen, oft sogar schwer beladen. Auch die Kühe sie vor eine Türe ganz am Ende kamen, davor hingen zweite Bruder das Abenteuer; es ging ihm aber nicht Zwei Frösche, deren Tümpel die heiße Sommersonne scheuten keine Anstrengung, um an das saftige Gras drei Schlösser; es war aber mitten in der Türe ein Läd- viel besser als dem ältesten, er fand nicht mehr als ausgetrocknet hatte, gingen auf Wanderschaft. Gegen am Berghang zu kommen. Sie liefen auf den Alm-Wie- lein, dadurch konnte man in die Stube sehen. Da sahen zweihundert Perlen und ward zu Stein. Abend kamen sie in die Kammer eines Bauernhofes sen, in den Wäldern und auf den Wegen überall herum. sie ein graues Männchen, das an einem Tisch saß. Sie Endlich kam auch an den Dummling die Reihe, der und fanden dort eine große Schüssel Milch vor, die zum Da brauchte es manchmal etwas Mut, dem Wander- riefen es an, einmal, zweimal, aber es hörte nicht. End- suchte im Moos; es war aber so schwer, die Perlen zu Abrahmen aufgestellt war. Sie hüpften sogleich hinein pfad zu folgen und mitten durch die Herde hindurchzu- lich riefen sie zum drittenmal; da stand es auf, öffnete finden, und ging so langsam. und ließen es sich schmecken. gehen. Bäume, Blumen und Käfer gab es zu entdecken, die Schlösser und kam heraus. Es sprach aber kein Da setzte er sich auf einen Stein und weinte. Und wie er Als sie ihren Durst gestillt hatten und wieder ins Freie die es nur in den Alpen gibt. Kleine und große Schmet- Wort, sondern führte sie zu einem reichbesetzten so saß, kam der Ameisenkönig, dem er einmal das Le- wollten, konnten sie es nicht: Die glatte Wand der terlinge flogen umher, von denen sich einer auch mal Tisch; und als sie gegessen und getrunken hatten, brach- ben erhalten hatte, mit fünftausend Ameisen, und es Schüssel war nicht zu bezwingen und sie rutschten im- ein Stück tragen ließ. Und oben angekommen, war die te es einen jeglichen in sein eigenes Schlafgemach. währte gar nicht lange, so hatten die kleinen Tiere die mer wieder in die Milch zurück. Anstrengung vergessen und ich konnte nur noch die Am andern Morgen kam das graue Männchen zu dem Perlen miteinander gefunden und auf einen Haufen ge- Viele Stunden mühten sie sich nun ab und ihre Schenkel wunderschöne Aussicht genießen. Oft gab es auf den ältesten, winkte und leitete ihn zu einer steinernen Ta- tragen. Die zweite Aufgabe aber war, den Schlüssel zu wurden allmählich immer matter. Da quakte der eine Almen hübsche Holzhütten, in denen sich die Wanderer 8 fel, darauf standen drei Aufgaben geschrieben, wo- der Schlafkammer der Königstochter aus dem See zu Frosch: „Alles Strampeln ist umsonst, das Schicksal ist stärken und ihren Durst stillen konnten. Manchmal wa- 9 durch das Schloß erlöst werden könnte. holen. Wie der Dummling zum See kam, schwammen gegen uns, ich geb‘s auf!“ Er machte keine Bewegung ren auch kleine Häuschen aufgestellt, in denen Honig- die Enten, die er einmal gerettet hatte, heran, tauchten mehr, glitt auf den Boden des Gefäßes und ertrank. bienenvölker lebten. Einmal konnte ich dem Imker zu- unter und holten den Schlüssel aus der Tiefe. Sein Gefährte aber kämpfte weiter bis tief in die Nacht sehen wie er überprüfte, ob es auch allen Bienen gut ging. Die dritte Aufgabe aber war die schwerste: Von den drei hinein. Da fühlte er den ersten festen Butterbrocken Später werde ich euch noch eine Geschichte von diesen schlafenden Töchtern des Königs sollte die jüngste und unter seinen Füßen, er stieß sich mit letzter Kraft ab besonderen Baumeistern, die mit unermüdlichem Fleiß die liebste herausgesucht werden. Sie glichen sich aber und war im Freien. dafür sorgen, dass wir Obst, Gemüse und Kräuter essen vollkommen und waren durch nichts verschieden, als Dass frische Kuhmilch verführerisch lecker ist, habe ich können, erzählen. Ja, Bienen entschieden in der Geschich- dass sie, bevor sie eingeschlafen waren, verschiedene im Urlaub in Österreich auf einem Bauernhof in den te sogar einmal über den erfolgreichen Ausgang einer Süßigkeiten gegessen hatten, die älteste ein Stück Zu- Alpen auch feststellen können. Und wie der Frosch Schlacht armer Bauern gegen bewaffnete Soldaten. cker, die zweite ein wenig Sirup, die jüngste einen Löffel habe ich mich dort auch manchmal gefühlt. In diesem Jetzt bin ich aber erst mal sehr gespannt, was ihr in eu- Honig. Da kam die Bienenkönigin von den Bienen, die Gebirge gibt es viele schöne Wanderwege und ich habe ren ersten Sommerferien alles erlebt habt. Ich freue der Dummling vor dem Feuer geschützt hatte, und ver- so manchen Gipfel erklommen. Das war mitunter ganz mich auf ein neues spannendes Schuljahr mit euch und suchte den Mund von allen dreien, zuletzt blieb sie auf schön anstrengend. Gleichzeitig gab es auf dem Weg so auf all die Geschichten, die wir gemeinsam erleben, hö- dem Mund sitzen, der Honig gegessen hatte, und so er- viel zu entdecken. Ein Ameisenhaufen reihte sich neben ren, schreiben und lesen werden. kannte der Königssohn die rechte. Da war der Zauber vorbei, alles war aus dem Schlaf er- löst, und wer von Stein war, erhielt seine menschliche Gestalt wieder. Und der Dummling vermählte sich mit KLASSE 2B einer Dachrinne einen Eimer, der zur Hälfte mit Wasser der Jüngsten und Liebsten und ward König nach ihres Regine Eberhardt gefüllt war. Sofort flogen sie auf den Eimerrand, aber Vaters Tod; seine zwei Brüder aber erhielten die beiden so sehr sie sich auch mühten – sie konnten mit ihren andern Schwestern. Nach der Fabel „Die Krähe und der Wasserkrug“ (Äsop) Schnäbeln das Wasser nicht erreichen. „Oooh“, jammerte Kroox, „der Eimer ist schon halb leer. An einem heißen Sommerabend erreichten die Krähen Das Wasser steht für uns viel zu tief. Wir müssen elen- Kroox und Kraax ein altes Bauerngehöft. Den ganzen dig verdursten.“ Damit flatterte er müde in einen schat- Tag hatten sie verzweifelt nach einem Schluck Wasser tigen Winkel und legte sich zum Sterben. gesucht, aber die Sonne hatte alle Pfützen und Tümpel „Aaah“, sagte Kraax, „der Eimer ist noch halb voll. Wenn trocken geleckt. Da entdeckten sie unter dem Fallrohr ich es schlau anstelle, werde ich bald zu trinken
RUNDBRIEF HERBST 2021 Und die Moral von der Geschicht‘? Handeln hilft weiter, klagen nicht. KLASSE 3B Und was man sich auch merken soll: Vivian Hanner-Peter was halb leer ist, ist noch halb voll! Das Mitbringsel (Ludger Helming-Jacoby) Liebe Klasse 2b, im zweiten Schuljahr werdet ihr be- Ich könnte euch zum Beispiel davon erzählen, was für bekommen.“ Und schon flog er los, holte Kieselstein eindruckende Fabeln wie diese hören und von heiligen „Wo warst Du denn so lange? Hast Du uns etwas mit- ein tüchtiger Helfer für die Menschen so ein Tropfen ist; auf Kieselstein und ließ dieselben in den Eimer fallen. Personen, die Gutes in die Welt gebracht haben. Ich gebracht?“, riefen die Kinder dem Vater entgegen, der keine Mauer, kein Haus könnte gebaut werden, auf dem So stieg und stieg das Wasser im Behältnis. Schon wünsche euch, dass ihr stets voll freudiger Tatkraft gerade zur Tür hereinkam. Acker könnte nichts angebaut werden, und kein Brot nach kurzer Zeit konnte Kraax mit seinem Schnabel sein möget und tolle Ideen habt in diesem 2. Schuljahr. „Ich habe einen Waldspaziergang gemacht“, sagte der könnte gebacken werden ohne die Hilfe der Wasser- das Wasser erreichen und seinen Durst nach Herzens- Ich freue mich auf unser gemeinsames Jahr. Vater und fügte mit einem leicht spitzbübischen Lachen tröpfchen.“ „Oh ja, davon würde ich gern etwas hören“, lust stillen. hinzu: „Und mitgebracht habe ich euch auch etwas.“ - sagte der Junge. – „Ich auch“, meinte das Mädchen und „Zeig mal!“ – „Was ist es denn?“ – „Nur Geduld! Ihr wer- fügte hinzu, während es den Tropfen auf der Hand det‘s gleich sehen. Es ist winzig klein, aber ein wahres nachdenklich anschaute: „Aber ich würde auch gern et- Zauberwesen: Es kann sich in so viele Gestalten ver- was darüber erfahren, wo so ein Tropfen eigentlich her- wandeln wie kaum ein anderes Wesen. Es kann ganz kommt.“ – „Na, er wird wohl als Regentropfen herun- KLASSE 3A umgezogen. Es ging wieder in den Süden. Dort fand ich hart und fest, aber auch weich und nachgiebig sein. tergefallen sein“, sagte der Junge. „Das weiß ich auch!“, Ute Frieda Treppke für lange Zeit eine neue Heimat. Schließlich war ich dort Manchmal ist es kugelrund, es kann sich aber auch so gab das Mädchen zurück. „Und dass die Tropfen, die in Lehrerin. Auch an einer Waldorfschule. Meine Klasse dünn machen, dass es durch das feinste Röhrchen hin- der Regenwolke sind, mit Hilfe der Sonne aus dem Liebe dritte Klasse! hatte nun ihr achtes Schuljahr beendet und ich als ihre durch schlüpfen kann. Es kann sich so hauchzart und Meer hochgeflogen sind. Aber das Meer, wo kommt das Ich stehe nun als Lehrerin vor euch. Wie bin ich wohl, die Klassenlehrerin konnte mir eine neue Klasse suchen. leicht machen, dass es davonfliegt. Und manchmal denn her, wie ist es denn eigentlich entstanden, und neue Lehrerin? Und wie kam ich hierher, zu euch? Und Dafür wanderte ich zu euch. Nun möge Leipzig mir für nimmt es sogar die Gestalt eines Glitzersterns an.“ – wer hat es gemacht?“ – „Davon will ich euch auch gern 10 was werden wir nun gemeinsam machen? Um euch viele Jahre eine neue Heimat werden. Und wir wandern „Und das hast du im Wald gefunden? Nun zeig doch mal!“ erzählen“, sagte der Vater. 11 Antworten zu geben, fange ich mit einem besonderen gemeinsam durch die dritte Klasse. Wir werden viel zu Der Vater holte ein Büschelchen Moos aus der Tasche Ausspruch an. „Der Weg ist das Ziel!“ Auf Wegen muss tun haben. Es wird einen Acker zu bearbeiten geben. und presste es in der Hand. „Einer von euch muss die Liebe Kinder, man wandern. Dass man wandert, das kennen wir alle. Aus dem Getreide, wie genau wird es zu unserem Brot, Hand drunter halten und es auffangen.“ – „Du drückst So wie die Kinder in der Geschichte danach gefragt ha- Manchmal wandert man mit der Familie am Wochen- unseren Brötchen? Vom Bauen erfahren wir, aber erst zu stark, du machst es noch kaputt!“ – „Nein, nein, das ben, wo das Wasser herkommt oder wie das Meer ent- ende oder in den Ferien. Manchmal vielleicht sogar ei- später im Jahr. Vorher lernen wir alle die Schreibschrift. macht ihm nichts – seht, da kommt es schon heraus!“ standen ist und wer es gemacht hat, so wollen auch wir nen ganzen Tag. Manch einer wandert sogar für eine Außerdem gibt es so einiges von Handwerkern zu ler- „Ein Wassertropfen!“ Die Kinder schauten den Tropfen, uns in diesem Schuljahr fragen, wo wir herkommen und Woche. Oder sogar ein Jahr lang. Vielleicht kann man nen. Vom Schuster, der tatsächlich noch Schuhe macht der in die Hand des Jungen gefallen war, an, als sähen wie die Erde entstanden ist. Wir wollen uns damit be- sogar sagen, dass man durch das Leben wandert. Dann und von Schneiderinnen, nicht von der fertigen Kleidung sie so etwas zum ersten Mal. „Ach so, ja“, sagte der Jun- schäftigen, wie Menschen früher gelebt und gearbeitet ist der Weg des Wanderns wohl das Ziel des Lebens. aus dem Geschäft, sondern wie richtig genäht wird. Frü- ge schließlich, „hart und fest als Eis; weich und rund als haben, wie sie mit ihren geschickten Händen z.B. ge- Wie ist es dann nur um die Heimat bestellt? Ein Wande- her gingen nur die Handwerksburschen zünftig auf die flüssiger Tropfen; und wenn er in eine Pflanzenwurzel schneidert, gewebt, ihren Acker bestellt, gebacken oder rer durch das Leben, wo ist denn seine Heimat, sein Zu- Walz und wanderten durch die Lande, um ihr Handwerk hineinschlüpft, macht er sich ganz dünn.“ – „Und in ei- getöpfert haben. Wir werden auch Handwerke unserer hause? Viele sagen, dass die Heimat dort ist, wo man zu erlernen. Das nehmen wir uns als Klasse nun vor, um ner Wolke“, ergänzte das Mädchen, „schwebt er durch Zeit kennenlernen und uns selbst in dem einen oder an- geboren wurde. Wenn nun jemand auf Wanderschaft von den Menschen, ihren Orten und ihrem Gewerken zu die Luft, und als Schneeflocke sieht er aus wie ein Stern. derem Handwerk ausprobieren. Wir möchten in diesem geht, verlässt er diese Heimat. Wir haben in Märchen lernen. Bevor wir aber das tun, lasst uns davon hören, Das hast du uns ja alles erzählt. Aber kannst du uns Schuljahr gemeinsam die Freude am sinnvollen Tätig- und Geschichten davon gehört, dass so manch einer wie die Erde den Menschen überhaupt Heimat werden nicht noch mehr davon erzählen, was so ein Tropfen al- Sein erleben und pflegen. seine Heimat verließ. In die weite Welt musste oft ein konnte, was davon erzählt wird. les erlebt?“ – „Ja“, meinte der Vater, „das kann ich wohl. Königssohn gehen oder der Hans aus dem Lied. Oder ein Mädchen musste Gefahren in der Welt bestehen, um den Bruder vom Zauber zu befreien. Manchmal kehrten sie in ihre Heimat zurück, doch so manches Mal wurde ein neuer Ort zur Heimat. Von solchen Dingen KLASSE 4A Schon als kleines Kind war Johann Sebastian begeistert habt ihr ganz früher in der ersten Klasse schon gehört. Almut Stadelmann-Roth von der Stadtpfeiferei, die von Vater Bach geleitet wur- Ein bisschen so ist es bei mir. Ich bin schon viel gewan- de. Der kleine Johann Sebastian marschierte am Ende dert. Dort, wo die Nordsee nicht weit weg ist und die Liebe Viertklässler, des Musikantenzuges mit und spielte dabei auf einem Möwen schreien, wurde ich geboren. Als junge Frau bin im vierten Schuljahr werden wir uns in der Heimatkun- Vogelpfeifchen, das ihm die Mutter geschenkt hatte. ich in den Süden gezogen. Von dort ging es dann irgend- deepoche mit Leipzig beschäftigen. Es haben hier in der Später lernte er, auf der Flöte, der Oboe und auch auf wann an die Ostsee. Die wurde meiner Familie zur Hei- Stadt berühmte Komponisten gelebt. Einer davon war der Geige zu spielen. Am meisten aber begeisterte ihn mat. Trotzdem sind wir alle wegen der Arbeit wieder Johann Sebastian Bach. Von ihm habe ich euch erzählt: die triumphierende Orgel.
RUNDBRIEF HERBST 2021 den Thomasschülern gute Sänger wurden. Und er kom- KLASSE 5A ponierte und komponierte. Seine Musik war für die Julia Dutschke Menschen neu und ungewöhnlich. Die einen bewun- derten ihn dafür, die anderen schüttelten den Kopf. Er Liebe Fünftklässler, komponierte nicht nur Kirchenmusik. Einmal brachte vor vier Jahren seid ihr eingeschult worden und habt ein Freund eine Geschichte mit, in der es um eine junge seither eine Vielzahl von Dingen gelernt. Von vielen Frau ging, die süchtig war nach Kaffee. Ihr Vater wollte Menschen durftet ihr lernen. Ja, als Menschen sind wir Schon mit ungefähr zehn Jahren verlor er in kurzer Zeit ihr den Kaffee abgewöhnen und wollte sie daher solan- darauf angewiesen von anderen Menschen zu lernen, Mutter und Vater und lebte von da an bei einem seiner ge nicht verheiraten bis sie sich abgewöhnt hatte, Kaf- was etwas sehr Schönes ist. Woher aber stammen das älteren Brüder, der ihn auch im Orgelspiel unterrichtete. fee zu trinken. Schließlich verkündete sie aber, dass sie Wissen und die Erfahrungen, die die Menschen seit Ge- Dieser hielt einige Noten für seinen kleinen Bruder für nur einen Mann heirate, der ihr den Kaffeegenuss er- nerationen weitergeben. zu schwer und wollte nicht, dass er sie spielte oder ab- laube und am Ende hatte sie einen Ehemann und so viel Ihr werdet meinen, dass man vieles aus Büchern ent- schrieb. Das aber wollte Johann Sebastian. So ver- Kaffee, wie sie wollte. Johann Sebastian Bach gefiel nehmen kann, aber es gab eine Zeit, in der es noch kei- schloss er sie vor ihm und Johann Sebastian begann, sie diese Geschichte so gut, dass er sich noch am selben ne Bücher gab, weil der Buchdruck noch nicht erfunden in der Nacht heimlich bei Mondschein abzuschreiben. Abend hinsetzte, um Musik dazu zu komponieren. So war. Tja, dann stand das Wissen eben schon auf alten Mit fünfzehn Jahren konnte er sein eigenes Geld ver- entstand die „Kaffeekantate“. Bach fand, das sei genau Papyrusrollen oder auf noch älteren Tontafeln. Doch es dienen, indem er in verschiedenen Städten sang und die richtige Musik für den Kaffeehausbesitzer, der in der gab davor eine Zeit, da gab es die Schrift noch nicht, Pflicht ist es, die Taube zu schützen, doch deine größere auf der Orgel spielte. Dafür ging er Hunderte von Kilo- Leipziger Katharinenstraße ein Kaffeehaus besaß. niemand konnte lesen oder schreiben. Die Menschen Pflicht ist es, mich und die meinen nicht verhungern zu metern zu Fuß durch Deutschland. Nach Leipzig zog brauchten dies auch nicht, weil sie alles, was sie wissen lassen. Entscheide dich, o König!“ Wie konnte nun der Johann Sebastian Bach, als er schon Vater von fünf Kin- Es ist schade, dass es dieses Kaffeehaus nicht mehr mussten, aus dem Munde anderer, älterer Menschen König, der alle Lebewesen gleichermaßen liebte, Ge- dern war (und er bekam noch weitere Kinder). Die Stadt gibt. Aber wenn wir dann durch Leipzig gehen, werden erfuhren. Auf diese Weise wurde das Wissen über viele rechtigkeit walten lassen? „Lieber Habicht, wähle dir 12 war damals schon groß. In der Nikolaikirche und in der wir uns auf jeden Fall Gebäude anschauen, in denen Jo- Generationen weitergegeben, bevor es irgendwann aus meinem Reiche einen Hirsch, einen Eber – was du 13 Thomaskirche dirigierte er die Kirchenmusik und spielte hann Sebastian Bach lebte und arbeitete und natürlich aufgeschrieben wurde. Was die Menschen zum Leben willst.“ „Hirsch und Eber sind keine Nahrung für mich. die Orgel. Er war auch dafür verantwortlich, dass aus noch einiges mehr. brauchten, erzählten sie sich oft in Form von weisheits- Die Götter haben die Taube mir zur Nahrung bestimmt!“ vollen, tiefsinnigen aber auch heiteren Geschichten. So Der König bot ihm sein ganzes Königreich an, um die habt ihr auch die Geschichten der Edda in der vierten Taube zu retten. Da sagte der Habicht: „König, wenn dir Klasse kennen gelernt. Eine solche Geschichte, die schon das Leben der Taube so viel wert ist, gib mir stattdes- viele tausend Jahre alt ist, will ich euch jetzt erzählen: sen so viel von deinem eigenen Fleisch, wie diese Taube KLASSE 4B wusste, warum ihm dies geschah: Nur wiegt.“ Ohne sich zu bedenken, schnitt sich der König Nina Luckner so, mit den Haaren in der Weltesche Die Geschichte vom hungrigen Habicht und der schutz- ein Stück Fleisch heraus und legte es auf die Waag- hängend, konnte er aus dem Rauschen suchenden Taube schale. Doch die Taube war schwerer als diese Stück. Liebe 4. Klasse, und Raunen der Naturgewalten die Vor sehr langer Zeit brachte der König von Indien – In- Der König schnitt sich ein weiteres Stück heraus, die Ganz weit oben im Norden, dort, wo es selten warm „Runen“ ersinnen. Seine Laute wurden dien war damals ein blühendes und wunderschönes Taube war immer noch schwerer. Je mehr Fleisch der wird, dort erzählen sich die Menschen sehr alte Ge- zu Worten und als es genug Worte wa- Königreich – seinem Gott ein Opfer dar. Während er in König auf die Waagschale legte, desto schwerer wurde schichten, die davon handeln, wie die Welt entstanden ren, da löste sich sein Haar aus den Äs- tiefer Andacht versunken da saß, flog plötzlich eine die Taube. Schließlich sprang der König selber auf die ist. Besonders schön ist die Geschichte, die uns davon ten und er fiel aus dem Baum, um wie- angstvolle Taube in seinen Schoß, die von einem wilden Schale, um sein Leben für das der Taube zu opfern. erzählt, wie die Sprache zu den Menschen gekommen der zu erwachen. So ist die Sprache Habicht verfolgt wurde und bat den König, ihr Schutz zu In diesem Augenblick verwandelte sich der Habicht in ist, denn nicht immer konnten die Menschen sprechen. entstanden und Odin gab sie den Men- gewähren. Der Habicht lies sich vor dem König nieder seine wahre Gestalt und rief: „Ich bin Indra, der König Odin, der höchste Gott, liebte die Menschen. Er hatte sie schen. und sprach: „Edler König, weithin preist man deine aller Götter und des Himmels. Die Taube ist ein Freund selbst mit Seele und Lebenshauch begabt und es Im vierten Schuljahr gibt es einiges für Großmut und Weisheit. Jedem Hungernden gibst du zu der Götter und ich kam, um dich zu prüfen. Für deine schmerzte ihn, dass sie nicht sagen konnten, was ihnen uns zu tun, was mit der Sprache zu- essen, niemanden lässt du darben. Warum gönnst du große Treue und Standhaftigkeit erhältst du unver- Kummer oder Freude schuf, was sie schauten und hör- sammenhängt. Wir werden die nordi- mir meine Nahrung nicht und schützt die Taube, mich gleichlichen Ruhm, solange die Menschen auf Erden ten. Sie lebten wie Träumende und waren stumm wie schen Stabreime sprechen, von den plagt großer Hunger?“ Der König antwortete: „Habicht leben.“ die Fische. Da brachte Odin ein Opfer. Er verwundete Tieren hören und erzählen, die keine höre, diese Taube bat mich um Schutz. Es ist jeder- sich mit einem Speer und fiel in einen abgrundtiefen menschliche Sprache haben, uns mit manns heilige Pflicht, einen Schutzsuchenden niemals Liebe Kinder, vieles können wir Menschen von diesen Traum. Im Traum fühlte er sich hoch hinauf ins Geäst der der Stadt Leipzig beschäftigen, in der preiszugeben!“ Sprach der Habicht: „Recht hast du, König. Geschichten lernen. Im kommenden Schuljahr wollen Weltenesche getragen und mit den Haaren in den Zwei- mancherorts Sächsisch gesprochen Doch jedes Wesen auf der Erde benötigt seine Speise. wir diese uralten Zeitepochen der Menschheit genauer gen aufgehängt. Neun Nächte hing er so in dem riesigen wird und so werden wir viele interes- Nimmst du mir die meine, so muss ich sterben. Sterbe kennenlernen. Darauf dürft ihr euch freuen! Baum ohne Essen und Trinken. Wind umwehte ihn, Tau sante Gespräche führen, auf die ihr ich, so stirbt mein Weib und sterben meine Kinder auch. betropfte ihn und große Pein litt er an seinem Haar. Odin euch mit mir freuen dürft! Beschützt du die Taube, müssen wir alle sterben. Deine
RUNDBRIEF HERBST 2021 KLASSE 5B goldenen Locken. Jetzt vernahm er auch den Klang ih- hingezogen. Einige Fabeln und Mythologien ranken auswählen und ihn in seiner Entwicklung über den Jah- Rossitza Todorowa rer Stimme und war bald seiner Sinne beraubt. Er be- sich um das Wesen der Bäume. Ich hatte das Glück in reslauf beobachten, dabei ein kleines Tagebuch führen. fahl den Schiffern, am Felsen anzufahren. Aber als er Istrien/Kroatien auf der Insel Brjuni diesen Sommer Und so wie wir uns der Geschichte/Biografie eines Meine liebe 5. Klasse, ans Land springen wollte, nahm er den Sprung zu kurz einen über 600 Jahre alten Olivenbaum zu sehen. Ein Baumes nähern, so werden wir uns in diesem Schul- ich freue mich euch wieder fast alle hier zu sehen. Un- und versank im Strom; die Wogen schlugen schauer- mächtiger Stamm, tiefe Furchen in seiner knorrigen jahr auch mit der Geschichte der Menschheit beschäf- abhängig von den Notwendigkeiten als Mittelstufen- lich über ihm zusammen. Rinde, kräftige, grün-graue lederartige Blätter, die sich tigen. Wie und wann lebten die ersten Menschen, wie klasse, sich allen Regeln zu stellen, lasst uns gemein- Die Nachricht kam schnell zu den Ohren des Pfalzgra- gegen Trockenheit und Hitze wehren. entwickelten sich die alten Kulturen und was können sam den Blick in die Ferne richten. Viele haben schöne fen. Voll Schmerz und Zorn befahl er seinen Knechten, Auch in Thüringen konnte ich bei meinen Wanderun- sie uns heute noch lehren? Erlebnisse aus der Ferienzeit mitgebracht. Bestimmt ihm die Unholdin tot oder lebendig zu bringen. Einer gen mächtige Fichten und Eichen tagtäglich bewun- sind auch einige von euch weit weggefahren. seiner Hauptleute versprach, den Willen des Pfalzgra- dern, wie sie sich Wind, Wetter und Umwelt bis heute Meine liebe 5. Klasse, ich wünsche uns ein schönes, In diesem Schuljahr begegnen wir neuen Inhalten. Be- fen zu vollziehen. Doch bat er sich aus, dass er die Hexe stellen und überleben. Jeder von euch hat gewiss in kontinuierliches und glückliches Schuljahr. Möge uns ginnen werden wir mit Geographie. Unsere Flüsse in gleich in den Rhein stürzen dürfe, damit sie sich nicht seiner Umgebung einen besonderen Baum, welchem alles gelingen, was wir uns vornehmen. Leipzig und Sachsen haben wir schon kennengelernt. vielleicht durch Zauberkünste wieder aus Kerker und man täglich begegnet. Wir werden uns diesen einen Ausgehend von den Quellen von Elbe und Rhein, na- Banden befreie. Der Pfalzgraf war es zufrieden. Nun türlich auch anderer Flussläufe sowie zahlreicher Ge- zog der Hauptmann gegen Abend aus und stieg mit birgszüge, erobern wir uns das gesamte Deutschland. einer Schar Männer die Lorelei hinan. Die Jungfrau saß Flüsse in ihrem Fließen und eigenwilligen Mäandern, oben auf der Spitze und hielt eine Schnur von Bern- Bäume in ihrer Vielfalt und ihrem Wachstum sind uns stein in der Hand. Sie sah die Männer kommen und rief KLASSE 6A nahe. Manche Sage rankt sich um diese Naturreiche. ihnen zu, was sie hier suchten. „Dich, Zauberin“, ant- Maren Uhlig So finden wir auch eine Sage zum Rhein und der Lore- wortete der Hauptmann, „und ich befehle dir, dich so- ley, welche auch Heinrich Heine zu einer Ballade inspi- fort in die Fluten hinabzustürzen!“ - „Ei“, sagte die Meine lieben Sechstklässler, 14 rierte. Die Loreley ist ein 132 Meter hoher, steiler Jungfrau lachend, „der Rhein mag mich holen!“ in diesem Jahr erwarten uns viele spannende Entde- 15 Schieferfelsen am rechten Rheinufer in der Rhein- Bei diesen Worten warf sie die Bernsteinschnur in den ckungsreisen und wir werden immer wieder feststel- schlucht bei Sankt Goarshausen in Deutschland. Strom hinab und sang mit schauerlichem Ton: “Vater, len, dass in Raum und Zeit eigentlich alles auf geheim- Man erzählt sich, dass in den alten Zeiten sich manch- Vater, geschwind, geschwind, die weißen Rosse schick nisvolle Weise irgendwie miteinander zusammenhängt: mal auf der Lorelei um die Abenddämmerung und beim deinem Kind, es will reiten mit Wogen und Wind!“ Wir werden zum Beispiel Deutschland von der Ostsee Mondschein eine Jungfrau sehen ließ. Sie sang mit so Urplötzlich brauste der Strom daher. Der Rhein rausch- bis zu den Alpen durchwandern – vorerst aber nur im lieblicher Stimme, dass alle davon bezaubert wurden, te, dass weitum Ufer und Höhen mit weißem Gischt Atlas und in unserer Phantasie. Desgleichen Europa, die die es hörten. Viele, die vorüberfuhren, wurden an dem bedeckt waren. Man sagt, zwei Wellen, die fast die Ge- Heimat so vieler verschiedener Kulturen. Ein bisschen Felsenriff im Strom in die Tiefe gerissen, weil sie auf ihr stalt von zwei weißen Rossen hatten, stiegen mit Blit- haben wir uns ja letztes Jahr in der Geschichtsepoche Fahrzeug nicht mehr achteten. Niemand hatte die zesschnelle zur Kuppe des Felsens empor und trugen schon im Mittelmeerraum umgesehen – allerdings in Jungfrau aus der Nähe gesehen - nur einige junge Fischer. die Jungfrau hinab in den Strom, wo sie verschwand. einer längst vergangenen Zeit, der griechischen Antike. genau wann und wo, aber das tut momentan auch Zu ihnen gesellte sie sich die Jungfrau manchmal im Nun kehren wir dahin zurück, ins Nachbarland Italien nichts zur Sache – hatten sich die mächtigsten Fürsten letzten Abendrot und wies ihnen die Stellen, wo sie In der Pflanzenkunde im späten Frühjahr werden wir und ein paar Jahrhunderte später. Gemeinsam mit den des Landes getroffen. Gekleidet waren sie in kostbare ihre Netze für einen guten Fang auswerfen sollten. Je- Bekanntes und Neues erleben und erlernen. Doch alten Römern nehmen wir teil an der Gründung des Rö- Pelze und prächtige Seidenstoffe, sie trugen wertvollen des Mal, wenn sie dem Rat der Jungfrau folgten, taten schon in den nächsten Tagen werden wir uns einer mischen Imperiums. Und auch die Alpen, das mächtige Schmuck und regierten über wohlhabende Ländereien. sie einen reichlichen Fang. Diese Geschichte verbreite- langfristigen Aufgabe widmen: dem Baum. Viele von Hochgebirge, wird hier wieder eine Rolle spielen, näm- Während des üppigen Gastmahles prahlten sie mit ih- te sich bald im ganzen Lande. Auch der Sohn des Pfalz- uns fühlen sich von sehr, sehr alten Bäumen besonders lich wenn der Karthagische Feldherr Hannibal mit sei- ren Besitztümern, ihrem großen Gefolge, ihren schö- grafen, der damals in der Nähe sein Hoflager hatte, nem Heer und sogar mit Elefanten durch die Berge zie- nen Frauen und ihrem Gold. „Seht her“, rief der eine,“ hörte diese wundervolle Mär; so verspürte er den hen wird um Rom zu belagern. In seiner Tasche als dieser goldene Armreif mit den zwei Drachenköpfen Drang, auch diese Jungfrau zu sehen. Er tat, als ob er Glücksbringer wird er dabei einen kleinen Stein haben, stammt aus dem Frankenland. Er hat mich 7000 Thaler auf die Jagd gehen wollte, nahm den Weg nach Ober- ein Granitstück, welches er bei der gefährlichen Über- gekostet und ist mit Edelsteinen besetzt.“ Die Männer wesel; setzte sich dort in ein Boot und ließ sich strom- querung der Alpen aufgesammelt hat. In der Gesteins- lobten den wunderbaren Reif und seinen stolzen Be- abwärts fahren. kundeepoche werden wir uns anschauen, wie Granit sitzer, dann erhob sich ein anderer: „Dein Schmuck ist Die Sonne war eben untergegangen, und die ersten tief im Innern der Erde entsteht und welche Rolle er bei kostbar, aber sieh her, dies ist mein Schwert! Hast du Sterne traten am Himmel hervor, da näherte sich sein der Auffaltung der Alpen gespielt hat. Aber auch in der jemals eine herrlichere Waffe gesehen? Die Klinge ist Fahrzeug der Lorelei. „Seht ihr sie dort, die verwünsch- Geschichtsepoche begegnen wir dem Granit wieder aus bestem Sarazenenstahl, ich habe ihn im Orient von te Zauberin?“ riefen die Schiffer. Der Jüngling hatte sie und diese kleine Geschichte in mitten der großen Ge- einem Sultan zum Geschenk erhalten.“ Die Männer ju- aber schon erblickt. Sie saß am Abhang des Felsens, schichte will ich euch schon jetzt erzählen: belten und die Waffe ging von Hand zu Hand. Als sich nicht weit vom Strome, und band einen Kranz um ihre Auf einer mittelalterlichen Burg – ich weiß nicht mehr der Tumult an der Tafel etwas gelegt hatte, richteten
RUNDBRIEF HERBST 2021 sich nun aller Augen auf einen Mann am oberen Ende weisen. Dennoch besitze ich einen Ring, der mir teurer KLASSE 9 des Tisches. Bisher hatte er schweigend sein Mahl ver- ist als jeder Edelstein der Welt. Seht her“, und er hob die Benita Hochmuth zehrt, er war edel, aber einfach in dunkles Leder und Hand, damit jedermann diesen Ring sehen konnte. grünen Samt gekleidet. „Und ihr, Fürst Gideon, womit Grau war er und unscheinbar. „Dieser einfache Ring Liebe 9. Klasse, könnt ihr euch rühmen?“ Fragten die anderen Gäste, umfasst ein Stück Granit. Dieses stammt aus dem Fel- nach der netten Willkommensrede durch die 12. Klas- teils, wie es schien, auch mit ein bisschen Hohn in der sen, auf dem meine Väter ihre Burg erbauten – und sie se möchte natürlich auch ich euch ganz herzlich in der Stimme, denn der Fürst war für seine Bescheidenheit ist so stark und sicher, dass sie noch nie erobert wurde. Oberstufe und als meine neue Klasse begrüßen. Vieles, bekannt. Nie sah man ihn in Gold und Seide, nie prahlte Prahlt ihr mit euren Rubinen und Smaragden – mich was euch in diesem und den nächsten Jahren erwartet, er mit Taten und Besitz. „Nun“, sprach er schließlich, schmückt dieser schlichte, mächtige Stein besser.“ Da wisst ihr sicher schon von Geschwistern oder Freun- nachdem ihn die anderen bedrängt hatten, zu reden, wurde es rings herum still und die lautesten Prahler den in höheren Klassen. Praktika, Vorträge, Klausuren „solch kostbaren Schmuck wie ihr habe ich nicht vorzu- nachdenklich … und nicht zuletzt Prüfungen werdet ihr meistern, aber in den Sand geschrieben, jetzt ritzt du die Worte in was ich euch auf euren Weg mitgeben möchte, werde Stein. Warum?“ Der andere Freund antwortete: „Wenn ich euch mit Hilfe einer kleinen Geschichte erzählen: uns jemand gekränkt oder beleidigt hat, sollten wir es Zwei Freunde gingen einmal gemeinsam auf Reisen in den Sand schreiben, damit der Wind des Verzeihens und wanderten dabei auch durch eine schier endlose es irgendwann auslöschen kann. Aber wenn jemand und Lebensbedingungen bieten viele Forschungsfra- Wüste. Während der mühsamen Wanderung kam es etwas getan hat, was uns gut tut oder wir unbedingt gen. Ähnliches gilt für die Gesteinskunde. Neben der zum Streit und der eine schlug dem anderen vor Wut behalten wollen, dann sollten wir es Stein ritzen, damit Entstehung unterschiedlicher Gesteine soll auch deren ins Gesicht. Der Geschlagene war gekränkt und ent- kein Wind es je wieder löschen kann.“ Verwendung betrachtet werden. Im naturwissen- täuscht und ohne ein Wort zu sagen, kniete er nieder schaftlichen Unterricht hält die Physik weitere Anre- und schrieb folgende Worte in den Sand: „Heute hat Liebe 9. Klasse, ich wünsche euch für eure Reise durch gungen und Lernmöglichkeiten bereit. Die Naturwis- mich mein bester Freund ins Gesicht geschlagen.“ die Oberstufe und damit für die nächste Etappe eurer senschaften waren für mich immer sehr spannend, Schweigend setzten sie anschließend ihre Wanderung Schulzeit viele Erlebnisse und Begegnungen, die ihr in 17 daher möchte ich euch eine Kleinigkeit darüber erzäh- fort und kamen bald darauf zu einer Oase. Dort be- Stein meißeln könntet, damit sie in eurem Gedächtnis len. Jeder von euch weiß, dass es bei guter Beleuch- schlossen sie ein Bad zu nehmen. Der Freund, der ge- bleiben und euren Weg begleiten. Freundschaft, Ver- tung nicht schwierig ist, etwas zu sehen – aber Sehen schlagen worden war, blieb dabei im Schlamm stecken antwortung und Zusammenhalt spielen dabei eine und Sehen ist zweierlei. Goethe formulierte einst: und drohte zu ertrinken. Die Kräfte und die Hoffnung große Rolle, ich wünsche euch, dass ihr euch gegen- schwanden, aber sein Freund rettete ihn in buchstäb- seitig unterstützt und füreinander da seid, wenn wir Was ist das Schwerste von allem? lich letzter Sekunde unter Einsatz des eigenen Lebens. Lehrer vielleicht mal nicht so wollen wie ihr. Es wird Was dir das leichteste dünkt: Nachdem sich der Freund, der fast ertrunken wäre, von immer wieder Hürden und Schwierigkeiten geben, Mit den Augen zu sehen, seinem Schrecken erholt hatte, nahm er einen Stein aber auch Erfolge und schöne Erfahrungen werdet ihr was vor den Augen dir liegt. und ritzte folgende Worte hinein: „Mein bester Freund sammeln. Und genau diese gilt es im Gedächtnis zu KLASSE 6B hat mir heute das Leben gerettet.“ Der Freund, der ihn behalten, um sich zu motivieren und weiter voran zu Christoph Dobbrisch Das bedeutet, ein Mensch kann eine Sache oder eine zuvor geschlagen und dann gerettet hat, fragte er- kommen. Ich jedenfalls möchte für euch da sein und Bewegung zur Kenntnis nehmen, ohne dass seine Ge- staunt: „Als ich dich gekränkt hatte, hast du die Worte euch auf eurer Reise begleiten. Auf geht’s! Liebe 6. Klasse, danken dadurch im Geringsten bewegt werden; er re- ich grüße euch aus der Ferne und heiße euch im neuen gistriert bestenfalls. Dieser Aussage folgend möchte Schuljahr herzlich willkommen. Aktuell genieße ich die ich euch ein kleines Rätzel anbieten: „Nachts sind alle Möglichkeit, mit meiner Familie die Lebenszeit ausgie- Katzen grau.“ Wie kann das sein? Findest du ein Experi- big zu teilen und Erlebnisse zu sammeln. Dafür bin ich ment, welches dieses Sprichwort genau erklärt? Wie KLASSE 10 wird dunkel, John ist frustriert. Endlich, nach Kilome- sehr dankbar. Bestimmt habt auch ihr die Zeit mit euren müsste das Experiment durchgeführt werden? Nicole Dreifke tern ohne ein Zeichen von Zivilisation, erblickt er ein Familien genutzt und könnt vieles berichten. Auf unse- Café an der Straße. Er parkt sein Auto und liest das ren gemeinsamen Austausch bin ich sehr gespannt. Ich wünsche euch viel Freude beim Nachdenken! Liebe 10. Klasse, Schild „Das Warum-Bist-Du Hier-Café“. John sucht sich Das sechste Schuljahr hält tolle Lerninhalte bereit. In als ich mich hinsetzte und mir überlegte, was ich euch einen Platz, die Kellnerin heißt ihn willkommen und Bezug auf den historischen Verlauf der Geschichte soll für das 10. Schuljahr mit auf den Weg geben möchte, überreicht ihm die Speisekarte. Beim hungrigen Stu- sich der Blick auf die Entwicklungen im alten Rom rich- kam mir John Streleckys Büchlein „Das Café am Rande dieren stellt er fest, dass die Liste der Speisen und Ge- ten. Bauwerke, Gegenstände, aber auch Brauchtümer der Welt“ in den Sinn, welches ich gerade als Ferien- tränke mit der Frage endet „Warum bist du hier?“ und lektüre gelesen hatte. Es handelt von einem entschei- in Klammern die Aufforderung – „Für weitere Fragen, denden Moment im Leben des Helden John. kontaktieren Sie unser Personal.“ Als die Kellnerin zu John ist unterwegs auf dem Highway, er hat sich ver- Johns Tisch zurückkehrt, bestellt er das Frühstück, ob- fahren, sein Tank ist bald so leer wie sein Magen, es wohl es schon nach 10 am Abend ist, und fragt sie, was
RUNDBRIEF HERBST 2021 es mit dem Namen des Cafés und der Frage auf der auch für euch die Frage in den Blick „Was ist meine Be- KLASSE 11 Speisekarte auf sich hat. Eine ganze Nacht beschäftigt stimmung?“ „Was möchte ich tun in meinem Leben?“ Svetlana Gitin er sich mit dieser Frage und verlässt am Morgen das „Wer möchte ich sein?“ Manche von euch haben da Café als neuer Mensch. schon ganz konkrete Vorstellungen – „ich will einmal Wenn ich nun jede einzelne und jeden einzelnen von reich und berühmt sein, ich will mein eigener Chef sein, Liebe 11. Klasse, euch frage: „Warum bist du hier?“ Was würdet ihr wohl ich möchte mit Kindern arbeiten, ich werde nach Japan ich habe eine gute Freundin, sie heißt Lisa Wasser, und antworten? „Hier in der Schule? Ich bin hier, weil meine gehen und Computerspiele entwickeln, ich gehe zur sie ist von Beruf … Das werdet ihr mir nach der Rede Sondergerichtshof, Phnom Penh, Myanmar. Auf der Eltern mich herschicken. Weil ich eine Prüfung ablegen Reiterstaffel der Polizei, ich werde Olympionike“. sagen. Sie reist so viel, dass es ihr schon egal ist, wohin Anklagebank eine zierliche Alte, die erste Shakes- muss, um einen Beruf zu erlernen oder um zu studie- Aber wie genau findet man heraus, was die eigene Be- sie heute oder morgen fliegt, ob zu den Wolkenkrat- peare-Expertin im Land und zugleich Massenmörderin. ren. Weil das die Gesellschaft von mir erwartet. Weil stimmung ist? Die beste Methode ist sicherlich das zern oder in den Dschungel, das ist für sie nicht mehr Anklagen an Genozid lösen sich ohne jede Spur in ihren ich Allgemeinbildung erwerben muss, um in der Welt Ausprobieren. Was weckt meine Leidenschaft, welche als Augenblinzeln, sie schaut dann nicht mal aus dem Pupillen. klarzukommen.“ Die Eltern – die Schulpflicht – die Ge- Tätigkeiten erfüllen mich mit Zufriedenheit und Freu- Taxifenster. Die silberne Tube des Fliegers auf den Ihre Kunden fragen sie nach jedem Event: Sind Sie Ärz- sellschaft. Das scheint eine weitverbreitete Sicht auf de? Was gelingt mir? Was kann ich bewirken? Eine sol- Wolkenstelzen ist ihr Zuhause, sie ist ans Lächeln des tin? Botanikerin? Richterin? Süchtig nach ihrer Stimme, Schule unter jungen Erwachsenen zu sein und geht che Möglichkeit bieten die beiden Betriebspraktika, die Flugbegleiters gebunden, wie ein Baby an die Nabel- wollen sie nie eine andere hören. Der Knopf ist aus, nicht selten mit einem Verlust an Motivation und Freu- im 10. Schuljahr anstehen; schon in 4 Wochen beginnt schnur seiner Mutter. Kopfhörer ab. Die fremden Erlebnisse abgeschüttelt. de einher, mit dem Gefühl von Fremdbestimmung. das erste Praktikum in einem Betrieb eurer Wahl, in „Was möchten Sie denn heute gern, meine Dame, Die Sprachen sind wieder dicht vakuumverpackt, die dem ihr euch ausprobieren könnt. Schwertfischsuppe oder Litschi Sorbet?“ „Mein Herr, Synonyme in geordneten Reihen gefroren. Lisa ist wie- Und kann es nicht auch eine Sicht auf Schule geben, in mir reicht ein gewöhnliches Sandwich, denn hoch über der im Flieger, in ihrem Dornröschenschlaf. der diese ein Ort des Ausprobierens ist? Ein Ort, an den Wolken blühen meine Geschmacksknospen auf: Was ist denn Lisa Wasser von Beruf? Richtig, Konfe- dem junge Menschen die Antworten auf diese ent- Schinkenrosen, Kamillen von Emmentaler, Tomaten- renzdolmetscherin. Sie verdient sehr gut. Ist sie jedoch scheidenden Fragen finden? Ich wünsche mir, dass ihr nelken. Meine Zunge, der einzige Ort, dem ich in mei- wirklich erfüllt? Was fehlt ihr? Ihr Leben ist zerrissen, zur Schule kommt, weil ihr das selbst wollt, nicht, weil nem grauen Imperium ein wenig Farbe gönne. Meine ihre eigene Seele ist grau. Mit all ihrer gegebenen Fan- 19 eure Eltern euch schicken. Dass ihr zur Schule kommt, Zehen zusammengerollt im Dornröschenschlaf. Ich tasiekraft hat sie nie ihre eigene Welt geschaffen. Und weil ihr Fragen habt und neugierig seid und euch ge- lauere zwischen den thermalen Schichten der Men- Lisa hat nie für jemanden gelebt. Das Messbare: Geld, meinsam mit euren Mitschüler*innen und Lehrer*in- schenerfahrung. Wie ein Blutegel, lebe ich von den Erfolg, Anzahl der Aufrufe – ist nicht alles. nen auf den Weg macht, um die Welt kennenzulernen Abenteuern der anderen. Der einzige Schatz, den ich Was Lisa nicht ahnt, ihr aber schon – ist, dass ihr und sie mitzugestalten. Dass ihr zur Schule kommt, besitze, sitzt im Gefrierkühlfach meines Hirns. Zehn Leuchttürme seid, die Glühbirnen im Herzen des Brust- weil ihr das Gefühl habt, ein Teil einer Gemeinschaft zu Sprachen – Wortarten in Eiswürfelschalen, Synonyme korbs. Ihr strahlt alle anders. Und die Farbe eures Lichts sein, in der ihr in vielfältigen sozialen Konstellationen vakuumverpackt“. sollt ihr aus all den Gegensätzen finden. Ihr holt euer die Menschen und euch selbst immer besser kennen- Man sieht sie nicht, hört aber gut. Ihr Arbeitsplatz heißt Herz aus dem Rippenkäfig und gebt es den Menschen lernen könnt. Ein Ort an dem ihr euch auseinanderset- im Profi-Jargon Affenkäfig. Sie setzt Kopfhörer auf, in Not. Ihr stellt euch Unsichtbares vor und züchtet aus John antwortet zunächst auf die Frage: „Ich bin hier, zen und eure eigenen Werte definieren könnt. Ein Ort, zieht das Mikrofon zu den Lippen, ihre zarten Finger den Molekülen Sterne. Ihr probiert Ideale auf die Reali- weil ich hungrig bin und mich verfahren habe – es war an dem ihr eure Talente erproben und ausleben könnt gleiten der Konsole entlang. Sie drückt auf den Knopf tät an und seht, dass die Realität so gewaltig ist, dass das erste Café auf meinem Weg.“ „Nein,“ sagt Casey, und ein Ort an dem ihr wirksam seid. Vielleicht ist das – und dann – Turboauftauen, die gefrorenen Wortar- die engen Ideale an den Nähten platzen. Dann nehmt die Kellnerin „so ist die Frage nicht gemeint. Wenn du ein naiver Wunsch und ihr sagt jetzt, so ist Schule aber ten schmelzen, die Synonyme springen aus ihren ihr eine Nadel und flickt etwas Stoff hinzu, weil die die Frage nur ein klein wenig abänderst, bekommt sie nicht. Vielleicht können wir aber auch gemeinsam dar- Schalen – und gießen in die Tausende von durstigen Wirklichkeit keine Diät machen wird. eine ganz andere Bedeutung, wenn die Frage nicht an an arbeiten, dass mein Wunsch Wirklichkeit wird. Ohren – eine Flut im Konferenzraum. Sie ist Sklavin Ihr habt in den letzten zwei Jahren ungewohnt und un- ein Gegenüber, sondern an dich selbst gerichtet ist: John verlässt am Morgen das Café und beschließt sei- und Herrin zugleich, zugleich eine Wagenlenkerin und gewollt viele Gegensätze erfahren, genug Spagate ge- „Warum bin ich hier?“ und wenn du dich ehrlich be- ne Bestimmung zu finden und alles zu tun, um sie zu eine Stute. Von der Höhe ihrer Kunst, sind ihre Kunden übt. Präsenz – Homeschooling; Einsamkeit – zum mühst, diese Frage für dich zu beantworten, wirst du erfüllen. Er entscheidet als erstes, seinen ganz eigenen nur Läuse. Auf ihrer Zunge dreht sie das Leben und Bersten volle Klassenräume; von hundert auf null und feststellen, dass es keine einfache Antwort gibt.“ Und Weg zu gehen und nicht länger einfach mit dem Strom Glück. wieder von null auf hundert. Vom einsamen Kleinprinz- so lernt John in dieser Nacht, dass dies die entschei- zu schwimmen. Weltkonferenz der Botanik in Montevideo. Sie ist ein planeten zur Milchstraße des Zusammenseins. Das denden Fragen im Leben sind: „Was ist meine Bestim- In diesem Sinne wünsche ich euch ein interessantes Schweißtropfen der Wonne in der Achselhöhle eines hat aber euch und euer Licht nur stärker gemacht. Nun mung und wie kann ich sie erfüllen?“ und spannendes neues Schuljahr und hoffe, ihr packt Entdeckers. Er zeigt der Wissenschaftswelt eine neue macht ihr euch auf die Reise. Nicht so wie Lisa, auf Ich dachte also, ein bisschen befindet ihr euch in einer jede Gelegenheit beim Schopfe, euch auszuprobieren, Art Orchidee vom Regenwald Amazonas. fremde Reisen, sondern auf eure eigene, nach eurem ähnlichen Situation wie John. Bisher haben die meisten mitzugestalten und eurer Bestimmung ein wenig nä- Weltgesundheitsorganisation, eine Tagung in Genf zu Plan, der euch zum Ende führen wird. Entscheidungen in eurem Leben eure Eltern oder an- her zu kommen. Ebola. Sie ist eine Frau aus einem kongolesischen Ihr flechtet eure eigene Biographie, eigene Welt, die dere Erwachsene für euch getroffen. Doch je älter ihr Stamm; sie stillt eine Baby-Makake mit eigener Brust- stark wie eine Festung, spannend wie ein Abenteuer- werdet, desto mehr Entscheidungen für euer Leben Ich freue mich darauf, euch dabei zu begleiten. milch. Wenn das Baby einschläft, küsst sie es, verdreht roman, bunt wie eine Blumenwiese und offen, wie der werdet ihr selbst treffen und mehr und mehr rückt ihm den Hals, macht aus ihm einen Braten. Ozean sein wird. Viel Spaß dabei!
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