MITSTREITER - Lokal Forum

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MITSTREITER

        #1 LOKAL-MAGAZIN FÜR POLITIK & GESELLSCHAFT

Pflege
  not
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      KOMMENTARE
AUS DEM LANDKREIS
        GÜNZBURG
MITSTREITER - Lokal Forum
WIR MÜSSEN
                                                                                                                                       Liebe Leserin, lieber Leser,
                                                                                                                                       das Thema Pflegenotstand hat durch die Corona-Krise weiteren

  REDEN
                                                                                                                                       Auftrieb bekommen. Der Applaus für Krankenschwestern und
                                                                                                                                       Krankenpfleger war groß. Doch zugesagte Boni wurden mitunter nur
                                                                                                                                       schleppend und auch nicht an alle Pflegekräfte ausbezahlt.
                                                                                                                                       Neben der Diskussion, ob die Bezahlung für entsprechende Berufe
                                                                                                                                       gerecht und angemessen ist, stellt sich vor allem die Frage nach den Ar-
                                                                                                                                       beitsumständen. Es mangelt an erfahrenen Fachkräften und vor allem
                                                                                              IMPRESSUM                                auch an Auszubildenden.
                                                                                                                                       Mit diesem Heft möchten wir dieses komplexe Thema lokal auf
                                                                                                                Chefredaktion:         unseren Landkreis Günzburg herunterbrechen. Wir haben uns
                                                                                                                 Marc Hettich          bemüht, möglichst viele Perspektiven einzubringen. Neben Vertretern

   MITSTREITER
                                                                                                                  Redaktion:           politischer Parteien bieten wir auf den folgenden Seiten u.a. auch dem
                                                                                                            Alexander Ohgke            DGB, einem Pflegedienst und natürlich Pflegekräften eine Stimme.
                                                                                                                Druck:                 Wir freuen uns nicht nur über dieses Heft, sondern auch auf die zuge-
                                                                                         Online-Druck GmbH, Krumbach                   hörige Diskussionsveranstaltung, die aufgrund der Pandemie digital
                                                                                                    Auflage: 300 Stück                 stattfinden wird (siehe linke Seite).
                                                                                                    Herausgeber / V.i.S.d.P.:          Zu guter Letzt bedanken wir uns sehr herzlich bei unseren Unterstüt-

ONLINE-DISKUSSION VIA ZOOM                                                                                Lokal-Forum e.V.
                                                                                                               Kohlstatt 1
                                                                                                         86381 Krumbach
                                                                                                                                       zern (siehe Seite 63) und beim Förderfond Demokratie, der dieses und
                                                                                                                                       zwei weitere Ausgaben des Mitstreiter-Magazins (jeweils zu einem
                                                                                                                                       anderen Thema) ermöglichen.
                                                                                                            Produktion:
                                                                                                                                       Aber jetzt viel Spaß beim Eintauchen in die Welt der Pflege
                                                                                                           Marc Hettich
                                                                                                                                       und angenehmen Perspektivwechsel,
      KRANKEN                                                                       Büro für Kultur und Kommunikation
      PFLEGER*IN                                                                                              Brühlstr. 6
                                                                                                       86381 Krumbach
      FÜR ONLINE                                                                                   Tel. 0162 / 8051750                 Marc Hettich
      GESPRÄCH                                                                                      www.lokal-forum.net
                                                                                                                                       Chefredakteur
                                                                                                                                       1. Vorsitzender
      GESUCHT                                                                                       info@lokal-forum.net
                                                                                                                                       Lokal-Forum e.V.
                                                                                           facebook.com/LokalForumGZ
                                                                                               instagram.com/lokalforum
   Du willst mitdiskutie-   Lukas,                 Erika Bäumler,                                      #dapflegstdinieder
   ren? Melde Dich:         Heilerziehungs-        Quereinsteigerin in                https://lokal-forum.net/newsletter               INHALTSVERZEICHNIS
   info@lokal-forum.net     pflegeschüler          der Altenpflege                                               Bildquellen:          „Pflegefall“ Pflege. Was tun?    S. 4     Die Linke                       S. 36

   30   .0  3.
                                                                                    Harald Lenz (1, 32), Lukas Riesenegger (2, 55,                                               Die Partei                      S. 38
                                                                               Erika Bäumler (2), Michael Beck (3, 49, 64), Helga
                                                                                                                                       Von einem Zuhause
                                                                                                                                       ins andere Zuhause               S. 6   Fachkräftemangel
                                Mitstreiter-Chefredakteur Marc Hettich         Springer-Gloning (4), Steffi Abt-Seitzer (4), Florian
                                                                             Käsbauer (6), Richard Snehotta (8), Georg Drexel (8,                                              wirksam bekämpfen                 S. 40
                                                                                                                                       Die Pflege im Wandel             S. 8
                                im Gespräch mit Pflegekräften –            9, 12, 52, 59), Alexander Ohgke (10), Alina Hille (14),                                             Zahlen & Fakten                   S. 42

   19 – 21 UHR
                                                                             Janosch Kunze (16, 17, 19), Foto Weiß (23), Gerhard       Vergessen - die Pflege von
                                anschließend offene Diskussionsrunde.     Weiß (23), Daniela Busse (24), Peter Tschochohei (27),       Demenzkanken                    S. 10   Kassenk(r)ampf?                   S. 46
                                                                              Gabriele Schimmer-Göresz (29), Daniela Fiegel (30),
                                                                                                                                       Fachärztemangel                         #DaPflegstDiNieder                S. 49
                                                                            Ruth Abmayr (35), Christoph Weber (37), Fanny Bela,
                                                                                                                                       auf dem Land                    S. 13
                                                                                                                                                                                                                 S. 50
                       Anmeldung:
                                                                         Barmer (40), privat (46, 48), Anja Schlosser (49), Jessica                                            Jeder für sich, keiner für alle
                                                                              & Bernd Scheurer (49), Helmut Wieser (49), Claudia       Wie dubiose Vermittler ausländische
                                                                                                                                                                               Neue Betätigungsfelder
                                                                             Snehotta (49), Heidi Terpoorten (49), Bergauf Media       Pflegekräfte zur Ware machen S. 16
                                                                            (49), Sebastian Kaida (49), Dr. Stephan Schwarz (49),                                              für die Pflege                    S. 52

WWW.LOKAL-FORUM.NET/MITSTREITER                                          privat (50), Hermann Mayer (52), Lukas Riesenegger (2,
                                                                                   55), Carolin Blank (56), Axel Popescu (58), Lisa
                                                                                           Wirth (60), Fynn Hehlert-Friedrich (61),
                                                                                                                                       Stimmen aus der Politik
                                                                                                                                          CSU
                                                                                                                                          FDP
                                                                                                                                                                       S. 21
                                                                                                                                                                       S. 22
                                                                                                                                                                       S. 24
                                                                                                                                                                               Personalmangel
                                                                                                                                                                               & Ramba-Zamba                     S. 54

#DaPflegstDiNieder
                                                                                                       Pflegeteam St. Michael (62)        SPD                          S. 26   Gesundheitsregion plus            S. 56
                                                                                                                                          ÖDP                          S. 28
                                                                                                      Gefördert vom                                                            Systemrelevant                    S. 58
                                                                                                                                          V-Partei3                    S. 30
                                                                                                                                          B90 / Die Grünen             S. 32   Weitere Stimmen                   S. 59
                                                                                                                                          Freie Wähler                 S. 34
                                                                                                                                                                               Hall Of Fame                      S. 63
                                                                                                                                                                                                                         3
MITSTREITER - Lokal Forum
Was wir schon seit langem wussten, hat sich

            		„PFLEGEFALL“
                                               in der Corona-Pandemie leider erschreckend                      Es gilt zu diskutieren, warum das so ist, und
                                               eindrucksvoll bestätigt: Die Krankenpflege und            welche Konsequenzen nötig sind, um dies zu än-
                                               die Altenpflege sind in unserem Land selbst zum           dern.
                                               „Pflegefall“ geworden. So konnten auch in un-

            		PFLEGE.
                                               serem Landkreis – schon vor dem Ausbruch der                    Das gegenwärtige Finanzierungssystem (sog.
                                               Pandemie – zeitweise Betten in den Kreiskliniken          Fallpauschalen) zwingt Krankenhäuser, sich mehr
                                               und den Kreisaltenheimen nicht belegt werden,             an betriebswirtschaftlichen Kriterien zu orientie-
                                               weil das nötige Fachpersonal fehlt. Der Pflegebe-         ren, als am Wohl der Patienten*innen und der Be-
           ein Beitrag                         ruf muss deshalb erheblich attraktiver gemacht            schäftigten. Diese Fehlentwicklung muss gestoppt

            		 WAS TUN?
                                               werden. Aber wie?                                         werden.
          von Werner
       Gloning (DGB                                  Die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte muss               Die Krankenversicherung muss zu einer Bür-
                                               reduziert, d.h. die Arbeitsbedingungen müssen er-         gerversicherung „ausgebaut“ werden, in die auch
    Kreisvorsitzender)                         heblich verbessert werden, und Pflegekräfte müs-          die private Krankenversicherung integriert wird.
                                               sen angemessen – also besser – bezahlt werden.            Bürgerversicherung heißt: Alle Einkommen (auch
                                               Leider fehlen bisher, trotz Lobeshymnen und sogar         die hohen) und alle Einkommensarten (nicht nur
                                               Einmalbonuszahlungen in der Corona-Krise, ent-            Arbeitseinkommen) werden zur Finanzierung he-
                                               scheidende Schritte zur Behebung des Pflegenot-           rangezogen.
                                               standes. Wohl auch, weil „gute Pflege“ nicht „zum
                                               Nulltarif “ zu haben ist und Grundversorgungs-                  Die Pflegeversicherung muss zu einer Voll-
                                               krankenhäuser schon jetzt enorme Defizite „ein-           versicherung, ähnlich der sozialen Krankenversi-
                                               fahren“. Die Günzburger Kreiskliniken zum Bei-            cherung, ausgebaut werden. Das ist sie bisher nicht
                                               spiel mehrere Millionen-Euro jährlich. In anderen         – Folge: Menschen, die stationäre Altenpflege in
                                               Landkreisen ist die Situation oft noch schlimmer.         Anspruch nehmen (müssen), müssen oft hohe Zu-
                                               Auch „unsere“ Kreisaltenheime arbeiten defizitär.         zahlungen (oft um die 2000 Euro und mehr pro
                                                                                                         Monat) erbringen.
                                                    Da stellt sich die Frage: Ist gute Pflege für alle
                                               überhaupt noch bezahlbar, ohne dass der/die Ein-              Reformen für bessere Rahmenbedingungen
                                               zelne finanziell überfordert wird?                        im Gesundheitswesen und für gute Pflege kom-
                                                                                                         men allerdings nicht von selbst.
                                                    Die Antwort lautet: Ja, wenn die Finanzie-
                                               rung solidarisch und gerecht erfolgt.                          Sie werden gegen den massiven Widerstand
                                                                                                         derer, die mit dem gegenwärtigen Gesundheitssys-
                                                      Nach Angaben der GKV (Spitzenverband               tem Profite machen, durchgesetzt werden müssen.
                                               der gesetzlichen Krankenversicherung) beliefen
                                               sich die Ausgaben der gesetzlichen Krankenver-                  Grundlegende Verbesserungen wird es nur
                                               sicherungen in Deutschland 2019 auf knapp 250             geben, wenn sich die in der Pflege Beschäftigten
                                               Milliarden Euro. Dazu kommen die Zuzahlungen              besser organisieren und gemeinsam für ihre Inter-
                               Illustration:   der Versicherten und die Ausgaben der privaten            essen kämpfen (z. B. bei Tarifverhandlungen). Und
                         Steffi Abt-Seitzer
                                               Krankenversicherungen. Es steht also ungeheuer            wenn wir alle sie dabei unterstützen. Auch im ei-
                                               viel Geld für unser Gesundheitswesen zur Verfü-           genen Interesse. Denn wir sind alle potentielle Pa-
                                               gung. Offensichtlich wird dieses Geld aber nicht          tienten*innen, die sehr schnell auf eine gute Pflege
                                               zielgerichtet im Interesse der Patienten*innen und        angewiesen sein können.
                                               der im Gesundheitswesen Beschäftigten einge-
                                               setzt.

4                                                                                                                                                               5
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Sie sprüht vor Energie, wenn sie von ihrer neuen Auf-           Man muß erstmal die ganzen Fachbegriffe ver-        „Ich verstehe nicht, warum man fürs Hintern abwi-
                              gabe berichtet. Erika ist seit 2020 als Quereinsteigerin   stehen. Die größte Hürde sind aber die buchstäbli-       schen drei Jahre Ausbildung machen muß“.
                              bei einem Krumbacher Pflegedienst tätig. Warum sie         chen Berührungsängste. Es kostet Überwindung,                  Manchen Menschen ist nicht bewußt, dass die
                              ihren neuen Job voller Hingabe macht, hat sie uns in       einen fremden Menschen anzufassen und im Intim-          Arbeit in der Pflege vor allem geistig sehr fordernd
                              einem Interview verraten.                                  bereich zu berühren.                                     ist. Abschalten fällt sehr schwer, weil man gedank-
                                                                                                                                                  lich nie so richtig frei ist.
                              Warum strahlst Du so?                                      Wie konntest Du diese Hürde überwinden?
                                   Ich bin seit nem halben Jahr in der Pflege tätig            Ich habe mir selbst die Zeit genommen, die         Kannst Du uns dafür ein Beispiel geben?
                              – in einer Wohngemeinschaft mit neun dementen              ich dafür brauchte. Das war vor allem möglich, weil            Es gab mal eine Situation, die für mich sehr
                              Klienten. Ich kann mir nix anderes mehr vorstellen.        meine Kollegen mir sehr geduldig immer wieder            schlimm war. Ich war mit einer Klientin auf der
                              Das war der Jackpot.                                       diese Zeit eingeräumt haben.                             Toilette. Mit Tränen in den Augen sagte sie: „Mei
                                                                                               Irgendwann hab ich dann selbst mal gewagt,         o mei, jetzt brauch ich sogar Hilfe, wenn i aufs Klo
                              Dabei war der Auslöser eher ein Schicksalschlag.           einen Klienten zu duschen. Ich habe es einfach           geh... Wenn mei Mutter mi so sehn würd, gäbs an
                                    Ja, ich habe – ebenfalls als Quereinsteigerin        durchgezogen – das war dann hinterher ein großes         Satz hoiße Ohra“. Meine Beschwichtigung, dass ich
                              – zuletzt in einer Druckerei gearbeitet. Aufgrund          Erfolgserlebnis für mich.                                ja dafür da sei und in ihrem Alter nicht mehr alles
                              einer Standortverlagerung hatte ich eines Tages die                                                                 funktionieren müsse, hat die Dämme nicht zurück-
                              Kündigung vor mir liegen.                                  Denkst Du, die Klienten haben Deine Unsicherheit         gehalten. Wir haben beide Rotz und Wasser geheult.
                                                                                         bemerkt?                                                 Solche Momente begleiten Dich nicht nur für ein
                              Wie bist Du dann auf die Pflege gekommen?                        Auf jeden Fall. Sie reagieren sehr sensibel und    oder zwei Tage...
                                   Das war eine plötzliche Eingebung. Ein biß-           spüren das ja auch an der Art, wie Du sie anfasst.
                                                                                         In den Blicken und Worten merkst Du ja auch eine         Ist Empathie also manchmal hinderlich, weil man

    Von einem
                              chen Mut hat es mich schon gekostet, aber ich bin
                              dann einfach mal Probearbeiten gegangen. Am                Reaktion.                                                als Pflegekraft zuviel aus dem Alltag mit nach Hause
                              zweiten Tag wäre ich am liebsten schreiend und                   Ich hatte vor Senioren schon immer großen          nimmt?
                              heulend geflohen (lacht).                                  Respekt. Irgendwann ist mir dann aber mal ein                  Empathie ist eher die Grundvoraussetzung,
                                                                                         Späßle rausgerutscht und ich dachte: „Mensch,            um diesen Job überhaupt machen zu können. Ich

    ZUHAUSE                   Warum bist Du dann doch nochmal hingegangen?
                                    Zunächst mal, weil meine Kollegen mich sehr
                              herzlich aufgenommen haben. Und weil mir am
                                                                                         überleg doch was Du sagst“. Als die Klientin dann
                                                                                         aber schallend zu lachen anfing, war mir klar: Okay,
                                                                                         jetzt bin ich bei ihr angekommen. Ein weiteres Er-
                                                                                         folgserlebnis.
                                                                                                                                                  sauge die Stimmungen jedenfalls auf wie ein nasser
                                                                                                                                                  Schwamm (lacht, denkt nach).
                                                                                                                                                        Manchmal ist das aber schon gefährlich, wenn
                                                                                                                                                  man sich bei bestimmten Klienten zu tief einlässt.

    ins andere
                              Abend sowohl die Kollegen als auch die Klienten
                              nicht mehr aus dem Kopf gegangen sind. Da hat sich                                                                  Das halbe Jahr Probezeit habe ich gebraucht, um zu
                              dann schnell rauskristallisiert: Das ist das richtige      Habt ihr genug Zeit für die einzelnen Klienten?          lernen, wann man sich selbst besser zurücknimmt.
                              für mich.                                                        Der Zeitplan ist schon recht straff. Manche Kli-
                                    Inzwischen mache ich seit einem halben Jahr          enten erfordern etwas mehr Zeit für die Pflege. Wir      Die Arbeit in der Pflege wirkt sich also auch auf die

    ZUHAUSE                   eine Weiterbildung zur Pflegehelferin. Wenn Coro-          kochen auch selbst, das ist natürlich auch zeitauf-      eigene Persönlichkeit aus?
                              na das zulässt, lege ich im April meine Prüfung ab.        wändig. Eine zusätzliche Kraft, die uns das Kochen             Ich habe mehr zu mir gefunden und seh jetzt
                                                                                         abnimmt, wäre sehr hilfreich (lacht). Wir finden         viele Dinge gelassener. Man kann sagen, ich lebe in-
                              Läuft bei Dir.                                             aber immer wieder Zeit für ein kleines Schwätzchen.      zwischen leichter – denn der Job ist sehr erfüllend,
                                    Das Lernen macht mir riesig Spaß. Es ist toll,       Das ist mir auch sehr wichtig. Ich denke, dass sich      in jeder Hinsicht. Ich geh nicht in die Arbeit, son-
                              die praktischen Erfahrungen mit den theoretischen          das in einer Wohngemeinschaft wie bei uns besser         dern von einem Zuhause in ein anderes Zuhause.
             Marc Hettich     Grundlagen zu ergänzen. Es ist gar nicht so einfach,       realisieren lässt als in einem Pflegeheim.
                              als Quereinsteigerin reinzukommen.                                                                                  Da haben wir gute Nachrichten für Erika: Engagier-
         im Gespräch mit                                                                 Unser Heft hat den Pflegenotstand zum Thema. Was
                                                                                         denkst Du dazu?
                                                                                                                                                  te Pflegekräfte wie sie werden sicher auch in Zukunft
                                                                                                                                                  gebraucht. Wer gerne mal selbst mit Erika sprechen
                              Warum?
                                                                                              Ich glaube, das sich das Bild der Pflege in der     möchte, kann das bei unserer Online-Veranstaltung
    Pf legequereinsteigerin        Ich dachte, man kommt da rein und ratscht ein
                                                                                         Gesellschaft ändern muß. In der Weiterbildung hat        18.03. via Zoom machen (siehe Seite 2).
                              bißchen mit den Leuten oder spielt „Mensch ärger
                                                                                         eine Mitschülerin erzählt, dass jemand zu ihr sagte:
           Erika Bäumler      Dich nicht“ (lacht). Aber da steckt schon deutlich
                              mehr dahinter.
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MITSTREITER - Lokal Forum
Die PFLEGE
			im WANDEL
				 ein Beitrag von Richard Snehotta
					(Snehotta Pflegeteam)
Die Pflege ist in aller Munde und das ist gut so.       Wahrnehmung vor allem die mittelständischen
Denn die Pflegeunternehmen und Pflegekräfte             und inhabergeführten Träger die Pflegelandschaft     der freien Wirtschaft. Hier wird es vor allem die    Pflege nicht mehr für jeden verfügbar sein. Für
müssen alle aktuellen und zukünftigen Heraus-           prägen. Sie übernehmen lokal Verantwortung für       Bereitschaft von Kostenträgern, Politik und Ge-      nachhaltige Verbesserungen bedarf es einer offe-
forderungen stemmen, die die demografische              Mitarbeitende und Pflegebedürftige und sind da-      sellschaft geben müssen, für professionelle Pflege   nen Diskussion um eine Neustrukturierung von
Entwicklung unweigerlich mit sich bringt: immer         mit das Rückgrat der flächendeckenden professio-     mehr Geld auszugeben. Nur so kann in Zeiten          professioneller Pflege im Lichte des Fachkräfte-
mehr Pflegebedürftige bestmöglich zu versorgen.         nellen pflegerischen Versorgung.                     großen Wettbewerbs um Fachpersonal eine gute         mangels und des Leistungsrechts, eine Flexibili-
                                                                                                             Versorgung weitestgehend sichergestellt werden.      sierung der Leistungserbringung und eine Auflö-
ALLES IN BESTER ORDNUNG?                                ES ENTSTEHT EINE                                                                                          sung der starren Grenzen zwischen ambulant und
                                                        VERSORGUNGSLÜCKE                                     MEHR VERANTWORTUNG                                   stationär. Innovative Versorgungskonzepte sollten
Wirft man einen Blick in die aktuelle Pflegestatistik                                                        FÜR PFLEGEFACHKRÄFTE                                 vom Staat und den Kostenträgern gefördert und
aus dem Jahr 2017, dann kann der Eindruck ent-          Trotzdem gibt es immer wieder Berichte über die                                                           unterstützt werden.
stehen, die pflegerische Versorgung sei gesichert.      Ablehnung von Versorgungsanfragen und feh-           Schon jetzt scheitert eine bessere Bezahlung der
Die Zahl ambulanter Einrichtungen (66 Prozent           lendes Fachpersonal. Unzählige Untersuchungen,       Pflegekräfte besonders im ambulanten Bereich am      PFLEGE BRAUCHT VERTRAUEN
davon in privater Trägerschaft), teilstationärer        Statistiken und Expert*innenmeinungen zeigen,        Widerwillen der Kassen, die sich oft weigern, die
und vollstationärer (43 Prozent davon in privater       dass die sichere Versorgung mit professioneller      Kosten zu refinanzieren. Um den Beruf insgesamt      Noch stehen wir am Anfang einer bedrohlichen
Trägerschaft) Einrichtungen ist angestiegen und         Pflege in Deutschland für die Zukunft nicht mehr     attraktiver zu machen, sollte neben einer besseren   Entwicklung für die Pflege in Deutschland und
vor allem die Investitionen privater Pflegeunter-       als selbstverständlich genommen werden kann.         Bezahlung und Verbesserung der Arbeitsbedin-         haben die Chance, ihr konsequent entgegenzutre-
nehmen haben zugenommen. Dabei zeigt sich,              Schon jetzt tut sich eine Versorgungslücke auf und   gungen auch der Übertragung von Verantwortung        ten. Wenn es die Politik mit der Sicherstellung der
dass entgegen der öffentlichen und politischen          die Gründe dafür sind vielfältig.                    an Pflegefachkräfte mehr Gewicht verliehen wer-      flächendeckenden Versorgung mit professioneller,
                                                                                                             den. Neben der Übergabe heilkundlicher Aufga-        wohnortnaher und bedarfsgerechter Pflege ernst
                                                        DER MARKT AN                                         ben müssen komplett eigene Zuständigkeits- und       meint, muss dringend ein Umdenken stattfinden.
                                                        PFLEGEFACHKRÄFTEN IST LEER                           Kompetenzbereiche in die Verantwortung der           Das bedeutet auch, dass die mittelständischen
                                                                                                             Pflegefachkräfte gegeben werden, wie z.B. die Ver-   Unternehmen am Markt gestärkt werden müs-
                                                        Der Personalmangel ist das drängendste Problem       ordnung häuslicher Krankenpflege und Rezeptie-       sen. Politische Entscheidungen sollten daher auf
                                                        der Pflegebranche. Aktuelle Zahlen und Progno-       rung von Inkontinenzmaterial.                        Basis von Wertschätzung für die professionelle
                                                        sen machen deutlich, dass es sich um eine flä-                                                            Pflege getroffen werden. Reglementierungen und
                                                        chendeckende Entwicklung handelt, die sich in        FLEXIBLERE LEISTUNGEN FÜR EINE                       Gängelungen dürfen nicht das Gebot der Stunde
                                                        den nächsten Jahren noch deutlich verschärfen        STABILE VERSORGUNG                                   sein, denn sie führen zu Misstrauen und Bürokra-
                                                        wird. Das Gesundheitswesen und die Altenpflege                                                            tieaufbau. Es bedarf stattdessen einer nachhalti-
                                                        im Besonderen stehen dabei vor großen Heraus-        Bleibt es bei dem fest gefügten System von fixen     gen personellen, strukturellen und finanziellen
                                                        forderungen, weil Preise nicht frei kalkulierbar     Personalschlüsseln, Fachkraftquoten und regu-        Stärkung der professionellen Pflege, damit jeder,
                                                        sind und somit auch Lohnentwicklungen nicht          liertem Leistungsangebot, wird sich die Versor-      der professionelle Pflege braucht, diese auch in
                                                        so dynamisch vollzogen werden können wie in          gungslücke weiter vergrößern und professionelle      Zukunft bekommt.

                                                                                                                                                                                                                        9
MITSTREITER - Lokal Forum
gesagt: Die Demenz und die Dementen können
                                                                                                                                                                       nicht einfach weggesperrt werden. Vielmehr muss
                                                                                                                                                                       es darum gehen, Fürsorge und Respekt auf einen
                                                                                                                                                                       gemeinsamen Nenner zu bringen.

                                                                                                                                                                             Einblick kann ein Gespräch mit dem Ge-
                                                                                                                                                                       schäftsführer der Ökumenischen Sozialstation
                                                                                                                                                                       Günzburg und Pflegenden im Ernst Ott-Senio-

                                                                   DIE                                                                                                 renzentrum vermitteln. Dort hinein zu kommen,
                                                                                                                                                                       geht nur, wenn die Eingangstür von innen geöff-
                                                                                                                                                                       net wird. Es ist ein geschützter Raum, in dem die
                                                                   PFLEGE                                                                                              Bewohner sich zugleich frei bewegen können.
                                                                                                                                                                       Würde die Tür nach außen immer offen sein, wä-

                                                                   VON                                                                                                 ren sie draußen hilf- und orientierungslos.

                                                                                                                                                                       DIE BEDÜRFNISSE DER BEWOHNER
                                                                   DEMENZ-                                                                                             ALS MAßSTAB DER PFLEGE

                      ein Beitrag von                              KRANKEN                                                                                                   Hier schon wird das Spannungsfeld deutlich,
                                                                                                                                                                       in dem das Pflegepersonal agiert. Zum einen soll
                      Alexander                                                                                   Gesprächspartner im Ernst-Ott-Seniorenzentrum:       für Schutz und bestmögliche Betreuung gesorgt

                      Ohgke                                  Nun dürfte Demenz erstmal kein großes
                                                                                                                  Stefan Riederle, Geschäftsführer der Ökumenischen    werden, zum anderen gilt es, Freiheit und persön-
                                                                                                                                                                       liche Würde zu bewahren. Da kann es keine für
                                                                                                                  Sozialstation Günzburg (l.o.)
                                                        Thema sein, trifft sie doch vor allem ältere und                                                               alle gleich verbindlichen Regeln geben, etwa wann
                                                                                                                  Irmgard Jurschka, Betreuungsfachkraft (r.o.)
                                                        alte Menschen. Zwar will jede und jeder alt wer-                                                               jemand aufsteht oder zum Essen geht. Arbeitsab-
                                                                                                                  Tina Henne, Pflegefachkraft (l.u.)
                                                        den, aber alt, so richtig alt will keiner sein. Und alt                                                        läufe sind nicht von vornherein fest planbar. Die
                                                                                                                  Monika Jansen, Pflegedienstleiterin (r.u.)
                                                        sind immer die anderen. Das ist wohl ein großer                                                                Pflege richtet sich nach den Bedürfnissen der Be-
          Demenz tritt auf als Folge einer Krankheit    Irrtum.                                                                                                        wohner, wobei dies keineswegs nur materielle sind
     des Gehirns mit Störung vieler Funktionen wie                                                                dreißig Jahren, so ist sie heute nahezu dreimal so   (die sind vergleichsweise leicht zu erfüllen). Es ist
     Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung,           Die Fortschritte in der Medizin haben dazu           hoch. Damit einhergeht, dass 2013 in Deutsch-        das Verlangen nach Zuwendung und emotionaler
     Rechnen, Lernfähigkeit, Sprechen und Urteilsver-   geführt, dass wir alle länger leben. Das hohe Alter       land 1,2 Millionen Menschen von Demenz be-           Wärme – zu spüren, dass die Pflegerin und der
     mögen.                                             war früher die Ausnahme, heute ist es ein Mas-            troffen waren. 2050 werden es mehr als doppelt so    Pfleger ganz für einen da sind. Solche Wünsche
                                                        senphänomen. Lag die durchschnittliche Lebens-            viele sein (1). Jeder dritte Mann und jede zweite    zu erfüllen ist beileibe nicht immer leicht, und es
           Das Ernst-Ott-Seniorenzentrum liegt neben    erwartung bis ins 19. Jahrhundert nur bei etwa            Frau muss damit rechnen, an Demenz zu erkran-        gibt auch schwierige und konfliktträchtige Situa-
                                                                                                                  ken. Demenz gehört zum Älterwerden und zum

                                                                                                    “
     dem Hindenburgpark am südlichen Ortsrand von                                                                                                                      tionen. Da kann es durchaus auch um Sexualität
     Ichenhausen. Träger ist die Ökumenische Sozi-                                                                Altsein.                                             gehen. Dann sind professionelle Beratung und
     alstation im Landkreis Günzburg, eine Einrich-                                                                                                                    Unterstützung vonnöten.
     tung der katholischen und evangelischen Kirche.              Andenken                                             Wer aber soll sich um die Alten, Kranken,
     Das Seniorenzentrum ist benannt nach Ernst Ott,                                                              Dementen kümmern, wenn immer mehr Men-               EINE LANZE FÜR DEN PFLEGEBERUF
                                                                  Es reiche aber,
     der 1934 das Ziegelwerk in Autenried gründete,                                                               schen immer häufiger in Vollzeit arbeiten oder ar-
     aus dem dann später die Creaton AG hervorging.               Des dunkeln Lichtes voll,                       beiten müssen? Das ist leider keine banale Frage,

                                                        „
                                                                                                                                                                            Pflegerin/Pfleger zu sein ist kein einfacher
     Seine Witwe Martha Ott gründete 1994 die „Ernst              Mir einer den duftenden Becher,                 die unverbindlich in Sonntagsreden beantwortet       Beruf; es wird viel verlangt, wenn auch viel zu-
     und Martha Ott-Stiftung“, die mit einer Spen-                Damit ich ruhen möge; denn süß                  werden kann. „Ob wir imstande sind, humane,          rückgegeben wird. Allerdings ist eine entspre-
     de den Bau des Seniorenzentrums ermöglichte.                                                                 menschenfreundliche Wege des Umgangs mit De-         chende Gegenleistung seitens der Gepflegten
                                                                  Wär’ unter Schatten der Schlummer.
     Heute leben dort 32 Bewohner, die an Demenz                                                                  menz zu entwickeln, wird über unsere kulturelle      nicht immer selbstverständlich und Enttäuschun-
     erkrankt sind.                                               (Friedrich Hölderlin)                           und soziale Zukunft entscheiden.“ (2) Anders         gen sind unvermeidlich. Es ist da schon eine be-

10                                                                                                                                                                                                                             11
MITSTREITER - Lokal Forum
FACHÄRZTEMANGEL
rechtigte Frage, ob mit gutem Gewissen verlangt       sein wollen? Die Bezahlung ist zumindest bei der
werden kann, dass Pfleger*innen in Vollzeit 39        Sozialstation Günzburg gut, es gibt vorzügliche
Stunden in der Woche arbeiten, vor allem, wenn        Aufstiegsmöglichkeiten, der Arbeitsplatz ist ganz
bedacht wird, wie hoch deren emotionale Belas-        gewiss krisenfest.
tung ist. Wenn „Pflegebedürftige als autonome

                                                                                                                        AUF DEM LAND
Personen zu ihrem Recht auf Selbstbestimmung               Es ist wichtig zu verstehen, dass der Pfle-
kommen“ sollen, dann gilt auch: „Koste es, was es     geberuf, so anspruchsvoll und fordernd er ist,
wolle.“ (3)                                           durchaus persönliche Zufriedenheit vermittelt.
                                                      Anderen zu helfen hilft einem auch selber, gera-
      Das Pflegepersonal muss auch mit den An-        de in unsicheren Zeiten. Was eine Pfleger*in bei
gehörigen zurechtkommen. Wird ein Besucher            denen erreichen kann, für die sie oder er da ist,
nicht erkannt, so ist das meist kein Problem für
den Demenzkranken, der in seiner eigenen Welt
                                                      haben die Rolling Stones so besungen (dies für
                                                      Altrocker und solche, die es noch werden wollen,
                                                                                                                        e in Er f ahr ung s b e r i cht v o n Alin a Hi l l e
lebt. Auch haben vermutlich weniger die Bewoh-        Demenz hin oder her):
ner des Seniorenzentrums unter den Corona-be-
dingten Besuchseinschränkungen gelitten als ihre      “After all is said and done

                                                                                                                                               ?
Familienmitglieder und Freunde, die sich nicht so
                                                      I gotta move, it‘s still fun.” (4)
kümmern konnten, wie sie es wollten.

                                                      _______________________________________
      Und da ist auch der „Pflegenotstand“ anzu-      (1) Reimer Gronemeyer Demenz: Wir brauchen eine andere
sprechen. Während der Coronakrise wurden die          Perspektive! In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 4-5/ 2013 (Ja-
Pflegekräfte gelobt und beklatscht für das, was       nuar 2013), S. 36-40, hier S. 37; (2) ebd., S. 36; (3) Thomas
sie tagtäglich leisten – freilich nicht nur in Kri-   Noetzel, Grundrecht auf Pflege? In: Aus Politik und Zeitge-
senzeiten. Wie ist der Nachwuchs für einen Beruf      schichte, 33-34/ 2019 (August 2019), S. 12-17, hier S. 17; (4)
                                                      Before they make me run. Aus: Rolling Stones, Some Girls
zu gewinnen, der zwar hoch anerkannt ist, aber
                                                      (1978)
in dem dann doch nur wenige/zu wenige tätig

                                                                                                                                                                                13
MITSTREITER - Lokal Forum
Von Krumbach nach München und wieder                    Die lange Fahrt dorthin, auch mit dem Kran-     ABDECKUNG MIT FACHÄRZTEN IM LANDKREIS GÜNZBURG
     zurück. Für einen Kontrolltermin. Warum ich das        kenwagen, kann mich wertvolle Zeit kosten. Über
     in Kauf nehme? Weil ich muss.                          einen solchen Fall möchte ich mir jedoch nicht
                                                                                                                  Diese Karte zeigt die im             X Augenärzte                       X Kinder- und Jugendärzte
                                                            allzu viele Gedanken machen. Im Moment geht es
          Ich bin 20, von Geburt an habe ich einen                                                                Landkreis Günzburg aktiven
                                                            mir so gut, wie es eben möglich ist. Ich weiß, dass                                        X Chirurgen/Orthopäden             X Nervenärzte/Neurologen/Psychiater
     Herzfehler. Trikuspidalklappenatresie mit Herz-                                                              Fachärzte. Die Zahlen ste-
                                                            das nicht immer so war und auch nicht immer so
     klappeninsuffizienz Typ 1B nennt sich das. Oder                                                              hen nicht für die Anzahl der
                                                            sein wird – doch wer krank ist, darf nicht nur da-                                         X Frauenärzte                      X Psychotherapeuten
     auf Deutsch: Ich bin bloß mit einem halben Herz                                                              Praxen, sondern für die Zahl
                                                            ran denken, was alles passieren könnte. Dennoch
     zur Welt gekommen.                                                                                           der Mediziner, die ggf. auch         X Hautärzte                        X Urologen
                                                            spüre ich den Fachärztemangel oft genug. Ich
                                                                                                                  in einer Praxis gemeinsam
                                                            muss viel Fahrzeit für einen simplen Arzttermin
            Der Herzfehler ist recht selten und sehr spe-                                                         agieren.                             X HNO-Ärzte
                                                            investieren. Da oft noch Wartezeiten hinzukom-
     ziell, es gibt nur wenige Kardiologen, die mich
                                                            men und die Untersuchungen ebenfalls Zeit in
     behandeln können. So zum Beispiel in Augsburg.                                                               Quelle: Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern, www.kvb.de, Stand 07.08.2020
                                                            Anspruch nehmen, bedeutet das für mich, dass
     Dort war ich lange Zeit als ambulante Patientin.
                                                            ich einen ganzen Tag für einen Arztbesuch brau-
     Doch das Krankenhaus in Augsburg ist ein Kin-
                                                            che. Ein Tag, an dem ich mir extra frei nehmen
     derklinikum und daher muss ich jetzt jedes halbe
                                                            muss.
     Jahre nach München ins Deutsche Herzzentrum.
     Denn mein Herz muss immer wieder auf mögli-                  Mittlerweile besitze ich ein eigenes Auto,
     che Komplikationen untersucht werden. Sollte es        was mir diese Fahrten in angemessener Zeit über-
     zu Schwierigkeiten kommen, kann ich nur von            haupt erst ermöglicht. Müsste ich nämlich die öf-
     Fachärzten behandelt werden, die es in Krumbach        fentlichen Verkehrsmittel nach München nutzen,
     und Umgebung nicht gibt. Das heißt, auch im            würde mich dies vor große Herauforderungen                                                 GÜNZBURG
     Notfall muss ich in eine Spezialklinik.                stellen. Die Fahrtzeiten würden sich dabei min-                                    6   8   8   4   2
                                                                                                                               1                                                      BURGAU
                                                            destens verdoppeln. Wie viel Stress und Belastung                                  5 10 17 6
                                                            die Kontrolltermine in meiner Kindheit für mei-                   LEIPHEIM                                    2       1   2    1
                                                            ne Mutter bedeutet haben, wird mir erst heute so
     Alina ist                                              richtig klar.
     Vorstandsmitglied                                                                                                                                                                    1
     und Schatz-                                                  Selbst nach Augsburg beträgt die Fahrtzeit
                                                                                                                                                                                          JETTINGEN-
     meisterin des                                          insgesamt zwei Stunden. Deshalb musste sich                                                                                   SCHEPPACH
     Lokal-                                                 meine Mutter auch einen Tag frei nehmen und
                                                                                                                                                       1   1ICHENHAUSEN
     Forum e.V.                                             sich außerdem noch um eine Betreuung für mei-
                                                            ne Geschwister kümmern. Hinzu kam natürlich
                                                            die psychische Belastung. Was sagen die Ärzte? Ist
                                                            alles gut? Muss ich im Krankenhaus bleiben?

                                                                 Musste ich tatsächlich im Krankenhaus blei-
                                                            ben, besuchte mich meine Mutter täglich - trotz
                                                            des weiten Wegs, ihrer Arbeit, dem Haushalt und
                                                            zwei kleinen Kindern daheim.                                                                                                           2
                                                                                                                                                                                                       THANN-
                                                                                                                                                                                  URSBERG              HAUSEN
                                                                  So wie mir geht es vielen Menschen aller Al-
                                                                                                                                                                                               1   1
                                                            tersgruppen. Ich bin dankbar, dass es die Möglich-                                                           KRUMBACH
                                                            keit gibt, meinen Herzfehler zu behandeln. Gerne
                                                                                                                                                                2 10 4        2
                                                            fahre ich weit für meine Gesundheit. Es ist aber
                                                                                                                                                                1   3   1 11
                                                            ein riesiges Problem, dass viele Fachärzte nur in
                                                            den größeren Städten praktizieren.

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MITSTREITER - Lokal Forum
WIE DUBIOSE
           VERMITTLER                                                                      Anderthalb Jahre lang schuftet Johanna Sa-
                                                                                     linas für einen Traum, der in Deutschland nach
                                                                                     wenigen Wochen scheitern wird. Als Pflegekraft

         AUSLÄNDISCHE
                                                                                     im Ausland will sie sich und ihrer Familie ein
                                                                                     neues Leben aufbauen. Die Pflegerin kündigt ihre
                                                                                     Arbeit in einem Krankenhaus ihrer Heimatstadt          FRAGWÜRDIGE VERMITTLER
                                                                                     im Süden Kolumbiens. Mit voller Energie ver-
                                                                                     schreibt sie sich stattdessen dem Deutschlernen.             Die Corona-Pandemie hat noch einmal ein

         PFLEGEKRÄFTE
                                                                                     Sie nimmt einen Kredit auf, um die Gebühren für        Brennglas auf ein schon zuvor drängendes Prob-
                                                                                     die Prüfungen zu bezahlen. Sie stimmt ihre Kin-        lem gelegt: Deutschland hat zu wenig Pflegekräfte.
                                                                                     der auf ein neues Leben ein.                           Die Folgen des Personalnotstandes sind alarmie-
                                                                                                                                            rend: Unterbesetzung und ständige Überstunden

     ZUR WARE MACHEN
                                                                                          Anfang 2020 ist es so weit. Johanna Salin-        gefährden nicht nur die Versorgung der Patienten,
                                                                                     as reist nach Deutschland und beginnt in einer         sondern treiben Pflegekräfte sogar aus dem Beruf.
                                                                                     Hamburger Klinik zu arbeiten. Doch der neue            Mehrere Studien haben nachgewiesen, dass in
                                                                                     Alltag ist anders als erwartet.                        Abteilungen mit weniger Personal die Sterberate
                                                                                                                                            steigt.
                                                                                           „Schon in Kolumbien habe ich gespürt, dass
                                                                                     der Vermittler keine Erfahrung hatte. Aber ich be-          In einer aufwändigen Recherche hat COR-
                                                                                     schloss, ihm einen Vertrauensvorschuss zu geben“,      RECTIV gemeinsam mit Partnern in Kolumbi-
                                                                                     sagt Johanna Salinas, die eigentlich anders heißt,     en, Mexiko, Serbien und Spanien sowie mit Lo-
                                                                                     heute im Gespräch mit CORRECTIV. „Ich musste           kalzeitungen in Deutschland herausgefunden,
                                                                                     seine Unerfahrenheit am eigenen Leib erfahren.“        wie angesichts des Pflegenotstands weltweit nach
                                                                                                                                            Fachkräften gesucht wird und wie brutal das Ver-
                                                                                            Nach wenigen Tagen in Deutschland ver-          mittlungsgeschäft für die Opfer sein kann.
                                                                                     zweifelt die Krankenschwester. Ihr Deutsch, für
                                                                                     das sie so hart gearbeitet hat, reicht nicht für die        1,7 Millionen Pflegerinnen und Pfleger arbei-
                                                                                     Arbeit. Das macht ihre neuen Kollegen oft wü-          teten 2018 in deutschen Gesundheitseinrichtun-
                                                                                     tend. Ihr Visum ist nur kurze Zeit gültig, der Ar-     gen – aber das reicht nicht. Laut einer Schätzung
                                                                                     beitgeber und der Vermittler lassen sie mit der        des Bundesinstituts für Berufsbildung werden
                                                                                     Bürokratie der Behörden alleine. „Das Kranken-         im Jahr 2035 bundesweit 270.000 Kräfte fehlen.
                                                                                     haus hat mich überhaupt nicht unterstützt“, sagt       Krankenhäuser suchten schon vor der Pandemie
                                Die zweite Welle der Corona-Pandemie verdeut-        Salinas. Zudem verweigern die Banken ihr ein           verzweifelt Personal, das sie in Deutschland nicht
      ein Beitrag von Olaya     licht gerade, wie kritisch der Mangel an Pflege-     Konto. Eine Bank sagt, sie als Kolumbianerin kön-      finden.
       Arüeso und Frederik      kräften ist. Eine Recherche von CORRECTIV und        ne ja Drogenhändlerin oder Mitglied einer Gue-
                                                                                     rilla sein.                                                 Und auch im Ausland ist es schwer genug,
                                weiteren Partnern zeigt: Krankenhäuser versuchen
      Richter (correctiv.org)   händeringend, Pflegekräfte in Südamerika, auf dem                                                           überhaupt noch Pflegekräfte anzuwerben. Auf
                                Balkan und Asien anzuwerben. Ein lukratives Ge-           Am Ende fragt sie ihren früheren Chef in Ko-      dem Balkan und in Südeuropa gibt es kaum noch
              Illustrationen:   schäft für Vermittler – von denen einige Geschäfte   lumbien, ob sie ihre alte Arbeit wieder haben kann     verfügbares Personal. Daher suchen die Kranken-
                                um jeden Preis machen. Ein Preis, den die Pflege-    und kauft nach nur einem Monat in Deutschland          häuser in immer ferneren Ländern, in Südameri-
             Janosch Kunze      kräfte zahlen.                                       ein Flugticket zurück in ihre Heimat.                  ka und Asien.

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MITSTREITER - Lokal Forum
KOPFPRÄMIE FÜR PFLEGERINNEN

           Bis zu 15.000 Euro zahlen Kliniken als Kopf-         Bei der Anwerbung ausländischer Pfle-
     prämie an Vermittler, die sich weltweit auf die       gekräfte gibt es ein wiederkehrendes Problem:
     Jagd nach gut ausgebildetem Fachpersonal bege-        Die Kosten für den Sprachkurs, die Reise nach
     ben. Aber das Versprechen von einem neuen Le-         Deutschland, das Anerkennungsverfahren und
     ben ist an fragwürdige Konditionen geknüpft. Zu       die Vermittlungsgebühren summieren sich pro
     spüren bekommen die Pflegerinnen und Pfleger          Pflegekraft auf einen fünfstelligen Betrag.
     das, wenn sie den Arbeitgeber wechseln wollen.
     Dann müssen sie die Kosten ihrer Anwerbung er-             Krankenhäuser fürchten, dass sich die Aus-
     statten – ihre Zeit in Deutschland beginnt also mit   gaben nicht lohnen, weil die ausländischen Be-
     einer Schuld, die sie abtragen müssen.                schäftigten nur einige Monate bleiben und dann
                                                           zurückreisen oder zu einem anderen Arbeitgeber
           „Das grenzt meiner Meinung nach schon           wechseln könnten. Manche Krankenhäuser wie
     teilweise an modernen Menschenhandel, wie man         auch Vermittler bürden dieses Risiko vollständig            Auch in einem weiteren von CORRECTIV             – 15.000 Euro unter anderem für Vermittlungsge-
     mit den Nöten und Sorgen der Menschen umgeht          den Pflegekräften auf: Sie sollen Knebelverträge       und seinen Partnern recherchierten Fall hat ein       bühr und Kosten der Sprachkurse – den Kliniken
     und daraus eben Profit schlägt“, sagt Isabell Hal-    unterschreiben, damit sie diese Kosten in solchen      Kleinunternehmer versucht, auf dem boomenden          anteilig zurückzuzahlen, wenn sie vor Ablauf von
     letz, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft        Fällen selber tragen müssen, sollten sie ihren Ar-     Vermittlungsmarkt schnelles Geld zu verdienen         fünf Jahren den Arbeitgeber wechseln.
     Ausländische Pflegekräfte.                            beitsplatz wechseln.                                   und dabei das ganze Risiko auf die Pflegekräfte
                                                                                                                  abgewälzt. Dieser arbeitet mit einer Klinik in Ost-        Christiane Brors, Professorin für Bürgerli-
          Die Zahl der Anerkennungsanträge von Ab-         KNEBELVERTRÄGE,                                        bayern zusammen, die neue Pflegekräfte im Aus-        ches Recht und Arbeitsrecht an der Universität
     schlüssen aus Nicht-EU-Staaten steigt seit einigen                                                           land suchte.                                          Oldenburg, ist deutlich in ihrer Bewertung der
                                                           DAMIT SICH DIE KOSTEN RENTIEREN
     Jahren rasant. Beantragten 2012 noch weniger als                                                                                                                   Verträge: „Das ist moderne Schuldknechtschaft.
     500 ausländische Pflegekräfte eine Zulassung in                                                                    Anfang des Jahres begann eine Gruppe me-        Wie soll ein Arbeitnehmer, der vielleicht etwas
                                                                CORRECTIV konnte Unterlagen einsehen,
     Deutschland, waren es 2019 schon etwa 12.000.                                                                xikanischer Pflegekräfte ihren Dienst in einer Ein-   mehr als Mindestlohn verdient, solche Summen
                                                           die mehrere Fälle belegen. Meistens geht es um
     Damit boomt auch das Vermittlungsgeschäft und                                                                richtung des Unternehmens. Doch zuvor mussten         zurückzahlen?“ Die Pflegekräfte, die ihre Heimat
                                                           etwa 15.000 Euro, die so etwas wie die aktuellen
     mehr als hundert Millionen Euro im Jahr. Ein                                                                 sie auf dem Weg in ein neues Leben in Deutsch-        aufgegeben haben, wären also erst einmal für fünf
                                                           Standardkosten für die Anwerbung ausländischer
     weitgehend unregulierter Markt. Der aktuelle                                                                 land nach Recherchen von CORRECTIV erst ein-          Jahre an einen Arbeitgeber gekettet.
                                                           Pflegekräfte zu sein scheinen. In einem Fall stellte
     Boom zieht auch unseriöse Geschäftsleute an, die                                                             mal einen kuriosen Umweg einlegen. Denn der
                                                           ein Krankenhaus einer asiatischen Pflegerin, die
     mit falschen Versprechungen arbeiten.                                                                        Sprachkurs, den die in Dortmund ansässige Ver-              Gewerkschaften und Parteien fordern, den
                                                           kündigen wollte, neben den Kosten für Deutsch-
                                                                                                                  mittlerfirma arrangierte, fand in Bosnien-Herze-      Pflegeberuf durch ein erhöhtes Gehalt attraktiver
                                                           stunden und Reisen sogar den Lohn in Rechnung,
                                                                                                                  gowina statt.                                         zu machen. Expert*innen sehen eine Lösung dar-
                                                           den das Krankenhaus während ihrer Einarbeitung
        Nurses for Sale ist eine von CORRECTIV                                                                                                                          in, die Kosten für die teure Anwerbung ausländi-
                                                           ihren Kollegen zahlte – „Praxisanleiterstunden“
        koordinierte Recherche. Redaktionen aus                                                                         Anstatt also nach dem Unterricht an der         scher Pflegekräfte vom Sozialsystem aufzufangen.
                                                           nannte das Krankenhaus das.
        fünf Ländern in Europa und Lateinameri-                                                                   Kasse eines deutschen Supermarkts die neu ge-         Dann wären womöglich Pflegekräfte wie die Ko-
        ka haben an der Recherche über die An-                                                                    lernten Wörter direkt anzuwenden, schnappten          lumbianerin Johanna Salinas besser vor Ausbeu-
                                                                 In extremen Fällen verpflichten Kranken-
        werbung ausländischer Pflegekräfte durch                                                                  die Pflegekräfte während ihrer sechs Monate in        tung geschützt.
                                                           häuser Pflegekräfte, fünf Jahre bei ihnen zu arbei-
        deutsche Krankenhäuser teilgenommen.                                                                      Banja Luka erst einmal etwas Bosnisch auf. In
                                                           ten, wie CORRECTIV vorliegende Verträge zei-
                                                                                                                  Banja Luka wird versucht, dort eine Ausbildungs-           Im aktuellen System hat Deutschland nicht
                                                           gen. Kündigen sie vorher, müssen sie Kosten von
        Alle Ergebnisse finden Sie auf                                                                            stätte für internationale Pflegekräfte mit dem Ziel   nur Probleme, die Fachkräfte im eigenen Land
                                                           ebenfalls etwa 15.000 Euro anteilig zurückzahlen.
                                                                                                                  Deutschland zu etablieren.                            abzusichern. Deutschland nimmt auch anderen
                                                           In einem Vermittler-Vertrag legt eine Klausel fest,
                WWW.CORRECTIV.ORG                                                                                                                                       Ländern Pflegekräfte weg, die diese mitunter für
                                                           dass die Pflegekraft während des Deutschkurses
                                                                                                                        Arbeitsrechtlerinnen halten Verträge von        die Versorgung im eigenen Land benötigen. Denn
                                                           maximal fünfzehn Tage krank sein darf. Sonst ver-
        CORRECTIV arbeitet gemeinnützig und                                                                       der Vermittlungsfirma mit den Pflegekräften teil-     nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie hat sich
                                                           liert der Vertrag, geschlossen mit Pflegekräften,
        finanziert sich über Spenden.                                                                             weise für nicht rechtens. Etwa wenn sich Pflege-      der Mangel an Pflegepersonal weltweit verschärft.
                                                           die ihr Leben in ihrer Heimat bereits aufgegeben
                                                                                                                  kräfte verpflichteten, die Kosten ihrer Anwerbung
                                                           haben, seine Gültigkeit.

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GAB ES AUCH IM LANDKREIS GÜNZBURG:

         ILLEGALER PFLEGE-
       VERMITTLER ZU HAFT-
         STRAFE VERURTEILT                                                                                     Stimmen  aus

                                                                                                               Politik
                                       ein Beitrag
                                        von Marc
                                                               Nach einem aufwändigen Prozess, in dem
                                                                                                                      der
                                           Hettich        Fälle aus den Jahren 2009 bis 2014 beleuchtet
                                                          wurden, verurteilte das Landgericht Augsburg
          Die Überraschung dürfte groß gewesen sein:      den Vermittler im November 2017 zu einer drei-
     In zahlreichen Briefkästen fanden die Empfänger      jährigen Haftstrafe.
     Post von der Augsburger Staatsanwaltschaft vor.
     Dabei ging es aber nicht etwa um ein Knöllchen            Der Mann legte jedoch Revision ein, die zu-
     wegen überhöhter Geschwindigkeit, sondern um         mindest teilweise erfolgreich war: Der BGH hob
     den Verdacht auf Sozialversicherungsbetrug. Auf      das Augsburger Urteil auf und setzte eine Neube-
     die Einstellung des Verfahrens folgte dann jedoch    rechnung der Schadenshöhe an.
     einige Wochen später weitere Post – diesmal von
                                                                                                                                             r relevanter Parteien
                                                                                                               Wir haben Politiker alle
     der deutschen Rentenversicherung, mit der Auf-              Auf Grund des fortgeschrittenen Alters des

                                                                                                                                            rem Standpunkt zum
     forderung, mehrere Tausend Euro nachzuzahlen.        heute 74-jährigen Täters, sowie der Tatsache, dass
                                                          das Verfahren schon lange zurücklag, und um den      aus der Region nach Ih
           Zahllose Menschen, die ihren Eltern einen      Beteiligten einen erneuten aufwändigen Prozess
                                                                                                                   em a Pfl eg en ot st an d  befragt. Jeder Partei
     Lebensabend in den eigenen vier Wändern er-          zu ersparen, wurde das erneute Verfahren einge-       Th
                                                                                                                                            zur Verfügung gestellt.
     möglichen wollten, wurden Opfer eines illegalen
     Models der Pflegevermittlung. Georg R. aus dem
                                                          stellt.
                                                                                                               haben wir zwei Seiten
     südlichen Landkreis Günzburg betrog die Sozi-              Im Juli 2020 wurde der Mann allerdings ein
     alversicherungskassen durch seine Methode um         zweites Mal verurteilt. In diesem neuen Prozess
     Hundertausende Euro. Er meldete die von ihm          ging es um 175 weitere Fälle aus den Jahren 2015
     vermittelten Pflegekräfte aus Osteuropa nicht ent-   bis 2017.
     sprechend an. Besonders perfide: Die Verantwor-
     tung ging durch die Vertragsbedingungen auf die            In diesem Zeitraum hatte der Täter die Pfle-
     Familien über, die die Pflegekräfte beschäftigten.   gekräfte jedoch selbst schwarz angestellt. Der So-
     Im Glauben, eine professionellen Vermittlung zu      zialversicherungs-Schaden beläuft sich auf rund
     nutzen, stellten die Opfer des Mannes die ordent-    1,5 Millionen Euro. Für diesen Tatbestand muß
     liche Anmeldung gar nicht erst in Frage.             Georg R. eine dreijährige Haftstrafe verbüßen.

                                                          Quelle: Augsburger Allgemeine 17.08.2020

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SITUATIONS-
                                                                                                                                                                     Zur Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit
                                                                                                               AUFGABEN FÜR DIE ZUKUNFT                              und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ge-
                                                                                                                                                                     hört es, dass die Diensteinteilung frühzeitig und
                                                                                                               Eine ganz große Herausforderung besteht darin,        planbar erfolgt. Oft werden Mitarbeiter aus der

     ANALYSE UND
                                                                                                               dass ausreichend Menschen für den Pflegeberuf         Freizeit geholt, da kurzfristig Personalengpässe
                                                                                                               gewonnen und begeistert werden können. Hierzu         entstehen. Mit fest eingeplanten und bezahlten
                                                                                                               gehören unter anderem Wertschätzung, bessere          Springer- oder Reservediensten könnte dem be-
                                                                                                               Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen.                gegnet werden.

     ZUKUNFTS-                                                                                                 Seit dem 01.01.2020 ist die Pflegeausbildung neu
                                                                                                               geregelt. Aus der Krankenpflege, Kinderkranken-
                                                                                                               pflege und der Altenpflege ist eine generalistische
                                                                                                                                                                     Die Vorteile des Pflegeberufes sollten in der Öf-
                                                                                                                                                                     fentlichkeit mehr bekannt und damit geworben
                                                                                                                                                                     werden. So gibt es wohl kaum einen krisenfes-

     AUFGABEN
                                                                                                               Ausbildung mit dem Abschluss als Pflegefachfrau       teren Arbeitsplatz. Pflegekräfte werden in ganz
                                                                                                               bzw. Pflegefachmann geworden. Die bisherige           Deutschland gebraucht. Auch wer seinen Wohn-
                                                                                                               Krankenpflegeschule in Günzburg und die Alten-        ort verändern möchte, wird innerhalb kurzer Zeit
                                                                                                               pflegeschule in Ursberg können nun als Pflege-        wieder eine neue Arbeitsstelle finden.
                                                                                                               fachschulen umfassend ausbilden. Musste früher

     ein Beitrag von Johanna Herold und Gerhard Weiß                                                           noch ein Schulgeld bezahlt werden, so bekommen
                                                                                                               Auszubildende zwischenzeitlich ein Gehalt von
                                                                                                                                                                     Die Möglichkeiten für „Quereinsteiger“ sollten
                                                                                                                                                                     verbessert und vereinfacht werden. Insbesondere
                                                                                                               über 1.000 € im Monat. Die beiden Schulstandorte      für Frauen nach der Familienpause kann der Pfle-
                                                                                                               im Norden und Süden des Landkreises Günzburg          geberuf gute Chancen bieten. Unser gemeinsames
     SITUATION IM LANDKREIS GÜNZBURG                     Mit 14 Senioren- und Pflegeeinrichtungen sowie        müssen unterstützt und ausgebaut werden. Die          Ziel muss es sein, junge Männer und Frauen für
                                                         mit derzeit 16 ambulanten Pflegediensten, die         wohnortnahe und attraktive Ausbildung sollte          den Pflegeberuf zu interessieren. Dies wird uns
     Das Angebot für kranke und pflegebedürftige         auf dem gesamten Gebiet des Landkreises verteilt      noch mehr bekannt und beworben werden.                nur dann gelingen, wenn der Pflegeberuf durch
     Menschen im Landkreis Günzburg ist im Ver-          sind, bestehen vielfältige Unterstützungsangebote.                                                          notwendige Maßnahmen an Attraktivität gewinnt.
     gleich zu anderen bayerischen Landkreisen über-     Als eine der wenigen Landkreise in Bayern verfügt
     durchschnittlich groß. Neben den beiden Kreis-      der Landkreis Günzburg mit dem Kreisaltenheim
     kliniken in Günzburg und Krumbach gibt es mit
     dem Bezirkskrankenhaus am Standort Günzburg,
                                                         Burgau, dem Isabella-Braun Heim Jettingen, dem
                                                         Stadlerstift Thannhausen sowie der Wahl-Linder-
                                                                                                                  Johanna Herold
                                                         schen Altenstiftung über ein Wohn- und Betreu-           Seniorenbeauftragte des Land-
     den Fachkliniken in Ichenhausen und Burgau me-
     dizinische Einrichtungen, die weit über den Land-   ungsangebot in eigener Trägerschaft und leistet          kreises Günzburg, CSU-Stadt-
     kreis Günzburg hinauswirken. Daneben besteht        damit einen wichtigen Beitrag zu einer wohnort-          und Kreisrätin
     mit dem Dominikus-Ringeisen-Werk Ursberg die        nahen und bedarfsgerechten Pflegeinfrastruktur
     größte Einrichtung für Menschen mit Behinde-        in der Region. Die Bezahlung erfolgt nach dem
     rung in ganz Süddeutschland. Auch dort werden       Tarif des öffentlichen Dienstes und ist im Ver-
     viele und gute Mitarbeiter benötigt.                gleich zu anderen Arbeitgebern besonders attrak-
                                                         tiv (13. Monatsgehalt, Zuschläge, etc.).

                                                         Durch den stetigen Ausbau der Pflegeinfrastruk-
                                                         tur ist auch der Bedarf an Pflegekräften stetig an-
                                                         gewachsen und wird auch in der Zukunft durch
                                                         den demografischen Wandel weiter anwachsen.
                                                         Tatsächlich wird es zunehmend schwieriger, die-                                                               Gerhard Weiß
     CSU                 CHRISTLICH-
                         SOZIALE UNION
                                                         sen Bedarf adäquat zu decken – und so besteht
                                                         auch für den Landkreis Günzburg die Gefahr ei-
                                                         nes Pflegenotstandes.
                                                                                                                                                                       CSU-Stadtrat und
                                                                                                                                                                       2. Bürgermeister in Krumbach

22                                                                                                                                                                                                                       23
WHO CARES?
                                                                                                                 setz mit der Möglichkeit eines Spurwechsels von
                                                                                                                 Asyl nach 16a Grundgesetz bzw. nach der Genfer
                                                                                                                 Flüchtlingskonvention hin zur Arbeitsmigration
                                                                                                                                                                           Daniela Busse
                                                                                                                                                                           FDP-Bezirksrätin, Pressesprecherin
                                                                                                                 ist dringend notwendig. So hätten auch gut inte-
                                                                                                                                                                           der Jungen Liberalen Schwaben
                                                                                                                 grierte Geflüchtete die Chance, dauerhaft einen

                       LIBERALE LÖSUNGSVORSCHLÄGE                                                                wichtigen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten.
                                                                                                                                                                        AVPfleWoqG ist ein Bürokratiemonster an bau-

                       FÜR EINE ZUKUNFTSFÄHIGE PFLEGE
                                                                                                                 HALTUNG VON PFLEGEKRÄFTEN: Die Pfle-                   lichen, konzeptionellen und personalbezogenen
                                                                                                                 ge ist kein „nine to five“- Job. Gerade bei der jün-   Vorschriften. Es darf kritisch hinterfragt werden,
                                                                                                                 geren Generation ist die Work-Life-Balance ein         auf welche Regelungen künftig getrost verzichtet
                                                                                                                 entscheidender Hygienefaktor bei der Berufswahl.       werden kann.
                       ein Beitrag von Daniela Busse                                                             Was also tun? Mit smarten Ideen kann auch hier
                                                                                                                 Beruf und Familienleben in Einklang gebracht           Die in Bayern bestehende Fachkraftquote von 50
                                                                                                                 werden. 24-Stunden-Kitas beispielsweise könn-          Prozent verschärft das Problem des Pflegenot-
                                                                                                                 ten durch Förderrichtlinien der Kostenträger un-       standes. Das Nichtbesetzen von freien Plätzen ist
     Der demographische Wandel ist nicht nur eine          Dokumentationsanforderungen, nicht leistungs-                                                                eine Lose-Lose Situation für alle Beteiligten. Hier
                                                                                                                 terstützt werden, um den Arbeitnehmer*innen
     große Errungenschaft der heutigen Medizin, er         gerechte Löhne sowie eine fehlende gesellschaft-                                                             müssen die Erkenntnisse der „Rothgang“-Studie*
                                                                                                                 eine größtmögliche Flexibilität zu bieten und die
     schwebt gleichzeitig wie ein Damoklesschwert          liche Anerkennung.                                                                                           so schnell wie möglich zu einer neuen Personalbe-
                                                                                                                 Arbeitszeiten nicht länger als limitierenden Faktor
     über uns. Die Anzahl der Pflegebedürftigen in                                                                                                                      messung im stationären Bereich führen, die näher
                                                           VON VORN: Nach einer Erhebung der                     zu akzeptieren.
     Bayern wird bis 2035 laut aktuellen Schätzungen                                                                                                                    an den Bedarfen der Betroffenen ist.
     von heute 400.000 auf 520.000 Personen steigen.       Hans-Böckler-Stiftung verdienen Altenpfle-
                                                                                                                 Um Pflegekräfte langfristig zu halten, muss das
     Gleichzeitig sinkt der Anteil derjenigen, die sich    ger*innen im Schnitt 2.800 €. Im Vergleich zu den                                                            Die Digitalisierung bietet überall neue Chancen.
                                                                                                                 Betriebliche Gesundheitsmanagement eine hö-
     beruflich in der Pflege verwirklichen möchten. Bis    Arbeitszeiten und der hohen Verantwortung ist                                                                Die Pflege darf hier nicht wegschauen, sondern
                                                                                                                 here Bedeutung erhalten, denn in Bayern gehen
     2030 sollen im Freistaat Bayern über 60.000 Stel-     das gar nicht so viel. Ein Umdenken ist wichtig,                                                             muss die sich auftuenden Möglichkeiten am
                                                                                                                 zwei Drittel der stationären und sogar drei Viertel
     len unbesetzt bleiben. Der größte Pflegedienst, die   damit sich durch fehlenden Nachwuchs, Überbe-                                                                Schopf packen. Dokumentationsarbeiten könnten
                                                                                                                 der ambulanten Pflegekräfte lediglich einer Teil-
     pflegenden Angehörigen, stemmen zwei Drittel          lastung und Personalausfall die Katze nicht in den                                                           deutlich erleichtert werden, aber auch die körper-
                                                                                                                 zeitbeschäftigung nach. Hier wäre also noch viel
     der Versorgung, klagen allerdings immer mehr          Schwanz beißt. Kurzum: Die Pflege wird teurer                                                                liche Belastung im Alltag könnte durch bestimmte
                                                                                                                 Potenzial zu nutzen, sofern die Gesundheit der
     über einen Bürokratiedschungel und fühlen sich        werden müssen.                                                                                               Robotik minimiert werden.
                                                                                                                 Beschäftigten bestmöglich geschützt wird.
     von der Politik im Stich gelassen. Die Aussichten
                                                           NEUGEWINNUNG: Die Pflege als Profession
     für eine gute Versorgung scheinen also wahrlich
                                                           muss sich selbst als solche definieren und danach
                                                                                                                 ZURÜCKHOLEN VON FACHKRÄFTEN: Um                        3. NEUE IDEEN WAGEN
     nicht rosig. Trotzdem darf nun nicht der Sand in                                                            einen immer größer werdenden „Pflexit“ zu ver-
                                                           handeln. Dazu gehört, dass das Personal einen                                                                Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips ist das Quar-
     den Kopf gesteckt werden - oder so ähnlich. Viel-                                                           hindern, sind Rückholkampagnen für Pflegekräfte
                                                           größeren Verantwortungsbereich erhält. Es müs-                                                               tiersmanagement extrem spannend. Kommunen
     mehr müssen wir die Chancen der Zeit nutzen.                                                                eine gute Möglichkeit, Menschen wieder in ihren
                                                           sen multiprofessionell neue Standards entwickelt                                                             sollten verstärkt den konkreten Bedarf vor Ort
                                                                                                                 ursprünglichen Beruf zu bringen. Wichtig bei der
                                                           werden, um dem Beruf die notwendige Anerken-                                                                 analysieren und notwendige Strukturen für eine
     1. RESSOURCENAKTIVIERUNG UND                          nung zu gewähren. Die generalistische Pflegeaus-
                                                                                                                 Wiedergewinnung von Pflegepersonal ist, dass die
                                                                                                                 jahrelange Expertise nicht verloren geht.              niedrigschwellige Pflege im eigenen Quartier
     VERBESSERTE RAHMENBEDINGUN-                           bildung stellt eine hohe Ausbildungsqualität sicher                                                          schaffen - ganz im Sinne eines aktivierenden Sozi-
     GEN - TROTZEN WIR DEM                                 und ist kostenfrei. Für die Absolvent*innen eröff-                                                           alstaates. In Zukunft wird es im Alter immer mehr
     FACHKRÄFTEMANGEL!                                     nen sich zusätzliche Wechsel-, Einsatz- und Auf-      2. ENTBÜROKRATISIERUNG UND
                                                                                                                                                                        Single-Haushalte und Haushalte ohne Kinder
                                                           stiegsmöglichkeiten. Abzuwarten bleibt, ob sich       DIGITALISIERUNG SIND KEINE
     Die Gründe für den Personalmangel sind viel-                                                                                                                       geben. Ein enges Netzwerk in der Gemeinschaft
                                                           die Personaluntergrenzen in den Akutkliniken          SCIENCE-FICTION                                        wird also immer wichtiger.
     fältig: psychische und physische Belastung, unat-
                                                           dahingehend auswirken, dass die Krankenpflege
     traktive Arbeitszeiten, hoher Zeitdruck, enorme                                                             So viel Dokumentation wie nötig, so viel Zeit für
                                                           in der ohnehin gebeutelten Altenpflege „fremd-
                                                                                                                 den Menschen wie möglich. Bürokratische Vor-           FÜR EIN SELBSTBESIMMTES LEBEN IM
                                                           fischt“ und hier den Personalmangel verstärkt.
                                                                                                                 lagen und Dokumentationsauflagen haben ihre            ALTER UND MIT PFLEGEBEDARF.

     FDP                 FREIE DEMOKRA-
                         TISCHE PARTEI
                                                           Die Fachkräftesicherung aus dem Ausland ist
                                                           wichtig für eine zukunftssichere Pflege in einer
                                                           globalisierten Welt. Ein echtes Einwanderungsge-
                                                                                                                 Berechtigung. Nur so kann die eine objektive
                                                                                                                 Qualität der Pflege sichergestellt werden. Ausu-
                                                                                                                 fernde Bürokratie lähmt allerdings die Pflege. Das
                                                                                                                                                                        * In dieser Studie hat der Bremer Pflegeökonom Professor Dr.
                                                                                                                                                                        Heinz Rothgang im Auftrag der Krankenkasse DAK die Wir-
                                                                                                                                                                        kung verschiedener Reformansätze berechnet.

24                                                                                                                                                                                                                                     25
PFLEGENOTSTAND
     – ODER VIELMEHR:
     PFLEGE IN NOT
     ein Beitrag von Peter Tschochohei

     Mit der Corona-Pandemie hat sich die Lage in der     dramatischer. Hier herrscht Personalnot, weil im-
     Pflege nochmals verschlechtert. Inzwischen sind      mer mehr Pflegekräfte aus dem Beruf ausscheiden
     auch die letzten Beifallsbekundungen als ein Zei-    und dies trotz steigender Ausbildungszahlen nicht
                                                                                                                Peter Tschochohei                                  SPD-Stadtrat und Ortsvereins-
     chen der Wertschätzung verstummt. Der in Bayern      ausgeglichen werden kann (so ein Gutachten der                                                           vorsitzender AWO in Krumbach
     ausgelobte Pflegebonus wurde sehr schleppend         Universität Bremen).
     und nur nach eingehender Prüfung der Voraus-
     setzungen bezahlt. Bei den letztjährigen Tarifver-   Die resultierende Lücke in diesem Bereich wird      Eine Chance, die Belastungen auf alle zu vertei-        Pflegefachmänner können nach einem Abschluss
     handlungen im Geltungsbereich des Tarifvertrages     auf gut 100.000 Stellen beziffert. „Der Applaus     len, kann die Umstrukturierung der Pflegeversi-         in allen Pflegebereichen arbeiten. Hierbei darf es
     für den öffentlichen Dienst (TVöD) lagen arbeitge-   ist wichtig, die Anerkennung ist wichtig und ge-    cherung, wie auch der Krankenversicherung, hin          jedoch nicht bleiben. Ein weiteres Augenmerk
     berseitig anfänglich keine Verbesserungsangebote     nau die stellen wir mit diesem Gesetz sicher“, so   zu einer Bürgerversicherung sein. Es ist nötig aus      muss auf die Weiterbildungen in den Pflegebe-
     vor. Mit der Begründung leerer Kassen liebäugelten   Gesundheitsminister Jens Spahn im Mai 2020 im       allen Einkünften Beiträge zu generieren. Bei ge-        rufen gelegt werden. Förderlich wäre ein gesetz-
     die Arbeitgeber gar mit Reallohneinbußen für die     Bundestag bei der Abstimmung des zweiten Pan-       nügend Einnahmen kann die Pflege ohne weitere           licher Anspruch auf Weiterbildung. Hier muss die
     Beschäftigten im Bereich TVöD.                       demiegesetzes mit Pflegebonusregelung. Dies gilt    finanzielle Belastung der Betroffenen solidarisch       Finanzierung durch die Einrichtungen und durch
                                                          allerdings nicht für Pflegepersonal in den Kran-    finanziert werden. Es braucht eine Personalbe-          staatliche Unterstützung analog z.B. dem Meister-
     Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI)         kenhäusern.                                         messung für Fachkräfte über alle Bereiche. Pfle-        bonus gesichert sein. Beruf und Familie unter ei-
     haben sich seit Pandemiebeginn mehr als 34.760                                                           geassistenten oder anderes Hilfspersonal kann           nen Hut zu bringen gestaltet sich schwer, manch-
     Krankenhausangestellte angesteckt. Mancherorts       Doch Heldenstatus, Applaus und Extraprämie rei-     den Pflegefachkräften nur zuarbeiten, jedoch kei-       mal nicht machbar. Auch hier muss sich der Staat
     ist die Lage so prekär, dass Kontaktpersonen und     chen nicht! Pflegeberufe leiden sehr unter einem    ne fehlenden Fachkräfte ersetzen. Hierfür muss          bewegen. Pflegerinnen und Pfleger haben genau-
     sogar infizierte Pflegekräfte und Ärzt*innen wei-    schlechten Image. Schichtdienst, körperlich sehr    mehr Geld ins System gepumpt werden. Die ge-            so ein Recht auf Familie und Privatleben, wel-
     terarbeiten. Die sogenannte Pendelquarantäne         anstrengend, schlechte Vereinbarung von Familie     sonderte Vergütung aus dem DRG-System* ist              ches eine soziale Integration in der Gesellschaft
     ist seit Januar 2021 sogar auf ganze Kliniken an-    und Beruf, schlechte Arbeitssituationen, starke     ein Schritt in die richtige Richtung. Diese Gelder      ermöglicht und lebenswerter macht. Vielleicht
     geordnet worden. Allein in Bayern fehlen in den      mentale Herausforderungen, alleingelassen mit       müssen zwingend zweckgebunden eingesetzt wer-           wäre es manchmal menschlicher, Freizeitpläne zu
     Kliniken mindesten 12 000 Schwestern und Pfle-       Problemlösungen. Unterdurchschnittliche Ein-        den. Gleiches Geld für gleiche Arbeit. Hier kann        erstellen und keine Dienstpläne. Aber wenn uns
     ger. In den Alten- und Pflegeheimen ist es noch      kommen sind keine Seltenheit. Schon seit vielen     nur mit einem Branchentarifvertrag die gleiche          200.000 Pflegende im Jahr 2025 fehlen, wird dies
                                                          Jahren drängt die SPD auf eine Neuorientierung      Bezahlung in der Kranken- und Altenpflege um-           wohl ein Traum bleiben
                                                          zur Sicherung und Finanzierung in den Bereichen     gesetzt werden.

     SPD
                         SOZIALDEMO-                      Gesundheit und Pflege. Jedem muss klar sein, dass
                                                                                                                                                                      * Diagnosis Related Groups (diagnosebezogene Fallgruppen):
                         KRATISCHE PARTEI                                                                                                                             Klassifikationssystem für ein pauschaliertes Abrechnungsver-
                                                          es eine Verbesserung in diesen Bereichen nicht      Umgesetzt wurde die Generalistische Pflegeaus-          fahren. Dabei werden Patienten anhand medizinischer Daten
                         DEUTSCHLANDS                                                                         bildung. Die künftigen Pflegefachfrauen und             Fallgruppen zugeordnet.
                                                          zum Nulltarif geben wird.

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