Ärzteparlament tagt im Zeichen von Corona - Ärztekammer ...

 
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Ärzteparlament tagt im Zeichen von Corona - Ärztekammer ...
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Ärzteparlament                                      I
                                                          n normalen Zeiten herrscht im Haus der Ärzte­
                                                          schaft am Tag der Kammerversammlung geschäf­
                                                          tiges Treiben. Diesmal blieben Halle und Sitzungs­

tagt im Zeichen
                                                          saal in der Düsseldorfer Tersteegenstraße gespens­
                                                    tisch leer. Angesichts von täglich mehr als 20.000
                                                    Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 und verschärften

von Corona
                                                    Kontaktbeschränkungen durch das Land Nordrhein-­
                                                    Westfalen hatte die Ärztekammer Nordrhein entschie­
                                                    den, die Versammlung erstmals als Videokonferenz
                                                    durchzuführen. Vor Ort waren Präsident Rudolf Henke,
Steigende Infektionszahlen und verschärfte          Vizepräsident Bernd Zimmer, die hauptamtliche Ge­
Kontaktbeschränkungen im Kampf gegen die weitere    schäftsführung der Kammer sowie ein Team von Mit­
                                                    arbeiterinnen und Mitarbeitern, die für einen reibungs­
Ausbreitung von SARS-CoV-2 prägten auch die         losen Ablauf der Sitzung sorgten. Wer sich um die
Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein. Sie    Debattenkultur unter den über 90 an der Videokonfe­
tagte am 14. November erstmals audiovisuell. Auch   renz teilnehmenden Mitgliedern gesorgt hatte, konnte
inhaltlich bestimmte die Pandemie die Sitzung.      sich im Verlauf zurück­lehnen. Das virtuelle Format tat
                                                    ihr keinen Abbruch. Das belegten die zahlreichen Wort­
                                                    meldungen ebenso wie die eifrige Nutzung der Chat­
von Heike Korzilius                                 funktion für die Kommunikation untereinander.
                                                        Auch inhaltlich bestimmte Corona die Kammerver­
                                                    sammlung. Deutschland sei bis heute im internationa­
                                                    len Vergleich relativ gut durch die Pandemie gekommen,
                                                    stellte der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf
                                                    Henke,in seinem mündlichen Bericht zur berufs- und
                                                    gesundheitspolitischen Lage fest. Das sei insbesondere
                                                    dem unermüdlichen Einsatz der Ärztinnen und Ärzte
                                                    in Praxen, Kliniken und Gesundheitsämtern sowie den
                                                    zahllosen freiwilligen ärztlichen Helferinnen und
                                                    ­Helfern in den Testzentren zu verdanken. Neben der
                                                     Zugänglichkeit von Tests und einer besonderen Bereit­
                                                     schaft der Bevölkerung zum Einhalten von Disziplin
                                                     liege der recht erfolgreiche Umgang mit der Pandemie
                                                     auch darin begründet, wie in Deutschland Versorgung
                                                     organisiert werde. „In der ersten Welle sind sechs von
                                                     sieben Patienten abschließend in den Praxen der nie­
                                                     dergelassenen Kolleginnen und Kollegen versorgt wor­
                                                     den“, sagte Henke. Während im Ausland vielfach das
                                                     Krankenhaus erste Anlaufstelle für die Patienten sei,
                                                     hätten sich die Kliniken hierzulande auf die Behandlung
                                                     der Schwerkranken konzentrieren können, betonte der
                                                     Kammerpräsident.
                                                        Henke hob erneut hervor, wie wichtig in der Pan­
                                                    demie der Schutz vulnerabler Patientengruppen sei.
                                                    Einer internationalen Studie zufolge liege die Sterb­
                                                    lichkeit in der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen bei
                                                    2,2 Prozent – 30-mal höher als bei der Grippe. In der
                                                    Altersstufe der über 85-Jährigen sterbe fast jeder ­Dritte
                                                     COVID-19-Patient. Auch Menschen mit chronischen
                                                     Erkrankungen wie Diabetes, COPD, Herz-Kreislauf-­
                                                     Erkrankungen oder Menschen mit Behinderung müss­
                                                     ten mit schwereren Krankheitsverläufen rechnen als
                                                     Gesunde. Bei allen Strategiediskussionen über den
                                                     Umgang mit der Pandemie gehe es deshalb im Kern
                                                     auch immer um die Frage gesellschaftlicher Werte. „Es
                                                     geht um die Frage, wie sehr wir uns für verletzliche
                                                     Bevölkerungsgruppen einsetzen“, mahnte Henke. „Wir
                                                     Ärztinnen und Ärzte stimmen allen Maßnahmen zu,
 Foto: Jochen Rolfes
                                                     die helfen, die Pandemie einzudämmen und vul­

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        „Wir können die                                   Patienten auf den Intensivstationen im November wahr­
          Pandemie nur                                    scheinlich auf mehr als 6.000 steigen, warnte Henke:
            gemeinsam                                     „Und dann hätten wir nicht nur die Überforderung
            bekämpfen.                                    unserer Gesundheitsämter zu beklagen, sondern dann
    Spaltungstendenzen                                    würden wir auch eine Überforderung unserer klinischen
            müssen wir                                    Strukturen erleben, wie wir sie in einigen Nachbar­
       entgegentreten.“                                   ländern deutlich vor Augen haben.“
                                                             Was aber passiert, wenn die Kapazitäten nicht mehr
                                                          für alle ausreichen? Wer entscheidet dann darüber, wel­
                                                          che Patienten behandelt werden und welche nicht?
                                                          Henke zufolge wird sich demnächst das Bundesverfas­
     Rudolf Henke, Präsident der
        Ärztekammer Nordrhein
                                                          sungsgericht mit dieser Frage befassen. „Wir sind gegen­
             Foto: Jochen Rolfes                          wärtig weit weg von einer solchen Situation“, sagte er.
                                                          Dennoch müsse man sich dieser Debatte stellen. Nach
                                                          Ansicht von Henke darf der Staat nicht vorgeben, welche
 nerable Gruppen zu schützen, ohne sie abzuschreiben Patienten noch versorgt werden sollen. Derartige Ent­
 oder ihnen die Hauptlast der Pandemie aufzubürden.“ scheidungen müssten in jedem Einzelfall sorgfältig nach
      Die eine „richtige“ Strategie bei der Pandemie­ dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse
 bekämpfung habe niemand. Man müsse den Menschen und ethischen Prinzipien individuell getroffen werden.
 vermitteln, dass das Verhalten jedes Einzelnen entschei­ „Das können keine schematisierten Entscheidungen
 dend zur Eindämmung des Infektionsgeschehens bei­ sein, keine algorithmischen Entscheidungen irgendeiner
 tragen könne. Abstands- und Hygieneregeln einhalten, künstlichen Intelligenz, sondern es sind persönliche
 Alltagsmasken tragen, regelmäßig lüften und die Entscheidungen, und diese müssen auf den Regeln Indi­
 Corona-­Warn-App einsetzen – das seien derzeit die kation, Patientenwille und klinische Erfolgsaussichten
­zentralen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-­ basieren“, forderte Henke. Die Entscheidungsnot könne
 Pandemie. „Lassen Sie uns dies auch weiterhin gemein­ der Staat den Ärztin­nen und Ärzten nicht abnehmen. Er
 sam kommunizieren und der Bevölkerung ein Signal könne sie ihnen aber erleichtern, indem er deren Urteil
 der Zuversicht und des Vertrauens geben“, appellierte vertraue und sie vor strafrechtlichen Folgen schütze.
 ­Henke an die Mitglieder, was diese mit mehreren Be­        „Damit es nicht zu einer Überforderung des Gesund­
  schlüssen bekräftigten (siehe Kasten „Entschließungen“ heitssystems kommt, bedarf es unser aller Anstrengung,
  ab Seite 16 ff.). Die Gesellschaft könne die Pandemie die Neuinfektionszahlen weiter zu senken“, erklärte
  nur gemeinsam bekämpfen. Spaltungstendenzen, wie Henke. Ein Hoffnungsträger im Kampf gegen die Pande­
  sie zum Teil auch in der Ärzteschaft sichtbar würden, mie ist ein Impfstoff. Es zeichnet sich ab, dass Anfang
  müsse man entgegentreten.                               des nächsten Jahres mit ersten Zulassungen zu rechnen

Hassmails an medizinisches Personal

    Henke und Vizepräsident Bernd Zimmer verurteil­
ten, dass Ärztinnen und Ärzte ebenso wie die nichtärzt­
lichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Praxen               Nordrheinische Akademie stellt sich neu auf
und Krankenhäusern, die sich öffentlich für die Einhal­
tung der Abstands-, Hygiene- und Maskenregeln ein­                  Eine moderne Fortbildung, die
setzten, zum Teil mit Hassmails, Gewaltandrohungen                  eine hohe Akzeptanz in der Ärzte-
                                                                    schaft und bei den Medizinischen
und Schmähungen überschüttet würden. Es sei eine
                                                                    Fachangestellten genießt, will die
untragbare Situation, wenn medizinisches Personal,
                                                                    Ärztliche Akademie für medizini-
das während der ersten Corona-Welle Tod und Sterben
                                                                    sche Fort- und Weiterbildung in
vieler Patienten erlebt habe, jetzt solche Anwürfe und
                                                                                                                                     Foto: Jochen Rolfes

                                                                    Nordrhein leisten. „Wir verstehen
Bedrohungen aushalten müsse, sagte Zimmer.
                                                                    unsere Rolle nicht politisch, son-
    Kammerpräsident Henke warb in diesem Zusammen­                  dern sind rein der Fachlichkeit
hang um Verständnis für den Teil-Lockdown zur Ein­                  ­verpflichtet“, betonte Professor
dämmung der Pandemie. Dieser führte dazu, dass seit                  Dr. Gisbert Knichwitz, Vorsitzender
dem 4. November Restaurants, Kultur- und Sportstätten                des Fortbildungsausschusses der       Bereich IT erheblich investieren,
geschlossen waren und strenge Kontaktbeschränkun­                    Akademie. Durch die Corona-­          damit Kurse mithilfe neuer Medien
gen galten. Diese Maßnahmen seien vor dem Hinter­                    Pandemie mit ihren Kontakt­           und neuer Lern­formate auch wei-
grund zu bewerten, dass zeitversetzt ein bis zwei Prozent            beschränkungen sei ein Großteil       terhin angeboten werden könnten.
aller neu mit SARS-CoV-2 infizierten Menschen intensiv­              der Einnahmen der Akademie aus        „Unser Ziel ist die ­Digitalisierung
medizinisch betreut werden müssten. Wenn man über                    Fort- und Weiter­bildungs­kursen      der Akademie bis 2022“, kündigte
­einen längeren Zeitraum täglich 20.000 Neuinfizierte                weggebrochen. Man wolle nun im        Knichwitz an.
 und mehr verzeichne, werde die Zahl der Corona-­

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2020                                                                                                                   13
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                        ist. Erst kürzlich haben die Pharmaunternehmen Pfizer         heitsdienst geschaffen werden. Allerdings wies Henke
                        und Biontech erste Daten zu einem RNA-Impfstoff vor­          darauf hin, dass noch immer eine beträchtliche Lücke
                        gelegt, der auf einer neuartigen Technologie aufbaut und      zwischen den Gehältern der Ärzte in den Gesundheits­
                        einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor COVID-19 bie­        ämtern und denen der Kollegen in den Krankenhäusern
                        ten soll. „Wichtig ist, dass wir jetzt in Ruhe und Sorgfalt   und beim Medizinischen Dienst der Krankenversiche­
                        die exakten Daten der Phase-3-Studie prüfen, um zu einer      rung klafft. Um qualifizierte Ärztinnen und Ärzten für
                        abschließenden Einschätzung über den Impfstoff zu             den Öffentlichen Gesundheitsdienst gewinnen zu kön­
                        kommen“, sagte Henke dazu. Bei einem derartig neuen           nen, müsse auch für diese ein arztspezi­fischer Tarifver­
                        Impfstoff sei es zudem gut, dass es ohnehin nicht vorge­      trag abgeschlossen werden.
                        sehen sei, eine Impfpflicht einzuführen. Eher werde es           Die an den Lagebericht anschließende Aussprache
                        nun darum gehen zu definieren, welche Bevölkerungs­           prägten im Wesentlichen drei Themen: der Umgang
                        gruppen zuerst geimpft werden sollten.                        mit der Corona-Pandemie, notwendige Priorisierungs­
                                                                                      entscheidungen beim Impfen und die erneut aufkom­
                        Schutzschirme für Kliniken und Praxen                         mende Debatte über den ärztlich assistierten Suizid.

                            Henke formulierte auch Voraussetzungen dafür, dass
                        aktuell die Funktionsfähigkeit der Patientenversorgung              „Es ist untragbar,
                        in Praxen und Krankenhäusern aufrechterhalten wer­               wenn medizinisches
                        den kann. Es müsse weiterhin ausreichend Schutz­              Personal, das während
                        material bereitgestellt und finanziert werden, forderte            der ersten Corona-­
                        der Kammerpräsident. Dokumentationspflichten zu Ab­           Welle Tod und Sterben
                        rechnungs-, Kontroll- und Qualitätssicherungszwecken           vieler Patienten erlebt
                        müssten ausgesetzt werden, damit sich das medizini­           hat, jetzt Bedrohungen
                        sche Personal auf die Patientenbehandlung konzen­                      ausgesetzt ist.“
                        trieren könne. Wie schon in der ersten Welle der Pande­
                        mie müssten Schutzschirme über Praxen und Kranken­
                        häuser gespannt werden, um COVID-bedingte Minder­
                                                                                       Bernd Zimmer, Vizepräsident
                        erlöse auszugleichen. Außer­dem müssten die für die             der Ärztekammer Nordrhein
                        Pandemiekontrolle ­unersetzlichen Gesundheitsämter                       Foto: Jochen Rolfes
                        materiell und personell besser ausgestattet werden.
                            Den „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“
                        von Bund und Ländern hatte Henke in seinem ausführ­              Sebastian Exner (Stolberg) sprach sich dafür aus,
                        lichen schriftlichen Lagebericht, der im Vorfeld der           dass die Politik die gesamte Bandbreite der ärztlichen
                        Kammerversammlung an deren Mitglieder verschickt               Expertise zur Bewältigung der Corona-Pandemie nut­
                        wurde, als wichtigen Schritt nach vorn bezeichnet. Vier       zen solle. In der Öffentlichkeit und den Medien würden
                        Milliar­den Euro stellt der Bund dafür bis 2026 zur Ver­      insbesondere Virologen und Intensivmediziner als
                        fügung. Hinzu kommen 50 Millionen Euro, die in diesem         gefragte Fachexperten gelten. „Man muss aber berück­
                        Jahr für Investitionen in die Digitalisierung der Gesund­     sichtigen, dass von 20 Corona-Fällen 19 im ambulanten
                        heitsämter fließen sollen. Insgesamt sollen bis Ende          Bereich behandelt werden“, gab Exner zu bedenken.
                        2022 5.000 zusätzliche Stellen im Öffentlichen Gesund­        „Da sind vorrangig die niedergelassenen Ärzte, allen
                                                                                      voran die Hausärzte gefragt. Deren Expertise im Um­
                                                                                      gang mit der Corona-­Pandemie, mit den Angehörigen,
                                                                                      mit den Gesundheitsämtern, der findet in der öffent­
                                                                                      lichen Wahrnehmung und in den Beratungsgremien
                                                                                      der Politik in meinen Augen nicht oder viel zu wenig
 Kammerhaushalt 2021                                                                  statt.“ Durch öffentlich aus­getragene Fachdiskussio­
                                                                                      nen von Virologen und Intensiv­medizinern seien in
 Die Ärztekammer Nordrhein erwar-      zum Finanzausschuss der Ärzte-                 der Vergangenheit große Teile der Bevölkerung verun­
 tet für 2021 bei einem unveränder-    kammer der Kammerversammlung.                  sichert worden. Er sehe es primär als ärztliche Auf­gabe,
 ten Beitragssatz der Mitglieder von   Über den Haushaltsplan für 2021                durch Ruhe und Sachlichkeit zur Information der Be­
 0,54 Prozent ein Beitragsaufkom-      für die Ärztekammer Nordrhein                  völkerung beizutragen, sagte Exner.
 men von 30,5 Millionen Euro. Der      und die Nordrheinische A ­ kademie                Ähnlich argumentierte Dr. Oliver Funken (Rhein­
 Kammerbeitrag basiert auf den         stimmen die Mitglieder der
                                                                                      bach). Auch er plädierte dafür, insbesondere die prag­
 ärztlichen Einkünften des Jahres      Kammerversammlung im Nachgang
                                                                                      matischen Erfahrungen der niedergelassenen Ärzte
 2019. Mit negativen Auswirkungen      zur virtuellen Versammlung
                                                                                      in die Beratergremien zur Bewältigung der Corona-­
 der Coronakrise sei daher noch        schriftlich ab. Dasselbe gilt für
                                                                                      Pandemie einfließen zu lassen. Die ärztlichen Fach­
 nicht zu rechnen, berichtete          die Entlastung des Kammer-
                                                                                      disziplinen hätten unterschiedliche Sichtweisen auf
 Dr. Joachim Wichmann, MBA, als        vorstands für das Haushaltsjahr
 ­Verbindungsmann des Vorstandes       2019.
                                                                                      die Pandemie. Daraus resultierten unterschiedliche
                                                                                      ­Äußerungen, die in der Öffentlichkeit den Eindruck

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Ärzteparlament tagt im Zeichen von Corona - Ärztekammer ...
Thema

von Zerstrittenheit erweckten. Funkten sprach sich
dafür aus, dass die Bundesärztekammer hier eine
­Moderatorenrolle einnehmen solle.
    Dr. Sven Dreyer (Düsseldorf) hob die Zusammen­
 arbeit von niedergelassenen Ärzten und Krankenhaus­
 ärzten bei der Bewältigung der Pandemie hervor. „Wir
 stehen zusammen wie kaum jemals zuvor“, sagte er.
 „Ich erlebe sehr dankbare Klinikärzte, die sich freuen,
 dass niedergelassene Kolleginnen und Kollegen drau­
 ßen kämpfen, damit die Betten nicht überbelegt wer­
 den. Und ich erlebe niedergelassene Kolleginnen und
 Kollegen, die dankbar sind, dass die Aufnahme auf
 den Stationen so schnell funktioniert.“ Den Marathon
 der Pandemie-Bekämpfung könne man nur gemein­
 sam durchstehen, sagte Dreyer.
    Zum wirksamen Kampf gegen die Corona-Pandemie
 gehöre es auch, die Bevölkerung sachgerecht über be­
 grenzte medizinische Ressourcen aufzuklären, forderte
 Wieland Dietrich (Essen). Er bezog sich auf die knapp       Präsident Rudolf Henke und Vizepräsident Bernd Zimmer leiten die
 werdenden Impfstoffe gegen die saisonale Grippe und         Kammerversammlung per Videokonferenz aus einem Sitzungssaal im
 Pneumokokken. Die Impfungen würden vor dem Hinter­          Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft heraus.                   Foto: Jochen Rolfes
 grund der Pandemie vielfach auch von Menschen wahr­
 genommen, für die die Ständige Impfkommission diese
 nicht empfiehlt. Dasselbe gelte für die willkür­liche In­   nicht zur Mitwirkung an einer Selbsttötung verpflichtet
 anspruchnahme von Corona-Tests. Dabei a­ rbeiteten die      werden könnten. „Ich bleibe dabei: Die Aufgabe von
 Labore an der Leistungsgrenze und Testmaterial werde        Ärztinnen und Ärzten ist es, unter Achtung des Selbst­
 knapp. Es sei die Verantwortung von Politik und Kran­       bestimmungsrechts des Patienten Leben zu erhalten,
 kenkassen, die Bevölkerung über begrenzte Ressourcen        Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie
 und die Notwendigkeit der ­Priorisierung nach sinnvollen    Leiden zu lindern und Sterbenden bis zu ihrem Tod
 ärztlichen und ethischen Maßstäben aufzuklären. „Es         beizustehen“, so Henke. „Die Beihilfe zum Suizid gehört
 kann nicht Aufgabe der Ärzte sein, Mangellagen abzu­        damit auch in Zukunft ganz grundsätzlich nicht zu den
 fangen, abzufedern, zu moderieren und gegenüber den         Aufgaben von Ärztinnen und Ärzten.“ Es bleibe jedoch
 Patienten zu kommunizieren“, sagte Dietrich.                zu diskutieren, ob das Verfassungsgerichtsurteil Aus­
                                                             wirkungen auf das Verbot des assistierten Suizids in
Debatte über ärztlich assistierten Suizid                    § 16 der Berufsordnung haben solle.
                                                                „Ich halte es für wichtig, dass wir uns auf diese
    Michael Lachmund (Remscheid) rief mit der Sterbe­        Debatte vorbereiten und vielleicht tatsächlich einzel­
hilfe ein Thema auf, das grundlegende ethische Fragen        ne unserer bisher gefassten Positionen überdenken
des ärztlichen Berufs berührt. Hintergrund ist ein Urteil    müssen“, sagte dazu Michael Lachmund bei der Kam­
des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020.          merversammlung. Henke ist für eine gründliche und
Das Gericht erklärte darin das Verbot der geschäfts­         ergebnisoffene Diskussion in den kommenden Mona­
mäßigen Förderung der Selbsttötung, wie es seit 2015 in      ten. „Die Diskussion wäre wahrscheinlich leichter,
§ 217 des Strafgesetzbuches steht, für verfassungswidrig.    wenn man wüsste, ob der Gesetzgeber hier noch einmal
In seinem schriftlichen Lagebericht hatte Kammerpräsi­       tätig wird“, sagte der Kammerpräsident.
dent Henke erklärt, die rheinische Ärzteschaft habe sich
seinerzeit vehement für das Verbot der geschäftsmäßigen
Förderung der Selbsttötung eingesetzt und sei entspre­
chend enttäuscht von dem Urteil des Bundesverfassungs­
gerichts. „Der Umgang mit Schwerstkranken und Ster­
benden ist ein Gradmesser für die Humanität der Gesell­                Der Bericht der Gutachterkommis-     versorgung entgegen. Die Ent­
schaft“, betonte Henke in seinem Lagebericht. Eine or­                 sion für ärztliche Behandlungs­      lastung der Organe der Nordrheini-
ganisierte Ermutigung zur Selbsttötung könne zu einem                  fehler bei der Ärztekammer Nord-     schen Ärzteversorgung für das
gesellschaftlichen Klima beitragen, in dem sich schwer­                rhein für den Zeitraum 1. Oktober    ­Geschäftsjahr 2019 erfolgt schrift-
kranke, pflegebedürftige oder behinderte Menschen zur                  2019 bis 30. September 2020 er-      lich. Dasselbe gilt für die Abstim-
Selbsttötung gedrängt fühlten. „Wir wollen aber nicht,                 scheint in einer der nächsten Aus-   mung über die Satzungsänderun-
dass die Selbsttötung und die Suizidassistenz zur gesell­              gaben des Rheinischen Ärzteblatts.   gen der Ärztekammer Nordrhein
schaftlichen Normalität werden“, so Henke.                             Die Kammerversammlung nahm           und der Nordrheinischen Ärzte­
    Das Bundesverfassungsgericht habe jedoch auch                      den Bericht über das Geschäftsjahr   versorgung zu audiovisuellen
ausdrücklich klargestellt, dass Ärztinnen und Ärzte                    2019 der Nordrheinischen Ärzte-      Sitzungsformaten.

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2020                                                                                                       15
Thema

  Entschließungen der Kammerversammlung am 14. November 2020

  Appell der Kammerversammlung:                             Strategien für die Pandemie-Bewältigung                 von Kontaktpersonen sind die Möglichkei-
  Pandemiebekämpfung braucht Solidarität                    im Herbst und Winter                                    ten der Digitalisierung deshalb voll auszu-
  Die Corona-Pandemie stellt die Gesellschaft               Angesichts eines kritischen Anstiegs der                schöpfen.
  im Allgemeinen und das Gesundheitswesen im                Infek­tionszahlen zuletzt auch in den Alters-        	Außerdem helfen einfache und einheitliche
  Besonderen in Deutschland und weltweit vor                gruppen mit erhöhtem Risiko für schwere                 Regeln den Infizierten und Kontaktperso-
  eine der größten Herausforderungen der                    Krankheitsverläufe und einer starken Zu­                nen dabei, das richtige Verhalten auch
  ­letzten Jahrzehnte. Die beispiellose Einsatz­            nahme der Zahl der intensiv- und beatmungs-             schon vor einer Kontaktaufnahme durch
   bereitschaft von Ärztinnen und Ärzten und                pflichtigen Patientinnen und Patienten sind             das Gesundheitsamt umzusetzen.
   den Angehörigen der Gesundheitsfachberufe                die aktuellen Kontaktbeschränkungen erfor-           	Die Zahl der Tests muss weiterhin auf
   haben zusammen mit der breiten, altersgrup-              derlich, um eine Überlastung der Intensiv­              ­hohem Niveau gehalten werden. Dazu ist
   penübergreifenden Akzeptanz der Bevölke-                 kapazitäten abzuwenden. Unabhängig vom                   die schrittweise Wiedereröffnung von Test-
   rung für die notwendigen Schutzmaßnahmen                 ­Erfolg dieser Maßnahmen steht unserem Land              zentren überall dort sinnvoll, wo aufgrund
   dazu geführt, dass unser Land bis jetzt ver-              jedoch noch eine monatelange Herbst- und                des hohen Volumens eine Testung allein in
   gleichsweise gut durch die erste Welle der                Winterzeit bevor, in der die Pandemie eine              den Arztpraxen nicht mehr ausreicht. Da
   Pandemie gekommen ist.                                    ­erhebliche Herausforderung bleiben wird.               ­jedoch keine unbegrenzte Steigerung der
   Ärztinnen und Ärzte werden auch in den noch                Eine erfolgreiche Strategie für diese Monate            Tests möglich sein wird, ist immer wieder
   bevorstehenden Herbst- und Wintermonaten                   muss folgende Elemente beinhalten:                      zu überprüfen, wie die verfügbaren
   ihr Möglichstes tun, um die Gesundheit und                 1. Grundlegende Verhaltensregeln umsetzen               ­Testungen möglichst gezielt eingesetzt
   das Leben ihrer Patientinnen und Patienten,                	Die grundlegenden Verhaltensregeln                     werden können. Ebenso sind auf Basis des
   wie auch ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbei-                  (AHA+L+C-Regel) sind weiterhin intensiv              kontinuierlichen Erkenntnisfortschrittes
   ter zu schützen. Damit dies gelingen kann,                     zu verbreiten, zu erklären und durchzuset-           die Quarantänevorgaben regelmäßig zu
   ­appelliert die Kammerversammlung an die                       zen. Gesellschaftliche Gruppen, die bisher           überprüfen und anzupassen. Deswegen
    ­Solidarität der Menschen in unserem Kammer-                  ungenügend erreicht worden sind, müssen              sind die Anfang November vom Robert
     bereich:                                                     dabei durch geeignete Kommunikations-                Koch-­Institut vorgenommenen Strategie-­
     Bitte setzen Sie die grundlegenden, einfachen                formate stärker als bisher in den Blick ge-          Ergänzungen zu begrüßen. Auch in den
     Regeln zur Eindämmung der Pandemie                           nommen werden. Darüber hinausgehende                 kommenden Monaten sind die Empfehlun-
     ­konsequent um! Halten Sie Abstand! –                        Kontaktbeschränkungen und weitere Maß-               gen im Austausch mit den an der Versor-
      ­Beachten Sie die Hygieneregeln! – Tragen Sie               nahmen müssen möglichst einfach, trans-              gung ­Beteiligten immer wieder zu über­
       Alltagsmasken! Lüften Sie regelmäßig! –                    parent, einheitlich und nachvollziehbar              prüfen und ggf. anzupassen.
       ­Nutzen Sie die Corona-Warn-App!                           sein, um die Akzeptanz in der Bevölkerung      4.	  Risikogruppen besonders schützen
        Die Kammerversammlung bekräftigt die ge-                  zu stärken.                                    	Je weiter die Pandemie fortschreitet, desto
        meinsame Position von Bundesärztekammer,              2. Hygienekonzepte für das gesellschaftliche            mehr Gewicht muss auf den besonderen
        den Landesärztekammern, der Kassenärztlichen              Leben evaluieren                                     Schutz von Risikogruppen gelegt werden.
         Bundesvereinigung, der wissenschaftlichen          	    Für eine Vielzahl von Bereichen des Wirt-            Dazu sind Schutzmaterialien verfügbar zu
         Fachgesellschaften und zahlreicher ärztlicher            schafts- und Gesellschaftslebens sind in den         machen, soweit dies der vorrangige Bedarf
         Verbände, dass es für die Wirksamkeit dieser             vergangenen Monaten Hygienekonzepte ent-             in der medizinischen und pflegerischen
         Maßnahmen schlüssige Belege gibt. Gerade an-             wickelt und umgesetzt worden. Die Wirksam-           Versorgung zulässt. Außerdem kommt in
        gesichts der Tatsache, dass derzeit Infektionen           keit dieser Konzepte ist jedoch oft unzurei-         diesem Zusammenhang den Schnelltests in
        häufig nicht auf einen klaren Ursprung zurück-            chend evaluiert. Wenn ein Rückgang der               Pflegeheimen und anderen Einrichtungen
        geführt werden können, haben diese erwiesener­            Infektionszahlen eine Rücknahme der gel-             eine wichtige Bedeutung zu. Auch für
  maßen wirksamen Maßnahmen größte Bedeu-                         tenden Kontaktbeschränkungen in bestimm-             Risiko­personen außerhalb von Einrichtun-
        tung. Es ist daher sehr wichtig, diese ein­fachen         ten Bereichen wieder vertretbar erscheinen           gen müssen Wege gefunden werden, den
        Regeln zur Infektionsvermeidung zu beherzigen,            lässt, sollte dies wo immer möglich regional         notwendigen Schutz mit dem erforder­
  um selbst gesund zu bleiben, um Risikogrup-                     unter wissenschaftlicher Begleitung erprobt          lichen Maß an sozialem Kontakt in Einklang
        pen wie ältere oder chronisch erkrankte Men-              werden, um Evidenz für die erforderlichen            zu bringen. Schnelltests für Ange­hörige
        schen zu schützen, aber auch, um die Gesamt-              Schutzmaßnahmen zu gewinnen.                         und Helfer können auch hier eine Rolle
        gesellschaft vor weiteren schweren Belastun-          3.	Infektionserkennung und Kontaktpersonen-­            spielen. Schnelltests können hierfür aller-
        gen bis hin zu Überforderungen zu bewahren.               Nachverfolgung weiterentwickeln                      dings nur bereitgestellt werden, soweit
        Die Kammerversammlung appelliert auch an              	Der Identifikation von Infizierten und der             dadurch nicht die prioritäre Bereitstellung
        alle Ärztinnen und Ärzte, ihren Einfluss und              Nachverfolgung der Kontaktpersonen                   für die medizinische und pflegerische
        ihre Vertrauensstellung weiterhin zu nutzen,              kommt weiterhin eine hohe Bedeutung zu.              ­Versorgung gefährdet wird. Daneben sind
        um die Bevölkerung, und insbesondere                      Angesichts der hohen Zahl von Infizierten             Angebote der Nachbarschaftshilfe zu
        ­Patientinnen und Patienten zur Einhaltung der            und Kontaktpersonen stoßen die bisher                 ­stärken und Zeitkorridore z.B. im Einzel-
         Infektionsschutzregeln und zur Nutzung der               dazu angewendeten Konzepte jedoch an                   handel oder in bestimmten Bereichen des
         Corona-Warn-App zu motivieren.                           Grenzen. Mit Blick auf die Nachverfolgung              öffentlichen Raums zu prüfen.

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Thema

   5. Gestufte Behandlungskriterien und                    sagt. So verständlich es ist, dass unter den      desweit sichergestellt und mit einem Monito-
       -strukturen entwickeln                               aktuellen Bedingungen keine „normale“             ring verbunden werden, um Engpässe frühzei-
   	Wenn die Zahl der Erkrankten weiter zu-                Landesgesundheitskonferenz stattfinden            tig erkennen und ausgleichen zu können. Bei
       nimmt, sind elektive Eingriffe schrittweise          kann, so dringend ist die Etablierung eines       der Verteilung von für den medizinischen Be-
       auszusetzen bzw. aufzuschieben, um die               strukturierten Austausches per Telefon- oder      reich zertifizierten FFP2-Masken müssen medi-
       Notfallversorgung aller Patientinnen und             Videokonferenz erforderlich, um für alle          zinische und pflegerische Einrichtungen Priori-
       Patienten nicht zu gefährden (unabhängig             ­Akteure einen gleichen Informations­stand        tät haben. Corona-Testungen für das Personal
       davon, ob sie an COVID-19 oder einer an-              herzustellen, um Anregungen aufzunehmen,         müssen in ausreichendem Umfang bereitge-
       deren Erkrankung leiden). Außerdem sind               Probleme zu identifizieren, die jeweils          stellt, zeitnah umgesetzt und finanziert wer-
       ergänzend zur üblichen ambulanten und                 nächsten Schritte zu erörtern und um an-         den. Alle in der Gesundheitsversorgung Tätigen
       stationären Behandlung weitere gestufte               schließend so weit als möglich mit einer         müssen sich darauf verlassen können, dass mit
       Versorgungsstrukturen einzubeziehen, um               Stimme zu sprechen. Die Kammerversamm-           Blick auf zusätzliche Risiken, denen sie sich
       eine Überlastung der Krankenhäuser und                lung fordert die Landesregierung auf, diesen     aussetzen, eine umfassende, in der Regel be-
       Intensivstationen abzuwenden. Dazu ge­                Austausch schnellstmöglich zu etablieren.        rufsgenossenschaftliche Absicherung gilt.
       hören ambulante Behandlungszentren
       ebenso wie Ausweichkrankenhäuser, die                                                                  Entbürokratisierung und Entlastung von
       z.B. unter Einbeziehung von Rehakliniken          Corona-Pandemie – Erfordernisse der                  patientenfernen Tätigkeiten
       zu eröffnen sind. Auf Erfahrungen bzw.            Patientenversorgung                                  Ärztinnen und Ärzte, Medizinische Fachange-
       Vor­bereitungen aus der ersten Welle der          Die Corona-Pandemie trifft unser Land hart.          stellte, Pflegekräfte und alle weiteren Gesund-
       Pandemie kann dabei zurückgegriffen               Ärztinnen und Ärzte blicken mit Sorge auf die        heitsfachberufe müssen sich in der Krise auf
       ­werden. Außerdem sind regionale und              massiv steigenden Infektions- und Erkran-            die unmittelbare Patientenversorgung
        über­regionale Kooperationsstrukturen zur        kungszahlen. In dieser eskalierenden Situa­          konzentrieren können. Wo die Bewältigung
        ­gegenseitigen Hilfe bei drohender Über­         tion ist der bestmögliche Erhalt der Funk­           der Pandemie und die Versorgung von COVID-­
         lastung zu etablieren.                          tionsfähigkeit der ambulanten und statio­            Patienten in den Vordergrund tritt, müssen
   6.	  Impfstrategie entwickeln                        nären Patienten­­ver­sorgung von zentraler           Dokumentationspflichten zu Abrechnungs-,
   	Möglicherweise werden noch im Laufe                 Bedeutung. Dazu sind folgende Maßnahmen              Kontroll- und Qualitätssicherungszwecken
         des Winters die ersten Impfstoffe gegen         erforderlich:                                        ausgesetzt werden, soweit sie nicht zwingend
         COVID-19 zugelassen. Deswegen sind die                                                               nötig sind. MDK-Prüfungen gehören ebenfalls
         Vorbereitungen einer landesweiten Impf-         Koordination der Versorgung                          nicht in diese Phase der Pandemie.
         strategie und -logistik zügig voranzutrei-      Die Versorgung muss regional, überregional
         ben. Bei der Planung von Impfzentren ist        (Regierungsbezirke) und auf Landesebene über         Finanzielle Absicherung der Versorgung
         die ärztliche Selbstverwaltung einzubezie-      Krisenstäbe unter Einbeziehung der Ärztekam-         Arztpraxen, MVZ und Krankenhäuser, die ihre
         hen. Grundgedanken der Strategie müssen         mer und Vertretung aller weiteren Beteiligten        Prioritäten auf die Versorgung von COVID-­
         die Freiwilligkeit und die Priorität für        koordiniert werden. Ziel muss eine gestufte          Patienten ausrichten oder im Rahmen einer
         ­medizinisches und pflegerisches Personal       Versorgung von der Diagnostik über das Moni-         Aufgabenteilung andere Lasten übernehmen,
          sowie für Risikogruppen sein. Einzelheiten     toring der Infizierten, die Behandlung der           müssen die Gewissheit haben, dabei finanziell
          der Priorisierung können erst in Kenntnis      ­Erkrankten und die Nachsorge sein, damit die        abgesichert zu sein. Dazu ist eine effektive
          der Impfstoffeigenschaften festgelegt           vorhandenen personellen und materiellen             Schutzschirmregelung für die Praxen und der
          ­werden. Da die Impfstoffe zunächst nur in      ­Ressourcen optimal eingesetzt werden, um eine      Ausgleich von COVID-bedingten Minder­
           begrenztem Umfang zur Verfügung stehen          Überlastung mit nachfolgendem Kollaps, wie         erlösen für die Krankenhäuser erforderlich.
           werden und ihre Wirksamkeit bei der Ver-        a.a.O. in der Vergangenheit belegt, zu vermei-
           hütung von Erkrankung und Infektiosität         den. Landesweit sind Rahmenvorgaben zur
           noch nicht sicher eingeschätzt werden           rechtzeitigen Zurückstellung elektiver Eingriffe   Die richtige Konsequenz aus der Pandemie
           kann, sind Impfungen als zusätzlicher           erforderlich, auf deren Basis in den Regionen      ziehen: den Öffentlichen Gesundheitsdienst
           Baustein, aber nicht als Ersatz für die         sinnvolle Absprachen getroffen werden können.      jetzt nachhaltig stärken!
           anderen Bestandteile der Gesamtstrategie        Auch überregional sind Absprachen zur gegen-       Die COVID-19-Pandemie hat deutlich gemacht,
           anzusehen.                                      seitigen Entlastung im Bedarfsfall zu treffen.     wie gefährlich die jahrzehntelange Vernachläs-
   7.	    Landesweite Beratungs- und                                                                         sigung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes
           Kommunikationsstruktur etablieren             Schutz des Personals in der                          (ÖGD) für unser Land war. Nun muss schnell die
   	      In Nordrhein-Westfalen besteht seit gerau-    Patientenversorgung                                  richtige Konsequenz gezogen werden.
           mer Zeit kein strukturierter, regelmäßiger    Die dramatischen Engpässe bei der Versorgung         Der inzwischen vereinbarte „Pakt für den
           Austausch der Landesregierung mit den         mit Schutzmaterial, die wir im Frühjahr erlebt       Öffentlichen Gesundheitsdienst“ muss von
           ­Institutionen des Gesundheitswesens zur      haben, dürfen sich nicht wiederholen. Sowohl         Bund, Ländern und Kommunen konsequent,
            Bewältigung der COVID-19-Pandemie. Ein-      in der ambulanten als auch der stationären Pa-       zügig und bundesweit umgesetzt werden.
            zelkontakte und -gespräche können einen      tientenversorgung müssen alle erforderlichen         Dazu gehört eine bessere technische Ausstat-
            strukturierten, transparenten Austausch      Schutzmaterialien im erforderlichen Umfang           tung und die überfällige Digitalisierung der
            nicht ersetzen. Aktuell wurde die Landes­    bereitgestellt und finanziert werden. Eine aus-      Meldevorgänge und des gesamten Infektions-
            gesundheitskonferenz für dieses Jahr abge-   reichende Bevorratung muss vor Ort und lan-          managements. Dazu gehört auch die zügige

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2020                                                                                                                        17
Thema

    Realisierung der mit dem Patienten-Daten-­        den Auslieferungen von Grippeimpfstoffen           Denn nur Ärztinnen und Ärzte sind qualifiziert
    Schutzgesetz beschlossenen Anbindung des          zielgerichtet für die Personenkreise verwen-       für die Impfanamnese, den Ausschluss akuter
    ÖGD an die Telematikinfrastruktur. Wesent­        det werden müssen, die eines besonderen            Erkrankungen, die Aufklärung zur Impfung
    liche Voraussetzung ist jedoch die Verbes­        Schutzes bedürfen.                                 ­sowie für die Beherrschung nie ganz auszu-
    serung der personellen Ausstattung.               Die Mitglieder der Kammerversammlung er-           schließender Nebenwirkungen wie zum Bei-
    Die Kammerversammlung begrüßt in diesem           warten außerdem von der Politik, die in der        spiel allergischer Reaktionen. Diese Kompe-
    Zusammenhang die Entscheidung des Landes          Öffentlichkeit entstandenen Kommunikations-        tenz erwerben Ärztinnen und Ärzte durch das
    Nordrhein-Westfalen, den Gesundheitsämtern        defizite bezüglich der Zielgruppe der Grippe­      sechsjährige Medizinstudium. Sie wird durch
    im nächsten halben Jahr 1.000 zusätzliche         impfung aufzugreifen und nachdrücklich für         die ärztliche Approbation attestiert. Apotheke-
    Personalstellen für die Kontaktpersonennach-      ein Verständnis der Bevölkerung zu werben,         rinnen und Apotheker können diese Kompe-
    verfolgung durch die Abordnung von Landes-        dass die noch erwartete Impfstoffmenge vor-        tenz nicht dadurch erwerben, dass sie – wie
    bediensteten und durch zusätzliche Mittel in      rangig den durch eine Influenza-Infektion          im Rheinland – eine insgesamt 9-stündige
    Höhe von 25 Millionen Euro zur Verfügung zu       ­besonders gefährdeten Risikogruppen vorbe-        Schulung absolvieren.
    stellen. Auch dieses Vorhaben muss schnellst-      halten sein soll. Die beim Robert Koch-Institut   Die Kammerversammlung der Ärztekammer
    möglich verwirklicht werden.                       angesiedelte Ständige Impfkommission be-          Nordrhein fordert den Gesetzgeber auf, sicher-
    Dreh- und Angelpunkt bleibt jedoch die Aus-        nennt hier Menschen ab 60 Jahren, Menschen        zustellen, dass Schutzimpfungen im Zusam-
    stattung des Öffentlichen Gesundheitsdiens-        mit chronischer Grunderkrankung, Bewohner         menspiel mit weiteren Präventionsleistungen
    tes mit qualifizierten Ärztinnen und Ärzten.       von Alten- und Pflegeheimen, Personen in          in ärztlicher Hand bleiben.
    Dieses zentrale Problem wird durch die bisher      ­Einrichtungen mit umfangreichem Publikums-
    auf Bundes- und Landesebene beschlossenen           verkehr, medizinisches Personal, Kontakt­
    Maßnahmen nicht gelöst. Denn dazu ist eine          personen von Menschen mit bestimmtem             Refinanzierung des elektronischen
    tariflich gesicherte, arztspezifische Vergütung     ­Risiko (Kokonstrategie), Schwangere.            Heilberufsausweises (eHBA)
    unabdingbar. Gerade der jüngste Tarifabschluss                                                       Ab 2021 wird der Einsatz des eHBA für Ärztin-
    für den öffentlichen Dienst hat an dieser                                                            nen und Ärzte, die gesetzlich krankenver­
  ­Notwendigkeit nichts geändert. Dieser Tarif­       Impfen gehört in ärztliche Hand –                  sicherte Patientinnen und Patienten behan-
   abschluss bringt für die Ärztinnen und Ärzte       Modellversuche in Apotheken sofort aussetzen       deln, zur Pflicht. So sollen z. B. Arbeits­unfähig­
   in den Gesundheitsämtern keine durchgreifen-       Die Kammerversammlung fordert die sofortige        keits­bescheinigungen ausschließlich elektro-
   de Verbesserung mit sich. Die erhebliche           Aussetzung der Modellversuche zur Grippe­          nisch an die entsprechende Krankenkasse
   ­Gehaltsbenachteiligung gegenüber Ärztinnen        impfung in Apotheken. Impfen ist eine ärzt­        über­tragen werden. Die Übermittlung erfolgt
    und Ärzten in anderen Versorgungsbereichen        liche Aufgabe. Noch widersinniger sind die         inner­halb der Telematik Infrastruktur mittels
    besteht weiter fort. Die Kammerversammlung        Modellversuche angesichts der aktuellen Her-       eines KIM-­Dienstes (Kommunikation im Medi­
    appelliert daher an die Oberbürgermeister         ausforderungen der Corona-Pandemie und der         zin­wesen). Der eHBA übernimmt hierbei die
    und Landräte in Nordrhein, nun unmittelbar in     derzeitigen Knappheit des Grippeimpfstoffes.       Funktion der Verschlüsselung und der rechts-
    ihrem Verantwortungsbereich einen arztspezi-      Apotheken müssen sich in dieser Zeit auf ihre      verbindlichen Signatur auf der elektronischen
    fischen, arbeitsmarktadäquaten Tarifvertrag       originären und herausfordernden Aufgaben in        Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU).
    zu realisieren.                                   der Impfstoffversorgung fokussieren. Die           Die Kassenärztliche Bundesvereinigung sowie
    Schließlich erneuert die Kammerversammlung        Durchführung von Impfungen in Apotheken            die Deutsche Krankenhausgesellschaft haben
    ihre Forderung nach einer stärkeren Koordina-     hingegen läuft einer effektiven, bedarfsadjus-     für Ärztinnen und Ärzte mit dem GKV-Spitzen-
    tion des Öffentlichen Gesundheitsdienstes         tierten Impfstrategie im Sinne der Ziele des       verband jeweils eine Finanzierungsverein­
    über die Landesebene. Die lokale und regio-       Nationalen Impfplans zuwider. Impfungen in         barung getroffen. Gemäß diesen Vereinbarun-
    nale Ebene ist für die Bewältigung der Krise      Apotheken sind medizinisch-fachlich unver-         gen erhalten Ärztinnen und Ärzte auf Antrag
    zwar von entscheidender Bedeutung. Sie muss       tretbar, können das erforderliche hohe Ver-        eine Erstattung von jährlich insgesamt 46,52 €.
    jedoch durch eine starke überregionale und        trauen der Bevölkerung in die Sicherheit von       Allerdings betragen die tatsächlich anfallen-
    landesweite Koordination mit klaren Rahmen-       Impfungen gefährden und sind zudem unter           den regelmäßigen Kosten rund 100 € pro Jahr.
    vorgaben unterstützt werden. Unterschied­         Versorgungsgesichtspunkten ineffektiv und          Eine weitere Maßnahme der Finanzierung zur
    liche Vorgehensweisen der Gesundheitsämter        teuer. Es besteht gerade bei der unzureichen-      Digi­talisierung des deutschen Gesund­heits­
    führen gerade in benachbarten Kreisen und         den Belieferung der Praxen durch Apotheken         wesens geht somit zulasten der Ärztinnen und
    Städten zu Irritationen in der Bevölkerung und    die Gefahr, dass für die vorrangig zu Impfen-      Ärzte.
    bei den weiteren Partnern in der Gesundheits-     den in Arztpraxen Impfdosen fehlen, die für        Vergleichbare (nichtärztliche) Signaturkarten
    versorgung. Deswegen müssen die Strukturen        Modellversuchsimpfungen verbraucht wurden.         verfügen aus technischer Sicht über identische
    auf Landesebene weiterentwickelt werden.          Modellversuche dieser Art passen nicht in eine     Funktionen wie ein eHBA (Authentisierung,
                                                      Zeit der Pandemie, in der alle vorhandenen         Verschlüsselung und qualifizierte elektroni-
                                                      Kräfte entsprechend ihrer Profession zielge-       sche ­Signatur). Der einzige Unterschied be-
  Verteilung von Impfstoff gegen                      richtet und gebündelt eingesetzt werden müs-       steht darin, dass die Eigenschaft als Arzt/
  saisonale Influenza                                 sen. Der Gesetzgeber wird dringend aufgefor-       Ärztin auf dem Zertifikat des eHBA hinterlegt
  Die Mitglieder der Kammerversammlung er-            dert, die entsprechenden Regelungen                ist. Die Signaturfunktion einer solchen all­
  warten von der Politik eine wirksame öffent­        ­unverzüglich auszusetzen. Die Impfung der Pa-     gemeinen Signaturkarte ist genauso rechts­
  liche Klarstellung, dass die noch ausstehen-         tienten muss in ärztlicher Hand bleiben.          verbindlich wie die ­Signatur eines eHBA. Die

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Thema

   Kosten [1, 2, 3]für eine solche Signaturkarte          Leistungsplanung ist ein für diesen Zweck        5.	Eine erfolgreiche Krankenhausplanung er-
   sind allerdings deutlich geringer.                     prinzipiell geeignetes Mittel. Sie erfordert         fordert eine nachhaltige Investitionsfinan-
   Für eine zielführende Digitalisierung im deut-         jedoch eine sorgfältige medizinisch-fachli-          zierung und eine Reform des DRG-Systems.
   schen Gesundheitswesen ist eine breite                 che Prüfung der gewählten Planungspara-          	Schließlich begrüßt die Kammerversamm-
   Akzep­tanz der Ärzteschaft zwingend notwen-            meter, um Fehlsteuerungen und Verwerfun-             lung, dass Bund und Land – auch als
   dig. Dies sollte sich u. a. in einer fairen            gen zu vermeiden. Die Kammerversamm-                 ­Konsequenz aus der COVID-19-Pandemie – ­
   ­Refinanzierung des eHBA widerspiegeln.                lung fordert die Landesregierung deswegen             in erheblichem Umfang zusätzliche Inves-
    Die Kammerversammlung fordert, dass die bun-          auf, den medizinisch-fachlichen Sachver-              titionsmittel für die Krankenhäuser zur
    desdeutsche Gesundheitspolitik auf eine 100%          stand der Ärztekammern auch bei der wei-              Verfügung stellen. Zugleich betont die
    Refinanzierung des eHBA für alle Ärztinnen und        teren Erarbeitung intensiv einzubeziehen              Kammerversammlung: Die neue Kranken-
    Ärzte im SGB V-Rechtsbereich hinwirkt.                und die neue Systematik einer gründlichen             hausplanung wird nur dann nachhaltig
    [1]	T-Systems: https://www.telesec.de/de/            Folgenabschätzung zu unterziehen.                     ­erfolgreich sein können, wenn die Investi-
         produkte/signaturkarte/ueberblick            2.	Mehr Spezialisierung erfordert verbind­                tionsmittel nicht nur einmalig erhöht wer-
   [2]	DGN: https://www.dgn.de/produkt/                  liche Vorgaben für die Zusammenarbeit                  den, sondern dauerhaft das erforderliche
         dgn-businesscard/                                der Krankenhäuser bei der Qualifizierung               Niveau erreichen, wie es sich aus den vom
   [3]	Bundesdruckerei: https://shop.secrypt.de/         des ärztlichen Nachwuchses.                            Institut für das Entgeltsystem im Kranken-
         produkt/d-trust-einzel-signaturkarte/            Die Kammerversammlung begrüßt die grund-              haus kalkulierten Werten ergibt. Außer-
                                                           sätzliche Orientierung der Krankenhauspla-            dem muss Nordrhein-Westfalen sich auf
                                                           nung an der ärztlichen Weiterbildungsord-             Bundesebene entschieden für die längst
   Betriebsärztliche Kompetenz in Pandemie­                nung. Die Weiterbildungsordnung spiegelt              überfällige Reform der Krankenhausver­
   zeiten weiter stärken: Weiterentwicklung der            den Stand des medizinischen Fortschritts              gütung einsetzen. Andernfalls werden alle
   Vorschrift 2 der Deutschen Gesetzlichen                 und die Versorgungserfordernisse wieder.              Bemühungen des Landes um eine bessere
   Unfallversicherung in Zeiten der Pandemie               Sie muss deswegen den Planungszuschnitt               Struktur der Krankenhausversorgung auch
   Die Kammerversammlung unterstützt den Ver-              und die Qualitätsanforderungen prägen.                weiterhin durch die massiven Fehlsteue-
   band Deutscher Betriebs- und Werksärzte            	   Zentrale Qualitätsmerkmale einer Kranken-             rungen des DRG-Systems konterkariert.
   (VDBW) in seinen Bemühungen, in Zeiten der              hausabteilung sind die Ausstattung mit
   Corona-Epidemie eine Weiterentwicklung der              Fachärztinnen bzw. Fachärzten und das
   Vorschrift 2 der Deutschen Unfallversicherung           Vorliegen einer Weiterbildungsbefugnis.         Ärztliche Meinungsführerschaft der
   zu erwirken.                                            Um auch unter den Bedingungen einer stär-       Bundesärztekammer
   Während der Pandemiezeit ist der Beratungs-             keren Spezialisierung den ärztlichen Nach-      Der alltägliche Umgang mit der Pandemie
   aufwand für Betriebs- und Werksärzte im                 wuchs auf hohem Niveau weiterbilden zu          stellt sich für die einzelnen Arztgruppen völlig
   ­Rahmen der Grundbetreuung deutlich erhöht.             können, sind Weiterbildungsverbünde             unterschiedlich dar.
    Neben der Grundbetreuung entsteht ebenfalls            ­zwischen Standorten der Spezial- und der       Die Ärzte*innen auf den Intensivstationen
    ein erhöhter Aufwand besonders schutzbe-                ­Regelversorgung verbindlich vorzugeben.       und in den Kliniken sind physisch und
    dürftiger Personen im betriebsspezifischen        3.	Die Sicherstellung der flächendeckenden          ­psychisch dauerbelastet. Sie sind täglich mit
    Teil der DGUV 2.                                      Versorgung erfordert sektorenübergreifen-         schwersten Verläufen, auch bei jungen Patien-
    Die betrieblichen Einsatzzeiten in der Grund-         de Kooperationskonzepte.                          ten konfrontiert.
    betreuung sollten in den jeweiligen Gruppen       	Mit Blick auf die ländlichen Regionen ist           Für die Ärzte*innen im niedergelassenen Be-
    um 6 Minuten pro Beschäftigtem erhöht wer-            es richtig, dass das Land weiter am Prinzip       reich ist die Situation fast konträr. Hier wer-
    den, unabhängig von der Gruppeneinteilung             der ortsnahen Versorgung festhält. Für die        den die leichten und mittelschweren Verläufe
    der Einsatzzeiten in der Grundbetreuung.              Verwirklichung dieses Ziels wird es in Zu-        behandelt, die den weitaus größten Anteil der
                                                          kunft verstärkt auf sektorenübergreifende         Infizierten bilden. Sie werden daneben aber
   Krankenhausplanung                                     Versorgungskonzepte ankommen. Des­                auch mit dem normalen „Alltagsgeschäft“ und
   Die Kammerversammlung begrüßt die grund-               wegen muss das Belegarztwesen auch im             mit den Sorgen vieler gesunder Menschen
   sätzliche Ausrichtung der neuen Krankenhaus-           neuen Krankenhausplan gefördert werden.           konfrontiert.
   planung in Nordrhein-Westfalen und benennt         4.	   Die Bewältigung von Pandemien und ande-        Deshalb sind die Breite der vorhandenen
   fünf zentrale Handlungsfelder für den nach-               ren Gesundheitskrisen erfordert die Vor-       ­ärztlichen Expertise zur Bewältigung der
   haltigen Erfolg dieser Planung:                           haltung ausreichender Reservekapazitäten.       ­Corona-Pandemie zu nutzen und pragmatische
   Eine differenzierte Planung erfordert fundier-     	     Nordrhein-Westfalen setzt mit dem neuen          Erfahrungen der niedergelassenen Ärzte in die
   te medizinisch-fachliche Grundlagen und eine              Krankenhausplan nicht primär auf Bet-            Beratergremien aufzunehmen.
   sorgfältige Folgenabschätzung.                            tenabbau und Schließungen, wie dies von          Virologen und Epidemiologen haben ebenfalls
                                                             interessierter Seite immer wieder gefordert      ihre eigene Sicht auf die Pandemie.
   1.	Es ist gut, dass Nordrhein-Westfalen auf              wurde. Die COVID-Pandemie hat einmal             Aus diesen völlig unterschiedlichen Wahrneh-
       eine bessere Strukturierung, auf sinnvolle            mehr gezeigt, wie gefährlich ein solcher         mungen resultieren unterschiedliche Äuße-
       Aufgabenteilung und auf mehr Kooperation              Weg gewesen wäre. Als Konsequenz aus             rungen in der Öffentlichkeit, die den Eindruck
       der Krankenhäuser untereinander und mit               der Pandemie muss der Plan künftig beson-        von Zerstrittenheit innerhalb der Ärzteschaft
       den niedergelassenen Ärzten setzen will.              deres Gewicht auf ausreichende Reserve­          entstehen lassen. Dem ist entschieden entge-
       Der geplante Einstieg in eine differenzierte          kapazitäten in der Intensivmedizin legen.        gen zu treten.

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2020                                                                                                                       19
Thema

  Die Kammerversammlung der Ärztekammer              Grippe oder Pneumokokken stehen nicht un-         Brustzentren in Nordrhein-Westfalen erhalten
  Nordrhein appelliert an die Bundesärzte­           begrenzt zur Verfügung und müssen nach me-        Die Kammerversammlung sieht mit großer
  kammer hier die Meinungsführerschaft zu            dizinischer Notwendigkeit priorisiert werden.     Sorge, dass die Beschlüsse des Gemeinsamen
  übernehmen, indem sie erläutert, wie diese         Es ist von großer Bedeutung, dass auch Politik    Bundesausschusses (G-BA) die in Nordrhein-­
  Meinungsvielfalt entsteht, und öffentlichkeits-    und Krankenkassen klar kommunizieren, dass        Westfalen seit 15 Jahren erfolgreich etablierte
  wirksam darauf hinzuweisen, dass die Ärzte-        Ärztinnen und Ärzte diese Mittel in Anbetracht    Struktur der Brustzentren gefährden, weil
  schaft sich sehr wohl darin einig ist, welche      einer Situation des Mangels vorrangig für         nach diesen Beschlüssen die Zuschläge für
  Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie              ­Risikopatienten und gefährdete Gruppen wie       Brustzentren wegfallen.
  angemessen und notwendig sind.                      Pflege- oder Gesundheitsberufe einsetzen         Die Kammerversammlung fordert den G-BA
                                                      müssen.                                          deswegen auf, Brustzentren eigenständig als
                                                                                                       zuschlagsfähige Zentren vorzusehen.
  Gesundheitliche Folgen des Klimawandels                                                              Die Kammerversammlung begrüßt das diesbe-
  Durch das Pandemiegeschehen ist der weitaus        Anpassung der Vergütung für nebenamtlich          zügliche Engagement der Landesregierung
  bedrohlichere Klimawandel aus dem Fokus            und nebenberuflich tätige Ärztinnen und           und des zuständigen Landtagsausschusses
  der Öffentlichkeit geraten. Im Rahmen des          Ärzte als Fachlehrer für die Ausbildung zur       und fordert die Akteure im Land auf, dieses
  Lockdowns ist noch einmal deutlich gewor-          Medizinischen Fachangestellten an                 Anliegen auch weiterhin zu verfolgen.
  den, wie gravierend der Einfluss des Men-          berufsbildenden Schulen                           Die Kammerversammlung fordert den Gesetz-
  schen auf die klimaschädlichen Faktoren ist.       Die Ärztekammer Nordrhein beauftragt den          geber auf Bundes- und Landesebene außer-
  Die Kammerversammlung fordert die Bundes­          Vorstand der Ärztekammer Nordrhein mit der        dem auf, den Ländern den erforderlichen Ge-
  ärztekammer daher auf, das Thema „Gesund-          Überprüfung der Angemessenheit der Ver­           staltungsfreiraum zurückzugeben, um unter
  heitliche Folgen des Klimawandels“ als             gütung für die nebenamtlich und nebenberuf-       Berücksichtigung der Versorgungsstrukturen
  ­Tagesordnungspunkt für den 124. Deutschen         lich tätigen Ärztinnen und Ärzte als Fachlehrer   im jeweiligen Bundesland zuschlagsfähige
   Ärztetag in Rostock zu setzen.                    für die Ausbildung zur Medizinischen Fach­        Zentren über die Landeskrankenhausplanung
                                                     angestellten an berufsbildenden Schulen. Das      auch ergänzend zu den G-BA-Vorgaben zu
                                                     Ergebnis der Überprüfung und ein Vorschlag        ­benennen.
  Abgesenkter Corona-Hygienezuschlag gemäß           zur Anpassung ist der nächsten erreichbaren
  GOÄ ist unzureichend – Nachverhandlungen           Kammerversammlung zur Beschlussfassung
  erforderlich                                       vorzulegen.                                       Prävention durch Impfen –
  Der sogenannte Corona-Hygienezuschlag in                                                             Schutz der Risikogruppen und
  Höhe von vormals 14,75 Euro nach analogem                                                            ausreichende Impfstoffe in Europa
  Ansatz der Nr. 245 der Gebührenordnung für         Breite ärztliche Expertise bei der Bewältigung    Die Kammerversammlung fordert,
  Ärzte (GOÄ) für die Behandlung von Privat­         der Corona-Pandemie nutzen!                       1.	dass die Krankenkassen in Zeiten der Pan-
  versicherten wurde zum 1. Oktober 2020 auf         Die Kammerversammlung der Ärztekammer                 demie die Verteilung der Impfstoffe auf
  6,41 Euro abgesenkt. Die Kammerversamm-            Nordrhein appelliert an die Politik, die breit        die vulnerablen Gruppen unterstützen und
  lung der Ärztekammer Nordrhein vertritt die        vorhandene ärztliche Expertise zur Bewälti-           Satzungsleistungen zum Impfen für alle
  Auffassung, dass dieser Betrag in der Höhe         gung der Corona-Pandemie zu nutzen und                Versicherten aussetzen.
  unzureichend und die Absenkung nicht zu            auch die Stimme der niedergelassenen Ärzte        2.	dass die Bundesregierung auf die Beseiti-
  ­begründen ist.                                    in die Beratergremien aufzunehmen.                    gung der Engpässe von Impfstoffen hin-
   Die Bundesärztekammer wird deshalb auf­                                                                 wirkt und die Hersteller bewegt, die Impf-
   gefordert, hier zeitnah nachzuverhandeln.                                                               stoffproduktion verstärkt in den europä­
   ­Darüber hinaus ist die Ärzteschaft transparent   Forderung nach einer praktikablen Ersatzlö-           ischen Raum zurückzuverlagern und die
    darüber zu informieren, dass statt der           sung bei Ausfall der TI                               Impfstoffmengen ausreichend zu erhöhen,
    Hygiene­pauschale höhere Steigerungsfakto-       Für die Anwendungen in der Telematikinfra-            damit alle geimpft werden können.
    ren als der Regelsteigerungssatz von 2,3 ins-    struktur (TI) kommen verschiedene techni-
    besondere bei kurativer ärztlicher Tätigkeit     sche Komponenten zum Einsatz. Für die
    zum Ansatz gebracht werden können.               Durchführung der verschiedenen TI-Anwen-          Berücksichtigung von bis zu 6 Wochen
                                                     dungen, wie z. B. die elektronische Arbeitsun-    Ausfallzeit pro Jahr während der Weiter­
                                                     fähigkeitsbescheinigung (eAU), ist es erfor-      bildungszeit unter klar definierten
  Corona: Politik und Krankenkassen sollen           derlich, dass diese Komponenten ordnungs­         Bedingungen (Änderung von § 4 Absatz 4 WBO)
  die Bevölkerung über begrenzte Ressourcen          gemäß funktionieren.                              Die Kammerversammlung beauftragt den
  aufklären                                          Eine Komponente der TI ist der elektronische      ­Vorstand, eine Änderung der Weiterbildungs-
  Die Kammerversammlung der Ärztekammer              Heilberufsausweis (eHBA), bei dem aufgrund         ordnung (WBO) in § 4 Abs 4 für die nächste
  Nordrhein fordert das Bundesgesundheits­           der Einsatzart eine mechanische Beanspru-          Kammerversammlung vorzubereiten.
  ministerium und die Krankenkassen auf, die         chung zu unterstellen ist. Um bei einem tech-      Die aktuelle Formulierung ab Satz 4 soll da-
  Bevölkerung sachgerecht und breit über die         nischen Defekt des eHBA eine weitere Funk­         hingehend umformuliert werden, dass eine
  begrenzten medizinischen Ressourcen im             tionalität der TI zu gewährleisten, sollte für     Ausfallzeit unter bestimmten Voraussetzun-
  ­Hinblick auf die Corona-Pandemie zu infor-        alle Anwender eine sofort praktikable Ersatz-      gen und für eine begrenzte Zeit gerecht und
   mieren. Coronatests und Impfungen gegen           lösung zur Verfügung stehen.                       juristisch sicher für die Weiterbildungszeit

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