MINT-Karrieren Frauen an der rWTH aachen
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INHALT Frauen an der RWTH Aachen 4 Angebote und Maßnahmen 6 Karrieren unterstützen 8 eine ehemalige Mentee berichtet 9 14 Professorinnen im Portrait erika abrahám 10 anne-Julchen Bernhardt 12 Catherine Dißelhorst-Klug 14 Martina Fromhold-eisebith 16 Sonja Grün 18 Sabina Jeschke 20 regina Palkovits 22 Stefanie reese 24 Sabine roller 26 anett Schallmey 28 anke Schmeink 30 antje Spieß 32 Barbara Terhal 34 Karen Veroy-Grepl 36 Impressum 38
Professorin Dr. rer. nat. Doris Klee ist seit Oktober 2011 Prorektorin für Personal und wissenschaftlichen Nachwuchs der RWTH Aachen.
Frauen an der RWTH Aachen Die seit 2007 durchgängige strukturelle Ver- Auf der Ebene der Nachwuchsförderung von ankerung von Gleichstellung an der RWTH Doktorandinnen und Wissenschaftlerinnen in Aachen wird von der Hochschulleitung bewusst den MINT-Fächern haben sich des Weiteren an vorangetrieben. Die Umsetzung der vielfältigen der RWTH verschiedene Mentoring-Programme Maßnahmen wird durch das „Gender-Dreieck“ etabliert. Aus persönlicher Erfahrung kann ich – bestehend aus der Rektoratsstabsstelle bestätigen, dass meine Professorinnenlaufbahn „Integration Team – Human Resources, Gender in der Chemie maßgeblich durch die Unterstüt- and Diversity Management“ (IGaD), der Gleich- zung professoraler Mentoren geprägt war. Zur stellungsbeauftragten und den Professuren Unterstützung der jungen Professorinnen bietet für Gender Studies – initiiert und koordiniert. die Aachener Hochschule zusätzlich das Entwick- Diese Rahmenbedingungen ermöglichen mir lungsprogramm für Führungskräfte „Starter Kits“ als Prorektorin für Personal und wissenschaft- an, das auf die individuellen Bedürfnisse ange- lichen Nachwuchs, die geschlechtergerechte passt werden kann. Von besonderer Bedeutung Organisations- und Personalentwicklung zu für die Professorinnen, Wissenschaftlerinnen und steuern. Eines der Hauptanliegen ist hierbei Studentinnen ist jedoch die familiengerechte die Steigerung des Professorinnenanteils. So Gestaltung der Arbeits- und Studienbedingungen haben die Maßnahmen des Zukunftskonzepts an der Hochschule, unterstützt durch ein umfas- der RWTH in den letzten fünf Jahren dazu sendes Angebot des Familienservices. beigetragen, dass wir den Anteil an Professo- rinnen von 5 auf 13 Prozent steigern konnten. Rückblickend auf meine Tätigkeit als Gleich Eine weitere Steigerung auf 20 Prozent bis stellungsbeauftragte der RWTH kann ich sagen, zum Jahr 2020 streben wir durch Einführung dass besonders durch das kreative Leitungsteam einer Quotenregelung an. des Gleichstellungsbüros die Arbeit an unserer Hochschule in den letzten zwei Jahren weitere Nach wie vor sind jedoch Professorinnen vor große Fortschritte gemacht hat. So wurde das allem in den ingenieurwissenschaftlichen und Bewusstsein gestärkt, dass die geschlechterge- naturwissenschaftlichen Fächern – den so rechten Veränderungen bei der Vereinbarkeit genannten MINT-Fächern – unterrepräsentiert. von Karriere und Familie beiden Geschlechtern Aufgrund des demographischen Wandels zu Gute kommen. sind wir zwingend auf die paritätische Beteili gung der exzellent ausgebildeten Frauen in In dieser Broschüre werden beispielhafte Karriere Forschung und Entwicklung angewiesen. Die wege mit innovativen und zukunftsweisenden Akquirierung des weiblichen akademischen Forschungsrichtungen vorgestellt, die Ansporn Nachwuchses muss schon in der Schule durch für unseren weiblichen akademischen Nachwuchs aktive Sensibilisierung für die MINT-Fächer in den MINT-Fächern sind. Nicht zuletzt möchte beginnen. Im Rahmen meines Forschungs- ich die Bedeutung unserer exzellenten Professo- schwerpunkts im Bereich der Biomaterialien rinnen in den Natur- und Ingenieurwissenschaften konnte ich in den letzten Jahren erfreulicher- als positive Vorbilder hervorheben. Ihrem per- weise feststellen, dass sich verstärkt weibliche sönlichen Engagement für unsere Hochschule Studierende für die interdisziplinären und gilt mein besonderer Dank. anwendungsspezifischen Forschungsaufgaben interessieren. Doris Klee Frauen an der Rwth aachen 5
Angebote und Maßnahmen Mit zahlreichen Angeboten in der Kinderbetreu ung bietet der Familienservice der RWTH Aachen unter anderem Studentinnen, Doktorandinnen und jungen Wissenschaftlerinnen die Möglich- keit zu mehr Flexibilität und arbeitspolitischer Selbstbestimmung im universitären Alltag. Familienservice » www.rwth-aachen.de/eltern Eine familiengerechte Gestaltung der Arbeits- und Studienbedingungen an der RWTH sowie ein umfassendes Vermittlungs- und Beratungs- angebot sind die wesentlichen Voraussetzun- gen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Studium und Beruf. Im Jahr 2009 wurde die RWTH für ihr Engagement und die entwickel- ten Maßnahmen im Bereich Vereinbarkeit von Familie, Studium und Beruf mit dem Zertifikat „audit familiengerechte hochschule“ ausgezeich- net und führt seitdem das europaweit geschütz- te Signet als einen wichtigen Standortfaktor neben exzellenter Lehre und Forschung sowie als Zeichen der sozialen Verantwortung gegen- über ihren Studierenden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dabei stehen nicht nur die Fach- kräfte, sondern auch ihre Familien im Fokus. audit familiengerechte hochschule » www.igad.rwth-aachen.de/audit.htm Die gezielte Förderung von Frauen in den MINT- Fächern ist ein zentraler Bestandteil der Gleichstel- Mit dem Preis „FAMOS für FAMILIE“ werden zu- lungspolitik der RWTH Aachen und wird durch dem jedes Jahr Führungskräfte der RWTH Aachen diverse strukturelle Maßnahmen konkret umge- ausgezeichnet, die sich durch einen familiengerech setzt. Darunter fällt unter anderem das durch das ten Führungsstil im besonderen Maße für eine BMBF geförderte tasteMINT-Projekt, das Oberstu- bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein- fenschülerinnen durch ein Potenzial-Assessment- setzen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können Verfahren bei der Studienfachwahl unterstützt jährlich Vorschläge für die Nominierung ihres und langfristig eine Steigerung weiblicher Studie- Chefs oder ihrer Chefin beim Familienservice render in den MINT-Fächern zum Ziel hat. einreichen und damit auf Best Practice Beispiele TasteMINT aufmerksam machen oder auf das besondere » www.rwth-aachen.de/go/id/beko Engagement des/der Vorgesetzten hinweisen. FAMOS für Familie Besonders innovative Projekte zur Förderung » www.rwth-aachen.de/FAMOS von Studentinnen und Nachwuchswissenschaft- 6 Angebote und maSSnahmen
„Dxxxxxoday?“ (Janet Txxxx 1944) Im September 2011 wurde neben den weiteren Betreuungsangeboten, vermittelt durch den Familienservice der RWTH, die erste eigene Kindertagesstätte der Hochschule an der Melatener Straße eröffnet. Auf 420 Quadratmeter stehen hier Räume für insgesamt 40 Kinder zur Verfügung. lerinnen in den MINT-Fächern an der RWTH Mentoring-Programme etabliert, die zu erfolg- Aachen werden jährlich mit dem Brigitte-Gilles- reichen weiblichen Berufsbiographien beitragen Preis ausgezeichnet, der auf die erste Frauen- sollen (siehe Seite 8). beauftragte der RWTH Aachen zurückgeht. Damit wird ein Akzent auf die Verbesserung Zusätzlich fördert auch das Aachen Center for der Chancen für Frauen und die Förderung ihrer Young Researchers (AixCYR) die Netzwerk- Talente an der Hochschule gesetzt und das bildung. Die Treffen des Netzwerkes werden Engagement einzelner Hochschulinstitute oder von den Nachwuchswissenschaftlerinnen und -einrichtungen gewürdigt. Nachwuchswissenschaftlern selbst organisiert Brigitte-Gilles-Preis und finden regelmäßig statt. Das Ziel von AixCYR » www.rwth-aachen.de/brigitte-gilles-preis ist die Unterstützung junger Forscherinnen und Forscher sowie die Vertretung ihrer Interessen Auf der Ebene der Nachwuchsförderung von an der Aachener Hochschule. Doktorandinnen und Wissenschaftlerinnen in Aachen Center for Young Researchers den MINT-Fächern haben sich an der RWTH » https://sites.google.com/site/aixcyr Angebote und maSSnahmen 7
Karrieren unterstützen Vielfalt als Zukunftspotenzial fördern Eine führende und zukunftsweisende Hochschule ihre beruflichen und persönlichen Ziele im wie die RWTH Aachen lebt von den Menschen, Tandem mit einer erfahrenen Mentorin bezie- die hier arbeiten, forschen und studieren. So hungsweise einem Mentor konkretisieren und vielfältig wie ihre Themen sind auch ihre Talente, reflektieren wollen. Hintergründe und Bedürfnisse. Die RWTH will • Für Doktorandinnen kurz vor Abschluss ihrer daher bestmögliche Bedingungen für alle in der Arbeit und Postdoktorandinnen aus natur- und Wissenschaft Tätigen schaffen, damit sie sich ingenieurwissenschaftlichen Fachbereichen wur- mit Begeisterung und Engagement wichtigen de TANDEMplus, ein Kooperationsprojekt der Forschungsfragen widmen sowie ihr Potenzial RWTH Aachen, des Forschungszentrums Jülich entwickeln und einbringen können. sowie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), eingerichtet. Es zielt darauf ab, hochqua- Im Rahmen der Exzellenzinitiative wurde „Gender lifizierte Frauen aus diesen Einrichtungen für and Diversity Management“ als Querschnittsauf- eine Leitungsposition in der Wissenschaft oder gabe in der gesamten Hochschule fest verankert, in der Privatwirtschaft zu gewinnen. um die Diversität aller Menschen als Chance zu • Um speziell auf die Bedürfnisse in der Medizin nutzen. Die Wahrnehmung und Anerkennung einzugehen, wurden an der Medizinischen von unterschiedlichen Perspektiven und Talenten Fakultät folgende Programme installiert: TAN- führt zu mehr Flexibilität, Produktivität und Pro- DEMmed unterstützt dort Studentinnen bei blemlösungsstrategien sowie zur Steigerung der ihrer individuellen Berufs- und Karriereorientie- Fähigkeit, den unterschiedlichen Bedürfnissen rung. Das Projekt trägt so dazu bei, weibliche einer vielfältigen Mitarbeitenden- und Studieren- Nachwuchskräfte für die Medizin zu gewinnen denschaft gerecht zu werden. Die Berücksichti- und langfristig ihren Anteil in Führungspositio- gung von Gender und Diversity bereichert die nen zu erhöhen. TANDEMplusMED richtet sich Wissenschaft und bietet der Hochschule diffe- an promovierte Ärztinnen sowie Wissenschaft- renzierte Möglichkeiten, sich künftigen Heraus- lerinnen und unterstützt diese bei ihrer akade- forderungen effektiv und kreativ zu stellen. Das mischen Laufbahnplanung. TANDEMpeerMED „Integration Team – Human Resources, Gender wird im jährlichen Wechsel mit TANDEMplus- and Diversity Management“ (IGaD) ist an der MED durchgeführt und richtet sich an Ärztinnen RWTH zuständig für diese Fragen. und Ärzte sowie an Doktorandinnen und Dok- toranden anderer Fächer in der Medizin, die Die TANDEM-Mentoring-Programme werden gezielt eine Karriere im klinischen Bereich und seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt und beziehungsweise oder der Forschung anstreben. fördern wirksam eine geschlechtergerechte • TANDEMkids und TANDEMschool wurden Personalentwicklung. Mit den am IGaD inzwi- konzipiert, um Schülerinnen und Schüler ab schen sieben angesiedelten Programmen, die Klasse 6 oder ab Klasse 10 gezielt als moti- für unterschiedliche Fachrichtungen und Status- vierten und qualifizierten Nachwuchs im gruppen konzipiert sind, nimmt die Hochschule MINT-Bereich für die Hochschule zu gewinnen. bundesweit eine Vorreiterrolle ein: Mentorinnen und Mentoren sind Studierende und Promovierende der RWTH Aachen. • TANDEM richtet sich fächerübergreifend an Studentinnen (ab 4. Semester) und Dokto- »w ww.igad.rwth-aachen.de/ randinnen, die ihre Karriere aktiv planen und mentoringprogramme 8 Karrieren unterstützen
Franka Schröder Eine ehemalige Mentee berichtet Durch eine Freundin wurde sie auf das Mento- ring-Programm TANDEM der RWTH aufmerk- sam. Da Franka Schröder schon zuvor positive Erfahrungen mit ähnlichen Programmen ge- macht hatte und ihr Doktorvater das Vorhaben unterstützte, bewarb sie sich. Zurückblickend spricht sie von einem erfolgreichen und berei- chernden Mentoringjahr: „Die angebotenen Trainings zu Karriereplanung, Selbstmarketing, Konfliktmanagement oder Work Life Balance haben wichtige Impulse für den beruflichen Alltag und für meine spätere Karriere gegeben. Von den vielfältigen Erfahrungen der anderen Doktorandinnen habe ich sehr profitiert. Auch der gegenseitige Austausch in der Gruppe war sehr offen, das hat uns alle weitergebracht“, fasst sie zusammen. Neben den Seminaren und den Netzwerk angeboten war für Schröder insbesondere die gute und produktive Zusammenarbeit mit ihrer Mentorin wichtig. „Professorin Sabina Jeschke, Inhaberin des Lehrstuhls für Informationsmanage- ment im Maschinenbau, hatte ich schon un Berlin kennengelernt. Nach Aachen kam sie im abhängig vom Mentoring-Programm kennen- Juli 2009, weil sie der medizintechnische Anwen- gelernt. Ihre Persönlichkeit und ihre Vita haben dungsbezug interessierte. Die Kombination von mich sehr beeindruckt. Gerne wollte ich von Forschung und Lehre sowie die Arbeit mit den ihren Erfahrungen profitieren, daher ist sie mir Studierenden faszinieren die Diplomingenieurin über TANDEM als Mentorin vermittelt worden“, der Fachrichtung Verkehrswesen. beschreibt sie. Neben ihren Karriereplänen ist für die 26-Jährige Den Grundstock für ihre berufliche Tätigkeit jedoch auch klar, dass sie später eine Familie will. legte Schröder mit einem Studium an der TU Sie selbst ist schon mit berufstätigen Eltern Berlin im Fach Verkehrswesen mit der Vertiefung aufgewachsen und ist sich daher sicher, dass Luft- und Raumfahrttechnik. Die Forschung sich Kind und Karriere nicht gegenseitig aus- im Rahmen ihrer Promotion am Aerodynami- bremsen. Schließlich zeigten die vielfältigen schen Institut der RWTH Aachen beschäftigt Maßnahmen und ein verändertes Bewusstsein sich allerdings mit einem anderen Thema, der der Verantwortlichen in Wissenschaft und „Diagnostik und Verlaufskontrolle von Lungener- Unternehmen, dass Familie und Beruf längst krankungen anhand exhalierter Aerosole (Un- kein Widerspruch mehr sein müssen. tersuchung des Aerosoltransports)“. Die hierzu notwendige Messtechnik hatte sie bereits in » www.aia.rwth-aachen.de ein erfahrungsbericht 9
Erika Abrahám Seit Oktober 2008 ist Dr. rer. nat. Erika Abrahám Juniorprofessorin für Theorie Hybrider Systeme. „Komplexe Aufgaben zu lösen und mich neuen wissenschaftliche Karriere problemlos. Sie Herausforderungen zu stellen – das macht mir musste allerdings erfahren, dass einige männ- viel Spaß!“ Für Erika Abrahám war das Fach liche Kollegen überrascht reagieren, wenn sie Informatik die perfekte Studienentscheidung. realisieren, dass die zierliche Frau ein fach- „Man muss einen guten Draht zur Mathematik liches Schwergewicht ist. „Ich habe gelernt, haben und gerne über Probleme nachgrübeln“, darauf entsprechend zu reagieren und mir erläutert die Juniorprofessorin. „Die Informatik Respekt zu erarbeiten.“ Deshalb setzt sie sich ist vielseitiger, als die meisten denken.“ Die auch für die Förderung von jungen Frauen ein Wissenschaftlerin lässt keinen Zweifel daran, und engagiert sich beispielsweise in Mentoring- mit wie viel Freude sie bei der Sache ist. Dabei Projekten. Dabei hat sie die Erfahrung gemacht, stellt für sie ein schlichtes Ergebnis immer nur dass Mädchen vor allem Ermutigung brauchen. die zweitbeste Möglichkeit dar. „Schöne Lösun- gen haben Pfiff und Eleganz.“ Für Abrahám war schnell klar, dass sie sich auf „Ihrer wahren Wesens- die Theoretische Informatik konzentrieren würde – wegen der thematischen Vielfalt. Am 9. No- bestimmung nach ist vember 1970 im ungarischen Szeged geboren, musste sie erst einmal Deutsch lernen, bevor die Wissenschaft das sie in Kiel mit dem Studium beginnen konnte. Ihre beiden Kinder bekam sie während der Studium der Schönheit Ausbildung. Seit der Trennung von ihrem Mann meistert sie ihre wissenschaftliche Karriere und der Welt.“ die Familie alleine. „Man braucht ein stabiles (Simone Weil) soziales Netzwerk und muss sehr gut organi- siert sein“, beschreibt sie die Voraussetzungen für diese komplexe Kombination. Quasi als Grundsätzlich wünscht sich die Juniorprofesso Beleg, dass man beides mit viel Engagement rin für ihre Arbeit Rahmenbedingungen, die betreiben kann, legt sie ihre Dissertationsschrift mehr Platz für ihre Familie vorsehen. auf den Tisch: Auf dem Titel ist eine Kinder- „Ich kann wegen der Kinder leider nicht so viel zeichnung ihres Sohnes von der Insel Java. So reisen und an internationalen Konferenzen teil- heißt auch die Computersprache, mit der sie nehmen“, beschreibt sie. „Und auch bei einem sich bei ihrer Promotion beschäftigt hat. optimalen Zeitmanagement, werde ich nicht so viele Veröffentlichungen schreiben können Dass die Informatik noch weitgehend eine wie Kollegen ohne familiäre Verpflichtungen.“ Männerdomäne ist, hat Abrahám für sich nie Wie gut, dass Abrahám ihren Beruf, ihre Familie als großes Problem gesehen. Dank ihrer fach- und die Lösung komplexer Aufgaben liebt. lichen Kompetenz und Vorgesetzten, die ihr flexibles Arbeiten ermöglichten, verlief ihre » www-i2.informatik.rwth-aachen.de 14 PRofessorinnen im Portrait 11
Anne-Julchen Bernhardt Seit Oktober 2008 ist Dipl.-Ing. Anne-Julchen Bernhardt Universi tätsprofessorin für das Fach Gebäudelehre und Grundlagen des Entwerfens. „Mein Einstieg als Teilzeitprofessorin war schon etwas Besonderes. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, auf meine Arbeit als freiberufliche Architektin zu verzichten. Heute weiß ich, dass ich als Vollzeitprofessorin weiterhin freiberuflich tätig sein kann und auch noch Zeit für meine Familie habe“, beschreibt Anne-Julchen Bern- hardt. Ihre erste Zeit an der Hochschule sei durch hohen Kommunikationsbedarf bestimmt gewesen, da die Architektur als künstlerisches Fach viel Abstimmung fordert. Sie übernahm die Professur in Vollzeit, als ihr Mit-Lehrstuhl inhaber einen Ruf an eine andere Hochschul- schule erhielt. „Im Studium finden sich in der Architektur noch viele Frauen. Leider verschwinden diese irgend- wann. Das liegt sicherlich auch daran, dass viele Architekturbüros kleine Einheiten sind. Hier lässt sich eine berufliche Auszeit oder eine Teilzeittätigkeit schlechter realisieren als in großen Unternehmen“, analysiert Bernhardt. Sie arbeitet oft schon vor dem Frühstück, abends und auch Kunstakademie Düsseldorf, arbeitete einige am Wochenende. „Privatleben und Arbeitsleben Jahre in Berlin, baute schließlich in Köln ein lassen sind nicht voneinander trennen. Es gibt Architekturbüro auf und arbeitete zeitgleich am nur Dinge, die ich gerne tue. Ich bin zu 100 RWTH-Lehrstuhl für Baukonstruktion III als wis- Prozent bei der Sache. Wenn mit meiner Toch- senschaftliche Mitarbeitern. In den vergangenen ter zusammen bin, konzentriere ich mich hier- Jahren wurde sie mehrfach ausgezeichnet, so auf und genieße diese Zeit.“ erhielt sie den Förderpreis des Landes NRW für junge Künstlerinnen und Künstler, den Kunst- Anne-Julchen Bernhardt wurde 1971 in Köln preis Berlin und wurde in die NRW-Akademie geboren. Sie studierte an der RWTH und der der Wissenschaften und der Künste berufen. 12 14 Professorinnen im portrait
„Es gibt nur Dinge, die ich gerne tue.“ Mit den Studierenden arbeitet sie im Entwurfs Bedingung nicht in der Lage wären. „Die freie projekt „Tertiär, Grau“ am Beispiel von Call-, Daten- Arbeit ist sehr wichtig, davon profitieren auch und Distributionscentern zum Thema „Wie lassen die Studierenden. Sie können sich mit dem Werk sich neue Gebäudetypologien verbessern?“. In der Lehrenden auseinandersetzen, sie lernen von ihrem Architekturbüro plant sie dagegen einen Vorbildern“, sagt Bernhardt. Ihren Studentinnen Biobauernhof für eine neunköpfige Familie und macht sie Mut: „Gegen das Verschwinden der ein Wohnprojekt im Rahmen der Internationa- Frauen kann ich etwas tun, ich versuche Studen len Bauausstellung in Hamburg. Hier sollen sich tinnen in ihrem Selbstvertrauen zu stärken.“ Menschen durch Eigenleistung eine Eigentums- wohnung leisten können, die dazu unter anderen » http://gbl.arch.rwth-aachen.de 14 PRofessorinnen im Portrait 13
Life „Xxxx“is movement & Movement is life“ (xxxxxxxxxxxxxxxxx) (IOC Olympic prize committee)
Catherine Dißelhorst-Klug Seit Oktober 2009 ist Dr. rer. nat. Catherine Dißelhorst-Klug Universitäts- professorin für das Fach Rehabilitations- und Präventionstechnik. „Alles was man gerne macht, macht man gut. Anspruch einer „Super-Mutter“ blockieren, man Schülerinnen, die sich für ein technisches oder muss auch Verantwortung abgeben können.“ naturwissenschaftliches Studium interessieren, sollten den Mut haben, ein solches aufzuneh- Ärzte in Diagnose, Therapieplanung und men. Ich hatte werde im Studium noch im -bewertung zu unterstützen ist heute Ziel der Berufsleben Probleme in der „Männerwelt“, Forschungsarbeiten von Dißelhorst-Klug. „In resümiert Catherine Dißelhorst-Klug. Geboren der Rehabilitations- und Präventionstechnik wurde sie am 21. Oktober 1964 in Wuppertal. arbeiten die Fachbereiche Medizin, Physik Ihr Umfeld – und das waren nicht nur ihre und Ingenieurwissenschaften in idealer Weise Eltern – war zunächst „sprachlos“ über ihren zusammen. Das entspricht genau meinen Berufswunsch. Seinerzeit hatte sie sich für Interessen. Wir entwickeln beispielsweise Ingenieurwissenschaften oder die Medizin Verfahren und Techniken zur Messungen der interessiert, dann aber zugunsten der Physik Bewegungsphysiologie. Aufgrund des demo- entschieden, weil diese breit einsetzbar ist. grafischen Wandels und der Altersstruktur der Vielfach waren es die klassischen Vorbehalte Bevölkerung werden immer mehr Menschen gegen diesen Berufswunsch, der als nicht ver- Probleme durch eine eingeschränkte Beweg- einbar mit einem Familienleben galt. lichkeit haben. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, hier Abhilfe zu ermöglichen.“ „Was für ein Typ bin ich? Wie wichtig ist mir meine Berufstätigkeit? Dies sind die ent- Im Leben und auch im Berufsleben beweglich scheidenden Fragen bei der Lebensplanung. und flexibel bleiben, ist ein Ratschlag der Andere Dinge lassen sich organisieren“, weiß Professorin an Studierende, junge Kolleginnen die Mutter zweier Kinder. Nach ihrer Diplom- und Kollegen. Auch im nichtberuflichen prüfung arbeitete sie als wissenschaftliche Bereich – wie der Familie – erwirbt man Kom- Mitarbeiterin am Helmholtz-Institut für Bio- petenzen, die im Berufsleben wichtig sind. medizinische Technik und promovierte kurz Am Institut für Angewandte Medizintechnik, nach der Geburt ihres ersten Kindes. Sie ergänzt: zu dem ihre Professur gehört, wird derzeit ein „Natürlich braucht man Hilfe, aber die Hoch- Kinderraum eingerichtet, um den Mitarbeite- schule ist ein ideales Umfeld, um Kinder und rinnen und Mitarbeitern die Vereinbarkeit von Karriere zu leben. Ich konnte im Notfall auch Beruf und Familie zu erleichtern. zu Hause arbeiten oder die Kinder mitbringen. Allerdings darf man sich nicht mit dem » www.ame.hia.rwth-aachen.de 14 PRofessorinnen im Portrait 15
Martina Fromhold- Eisebith Seit März 2006 ist Dr. phil. Martina Fromhold-Eisebith Universitätsprofessorin für Wirtschaftsgeographie. Zunächst wollte sie Journalistin werden, das Interesse an wissenschaftlicher Arbeit entstand erst während des Studiums: Geboren am 2. November 1962 in Ratingen, studierte sie Germanistik, Wirtschaftsgeographie, Volks- wirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der Universität Bonn und der RWTH Aachen. „Die wissenschaftliche Karriere ergab sich quasi von selbst“, beschreibt sie ihren Werdegang. Schon in ihrer Dissertation zum Thema „Wissen- schaft und Forschung als regionalwirtschaftliches Potential? Das Beispiel von RWTH und Region Aachen“ stand die Aachener Hochschule im Fokus. Heute arbeitet Martina Fromhold-Eisebith nicht nur in Forschung und Lehre, sondern auch im Strategierat der RWTH. „Gemeinsam mit sieben Kollegen und einer Kollegin geht es um die Zukunft unserer Universität. Struktur- und Entwicklungspläne für Fächer und Fakultäten, die Strategie RWTH 2020 und die Fortführung der Exzellenzinitiative stehen hier auf der Tages ordnung“, erläutert Fromhold-Eisebith. Als Gründungsdekanin der Faculty of Economics and Planning an der GUTech in Oman, Urhe- berin des Studiengangs Sustainable Tourism Innovations- und technologieorientierte Regio- and Regional Development und Lehrende im nalentwicklung, neue Ansätze der Wirtschafts- gleichnamigen Department ist sie ebenfalls und Industriegeographie sowie lokal-globale engagiert. Entwicklungszusammenhänge sind Themen 16 14 Professorinnen im portrait
„Maßhalten und im Gleichgewicht bleiben, das ist der Gipfel menschlicher Vollkommenheit.“ (Konfuzius) ihrer Seminare und Vorlesungen. Ihren Studen- Freizeit gerne mit ihrem Ehemann die Gipfel tinnen ist sie gerne Vorbild. „Ich fühle mich als der Berge in Angriff nimmt. Frau und Professorin wohl an dieser Hochschule“, sagt die begeisterte Wanderin, die in ihrer » www.econgeo.rwth-aachen.de 14 PRofessorinnen im Portrait 17
Sonja Grün Seit März 2011 ist Dr. rer. nat. Sonja Grün Universitätsprofessorin für Theoretische Systemneuro biologie. Wie ein Alpha-Tier fühlt sie sich nicht. „Das bin ich nicht, das strahle ich nicht aus“, sagt sie und schüttelt den Kopf. „Wenn man sich allerdings nicht als Alpha-Männchen produ- zieren möchte, hat man es schwer, beruflich nach oben zu kommen.“ Und darum hatte sie es selbst schwer. Ihren Weg zur Professur beschreibt Sonja Grün als steinig. Doch sie hat es geschafft, durch ihre Leistung als Wissen- schaftlerin für ihr Fachgebiet, die Computational Neuroscience. „Weil ich zu mir gestanden habe, sehr gute Wissenschaft mache und nicht auf- geben habe“, erklärt sie. Geboren am 4. Januar 1960 in Sindelfingen, träumt sie als Kind davon, als Tierärztin zu arbeiten. Doch es kommt anders. Sie schließt eine Lehre zur Informationselektronikerin ab, holt das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nach, studiert Physik – und schlägt dann den Weg in die Forschung ein. Heute ist sie Arbeitsgruppenleiterin am neu gegründeten Institut für „Computational and Systems Neuroscience (INM-6)“ im Institut für Neuro- wissenschaften und Medizin am Forschungs- zentrum Jülich und steht als Professorin vor Grün möchte alles verstehen, was sie beobach- den Studierenden in Aachen. tet. Als Physikerin fasziniert sie der „hypothesen- und modellgetriebene Zugang zur Neuroscience, Grün will forschen. Sie analysiert zum Beispiel, wie in der Computational Neuroscience umge- wie die zeitlich fein abgestimmte Aktivität der setzt“. Die Wissenschaftlerin entwickelt theore Nervenzellen eines Tieres mit seinem Verhalten tische Modelle, mit denen sie aufgestellte Hypo- in Zusammenhang stehen. „Wir wollen das thesen testen kann. „Dieses Denken habe ich in Gehirn verstehen“, formuliert sie. „Ich habe das meinem Physikstudium gelernt“, erzählt Grün. Gefühl, dass wir noch nicht aus der richtigen Computational meint nicht nur, dass ich den Perspektive auf das Gehirn schauen!“ Computer nutze, um Modelle zu bilden, sondern 18 14 Professorinnen im portrait
„Es darf nicht langweilig werden.“ dass ich theoretische Konzepte und analytische nur Alpha-Tiere in der Forschung. Sondern auch Beschreibungen einbinde“, sagt sie. Frauen wie sie. „Und die sollten sich mentale Und wie soll es weiter gehen? „Ich möchte es Unterstützung holen von Frauen, die in ihrer hier zum bitzeln bringen“, sagt sie in ihrem Karriere weiter sind“, sagt sie. schwäbischen Dialekt. Bitzeln bedeutet auf Und was ist mit dem Kindheitstraum der heute Schwäbisch prickeln. Grün umschreibt es so: verheirateten Wissenschaftlerin? „Ich bin doch „Man soll hier spüren, dass man große Wissen- nah dran an der Tierärztin, nur dass ich mich schaft macht und dass es neugierige, nette, mehr auf das Gehirn konzentriere.“ schlaue Kollegen gibt, mit denen man Großes vollbringen kann.“ Und sie wünscht sich nicht » www.fz-juelich.de/inm/inm-6 14 PRofessorinnen im Portrait 19
„Er ist ein Mathematiker und also hartnäckig.“ (Johann Wolfgang von Goethe)
Sabina Jeschke Seit Juni 2009 ist Dr. rer. nat. Sabina Jeschke Universitätsprofessorin für das Fach Informationsmanagement im Maschinenbau. Geboren wurde sie am 27. Juli 1968 in Kungälv Eine breite fachliche Herangehensweise, ein in Schweden, heute ist sie verheiratet und hochgradig methodenorientierter Forschungs- Mutter eines erwachsenen Kindes. Im Alter ansatz und das flexible Verfolgen von Interessen von 30 Jahren stand für Sabina Jeschke fest, und Neigungen war kennzeichnend für ihren dass sie mit 40 Jahren „ordentliche“ Professorin Werdegang. Ebenfalls kennzeichnend ist das sein möchte. Mit 39 hatte sie dieses Ziel erreicht. klare Bekenntnis zum Humboldtschen Ideal, Mit einem soliden Grundlagenstudium der der Einheit von Forschung und Lehre. Ein großes Mathematik und Physik begann sie ihre akade Anliegen ist ihr die Unterstützung talentierter mische Laufbahn. Wichtige Meilensteine waren Nachwuchswissenschaftler. „Ich wurde während Forschungsaufenthalte am NASA Ames Research meiner Studienzeit hervorragend gecoached. Center in Kalifornien sowie ihre Zeit als Assistant Meinen Mentoren bin ich unendlich dankbar, Professor am Georgia Institute of Technology. und der Studienstiftung bin ich an dieser Stelle Anschließend promovierte sie an der TU Berlin zu hohem Dank verpfichtet. Gerne gebe ich mit Schwerpunkt in der Informatik. Nach einer das heute weiter.“ sich anschließenden Juniorprofessur – kombiniert mit der Leitung des Medienzentrums – erhielt Die Maschinenbau-Professorin ist davon über- sie kurze Zeit später ihren ersten „Voll-Ruf“ an zeugt, dass eine erfolgreiche Wissenschafts- die Universität Stuttgart im Bereich der Elektro karriere auf einem Dreibein basiert: fachliche technik. In ihr Aufgabengebiet fiel auch die Qualifikation, Soft Skills und Kenntnis über Uni- Leitung des Rechenzentrums der Universität. versitäts- und Netzwerkstrukturen – gerade auch zur nationalen und internationalen Scientific Heute leitet Jeschke das Triple-Institut IMA/ Community. Die überfachlichen Qualifikationen ZLW & IfU der RWTH Aachen: den Lehrstuhl stellen sich oft als die karriereentscheidenden für Informationsmanagement im Maschinen- heraus: „Eine wissenschaftliche Laufbahn bau, das Zentrum für Lern- und Wissenschafts- erfordert ein hohes Maß an Durchhaltevermögen, management sowie das An-Institut für Unter- Disziplin, Frustrationstoleranz. Misserfolge nehmenskybernetik IfU e.V. Im Oktober 2010 kommen vor. Sie sind sogar notwendig. Sie be- wurde sie von der gemeinsamen Wissenschafts- deuten nicht zwangsläufig das Ende der Karriere. konferenz GWK zum Mitglied im Auswahlgre- Im Gegenteil – häufig wächst man an ihnen: mium des Bund-Länder-Programms für bessere indem man sie aushält, daraus lernt – und nie- Studienbedingungen berufen. Im Oktober 2011 mals das Ziel aus den Augen verliert. Der Kampf wurde sie zur Prodekanin der Fakultät für lohnt sich – eine Wissenschaftslaufbahn ist für Maschinenwesen gewählt und ist damit die erste mich der schönste Job auf der Welt.“ Frau in der Geschichte der Fakultät, die ein solches Amt im Dekanat übernimmt. » www.ima-zlw-ifu.rwth-aachen.de 14 PRofessorinnen im Portrait 21
„Der Weg des Lernens endet nie.“ (Japanisches Sprichwort)
Regina Palkovits Seit Oktober 2010 ist Dr. rer. nat. Regina Palkovits Universitätsprofessorin für Nanostrukturierte Katalysatoren. „In der Wissenschaft muss man auch das Glück in Kleinanlagen umsetzen lassen, ein Ansatz, haben, zum richtigen Zeitpunkt das richtige der von der Robert Bosch Stiftung gefördert Thema zu bearbeiten“, sagt Regina Palkovits. So wird. Ähnlich wie bei der Nutzung von Biogas gesehen hat die Chemieingenieurin ein sicheres könnte das in direkter Nähe zu den Anbau Gespür bewiesen: Sie entwickelt Katalysatoren, flächen geschehen. Produzenten in Entwicklungs- die die Nutzung von Biomasse als Rohstoff, und Schwellenländern erhielten so die Möglich- beispielsweise für moderne Kraftstoffe, ermög- keit, ihren eigenen Kraftstoff zu erzeugen und lichen. Mit dieser Thematik beschäftigt sich so Kosten, Transportaufwand und Abhängig- auch der Aachener Exzellenzcluster „Tailor-Made keiten zu reduzieren. Fuels from Biomass“ (TMFB). Palkovits war bereits an der Antragstellung an ihrer alten Palkovits schätzt an ihrer Arbeit vor allem die Wirkungsstätte, dem Max-Planck-Institut für Vielfalt der Themen und die Kombination von Kohlenforschung in Mülheim, beteiligt. Hier Grundlagenforschung und Anwendungsbezug arbeitete die junge Wissenschaftlerin nach ihrer mit Schnittstellen zur Verfahrenstechnik oder Promotion und einem Aufenthalt als Gast- Materialentwicklung. „Ich arbeite gerne inter wissenschaftlerin an der Universität Utrecht disziplinär“, sagt sie und betont, wie wichtig als erste weibliche Gruppenleiterin. Als dann die Rolle der Kommunikation in der Wissen in Aachen der Exzellenzcluster installiert war, schaft ist. Als Hochschullehrerin will sie die lag der Wechsel nahe. „Zu den spannenden Studierenden entsprechend sensibilisieren Herausforderungen des Clusters gehört es, und ermutigen, über den Tellerrand zu sehen. die Schnittstellen zwischen den beteiligten Ganz wichtig ist ihr dabei auch die Sichtwei- Disziplinen effizient zu gestalten und aus dem se der Nachhaltigkeit zu verankern. Fachwissen der verschiedenen Wissenschaftler mehr als die Summe zu machen.“ Jungen Kolleginnen rät sie, sich frühzeitig um Netzwerke zu kümmern. Kontakte sind neben In dem fächerübergreifenden Verbund nutzen der fachlichen Leistung wichtige Katalysatoren die Forscher Pflanzen, die nicht in Konkurrenz für die Karriere. Auch in der Beziehung hat zu Nahrungsmitteln stehen. Den Grundstoff Palkovits alles richtig gemacht: Im April 2010 Lignocellulose isolieren die Wissenschaftler erhielt sie als Gruppenleiterin am Max-Planck- aus nicht essbaren Teilen von Pflanzen wie Institut für Kohlenforschung eine Robert Bosch Holz, Stroh oder Pflanzenresten. Ziel ist es, Juniorprofessur. Ein halbes Jahr später folgte neue und effektive Verfahren und schließlich der Ruf an die RWTH und im November noch den Biokraftstoff der Zukunft zu entwickeln. der Innovationspreis 2010 des Landes Nord- „Deutschland kann auf diesem Gebiet Tech- rhein-Westfalen in der Kategorie Nachwuchs. nologieführer werden“, betont Palkovits. Für Geboren wurde die Wissenschaftlerin 1980 sie ist das mit der gleichzeitigen Verpflichtung in Essen, sie ist verheiratet und Mutter eines gekoppelt, solche Technologien zu fördern. Kindes. So beschäftigt sich ihre Arbeitsgruppe auch mit Fragen, wie sich die Prozesse später günstig und » www.itmc.rwth-aachen.de 14 PRofessorinnen im Portrait 23
Stefanie Reese Seit November 2009 ist Dr.-Ing. Stefanie Reese Universitätsprofes- sorin für das Fach Mechanik. Als erste Frau in Deutschland wurde Stefanie Reese auf eine Professur in der Mechanik berufen. Der deutsche ingenieurinnenbund e.V. wählte sie 2011 unter die TOP25-Ingenieu rinnen Deutschlands. Geboren am 15. Juni 1965 in Hameln, studierte Reese an der Universität Hannover und promovierte an der Technischen Universität Darmstadt. In der Zeit als Dokto randin beschäftigte sie sich mit Instabilitäts phänomenen gummiartiger Materialien und Strukturen. Dabei erkannte sie ein mathema tisches Problem einer bis dahin sehr populären Finite-Elemente-Methode. „Es ist immer noch ungelöst und sorgt damals wie heute in der Science Community für viel Diskussionsstoff“, sagt sie und fügt hinzu: „Die Finite-Elemente- Technologie ist eines meiner Steckenpferde.“ Nach Auslandsaufenthalten in Berkeley und Kapstadt und der Habilitation in Hannover erhielt sie 1999 einen Ruf an die Ruhr-Univer- sität Bochum. Auszeichnungen folgten schnell, wie zum Beispiel der Walter-Kalkhof-Rose- Gedächtnispreis der Akademie der Wissen- schaften und Literatur für herausragende wissenschaftliche Leistungen und ein Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissen schaften. Zu der Zeit forschte sie bereits an der Routen. „Gute Ideen können sich erst entfalten, Technischen Universität Braunschweig und wenn man den Ausgleich hat“, ist Reese baute dort den Lehrstuhl für Festkörperme- überzeugt. Sie spielt zusätzlich Tennis und chanik auf. Die beeindruckende Atmosphäre in Violine, läuft regelmäßig und interessiert sich Ländern wie Kalifornien und Südafrika und für Fotografie. den guten Wein vermisst sie bis heute. Und doch lebt die verheiratete Professorin gerne Reese ist Mitglied im Senat und Hauptaus- in Deutschland. So erfährt sie häufig die Vor schuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft züge des Dreiländerecks mit Rad und Naviga- (DFG) sowie im Strategierat der RWTH Aachen. tionssystem und entdeckt dabei immer neue „Professorinnen sind in den Ingenieurdisziplinen 24 14 Professorinnen im portrait
„Gute Leistung setzt sich durch.“ in Deutschland, aber auch international, Akzeptanz stoßen. „Dagegen anzukämpfen, immer noch eine Minderheit“, sagt sie. Ein verbraucht unnötig viel Kraft, die man bei Grund dafür ist ihrer Ansicht nach die unter- der fachlichen Arbeit viel besser einsetzen schiedliche Erwartungshaltung in Familie, könnte“, stellt Reese fest. Aber es hat sich, Gesellschaft und beruflichem Umfeld in gerade in den letzten Jahren, schon viel zum Bezug auf die berufliche Entwicklung von Positiven entwickelt. „Außerdem setzt sich Frauen und Männern. So wird einer Frau gute Leistung irgendwann auf jeden Fall häufig weniger zugetraut und ihre Leistung durch“, ist sie überzeugt. erst nach zweitem Hinsehen akzeptiert, wohingegen Männer schneller auf stärkere » www.ifam.rwth-aachen.de 14 PRofessorinnen im Portrait 25
Sabine Roller Seit 2009 ist Dr.-Ing. Sabine Roller Universitätsprofessorin für Angewandtes Höchstleistungsrechnen im Maschinenbau. „Eine Gelegenheit kommt, oder sie kommt Geboren wurde Sabine Roller am 20. Januar nicht“, meint Sabine Roller gelassen. Sie sieht 1969 in Karlsruhe, als Kind will sie „irgendwas das entspannt, sie weiß, was sie tun muss, mit Mathe machen“. Und so ähnlich kommt es wenn die Gelegenheit kommt: „Dann muss ich auch: Sie studiert Techno-Mathematik in Karls- sie ergreifen.“ ruhe, promoviert in Luft- und Raumfahrttechnik und arbeitet am Höchstleistungsrechenzentrum Roller packt die Dinge in ihrem Leben an. Sie in Stuttgart. Dort ist sie Gruppenleiterin, bevor sucht nach pragmatischen Lösungen. Und sie ihrem Ruf an die RWTH Aachen folgt. Nun wenn es geradeaus nicht weitergeht: „Dann forscht sie zum Beispiel daran, wie man die Ein- gehe ich rechts oder links vorbei“, sagt sie. spritzdüse eines Erdgasfahrzeuges so gestaltet, Ihr Lebensweg hat sich ergeben, Gelegenheit dass nicht so viel Lärm entsteht. für Gelegenheit – und nicht für ein großes, fernes Karriereziel. Nachdem ihre beiden Kin- Sie entwickelt mathematische Gleichungen, um der geboren sind, habe sie gemerkt, dass sie die Düse auf einem Supercomputer zu simulie- „Beruf und Familie unter einen Hut bringen ren. Sie schreibt die Programme, die das Lärm- kann. Also kann ich auch versuchen, Karriere problem mithilfe der Simulation lösen, Ziel ist zu machen“, sagte sie sich. Das ist schon ein es, die Düse schließlich zu verbessern. „Es sind paar Jahre her. sehr komplizierte Anwendungen, in denen so viele Komponenten interagieren, dass ich Roller weiß, wie sie Dinge zusammenbringt. nur in der Simulation etwas herausfinden Nur so kann sie gleichzeitig erfolgreich forschen kann“, erklärt sie ihre Faszination für ihr Fach. und ihre Kinder aufwachsen sehen. „In meinen „Theoretisch oder im Experiment könnte man Simulation führe ich verschiedene physikalische die Dinge niemals vorauszusagen“, sagt Roller. Modelle zusammen, die eigentlich getrennt „Das schwierigste an der Simulation sind die sind“, erzählt sie. „Ähnlich ist es in meinem Supercomputer“, sagt sie. „Da hat man mehrere Leben – da verbinde ich meine Kinder und Tausend Prozessoren, die man orchestrieren meinen Beruf. Jede Frau kann sich Gedanken muss.“ Es ist eine Herausforderung für die For machen, wie sie Kinder und Beruf vereinbaren scherin, die zwischen den Disziplinen springt – kann“, sagt sie. „Und sie kann ihre Vorschläge Mathematik, Ingenieuranwendungen und einbringen: Teilzeit kann 50 oder 75 Prozent Informatik. Ihren Lebensweg beschreibt sie meinen. Oder man kann bei 50 Prozent immer darum als „schlangenlinig“. „Andererseits“, sagt morgens oder immer nachmittags kommen. sie und macht eine kurze Pause. „Simulationen Oder jeden zweiten Tag oder immer eine Woche sind immer interdisziplinär, also ist mein Weg ganz und eine gar nicht“, zählt Roller die Mög- doch gradlinig.“ Egal, wie es weitergeht für lichkeiten auf. „Was für einen selbst die beste Roller: Wenn die nächste Gelegenheit in ihrem Lösung ist, kann der Chef nicht erraten“, sagt Leben kommt, wird sie sie ergreifen. sie. „Agieren statt reagieren“ lautet ihr Tipp. „Und offen sein.“ » www.grs-sim.de/engineering 26 14 Professorinnen im portrait
„Glück ist was passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft.“ (Seneca)
Anett Schallmey Seit November 2009 ist Dr. rer. nat. Anett Schallmey Junior professorin für Biokatalyse. Anett Schallmey will sich nicht zwischen Karriere und Kind entscheiden: „Ich bin davon über- zeugt, dass es kein Problem ist, Beruf und Familie zu vereinen. Man darf sich als Frau nur nicht abschrecken lassen.“ Und darum plant sie Kinder und Karriere. Für die am 4. Mai 1981 in Großenhain geborene Wissenschaftlerin ist das selbstverständlich: „Meine Eltern haben auch Vollzeit gearbeitet und wir waren drei Geschwister.“ Von der Absolventin der Biochemie, zum Doktor der Biotechnologie an der Universität Greifs- wald über den Zwischenstopp als wissenschaft liche Mitarbeiterin an der Universität Gronin- gen führt Schallmeys wissenschaftliche Karriere nach oben: Mit 28 Jahren bekommt sie eine der Juniorprofessuren, die im Rahmen der Exzellenz initiative ausgeschrieben sind. „Jetzt bin ich Chef“, stellt Schallmey fest, als sie ihre Arbeit an der Hochschule aufnimmt. „Das ist schon herausfordernd“, beschreibt sie die neuen Aufgaben, die sie neben der Forschung erfüllen muss. „Man muss Forscher, Manager und Dozent sein, und zwar gleichzeitig.“ Schallmey forscht, sie vermittelt Wissen an Studierende, betreut Doktoranden und managt die Forschungsarbeiten am Lehrstuhl. schwebt ihr langfristig vor, wenn ihre Zeit als Juniorprofessorin vorbei ist. „Mir geht es weni- So richtig überlegt habe sie sich vorher nicht, ger um große Preise und Ruhm als Professorin“, was als Juniorprofessorin alles auf sie zukom- sagt sie, „sondern darum, meine Faszination men würde. „Die Gelegenheit hat sich geboten für die Forschung auf andere zu übertragen.“ und dann ging es schnell“, erzählt sie. „Das war Insbesondere auf andere Frauen. Denn: „Wissen- auch mit Glück verbunden. Und natürlich ist schaft ist keine Männerdomäne!“ das nicht zu vergleichen mit dem Berufungs- Ziel ihrer Forschung ist es, chemische durch verfahren zu einer richtigen Professur.“ Die biokatalytische Verfahren zu ersetzen. „Man 28 14 Professorinnen im portrait
„Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.“ (Albert Einstein) findet für so viele chemische Reaktionen ent- oder Karriere in der Wirtschaft. „Ansonsten wird sprechende Biokatalysatoren, also Enzyme, die man nicht erfolgreich sein“, sagt sie. ohne Lösungsmittel und ohne hohe Temperatu- ren auskommen“, sagt Schallmey. „Das fasziniert Ihre Karriere würde Anett Schallmey nie auf- mich, denn es ist viel umweltfreundlicher.“ geben. Auch nicht für Kinder. Muss sie auch nicht, ihre Karriere hält die verheiratete Wissen- Sie forscht begeistert, und sie forscht erfolgreich. schaftlerin nicht davon ab. Sie will beides. „Man sollte einfach das machen, was Spaß macht“, rät sie. Ob wissenschaftliche Laufbahn » www.biocat.rwth-aachen.de 14 PRofessorinnen im Portrait 29
Anke Schmeink Seit Mai 2008 ist Dr.-Ing. Anke Schmeink Juniorprofessorin für Informationstheorie und systematischer Entwurf von Kommunikationssystemen. „Die Neugier steht immer an erster Stelle eines Problems, das gelöst werden will.“ Das Zitat von Galileo Galilei ist das Forschungsmotto von Anke „Die Neugier Schmeink. Sie ist Juniorprofessorin im Rahmen des Exzellenzclusters „Ultra High-Speed Mobile steht immer Information and Communication“ (UMIC). Neben der Neugier müssen die Dinge aber auch an erster Stelle Freude machen, denn: „Es fällt leichter, gute Ideen zu entwickeln und zu innovativen Lösungen zu kommen, wenn die Sache Spaß macht. Dies gilt eines Problems, besonders in der Forschung, in der man einen langen Atem und Hartnäckigkeit braucht, um das gelöst neue Resultate zu erreichen.“ werden will.“ Schmeink wurde am 6. Januar 1978 in Würse- (Galileo Galilei) len bei Aachen geboren, sie ist verheiratet und Mutter des zweijährigen Christoph. Für ihre Erfolge schlug Schmeink keinen klassischen Weg ein, sie interessierte sich für die Schnittstellen. So studierte sie Mathematik mit Nebenfach Medizin an der RWTH und der University of York und promovierte anschließend am RWTH- Lehrstuhl für Theoretische Informationstechnik. Heute weiß sie: „Viele Dinge sind von Zufällen geprägt. Es kommt darauf an, sich an wichtigen Verzweigungen finden sich für sie auch auf inter- Verzweigungspunkten im Leben für das zu ent- nationaler Ebene. In Diskussionen mit Kollegen scheiden, was am ehesten den eigenen Neigun- aus dem Ausland ergeben sich oft Forschungs- gen und Interessen entspricht. Dies dann mit und Lösungsrichtungen, die man alleine nie einge- Energie voranzubringen, auch beharrlich zu sein schlagen hätte, sagt sie. Ihre Forschungsinteressen und seine Ziele nicht leichtfertig gegen Wider- liegen im Bereich der Optimierung und dem sys- stände aufzugeben, hilft einem selbst und gibt tematischem Entwurf innovativer Netzwerkstruk- einem Glaubwürdigkeit nach außen.“ turen, der Leistungsbewertung und stochastischen 30 14 Professorinnen im portrait
Analyse von Netzen und der Informationstheorie. meine Vorlesungen interaktiv zu gestalten und Ein neues Forschungsgebiet ist die Anwendung die Studierenden bei der Herleitung der Ergeb- informationstheoretischer Methoden in der nisse einzubinden. Außerdem ist es mir wichtig, Molekularbiologie. Hier werden handhabbare aktuelle Beispiele aus verschiedenen Gebieten Kanalmodelle entwickelt, die den Informations- zu verwenden und den Studierenden früh einen fluss und die Signalverarbeitung in zellulären und Einblick in die aktuelle Forschung zu geben.“ neuronalen Systemen beschreiben. Ihr Wissen gibt sie dabei gerne weiter: „Ich bemühe mich, » www.isek.rwth-aachen.de 14 PRofessorinnen im Portrait 31
Antje Spieß Seit Oktober 2010 ist Dr.-Ing. Antje Spieß Universitätsprofessorin für Enzymprozesstechnik. Wenn Antje Spieß morgens ihr Büro aufschließt, kann sie es manchmal immer noch nicht glau- ben: Raum 42 C 042 im Sammelbau Biologie ist ihr Reich als Leiterin des Lehrstuhls für Enzymprozesstechnik. „Ab und zu wundere ich mich noch, dass es tatsächlich einen Lehrstuhl Enzymprozesstechnik gibt“, sagt Spieß lächelnd. Mit ihren Mitarbeitern forscht sie daran, die chemische Umsetzung durch Biokatalysatoren optimal zu gestalten. „Das Besondere ist, dass Biokatalysatoren in wässeriger Umgebung und bei milden Temperaturen arbeiten. Sie sind um- weltfreundlich in sich, und wir brauchen keine teuren Werkstoffe. Dank biologischer Katalysa- toren haben wir die Chance, nachwachsende Rohstoffe umweltschonender zu nutzen. Das hat erhebliches Potenzial“, begründet sie ihre Faszination für das Fach. Dass sie sich als Professorin am eigenen Lehr- stuhl mit Enzymprozesstechnik beschäftigt, hat sie nicht geplant. Weder den Doktor- und schon gar nicht den Professortitel strebt sie an, als sie nach der Schule ihr Studium aufnimmt. Geboren am 6. Oktober 1970 in Saarbrücken, ist sie als Schülerin fasziniert von den Naturwis- habe immer gute Gelegenheiten gefunden“, senschaften. „Erst wollte ich Chemie studieren, sagt sie rückblickend. war dann aber abgeschreckt, weil ich dachte, oh je, dann musst du auch promovieren“. So Spieß lacht viel, wenn sie von ihrer wissen- schwenkt sie um zu den Ingenieurwissenschaf- schaftlichen Laufbahn erzählt. Ihren Erfolg ten und studiert Verfahrenstechnik. Am Ende führt sie auch auf ihr Umfeld zurück: „Wir promoviert sie doch, in Bioverfahrenstechnik waren alles rationale Köpfe in unserer Familie.“ und arbeitet in der pharmazeutischen Industrie. Und doch hat sie sich viel erarbeitet. „Es ist Hier merkt sie, dass sie wieder forschen will. immer ein Mittelding aus kämpfen und tanzen“, Sie nimmt Kontakt zur RWTH Aachen auf, sagt Spieß. „Ich bin dankbar, dass ich nicht findet eine Stelle als wissenschaftliche Mitar- so viel kämpfen musste, sondern dass es sich beiterin und habilitiert. „Ich hatte nie das klare einfach ergeben hat. Denn man hofft immer, Ziel vor Augen, Professorin zu werden, aber ich dass es mehr Tanzen als Kämpfen ist.“ 32 14 Professorinnen im portrait
„Kreativität heißt, aus dem Chaos Ordnung schaffen.“ (Georg S. Troller) Während ihrer Habilitation baut sie eine terferien haut sie Figuren aus Holz oder Stein. Arbeitsgruppe auf. „Und als die Zeit ablief, „Wichtig ist, dass man neugierig ist, dass man haben wir geschaut, was geht“, erzählt Spieß. eigene Erfahrungen macht, und sich selbst Es geht etwas. Die Hochschule schreibt eine nicht so fürchterlich ernst nimmt“, sagt sie. Professur aus, sie bewirbt sich. „Ich möchte hier Und was ist für eine junge Wissenschaftlerin mein Forschungsgebiet festigen und ausbauen, wichtig? „Man sollte sich als Studentin eines Mitarbeiter schulen, Studenten ausbilden“, technischen Faches mit der Rolle, die Frauen beschreibt sie. „Wir sind in der Aufbauphase hier spielen, auseinandersetzen“, sagt Spieß. und da bleibt erschreckend wenig Platz für „Aber man sollte es dabei nicht so wichtig rechts und links.“ Sie empfiehlt daher, sich werden lassen, dass man sich in der Defensive „einen zweiten Bereich zu erhalten“. Zum fühlt. Das ist ein Balanceakt.“ Beispiel ein Hobby. Für Spieß ist das die Bild hauerei, an Wochenenden und in den Semes- » www.avt.rwth-aachen.de 14 PRofessorinnen im Portrait 33
Barbara Terhal Seit 2010 ist Barbara Terhal, Ph. D., Universitätsprofessorin für Theoretische Physik (kondensierte Materie). Die Ideen großer Denker wie Kant und Schopen hauer analysieren, die Relativitätstheorie von Einstein durchdringen und als Literaturstudentin die Muße für dicke Wälzer aufbringen: „Mit 18 wollte ich alles machen“, erzählt Barbara Terhal, geboren am 4. Juni 1969 im nieder- ländischen Leiden. Darum probiert sie aus: Nach zwei Semestern Philosophie in Straßburg wechselt sie nach Amsterdam und schreibt sich für Französisch ein, nimmt probeweise an einen Physikkurs teil und stellt fest: „Das ist es!“ Warum? „Man kann viel manipulieren in der „Il faut cultiver Welt, zum Beispiel das politische System. Aber die Physik, die kann man nicht verändern, das fasziniert mich. In der Physik geht es darum, notre jardin.” die Gesetze der Welt zu verstehen und Werk- zeuge zu entwickeln“, analysiert Terhal. (Voltaire) Von Amsterdam aus geht sie nach Nordame- rika. Sie plant einen kurzen Forschungsaufent- halt, der schließlich zehn Jahre dauert. Sie lernt ihren Mann David P. DiVincenzo kennen und bringt drei Töchter zur Welt. Heute will Terhal nicht mehr alles machen, sie sieht die Verhält- sich nicht verunsichern lassen“, sagt sie. Und nisse realistischer. „Aber“, betont sie, „was erzählt von einer Begebenheit, die ihr als Dok ich habe, das pflege ich – beruflich die Physik torandin passierte. „Jemand aus dem Prüfungs- und privat die Familie. Ich bin sehr glücklich, vorsitz hat mich gefragt hat, ob ich die Einleitung dass ich drei Kinder habe“, sagt sie. Und fügt für meine Doktorarbeit selbst geschrieben hätte“, hinzu: „Das ist gar nicht so einfach, Kinder erzählt sie. „Natürlich hatte ich sie selbst geschrie- und Karriere zu kombinieren. Man muss den ben. Die Tatsache, dass er daran zweifelte, fand richtigen Mann finden, der einen unterstützt. ich sehr nervig. Entweder er hat gezweifelt, weil Man muss natürlich das Fach mögen, weil ich sehr jung oder weil ich eine Frau war.“ man Unmengen an Zeit investiert. Und man Als Forscherin träumt sie davon, einen Quanten sollte sich im Arbeitsumfeld Kolleginnen und computer zu bauen, der komplexe Rechen Kollegen suchen, die einen unterstützen.“ aufgaben – mit denen ein aktueller Computer Terhal findet diese Unterstützung. „Man darf einige Jahre beschäftigt wäre – blitzschnell lösen 34 14 Professorinnen im portrait
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