MINT-Karrieren Frauen an der rWTH aachen

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MINT-Karrieren Frauen an der rWTH aachen
MINT-Karrieren
Frauen an der RWTH Aachen
MINT-Karrieren Frauen an der rWTH aachen
MINT-Karrieren Frauen an der rWTH aachen
INHALT

Frauen an der RWTH Aachen           4

Angebote und Maßnahmen              6

Karrieren unterstützen              8
  eine ehemalige Mentee berichtet   9

14 Professorinnen im Portrait
  erika abrahám                     10
  anne-Julchen Bernhardt            12
  Catherine Dißelhorst-Klug         14
  Martina Fromhold-eisebith         16
  Sonja Grün                        18
  Sabina Jeschke                    20
  regina Palkovits                  22
  Stefanie reese                    24
  Sabine roller                     26
  anett Schallmey                   28
  anke Schmeink                     30
  antje Spieß                       32
  Barbara Terhal                    34
  Karen Veroy-Grepl                 36

Impressum                           38
MINT-Karrieren Frauen an der rWTH aachen
Professorin Dr. rer. nat. Doris Klee ist seit Oktober 2011
Prorektorin für Personal und wissenschaftlichen Nachwuchs
der RWTH Aachen.
MINT-Karrieren Frauen an der rWTH aachen
Frauen an der RWTH Aachen
Die seit 2007 durchgängige strukturelle Ver-       Auf der Ebene der Nachwuchsförderung von
ankerung von Gleichstellung an der RWTH            Doktorandinnen und Wissenschaftlerinnen in
­Aachen wird von der Hochschulleitung bewusst      den MINT-Fächern haben sich des Weiteren an
vorangetrieben. Die Umsetzung der vielfältigen     der RWTH verschiedene Mentoring-Programme
Maßnahmen wird durch das „Gender-Dreieck“          etabliert. Aus persönlicher Erfahrung kann ich
– bestehend aus der Rektoratsstabsstelle           bestätigen, dass meine Professorinnenlaufbahn
„Integration Team – Human Resources, Gender        in der Chemie maßgeblich durch die Unterstüt-
and Diversity Management“ (IGaD), der Gleich-      zung professoraler Mentoren geprägt war. Zur
stellungsbeauftragten und den Professuren          Unterstützung der jungen Professorinnen bietet
für Gender Studies – initiiert und koordiniert.    die Aachener Hochschule zusätzlich das Entwick-
Diese Rahmenbedingungen ermöglichen mir            lungsprogramm für Führungskräfte „Starter Kits“
als Prorektorin für Personal und wissenschaft-     an, das auf die individuellen Be­dürfnisse ange-
lichen Nachwuchs, die geschlechtergerechte         passt werden kann. Von besonderer Bedeutung
Organisations- und Personalentwicklung zu          für die Professorinnen, Wissenschaftlerinnen und
steuern. Eines der Hauptanliegen ist hierbei       Studentinnen ist jedoch die familiengerechte
die Steigerung des Professorinnenanteils. So       Gestaltung der Arbeits- und Studienbedingungen
haben die Maßnahmen des Zukunftskonzepts           an der Hochschule, unterstützt durch ein umfas-
der RWTH in den letzten fünf Jahren dazu           sendes Angebot des Familienservices.
beigetragen, dass wir den Anteil an Professo-
rinnen von 5 auf 13 Prozent steigern konnten.      Rückblickend auf meine Tätigkeit als Gleich­
Eine weitere Steigerung auf 20 Prozent bis         stellungsbeauftragte der RWTH kann ich sagen,
zum Jahr 2020 streben wir durch Einführung         dass besonders durch das kreative Leitungsteam
einer Quotenregelung an.                           des Gleichstellungsbüros die Arbeit an unserer
                                                   Hochschule in den letzten zwei Jahren weitere
Nach wie vor sind jedoch Professorinnen vor        große Fortschritte gemacht hat. So wurde das
allem in den ingenieurwissenschaftlichen und       Bewusstsein gestärkt, dass die geschlechterge-
naturwissenschaftlichen Fächern – den so           rechten Veränderungen bei der Vereinbarkeit
genannten MINT-Fächern – unterrepräsentiert.       von Karriere und Familie beiden Geschlechtern
Aufgrund des demographischen Wandels               zu Gute kommen.
sind wir zwingend auf die paritätische Beteili­
gung der exzellent ausgebildeten Frauen in         In dieser Broschüre werden beispielhafte Karriere­
Forschung und Entwicklung angewiesen. Die          wege mit innovativen und zukunftsweisenden
Akquirierung des weiblichen akademischen           Forschungsrichtungen vorgestellt, die Ansporn
Nachwuchses muss schon in der Schule durch         für unseren weiblichen akademischen Nachwuchs
aktive Sensibi­lisierung für die MINT-Fächer       in den MINT-Fächern sind. Nicht zuletzt möchte
beginnen. Im Rahmen meines Forschungs-             ich die Bedeutung unserer exzellenten Professo-
schwerpunkts im Bereich der Biomaterialien         rinnen in den Natur- und Ingenieurwissenschaften
konnte ich in den letzten Jahren erfreulicher-     als positive Vorbilder hervorheben. Ihrem per-
weise feststellen, dass sich verstärkt weibliche   sönlichen Engagement für unsere Hochschule
Studierende für die interdisziplinären und         gilt mein besonderer Dank.
anwendungsspezifischen Forschungsaufgaben
interessieren.                                     Doris Klee

                                                                   Frauen an der Rwth aachen        5
MINT-Karrieren Frauen an der rWTH aachen
Angebote und
Maßnahmen
Mit zahlreichen Angeboten in der Kinderbetreu­
ung bietet der Familienservice der RWTH Aachen
unter anderem Studentinnen, Doktorandinnen
und jungen Wissenschaftlerinnen die Möglich-
keit zu mehr Flexibilität und arbeitspolitischer
Selbstbestimmung im universitären Alltag.
Familienservice
» www.rwth-aachen.de/eltern

Eine familiengerechte Gestaltung der Arbeits-
und Studienbedingungen an der RWTH sowie
ein umfassendes Vermittlungs- und Beratungs-
angebot sind die wesentlichen Voraussetzun-
gen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie,
Studium und Beruf. Im Jahr 2009 wurde die

                                                                                                               
RWTH für ihr Engagement und die entwickel-
ten Maßnahmen im Bereich Vereinbarkeit von
Familie, Studium und Beruf mit dem Zertifikat
„audit familienge­rechte hochschule“ ausgezeich-
net und führt seitdem das europaweit geschütz-
te Signet als einen wichtigen Standortfaktor
neben exzellenter Lehre und For­schung sowie
als Zeichen der sozialen Verantwortung gegen-
über ihren Studierenden, Mitarbeiterinnen und
Mitarbei­tern. Dabei stehen nicht nur die Fach-
kräfte, son­dern auch ihre Familien im Fokus.
audit familiengerechte hochschule
» www.igad.rwth-aachen.de/audit.htm                    Die gezielte Förderung von Frauen in den MINT-
                                                       Fächern ist ein zentraler Bestandteil der Gleichstel-
Mit dem Preis „FAMOS für FAMILIE“ werden zu­-          lungspolitik der RWTH Aachen und wird durch
dem jedes Jahr Führungskräfte der RWTH Aachen          diverse strukturelle Maßnahmen konkret umge-
ausgezeichnet, die sich durch einen fami­liengerech­   setzt. Darunter fällt unter anderem das durch das
ten Führungsstil im besonderen Maße für eine           BMBF geförderte tasteMINT-Projekt, das Oberstu-
bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein-       fenschülerinnen durch ein Potenzial-Assessment-
setzen. Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter können       Verfahren bei der Studienfachwahl unterstützt
jährlich Vorschläge für die Nominierung ihres          und langfristig eine Steigerung weiblicher Studie-
Chefs oder ihrer Chefin beim Familienservice           render in den MINT-Fächern zum Ziel hat.
einreichen und damit auf Best Practice Beispiele       TasteMINT
aufmerksam machen oder auf das besondere               » www.rwth-aachen.de/go/id/beko
Engagement des/der Vorgesetzten hinweisen.
FAMOS für Familie                                      Besonders innovative Projekte zur Förderung
» www.rwth-aachen.de/FAMOS                             von Studentinnen und Nachwuchswissenschaft-

6     Angebote und maSSnahmen
MINT-Karrieren Frauen an der rWTH aachen
„Dxxxxxoday?“
                                                  (Janet Txxxx 1944)
                     Im September 2011 wurde neben den weiteren Betreuungsangeboten, vermittelt
                     durch den Familienservice der RWTH, die erste eigene Kindertagesstätte der
                     Hochschule an der Melatener Straße eröffnet. Auf 420 Quadratmeter stehen
                     hier Räume für insgesamt 40 Kinder zur Verfügung.

lerinnen in den MINT-Fächern an der RWTH           Mentoring-Programme etabliert, die zu erfolg-
Aachen werden jährlich mit dem Brigitte-Gilles-    reichen weiblichen Berufsbiographien beitragen
Preis ausgezeichnet, der auf die erste Frauen-     sollen (siehe Seite 8).
beauftragte der RWTH Aachen zurückgeht.
Damit wird ein Akzent auf die Verbesserung         Zusätzlich fördert auch das Aachen Center for
der Chancen für Frauen und die Förderung ihrer     Young Researchers (AixCYR) die Netzwerk-
Talente an der Hochschule gesetzt und das          bildung. Die Treffen des Netzwerkes werden
Engagement einzelner Hochschulinstitute oder       von den Nachwuchswissen­schaftlerinnen und
-einrichtungen gewürdigt.                          Nachwuchswissenschaftlern selbst organisiert
Brigitte-Gilles-Preis                              und finden regel­mäßig statt. Das Ziel von AixCYR
» www.rwth-aachen.de/brigitte-gilles-preis         ist die Unterstützung junger Forscherinnen und
                                                   Forscher sowie die Vertretung ihrer Interessen
Auf der Ebene der Nachwuchsförderung von           an der Aachener Hochschule.
Doktorandinnen und Wissenschaftlerinnen in         Aachen Center for Young Researchers
den MINT-Fächern haben sich an der RWTH            » https://sites.google.com/site/aixcyr

                                                                       Angebote und maSSnahmen     7
MINT-Karrieren Frauen an der rWTH aachen
Karrieren unterstützen
Vielfalt als Zukunftspotenzial fördern
Eine führende und zukunftsweisende Hochschule            ihre beruflichen und persönlichen Ziele im
wie die RWTH Aachen lebt von den Menschen,               Tandem mit einer erfahrenen Mentorin bezie-
die hier arbeiten, forschen und studieren. So            hungsweise einem Mentor konkretisieren und
viel­fältig wie ihre Themen sind auch ihre Talente,      reflektieren wollen.
Hintergründe und Bedürfnisse. Die RWTH will           • Für Doktorandinnen kurz vor Abschluss ihrer
daher bestmögliche Bedingungen für alle in der           Arbeit und Postdoktorandinnen aus natur- und
Wissenschaft Tätigen schaffen, damit sie sich            ingenieurwissenschaftlichen Fachbereichen wur-
mit Begeisterung und Engagement wichtigen                de TANDEMplus, ein Kooperationsprojekt der
Forschungsfragen widmen sowie ihr Potenzial              RWTH Aachen, des Forschungszentrums Jülich
entwickeln und einbringen können.                        sowie des Karlsruher Instituts für Technologie
                                                         (KIT), eingerichtet. Es zielt darauf ab, hochqua-
Im Rahmen der Exzellenzinitiative wurde „Gender          lifizierte Frauen aus diesen Einrichtungen für
and Diversity Management“ als Querschnittsauf-           eine Leitungsposition in der Wissenschaft oder
gabe in der gesamten Hochschule fest verankert,          in der Privatwirtschaft zu gewinnen.
um die Diversität aller Menschen als Chance zu        • Um speziell auf die Bedürfnisse in der Medizin
nutzen. Die Wahrnehmung und Anerkennung                  einzugehen, wurden an der Medizinischen
von unterschiedlichen Perspektiven und Talenten          Fakultät folgende Programme installiert: TAN-
führt zu mehr Flexibilität, Produktivität und Pro-       DEMmed unterstützt dort Studentinnen bei
blemlösungsstrategien sowie zur Steigerung der           ihrer individuellen Berufs- und Karriereorientie-
Fähigkeit, den unterschiedlichen Bedürfnissen            rung. Das Projekt trägt so dazu bei, weibliche
einer vielfältigen Mitarbeitenden- und Studieren-        Nachwuchskräfte für die Medizin zu gewinnen
denschaft gerecht zu werden. Die Berücksichti-           und langfristig ihren Anteil in Führungspositio-
gung von Gender und Diversity bereichert die             nen zu erhöhen. TANDEMplusMED richtet sich
Wissenschaft und bietet der Hochschule diffe-            an promovierte Ärztinnen sowie Wissenschaft-
renzierte Möglichkeiten, sich künftigen Heraus-          lerinnen und unterstützt diese bei ihrer akade-
forderungen effektiv und kreativ zu stellen. Das         mischen Laufbahnplanung. TANDEMpeerMED
„Integration Team – Human Resources, Gender              wird im jährlichen Wechsel mit TANDEMplus-
and Diversity Management“ (IGaD) ist an der              MED durchgeführt und richtet sich an Ärztinnen
RWTH zuständig für diese Fragen.                         und Ärzte sowie an Doktorandinnen und Dok-
                                                         toranden anderer Fächer in der Medizin, die
Die TANDEM-Mentoring-Programme werden                    gezielt eine Karriere im klinischen Bereich und
seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt und            beziehungsweise oder der Forschung anstreben.
fördern wirksam eine geschlechtergerechte             • TANDEMkids und TANDEMschool wurden
Personalentwicklung. Mit den am IGaD inzwi-              konzipiert, um Schülerinnen und Schüler ab
schen sieben angesiedelten Programmen, die               Klasse 6 oder ab Klasse 10 gezielt als moti-
für unterschiedliche Fachrichtungen und Status-          vierten und qualifizierten Nachwuchs im
gruppen konzipiert sind, nimmt die Hochschule            MINT-Bereich für die Hochschule zu gewinnen.
bundesweit eine Vorreiterrolle ein:                      Mentorinnen und Mentoren sind Studierende
                                                         und Promovierende der RWTH Aachen.
• TANDEM richtet sich fächerübergreifend an
   Studentinnen (ab 4. Semester) und Dokto-           »w
                                                        ww.igad.rwth-aachen.de/
  randinnen, die ihre Karriere aktiv planen und         mentoringprogramme

8     Karrieren unterstützen
MINT-Karrieren Frauen an der rWTH aachen
Franka Schröder
Eine ehemalige Mentee berichtet
Durch eine Freundin wurde sie auf das Mento-
ring-Programm TANDEM der RWTH aufmerk-
sam. Da Franka Schröder schon zuvor positive
Erfahrungen mit ähnlichen Programmen ge-
macht hatte und ihr Doktorvater das Vorhaben
unterstützte, bewarb sie sich. Zurückblickend
spricht sie von einem erfolgreichen und berei-
chernden Mentoringjahr: „Die angebotenen
Trainings zu Karriereplanung, Selbstmarketing,
Konfliktmanagement oder Work Life Balance
haben wichtige Impulse für den beruflichen
Alltag und für meine spätere Karriere gegeben.
Von den vielfältigen Erfahrungen der anderen
Doktorandinnen habe ich sehr profitiert. Auch
der gegenseitige Austausch in der Gruppe war
sehr offen, das hat uns alle weitergebracht“,
fasst sie zusammen.

Neben den Seminaren und den Netzwerk­
angeboten war für Schröder insbesondere die
gute und produktive Zusammenarbeit mit ihrer
Mentorin wichtig. „Professorin Sabina Jeschke,
Inhaberin des Lehrstuhls für Informationsmanage-
ment im Maschinenbau, hatte ich schon un­          Berlin kennengelernt. Nach Aachen kam sie im
abhängig vom Mentoring-Programm kennen-            Juli 2009, weil sie der medizintechnische Anwen-
gelernt. Ihre Persönlichkeit und ihre Vita haben   dungsbezug interes­sierte. Die Kombination von
mich sehr beeindruckt. Gerne wollte ich von        Forschung und Lehre sowie die Arbeit mit den
ihren Erfahrungen profitieren, daher ist sie mir   Studierenden faszinieren die Diplomingenieurin
über TANDEM als Mentorin vermittelt worden“,       der Fachrichtung Verkehrswesen.
beschreibt sie.
                                                   Neben ihren Karriereplänen ist für die 26-Jährige
Den Grundstock für ihre berufliche Tätigkeit       jedoch auch klar, dass sie später eine Familie will.
legte Schröder mit einem Studium an der TU         Sie selbst ist schon mit berufstätigen Eltern
Berlin im Fach Verkehrswesen mit der Vertiefung    aufgewachsen und ist sich daher sicher, dass
Luft- und Raumfahrttechnik. Die Forschung          sich Kind und Karriere nicht gegenseitig aus-
im Rahmen ihrer Promotion am Aerodynami-           bremsen. Schließlich zeigten die vielfältigen
schen Institut der RWTH Aachen beschäftigt         Maßnahmen und ein verändertes Bewusstsein
sich allerdings mit einem anderen Thema, der       der Verantwortlichen in Wissenschaft und
„Diagnostik und Verlaufskontrolle von Lungener-    Unternehmen, dass Familie und Beruf längst
krankungen anhand exhalierter Aerosole (Un-        kein Widerspruch mehr sein müssen.
tersuchung des Aerosoltransports)“. Die hierzu
notwendige Messtechnik hatte sie bereits in        » www.aia.rwth-aachen.de

                                                                         ein erfahrungsbericht       9
MINT-Karrieren Frauen an der rWTH aachen
Erika Abrahám
Seit Oktober 2008 ist Dr. rer. nat. Erika Abrahám Juniorprofessorin für
Theorie Hybrider Systeme.
„Komplexe Aufgaben zu lösen und mich neuen           wissenschaftliche Karriere problemlos. Sie
Herausforderungen zu stellen – das macht mir         musste allerdings erfahren, dass einige männ-
viel Spaß!“ Für Erika Abrahám war das Fach           liche Kollegen überrascht reagieren, wenn sie
Informatik die perfekte Studienentscheidung.         realisieren, dass die zierliche Frau ein fach-
„Man muss einen guten Draht zur Mathematik           liches Schwergewicht ist. „Ich habe gelernt,
haben und gerne über Probleme nachgrübeln“,          darauf entsprechend zu reagieren und mir
erläutert die Juniorprofessorin. „Die Informatik     Respekt zu erarbeiten.“ Deshalb setzt sie sich
ist vielseitiger, als die meisten denken.“ Die       auch für die Förderung von jungen Frauen ein
Wissenschaftlerin lässt keinen Zweifel daran,        und engagiert sich beispielsweise in Mentoring-
mit wie viel Freude sie bei der Sache ist. Dabei     Projekten. Dabei hat sie die Erfahrung gemacht,
stellt für sie ein schlichtes Ergebnis immer nur     dass Mädchen vor allem Ermutigung brauchen.
die zweitbeste Möglichkeit dar. „Schöne Lösun-
gen haben Pfiff und Eleganz.“

Für Abrahám war schnell klar, dass sie sich auf
                                                     „Ihrer wahren Wesens-
die Theoretische Informatik konzentrieren würde
– wegen der thematischen Vielfalt. Am 9. No-
                                                     bestimmung nach ist
vember 1970 im ungarischen Szeged geboren,
musste sie erst einmal Deutsch lernen, bevor
                                                     die Wissenschaft das
sie in Kiel mit dem Studium beginnen konnte.
Ihre beiden Kinder bekam sie während der             Studium der Schönheit
Ausbildung. Seit der Trennung von ihrem Mann
meistert sie ihre wissenschaftliche Karriere und     der Welt.“
die Familie alleine. „Man braucht ein stabiles       (Simone Weil)
soziales Netzwerk und muss sehr gut organi-
siert sein“, beschreibt sie die Voraussetzungen
für diese komplexe Kombination. Quasi als            Grundsätzlich wünscht sich die Juniorprofesso­
Beleg, dass man beides mit viel Engagement           rin für ihre Arbeit Rahmenbedingungen, die
betreiben kann, legt sie ihre Dissertationsschrift   mehr Platz für ihre Familie vorsehen.
auf den Tisch: Auf dem Titel ist eine Kinder-        „Ich kann wegen der Kinder leider nicht so viel
zeichnung ihres Sohnes von der Insel Java. So        reisen und an internationalen Konferenzen teil-
heißt auch die Computersprache, mit der sie          nehmen“, beschreibt sie. „Und auch bei einem
sich bei ihrer Promotion beschäftigt hat.            optimalen Zeitmanagement, werde ich nicht
                                                     so viele Veröffentlichungen schreiben können
Dass die Informatik noch weitgehend eine             wie Kollegen ohne familiäre Verpflichtungen.“
Männerdomäne ist, hat Abrahám für sich nie           Wie gut, dass Abrahám ihren Beruf, ihre Familie
als großes Problem gesehen. Dank ihrer fach-         und die Lösung komplexer Aufgaben liebt.
lichen Kompetenz und Vorgesetzten, die ihr
flexibles Arbeiten ermöglichten, verlief ihre        » www-i2.informatik.rwth-aachen.de

                                                                     14 PRofessorinnen im Portrait   11
Anne-Julchen
Bernhardt
Seit Oktober 2008 ist Dipl.-Ing.
Anne-Julchen Bernhardt Universi­
täts­professorin für das Fach
Gebäudelehre und Grundlagen
des Entwerfens.
„Mein Einstieg als Teilzeitprofessorin war schon
etwas Besonderes. Ich konnte mir damals nicht
vorstellen, auf meine Arbeit als freiberufliche
Architektin zu verzichten. Heute weiß ich, dass
ich als Vollzeitprofessorin weiterhin freiberuflich
tätig sein kann und auch noch Zeit für meine
Familie habe“, beschreibt Anne-Julchen Bern-
hardt. Ihre erste Zeit an der Hochschule sei
durch hohen Kommunikationsbedarf bestimmt
gewesen, da die Architektur als künstlerisches
Fach viel Abstimmung fordert. Sie übernahm
die Professur in Vollzeit, als ihr Mit-Lehrstuhl­
inhaber einen Ruf an eine andere Hochschul-
schule erhielt.

„Im Studium finden sich in der Architektur noch
viele Frauen. Leider verschwinden diese irgend-
wann. Das liegt sicherlich auch daran, dass
viele Architekturbüros kleine Einheiten sind.
Hier lässt sich eine berufliche Auszeit oder eine
Teilzeittätigkeit schlechter realisieren als in großen
Unternehmen“, analysiert Bernhardt. Sie arbeitet
oft schon vor dem Frühstück, abends und auch             Kunstakademie Düsseldorf, arbeitete einige
am Wochenende. „Privatleben und Arbeitsleben             Jahre in Berlin, baute schließlich in Köln ein
lassen sind nicht voneinander trennen. Es gibt           Architekturbüro auf und arbeitete zeitgleich am
nur Dinge, die ich gerne tue. Ich bin zu 100             RWTH-Lehrstuhl für Baukonstruktion III als wis-
Prozent bei der Sache. Wenn mit meiner Toch-             senschaftliche Mitarbeitern. In den vergangenen
ter zusammen bin, konzentriere ich mich hier-            Jahren wurde sie mehrfach ausgezeichnet, so
auf und genieße diese Zeit.“                             erhielt sie den Förderpreis des Landes NRW für
                                                         junge Künstlerinnen und Künstler, den Kunst-
Anne-Julchen Bernhardt wurde 1971 in Köln                preis Berlin und wurde in die NRW-Akademie
geboren. Sie studierte an der RWTH und der               der Wissenschaften und der Künste berufen.

12     14 Professorinnen im portrait
„Es gibt
                                                                                   nur Dinge,
                                                                                   die ich
                                                                                   gerne tue.“

Mit den Studierenden arbeitet sie im Entwurfs­           Bedingung nicht in der Lage wären. „Die freie
projekt „Tertiär, Grau“ am Beispiel von Call-, Daten-­   Arbeit ist sehr wichtig, davon profitieren auch
und Distributionscentern zum Thema „Wie lassen           die Studierenden. Sie können sich mit dem Werk
sich neue Gebäudetypologien verbessern?“. In             der Lehrenden auseinandersetzen, sie lernen von
ihrem Architekturbüro plant sie dagegen einen            Vorbildern“, sagt Bernhardt. Ihren Studentinnen
Biobauernhof für eine neunköpfige Familie und            macht sie Mut: „Gegen das Verschwinden der
ein Wohnprojekt im Rahmen der Internationa-              Frauen kann ich etwas tun, ich versuche Studen­
len Bauausstellung in Hamburg. Hier sollen sich          tinnen in ihrem Selbstvertrauen zu stärken.“
Menschen durch Eigenleistung eine Eigentums-
wohnung leisten können, die dazu unter anderen           » http://gbl.arch.rwth-aachen.de

                                                                      14 PRofessorinnen im Portrait   13
 Life
„Xxxx“is movement
& Movement is life“
(xxxxxxxxxxxxxxxxx)

(IOC Olympic prize committee)
Catherine Dißelhorst-Klug
Seit Oktober 2009 ist Dr. rer. nat. Catherine Dißelhorst-Klug Universitäts-
professorin für das Fach Rehabilitations- und Präventionstechnik.
„Alles was man gerne macht, macht man gut.          Anspruch einer „Super-Mutter“ blockieren, man
Schülerinnen, die sich für ein technisches oder     muss auch Verantwortung abgeben können.“
naturwissenschaftliches Studium interessieren,
sollten den Mut haben, ein solches aufzuneh-        Ärzte in Diagnose, Therapieplanung und
men. Ich hatte werde im Studium noch im             -bewertung zu unterstützen ist heute Ziel der
Berufsleben Probleme in der „Männerwelt“,           Forschungsarbeiten von Dißelhorst-Klug. „In
resümiert Catherine Dißelhorst-Klug. Geboren        der Rehabilitations- und Präventionstechnik
wurde sie am 21. Oktober 1964 in Wuppertal.         arbeiten die Fachbereiche Medizin, Physik
Ihr Umfeld – und das waren nicht nur ihre           und Ingenieurwissenschaften in idealer Weise
Eltern – war zunächst „sprachlos“ über ihren        zusammen. Das entspricht genau meinen
Berufswunsch. Seinerzeit hatte sie sich für         Interessen. Wir entwickeln beispielsweise
Ingenieurwissenschaften oder die Medizin            Verfahren und Techniken zur Messungen der
interessiert, dann aber zugunsten der Physik        Bewegungsphysiologie. Aufgrund des demo-
entschieden, weil diese breit einsetzbar ist.       grafischen Wandels und der Altersstruktur der
Vielfach waren es die klassischen Vorbehalte        Bevölkerung werden immer mehr Menschen
gegen diesen Berufswunsch, der als nicht ver-       Probleme durch eine eingeschränkte Beweg-
einbar mit einem Familienleben galt.                lichkeit haben. Wir wollen einen Beitrag dazu
                                                    leisten, hier Abhilfe zu ermöglichen.“
„Was für ein Typ bin ich? Wie wichtig ist mir
meine Berufstätigkeit? Dies sind die ent-           Im Leben und auch im Berufsleben beweglich
scheidenden Fragen bei der Lebensplanung.           und flexibel bleiben, ist ein Ratschlag der
Andere Dinge lassen sich organisieren“, weiß        Professorin an Studierende, junge Kolleginnen
die Mutter zweier Kinder. Nach ihrer Diplom-        und Kollegen. Auch im nichtberuflichen
prüfung arbeitete sie als wissenschaftliche         Bereich – wie der Familie – erwirbt man Kom-
Mitarbeiterin am Helmholtz-Institut für Bio-        petenzen, die im Berufsleben wichtig sind.
medizinische Technik und promovierte kurz           Am Institut für Angewandte Medizintechnik,
nach der Geburt ihres ersten Kindes. Sie ergänzt:   zu dem ihre Professur gehört, wird derzeit ein
„Natürlich braucht man Hilfe, aber die Hoch-        Kinderraum eingerichtet, um den Mitarbeite-
schule ist ein ideales Umfeld, um Kinder und        rinnen und Mitarbeitern die Vereinbarkeit von
Karriere zu leben. Ich konnte im Notfall auch       Beruf und Familie zu erleichtern.
zu Hause arbeiten oder die Kinder mitbringen.
Allerdings darf man sich nicht mit dem              » www.ame.hia.rwth-aachen.de

                                                                 14 PRofessorinnen im Portrait   15
Martina
Fromhold-
Eisebith
Seit März 2006 ist Dr. phil.
Martina Fromhold-Eisebith
Universitätsprofessorin für
Wirtschaftsgeographie.
Zunächst wollte sie Journalistin werden, das
Interesse an wissenschaftlicher Arbeit entstand
erst während des Studiums: Geboren am
2. November 1962 in Ratingen, studierte sie
Germanistik, Wirtschaftsgeographie, Volks-
wirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der
Universität Bonn und der RWTH Aachen. „Die
wissenschaftliche Karriere ergab sich quasi von
selbst“, beschreibt sie ihren Werdegang.

Schon in ihrer Dissertation zum Thema „Wissen-
schaft und Forschung als regionalwirtschaftliches
Potential? Das Beispiel von RWTH und Region
Aachen“ stand die Aachener Hochschule im
Fokus. Heute arbeitet Martina Fromhold-Eisebith
nicht nur in Forschung und Lehre, sondern
auch im Strategierat der RWTH. „Gemeinsam
mit sieben Kollegen und einer Kollegin geht es
um die Zukunft unserer Universität. Struktur- und
Entwicklungspläne für Fächer und Fakultäten,
die Strategie RWTH 2020 und die Fortführung
der Exzellenzinitiative stehen hier auf der Tages­
ordnung“, erläutert Fromhold-Eisebith. Als
Gründungsdekanin der Faculty of Economics
and Planning an der GUTech in Oman, Urhe-
berin des Studiengangs Sustainable Tourism           Innovations- und technologieorientierte Regio-
and Regional Development und Lehrende im             nalentwicklung, neue Ansätze der Wirtschafts-
gleichnamigen Department ist sie ebenfalls           und Industriegeographie sowie lokal-globale
engagiert.                                           Entwicklungszusammenhänge sind Themen

16    14 Professorinnen im portrait
„Maßhalten und im Gleichgewicht
bleiben, das ist der Gipfel menschlicher
Vollkommenheit.“
(Konfuzius)

ihrer Seminare und Vorlesungen. Ihren Studen-       Freizeit gerne mit ihrem Ehemann die Gipfel
tinnen ist sie gerne Vorbild. „Ich fühle mich als   der Berge in Angriff nimmt.
Frau und Professorin wohl an dieser Hochschule“,
sagt die begeisterte Wanderin, die in ihrer         » www.econgeo.rwth-aachen.de

                                                                 14 PRofessorinnen im Portrait    17
Sonja Grün
Seit März 2011 ist Dr. rer. nat.
Sonja Grün Universitätsprofessorin
für Theoretische System­neuro­­
biologie.
Wie ein Alpha-Tier fühlt sie sich nicht. „Das
bin ich nicht, das strahle ich nicht aus“, sagt
sie und schüttelt den Kopf. „Wenn man sich
allerdings nicht als Alpha-Männchen produ-
zieren möchte, hat man es schwer, beruflich
nach oben zu kommen.“ Und darum hatte
sie es selbst schwer. Ihren Weg zur Professur
beschreibt Sonja Grün als steinig. Doch sie hat
es geschafft, durch ihre Leistung als Wissen-
schaftlerin für ihr Fachgebiet, die Computational
Neuroscience. „Weil ich zu mir gestanden habe,
sehr gute Wissenschaft mache und nicht auf-
geben habe“, erklärt sie.

Geboren am 4. Januar 1960 in Sindelfingen,
träumt sie als Kind davon, als Tierärztin zu
arbeiten. Doch es kommt anders. Sie schließt
eine Lehre zur Informationselektronikerin ab,
holt das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg
nach, studiert Physik – und schlägt dann
den Weg in die Forschung ein. Heute ist sie
Arbeitsgruppenleiterin am neu gegründeten
Institut für „Computational and Systems
Neuroscience (INM-6)“ im Institut für Neuro-
wissenschaften und Medizin am Forschungs-
zentrum Jülich und steht als Professorin vor        Grün möchte alles verstehen, was sie beobach-
den Studierenden in Aachen.                         tet. Als Physikerin fasziniert sie der „hypothesen-
                                                    und modellgetriebene Zugang zur Neuroscience,
Grün will forschen. Sie analysiert zum Beispiel,    wie in der Computational Neuroscience umge-
wie die zeitlich fein abgestimmte Aktivität der     setzt“. Die Wissenschaftlerin entwickelt theore­
Nervenzellen eines Tieres mit seinem Verhalten      tische Modelle, mit denen sie aufgestellte Hypo-
in Zusammenhang stehen. „Wir wollen das             thesen testen kann. „Dieses Denken habe ich in
Gehirn verstehen“, formuliert sie. „Ich habe das    meinem Physikstudium gelernt“, erzählt Grün.
Gefühl, dass wir noch nicht aus der richtigen       Computational meint nicht nur, dass ich den
Perspektive auf das Gehirn schauen!“                Computer nutze, um Modelle zu bilden, sondern

18    14 Professorinnen im portrait
                             „Es darf nicht
                                                        langweilig werden.“

dass ich theoretische Konzepte und analytische   nur Alpha-Tiere in der Forschung. Sondern auch
Beschreibungen einbinde“, sagt sie.              Frauen wie sie. „Und die sollten sich mentale
Und wie soll es weiter gehen? „Ich möchte es     Unterstützung holen von Frauen, die in ihrer
hier zum bitzeln bringen“, sagt sie in ihrem     Karriere weiter sind“, sagt sie.
schwäbischen Dialekt. Bitzeln bedeutet auf       Und was ist mit dem Kindheitstraum der heute
Schwäbisch prickeln. Grün umschreibt es so:      verheirateten Wissenschaftlerin? „Ich bin doch
„Man soll hier spüren, dass man große Wissen-    nah dran an der Tierärztin, nur dass ich mich
schaft macht und dass es neugierige, nette,      mehr auf das Gehirn konzentriere.“
schlaue Kollegen gibt, mit denen man Großes
vollbringen kann.“ Und sie wünscht sich nicht    » www.fz-juelich.de/inm/inm-6

                                                             14 PRofessorinnen im Portrait   19
„Er ist ein Mathematiker
und also hartnäckig.“
(Johann Wolfgang von Goethe)
Sabina Jeschke
Seit Juni 2009 ist Dr. rer. nat. Sabina Jeschke Universitätsprofessorin
für das Fach Informationsmanagement im Maschinenbau.
Geboren wurde sie am 27. Juli 1968 in Kungälv          Eine breite fachliche Herangehensweise, ein
in Schweden, heute ist sie verheiratet und             hochgradig methodenorientierter Forschungs-
Mutter eines erwachsenen Kindes. Im Alter              ansatz und das flexible Verfolgen von Interessen
von 30 Jahren stand für Sabina Jeschke fest,           und Neigungen war kennzeichnend für ihren
dass sie mit 40 Jahren „ordentliche“ Professorin       Werdegang. Ebenfalls kennzeichnend ist das
sein möchte. Mit 39 hatte sie dieses Ziel erreicht.    klare Bekenntnis zum Humboldtschen Ideal,
Mit einem soliden Grundlagenstudium der                der Einheit von Forschung und Lehre. Ein großes
Mathematik und Physik begann sie ihre akade­           Anliegen ist ihr die Unterstützung talentierter
mische Laufbahn. Wichtige Meilensteine waren           Nachwuchswissenschaftler. „Ich wurde während
Forschungsaufenthalte am NASA Ames Research            meiner Studienzeit hervorragend gecoached.
Center in Kalifornien sowie ihre Zeit als Assistant    Meinen Mentoren bin ich unendlich dankbar,
Professor am Georgia Institute of Techno­logy.         und der Studienstiftung bin ich an dieser Stelle
Anschließend promovierte sie an der TU Berlin          zu hohem Dank verpfichtet. Gerne gebe ich
mit Schwerpunkt in der Informatik. Nach einer          das heute weiter.“
sich anschließenden Juniorprofessur – kombiniert
mit der Leitung des Medienzentrums – erhielt           Die Maschinenbau-Professorin ist davon über-
sie kurze Zeit später ihren ersten „Voll-Ruf“ an       zeugt, dass eine erfolgreiche Wissenschafts-
die Universität Stuttgart im Bereich der Elektro­      karriere auf einem Dreibein basiert: fachliche
technik. In ihr Aufgabengebiet fiel auch die           Qualifikation, Soft Skills und Kenntnis über Uni­-
Leitung des Rechenzentrums der Universität.            versitäts- und Netzwerkstrukturen – gerade auch
                                                       zur nationalen und internationalen Scientific
Heute leitet Jeschke das Triple-Institut IMA/          Community. Die überfachlichen Quali­fikationen
ZLW & IfU der RWTH Aachen: den Lehrstuhl               stellen sich oft als die karriereentschei­denden
für Informationsmanagement im Maschinen-               heraus: „Eine wissenschaftliche Laufbahn
bau, das Zentrum für Lern- und Wissenschafts-          erfordert ein hohes Maß an Durchhaltevermögen,
management sowie das An-Institut für Unter-            Disziplin, Frustrationstoleranz. Misserfolge
nehmenskybernetik IfU e.V. Im Oktober 2010             kommen vor. Sie sind sogar notwendig. Sie be-
wurde sie von der gemeinsamen Wissenschafts-           deuten nicht zwangsläufig das Ende der Karriere.
konferenz GWK zum Mitglied im Auswahlgre-              Im Gegenteil – häufig wächst man an ihnen:
mium des Bund-Länder-Programms für bessere             indem man sie aushält, daraus lernt – und nie-
Studienbedingungen berufen. Im Oktober 2011            mals das Ziel aus den Augen verliert. Der Kampf
wurde sie zur Prodekanin der Fakultät für              lohnt sich – eine Wissenschaftslaufbahn ist für
Maschinenwesen gewählt und ist damit die erste         mich der schönste Job auf der Welt.“
Frau in der Geschichte der Fakultät, die ein solches
Amt im Dekanat übernimmt.                              » www.ima-zlw-ifu.rwth-aachen.de

                                                                     14 PRofessorinnen im Portrait    21
„Der Weg des Lernens endet nie.“
(Japanisches Sprichwort)
Regina Palkovits
Seit Oktober 2010 ist Dr. rer. nat. Regina Palkovits Universitätsprofessorin
für Nanostrukturierte Katalysatoren.
„In der Wissenschaft muss man auch das Glück       in Kleinanlagen umsetzen lassen, ein Ansatz,
haben, zum richtigen Zeitpunkt das richtige        der von der Robert Bosch Stiftung gefördert
Thema zu bearbeiten“, sagt Regina Palkovits. So    wird. Ähnlich wie bei der Nutzung von Biogas
gesehen hat die Chemie­ingenieurin ein sicheres    könnte das in direkter Nähe zu den Anbau­
Gespür bewiesen: Sie entwickelt Katalysatoren,     flächen geschehen. Produzenten in Entwicklungs-
die die Nutzung von Biomasse als Rohstoff,         und Schwellenländern erhielten so die Möglich-
beispielsweise für moderne Kraftstoffe, ermög-     keit, ihren eigenen Kraftstoff zu erzeugen und
lichen. Mit dieser Thematik beschäftigt sich       so Kosten, Transportaufwand und Abhängig-
auch der Aachener Exzellenzcluster „Tailor-Made    keiten zu reduzieren.
Fuels from Biomass“ (TMFB). Palkovits war
bereits an der Antragstellung an ihrer alten       Palkovits schätzt an ihrer Arbeit vor allem die
Wirkungsstätte, dem Max-Planck-Institut für        Vielfalt der Themen und die Kombination von
Kohlenforschung in Mülheim, beteiligt. Hier        Grundlagenforschung und Anwendungs­bezug
arbeitete die junge Wissenschaftlerin nach ihrer   mit Schnittstellen zur Verfahrenstechnik oder
Promotion und einem Aufenthalt als Gast-           Materialentwicklung. „Ich arbeite gerne inter­
wissenschaftlerin an der Universität Utrecht       disziplinär“, sagt sie und betont, wie wichtig
als erste weibliche Gruppenleiterin. Als dann      die Rolle der Kommunikation in der Wissen­
in Aachen der Exzellenzcluster installiert war,    schaft ist. Als Hochschullehrerin will sie die
lag der Wechsel nahe. „Zu den spannenden           Studierenden entsprechend sensibilisieren
Herausforderungen des Clusters gehört es,          und ermutigen, über den Tellerrand zu sehen.
die Schnittstellen zwischen den beteiligten        Ganz wichtig ist ihr dabei auch die Sichtwei-
Disziplinen effizient zu gestalten und aus dem     se der Nachhaltigkeit zu verankern.
Fachwissen der verschiedenen Wissenschaftler
mehr als die Summe zu machen.“                     Jungen Kolleginnen rät sie, sich frühzeitig um
                                                   Netzwerke zu kümmern. Kontakte sind neben
In dem fächerübergreifenden Verbund nutzen         der fachlichen Leistung wichtige ­Kata­lysatoren
die Forscher Pflanzen, die nicht in Konkurrenz     für die Karriere. Auch in der Beziehung hat
zu Nahrungsmitteln stehen. Den Grundstoff          Palkovits alles richtig gemacht: Im April 2010
Lignocellulose isolieren die Wissenschaftler       erhielt sie als Gruppenleiterin am Max-Planck-
aus nicht essbaren Teilen von Pflanzen wie         Institut für Kohlenforschung eine Robert Bosch
Holz, Stroh oder Pflanzenresten. Ziel ist es,      Juniorprofessur. Ein halbes Jahr später folgte
neue und effektive Verfahren und schließlich       der Ruf an die RWTH und im November noch
den Biokraftstoff der Zukunft zu entwickeln.       der Innovationspreis 2010 des Landes Nord-
„Deutschland kann auf diesem Gebiet Tech-          rhein-Westfalen in der Kate­gorie Nachwuchs.
nologieführer werden“, betont Palkovits. Für       Geboren wurde die Wissen­schaftlerin 1980
sie ist das mit der gleichzeitigen Verpflichtung   in Essen, sie ist verheiratet und Mutter eines
gekoppelt, solche Technologien zu fördern.         Kindes.
So beschäftigt sich ihre Arbeitsgruppe auch mit
Fragen, wie sich die Prozesse später günstig und   » www.itmc.rwth-aachen.de

                                                                14 PRofessorinnen im Portrait    23
Stefanie Reese
Seit November 2009 ist Dr.-Ing.
Stefanie Reese Universitätsprofes-
sorin für das Fach Mechanik.
Als erste Frau in Deutschland wurde Stefanie
Reese auf eine Professur in der Mechanik
berufen. Der deutsche ingenieurinnenbund e.V.
wählte sie 2011 unter die TOP25-Ingenieu­
rinnen Deutschlands. Geboren am 15. Juni 1965
in Hameln, studierte Reese an der Universität
Hannover und promovierte an der Technischen
Universität Darmstadt. In der Zeit als Dokto­
randin beschäftigte sie sich mit Instabilitäts­
phänomenen gummiartiger Materialien und
Strukturen. Dabei erkannte sie ein mathema­
tisches Problem einer bis dahin sehr populären
Finite-Elemente-Methode. „Es ist immer noch
ungelöst und sorgt damals wie heute in der
Science Community für viel Diskussionsstoff“,
sagt sie und fügt hinzu: „Die Finite-Elemente-
Technologie ist eines meiner Steckenpferde.“

Nach Auslandsaufenthalten in Berkeley und
Kapstadt und der Habilitation in Hannover
erhielt sie 1999 einen Ruf an die Ruhr-Univer-
sität Bochum. Auszeichnungen folgten schnell,
wie zum Beispiel der Walter-Kalkhof-Rose-
Gedächtnispreis der Akademie der Wissen-
schaften und Literatur für herausragende
wissenschaftliche Leistungen und ein Preis der
Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissen­
schaften. Zu der Zeit forschte sie bereits an der   Routen. „Gute Ideen können sich erst entfalten,
Technischen Universität Braunschweig und            wenn man den Ausgleich hat“, ist Reese
baute dort den Lehrstuhl für Festkörperme-          überzeugt. Sie spielt zusätzlich Tennis und
chanik auf. Die beeindruckende Atmosphäre in        Violine, läuft regelmäßig und interessiert sich
Ländern wie Kalifornien und Südafrika und           für Fotografie.
den guten Wein vermisst sie bis heute. Und
doch lebt die verheiratete Professorin gerne        Reese ist Mitglied im Senat und Hauptaus-
in Deutschland. So erfährt sie häufig die Vor­      schuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft
züge des Dreiländerecks mit Rad und Naviga-         (DFG) sowie im Strategierat der RWTH Aachen.
tionssystem und entdeckt dabei immer neue           „Professorinnen sind in den Ingenieurdisziplinen

24    14 Professorinnen im portrait
„Gute Leistung
setzt sich durch.“

  in Deutschland, aber auch international,        Akzeptanz stoßen. „Dagegen anzukämpfen,
  immer noch eine Minder­heit“, sagt sie. Ein     verbraucht unnötig viel Kraft, die man bei
  Grund dafür ist ihrer Ansicht nach die unter-   der fachlichen Arbeit viel besser einsetzen
  schiedliche Erwartungshaltung in Familie,       könnte“, stellt Reese fest. Aber es hat sich,
  Gesellschaft und beruflichem Umfeld in          gerade in den letzten Jahren, schon viel zum
  Bezug auf die berufliche Entwicklung von        Positiven entwickelt. „Außerdem setzt sich
  Frauen und Männern. So wird einer Frau          gute Leistung irgendwann auf jeden Fall
  häufig weniger zugetraut und ihre Leistung      durch“, ist sie überzeugt.
  erst nach zweitem Hinsehen akzeptiert,
  wo­hingegen Männer schneller auf stärkere       » www.ifam.rwth-aachen.de

                                                              14 PRofessorinnen im Portrait   25
Sabine Roller
Seit 2009 ist Dr.-Ing. Sabine Roller Universitätsprofessorin
für Angewandtes Höchstleistungsrechnen im Maschinenbau.
„Eine Gelegenheit kommt, oder sie kommt             Geboren wurde Sabine Roller am 20. Januar
nicht“, meint Sabine Roller gelassen. Sie sieht     1969 in Karlsruhe, als Kind will sie „irgendwas
das entspannt, sie weiß, was sie tun muss,          mit Mathe machen“. Und so ähnlich kommt es
wenn die Gelegenheit kommt: „Dann muss ich          auch: Sie studiert Techno-Mathematik in Karls-
sie ergreifen.“                                     ruhe, promoviert in Luft- und Raumfahrttechnik
                                                    und arbeitet am Höchstleistungsrechenzentrum
Roller packt die Dinge in ihrem Leben an. Sie       in Stuttgart. Dort ist sie Gruppenleiterin, bevor
sucht nach pragmatischen Lösungen. Und              sie ihrem Ruf an die RWTH Aachen folgt. Nun
wenn es geradeaus nicht weitergeht: „Dann           forscht sie zum Beispiel daran, wie man die Ein-
gehe ich rechts oder links vorbei“, sagt sie.       spritzdüse eines Erdgasfahrzeuges so gestaltet,
Ihr Lebensweg hat sich ergeben, Gelegenheit         dass nicht so viel Lärm entsteht.
für Gelegenheit – und nicht für ein großes,
fernes Karriereziel. Nachdem ihre beiden Kin-       Sie entwickelt mathematische Gleichungen, um
der geboren sind, habe sie gemerkt, dass sie        die Düse auf einem Supercomputer zu simulie-
„Beruf und Familie unter einen Hut bringen          ren. Sie schreibt die Programme, die das Lärm-­
kann. Also kann ich auch versuchen, Karriere        problem mithilfe der Simulation lösen, Ziel ist
zu machen“, sagte sie sich. Das ist schon ein       es, die Düse schließlich zu verbessern. „Es sind
paar Jahre her.                                     sehr komplizierte Anwendungen, in denen
                                                    so viele Komponenten interagieren, dass ich
Roller weiß, wie sie Dinge zusammenbringt.          nur in der Simulation etwas herausfinden
Nur so kann sie gleichzeitig erfolgreich forschen   kann“, erklärt sie ihre Faszination für ihr Fach.
und ihre Kinder aufwachsen sehen. „In meinen        „Theoretisch oder im Experiment könnte man
Simulation führe ich verschiedene physikalische     die Dinge niemals vorauszusagen“, sagt Roller.
Modelle zusammen, die eigentlich getrennt           „Das schwierigste an der Simulation sind die
sind“, erzählt sie. „Ähnlich ist es in meinem       Supercomputer“, sagt sie. „Da hat man mehrere
Leben – da verbinde ich meine Kinder und            Tausend Prozessoren, die man orchestrieren
meinen Beruf. Jede Frau kann sich Gedanken          muss.“ Es ist eine Herausforderung für die For­
machen, wie sie Kinder und Beruf vereinbaren        scherin, die zwischen den Disziplinen springt –
kann“, sagt sie. „Und sie kann ihre Vorschläge      Mathematik, Ingenieuranwendungen und
einbringen: Teilzeit kann 50 oder 75 Prozent        Informatik. Ihren Lebensweg beschreibt sie
meinen. Oder man kann bei 50 Prozent immer          darum als „schlangenlinig“. „Andererseits“, sagt
morgens oder immer nachmittags kommen.              sie und macht eine kurze Pause. „Simulationen
Oder jeden zweiten Tag oder immer eine Woche        sind immer interdisziplinär, also ist mein Weg
ganz und eine gar nicht“, zählt Roller die Mög-     doch gradlinig.“ Egal, wie es weitergeht für
lichkeiten auf. „Was für einen selbst die beste     Roller: Wenn die nächste Gelegenheit in ihrem
Lösung ist, kann der Chef nicht erraten“, sagt      Leben kommt, wird sie sie ergreifen.
sie. „Agieren statt reagieren“ lautet ihr Tipp.
„Und offen sein.“                                   » www.grs-sim.de/engineering

26    14 Professorinnen im portrait
„Glück ist was passiert,
wenn Vorbereitung
auf Gelegenheit trifft.“
(Seneca)
Anett
Schallmey
Seit November 2009 ist Dr.
rer. nat. Anett Schallmey Junior­
professorin für Biokatalyse.
Anett Schallmey will sich nicht zwischen Karriere
und Kind entscheiden: „Ich bin davon über-
zeugt, dass es kein Problem ist, Beruf und
Familie zu vereinen. Man darf sich als Frau nur
nicht abschrecken lassen.“ Und darum plant sie
Kinder und Karriere. Für die am 4. Mai 1981
in Großenhain geborene Wissenschaftlerin
ist das selbstverständlich: „Meine Eltern haben
auch Vollzeit gearbeitet und wir waren drei
Geschwister.“

Von der Absolventin der Biochemie, zum Doktor
der Biotechnologie an der Universität Greifs-
wald über den Zwischenstopp als wissen­schaft­
liche Mitarbeiterin an der Universität Gronin-
gen führt Schallmeys wissenschaftliche Karriere
nach oben: Mit 28 Jahren bekommt sie eine der
Juniorprofessuren, die im Rahmen der Exzellenz­
initiative ausgeschrieben sind.

„Jetzt bin ich Chef“, stellt Schallmey fest, als sie
ihre Arbeit an der Hochschule aufnimmt. „Das
ist schon herausfordernd“, beschreibt sie die
neuen Aufgaben, die sie neben der Forschung
erfüllen muss. „Man muss Forscher, Manager
und Dozent sein, und zwar gleichzeitig.“
Schallmey forscht, sie vermittelt Wissen an
Studierende, betreut Doktoranden und managt
die Forschungsarbeiten am Lehrstuhl.                   schwebt ihr langfristig vor, wenn ihre Zeit als
                                                       Juniorprofessorin vorbei ist. „Mir geht es weni-
So richtig überlegt habe sie sich vorher nicht,        ger um große Preise und Ruhm als Professorin“,
was als Juniorprofessorin alles auf sie zukom-         sagt sie, „sondern darum, meine Faszination
men würde. „Die Gelegenheit hat sich geboten           für die Forschung auf andere zu übertragen.“
und dann ging es schnell“, erzählt sie. „Das war       Insbesondere auf andere Frauen. Denn: „Wissen-
auch mit Glück verbunden. Und natürlich ist            schaft ist keine Männerdomäne!“
das nicht zu vergleichen mit dem Berufungs-            Ziel ihrer Forschung ist es, chemische durch
verfahren zu einer richtigen Professur.“ Die           biokatalytische Verfahren zu ersetzen. „Man

28     14 Professorinnen im portrait
„Phantasie ist wichtiger als Wissen,
   denn Wissen ist begrenzt.“
   (Albert Einstein)

findet für so viele chemische Reaktionen ent-          oder Karriere in der Wirtschaft. „Ansonsten wird
sprechende Biokatalysatoren, also Enzyme, die          man nicht erfolgreich sein“, sagt sie.
ohne Lösungsmittel und ohne hohe Temperatu-
ren auskommen“, sagt Schallmey. „Das fasziniert        Ihre Karriere würde Anett Schallmey nie auf-
mich, denn es ist viel umweltfreundlicher.“            geben. Auch nicht für Kinder. Muss sie auch
                                                       nicht, ihre Karriere hält die verheiratete Wissen-
Sie forscht begeistert, und sie forscht erfolgreich.   schaftlerin nicht davon ab. Sie will beides.
„Man sollte einfach das machen, was Spaß
macht“, rät sie. Ob wissenschaftliche Laufbahn         » www.biocat.rwth-aachen.de

                                                                     14 PRofessorinnen im Portrait     29
Anke
Schmeink
Seit Mai 2008 ist Dr.-Ing. Anke
Schmeink Juniorprofessorin
für Informationstheorie und
syste­matischer Entwurf von
Kom­munikationssystemen.

„Die Neugier steht immer an erster Stelle eines
Problems, das gelöst werden will.“ Das Zitat von
Galileo Galilei ist das Forschungsmotto von Anke
                                                                 „Die Neugier
Schmeink. Sie ist Juniorprofessorin im Rahmen
des Exzellenzclusters „Ultra High-Speed Mobile                   steht immer
Information and Communication“ (UMIC).
Neben der Neugier müssen die Dinge aber auch                     an erster Stelle
Freude machen, denn: „Es fällt leichter, gute Ideen
zu entwickeln und zu innovativen Lösungen zu
kommen, wenn die Sache Spaß macht. Dies gilt
                                                                 eines Problems,
besonders in der Forschung, in der man einen
langen Atem und Hartnäckigkeit braucht, um
                                                                 das gelöst
neue Resultate zu erreichen.“
                                                                 werden will.“
Schmeink wurde am 6. Januar 1978 in Würse-                       (Galileo Galilei)
len bei Aachen geboren, sie ist verheiratet und
Mutter des zweijährigen Christoph. Für ihre
Erfolge schlug Schmeink keinen klassischen Weg
ein, sie interessierte sich für die Schnittstellen.
So studierte sie Mathematik mit Nebenfach
Medizin an der RWTH und der University of
York und promovierte anschließend am RWTH-
Lehrstuhl für Theoretische Informationstechnik.
Heute weiß sie: „Viele Dinge sind von Zufällen
geprägt. Es kommt darauf an, sich an wichtigen        Verzweigungen finden sich für sie auch auf inter-
Verzweigungspunkten im Leben für das zu ent-          nationaler Ebene. In Diskussionen mit Kollegen
scheiden, was am ehesten den eigenen Neigun-          aus dem Ausland ergeben sich oft Forschungs-
gen und Interessen entspricht. Dies dann mit          und Lösungsrichtungen, die man alleine nie einge-
Energie voranzubringen, auch beharrlich zu sein       schlagen hätte, sagt sie. Ihre Forschungsinteressen
und seine Ziele nicht leichtfertig gegen Wider-       liegen im Bereich der Optimierung und dem sys-
stände aufzugeben, hilft einem selbst und gibt        tematischem Entwurf innovativer Netzwerkstruk-
einem Glaubwürdigkeit nach außen.“                    turen, der Leistungsbewertung und stochastischen

30    14 Professorinnen im portrait
Analyse von Netzen und der Informationstheorie.      meine Vorlesungen interaktiv zu gestalten und
Ein neues Forschungsgebiet ist die Anwendung         die Studierenden bei der Herleitung der Ergeb-
informationstheoretischer Methoden in der            nisse einzubinden. Außerdem ist es mir wichtig,
Molekularbiologie. Hier werden handhabbare           aktuelle Beispiele aus verschiedenen Gebieten
Kanalmodelle entwickelt, die den Informations-       zu verwenden und den Studierenden früh einen
fluss und die Signalverarbeitung in zellulären und   Einblick in die aktuelle Forschung zu geben.“
neuronalen Systemen beschreiben. Ihr Wissen
gibt sie dabei gerne weiter: „Ich bemühe mich,       » www.isek.rwth-aachen.de

                                                                  14 PRofessorinnen im Portrait   31
Antje Spieß
Seit Oktober 2010 ist Dr.-Ing.
Antje Spieß Universitätsprofessorin
für Enzymprozesstechnik.
Wenn Antje Spieß morgens ihr Büro aufschließt,
kann sie es manchmal immer noch nicht glau-
ben: Raum 42 C 042 im Sammelbau Biologie
ist ihr Reich als Leiterin des Lehrstuhls für
Enzymprozesstechnik. „Ab und zu wundere
ich mich noch, dass es tatsächlich einen
Lehrstuhl Enzymprozesstechnik gibt“, sagt
Spieß lächelnd.
Mit ihren Mitarbeitern forscht sie daran, die
chemische Umsetzung durch Biokatalysatoren
optimal zu gestalten. „Das Besondere ist, dass
Biokatalysatoren in wässeriger Umgebung und
bei milden Temperaturen arbeiten. Sie sind um-
weltfreundlich in sich, und wir brauchen keine
teuren Werkstoffe. Dank biologischer Katalysa-
toren haben wir die Chance, nachwachsende
Rohstoffe umweltschonender zu nutzen. Das
hat erhebliches Potenzial“, begründet sie ihre
Faszination für das Fach.

Dass sie sich als Professorin am eigenen Lehr-
stuhl mit Enzymprozesstechnik beschäftigt,
hat sie nicht geplant. Weder den Doktor- und
schon gar nicht den Professortitel strebt sie an,
als sie nach der Schule ihr Studium aufnimmt.
Geboren am 6. Oktober 1970 in Saarbrücken,
ist sie als Schülerin fasziniert von den Naturwis-   habe immer gute Gelegenheiten gefunden“,
senschaften. „Erst wollte ich Chemie studieren,      sagt sie rückblickend.
war dann aber abgeschreckt, weil ich dachte,
oh je, dann musst du auch promovieren“. So           Spieß lacht viel, wenn sie von ihrer wissen-
schwenkt sie um zu den Ingenieurwissenschaf-         schaftlichen Laufbahn erzählt. Ihren Erfolg
ten und studiert Verfahrenstechnik. Am Ende          führt sie auch auf ihr Umfeld zurück: „Wir
promoviert sie doch, in Bioverfahrenstechnik         waren alles rationale Köpfe in unserer Familie.“
und arbeitet in der pharmazeutischen Industrie.      Und doch hat sie sich viel erarbeitet. „Es ist
Hier merkt sie, dass sie wieder forschen will.       immer ein Mittelding aus kämpfen und tanzen“,
Sie nimmt Kontakt zur RWTH Aachen auf,               sagt Spieß. „Ich bin dankbar, dass ich nicht
findet eine Stelle als wissenschaftliche Mitar-      so viel kämpfen musste, sondern dass es sich
beiterin und habilitiert. „Ich hatte nie das klare   einfach ergeben hat. Denn man hofft immer,
Ziel vor Augen, Professorin zu werden, aber ich      dass es mehr Tanzen als Kämpfen ist.“

32    14 Professorinnen im portrait
                                 „Kreativität heißt,
                                                        aus dem Chaos
                                                     Ordnung schaffen.“
                                                                                        (Georg S. Troller)

 Während ihrer Habilitation baut sie eine            terferien haut sie Figuren aus Holz oder Stein.
 Arbeitsgruppe auf. „Und als die Zeit ablief,        „Wichtig ist, dass man neugierig ist, dass man
 haben wir geschaut, was geht“, erzählt Spieß.       eigene Erfahrungen macht, und sich selbst
 Es geht etwas. Die Hochschule schreibt eine         nicht so fürchterlich ernst nimmt“, sagt sie.
 Professur aus, sie bewirbt sich. „Ich möchte hier   Und was ist für eine junge Wissenschaftlerin
 mein Forschungsgebiet festigen und ausbauen­,       wichtig? „Man sollte sich als Studentin eines
Mitarbeiter schulen, Studenten ausbilden“,           technischen Faches mit der Rolle, die Frauen
­beschreibt sie. „Wir sind in der Aufbauphase        hier spielen, auseinandersetzen“, sagt Spieß.
und da bleibt erschreckend wenig Platz für           „Aber man sollte es dabei nicht so wichtig
rechts und links.“ Sie empfiehlt daher, sich         werden lassen, dass man sich in der Defensive
„einen zweiten Bereich zu erhalten“. Zum             fühlt. Das ist ein Balanceakt.“
Beispiel ein Hobby. Für Spieß ist das die Bild­
 hauerei­, an Wochenenden und in den Semes-          » www.avt.rwth-aachen.de

                                                                  14 PRofessorinnen im Portrait      33
Barbara
Terhal
Seit 2010 ist Barbara Terhal,
Ph. D., Universitätsprofessorin
für Theoretische Physik
(kondensierte Materie).
Die Ideen großer Denker wie Kant und Schopen­
hauer analysieren, die Relativitätstheorie von
Einstein durchdringen und als Literaturstudentin
die Muße für dicke Wälzer aufbringen: „Mit
18 wollte ich alles machen“, erzählt Barbara
Terhal, geboren am 4. Juni 1969 im nieder-
ländischen Leiden. Darum probiert sie aus:
Nach zwei Semestern Philosophie in Straßburg
wechselt sie nach Amsterdam und schreibt sich
für Französisch ein, nimmt probeweise an einen
Physikkurs teil und stellt fest: „Das ist es!“
Warum? „Man kann viel manipulieren in der

                                                                „Il faut cultiver
Welt, zum Beispiel das politische System. Aber
die Physik, die kann man nicht verändern, das
fasziniert mich. In der Physik geht es darum,

                                                                notre jardin.”
die Gesetze der Welt zu verstehen und Werk-
zeuge zu entwickeln“, analysiert Terhal.
                                                                (Voltaire)
Von Amsterdam aus geht sie nach Nordame-
rika. Sie plant einen kurzen Forschungsaufent-
halt, der schließlich zehn Jahre dauert. Sie lernt
ihren Mann David P. DiVincenzo kennen und
bringt drei Töchter zur Welt. Heute will Terhal
nicht mehr alles machen, sie sieht die Verhält-      sich nicht verunsichern lassen“, sagt sie. Und
nisse realistischer. „Aber“, betont sie, „was        erzählt von einer Begebenheit, die ihr als Dok­
ich habe, das pflege ich – beruflich die Physik      torandin passierte. „Jemand aus dem Prüfungs-
und privat die Familie. Ich bin sehr glücklich,      vorsitz hat mich gefragt hat, ob ich die Einleitung
dass ich drei Kinder habe“, sagt sie. Und fügt       für meine Doktorarbeit selbst geschrieben hätte“,
hinzu: „Das ist gar nicht so einfach, Kinder         erzählt sie. „Natürlich hatte ich sie selbst geschrie-
und Karriere zu kombinieren. Man muss den            ben. Die Tatsache, dass er daran zweifelte, fand
richtigen Mann finden, der einen unterstützt.        ich sehr nervig. Entweder er hat gezweifelt, weil
Man muss natürlich das Fach mögen, weil              ich sehr jung oder weil ich eine Frau war.“
man Unmengen an Zeit investiert. Und man             Als Forscherin träumt sie davon, einen Quanten­
sollte sich im Arbeitsumfeld Kolleginnen und         computer zu bauen, der komplexe Rechen­
Kollegen suchen, die einen unterstützen.“            aufgaben – mit denen ein aktueller Computer
Terhal findet diese Unterstützung. „Man darf         einige Jahre beschäftigt wäre – blitzschnell lösen

34    14 Professorinnen im portrait
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