Schlesischer Kulturspiegel - Informationen über das schlesische Kulturleben - Ausstellungen, Tagungen, Publikationen, Wissenswertes - Kontakt

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Schlesischer Kulturspiegel
                                                                                                      1
                                                                                            56. Jahrgang 2021 l Würzburg l 1/21 Januar-März

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Śląski Prezegląd Kulturalny . Slezské Kulturní Zrcadlo
Herausgegeben von der Stiftung Kulturwerk Schlesien

Informationen über das schlesische Kulturleben – Ausstellungen, Tagungen, Publikationen, Wissenswertes

                                                                                                                           „Hochofenanlage
                                                                                                                           in Koenigshuette.“
                                                                                                                           Kolorierter Holz-
                                                                                                                           stich, Zeichnung
                                                                                                                           von Blätterbauer,
                                                                                                                           aus: F. Schroller:
                                                                                                                           Schlesien, Bd.III,
                                                                                                                           S. 28, 1888
                                                                                                                           © Stiftung Kultur-
                                                                                                                           werk Schlesien

                                                                                                                              CHRONIK

 Vor 100 Jahren: Die Volksabstimmung in Oberschlesien
Oberschlesier stimmten am 20. März 1921 über den Verbleib der Region bei Deutschland oder deren
Zuschlagung zum wiedererrichteten Polen ab.

Es war eine welthistorische Premiere: Vor 100 Jahren        mächte – schließlich eine Volksabstimmung für Ober-
durften zum ersten Mal rund 1,2 Millionen Menschen in       schlesien durch.
Oberschlesien in einer freien und geheimen Wahl darüber         Die britische Politik verfolgte dabei gleich mehrere
abstimmen, in welchem Land sie künftig leben wollten: in    Ziele: Man wollte mit diesem Ad-hoc-Zugeständnis den
Deutschland oder in Polen. Ein verbrieftes Selbstbestim-    Deutschen die Vertragsunterschrift erleichtern und
mungsrecht der Völker war damals ein Novum, das sich        im Falle eines deutschen Abstimmungssiegs die Wirt-
aus den berühmten „14 Punkten“ des US-Präsidenten           schaftskraft des Reiches für die anstehenden Repara-
Woodrow Wilson ergab.                                       tionszahlungen erhalten. Zugleich sollte die Balance of
    In Schlesien hatte zuvor schon häufig die Herrschaft    Power auf dem Kontinent gewahrt und nicht allzu sehr in
gewechselt; seit Friedrich dem Großen hatte sie fast        Richtung Polens und seines Bündnispartners Frankreich
200 Jahre lang bei Preußen gelegen. In den Versailler       verschoben werden.
Friedensverhandlungen Anfang 1919 war Oberschlesien             In Paris sah man die Sache grundlegend anders: Ein
jedoch von den Alliierten zunächst dem neu konstituier-     stabiles und dank Oberschlesien wirtschaftlich potentes
ten polnischen Staat zugeschlagen worden. Erst als die      Polen war Kernstück eines Cordon sanitaire mittelost-
Reichsregierung scharf protestierte, machte sich die bri-   europäischer Staaten, die nach Frankreichs Vorstellung
tische Regierung unter David Lloyd George die deutschen     sowohl Sowjetrussland als auch Deutschland in Schach
Argumente zu Eigen und setzte im Rat der Vier – dem         halten sollten. Zugleich sollte die „Waffenschmiede“
obersten Entscheidungsgremium der alliierten Sieger-        Oberschlesien dem Reich für immer entzogen werden –

                                                                                                     Schlesischer Kulturspiegel 56, 2021        1
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LIEBE                   lassen Sie uns gemeinsam auf eine neue Ausgabe des          die Schlesienexkursion, die erneut von Viola Plump von
                        „Schlesischen Kulturspiegels“ und die Pläne der Stif-       den Freunden und Förderern der Stiftung Kulturwerk
LESERinnen
                        tung Kulturwerk Schlesien für das Jahr 2021 blicken:        Schlesien e.V. organisiert wird, gibt schon beim Lesen
und Leser,              Entsprechend des Jubiläums des Plebiszits der Ober-         des Programms Anlass zu Fernweh und Reiselust. Da-
                        schlesischen Aufstände informiert Sie Dr. Karsten           rüber hinaus planen wir in Würzburg Veranstaltungen
                        Eichner über dieses historische Großereignis. Wie           im Rahmen des Festjahres „1.700 Jahre Jüdisches
                        in der letzten Ausgabe versprochen, stelle ich das          Leben in Deutschland“ und in diesem Jahr soll wieder
                        Thema meiner Dissertation und damit ein weiteres            zum gewohnten Termin im September zu den Wan-
                        Oberschlesien-Thema vor. Wir nehmen Sie des Wei-            gener Gesprächen geladen werden. Daneben arbeiten
                        teren mit nach Hirschberg beziehungsweise Glogau,           wir an Projekten, um uns besser in der Welt des In-
                        von wo der Leiter des dortigen Diözesanarchivs über         ternets zu präsentieren und weitere Leser, Schlesien-
                        einen interessanten Fund berichtet. Wir erinnern an         begeisterte und solche, die es noch werden, auf uns
                        die Schriftstellerin Erle Bach, die bereits vor 25 Jah-     aufmerksam zu machen. Gerade das Jubiläumsjahr
                        ren verstarb und ehren einige weitere Schlesier, die in     2021 eignet sich hierfür in besonderem Maße, vor
                        den vergangenen Monaten aus dem Leben schieden.             allem dann, wenn wir es als Lehrstück von globaler
                        Trotz der andauernden Einschränkungen des kulturel-         Bedeutung für die Entwicklung im Bereich der Staats-
                        len Lebens arbeiten die Häuser mit Schlesienbezug in        bürgerschaft und Nationalitätenpolitik betrachten.
    Lisa Haberkern,     Deutschland sowie die Kultureinrichtungen in Schle-              Da Sie und wir wissen, dass all die schönen Plä-
        die neue Ge-    sien auf Hochtouren, so dass wir uns freuen, Sie auf        ne am Ende davon abhängen, wie wir als Gesellschaft
schäftsführerin der
Stiftung Kulturwerk
                        ein vielfältiges Programm hinweisen zu können.              durch die Covid-19-Pandemie kommen, wünschen wir
           Schlesien        Als Stiftung Kulturwerk Schlesien blicken wir mit       Ihnen und uns weiterhin Geduld und Zuversicht! Os-
  © Angela Ankner       einer großen Portion Vorfreude auf 2021. Unsere             tern und der Frühling stehen vor der Tür und zusätz-
                        Jahrestagung „Schlesien und Bayern“ vom 4. – 6.             lich hoffen wir, Ihnen die Durststrecke mit anregender
                        Juni in Bad Alexandersbad lockt mit einem vielver-          Lektüre etwas zu versüßen.
                        sprechenden Programm. Die Nachwuchstagung für
                        Schlesienforschung macht schon jetzt neugierig und          Ihre Lisa Haberkern und Anja Weismantel

FOR TSETZUNG VON SEITE 1

                        mit dem für Paris angenehmen Nebeneffekt, dass man           nur jeweils fünf von einem britischen bzw. italienischen.
                        künftig umso wirkungsvoller mit einer französischen          Militärisch hatten die Briten zur Verblüffung ihrer Bünd-
                        Ruhrbesetzung drohen konnte. Dementsprechend pro-            nispartner sogar einen peinlichen Komplett-Rückzieher
                        polnisch war die französische Politik.                       gemacht, so dass die Franzosen schließlich 12.000 der
                                                                                     anfangs 15.000 Mann starken alliierten Truppen im Land
                        Konträre Großmacht-Interessen                                stellten, die übrigen 3.000 kamen aus Italien. Erst wäh-
                        Diese höchst konträren Interessen der beiden Groß-           rend der Abstimmung zeigte Großbritannien kurzzeitig
                        mächte sollten in den folgenden drei Jahren auch die         mit einigen Einheiten zumindest symbolisch Flagge.
                        Grundmelodie in Oberschlesien vorgeben. Die Briten
                        gaben dabei aber von vornherein fast alle Trümpfe aus        Mit allen Wassern gewaschen
                        der Hand, denn für London waren eigene politische Kri-       Ähnlich waren die Machtverhältnisse in der Kommission,
                        senthemen wie beispielsweise die Irlandfrage weitaus         die Anfang 1920 ihren Sitz in Oppeln nahm: Ihr Präsi-
                        dringlicher. Für die Abstimmung hoffte man zwar auf ein      dent, der französische General Henri Le Rond, diktierte
                        Fair Play – aber ohne sich für dessen Durchsetzung allzu     von Anfang an das Geschehen. Propolnisch, polyglott und
                        sehr zu engagieren. Italien hatte an Oberschlesien kaum      politisch-diplomatisch mit allen Wassern gewaschen,
                        Interesse, ebenso wenig die USA, die sich nach dem Frie-     konnten seine Kommissionskollegen diesem „Napolerond“
                        densschluss vom europäischen Schauplatz verabschie-          nicht das Wasser reichen – weder der oft sprunghafte
                        deten – eine frühe Version des „America First“. Paris        italienische General Alberto de Marinis noch der auf-
                        nutzte das entstehende Vakuum hingegen geschickt für         rechte, aber zunehmend frustrierte britische Truppen-
                        seine Zwecke aus.                                            offizier Harold Percival, der allzu häufig keine politische
                             Die französische Dominanz zeigte sich im Abstim-        Rückendeckung aus London erhielt und als Oberst zudem
                        mungsgebiet folglich an allen Ecken und Enden: In der        einen niedrigeren militärischen Rang bekleidete.
                        Interalliierten Regierungs- und Plebiszitkommission – die
                        in der Abstimmungszeit die Regierungsgewalt übernahm         Ringen um die Outvoter-Frage
                        – hatten sich die Franzosen nebst dem wichtigen Ge-          Schwierigkeiten und Streitpunkte gab es von Anfang an,
                        neralsekretariat vier zentrale Ressorts gesichert, für       zumal der Zweite Polnische (in der polnischen Literatur:
                        die Briten blieben nur zwei minder wichtige und für die      Schlesische) Aufstand Mitte 1920 weitere Unruhe brach-
                        Italiener eines. Von 21 oberschlesischen Kreisen wur-        te. Zum Hauptstreitpunkt entwickelte sich schon bald die
                        den elf durch französische Kreiskontrolleure verwaltet,      Frage, wer überhaupt wahlberechtigt war: Sollten bei-

2     Schlesischer Kulturspiegel 56, 2021
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spielsweise auch gebürtige Oberschlesier, die inzwischen
im Ruhrgebiet und anderswo Arbeit gefunden hatten
(so genannte Outvoter), an der Abstimmung teilnehmen
dürfen? Auch hier liefen die diplomatischen Drähte heiß,
bis schließlich nach langem Ringen eine gemeinsame Li-
nie gefunden war: 190.000 Outvoter konnten schließlich
ihre Stimme in Oberschlesien abgeben. Sie wurden in
rund 280 Sonderzügen herangeschafft, eine beachtliche
logistische Leistung.

Stimmen waren regional unterschiedlich verteilt
Die Vorbereitungen zur Abstimmung dauerten länger als
ein Jahr. Erst am 20. März 1921, einem sonnigen und
vorfrühlingshaften Sonntag, konnten endlich rund 1,2
Millionen Menschen ihre Stimme abgeben. Die Auszäh-
lung ergab, dass knapp 60 Prozent für Deutschland, gut
40 Prozent für Polen votiert hatten. Doch die Stimmen
waren regional höchst unterschiedlich verteilt. Insbe-
sondere das oberschlesische Industriegebiet glich einem
Flickenteppich: Einer deutschen Stimmenmehrheit in den      der deutschen Position zu, Frankreich der polnischen.             Sitz der interalliierten
großen Städten standen polnische Mehrheiten in den          Eine gütliche Lösung schien damit ferner denn je, zumal           Regierungs- und Ple-
                                                                                                                              biszitskommission für
vielen umliegenden kleinen Landgemeinden entgegen.          der Versailler Vertragstext hier keine eindeutige Rege-           Oberschlesien in Op-
Folglich sahen sich beide Seiten als Sieger: Während        lung vorgegeben hatte und in der Folge höchst unter-              peln, Annabergplatz,
Deutschland aufgrund der 60-Prozent-Mehrheit das Ge-        schiedliche Teilungspläne diskutiert wurden.                      heute Plac Wolnosći.
biet in Gänze forderte, reklamierte der polnische Plebis-       Einmal mehr stand die schlesische Geschichte hier an          Bild: Max Glauer,
                                                                                                                              aus: Oberschlesien
zitkommissar Wojciech Korfanty aufgrund der Gemein-         einem Wendepunkt – mehr dazu in der folgenden Ausga-              – Seine Entwicklung
de-Ergebnisse weite Teile Oberschlesiens inklusive des      be des ‘Schlesischen Kulturspiegels‘.                             und seine Zukunft,
Industriegebiets für Polen. Großbritannien neigte eher                                               Karsten Eichner         Berlin 1925

          Fund im Diözesanarchiv Zielona Góra aus dem Jahr
Listen mit Namen in Glogau im Jahr 1945 verstorbener und gefallener Personen entdeckt.

In der Dokumentenreihe des Diözesanarchivs in Grün-             Die einzige Informationsquelle über diese 38 Toten
berg in Schlesien wurden zwei lose Typoskriptseiten aus     sind zwei vergilbte Typoskriptseiten auf schlechtem Ko-
dem Jahr 1945 gefunden. Ein damaliger Zeuge schrieb         pierpapier im Format A4, die nicht verbrannten und in
in chronologischer Reihenfolge Nach- und Vornamen der       den Akten der Pfarrei St. Nikolaus aufbewahrt wurden.
Menschen auf, die vom 16. April bis 19. November 1945       Am Beispiel des entdeckten Dokuments findet die Weis-
in Glogau gestorben oder gefallen sind, also nachdem die    heit, dass die Toten lebendig sind, solange die Erinnerung
Stadt von der Roten Armee befreit worden war. Die Ver-      an sie weiterlebt, ihre Bestätigung.
storbenen gehörten zur Pfarrei St. Nikolaus oder befan-                                        ks. dr. hab. Robert Kufel
den sich dort infolge der Kriegswirren. Sie wurden in der                  Direktor des Diözesanarchivs in Zielona Góra
Stadt von einem örtlichen Priester begraben, der es wohl
nicht geschafft hatte, ordnungsgemäße Sterbeurkunden        Gerne können Sie das Diözesanarchiv nach vorheriger
auszustellen. Es ist davon auszugehen, dass das Typo-       Anmeldung Montag bis Freitag von 9.30 bis 13.30 Uhr
skript als Quelle für einen Eintrag in das Sterbebuch der   besuchen. Kontakt und Information:
Pfarrei verwendet werden sollte. Vermutlich hoffte der      Archiwum Diecezjalne w Zielonej Górze
Priester, im Laufe der Zeit die fehlenden Daten zu diesen   Osiedle Kaszubskie 8
Personen ergänzen zu können oder weitere Verstorbene        65-548 Zielona Góra
hinzu zu fügen, über die er zum Zeitpunkt des Schreibens    Telefon: +48 666 028 237
dieses Typoskripts keine Kenntnis hatte.                    E-Mail: archiwum@diecezjazg.pl

                Bitte unterstützen Sie die Arbeit der Stiftung Kulturwerk Schlesien mit einer Spende.
                          Unser Spendenkonto: IBAN: DE34 7907 0016 0023 6000 00 BIC: DEUTDEMM790
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                    Selbstverständlich erhalten Sie auf Wunsch eine Spendenbescheinigung. Wir danken Ihnen herzlich.

                                                                                                        Schlesischer Kulturspiegel 56, 2021         3
Sondermarke zur Oberschlesischen Tragödie aufgelegt
                           Polnische Post erinnert mit Briefmarke von Adam Kultys an den 75. Jahrestag

       Neu aufgelegte      Die Polnische Post bringt aus Anlass des 75. Jubiläums
       Briefmarke zur      der Oberschlesischen Tragödie eine von Adam Kultys
    Erinnerung an den
    75. Jahrestag der
                           gestaltete Sondermarke heraus. Unter dem Sammelbe-
     Oberschlesischen      griff Oberschlesische Tragödie werden die verschiedenen
             Trägödie      Aspekte des zivilen Leides der lokalen Bevölkerung im
      © Poczta Polska      Zusammenhang mit dem Kriegsende und den Wirren
                           nach Ende des Zweiten Weltkrieges zusammengefasst.
                           Die Marke zeigt einen Deportationszug, der Bergleute in
                           das Innere der Sowjetunion transportiert; neben einem
                           Tagebau in Oberschlesien ist eine Abbaustätte im Don-
                           bas, in der heutigen Ukraine auf dem Postwertzeichen
                           abgebildet. Die Deportationen sind einer der Aspekte der
                           Oberschlesischen Tragödie, derer in Polen und Deutsch-
                           land bisher weniger intensiv gedacht wurde.
                               Die Marken werden für 3,30 zł zum Kauf angeboten,               Interessierten ist die Lektüre des Buchs von Korne-
                           wurden in einer Auflage von 120.000 Stück produziert           lia Banaś (Kattowitz 2016) ans Herz zu legen: In „Niech
                           und können über den Online-Shop der Polnischen Post            świat pamięta o nas...“ (Lass die Welt sich an uns erin-
                           erworben werden.                                               nern) geht die Historikerin anhand von Ego-Dokumenten
                               Über dieses Kapitel der Nachkriegsgeschichte infor-        auf die Lebensgeschichte nach Oberschlesien zurückge-
                           miert das „Dokumentationszentrum für Deportationen             kehrter Deportierter ein. Leider liegt das Buch bisher nur
                           der Oberschlesier in die UdSSR im Jahre 1945“ in Radzi-        auf Polnisch vor. Eine Übersetzung ins Deutsche würde
                           onkau. Weitere Informationen zum Dokumentationszen-            dieses wenig bekannte Thema einer breiteren Leser-
                           trum finden Sie unter: https://deportacje45.pl/index/de.       schaft zugänglich machen und wäre sehr zu begrüßen.

VON DER STIFTUNG KULTUR WERK SCHLESIEN

Kurznachrichten aus der Stiftung Kulturwerk Schlesien
                           Druckkostenzuschüsse, Neuerscheinungen und mehr

                           +++ Am 12.02.2021 traf sich der Vorstand der SKWS              die Historische Kommission für Schlesien veröffentlicht
                           zu einer Sitzung im Videokonferenz-Format +++ SKWS             den 13. Band der „Schlesischen Lebensbilder“ sowie den
                           fördert Buchprojekte mit Druckkostenzuschüssen: Für            Sammelband „Epochen – Themen – Methoden. Historio-
                           die Reihe „Neue Forschungen zur schlesischen Geschich-         graphie in Schlesien zwischen Aufklärung und Moderne“
                           te“ transkribiert und kommentiert Dr. Dietrich Meyer die       +++ Geschäftsführerin Lisa Haberkern stellt in einem
                           „Alte und Neue Brüder-Historie oder kurzgefasste Ge-           Blogartikel auf www.chibow.org ihre Arbeit für die SKWS
                           schichte der Evangelischen Brüder-Unität“ (Barby 1771);        vor +++

Erinnerung an Nachkriegsinternierung in Oberschlesien
                           Ausblick auf das Dissertationsvorhaben der Geschäftsführerin der Stiftung Kulturwerk Schlesien

                           Unter dem Arbeitstitel „Oberschlesische Tragödien              terviews. Sie dienen der Erschließung der betreffenden
                           erinnern“ geht die Dissertation der Frage nach, wie            Familiengedächtnisse (Halbwachs). Hierfür wurden Fami-
                           Inkongruenz und Diskontinuität innerhalb des Famili-           lien herangezogen, in deren Kreis sich Mitglieder finden,
                           engedächtnisses verhandelt werden und nimmt dafür              beziehungsweise fanden, die in der Zeit nach der Befrei-
                           ost-oberschlesische Familien in den Fokus. Die Region,         ung Oberschlesiens durch die Rote Armee in polnischen
                           speziell deren östlicher Teil, eignet sich hierfür besonders   Internierungs- beziehungsweise Arbeitslagern festge-
                           gut, da sich in der neueren und neuesten Geschichte            halten wurden. Konkret wird der Fokus auf das verhält-
                           die Grenzverläufe und mit ihnen die von Nationalstaaten        nismäßig gut erforschte Arbeitslager Zogda in Schwien­
                           zugeschriebenen Staatsangehörigkeiten der Bewohner             tochlowitz gelegt. In der Analyse werden die gewonnenen
                           vielmals wandelten.                                            beziehungsweise geschaffenen Quellen vorhandenem
                               Die Basis der Arbeit bildet eine Interviewstudie be-       Archivmaterial (IPN Katowice) und der Fachliteratur zur
                           stehend aus narrativen Einzel- und Mehrgenerationenin-         Nachkriegsgeschichte gegenübergestellt. Ziel ist es, ein

4        Schlesischer Kulturspiegel 56, 2021
Verständnis dafür zu entwickeln, wie ostoberschlesische        Marie Curie Skłowdoska-Action der Europäischen Union
Familien ihre Geschichte mit der polnischen oder deut-         finanziert wurde, konnte ich zwischen 2016 und 2019
schen Meistererzählung (Sabrow) der Nachkriegszeit             als Mitarbeiterin an der Schlesischen Universität in Kat-
in Einklang bringen. Eine weitere Vergleichsebene wird         towitz am Lehrstuhl Prof. Kaczmareks (Regionalstudien
durch die Erzählungen von Familien eingeführt, die Polen       und Archivistik) mein Dissertationsvorhaben voranbrin-
verlassen haben und heute in Deutschland leben. In allen       gen. Das Nachwuchsnetzwerk unter dem Titel „Children
Fällen ist die Frage danach entscheidend, wie sich die         Born of War – Past, Present, Future“ ermöglichte mir
Bewertung der Familiengeschichte von einer Generation          und 14 weiteren Promovierenden in neun EU-Ländern
zur nächsten und übernächsten verändert und inwiefern          (zu diesem Zeitpunkt zählte auch Großbritannien noch zu
die staatlicherseits angewandten nationalen Kategorien         diesem Kreis) die Auswirkungen von Kriegen auf Men-
sich hierauf auswirken.                                        schen, die im Zusammenhang von Kriegsereignissen ge-
    Die Arbeit will auf weiße Flecke in der Nachkriegs-        zeugt wurden, zu erforschen. Mehr Informationen zum
geschichte aufmerksam machen, indem sie sich mit den           Forschungsnetzwerk finden Sie unter www.chibow.org
Auswirkungen der Internierung von Teilen der oberschle-            Sollten Sie sich für die Geschichte des Arbeitsla-
sischen Bevölkerung auseinandersetzt. Das gesamtge-            gers Zogda in Schwientochlowitz interessieren, bieten
sellschaftliche Wissen um die unterschiedlichen Internie-      die Bücher der Zgoda-Überlebenden Gerhard Grusch-
rungslager im Polen der Nachkriegszeit ist in Polen und        ka (Gruschka (1995): Zgoda – ein Ort des Schreckens,
Deutschland gering. Gleichzeitig erweist sich die einge-       ISBN 3893916075) und Isa Mann (Mann (1999): In der
hende Beschäftigung mit diesem Thema in Wissenschaft           Hölle wächst kein Gras) lebendige Eindrücke der erlebten
und Publizistik als konflikttreibend, was die Überführung      Gewalt aus der Zeitzeugenperspektive. Die politische
bereits vorliegender Erkenntnisse zum Thema in einen           Geschichte besprechen beispielsweise die Beiträge des
gesellschaftlichen Diskurs erschwert.                          Bandes „Die deutsche Minderheit in Polen und die kom-
    Durch die Brille des Familiengedächtnisses, auf            munistischen Behörden 1945-1989“ von Adam Dziurok,
Grundlage von Einzelschicksalen, kann die Arbeit einen         Sebastian Rosenbaum und Piotr Madajczyk (Dziurok et
neuen Blick auf einen von Vorurteilen überlagerten Ge-         al (2017), ISBN 978-3-657-78717-3). An dieser Stelle
genstand freigeben. Durch die Wahl des Familienge-             ließen sich noch viele weitere Bände zu etlichen Einzelas-
                                                                                                                                 Gedenkveranstal-
dächtnisses als eine der kleinsten Einheiten des sozialen      pekten aufzählen. Zugleich ist das Thema in seiner vollen         tung des Deutschen
Gedächtnisses (Assmann, Bourdieu), als Prisma, durch           Breite bei weitem nicht erschöpfend wissenschaftlich              Freundeskreises
das die Geschichte betrachtet wird, ist die Arbeit in der      bearbeitet. Sollten Sie sich für konkrete Lager oder das          am ehemaligen Tor
                                                                                                                                 des Arbeitslagers
Tradition des Cultural Turns zu verorten.                      Thema allgemein interessieren und weitere Leseempfeh-
                                                                                                                                 Zgoda in Schwien-
    Als Mitglied eines sogenannten Initiative Training Net-    lungen wünschen, wenden Sie sich gerne an unsere Ge-              tochlowitz
works, also eines Nachwuchsnetzwerkes, das durch die           schäftsstelle.                            Lisa Haberkern         © Lisa Haberkern

    IMPRESSUM                                     V.i.S.d.P.: Lisa Haberkern M. A.               und gegen eine Spende auf Konto-Nr.
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                                                  Anja Weismantel und Lisa Haberkern
                                                                                                 Neustadt/Aisch
                                                  Layout und Endredaktion:
   „Schlesischer Kulturspiegel“                   Pressebüro Context, Würzburg
   ISSN 1437-5095
                                                  Nachdruck von Beiträgen und Wiedergabe
   Herausgeber und Verlag:
                                                  von Abbildungen nur mit schriftlicher
   Stiftung Kulturwerk Schlesien,
                                                  Genehmigung und Quellenangabe.                 Die Stiftung Kulturwerk Schlesien wird aus
   Kardinal-Döpfner-Platz 1, 97070 Würzburg;
   Tel. 0931/5 36 96; Fax 0931/5 36 49            Regelmäßige Zusendung erfolgt auf              Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums
   email: info@kulturwerk-schlesien.de            schriftliche Bestellung beim Herausgeber       für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.

                                                                                                           Schlesischer Kulturspiegel 56, 2021   5
PERSONEN

Eine späte, glücklicherweise nicht zu späte Anerkennung
                         Friedrich Schikora wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

                         Am 24. August 2020 ist Friedrich Schikora aus dem               Verdienste auf; ihre Laudatio sei hier im Wortlaut wie-
                         oberschlesischen Gleiwitz das vom deutschen Bundes-             dergegeben:
                         präsidenten mit Urkunde vom 17. Februar 2020 ver-
                         liehene Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens                  „Es ist mir eine Ehre und eine große Freude, Sie heu-
                         der Bundesrepublik Deutschland überreicht worden.               te hier in Gleiwitz begrüßen zu dürfen. Wir ehren mit
                         Die Auszeichnung des mittlerweile über 90-jährigen gilt         Ihnen, lieber Herr Schikora, einen der Gründer der Deut-
                         im Wesentlichen dem drei Jahrzehnte zurückliegenden             schen Minderheit in Polen. Ich bin sehr froh, dass wir da-
                         Einsatz zur Erlangung der Minderheitenrechte für seine          für trotz der Pandemie eine Möglichkeit gefunden haben
                         deutschen Landsleute im heute polnischen Oberschle-             und dass Ihre Familie aus Deutschland anreisen konnte.
                         sien. Zu der Übergabe der Ordensinsignien mit einem                  Wie viele Oberschlesier mussten Sie sich, lieber Herr
                         anschließenden „vin d‘honneur” hatte die stellvertretende       Schikora, mit dem Kriegsende über Nacht in einer völ-
                         Generalkonsulin Jana Orlowski von der konsularischen            lig veränderten Welt zurechtfinden. Sie sollten nicht nur
                         Vertretung der Bundesrepublik in Breslau - abweichend           Polnisch lernen, sondern alles Deutsche am besten ver-
                         vom üblichen Protokoll – in ein Gleiwitzer Hotel einge-         gessen. Ihren Lebensweg hat das erschwert, nach einer
                         laden. An dem Festakt nahmen die größtenteils aus               Schlosserlehre mussten Sie im Abendstudium das Abitur
                         Deutschland angereisten Angehörigen sowie etliche               und das Studium für Ihre spätere Arbeit als Bauingenieur
                         Freunde und Weggefährten des Ordensprätendenten                 absolvieren. In Ihrem Beruf waren Sie danach nicht nur
                         teil, u. a. zwei seiner ehemaligen Mitstreiter, die für ihren   anerkannt und geschätzt, sondern auch ein so gefragter
                         Beitrag schon Jahre zuvor in gleicher Weise den „Dank           Spezialist, dass Sie bis zum 72. Lebensjahr gearbeitet
                         des Vaterlandes” ausgesprochen erhielten.                       haben.
                              Mit dieser Ehrung fand die herausragende, vielfach              Es ist nicht möglich, einem Menschen seine Wurzeln,
                         beispielgebende Lebensleistung des aufrechten, unbeug-          seine Muttersprache und Identität zu nehmen. Aber es
                         samen Mannes eine späte, dank seiner Lebenskraft                ist unterschiedlich, wie Menschen damit umgehen, wenn
                         glücklicherweise nicht zu späte Anerkennung, worüber er         das versucht wird. Sie, lieber Herr Schikora, haben
                         verständlicherweise tiefe Genugtuung empfand. Besteht           immer zu den Kämpfern für die Rechte der deutschen
                         doch – nach Blaise Pascal (1623-1662), dem franzö-              Minderheit gezählt. In Zeiten, in denen kaum jemand die
                         sischen Mathematiker, Physiker und Philosophen – „das           Stimme zu erheben wagte, haben Sie 1970 gemeinsam
                         ganze Glück des Menschen darin, bei anderen Achtung zu          mit (Ihrem Freund) Konrad Kappek an Primas Wyszynski
                         genießen.“                                                      geschrieben und ihn gebeten, deutsche Gottesdienste
                                                                                         einzuführen. Eine Antwort haben Sie nie erhalten, die Kir-
Die stellvertretende
    Generalkonsulin      Laudatio der stellvertretenden Generalkonsulin                  che zog es vor, die Existenz einer deutschen Minderheit
Jana Orlowski über-      Jana Orlowski im Wortlaut                                       weiterhin nicht anzuerkennen.
   reichte Friedrich     In einer einfühlsamen, auch unangenehme zeitbedingte                 Ironischerweise war es ausgerechnet die politische
  Schikora das Bun-
                         Begleitumstände seines Wirkens nicht ausblendenden              Geheimpolizei, die Sie in den 1980er-Jahren einbestellt
 desverdienstkreuz
 © Generalkonsulat       Rede zeigte Jana Orlowski den Lebensweg des Auszu-              und durch die Sie erfahren haben, dass es Mitstreiter für
             Breslau     zeichnenden und – daran anknüpfend – seine vielfältigen         Ihr Anliegen gibt. Über Bekannte haben Sie sich dann der
                                                                                         Aktivistengruppe um Blasius Hanczuch angeschlossen,
                                                                                         die seit 1984 Registrierungsanträge für deutsche Ver-
                                                                                         einigungen stellte, und sind dafür immer wieder von der
                                                                                         Geheimpolizei verhört worden. Dennoch haben Sie 1989
                                                                                         das große Fest der Deutschen in Zawada [ein nördlich
                                                                                         von Gleiwitz gelegener Ort, der zwischen 1933 und 1945
                                                                                         Bachweiler hieß] mitorganisiert.
                                                                                              Im Mai 1988 erkundigte sich der StS [Parlamen-
                                                                                         tarische Staatssekretär] im Bundesinnenministerium,
                                                                                         Spranger, erstmals, wie viele Deutsche eigentlich in
                                                                                         Oberschlesien leben. Sie haben daraufhin Ihr Haus für
                                                                                         eine Unterschriftensammlung zur Verfügung gestellt, und
                                                                                         mehr als 30.000 Personen haben dort unterschrieben –
                                                                                         sie haben vor dem Hause Schlange gestanden. Da ich
                                                                                         selbst in der DDR aufgewachsen bin, weiß ich sehr gut,
                                                                                         wieviel Mut dazugehört hat, gerade in dieser Zeit sol-
                                                                                         che Aktionen zu organisieren, und habe großen Respekt
                                                                                         davor. Seit dieser Zeit haben Sie immer wieder Anträge
                                                                                         auf Anerkennung eines deutschen Minderheitenverbands

6      Schlesischer Kulturspiegel 56, 2021
Geplanter Ablauf
                                                                                       19.6. Hinfahrt von Würzburg via Dresden nach
                                                                                             Schloss Wernersdorf
                                                                                       20.6. Kleine Riesengebirgstour -
                                                                                             deutsch-polnische Autorenlesung (abends)
                                                                                       21.6. Naturlesung am Erle Bach-Gedenkstein
                                                                                       22.6. Agnetendorf (Haus Wiesenstein) - Bad Salzbrunn
  19. - 27. JUNI 2021                                                                  23.6. Neisse - „Eichendorff-Weg“
                                                                                       24.6. Habelschwerdt - Schloss Lubowitz -
                                                                                             Schloss Plawniowitz
                                                                                       25.6. Kreuzburg O.S. - Breslau
                                                                                       26.6. Breslau - literarischer Stadtspaziergang -
                                                                                             Rathausempfang
                                                                                       27.6. Rückfahrt von Breslau via Dresden nach Würzburg

                                                                                       Für die Dauer der Fahrt steht uns ein komfortabler
                                                                                       Reisebus mit uns bekanntem und ortskundigen Fahrer zur
  Barock – Romantik - Neuzeit                                                          Verfügung.
                                                                                       Bei Interesse und für weitere Informationen kontaktieren
  WISSENSCHAFTLICHE LEITUNG:
  PROF. DR. CHRISTIAN ANDREE                                                           Sie bitte Viola Plump unter
  ORGANISATION: VIOLA PLUMP & ANJA WEISMANTEL                                          0172-2947100 / viola.plump@hr-consultingservices.de
  WIR WERDEN VON SCHRIFTSTELLERINNEN UND SCHRIFT-
  STELLERN DER ERLEBNISGENERATION BEGLEITET.
                                                                                       oder Anja Weismantel in der SKWS-Geschäftstelle unter
 Eine Initiative der Freunde und Förderer der Stiftung Kulturwerk Schlesien e.V.       0931-53696 / info@kulturwerk-schlesien.de.

gestellt, die ebenso regelmäßig von der Woiwodschaft                               Bis heute helfen Sie beim Austausch von Chören, Kul-
abgelehnt wurden.                                                                  turgruppen und Musikkapellen mit Partnern in Deutsch-
     Im Januar 1989 konnten Sie an einem damals noch                               land. Für Ihre Verdienste um die deutsch-polnische Ver-
„illegalen“ Treffen der deutschen Minderheit mit Außen-                            ständigung wurden Sie 2012 auch von polnischer Seite
minister Genscher nicht teilnehmen, weil die Geheimpo-                             durch eine Auszeichnung des Marschallamtes Kattowitz
lizei Ihren Chef stark unter Druck setzte und er Ihnen                             geehrt.
unter Androhung der Entlassung den nötigen Urlaub                                      Ich freue mich sehr, Ihnen für Ihren besonderen Ein-
hierfür verweigerte. Jedoch haben Sie im Laufe des Jah-                            satz für die Rechte der Deutschen Minderheit und die
res sowohl Bundespräsident [von] Weizsäcker wie auch                               deutsch-polnische Verständigung heute das Ihnen vom
Kanzler Kohl die Situation der deutschen Minderheit in                             Bundespräsidenten verliehene Verdienstkreuz am Bande
Polen schildern können.                                                            des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
     Ihr noch von weiteren Persönlichkeiten der Minder-                            überreichen zu können.“
heit unterzeichnetes Schreiben an Erzbischof Nossol
bewirkte endlich, dass ab Juni 1989 wieder deutsch-                                Aller guten Dinge sind drei
sprachige Gottesdienste für die Deutschen in Polen                                 So weit, so gut. Aber warum mussten so viele Jahre
stattfinden konnten.                                                               vergehen, ehe Friedrich Schikoras unbestreitbare Ver-
     Lieber Herr Schikora, Sie hatten am 16. Januar 1990                           dienste diese Anerkennung erfuhren? Ich hatte sie be-
den großen Erfolg, dass auf Ihren Antrag hin die Woiwod-                           reits in meiner Ordensanregung vom 16. März 2009 ge-
schaft Kattowitz die Einrichtung eines DFK [Deutscher                              genüber dem damaligen Breslauer Generalkonsul anhand
Freundschaftskreis] in Gleiwitz genehmigte. Sie haben                              des eingeholten Lebensabrisses, der erkennbar auch der
ihm sogar zeitweilig Ihr eigenes Haus zur Verfügung ge-                            vorstehend wiedergegebenen Laudatio zugrunde liegt,
stellt – mit großem Risiko und erheblichem Stress und                              aufgezeigt. Auf meine Rückfragen nach dem Stand des
Angst für Sie und Ihre Familie, denn es wurden alle Schei-                         Verfahrens wurde lange auf die noch andauernde Abstim-
ben eingeschlagen und das Haus beschmiert. Ihr großer                              mung zwischen dem Auswärtigen Amt und der Deut-
Mut und ihre Entschlossenheit, die deutsche Minderheit                             schen Botschaft in Warschau hingewiesen und letztlich
in Polen aufzubauen und zu unterstützen, sind wirklich                             lapidar und mich natürlich enttäuschend mitgeteilt, dass
bewundernswert. Sie haben den DFK Gleiwitz bis 2007                                das „angeregte Ordensverfahren nicht mehr weiterver-
geleitet und sind auch heute noch Mitglied. Sie waren                              folgt wird“.
auch jahrelang Vize-Vorsitzender des VdG [Verband der                                  Aufgrund meiner Erfahrung mit einer anderen, zu-
deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen].                             nächst ebenfalls abschlägig beschiedenen und sodann,
     Sie haben sich immer für die Kultur der Deutschen in                          mit politischem Rückenwind, ins Positive gewendeten
Polen und die deutsche Sprache engagiert und alle zwei                             Ordensangelegenheit versicherte ich mich bei dem 2011
Jahre die „Deutsch-Polnischen Kulturtage“ organisiert.                             in die Wege geleiteten zweiten Versuch einflussreicher

                                                                                                                                    Schlesischer Kulturspiegel 56, 2021   7
Protektion von jener Seite. Dabei wies ich ausdrücklich    für die Verleihung des Verdienstordens der Bundesre-
                      auf die bereits vor Jahren des Verdienstordens würdig      publik Deutschland nicht ausreichend.“ Könnte es nicht
                      erachteten zwei Mitstreiter Schikoras hin sowie darauf,    vielmehr sein, dass die im Ordensreferat des Auswärti-
                      dass die Auszeichnung verdienter Persönlichkeiten der      gen Amtes Tätigen den ihnen gestellten Anforderungen
                      deutschen Minderheit in Oberschlesien ein wichtiges        seinerzeit nicht ausreichend genügt haben?
                      Zeichen gegen die um sich greifende Gleichgültigkeit und        Diese Frage drängt sich unwillkürlich auf, nachdem
                      den Kleinmut in Bezug auf die eigene Sprache und Kul-      der sieben Jahre später, 2019, seitens des Landes-
                      tur wäre und diejenigen ermutigen würde, die sich für      verbands Bayern im Bund der Vertriebenen ergriffenen
                      die Belange der vom „Absterben“ bedrohten Volksgrup-       neuen Initiative – bei unveränderter Sachlage und unter
                      pe (so die Ausdrucksweise einer Oppelner Tageszeitung)     voller Offenlegung meiner vorangegangenen vergeblichen
                      einsetzen. Davon unbeeindruckt, teilte das Auswärtige      Bemühungen – nun doch Erfolg beschieden war. Jeden-
                      Amt nach einem Jahr sibyllinisch mit: „Das Engagement      falls bestätigt sich damit das geläufige „Aller guten Dinge
                      von Herrn Schikora im Interesse der deutschen Minder-      sind drei“ wieder mal auf wundersame Weise…
                      heit in Polen ist beachtlich und begrüßenswert, jedoch                                               Norbert Willisch

Privatdozent Michael Hirschfeld jetzt Professor
                      Auszeichnung für einen schlesischen Historiker

                      Große Freude für Privatdozent Dr. Michael Hirschfeld.      2009 Vorstandsbeisitzer und seit 2019 Vorstands-
                      Dem Historiker wurde von der Universität Vechta der        mitglied. Ebenfalls gehört Hirschfeld seit 2008 der
                      akademische Titel außerplanmäßiger Professor ver-          Historischen Kommission für Schlesien an und ist
                      liehen. Der 49-Jährige lehrt nach erfolgreicher Habi-      überdies ordentliches Mitglied der Historischen Kom-
                      litation bereits seit 2011 als Privatdozent für Neuere     mission für Niedersachsen und Bremen. 2008 wurde
                      und Neueste Geschichte an der Vechtaer Universität.        er im Kölner Dom in den päpstlichen Ritterorden vom
                           Michael Hirschfeld, 1971 in Delmenhorst geboren,      Heiligen Grab zu Jerusalem investiert, dessen Kom-
                      erhielt während seines Studiums der Geschichte und         turei St. Wiho Osnabrück-Vechta er seither angehört.
                      Germanistik an der Westfälischen Wilhelms-Universität          In der neuen Position, so berichtet Hirschfeld dem
                      in Münster 1994 ein Kardinal-Bertram-Stipendium des        Schlesischen Kulturspiegel, wird er seine Forschungs-
                      Instituts für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschich-     felder in den Bereichen Katholizismusforschung, Lan-
                      te. Er engagierte sich in der „Gemeinschaft für deutsch-   des- und Regionalgeschichte Oldenburgs bzw. Nord-
                      polnische Verständigung“ (gdpv), der Jugendinitiative      westdeutschlands sowie schlesischer Geschichte weiter
                      im Heimatwerk Schlesischer Katholiken, deren Vorsit-       ausbauen und nach Möglichkeit miteinander verknüpfen.
                      zender er von 1999 bis 2005 war und deren Jahrbuch         Konkrete Projekte sind ein studentisches Veröffentli-
                      „Via Silesia“ er initiierte. Während der Promotion war     chungsprojekt über „Prominente Vertriebene im Kreis
                      Hirschfeld von 1997 bis 2001 als wissenschaftlicher        Vechta“. An einem regionalen Fallbeispiel sind dabei aus-
                      Mitarbeiter beim Apostolischen Visitator Breslau tätig.    gehend von einer universitären Lehrveranstaltung Bio-
                      In dieser Zeit gab er gemeinsam mit Markus Trautmann       gramme von Frauen und Männern entstanden, die aus
                      einen Sammelband über die Aufnahme der Vertrie-            Schlesien, Ostpreußen und dem Sudetenland stammend
                      benen im Bistum Münster heraus. Hirschfeld und Traut-      nach 1945 im Raum Vechta in Kirche, Kommunalpolitik,
                      mann übernahmen auch die redaktionelle Bearbeitung         Schule und Kultur für die Vertriebenen tätig waren. Hie-
                      des Buchs zur 1000-Jahrfeier des Bistums Breslau.          rauf aufbauend plant Hirschfeld mittelfristig eine Studie
                           2003 kam Hirschfeld als wissenschaftlicher Mit-       über Brüche in Lebensläufen vertriebener Persönlich-
                      arbeiter an das Institut für Geschichte und historische    keiten, auf Basis der Frage, welche Entwicklungspro-
                      Landesforschung an der damaligen Hochschule Vechta.        zesse der Verlust von Heimat und beruflichem Umfeld
                      Als examinierter Lehrer ist er seit 2009 zugleich am       bei sozial und gesellschaftlich engagierten Menschen
                      Gymnasium Lohne tätig, wo er Geschichte und Deutsch        ausgelöst hat bzw. inwieweit er ihre Identität nachhaltig
                      unterrichtet. Darüber hinaus engagiert er sich als Vor-    geprägt hat. Regionale Fallbeispiele, so betont Hirsch-
                      sitzender des Geschichtsausschusses im Heimatbund          feld, helfen, diese Thematik anschaulich zu gestalten.
                      für das Oldenburger Münsterland. In seiner Habilitati-         Ein weiteres Arbeitsfeld liegt in der Arbeitswan-
                      onsschrift beschäftigte er sich mit den Bischofswahlen     derung aus Oberschlesien in die nordwestdeutschen
                      im Kaiserreich zwischen Kulturkampf und Erstem Welt-       Industriezentren, insbesondere in den Raum Bremen,
                      krieg (erschienen Münster 2012), blieb aber gleichzei-     zwischen der Reichsgründung 1871 und dem Beginn
                      tig Themen der schlesischen Kirchengeschichte treu         des Ersten Weltkriegs 1914. Eine Monographie zur Mi-
                      und publizierte regelmäßig in „Schlesien in Kirche und     gration in das einstige Textilzentrum Delmenhorst wird
                      Welt“. Beim „Institut für Kirchen- und Kulturgeschichte    im Frühjahr 2021 erscheinen. Weiterhin wird Hirsch-
                      der Deutschen in Ostmittel- und Südosteuropa“ (Tübin-      felds Arbeit die Grafschaft Glatz in den Fokus nehmen,
                      gen), dem vormaligen „Institut für ostdeutsche Kirchen-    über deren Heimatzeitschriften nach der Vertrei-
                      und Kulturgeschichte“ (Regensburg), ist Hirschfeld seit    bung in Kürze ein Aufsatz aus seiner Feder erscheint.

8   Schlesischer Kulturspiegel 56, 2021
Schlesisches Kalenderblatt
Mit Erle Bach starb vor 25 Jahren eine herausragende Schlesierin.

Im Jahre 2021 gedenken wir des Todes Erle Bachs, die
am 27. Mai 1996 in Efringen-Kirchen verstarb. Der To-
destag der Schriftstellerin, über die der damalige Bun-
deskulturreferent der Landsmannschaft Schlesien, Kon-
rad Werner, schrieb, sie sei „eine der schlesischsten
Schlesierinnen“ gewesen, jährt sich zum 25. Mal.
     Erle Bach kam am 5. November 1927 als Johanna
Barbara Rauthe in Hirschberg zur Welt. Ihr Vater, Franz
Rauthe, stammte aus Harachsdorf in Böhmen, die Mut-
ter, Katharina Rauthe (geb. Jannuschka), stammte aus
Bendzin in Oberschlesien. Beide Eltern wurden von den
Nationalsozialisten verfolgt: Der Vater aufgrund seiner
SPD-Zugehörigkeit, die Mutter infolge einer Behinderung
- Katharina Rauthe fiel den Krankenmorden, die die Na-       das „Bundesverdienstkreuz am Bande“ (1988) sowie die               Erle Bach-­
tionalsozialisten euphemistisch als Euthanasie bezeichne-    höchste Auszeichnung der Landsmannschaft Schlesien,                Gedenkstein
                                                                                                                                © Taraszczuk
ten, zum Opfer. Ihre Kindheit verbrachte die junge Johan-    das „Schlesierschild“ (1993), um nur einige zu nennen.
na Barbara Rauthe bei Angehörigen in Hirschberg, wo              Mit der Gründung des „Arbeitskreises Archiv für
sie mit Brauchtum vertraut wurde und regionale Hand-         schlesische Mundart“ 1982 erfüllte sich Erle Bach, die
arbeitstechniken erlernte. Das Kriegsende 1945 erlebte       inzwischen zur Mundartbeauftragten der Landsmann-
sie in einem Kinderheim in der Grafschaft Glatz, wo sie      schaft Schlesien in Baden-Württemberg ernannt worden
als Helferin tätig war. Nach der Vertreibung lebte sie zu-   war, einen Lebenstraum. Aufgabe des Arbeitskreises war
erst in Thüringen, danach in Niedersachsen, wo sie sich      die Erfassung und Dokumentation der Arbeiten unbe-
als Haushaltshilfe, Statistin und Büroangestellte durch-     kannter schlesischer Mundartschriftsteller. Unterstützt
schlug. 1950 heiratete sie Gerhard Strehblow und nahm        wurde Erle Bach hierin seit 1992 durch Friedrich-Wil-
dessen Namen an. Das Ehepaar lebte zunächst in Essen,        helm Preuß, der bis zu ihrem Tod gleichberechtigt in der
zog jedoch wenig später in das baden-württembergische        Leitung wirkte und seitdem alleiniger Leiter des Arbeits-
Lörrach. Ihre kirchliche Hochzeit holten sie am 7. Juni      kreises ist. Im kommenden Jahr besteht das in Wangen
1953 in schlesischer Tracht in der evangelischen Kirche      im Allgäu beheimatete Archiv seit 40 Jahren. Seither
in Wangen im Allgäu nach. Die Feier fand im Rahmen des       konnten über 400 schlesische Mundartschriftsteller aus-
ersten Hirschberger Heimattreffens in der Patenstadt         findig gemacht und eine Vielzahl derer Arbeiten archiviert
Wangen statt.                                                werden. Daneben gab der Arbeitskreis die Schriftenrei-
     Nach der Trennung von ihrem Mann zog die inzwi-         he „Woas die Stoare pfeifa“ heraus, in der die Arbeiten
schen vierfache Mutter 1982 nach Efringen-Kirchen,           dieser weniger bekannten Autoren veröffentlicht wurden.
wo sie als freie Journalistin und Buchhändlerin tätig war.   2016 wurde die Reihe mit Band 20 abgeschlossen, der
Nachdem Barbara Strehblow ihre Kinder großgezogen            sich im Umfang von über 500 Seiten Erle Bach widmet.
hatte und wieder kulturell und schriftstellerisch tätig          Als im Frühjahr 2016 die Auflösung der Grabstätte
wurde, veröffentlichte sie ihre Arbeiten unter dem Pseu-     der Schriftstellerin im Raum stand, veranlassten der
donym Erle Bach. Auch hierin zeigt sich ihre Verbunden-      Vorstand des Arbeitskreises gemeinsam mit den Nach-
heit zur schlesischen Herkunft: Den Namen wählte sie         fahren der Verstorbenen, die Versetzung des Grabsteins
in Gedenken an die Erlebach-Baude am Heimatort ihrer         mit seiner aufgesetzten Schneekoppe an die heutige
Familie im Riesengebirge.                                    Erlebach-Baude am Spindlerpass. Das Vorhaben stieß
     Seit etwa 1950 schrieb Erle Bach für verschiedene       bei den heutigen Besitzern Martina und Jiri Tomasek auf
Heimatzeitungen mundartliche Kurzgeschichten und             ein positives Echo: Die tschechische Baudenfamilie schuf
Gedichte. Ernst Schenke, der wohl bedeutendste Mund-         einen geeigneten Platz, so dass der Grabstein, ergänzt
artschriftsteller, schenkte dem Schaffen Bachs schon         um eine deutsch-, tschechisch- und polnischsprachige
damals große Anerkennung, was wohl auch dazu bei-            Messingplatte, am 11. Juni 2016 als Gedenkstein auf-
trug, dass die Schriftstellerin ein gern gesehener Gast      gestellt werden konnte. Viele Wanderer nutzen den Platz
in Rundfunk und Fernsehen wurde. Ihr Gesamtwerk              am Gedenkstein auf dem Weg zum Spindlerpass zu einer
umfasst nahezu 30 Bände. Ihr letztes Buch „In ihrem          kurzen Rast und werden somit an Erle Bach erinnert. Er-
Atem schläft die Zeit“, herausgegeben im Husum-Verlag,       innerung ist ein Paradies, aus dem man nicht vertrieben
durfte die beliebte Kulturschaffende noch kurz vor ihrem     werden kann und bei den Zurückgebliebenen verbleiben
Tod in Händen halten. Für ihre Arbeit wurde Erle Bach        immer Spuren ihres Lebens. Gedanken und Augenblicke,
vielfach geehrt und mit Preisen bedacht. Den Anfang          an die die Freunde sich stets erinnern, die sie glücklich
machte der „Erzählerpreis für Humor“ des Ostdeutschen        und traurig machten, aber Erle Bach nie vergessen las-
Kulturrates, den sie 1974 erhielt. Es folgten die „Ehren-    sen.                                 Friedrich-Wilhelm Preuß
medaille des Patenschaftswerkes Hirschberg“ (1988),                Leiter Arbeitskreis „Archiv für schlesische Mundarten“

                                                                                                          Schlesischer Kulturspiegel 56, 2021   9
IN MEMORIAM

Dr. Dieter Pohl gestorben
                          Die Grafschaft Glatz verliert einen engagierten Heimatforscher.

                          Der Grafschaft Glatz, der Heimat seiner Vorfahren, galt     1793 bis 1817. Alle diese Werke hat er im Eigenverlag
                          das Interesse von Dieter Pohl, der am 15. August 2020 in    herausgebracht. Natürlich kamen auch historische Auf-
                          Köln gestorben ist. Geboren wurde er am 1. März 1934        sätze und anderes hinzu, zumal sich die Interessen Die-
                          in Hirschberg im Riesengebirge. Die Vertreibung führte      ter Pohls von der Genealogie hin zur Landeskunde des
                          den 12jährigen nach Bremen, wo er 1954 das Abitur ab-       Glatzer Raums verlagerten. Von 1986 bis 2001 war er
                          legte. Das Studium der Elektrotechnik an der Rheinisch-     Leiter der Forschungsgruppe Grafschaft Glatz der Ar-
                          Westfälischen Technischen Hochschule Aachen schloss         beitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher e.V.,
                          er 1962 mit dem Grad eines Diplom-Ingenieurs ab, 1974       gründete dann die allgemeiner kulturell und kirchenge-
                          wurde er ebenda zum Dr.-Ing. promoviert. Beruflich war      schichtlich ausgerichtete Arbeitsgemeinschaft Graf-
                          Dieter Pohl ab 1973 in der nachrichtentechnischen In-       schaft Glatz – Kultur und Geschichte (AGG), in der er
                          dustrie tätig, zunächst beim Philips-Konzern, dann bei      mehr als 60 Interessenten sammelte und deren Leitung
                          der Robert Bosch GmbH, zuletzt bis zu seiner Pensio-        er nach seinem 80. Geburtstag an Prof. Dr. Klaus Hübner
                          nierung 1994 als Abteilungsdirektor im Forschungs- und      übergab. Für diese Arbeitsgemeinschaft gab er dreizehn
                          Entwicklungsbereich.                                        Hefte der ‚AGG – Mitteilungen‘ mit den Vorträgen der
                              Mit der Forschung nach seinen Vorfahren in Nieder-      jährlichen Treffen heraus. Zusammen mit Herbert Eckelt
                          schwedeldorf in der Grafschaft Glatz begann Dieter Pohl     verfasste er zudem in der Reihe ‚Kulturelle Arbeitshefte‘
                          im Jahr 1973, und zwar vor Ort, was damals noch mit         jenes über die Grafschaft Glatz. In die erste Hälfte des
                          erheblichen Schwierigkeiten verbunden war; seine Vor-       20. Jahrhunderts führten ‚40 Jahre Kirchengeschich-
                          fahren konnte er bis um 1650 als Gutsuntertanen der         te in der Grafschaft Glatz in Schlesien 1906-1946.
                          Herren von Larisch nachweisen. Dabei stellte er fest,       Die Chronik der katholischen Stadtpfarrkirche zu Glatz‘
                          dass die deutschen Kirchenbücher der Grafschaft Glatz       (Köln 2009) nach Originalhandschriften der Stadtpfarrer
                          verstreut auf den Dachböden der Pfarreien, im Staats-       Augustin Skalitzky und Franz Monse. Und 2014 ver­
                          archiv Breslau und im Erzbischöflichen Diözesanarchiv       öffentlichte er seine Lebensrückschau ‚Aus meinen 80
                          Breslau lagerten. Was lag näher, als ein Verzeichnis zu     Jahren. Lebenserinnerungen eines Schlesiers‘ (Köln
                          erstellen? Nach 15-jähriger Recherche erschien von          2014). Danach ist es um ihn krankheitsbedingt still ge-
                          ihm das Findbuch ‚Die Kirchenbücher der Grafschaft          worden.
                          Glatz (Schlesien). Die Bestände 1937 und 1997. Mikro-           Dieter Pohl war Mitglied des Vereins für Geschichte
                          verfilmungen‘ (Lorsch 1996). Und er stellte, von seiner     Schlesiens e.V., referierte bei dessen erstem Heimatge-
                          Frau Elsbeth unterstützt, weitere Quellenverzeichnisse      schichtlichen Wochenende 1999 und gehörte lange Jahre
                          zusammen: ‚Die Grafschaft Glatz (Schlesien) in Darstel-     dem Kuratorium der Stiftung Kulturwerk Schlesien sowie
                          lungen und Quellen‘ (Modautal 1994), ‚Das Dekanatsar-       deren Freunden und Förderern an. Seine Verdienste um
                          chiv des Erzbischöflichen Generalvikariats der Grafschaft   die Recherche zu den Quellen und zur Erforschung der
                          Glatz. Bestandsaufnahme 1994‘ (Lorsch 1995) und             Geschichte der Grafschaft Glatz wurden mit der Zuwahl
                          ‚Grafschaft Glatz (Schlesien): Die Sammlung Kögler im       in die Historische Kommission für Schlesien 1999, der
                          Erzbischöflichen Diözesanarchiv Breslau (Bestandsauf-       Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande 2004
                          nahme 1986-1997)‘ (Köln 2000). Ediert hat er zudem          und der ihm gewidmeten Festschrift ‚Glaciographia Nova‘
                          in fünf Bänden ‚Die Chroniken der Grafschaft Glatz‘ von     (Hamburg 2004) gewürdigt. Mit seinem Tod verliert die
                          Joseph Kögler (Modautal, Köln 1992-2003) – das wohl         Grafschaft Glatz einen Anreger und vielseitigen Heimat-
                          bedeutendste Werk der Grafschaft Glatzer Geschichts-        forscher mit dem Mut für langfristige, erfolgreich abge-
                          schreibung – anhand der Autographe aus den Jahren           schlossene Projekte.                   Ulrich Schmilewski

Zum Tode von Pfarrer Ulrich Hutter-Wolandt
                          Theologie und evangelische Kirchengeschichte Schlesiens

                          Zu den Wissenschaftlichen Mitarbeitern der Stiftung         seinigen hinzu – am 18. März 1955 in Köln. Nach dem
                          Kulturwerk Schlesien gehörte vom 1. Januar 1986 bis         Abitur studierte er Theologie, Geschichte und Kunst-
                          zum 2. November 1987 Ulrich Hutter-Wolandt, der als         geschichte in Bonn, Köln, Münster und Wuppertal, Fä-
                          amtierender Pfarrer der Evangelischen Trinitatis-Kir-       cher, denen er sein Leben lang wirkend, betrachtend und
                          chengemeinde zu Berlin-Charlottenburg am 23. Novem-         schreibend verbunden blieb. Sein geplantes Promotions-
                          ber 2020 im Alter von 65 Jahren in der Hauptstadt nach      vorhaben zur Friedenskirche in Schweidnitz verband ihn
       Ulrich Hutter-     kurzer, schwerer Krankheit starb.                           nicht nur mit Schlesien, sondern brachte ihm bereits vor
             Wolandt
     © Rainer Leffers
                              Geboren wurde Ulrich Hutter – bei der Hochzeit          der Wende auch zahlreiche Kontakte zu polnischen evan-
              (2016)      1990 mit Barbara Wolandt fügte er ihren Namen dem           gelischen Pfarrern und Gemeinden. Abgeschlossen hat

10      Schlesischer Kulturspiegel 56, 2021
er sein Studium mit dem Magister der Theologie. Nach             phisches von Neutestamentlern, wobei er häufig direkt
kürzeren vorausgehenden Tätigkeiten gewann ihn Bischof           aus den Quellen schöpfte. An Monographien erschienen
Joachim Rogge 1993 für den Dienst in der Evangelischen           aus seiner Feder ‚Die evangelische Kirche Schlesiens im
Kirche der schlesischen Oberlausitz, und zwar in den             Wandel der Zeiten. Studien und Quellen zur Geschichte
Kirchengemeinden Rothenburg/OL und Förstgen sowie                einer Territorialkirche‘ (Dortmund 1991), ‚Tradition und
am Martin-Ulbricht-Haus in Rothenburg. Ein Jahr später           Glaube. Zur Geschichte evangelischen Lebens in Schle-
setzte sein Engagement im Gustav-Adolf-Werk ein, dem             sien‘ (Dortmund 1995), ‚Die Hofkirche in Breslau. Ein
Diasporawerk der Evangelischen Kirche in Deutschland.            Rokokokirchenbau im frühpreußischen Schlesien‘ (Bonn
2007 wechselte er nach Berlin, seit 2010 war er Pfarrer          1999) und ‚Glaubenswelten. Aufsätze zur schlesischen
in der Trinitatisgemeinde Berlin, wo er sich offensichtlich      und Oberlausitzer Kirchengeschichte‘ (Bonn 2011). Als
besonders wohl fühlte. Seine Stärke war der pastorale            Mitherausgeber war er beteiligt an den Werken ‚Mar-
Dienst, die Zuwendung zum Menschen.                              tin Luther und die Reformation in Ostdeutschland und
    Mit dem deutschen Osten und seiner Kirchen-                  Südosteuropa‘ (Sigmaringen 1991), ‚Quellenbuch zur
geschichte, besonders der evangelischen Kirchenge-               Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens‘ (Mün-
schichte Schlesiens, war Ulrich Hutter-Wolandt familiär          chen 1992), ‚Diakonie – stark für andere. Beiträge im
verbunden, ihr galt sein geschichtswissenschaftliches            Jubiläumsjahr der Diakonie aus der schlesischen Ober-
Forschungsinteresse. In Diensten des Kulturwerks                 lausitz‘ (Düsseldorf 1998) sowie ‚Der Durchbruch kam
wirkte er u. a. an Katalog und Ausstellung ‚Schlesien            im Osten. Die Reformation in Ostpreußen, Pommern,
in der Biedermeierzeit‘ mit, organisierte Ausstellungen          Schlesien, den böhmischen Ländern und in Siebenbürgen‘
und betreute Heinrich Trierenbergs ‚Reiseführer Schle-           (Bonn 2018). Beheimatet fühlte sich der stets freund-
sien‘ redaktionell. Neben Predigttexten hat er Führer zu         liche und hilfsbereite Ulrich Hutter-Wolandt im Verein für
schlesischen Kirchen veröffentlicht und zahlreiche Auf-          Schlesische Kirchengeschichte e. V., dessen Vorstand er
sätze zur schlesisch-evangelischen Kirchengeschichte,            seit 1984 als Beisitzer angehörte und damit länger als
so zur Ortskirchengeschichte, zur Diakonie und Biogra-           sein halbes Leben.                      Ulrich Schmilewski

 Pontifex Poloniae - in memoriam Dr. „Przemek“ Wiater
Einer der einflussreichsten Historiker und Förderer der Riesengebirgsregion ist gestorben.

Ein unsichtbarer Trauerflor scheint über dem imposanten                                                                           Przemysław Wiater
Gebäude des Riesengebirgsmuseums von Hirschberg                                                                                   © Christian Henke
zu liegen. Nach nur zehn Monaten im Amt des Direk-
tors dieser Kultur- und Bildungsstätte verstarb am 17.
November 2020 mit Dr. Przemysław Wiater einer der
einflussreichsten Historiker und Förderer der Riesen-
gebirgsregion. Er verlor den ungleichen Kampf mit einer
bösartigen Coronainfektion. Am 26. Dezember 2020
wäre er 62 Jahre alt geworden.
     Przemysław Wiater, der von seinen zahlreichen
Freunden und Gefährten innerhalb und außerhalb Polens
„Przemek“ genannt wurde, kam 1958 in Breslau zur
Welt und wuchs in Hirschberg auf. Er absolvierte 1983
an der Breslauer Universität ein Geschichtsstudium
mit Archivspezialisierung, 1987 folgte der Abschluss in
Kunstgeschichte und 1994 promovierte er zum Thema
„Öffentlicher Verkehr in Breslau vor 1945“. Sein Doktor-
vater war der anerkannte polnische Geschichtsprofessor
Adam Galos.                                                      stand er der Sudetischen Wallonischen Gesellschaft vor.
     Bereits 1995 wurde er Kustos im Carl- und Gerhart-          Für sein Engagement wurde er zum Ehrenmitglied der
Hauptmann-Haus in Schreiberhau, einer Zweigstelle des            Gilde der Sudeten-Reiseführer und der Isergesellschaft
Riesengebirgsmuseums. Diesem Wohn- und Arbeitsort                ernannt. 2004 gehörte Przemek zu den Initiatoren und
sollte er ein Leben lang die Treue halten. Auf vielfältige Art   Gründern des Retro-Skilaufs auf altertümlichen Brettern
und Weise errang er die Anerkennung und Achtung so-              und mit historischer Kostümierung, der alljährlich bei der
wohl der Wissenschaftswelt als auch breitester Schich-           Orle-Baude im ehemaligen Glashüttenort Carlsthal viele
ten der Bevölkerung des in Vergangenheit und Gegenwart           Aktive und Schaulustige begeistert.
als Künstlerkolonie bekannten Ortes. Er verfasste neben              Die enge Verbundenheit von Dr. Wiater mit Schrei-
einer Vielzahl von historischen und kunstgeschichtlichen         berhau beweist seine Mitarbeit als gewählter Stadtrat
Aufsätzen etliche Monografien von bleibender Bedeutung,          während vier jeweils vierjährigen Kadenzen. Mit beson-
so zur Geschichte von Schreiberhau oder über den Weg             derer, nicht nachlassender Zähigkeit setzte er sich für
der Wallonen im Iser- und Riesengebirge. Als Kanzler             die Rekultivierung des alten evangelischen Friedhofs in

                                                                                                            Schlesischer Kulturspiegel 56, 2021   11
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