Schlussbericht vom 11.03.2022 - Hahn-Schickard
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Schlussbericht vom 11.03.2022 zu IGF-Vorhaben Nr. 20710BG Thema Autonomer mikroelektromechanischer Sterilisationszyklenzähler (AuSter) Berichtszeitraum 01.05.2019 – 31.12.2021 Forschungsvereinigung Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. Forschungseinrichtung(en) 1. Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. Wilhelm-Schickard-Str. 10, 78052 Villingen-Schwenningen 2. Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V., Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik – IWU, Reichenhainer Straße 88, 09126 Chemnitz
Seite 2 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG 1 Zusammenfassung Im Projektvorhaben AuSter wurde ein mikromechanisches System zur Erfassung und Zählung von Sterilisationszyklen entwickelt, gefertigt und in der Anwendungsumgebung erprobt. Das entwickelte Mikrosystem erfüllt dabei seine Funktion ohne zusätzliche Energiequellen. Der umgesetzte Lösungsweg basiert auf einem hybriden Systemansatz, bei dem ein thermischer Aktor in eine mikromechanische Struktur heterogen integriert wird. Der thermische Aktor wird aus einer Formgedächtnislegierung (FGL) hergestellt, die in Form eines drahtförmigen Halbzeugs vorliegt. Dieser Lösungsansatz der heterogenen Integration ermöglicht die Vorteile der hochpräzisen Mikrosystemtechnik mit denen der hoch performanten FGL-Drahtaktoren zu vereinen. Die vorliegende Forschungsarbeit demonstriert die erfolgreiche Umsetzung des anvisierten Lösungsansatzes in Form eines autonomen Sterilisationszyklenzählers und ist nun Basis für weitere Forschungsprojekte. Im Zusammenhang mit der heterogenen Integration von FGL-Drahtaktoren in mikromechanische Siliziumstrukturen wurde neues Basiswissen geschaffen, das nun über den Sterilisationszyklenzähler hinaus in neuen Anwendungsfeldern verwendet werden kann. So sind neue und innovative Sensor- und Aktorsysteme in den Bereichen Lebensmittelindustrie und optische Systeme denkbar. Die Anforderungen an einen Sterilisationszyklenzähler wurden zu Beginn des Projektes gemeinsam mit den Mitgliedern des projektbegleitenden Ausschusses erarbeitet. Die daraus abgeleitete Zielspezifikation war Grundlage der durchgeführten Entwicklungsarbeiten. Wesentliche Eckpunkte der Anforderungsspezifikation waren die Chipgröße (5 x 5 mm²), die Zyklenzahl (100 Zyklen) und das Sterilisationsverfahren (fraktioniertes Vorvakuumverfahren mit 134°C). Im Folgenden sind die wesentlichen Projektergebnisse und die daraus gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst. Grundkonzept des Zyklenzählers: Das erarbeitete Grundkonzept besteht darin, ein drehbar gelagertes Zahnrad über einen federgeführten Schlitten mit Anker unidirektional anzutreiben. Eine Hemmung verhindert dabei die Bewegung in entgegengesetzter Richtung. Die Winkelposition des Zahnrades ist dann ein Maß für die erfasste Anzahl von Sterilisationszyklen. Der Antrieb wird mit Hilfe eines thermischen Biegeaktors auf Basis einer Formgedächtnislegierung realisiert. Mit diesem Grundprinzip wird eine zyklische Bewegung des Schlittens generiert und damit eine Erfassung wiederkehrender Temperaturzyklen ermöglicht. Aktormodell auf Basis der Finiten-Elemente-Methode: Auf Grundlage des entwickelten Modells wurden für einen erarbeiteten Parameterraum die relevanten Systemparameter des Aktors, insbesondere Hub und Kraft, mit durchgeführten Simulationsreihen ermittelt. Entsprechende Randbedingungen, die die Implementierung des Aktors begünstigen oder aber auch dessen Leistungsfähigkeit negativ beeinflussen, wurden berücksichtigt. So ist beispielsweise der maximal zulässige Biegeradius zu beachten. Eine wesentliche Herausforderung war, die Phasenumwandlungstemperatur mittels mechanischer Spannung auf einen für die Anwendung geeigneten Wert zu verschieben. Eine wichtige Erkenntnis war der relativ geringe Einfluss des Lagerspiels, welcher es erlaubt die Aktoren kraftfrei zu integrieren. Im Rahmen der Aktormodellierung wurde auch verfügbares FGL-Drahtmaterial recherchiert und bewertet. Für das zu entwickelnde Zählsystem wurde ein Smartflex Draht der Firma SAES Getters mit 100 µm Durchmesser ausgewählt. Die gewonnenen Ergebnisse aus den Simulationen wurden in einer Matrix
Seite 3 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG zusammengefasst (Lösungsraum bzgl. Kraft und Hub) und bildeten die Grundlage für die Auslegung und Dimensionierung des mikromechanischen Zählwerks. Entwurf des mikromechanischen Zählwerks: Aufgrund der komplexen Zusammenhänge und Parameterabhängigkeiten erfolgte der Entwurf des Zählwerks in mehreren Iterations- schleifen. Eine wesentliche Herausforderung war dabei, die richtige Kombination aus Aktorkraft, Aktorhub, Rückstellkraft der Federführung sowie Durchmesser und Modul des Zahnrades zu ermitteln. Im Entwurf war zu berücksichtigen, dass eine mechanische Vorspannung des Aktors im Betriebszustand des Zählers erzeugt werden muss. Mit der Festlegung der oben genannten Parameter wurde der Entwurf anschließend im Detail weiter ausgearbeitet. Hierbei war die geometrische Form der Kontaktelemente (Zahn, Hemmung und Anker) zu gestalten. Herstellung der FGL-Biegeaktoren: Damit eine Integration der Aktoren in das mikro- mechanische System gelingen kann, wurde eine Biegevorrichtung entwickelt und aufgebaut. Mit diesem Biegewerkzeug kann der FGL-Draht in eine vorgegebene Form gebracht und anschließend auf die erforderliche Länge konfektioniert werden. Aufgrund der manuellen Herstellungsweise variieren die Aktoren jedoch hinsichtlich ihrer Länge und Verformung. Im Laufe des Projektes wurde das Biegewerkzeug angepasst, um die Biegeradien zu optimieren und das Handling zu verbessern. Herstellung des mikromechanischen Zählwerks: Für die Herstellung der mikromechanischen Struktur sind zwei unterschiedliche Prozessabläufe entwickelt worden. Eine wesentliche Herausforderung war hier die Realisierung rotierender, frei beweglicher Strukturen, hier das Zahnrad. In der Regel sind die mechanischen Strukturen der Mikrosystemtechnik durch Federelemente und Anker mit dem Substrat verbunden und können nicht herausfallen. So ergaben sich auch neue Herausforderungen beim Handling der Wafer sowie bei anschließenden Justageprozessen. Der erste Prozessablauf basiert auf einem 3-Wafer-System (Glas – Silizium – Glas) und erfordert 2 Bondschritte zur Verbindung der jeweiligen Wafer. Im Verlauf des Projektes konnte ein zweiter Prozessablauf auf Basis eines 2-Wafer-Systems (Silizium – Glas) entwickelt werden, da eine neue Anlage (MEMSSTAR ORBIS 3000) zur Verfügung stand. Der zweite Prozessablauf beinhaltet deutlich weniger Prozessschritte, erfordert aber einen Silicon-on- Insulator (SOI) Wafer mit höheren Beschaffungskosten. Heterogene Integration: Die Integration der FGL-Aktoren in ein zuvor gefertigtes Mikrosystem ist mit Hilfe eines Die-Bonders gelungen. Die Integration kann dabei auf Wafer-Level oder Chip-Level erfolgen. Die vorgeformten Drahtaktoren werden einzeln in die dafür vorgesehene Einbettung gelegt. Dazu wird ein Vakuumsaugtool verwendet. Verkapselung: Damit die Zyklenzähler in der Anwendungsumgebung erfolgreich eingesetzt werden können, ist eine hermetische Verkapselung erforderlich. Eine wesentliche Herausforderung ist dabei, dass die Prozesstemperatur beim Verkapseln nicht höher als 150°C – 200°C sein darf, da sonst der FGL-Aktor irreversibel geschädigt wird. Im Projektverlauf sind daher zwei Möglichkeiten in Betracht gezogen worden: Kleben und Durchstrahlfügen mittels Laser. Im Projektvorhaben konnte ein Klebeprozess auf Chip-Level etabliert werden. Mit Hilfe des Klebeprozesses war es möglich, verkapselte Funktionsmuster für die Charakterisierung im Autoklaven aufzubauen. Parallel zum
Seite 4 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG Klebeprozess wurde ein Laserbondverfahren entwickelt. Anhand von Testwafern konnte gezeigt werden, dass das Bonden von Silizium mit Glas auf Wafer-Level mittels Laserverfahren prinzipiell möglich ist. Auf diese Weise wurden erste Test-Chips mit quadratischer Kavität erzeugt und im Autoklaven getestet. Diese Test-Chips haben mehrere Sterilisationszyklen überstanden und zeigten keine Undichtigkeiten. Das Laserbondverfahren wurde später auf „scharfe“ Wafer mit Zählerstrukturen angewendet. Hier hat sich jedoch gezeigt, dass die Übertragung des mit Testwafern entwickelten Verfahrens nicht ohne weitere Entwicklungsschritte möglich ist. Charakterisierung auf einer Heizplatte: Im Rahmen mehrerer Versuchsreihen wurde das Systemverhalten sowie die Zähltemperatur der Zähler-Chips untersucht. Dabei wurden unterschiedliche Design-Varianten und Aktoren berücksichtigt. Die Ergebnisse zeigen, dass der Aktorhub und somit auch die Schalttemperatur von zwei maßgeblichen Design- Parametern, dem Offset und der Federkonstante abhängig ist. Jedoch wurde auch festgestellt, dass der Aktor bzw. die Herstellung des Aktors einen erheblichen Einfluss auf das Aktorverhalten (Hub und Kraft) und damit auf die Schalttemperatur des Zählers hat. Mit unterschiedlichen Aktoren in ein und derselben Zählerstruktur wurden daher unterschiedliche Schalttemperaturen ermittelt. Insgesamt variierte die Schalttemperatur zwischen 105°C und 133°C, wobei der Einfluss des Aktors dominant ist. Laborversuche im Autoklaven: Insgesamt wurden drei Versuchsreihen durchgeführt. Dabei kamen geklebte und lasergebondete Chips zum Einsatz. Die Ergebnisse zeigen, dass einige der Zählerchips die Sterilisationszyklen korrekt erfasst und aufgezählt haben. Damit ist ein erster Funktionsnachweis in der Anwendungsumgebung unter Laborbedingungen erbracht. Mit diesem grundsätzlichen Funktionsnachweis im Autoklaven ist das anspruchsvolle Projektziel erreicht und ein erfolgreicher Abschluss des Projektvorhabens gelungen. Im Projektverlauf ist ein bedeutender Sprung von der Idee eines autonom arbeitenden Temperaturgrenzwertzählers bis zum grundsätzlichen Funktionsnachweis in der Anwendungs- umgebung vollzogen worden. Trotz der positiven Projektergebnisse bestehen weiterhin Problemstellungen, die einen zuverlässigen und dauerhaften Einsatz der Funktions- demonstratoren in der Anwendungsumgebung noch nicht gestatten. Des Weiteren haben sich aus den Forschungsarbeiten auch neue Fragestellungen aufgetan. Die bestehenden Problemstellungen sowie aufgedeckte Fragestellungen sind im Folgenden zusammengefasst: Herstellung der FGL-Aktoren: Die Herstellung der im Projektvorhaben verwendeten Aktoren erfolgt manuell mit Hilfe eines Biegewerkzeuges. Eine reproduzierbare Herstellung ist damit nicht gelungen. Im Rahmen der Versuche wurde festgestellt, dass der Grad der Kaltverformung (gekennzeichnet durch den Biegeradius der Werkzeugform, Krafteinwirkung und Haltezeit) einen signifikanten Einfluss auf die Aktoreigenschaften (gekennzeichnet durch Hub und Kraft) hat. Hinzu kommen weitere Einflussfaktoren wie die variierende Länge des Aktors, die Symmetrie der Verformung und die Position des Aktors im Chip. Da die Aktoreigenschaften einen direkten Einfluss auf die Schalt- temperatur haben, ist es somit kaum möglich, mehrere Zählerchips mit reproduzierbarer Schalttemperatur zu erhalten. Die Auswirkungen der Einflussfaktoren sind zwar im groben erfasst jedoch nicht vollständig verstanden. Ziel weiterer Forschungsarbeiten muss sein, eine reproduzierbare Herstellung zu erreichen sowie ein besseres Verständnis der
Seite 5 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG Einflussfaktoren auf die Aktoreigenschaften zu bekommen. Weitere Einflüsse wie die thermische Vorgeschichte des Drahtmaterials und eine thermische Vorzyklierung sind zu untersuchen. Nur dann lässt sich das volle Potential der heterogenen Integration von FGL-Halbzeugen ausschöpfen. Kennlinie der Biegeaktoren: Kleine Schwankungen des Aktorshubs haben große Auswirkungen auf die Schalttemperatur. Ein Grund dafür ist der Verlauf der Aktorkennlinie, der ab einer Temperatur von 100°C sehr flach wird. Zwar lässt sich die Phasenumwandlungstemperatur über eine mechanische Vorspannung prinzipiell nach oben verschieben, aber durch die Verwendung des FGL-Aktors als Biegeelement und der daraus resultierenden inhomogenen Spannungsverteilung, scheint dies nur begrenzt möglich zu sein. Der Kennlinienverlauf flacht auch unter Vorspannung ab einer Temperatur von ca. 100°C stark ab. Dies bedeutet, dass bei einer weiteren Temperaturerhöhung (10 bis 30 K) der Aktorhub nur noch geringfügig steigt. Damit führen geringe Schwankungen des Aktorhubes zu großen Schwankungen der Schalttemperatur. Die Aktorkennlinie kann aber durch eine nichtlineare Federkennlinie positiv beeinflusst werden. Daher sind zukünftig nichtlineare Federkennlinien, insbesondere mit degressiver Charakteristik, im Zusammenspiel mit dem Aktor zu untersuchen und zu bewerten. Zyklenzahl: Mit den aktuellen Labormustern können bis zu 100 Sterilisationszyklen gezählt werden. Dies ist ausreichend für bestimmte Produktsegmente. Produkte in anderen Segmenten werden jedoch 500 bis 1000-mal wiederverwendet und erfordern somit einen Zyklenzähler mit höherer Zyklenzahl. Analysen haben gezeigt, dass die Zyklenzahl unter Verwendung nur eines Zahnrades nicht signifikant erhöht werden kann. Mit einer Reduzierung der Zahngröße sowie einer Vergrößerung des Zahnraddurchmessers kann die Anzahl der Zähne und damit die Zyklenzahl nur um einen Faktor 2 bis 3 erhöht werden. Für die Realisierung signifikant höherer Zyklenzahlen (1000 und mehr) bedarf es daher neuer Konzepte. Systemgröße: Um die Kosten für einen Zyklenzähler zu senken und eine bessere Integration zu ermöglichen, ist eine Reduzierung der Systemgröße erforderlich. Hier ist zu untersuchen, inwieweit FGL-Drahtaktoren mit kleinerem Durchmesser und verkürzter Länge eingesetzt und integriert werden können. Co-Design: Für die weitere Entwicklung des Zyklenzählers ist ein Co-Design von Aktor und Mikromechanik erforderlich, um die Einflussgrößen (Offset, Federsteifigkeit) und Störgrößen (beispielsweise Parameterschwankungen, Toleranzen) beim Entwurf besser berücksichtigen zu können. Ein Co-Design setzt eine entsprechende Multi-Domain- Modellierung voraus, die zukünftig noch zu erarbeiten ist. Ein solches Modell kann dann auch über den Zyklenzähler hinaus für andere Anwendungsfälle eingesetzt werden. Verkapselung: Eine hermetisch dichte sowie dauerfeste Verkapselung der Zählerchips ist bis Projektende noch nicht gelungen. Mit Hilfe des Klebens konnten zwar verkapselte Funktionsmuster aufgebaut werden, diese hatten jedoch nur eine begrenzte Lebensdauer im Autoklaven von bis zu 20 Zyklen. Danach hat die Klebeverbindung aufgrund der hohen Belastung durch die Dampfsterilisation versagt. Lasergebondete Zählerchips hatten ebenfalls nach wenigen Sterilisationszyklen versagt, aufgrund der im Glassubstrat vorhandenen Mikrorisse. Allerdings konnte gezeigt werden, dass mit Hilfe des Laserbond-
Seite 6 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG verfahrens prinzipiell dichte Bondverbindungen möglich sind. Demnach bestehen hier gute Erfolgsaussichten, wenn das Verfahren weiterentwickelt und für Glas-Silizium- Verbindungen optimiert wird. Zudem ist zu prüfen ob nicht doch auch andere Bond- verfahren wie das anodische Bonden eingesetzt werden können. Dazu ist jedoch ein bisher nicht vorhandener Prozess mit niedrigen Bondtemperaturen < 200°C erforderlich. Die Lösung der genannten Problemstellungen kann den Reifegrad des Sterilisations- zyklenzählers deutlich erhöhen. Zudem eröffnen sich mit den Lösungen neue Anwendungs- felder und fortgeschrittene Aktorsysteme. 2 Motivation und Forschungsziel Die Dampfsterilisation (Autoklavierung) von wiederverwendbaren Instrumenten, mehrfach aufbereiteten Implantaten und Komponenten im klinischen Umfeld ist ein kritischer Prozess. Die standardmäßige Aufbereitung mit heißem, gesättigtem Wasserdampf bei Maximaltemperaturen von 121°C bzw. 134°C [1] muss sorgfältig durchgeführt werden und stellt für die Instrumente oft eine erhebliche Belastung dar, die je nach Medizinprodukt unterschiedlich oft durchlaufen werden darf. Im Zusammenhang mit der neuen Medizinprodukteverordnung (EU MDR 2017/745) ergaben sich sowohl für die Anwender (Arztpraxis, Krankenhaus) also auch für die Hersteller von Instrumenten und Komponenten neue Herausforderungen [2]. Anwenderseitig ist die Sicherstellung einer adäquaten Sterilisations- und Instrumentenqualität im Rahmen des Hygienemanagements unabdingbar. Dabei ist die Nachverfolgbarkeit der durchlaufenen Sterilisationszyklen eines Instruments, d. h. ob und wie oft es sterilisiert worden ist, ein wichtiger Aspekt. Herstellerseitig besteht großes Interesse an einem konsequenten „unabhängigen“ Monitoring der Sterilisationszyklen eines Instruments zur Erfassung des Produktlebenszyklus, insbesondere auch im Hinblick auf potentielle Gewährleistungsansprüche. Erklärtes Ziel des Projektvorhabens AuSter war daher, einen Sterilisationszyklenzähler in Form eines mikroelektromechanischen Systems (MEMS) zu konzeptionieren, aufzubauen und zu erproben. Das zu entwickelnde System soll dabei autonom, d. h. ohne interne oder externe elektrische Energiezufuhr, das Erreichen definierter Temperaturgrenzwerte bei Sterilisationsprozessen zählen und speichern können. Der anvisierte Lösungsansatz basiert auf dem Konzept der heterogenen Integration [3]. Dabei werden unterschiedliche Komponenten, die in Bezug auf ihre Herstellung nicht kompatibel miteinander sind, in einem System kombiniert. Mit dem Abschluss des Projektes und den erzielten Ergebnissen ist nun der Grundstein für weiterführende Arbeiten gelegt.
Seite 7 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG 3 Durchgeführte Arbeiten und Ergebnisse 3.1 AP 1 Anforderungen 3.1.1 Zielstellung und durchgeführte Arbeiten Ziel von AP 1 war, die grundlegenden Anforderungen an den Sterilisationszyklenzähler zu erarbeiten. Hierzu wurden in enger Zusammenarbeit beider Forschungseinrichtungen und dem PA die relevanten Parameter ermittelt und festgelegt. Zudem wurde der Dampfsterilisations- prozess genauer analysiert. Tabelle 1: Im AP 1 durchgeführte Arbeiten Fraunhofer IWU Hahn-Schickard Literaturrecherche Erstellung von Fragebögen für den Identifizierung geeigneter FGL PA Legierungen und Halbzeuge Auswertung der Fragebögen Untersuchungen zu den Literaturrecherche Phasenumwandlungstemperaturen Analyse verschiedener Profile für (PUT) von FGL, insbesondere in Dampfsterilisationszyklen Abhängigkeit der mechanischen Anforderungen für die Einbettung der Spannung FGL definieren Definition von Anforderungen an die Durchführung von Messreihen im Aktorik Autoklaven, Untersuchung des Temperaturverlaufes am Sterilgut 3.1.2 Ergebnisse In Tabelle 2 sind die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst. Es folgt eine hinreichend ausführliche Beschreibung der Einzelergebnisse. Tabelle 2: Wesentliche Ergebnisse aus AP 1 im Überblick Fraunhofer IWU Hahn-Schickard Zielspezifikation der Aktorik Zielspezifikation des Zählwerks Fragebogen Zu Beginn des Vorhabens wurde ein Fragebogen für die PA-Mitglieder erstellt, um die Anforderungen an den Sterilisationszyklenzähler zu erfassen. Im Fragebogen wurde insbesondere auf folgende Parameter eingegangen: Abmessung des mechanischen Systems, Anzahl der Sterilisationszyklen, Sterilisationsverfahren, Auslesemechanismus.
Seite 8 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG Tabelle 3: Anforderungsdefinition an den Sterilisationszyklenzähler Parameter Wert Abmessungen 5 x 5 x 3 mm³ Sterilisationszyklen 100 Sterilisationsverfahren Fraktioniertes Vorvakuumverfahren mit 134 °C Auslesemechanismus Optisch Für eine Vielzahl von Produktkategorien ist eine zu erfassende Zyklenzahl von 20 bis 100 ausreichend. Weitere Produktkategorien wie chirurgische Instrumente oder Endoskope werden 500- bis 1000-mal wiederverwendet und erfordern somit einen Zyklenzähler mit höherer Zyklenzahl. Die Angaben zur Abmessung des Zählwerks bewegten sich zwischen 1x1 mm² und 10x10 mm² bei einer Höhe von maximal 4 mm. Insgesamt hat das fraktionierte Vorvakuum- verfahren bei 134 °C die größte Relevanz. Ein optisches Auslesen des Zählers ist für die meisten Anwender ausreichend. Dennoch eröffnen sich mit der Möglichkeit eines elektrischen Auslesens Vorteile gegenüber dem optischen Verfahren. Anhand der Ergebnisse aus der Umfrage wurde eine für dieses Projekt gültige Anforderungsdefinition erstellt (Tabelle 3). Dampfsterilisationsprozess Bei der Analyse von verschiedenen Kurven zu Dampfsterilisationsprozessen sind zwei Herausforderungen für den Sterilisationszyklenzähler ermittelt worden. Zum einen gibt es bei vielen Prozessabläufen ein Vorfraktionieren, bei dem aufgrund von Dampfstößen bereits kurzeitig Temperaturspitzen über 110 °C auftreten und zum anderen gibt es Prozessabläufe für Sterilgutcontainer, bei denen es eine Vorwärmstufe gibt, welche bereits eine Temperatur nahe der Endtemperatur von 134 °C erreicht. In Abbildung 1 ist ein Sterilisationszyklus auf Basis des fraktionierten Vorvakuumverfahrens mit 134°C gezeigt. Die Temperaturspitzen in der Fraktionierungsphase sind deutlich zu erkennen. Diese Peaks dürfen nicht als Zählereignis detektiert werden. Der Einfluss des Vorfraktionierens auf den Temperaturverlauf am Sterilgut wurde untersucht und spiegelt sich im Diagramm wider. So ergeben sich aus der Fraktionierungs-phase unterschiedliche Randbedingungen für den Sterilisationszyklenzähler. Diese Problematik stellt besondere Anforderungen an den Sterilisationszyklenzähler. Zudem sind die hohen Temperaturen eine große Herausforderung für die zu entwickelnde Formgedächtnisaktorik, da derart hohe Temperaturen mit am Markt verfügbaren Halbzeugen nur über sehr große mechanische Vorspannungen realisierbar sind. Aus diesem Grund wurden an potentiell geeigneten Formgedächtnislegierungen (FGL) Grundlagenuntersuchungen zur Spannungsabhängigkeit der Phasenumwandlungstemperaturen durchgeführt. Im Ergebnis zeigt sich, dass das Material Smartflex der Firma SAES Getters die Anforderungen am besten erfüllen kann und außerdem die höchste Qualität aufweist, da es bereits in verschiedenen marktgängigen Produkten verwendet wird.
Seite 9 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG Fractional Phase Sterilization Phase Drying Phase 140 Temperature within container 130 Temperature within soft package 120 Pressure in chamber 110 3 bar 100 Temperature (°C) 90 80 2 bar 70 60 50 40 1 bar 30 20 10 0 0 bar 0 5 10 15 20 25 30 35 40 Time (Minutes) Abbildung 1: Sterilisationszyklus (Fraktioniertes Vorvakuumverfahren mit 134°C). Der Zyklus unterteilt sich in drei Phasen (Fraktionierungsphase, Sterilisationsphase, Trockenphase). In der Fraktionierungsphase bilden sich Temperaturspitzen bis zu 110°C. In Abbildung 2 ist der Temperatur – Dehnungs – Verlauf für einen Smartflex Draht mit 100 µm Durchmesser bei mechanischer Belastung mit 200 MPa dargestellt. Hieraus können die charakteristischen Temperaturen der Hin-Umwandlung von Martensit nach Austenit (As und Af) und der Rück-Umwandlung von Austenit nach Martensit ermittelt werden. Es zeigt sich, dass der in Abbildung 1 dargestellte erste Temperatur-Peak in der Fraktionierungsphase hier zu einem Zählereignis führen würde. Abbildung 2: Temperatur-Dehnungs-Diagramm Smartflex 100 µm bei mechanischer Belastung mit 200 MPa
Seite 10 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG Abbildung 3: Spannungsabhängigkeit der Phasenumwandlungstemperatur (PUT) für Smartflex 100 µm In Abbildung 3 ist die Abhängigkeit der Phasenumwandlungstemperatur (PUT) von der mechanischen Vorspannung dargestellt. Als Näherung kann ein linearer Anstieg mit 14 K / 100 MPa angenommen werden. Um sicherzugehen, dass keiner der Temperaturanstiege in der Fraktionierungsphase als Zählereignis detektiert wird, ist es erforderlich die Vorspannung einerseits im inaktiven (kalten) Zustand möglichst gering zu halten, da hier erst bei sehr niedrigen Temperaturen eine Rückumwandlung in Martensit erfolgt. Andererseits muss die Vorspannung im aktiven (warmen) Zustand jedoch so hoch gewählt werden, dass die vollständige Umwandlung in Austenit, also das Zählereigneis erst bei 134°C stattfindet. Hierfür ist eine Vorspannung von ca. 500 MPa notwendig. Diese Kennwerte sind für die Auslegung der Rückstellfeder in AP2 erforderlich.
Seite 11 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG 3.2 AP 2 Technologiekonzept, Systementwurf, Design 3.2.1 Zielstellung und durchgeführte Arbeiten Zielsetzung von AP 2 war die Erarbeitung eines Technologiekonzepts als Grundlage für den Systementwurf des Sterilisationszyklenzählers sowie Entwurf und Auslegung der Systemkomponenten. Tabelle 4: Im AP 2 durchgeführte Arbeiten Fraunhofer IWU Hahn-Schickard Untersuchungen zur Implementierung Entwicklung von Konzepte für das der Aktorik mittels heterogener Zählwerk Integration Prüfen der Umsetzbarkeit mit den Entwicklung von Aktorkonzepten im vorhandenen Fertigungsprozessen Hinblick auf die fertigungstechnischen Auslegung des Zählwerks gemäß Möglichkeiten Zielparameter Konzepte zur Vorspannen der Aktorik Berechnungen und Simulationen zum Entwicklung eines FE Modells der Systemverhalten Aktoranordnung Konstruktive Ausarbeitung des Aufbau eines 10:1 heraufskalierten Zählwerks Prüfstandes Durchführung von makroskopischen Messtechnische Untersuchung der Vorversuchen Vergleichsanordnung Entwicklung des Prozessablaufs Modellabgleich Erstellung von Designvarianten Auslegung der Aktorik mittels Betrachtung der Fertigungstoleranzen Simulation sowie Bewertung deren Einfluss auf Detailauslegung des Antriebssystems die Funktionalität aus Aktor und Rückstellfeder Erstellung eines Maskenlayouts zur Untersuchungen zum Einfluss des Fertigung der Strukturen Lagerspiels und der Reibkräfe Weiterentwicklung des Ermittlung der optimalen Prozessablaufs Aktorgeometrie 3.2.2 Ergebnisse In Tabelle 5 sind die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst. Es folgt eine hinreichend ausführliche Beschreibung der Einzelergebnisse. Tabelle 5: Wesentliche Ergebnisse aus AP 2 im Überblick Fraunhofer IWU Hahn-Schickard Heterogene Integration der FGL Ausgewähltes Konzept für Aktorik als Vorzugslösung Technologiedurchlauf Ausgewähltes Aktorkonzept Erfolgreiche Vorversuche zu neuen Mit Messwerten abgeglichenes Modell Prozessschritten als Auslegungsgrundlage Zählwerkdesign Finales Design Antrieb Finales Design Zählwerk Maskenlayout Finaler Prozessablauf
Seite 12 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG a) b) Abbildung 4: Favorisiertes Konzept des FGL-Aktors Als Grundlage der Aktorentwicklung wurden gemeinsam zunächst die fertigungstechnischen Grenzen und Möglichkeiten der Implementierung von FGL Aktoren in Si-Strukturen erarbeitet. Auf dieser Basis erfolgte die Entwicklung von Aktorkonzepten. Hierbei zeigte sich, dass eine symmetrische Implementierung der relativ unpräzise gefertigten FGL-Elemente, in eine hochpräzise Siliziumstruktur, einen vielversprechenden Ansatz darstellt. Eine ähnliche Herausforderung zeigte sich bei der Konstruktion des Rückstellelements und insbesondere der präzisen Einstellung der Vorspannung. In Abbildung 4a ist das ausgewählte Aktorkonzept dargestellt. Dieses beruht darauf, dass im Montagezustand (1) zunächst ein plastisch verformter FGL Draht ohne Vorspannung in die Struktur eingelegt wird. Bei der initialen Aktivierung versucht der Aktor seine ursprünglich gerade Form anzunehmen und spannt dabei eine Druckfeder vor (siehe Abbildung 4b gestrichelte Gerade). Bei abgeschlossener Umwandlung (2) hat der Aktor einen definierten Hub ausgeführt und mechanische Energie in der Feder gespeichert. Beim Abkühlen wird diese wieder an den Aktor abgegeben und verformt ihn zurück (3). Nach der vollständigen Abkühlung verbleibt der Draht unter einer gewissen Vorspannung im Zustand (3) und kehrt nicht wieder in den Ursprungszustand (1) zurück. Die Berechnung und Auslegung der Aktorik erfolgte mittels Finte Elemente Methode (FEM) auf Basis des FGL-Material-Modell-Ansatzes nach Auricchio. Hierfür wurden gemessene Daten des temperaturabhängigen Spannungs-Dehnungs-Verhaltens, aber auch die Spannungs- abhängigkeit der PUT (siehe Abbildung 3) von Smartflex 100 µm, in der Simulation implementiert. Zum Abgleich des Modells mit der Realität wurde der in Abbildung 6a dargestellte, um einen Faktor 10 heraufskalierte Referenzprüfstand genutzt. Hierbei zeigten sich sehr gute Übereinstimmungen. Zur Ermittlung der Geometrieabhängigkeiten der Aktoreigenschaften wurde eine Parameterstudie durchgeführt, in der die Zielparameter wie Kraft, Hub und PUT des Aktors in Zusammenhang mit der Aktorgeometrie gebracht wurden. Hierbei zeigte sich, dass bzgl. des mechanischen Arbeitsvermögens der Aktorik ein Optimum gefunden werden kann. Außerdem wurden weitere Einflüsse wie z.B. die Steifigkeit der Rückstellfeder, das Lagerspiel oder die auftretenden Reibkräfte im Zählwerk untersucht. Die sich hieraus ergebende, in Abbildung 5a dargestellte, optimale Aktorgeometrie ergibt einen
Seite 13 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG a) b) Abbildung 5: a) Arbeitskennlinie des FGL-Aktors, b) optimierte Aktorgeometrie Drahtdurchmesser von 100 µm, 2 mm Biegelänge und 150 µm Lagerspiel. Die Arbeitskennlinie und die daraus resultierende Kraft und der Hub der Aktorik ist in Abbildung 5b dargestellt. Parallel zur Entwicklung des Aktors sowie dessen Integration in die Siliziumstruktur wurden verschiedene Zählwerkkonzepte ausgearbeitet und bewertet. Dabei galt es immer zu berücksichtigen, wie die FGL basierend auf den Einbettungskonzepten, integriert werden kann. Hierzu wurden makroskopische Versuchsaufbauten mittels 3D-Druck erstellt (Abbildung 6b) und anhand dieser Versuche zur Funktionalität durchgeführt. Dabei konnte auch das ausgewählte Konzept zur Einbettung der FGL in den Chip überprüft werden. In Abbildung 7a ist das finale Konzept mit der Einbettung der FGL dargestellt. Die FGL wird vorverformt und spannungsfrei in die Einbettung eingelegt. Erfolgt nun die Aktivierung durch eine Temperaturerhöhung auf 134°C, bewegt sich der Schlitten nach unten und dreht das Zahnrad im Uhrzeigersinn zwei Rasten weiter. Beim Abkühlen wird die in der Feder gespeicherte mechanische Energie genutzt, um den FGL-Draht zurück zu verformen. Der Rastmechanismus mit Hemmung sorgt dafür, dass das Zahnrad keine Rückbewegung (Freilaufrichtung nur im Uhrzeigersinn) durchführen kann und somit den Zählerstand beibehält. Der Schlitten bewegt sich nur eine Raste zurück, sodass bei darauffolgenden Sterilisationszyklen nur ein Zählschritt erfolgt. Ab diesem Zeitpunkt ist der Draht in der Siliziumstruktur vorgespannt. a) b) Abbildung 6: a) Aufbau eines skalierten Prüfstandes für die FGL. b) Makroskopisches Zählwerk
Seite 14 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG Aktor- FGL-Aktor Einbettung Rückstellfeder Zahnrad Schlitten Anker Hemmung a) b) Abbildung 7: a) Finales Konzept, b) Grunddesign V1 (Layout-Darstellung) Dieses ausgewählte Konzept galt es nun unter Berücksichtigung der Kenndaten der FGL auszulegen. Hierfür wurde, auf Basis von analytischen Formeln, ein Matlab Skript entwickelt, welches die relevanten Kräfte berechnet und unter Berücksichtigung von Eingangsparametern (Zielspezifikation, FGL Daten, Fertigungsvorgaben) die passende Rückstellfeder bestimmt. Im Anschluss daran erfolgte die Auslegung der Funktionselemente im Detail, insbesondere die funktionsrelevanten Geometrien von Zahnrad, Zahneingriff, Hemmung und Anker sowie der Arbeitshub und die Aktor-Einbettung. Da schon geringe Abweichungen der Geometrie im Zusammenspiel mit dem Lagerspiel des Zahnrads negative Auswirkungen auf die Funktionalität haben können, wurde auch der Einfluss der Fertigungstoleranzen untersucht und im Design berücksichtigt. Fertigungstechnische Einschränkungen wie beispielsweise minimale Strukturgröße oder das maximal erzielbare Aspektverhältnis beim Siliziumtiefenätzen fanden ebenfalls Berücksichtigung. Entwicklungsbegleitend wurden Festigkeitsnachweise für Anker, Hemmung und Zahn mit Hilfe von FE-Modellen in ANSYS erbracht. Abschließend erfolgte die Umsetzung des Designs in ein für die mikrotechnologische Fertigung taugliches Maskendesign. Ausgehend von einem Grunddesign V1 (Abbildung 7b) wurden insgesamt 13 weitere Designvarianten erstellt, um auch eine experimentelle Parameterstudie zu ermöglichen. Unter den Designvarianten befinden sich auch eine Teststruktur zur Charakterisierung des Aktors. Parallel zu den oben genannten Arbeiten wurde ein Prozessablauf entwickelt, der eine mikromechanische Herstellung der Zählersysteme ermöglicht. Dabei war es erforderlich Lösungen für zahlreiche Probleme, wie z.B. das Freistellen eines später frei beweglichen Zahnrades, das Schaffen einer Achse und die Integration der FGL, zu erarbeiten. Der Fertigungsablauf ist in Abbildung 8 dargestellt. Zunächst wird ein Glaswafer (Wafer 1) so strukturiert, dass später die beweglichen Strukturen freibeweglich sind und nicht am Boden festkleben können (Abbildung 8a). Ausnahme ist das Zahnrad, das auf einem Sockel aufliegt. Um hier das typische in der Mikrotechnik bekannte „Sticking“ zu vermeiden, wurde eine Metallisierung in den relevanten Bereichen vorgenommen. Es folgt das Bonden eines Siliziumwafers (Wafer 2) mit Hilfe des anodischen Bondverfahrens (Abbildung 8b). Anschließend wird der Siliziumwafer auf eine Dicke von 150 µm abgedünnt (Abbildung 8c). Die Dicke wird dabei durch den FGL-Draht definiert, der einen Durchmesser von 100 µm besitzt. Nach dem Abdünnen wird eine strukturierte Metallschicht erzeugt, um eine Skala auf dem Zahnrad zu erhalten. In einem weiteren Schritt (Abbildung 8d) wird die Siliziumschicht mit Hilfe
Seite 15 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG a) b) c) d) FGL FGL e) f) Abbildung 8: Prozessablauf in grober Darstellung. a) Strukturierung eines Glaswafer 1 mit Kavitäten. b) Anodisches Bonden eines strukturierten Siliziumwafers. Auf diese Weise werden vergrabene Kavitäten erzeugt, die später eine freie Bewegung der beweglichen Strukturen ermöglicht. c) Abdünnen des Siliziumwafers auf 150 µm. d) Strukturierung der Siliziumschicht, in diesem Schritt werden die mechanischen Strukturen des Zählwerks erzeugt. e) Integration des FGL-Aktors. f) Verkapselung mit einem strukturierten Glaswafer 2 mittels Laserbonden. eines Trockenätzprozesses (DRIE) strukturiert. Damit werden die mikromechanischen Strukturen des Zyklenzählers definiert. Nach diesem Prozessschritt liegt das Zahnrad lose auf dem Sockel auf und wird durch die erzeugte Achse lateral fixiert. Anschließend kann die heterogene Integration der FGL-Aktoren in die einzelnen Zähler-strukturen erfolgen (Abbildung 8e). Zum Schluss muss der offene Wafer-Stapel noch gedeckelt werden, um hermetisch dichte und verkapselte Zählersysteme zu generieren. Hierfür würde sich das anodische Bonden mit einem Glaswafer anbieten. Dieser Prozess erfolgt jedoch mit Temperaturen zwischen 300°C und 400°C, die zu einer irreversiblen Beschädigung des Aktors führen. Daher ist vorgesehen, das Bonden eines strukturierten Glaswafers (Wafer 3) auf dem offenen Wafer-Stapel mit Hilfe eines Lasers zu bewerkstelligen (Abbildung 8f). Für diesen Prozessschritt ist ein Laserbondverfahren zu entwickeln und zu erproben.
Seite 16 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG 3.3 AP 3 Erster Technologiedurchlauf Im AP 3 wurde auf Grundlage des in AP 2 erarbeiteten Technologiekonzepts erste FGL-Aktoren sowie MEMS-Bauelemente hergestellt sowie die heterogene Integration erprobt. Tabelle 6: Im AP 3 durchgeführte Arbeiten Fraunhofer IWU Hahn-Schickard Beschaffung FGL Draht Vorbereitende Arbeiten für den ersten Entwicklung & Konstruktion der Technologiedurchlauf Biegevorrichtung Vorversuche zum Tiefenätzen Umsetzung der Biegevorrichtung Prozessieren des ersten Wafers mittels Drahterrodieren Weiterentwicklung des Tiefenätz- Erprobung der heterogenen prozesses Integration der FGL-Aktoren Prozessieren des zweiten Wafers Weitere Prozessanpassungen Prozessieren des dritten Wafers Erste Entwicklungsschritte für ein Laserbondverfahrens Erprobung eines alternativen Prozessablaufes 3.3.1 Ergebnisse In Tabelle 7 sind die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst. Es folgt eine hinreichend ausführliche Beschreibung der Einzelergebnisse. Tabelle 7: Wesentliche Ergebnisse aus AP 3 im Überblick Fraunhofer IWU Hahn-Schickard Biegevorrichtung Waferlayout umgeformte FGL-Aktoren Waferlaufzettel Nachweis der Integrierbarkeit der Prozessierte Wafer mit Aktoren mikrostrukturierten Zählwerken Erste Bondverbindungen mit dem Laserbondverfahren Zugprobe gefertigt Zugversuche durchgeführt Herstellung der FGL-Aktoren Zur Herstellung der Aktoren wurden zunächst die erforderlichen Halbzeuge beschafft und charakterisiert, um deren Eigenschaften abzusichern. Anschließend wurden Werkzeuge zur Umformung der FGL Drähte entwickelt. Die Herstellung, Vermessung und die Probenintegration verschiedener Aktoren in Testchips erlaubten eine schrittweise Optimierung des Werkzeugs. Hierbei besteht die Herausforderung in erster Linie darin, eine optimal abgeformte Aktorgeometrie für spannungsfreies Einlegen zu erreichen (Abbildung 9a), ohne den Draht so stark zu verformen, dass er beschädigt wird. Erreicht werden kann dies über eine Begrenzung der Biegeradien, die im Randbereich der Drähte maximal 10% Dehnung zulassen.
Seite 17 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG a) b) c) d) Abbildung 9: Herstellung der FGL-Aktoren. a) Aktorgeometrie für spannungsfreies Einlegen. b) Geometrie nach der ersten Aktivierung. c) Biegevorrichtung mit Stahleinsatz. d) Mit Hilfe der Biegevorrichtung hergestellte FGL-Aktoren. Die Aktoren sind nicht identische und unterscheiden sich in Länge und Form aufgrund der manuellen Herstellung. Nach der ersten Aktivierung weist die Aktorgeometrie deutlich größere Biegeradien auf (Abbildung 9b). Abbildung 9c zeigt das hierfür entwickelte Umformwerkzeug und die damit hergestellten Aktoren (Abbildung 9d). Weitere Herausforderungen bei der Herstellung der Aktoren ergaben sich beim Schneiden und beim Handling der Aktoren, da dies derzeit noch manuell durchgeführt werden muss. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Umformung der Drähte einen kritischen Prozess darstellt, welcher die Aktoreigenschaften maßgeblich beeinflusst. Um Aktoren zukünftig reproduzierbar herstellen zu können, müssen geeignete Lösungen zur Automatisierung des Herstellungsprozesses entwickelt werden. Herstellung der MEMS-Bauteile Im ersten Technologiedurchlauf war es erforderlich den Prozessablauf und einzelne Prozess- schritte sukzessive von Wafer zu Wafer weiterzuentwickeln. Die wesentlichen Herausforderungen und erzielte Ergebnisse sind im Folgenden beschrieben. Das trockenchemische Tiefenätzen (DRIE), das zur Übertragung der mechanischen Strukturen in die Siliziumschicht dient, hat einen wesentlichen Einfluss auf die Funktionalität des Gesamt- systems und ist daher einer von mehreren kritischen Prozessschritten. Die vertikale Ätzrate beim Trockenätzen ist stark abhängig sowohl von der thermischen Anbindung des Wafers zur Auflage, als auch vom Aspektverhältnis der zu ätzenden Strukturen. Optimale Ergebnisse werden erzielt, wenn das Aspektverhältnis überall gleich ist und eine sehr gute thermische Anbindung besteht. Dies ist jedoch für den Zyklenzähler nicht möglich. Zum einen muss das
Seite 18 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG Erster Technologiedurchlauf: 3-Wafer-System (Glas-Silizium-Glas) mit 2 Bondschritten Run 1 Wafer 1 Wafer 2 Wafer 3 Prozessentwicklung Abbildung 10: Übersicht erster Technologiedurchlauf Lagerspiel des Zahnrads minimiert werden, d.h. es muss ein sehr schmaler Graben mit hohem Aspektverhältnis realisiert werden. Der Eingriff von Anker und Hemmung in das Zahnrad sowie die Struktur zur Einbettung des FGL-Aktors erfordern jedoch deutlich größere Strukturöffnungenmit demzufolge wesentlich geringeren Aspektverhältnissen. Abbildung 11a zeigt, dass die Bereiche mit geringeren Aspektverhältnissen (größere Öffnungsfläche) bereits geöffnet sind (weißer Hintergrund) während andere Bereiche mit größerem Aspektverhältnis (schmale Öffnungen) noch geschlossen sind (schwarze Bereiche). Strukturen mit einem hohen Aspektverhältnis ätzen deutlich langsamer. Der Ätzprozess muss nun aber solange fortgeführt werden, bis alle Strukturen vollständig geätzt sind, auch das Lagerspiel mit einer Grabenbreite von 7 µm. Dies führt nun dazu, dass Strukturen die bereits geöffnet sind, überätzt werden und somit die Strukturtreue deutlich abnimmt. Abbildung 11b zeigt den Strukturverlust nach dem vollständigen Ätzen. Die reale Struktur (in Blau) ist deutlich kleiner (bis zu 5 µm) als durch das Design vorgegeben. Für die Funktionalität des Zyklenzähler ist eine hohe Strukturtreue jedoch unabdingbar. Eine weitere Herausforderung bestand darin, dass der Basiswafer aus Glas besteht und Kavitäten enthielt, um die Beweglichkeit der Strukturen zu ermöglichen. Die Kavitäten bewirken jedoch eine inhomogene Temperaturverteilung im Wafer, sodass die vertikalen und lateralen Ätzraten nicht überall gleich sind. Zudem besitzt Glas eine im Vergleich zu Silizium geringere thermische Leitfähigkeit. Dies hat wiederum einen negativen Einfluss auf die thermische Anbindung und somit auf die Kühlung während des Tiefenätzens. Für die Herstellung der Zählerstrukturen im ersten Technologiedurchlauf wurde ein zweistufiger Ätzprozess entwickelt, wobei die beiden Stufen auf zwei unterschiedlichen Ätzanlagen durchgeführt wurden. Mit dieser Vorgehensweise konnte das Ergebnis und die Strukturtreue zufriedenstellend verbessert werden. Die Fertigung von freiliegenden nicht verankerten Mikrostrukturen (hier das drehbar gelagerte Zahnrad) ist ebenfalls eine große Herausforderung. a) b) Abbildung 11: a) Ergebnis mit einstufigem Ätzprozess, hohe Überätzung der Strukturen mit geringem Aspektverhältnis (Zahngeometrie, Anker und Hemmung), b) Ein zweistufiger Ätzprozess führt zu einem deutlich besseren Ergebnis mit hoher Strukturtreue durch deutlich geringeres Überätzen
Seite 19 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG a) b) Abbildung 12: a) Hergestellte Zyklenzähler mit Hilfe des alternativen Prozessablaufs. a) Gesamtansicht. b) Teilansicht. Üblicherweise sind bewegliche Strukturen an Federelementen befestigt und können daher nicht herausfallen. Bei der Fertigung des ersten Wafers wurde jedoch genau dieses beobachtet. Es konnte herausgefunden werden, dass die Zahnräder schon während des trockenchemischen Tiefenätzens herausfallen bzw. aufgrund elektrostatische Aufladungsvorgänge herausgestoßen werden. Demzufolge musste der Prozessablauf modifiziert und weitere Prozessschritte hinzugefügt werden, um eine Erdung der Siliziumschicht (Device layer) zu realisieren. Diese Weiterentwicklung hat wesentlich zum Erfolg geführt. So konnten in diesem Projekt erstmalig völlig freiliegende Strukturen realisiert und charakterisiert werden. Insgesamt ist der Prozessablauf zur Fertigung der Zählerstrukturen komplex und mit vielen Prozessschritten verbunden. Aufgrund dessen wurde im AP 3 ein alternativer Prozessablauf erarbeitet und erprobt. Dies war möglich, da eine neue Anlage (MEMSSTAR ORBIS 3000) zur Verfügung stand, mit der vergrabene Siliziumoxidschichten geätzt werden können. Mit diesem neuen Prozessschritt können Silicon-On-Insulator (SOI) Substrate verwendet werden. Erste Versuche waren erfolgreich und eröffnen die Möglichkeit, die Zyklenzähler mit einem alternativen und deutlich einfacheren Prozessablauf herzustellen. Abbildung 12 zeigt beispielhaft erste Strukturen, die probeweise mit dem neuen Prozessablauf hergestellt wurden. Deutlich zu erkennen ist die Perforation der beweglichen Strukturen. Dies ist erforderlich, um das vergrabene Oxid unterhalb dieser Strukturen vollständig entfernen zu können. Der erprobte Prozessablauf bildete die Basis für den zweiten Technologiedurchlauf. Eine Beschreibung erfolgt in AP 5. Laserbonden Damit die Zyklenzähler in der Anwendungsumgebung zuverlässig eingesetzt werden können, ist eine hermetische Verkapselung mit einem Deckelwafer notwendig. In der Regel kommen zur Verkapselung anodische Bondverfahren ohne Zwischenschicht oder eutektische Verfahren mit Zwischenschicht zum Einsatz. Beide Verfahren erfordern jedoch Prozesstemperaturen, die sich typischerweise im Bereich von 300°C - 400°C bewegen. Solch hohe Temperaturen führen zu einer Schädigung des FGL-Aktors. Eine mögliche Alternative stellt das Laserbonden dar. Der Energieeintrag kann mit Hilfe eines Lasers auf einen kleinen Bereich begrenzt werden, sodass Strukturen mit hinreichendem Abstand vom Absorptionsbereich des Lasers deutlich geringere Temperaturen erfahren. Daher war es Ziel, im AuSter-Projekt ein Laserbondverfahren zur Verkapselung der Zyklenzähler zu entwickeln. Mit Hilfe eines Faser-Lasers mit einer Wellenlänge von 1070 nm sollte eine hermetisch dichte Silizium-Glas-Bondverbindung erzeugt
Seite 20 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG Laserstrahlung F F Anpressplatte Quarzglas Glas Silizium Anpressplatte Aluminium a) b) Abbildung 13: a) Prinzipdarstellung zum Laserbonden von Glas und Silizium. b) Laseranlage zur Durchführung der Laserbondprozesse. werden (Abbildung 13a). Die verwendete Laseranlage ist in Abbildung 13b dargestellt. In der ersten Entwicklungsphase ist der Einfluss relevanter Prozessparameter auf den Bondprozess sowie die Stabilität der Bondverbindung untersucht worden. Im Ergebnis hat sich ein geeignetes Parameterfenster herauskristallisiert, das eine gute Prozessführung erlaubt. Das Bonden erster unstrukturierter Wafer verlief erfolgreich (Abbildung 14a). Aus dem gebondeten Wafer mit geschlossenem Bondrahmen (Abbildung 14b) wurden Proben (5x5 mm² Chips) für Zugversuche herausgeschnitten. Die Bondfläche beträgt insgesamt ca. 3 mm³, die Bondlinienbreite ca. 0.17 mm. Anhand der Zugversuche konnte eine Bondverbindung mit einer Zugfestigkeit von bis zu 70 N / mm² nachgewiesen werden (Abbildung 14c). Der Bruch erfolgte fast ausschließlich in der Glasmatrix (Abbildung 14d), was auf eine feste und stabile Bondverbindung schließen lässt. Die nächsten Schritte bestanden darin, den Prozess auf Testwafern mit Kavitäten anzuwenden und zu erproben (siehe AP 6). a) b) c) d) Abbildung 14: Laserbondversuche mit unstrukturierten Glas- und Siliziumwafern. a) Bondlinien im Rasterformat. b) Geschlossener Bondrahmen. c) Zugversuch. d) Bruchbild, der Bruch verläuft vollständig in der Glasmatrix.
Seite 21 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG 3.4 AP 4 Charakterisierung 3.4.1 Zielstellung und Durchgeführte Arbeiten Das Arbeitspaket 4 diente maßgeblich der Charakterisierung der Sterilisationszyklenzähler aus dem ersten Technologiedurchlauf. Dabei wurde die mechanische Wechselwirkung zwischen dem mikromechanischen Zählwerk und dem FGL-Aktorsystem grundlegend untersucht. Zudem sind Untersuchungen zur plastischen Verformung durchgeführt worden, um den Einfluss des Biegewerkzeuges zu ermitteln. Die im AP 4 durchgeführten Arbeiten sind schwerpunktmäßig in Tabelle 8 zusammengefasst. Tabelle 8: Im AP 4 durchgeführte Arbeiten Fraunhofer IWU Hahn-Schickard Gemäß der Projektplanung wurden Einlegeversuche zur heterogenen keine Arbeiten durchgeführt Integration der FGL-Aktoren Aufbau und Erprobung eines Messplatzes Versuche mit den Wafern 1 bis 3 3.4.2 Ergebnisse In Tabelle 9 sind die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst. Es folgt eine hinreichend ausführliche Beschreibung der Einzelergebnisse. Tabelle 9: Wesentliche Ergebnisse aus AP 4 im Überblick Fraunhofer IWU Hahn-Schickard - Erprobter Messplatz Erster Funktionsnachweis erbracht Zuverlässigkeit niedrig Geometrie von Hemmung und Zahn hat großen Einfluss auf Funktion Messplatz Für die Charakterisierung der Aktoren im mikromechanischen Umfeld sowie der Sterilisationszyklenzähler wurde ein Messplatz bestehend aus einer regelbaren Heizplatte und einer Videokamera eingerichtet und erprobt (Abbildung 15a). Mit Hilfe der Videokamera kann das mikromechanische System mit 30 Bildern pro Sekunde aufgezeichnet werden. Dies ermöglicht neben der Analyse statischer Zustände auch eine Untersuchung des dynamischen Systemverhaltens. Anhand der Einzelbilder können statische Verschiebungen als Funktion der Temperatur erfasst werden. Abbildung 15b zeigt beispielhaft ein Temperaturprofil mit 5 Temperaturplateaus. Auf diese Weise können Parameterstudien durchgeführt sowie Einflussparameter untersucht werden.
Seite 22 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG 160 140 120 Temperatur (°C) 100 80 60 40 20 0 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 Zeit (Sekunden) a) b) Abbildung 15: a) Temperaturgeregelte Heizplatte zur Realisierung von Testprofilen. b) Temperaturprofil mit 5 Plateaus Integration der FGL-Aktoren Wafer 1 aus dem ersten Technologiedurchlauf wurde genutzt, um die heterogene Integration des FGL-Aktors in das Mikrosystem zu erproben. Mit Hilfe einer ersten Biegevorrichtung wurden die FGL-Aktoren in die erforderliche Form gebracht und anschließend Versuche zum Einlegen der Aktoren in die vorgesehene Einbettung durchgeführt. Zu Projektbeginn waren hier große Unsicherheiten, ob und wie gut das funktionieren würde. Für diesen Prozessschritt wurde eine geeignete Vakuum-Saugspizte als Werkzeug identifiziert und die heterogene Integration mit Hilfe einer manuellen Pick-and-Place Maschine (Die Bonder der Marke Tresky) erprobt. Charakterisierung Mit Vorliegen des zweiten Wafers wurden erste Versuche mit thermischen Zyklen durchgeführt. Dabei konnte ein grundsätzlicher Funktionsnachweis erbracht werden. Abbildung 16a zeigt einen Zyklenzähler der Variante 4 mit heterogen integriertem FGL-Aktor. Der initiale Zählerstand beträgt „0“. Abbildung 16b zeigt das gleiche System jedoch nach Anwendung von 8 thermischen Zyklen. Das Zahnrad hat sich dabei um 8 Zähne weiterbewegt. Dies war ein erster Beleg dafür, dass der im Projektvorhaben formulierte Lösungsansatz funktioniert. Allerdings hat sich auch gezeigt, dass es erhebliche Probleme gab. Andere Chips der Variante 4 und andere Chipvarianten haben grundsätzlich nicht funktioniert. Schließlich ist auch das in Abbildung 16 gezeigte System nach weiteren Versuchen defekt geworden. Ein Hauptproblem, dass bei den a) b) Abbildung 16: Zyklenzähler der Variante 4. a) Zustand zu Beginn der Charakterisierung. b) Zustand nach 8 Zyklen
Seite 23 des Schlussberichts zu IGF-Vorhaben 20710BG a) b) Abbildung 17: a) Die Hemmung blockiert, folglich knicken Anker und Hemmung ein. b) Das Einknicken des Ankers führt häufig zum Bruch. Gleichermaßen ist auch die Hemmung gebrochen. Versuchen zu beobachten war, betraf die Hemmung. In den meisten Fällen blockierte die Hemmung das Zahnrad, d.h. sie hat sich nicht am entsprechenden Zahn vorbeibewegt. Dies führte zwangsweise zum Einknicken von Anker und Hemmung aufgrund der weiter ansteigenden Kraft des Aktors (Abbildung 17a). In den meisten Fällen endete dies mit dem Bruch eines der beiden Elemente. Abbildung 17b zeigt hier beispielhaft den Bruch des Ankers. Eine weitere Erkenntnis war, dass in vielen anderen Fällen der Hub des Aktors deutlich unter dem erforderlichen Maß lag. Infolge dessen konnte die jeweilige Struktur keine thermischen Zyklen zählen. Weiterführende Untersuchungen haben gezeigt, dass der Aktorhub mit der Vorverformung des FGL-Drahtes in Zusammenhang steht. Die Verformung, die ja notwendig ist, um die Integration zu ermöglichen, hat einen wesentlichen Einfluss auf das Aktorverhalten. Möglicherweise wird der Aktor auch in geringem Maße durch die Verformung beschädigt. Der Formeinsatz der Biegevorrichtung wurde daraufhin in AP 5 modifiziert und weiterentwickelt. Eine tiefergehende Charakterisierung auf der Heizplatte, z.B. Parameterstudien waren aufgrund der vorliegenden Probleme nicht sinnvoll durchführbar. Entsprechende Arbeiten wurden im AP 7 nachgeholt. Eine Charakterisierung in der Anwendungsumgebung bei entsprechenden PA- Mitgliedern konnte im AP 4 ebenfalls nicht realisiert werden, da die Entwicklungen für das Bondverfahren noch nicht abgeschlossen waren. Ein Test der Zählersysteme aus dem ersten Technologiedurchlauf wäre ohnehin nicht sinnvoll gewesen aufgrund der aufgetretenen zuvor beschriebenen Probleme (zu geringer Hub des Aktors, Blockade der Hemmung, etc.).
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