Schule und Museum. Ein Kooperationsprojekt - Julia Matlok
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14 BDK-Mitteilungen 3.2020 Julia Matlok Schule und Museum. Ein Kooperationsprojekt Mit Studierenden lernen und lehren Wie die Zusammenarbeit von Studierenden und hierfür mitverantwortlich zu sein: das Bezüge zur Universität und Schülerinnen und Schülern aussehen Gestalten und Versenden einer Einladung, und welche Mehrwerte sie für beide Seiten das Rahmen und Hängen, das Vorstellen Der Lehrveranstaltungstyp „Fachdidaktische bereithalten kann, davon soll am Beispiel der der eigenen Werke vor einem fremden Pu- Übung mit Lehrversuchen“ ist Bestandteil Kooperation der Gustav-Heinemann-Schu- blikum, der Abbau und der Verkauf einiger des Kunstpädagogikstudiums an der Goe- le Rüsselsheim am Main und des Instituts Werke. the-Universität. Während eines Semesters für Kunstpädagogik der Goethe-Universität wird, häufig auch in Blockveranstaltungen, Frankfurt am Main berichtet werden. Abb. 1 Zur Ausstellung „Von Göttinnen und Weisheiten“. Tonarbeiten zum Schwerpunkt Südamerika entstehen. Akteurinnen, Akteure und Setting „Kunst mit KLASSE!“ ist eine seit vier Jah- ren stattfindende Kooperation, in welcher die Schülerinnen und Schüler des Rüssels- heimer Oberstufengymnasiums während eines Schuljahres intensiv mit dem frauen museum wiesbaden (s. Kasten) projektorien- tiert zusammenarbeiten. Leistungskurse des Faches Kunst wie auch Grundkurse der Ein- führungsphase, die in Kunst und Geschich- te von einer Lehrkraft unterrichtet werden, agieren für mindestens ein Schuljahr fä- cherübergreifend in Themenfeldern beider Fächer. Lernen die Schülerinnen und Schüler das frauen museum wiesbaden bei ihrem ersten Kooperationstreffen als Besuchende kennen, so erhalten sie im weiteren Verlauf während der etwa einmal im Monat statt- findenden Treffen immer mehr Einblicke in die aktuellen Ausstellungsthemen, die Ab- läufe des Museums und können bildnerisch- praktisch im Museum arbeiten. Weitere Ausstellungsorte des Rhein-Main-Gebietes werden zusammen mit der Direktorin des frauen museum wiesbaden, Beatrixe Klein, und der Tutorin, Julia Matlok, erschlossen. Auch die Eindrücke dieser Exkursionen wer- den gemeinsam rezipiert und gestalterisch verarbeitet. Aufgrund der zahlreichen Ex- kursionen und intensiven Praxisphasen hat das Oberstufengymnasium besonders im Fach Kunst einen ganztägigen Leistungskurs etabliert. Der reguläre Unterricht sowie die Projekttage sind daher von einer Werkstatt- atmosphäre geprägt. Am Ende eines Jahres- zyklus steht dann die eigene Ausstellung in den Museumsräumen, die mit einer Vernis- sage mit Vortrags- und Musikprogramm er- öffnet wird. Meist zeigen sechs bis sieben Werkgruppen unterschiedliche Themen – oft, aber nicht zwingend mit Genderbezü- gen. Vielfältige Techniken schaffen erst für die Lernenden, dann für die Ausstellungsbe- suchenden Kontraste, wobei letztere gerne auch Werke erstehen. Das Konzept des Pro- jekts ist es, die folgenden Schritte zu erleben
BDK-Mitteilungen 3.2020 15 Fotografieren im Haus einlud, wartete der Leistungskurs Kunst der Q3-Phase mit bildnerischen Werken auf die Studierenden. Auf der Grundlage der einstigen Bewerbungsmappen für das Studium brach- ten auch die Studierenden eigene Arbeiten in die Schule mit. Erstaun- lich war es, dass der Leistungskurs mit seinen Mappen im A1-Format und zahlreichen Werken aus dem bereits durchlaufenen Projekt aus dem Schuljahr der Q1- und Q2-Phase seine Werke sehr ausdauernd vorstellte. Dies mag auch der Tatsache geschuldet gewesen sein, dass die eigenen Werkgruppen während der schon vergangenen Vernis- sage anhand von Kurzvorträgen vorgestellt worden waren. Aufgrund der kongruenten Gruppengröße konnten jeweils Dialoge zwischen Studierenden und Schülerinnen und Schülern stattfinden. Nach einer Weile setzte ein rotierendes Kennenlernen ein. Aus der Lehrerinnen- perspektive betrachtet, aber auch für die Leitung des Museums wur- de schon zu diesem frühen Zeitpunkt des Projekts deutlich, wie sehr der Leistungskurs von dem Projekt „Kunst mit KLASSE!“ profitiert hat- te. Nicht nur waren die Schülerinnen und Schüler besonders bei den Studierenden darum bemüht, kompetent und selbstsicher aufzutre- ten, um den ihnen teilweise nur wenige Jahre „Vorausgeeilten“ auf Augenhöhe zu begegnen, sie waren durch das Projekt zum Austausch mit Studierenden des Faches auch gut befähigt. Die Studierenden konnten auf der Grundlage dieser ersten Begegnung selbstverständ- lich keine Lerngruppenanalyse anfertigen, mit dem Kurs jedoch auf Abb. 2 Tonarbeiten zum Schwerpunktthema Südamerika Tuchfühlung gehen, einen Einblick in die bisherige bildnerische Ar- beit gewinnen, die Möglichkeiten für das Fach Kunst an der Gustav- Heinemann-Schule und den Typus des Oberstufengymnasiums mit seinen spezifischen Charakteristika kennenlernen. ein lokales Museum besucht. Anhand eines ausgewählten Schwer- Ein intensiveres Eintauchen in den Ausstellungs- und Aktionsort, der punktes oder auf Grundlage einer Sonderausstellung wird von den für das Schulprojekt, aber auch für die Lehrversuche zentral war, wur- Studierenden zunächst eine Ausstellung erschlossen. Im Folgenden de den Studierenden während einer Blockveranstaltung am Wochen- werden eines oder mehrere Vermittlungskonzepte erstellt, welche ende ermöglicht. Hierfür standen zunächst unterschiedlichste Mate- dann in die Praxis umgesetzt werden können. Angeleitet werden die rialien wie Ton, Holz, Linolium, Kohle, Kreide, Acryl- und Aquarellfarbe Studierenden dabei von den Museumspädagoginnen und Museums- sowie unterschiedlichste Papiere bereit. Die Studierenden konnten pädagogen der jeweiligen Museen. Dies bedeutet zumeist, dass die sich mit Materialien ihrer Wahl zunächst ungerichtet in die Ausstel- Studierenden eine museumspädagogische Einheit für Schulklassen lungsfelder begeben und bildnerisch arbeiten. Auf diese Weise konn- allein oder in Kleingruppen anleiten. Wesentlich hierbei ist vor allem ten erste Neigungen und Interessen entdeckt werden, zudem erhielt die didaktische Aufbereitung musealer Felder sowie eine gelingende Umsetzung und die Reflexion des eigenen Tuns. Studierende können und sollen Bestärkung in der Umsetzung ihrer Ideen erfahren, eigene Planungen kritisch hinterfragen, Erfahrungen als Lehrpersönlichkeit machen und sich darüber austauschen können. Nicht zuletzt soll die Übung sowohl Lehramts- als auch Master- oder Bachelorstudie- renden die Möglichkeit bieten, sich beruflich zu orientieren und zu frauen museum wiesbaden prüfen, in welchem Bereich sie sich am ehesten beruflich engagieren möchten. Das Feld der Museumspädagogik stand hierbei aufgrund Die Lebenswelten von Frauen in Vergangenheit, Gegenwart der bereits geschilderten Konstitution der Übung im Vordergrund. und Zukunft stehen im Zentrum der Arbeit des kulturhistorisch Das Setting, in welchem Schul- und Hochschulveranstaltungen ver- ausgerichteten frauen museum wiesbaden. Das preisgekrönte, bunden wurden, sah vor, dass die Studierenden, die sich für die „Fach- interdisziplinär arbeitende frauen museum wiesbaden ist seit didaktische Übung mit Lehrversuchen“ eingeschrieben hatten, ent- seiner Gründung 1984 in privater Trägerschaft des gemeinnützi- weder während des Wintersemesters 2017/2018 oder 2018/2019 gen Vereins Frauenwerkstatt Wiesbaden e.V. und wird durch das in das Projekt „Kunst mit KLASSE!“ eingebunden werden sollten. Im Kulturamt der Landeshauptstadt Wiesbaden finanziell gefördert. Rahmen dieser drei Monate konnten die angehenden Kunstpäda- Das Museum entwickelt und präsentiert auf einer Fläche von goginnen und -pädagogen Orte, Akteurinnen, Akteure und Projekt 600 qm wechselnde Ausstellungen zu unterschiedlichen The- kennenlernen sowie selbst eine kunstpädagogische Sequenz planen, men. Zeitgenössische Kunstausstellungen vermitteln Einblicke umsetzen und in der Rückschau betrachten. Um die Projektbeschrei- in die Schaffenswelt von Künstlerinnen, Frauenfiguren aus aller bung zu vereinfachen, wird im Folgenden der Projektverlauf von Welt und allen Zeiten zeigen ein umfassendes Geschichts- und 2018/2019 skizziert; Eingang in das Resümee finden jedoch die Er- Kulturverständnis und in themenspezifischen Ausstellungen fahrungen beider Projektgruppen. werden inspirierende weibliche Persönlichkeiten präsentiert. Das vielseitige Veranstaltungsprogramm reicht von Tagungen, Projektrahmen Seminaren, Podiumsdiskussionen, Lesungen, Vorträgen und Stadtrundgängen bis zu Filmprojekten und Tanzdarbietungen. Gespannt von den Lernenden und dem Museumsteam erwartet, Die Arbeit des frauen museums wiesbaden wurde 1997 aus- konnten die Studierenden zunächst in je einer Blockveranstaltung gezeichnet mit dem Kulturpreis der Stadt Wiesbaden und 2020 das frauen museum wiesbaden sowie die Gustav-Heinemann-Schule als Museum des Monats durch das Hessische Ministerium für kennenlernen. Während Beatrixe Klein durch die vier Ausstellungs- Wissenschaft und Kunst. etagen des Museums führte und zum spontanen Zeichnen und www.frauenmuseum-wiesbaden.de/de/geschichte
16 BDK-Mitteilungen 3.2020 der affektive produktive Zugang den Vorrang. Es folgte eine Sammlung der unterschiedli- chen kreativen Werkzugänge und Themen. Anhand der entstandenen Themen fand am folgenden Tag wahlweise allein oder in Part- nerinnen- bzw. Partnerarbeit die Recherche statt. Die Museumsbibliothek bot hierfür eine umfangreiche, auf den Schwerpunkt des Museums bezogene Grundlage. Wei- tere Literatur wurde von den Studierenden mitgebracht. Durch die Möglichkeit, immer wieder in die Ausstellungsetagen des Mu- seums gehen, Objekte, Bild- und Tondoku- mente unmittelbar konsultieren zu können, aber auch durch den Austausch konkreti- sierten sich Schwerpunktthemen, die später die Grundlage der Lehrversuche bildeten. Didaktische Orientierung boten, neben der Fachliteratur, bisherige Einheiten des Pro- jekts „Kunst mit KLASSE!“ Innerhalb von drei Jahren Projektarbeit war ein Material- fundus entstanden, der sowohl Reihen- als auch Stundenplanungen und Arbeitsblätter umfasst. Die nun folgenden 90-minütigen Einheiten in den Institutsräumen der Uni- versität standen zur Diskussion der Ent- würfe sowie zur individuellen Beratung zur Verfügung. Ab dieser Phase der fachdidak- tischen Veranstaltungen hatten die Studie- renden, die lediglich einen Teilnahmeschein erwerben wollten, die Möglichkeit, ihr Kon- zept abzugeben. Studierende, die den Leis- tungsschein anstrebten, bereiteten sich auf die Umsetzung ihrer Konzeption vor und gingen in die praktische Planung der Lehr- versuche. Lehrversuche in der Praxis Durch das überwiegend große Engagement der Studierenden kamen fünf verschiede- ne Lehrversuche, die jeweils 90 Minuten umfassten, zustande. Da die Bezeichnung „Lehrversuch“ den Schülerinnen und Schü- lern wenig geläufig ist und der Terminus des Versuchs bei den Teilnehmenden befremdlich wirken kann, wurden Lieblingsgegenstände diese für den Kurs als Workshops vorgestellt. Schnell wurde klar, dass das Programm für einen Leistungskurs zu umfangreich sein Der Vormittag des Workshop-Tages begann in der Dauerausstellung würde. Daher wurde der zweite Kunst-Leistungskurs der Schule ein- mit handlichen Lieblingsgegenständen (ausgenommen Smart- geladen und ein Workshop auf den Tag der offenen Tür in der Gus- phones und digitale Mobilgeräte), die alle am Workshop Teilnehmen- tav-Heinemann-Schule ausgelagert. Aufgrund der verschiedenen den mitbrachten. Die Vorstellungsrunde anhand der persönlichen Ausstellungsetagen war es problemlos möglich, zwei Gruppen am Gegenstände ermöglichte ein lockeres Kennenlernen und weckte zu- Vormittag parallel in der Dauer- und Sonderausstellung arbeiten zu gleich das Bewusstsein für die Symbolkraft von Gegenständen und lassen. Nach einer gemeinsamen Mittagspause fand ein Wechsel der somit auch für die der Exponate der Ausstellungsebene. Schwer- Workshops statt und zum Ende ein gemeinsamer Abschluss mit Prä- punktmäßig wurde aus dieser die Plattform, die sich mit Altameri- sentation der entstandenen Werke. Dieses aufgelockerte Programm ka beschäftigt, herausgegriffen. Vor dem Hintergrund persönlicher hat sich in der Praxis bewährt, da nicht nur die Teilnahme an den Bezüge durch die Familiengeschichte sowie besonderes persönliches Workshops, sondern auch der Austausch zwischen und während der Interesse und fundiertes Wissen konnte der anleitende Student in Einheiten wesentlicher Bestandteil außerschulischen Lernens und der Übung vielfältige Aspekte der Artefakte, die von Amuletten über Lehrens sein sollte. Im Folgenden soll dieser Workshop-Tag umrissen Gefäße bis hin zu Figurinen reichten, behandeln. Ein großes Anliegen werden. war es hierbei, die eurozentristische Perspektive auf die Exponate, Aus dem im Winter 2018/2019 aktuellen Angebot wählten drei der die ohne Hintergrundtexte gezeigt werden, zu überwinden. Zudem fünf Studierendengruppen die Sonderausstellung „Glamour, Avant- galt es vielfältig, Relevanz oder Kontinuität zwischen prähistori- garde und Latzhose“. Zwei weitere Studierende beschäftigten sich schen Figuren und Gegenständen der Lernenden und somit der heu- mit der Dauerausstellung „Von Göttinnen und Weisheiten“ und ent- tigen Lebenswelt zu finden. Eine moderierte Diskussion zu diesem wickelten jeweils ein eigenes Vermittlungskonzept. Themenfeld leitete zur Praxisarbeit mit Ton über (Abb. 1). Auch im
BDK-Mitteilungen 3.2020 17 plastischen Arbeiten sollten Deutungsan- sätze von Götterskulpturen nachempfunden und haptisch erahnt werden. Kopien, Zitate und Neuinterpretationen zu den Exponaten entstanden in Ton (Abb. 2). Tonfigur Ebenfalls mit der Dauerausstellung be- schäftigte sich der Workshop mit der Frage: „(Inwiefern) ist die Unsichtbarkeit der Vulva historisch bedingt? War das schon immer so?“ Dieser brisante und den Inhalt vor- wegnehmende Titel war den Jugendlichen vorab nicht bekannt. Stattdessen wurde ein niedrigschwelliger Einstieg über eine kleine Zeichenaufgabe gewählt. Schülerinnen und Schüler sollten das Geschlecht von Mann und Frau spontan zeichnen. Wie von der an- leitenden Studentin vermutet worden war, konnte gerade das weibliche Geschlecht nur sehr schemenhaft dar- gestellt werden. Dass dies auf der heutigen kulturellen Verfasstheit basiert, die Nacktheit von Frauen einerseits objekthaft herauszu- stellen und ihr Geschlecht zugleich mit schamhafter Unsichtbarkeit zu belegen, wurde im anschließenden Gespräch erarbeitet. Unter- stützend wurde hierbei ein Comicauszug aus Liv Strömquists „Der Ursprung der Welt“ herangezogen (Abb. 3). Kurzweilig, witzig bis ironisch wird darin auf diese Tatsache Bezug genommen und ein kleiner Exkurs zu den Geschlechtervorstellungen des 19. Jahrhun- derts wurde geboten. Besonders passend war das von der Studentin gewählt Comicmaterial auch, da zwei Exponate des Museums da- rin gezeigt und thematisch eingebunden waren: Repliken der Frau von Laussel (im Original aus Kalkstein, etwa 25.000 Jahre alt) und der Frau vom Hohlefels (im Original aus Mammut-Elfenbein, etwa 35.000 bis 40.000 Jahre alt). Mit beiden prähistorischen Artefakten konnten sich die Lernenden in jeweils einer Arbeitsgruppe eigen- ständig beschäftigen. Nach einer deskriptiven Analyse wurden ers- te Interpretationsansätze gewagt, wobei auf den nur spekulativen Charakter, aufgrund der mangelnden Faktenlage, hingewiesen wur- de. Neben dem, allgemein oft den altsteinzeitlichen Idolen zugeord- neten Aspekt der Fruchtbarkeit wurde den beiden prähistorischen Frauendarstellungen vorrangig das Göttliche zugeordnet. Im Folgen- den standen demnach Fragen wie „Warum ist vielen heute die The- matisierung der weiblichen Geschlechtsorgane peinlich?“ „Warum war es in der Altsteinzeit ein heiliges Thema?“ oder „Zu was führt die Unsichtbarkeit der Vulva?“ im Fokus. Nach dem kritischen Um- gang mit historischen Vorstellungen und gesellschaftlichen Werten erhielt das erworbene Wissen Ausdruck in einer eigenen Tonfigur. Diese zu formen und dann kurz zu erklären, wieso die Figur entspre- chend gestaltet ist und worauf die Gestaltung Bezug nimmt, runde- te den zweiten Workshop ab (Abb. 4). Zeitschriftencover Parallel hierzu fand morgens in der Sonderausstellung „Glamour, Avantgarde und Latzhose“ die Auseinandersetzung mit Printmedien am Beispiel der Frauenzeitschrift statt. Der Leistungskurs hatte als vorbereitende Aufgabe eine gängige Frauenzeitschrift kritisch ana- lysiert, visuell wie inhaltlich. Auch in der Ausstellungsebene war eine Wand feministisch geprägten Zeitschriften gewidmet, die besonders Abb. 3 (li. o.) Gemeinsame Annäherung an die prähistorischen Artefakte durch Comics in der Ausstellung „Von Göttinnen und Weisheiten“ im Eigenverlag erschienen waren. Darunter fanden sich auch Zei- Abb. 4 (re. o.) Themenvertiefung und Diskussion zur Unsichtbarkeit des weiblichen Geschlechts tungscover der 1970er Jahre, die buchstäblich Schlagzeilen gemacht in der Ausstellung „Von Göttinnen und Weisheiten“ hatten. Exemplarisch ist der „Stern“ vom 06. Juni 1971 zu nennen, Abb. 5 (li. u.) Auf der Grundlage von Selbstporträts werden in der Ausstellung „Glamour, der titelte: „Wir haben abgetrieben!“ Öffentlich gemacht wurde Avantgarde und Latzhose“ eigene Zeitschriftencover entwickelt. Abb. 6 (re. u.) Zeitschriftencover einer Schülerin im Querformat, welches sich auch inhaltlich dabei eine Aktion, bei der 374 prominente und nicht prominente gegenüber weiblichen Posen und Idealen durch den Verzicht auf die Bildfigur querstellt Frauen sich zu ihrem Schwangerschaftsabbruch und dem damit ein-
18 BDK-Mitteilungen 3.2020 hergehenden damaligen Rechtsverstoß bekannten. Die in der Aus- Die Besonderheit der Veranstaltung lag in der Zweigleisigkeit von stellung vorhandenen Zeitschriftencover wurden mit der eingangs Schule und Museum. Schülerinnen und Schüler, aber auch Studie- von den Lernenden vorgestellten Analysen von gängigen aktuellen rende bewegten sich in beiden Institutionen und erkundeten im Frauenzeitschriften kontrastiert. Als zusätzlicher Input zum Thema Projekt Möglichkeiten kooperativen Lernens. Während die Oberstu- wurde ein kritisches Interview mit einem Redakteur aus den 1970er fenschülerinnen und -schüler schon während ihres ersten Leistungs- Jahren zum Thema Frauenzeitschriften gehört, welches ein erschre- kursjahres vermehrt Museumsluft schnuppern konnten, hatte sich ckend eindimensionales und fremdbestimmtes Bild der Frau zeich- ihr Aktionsradius in der 13. Klasse nun hin zum Austausch mit Stu- nete. Im Spannungsfeld damaliger feministischer Zeitschriften und dierenden erweitert. Dies scheint für Schülerinnen und Schüler, die heutiger Frauenzeitschriften konnten die Schülerinnen und Schüler kurz vor dem Abitur oftmals deutliche Fortschritte hinsichtlich der im Anschluss selbst ein Zeitschriftencover erarbeiten (Abb. 5). Es soll- Durchdringung von Fachinhalten, aber auch in Bezug auf persönli- te verdeutlichen, welche Themen ihnen wichtig sind. Als Grundlage che Reife machen, naheliegend. Mit Blick auf die baldige berufliche konnte ein Selfie, welches vorab in Farbe im Format A4 ausgedruckt Orientierung zeigt das Leistungsfach häufig die Neigung für ein be- worden war, dienen. Schrift und Bild konnten genutzt werden, um stimmtes Berufsfeld an. Studierende nach ihren Studieninhalten be- dem eigenen Frauenbild oder noch unerfüllten Forderungen Aus- fragen zu können, sie „bei der Arbeit“ erleben und auch sich selbst druck zu verleihen (Abb. 6). befragen zu können, ob das Feld der Kunstpädagogik ein mögliches eigenes Arbeitsfeld sei, war für einige Schülerinnen und Schüler Plakate hilfreich. Dass die Studierenden nur wenige Jahre älter waren und noch stärker als Lernende erlebt wurden als eigene Lehrkräfte, unter- Der vierte Workshop beschäftigte sich mit dem Thema Protest, wel- stützte ein schnelles Einlassen aufeinander. Spannend war es aber ches in der Sonderausstellung „Glamour, Avantgarde und Latzhose“ auch zu sehen, was der Unterricht des Faches Kunst in der Schule vielfältig sichtbar wurde. Kleidung, Musik, Zeitschriften, besonders und Universität, was aber auch Lebenswirklichkeit den angehenden aber das Plakat waren in den späten 1970er Jahren Ausdruck von Kunstpädagoginnen und Kunstpädagogen mitgegeben hatte. Wozu Lebensgefühl und Lebenshaltung geworden, die oft bewusst Kritik waren sie befähigt, welche Kompetenzen fehlten ihnen? Angehende an der bestehenden Ordnung übte. So wollte auch die Frauenbe- Kunstlehrerinnen und -lehrer schon während ihres Studiums darin wegung eine umfassende gesellschaftspolitische Transformation. zu bestärken, engagiert zu lehren und auch außerschulisch zu agie- Mit dem Blick der Nachgeborenen näherten sich die Teilnehmenden ren, das war ein Ziel des Projekts. In Erfüllung ging vorerst das Einlas- den Forderungen der zweiten Frauenbewegung (Abb. 7). Anhand des sen auf viele kritische Themen für das Projekt „Kunst mit KLASSE!“, Videos „Ain't Your Mama“ von Jennifer Lopez, welches sie mit Hilfe die lebensnah und mit aktuellem Bezug vermittelt wurden. Auch der der Videoanalyse zusammen erschlossen, überprüften sie, inwiefern selbstkritische Blick auf das eigene Projekt im Nachgang stellte die sich die Forderungen erfüllt hatten. Besonders geeignet erschien Weichen für einige Modifizierungen für das Folgejahr. Nicht zuletzt dieses Musikvideo, da es durch den Text auffordert, tradierte Frauen- erhielt das Projekt „Kunst mit KLASSE!“ durch die Teilnahme der Stu- bilder hinter sich zu lassen, die Sängerin visuell jedoch als Pin-up-Girl dierenden auch ein breiteres Interesse in den Aktionsräumen Schu- inszeniert. Auf perfide Weise treten Bild und Text dementsprechend le, Museum und Universität. Damit waren die sich verzahnenden in Dissonanz und führen den scheinbar emanzipatorischen An- Projekte für alle Beteiligten mit höherem Zeiteinsatz, aber auch mit spruch ad absurdum. Dies aufzudröseln, machte den Schülerinnen wertvollen Erfahrungen und Erkenntnissen verbunden. und Schülern Freude und motivierte sie für die anschließende Pra- xisphase. Auf Plakaten konnten sie selbst Bild und Text nun in Über- Fotos: Kim Engels einstimmung bringen und einen Bereich benennen, in welchem sie Emanzipation noch immer für wesentlich hielten. Die entstandenen Literatur Plakate wurden anschließend im Treppenaufgang zur Ausstellungs- Engels, Kim/Fuchs, Gotthard: Sag an, wer ist doch diese… Göttinnenfiguren und Marienbilder. etage für die Dauer der Ausstellung aufgehängt. Wiesbaden 2008. Gimbutas, Marija: Die Sprache der Göttin. Frankfurt a. M. 1998. Resümee Heinrich-Böll-Stiftung/Feministisches Institut (Hg.): Wie weit flog die Tomate? Berlin 1999. Notz, Gisela: Warum flog die Tomate? Die autonomen Frauenbewegungen der Siebzigerjahre. Neu-Ulm 2018. Auf den Workshop-Tag mit den Studierenden zurückblickend, stell- ten die Schülerinnen und Schüler beider Kurse ihre Arbeiten vor und tauschten sich über ihre Eindrücke aus. Auch die Studierenden er- hielten die Möglichkeit, Feedback zu geben oder sich über ihre Erfah- rungen zu äußern. Die durchweg positive Resonanz und die gelöste Atmosphäre waren ein erster Indikator einer gelungenen Koopera- tion (Abb. 8). Wie ist das dargestellte Projekt nun aber mit etwas Julia Jennifer Matlok ist Kunstpädagogin M. A., OStR an einem Abstand zu betrachten, welche Mehrwerte sind für alle Beteiligten Oberstufengymnasium und Lehrbeauftragte an der Goethe- daraus entstanden? Universität Frankfurt am Main. E-Mail: julia.matlok@web.de Abb. 7 Schülerinnen und Schüler erforschen in der Ausstellung „Glamour, Avantgarde und Latz- hose“ deren emanzipatorischen Anspruch. Abb. 8 Am Ende des ersten Workshop-Tages tauschen sich alle Beteiligten im Plenum aus.
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