Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, feiert der Schweizer Fussball abseits der Fussball-WM in Russland 2018 ein Jubiläum: 50 Jahre ...

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Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, feiert der Schweizer Fussball abseits der Fussball-WM in Russland 2018 ein Jubiläum: 50 Jahre ...
THEMA

                                                               Von der Öffentlichkeit fast
                                                               ­unbemerkt, feiert der
                                                                ­Schweizer Fussball abseits der
                                                                 Fussball-WM in Russland 2018
                                                                 ein Jubiläum: 50 Jahre
                                                                 ­Frauenvereinsfussball. Fünf
                                                                  Vorkämpferinnen erzählen.
                                                               TEXT: FABIAN ROTTMEIER

                                                               E
                                                                              s ist nicht das erste Mal, dass die bei-
                                                                              den Schwestern an diesem Morgen
                                                                              über eine Jahreszahl rätseln. «Wann
                                                                              war das schon wieder, als wir gegen-
                                                                              einander Fussball spielten, als ich
                                                               schwanger war?», fragt Ursula Moser ihre Schwes-
                                                               ter Trudy Streit-Moser. Statt einer Antwort «schiesst»
                                                               die 65-Jährige zurück: «Ich war die einzige Spiele-
                                                               rin auf dem Platz, die davon wusste, und durfte dich
                                                               deswegen nicht einmal ummähen!» Der Wintergar-
                                                               ten in Glattbrugg ist voller Energie, wenn sich die
                                                               beiden Fotos und Zeitungen aus ihren alten Tschutti­
                                                               zeiten anschauen. Ursula Moser ist dafür extra aus
                                                               Lyon angereist, wo sie seit vielen Jahren lebt.
                                                                    Die Fussballgeschichte der Zürcher Schwestern
                                                               beginnt vor 50 Jahren, am 21. Februar 1968. Es ist
                                                               der Tag, an dem der landesweit erste Frauenfussball-

   Anstoss!
                                                               verein gegründet wird, der Damenfussballclub Zü-
                                                               rich. Die erste Präsidentin: Ursula Moser, 18-jährig.
                                                               Monatlicher Mitgliederbeitrag: 5 Franken. Schwes-
                                                               ter Trudy ist von Beginn an dabei, selbst ihr Vater en-
                                                               gagiert sich früh und löst seine Tochter später als Prä-
                                                               sident ab. Der DFCZ sucht per Zeitungsinserat
                                                               «Frauen unter 80», die sich anschliessen möchten.
                                                                    Die Hauptmotivation, den Verein zu gründen?
                                                               «Wir wollten einfach Fussball spielen», sagt Ursula
                                                               Moser. Sie seien sich bewusst gewesen, dass es ohne
                                                               einen Verein schwierig geworden wäre, Trainings-
                         © Keystone/Eugen Suter, Sara Keller

                                                               plätze zu finden. Beide waren damals Mitglieder des
                                                               Leichtathletikclubs Zürich und hatten dabei immer

Schweizer Pionierinnen
                                                               wieder die Trainings des FCZ um die Stars wie Köbi
                                                               Kuhn beobachtet. Statt Leichtathletik trainierten sie
                                                               fortan immer mehr mit einem Fussball. Als politi-

jagen das runde Leder
                                                               sches Zeichen will Moser die Gründung aber nicht
                                                               verstanden wissen, es sei eher so gewesen, dass sie
                                                               ihre Fussballvorbilder nachahmen wollten.

12 ZEITLUPE 7-8/2018                                                                                  ZEITLUPE 7-8/2018   13
Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, feiert der Schweizer Fussball abseits der Fussball-WM in Russland 2018 ein Jubiläum: 50 Jahre ...
THEMA

     Bereits vier Monate später berichtet das                                                                                                                                                                                               1965 gewann der FC Goitschel gegen den Ge-
Schweizer Fernsehen über den DFC, mit dem Ti-                                                                                                                                                                                          meinderat von Murgenthal mit 7:2 – ein
tel «Die Torjägerinnen, vor denen gewarnt wird».                                                                                                                                                                                       Plauschmatch zugunsten eines geplanten Alters-
In der Sendung «Antenne» trotzt Ursula Moser                                                                                                                                                                                           heims. Das Team verkaufte auch selbst angefer-
den herablassenden Fragen des Reporters – kau-                                                                                                                                                                                         tigte Lederfussbälle. Im selben Jahr stellten die
gummikauend: «Wieso sollte der Frauenfussball                                                                                                                                                                                          Fussballerinnen beim Schweizerischen Fussball-
keine Zukunft haben?», entgegnet sie ihm selbst-                                                                                                                                                                                       verband (SFV) per Brief einen Antrag, um offizi-
bewusst. Dieser «Antenne»-Beitrag ist übrigens                                                                                                                                                                                         ell anerkannte Spiele auszutragen. Monika Stahel
auf der Webseite www.seit1968.ch zu sehen, ei-                                                                                                                                                                                         störte sich immer daran, wenn Buben etwas durf-
nem vom FCZ-Museum realisierten Blog, der die                                                                                                                                                                                          ten und die Mädchen nicht. «Insofern war unser
Anfänge des Zürcher Frauenfussballs mit tollem                                                                                                                                                                                         Engagement auch ein gesellschaftspolitisches Zei-
Archivmaterial aufrollt. Mehr geärgert als über                                                                                                                                                                                        chen», sagt die 70-Jährige.
den TV-Journalisten haben sich die Schwestern          Im ersten                     Auch Schwester Trudy findet ihren Ehemann                                   im aargauischen Murgenthal das wohl schweiz-                               Der Verband lehnte den Antrag ab, bot den
                                                      ­Länderspiel
jedoch über Männer, die bloss zu den Spielen ka-       Schweiz –                im Fussballverein, als Spielerin des SV Seebach:                                 weit erste Frauenteam gegründet zu haben, je-                         Schwestern jedoch wegen Schiedrichtermangels
men, «um die Brüste hüpfen zu sehen», und dies         Österreich, 1970,        «Er war Trainer und Präsident, ich nicht die                                     doch ohne Vereinsstatus. Ihren FC Goitschel                           an, sich zu Schiedsrichterinnen ausbilden zu las-
auch noch filmten. «Diesen Gaffern wollten wir        ­schreitet                Schlechteste, also haben wir sozusagen einen                                     ­benannten die Stahel-Schwestern nach einem er-                       sen. Was sich heute wie ein Affront anhört, ehrte
                                                       Star-Spielerin
es zeigen», sagt Ursula Moser.                                                  Transfer eingefädelt», sagt die 65-Jährige und                                    folgreichen französischen Schwestern-Paar im                         die Stahels. «Zu einem offenen Türspalt konnten
                                                       Madeleine Boll (r.)
                                                       als Erste aufs Feld.     lacht laut los. Bruno Streit wurde später für acht                                Skirennsport, das im Sommer gerne Fussball
                                                                                                                                                                                                                           „Unser      wir nicht Nein sagen», begründet Monika Stahel
Zarte Füsse, hartes Leder                              Ursula Moser             Jahre Nationaltrainer.                                                            spielte. Silvia stand im Tor (ohne Handschuhe),                      den Entscheid, das Angebot anzunehmen. Silvia
Die Vereinsstatuten entwirft Ursula Moser mit ih-      (6. v. r.) und                Im ersten Vereinsjahr 1968 gab es nur wenige                                 Monika im Sturm (mit viel Ehrgeiz).                   Engagement     Lerch: «Hauptsache, es hatte etwas mit Fussball
ren Vorstandskolleginnen in einem Zürcher Café.
                                                       Fiorenza Kretz
                                                       (7. v. r.) folgen ihr.   Gegnerinnen, und die stärksten spielten ausgerech-                                    Grümpelturniere waren zu Beginn der 1960er-          für den     zu tun. Rückblickend wirkt dies etwas seltsam.»
Als sie an einem anderen Tisch den national be-                                 net in Sion. Mit zwei Autos à je sieben Plätzen fuhr                              Jahre für Frauen die einzige Möglichkeit, sich im     Frauenfuss-    Immerhin fand der Antrag in einer Zeit statt, als
kannten Spieler Robert Kaiserauer entdeckt, bit-                                das Team in zehn Stunden ins Wallis. Erst zwei                                    Fussball wettkampfmässig mit anderen zu mes-               ball      die meisten Männer dachten, Fussball sei nichts
tet sie ihn um ein paar Ratschläge. Es sollte nicht                             Jahre später entstand die Schweizerische Damen-                                   sen. Der FC Goitschel räumte fast überall ab. «Bis                   für Frauen und ein Vereinsleben würde nicht ih-
dabei bleiben. Ein paar Monate später heiraten                                  fussball-Liga mit zehn Teams. Der erste Schweizer                                 sich einige Teams weigerten, sich anzumelden,
                                                                                                                                                                                                                          war auch     rem «Tagesrhythmus» entsprechen. Ärzte wiede-
die beiden und bekommen ein Mädchen. Die Ehe                                    Meister hiess Aarau. Im darauffolgenden Jahr,                                     wenn wir mitmachten», sagt Silvia Lerch amüsiert       ein gesell-   rum behaupteten, die Sportart sei für Frauen ge-
hält fünf Jahre, die Freundschaft bis zu Kaiser­                                1971, anerkannte der Fussball-Weltverband FIFA                                    und erzählt, wie ihre Schwester einst aus Ärger die     schafts-     sundheitsgefährdend.
auers Tod. Kurz vor der Trennung landet Ursula                                  den Frauenfussball. Der Schweizerische Fussball-                                  Silberschale für den 2. Rang verbog. Monika Sta-       politisches        14 Frauen wurden fortan zu Schiedsrichterin-
Moser, inzwischen auch Nationalspielerin und                                    verband benötigte dazu weitere 22 Jahre.                                          hel ergänzt: «Ich war eine schlechte Verliererin.                    nen ausgebildet, und der Kursleiter konstatierte
landesweit eine der ersten Frauen mit Trainer­                                                                                                                    Meine Devise lautete: erster Platz oder nichts.»
                                                                                                                                                                                                                         Zeichen.„     im «Brückenbauer», dass «die Damen zu 80 Pro-
lizenz, auf der Titelseite der «Allgemeinen». Die                               Erster Platz oder nichts                                                              Ihre damalige Ernsthaftigkeit weicht einer             ●         zent begriffen haben, um was es geht». 1966 pfif-
damals 24-Jährige wird auf dem Bild jonglierend                                 Wer von den Anfängen des Frauenfussballs in der                                   ansteckenden Fröhlichkeit, wenn die beiden von                       fen die Stahels ihre ersten Spiele bei den Junio-
als «erste Fussballtrainerin der Schweiz» gefeiert.                             Schweiz erzählt, kommt um die beiden Schwes-                                      früher erzählen: Wie sie sich selbst Spielerpässe                    ren, später kamen Firmenspiele hinzu. Die Zeit-
                                                                                                                                       © Keystone, Sara Keller

Die Artikelüberschrift «Zarte Füsschen am har-                                  tern Monika Stahel und Silvia Lerch nicht herum.                                  gebastelt hätten. Wie sie darauf achteten, dass                      schrift «Sie & Er» titelte: «Mädchen mit Pfiff».
ten Leder» wird später zum Titel des Buches der                                 Zwar gab es bereits 1923 in Genf eine schlecht do-                                nicht geflirtet wurde, weil man schliesslich wegen                   Sie seien erstaunlich gut akzeptiert gewesen als
Historikerin Marianne Meier, die 2004 ein um-                                   kumentierte weibliche Fussballgruppe namens                                       des Fussballs gekommen war. Wie sie hinterein-                       Schiedsrichterinnen, sagen beide. Als mühsam
fassendes Werk über den hiesigen Frauenfussball                                 «Les Sportives». Trotzem dürfen die gebürtigen                                    ander in einer Reihe auf den Platz geschritten wa-                   empfanden sie, dass sie sich oft bei Privatperso-
verfasst.                                                                       Schaffhauserinnen für sich beanspruchen, 1963                                     ren, um ernst genommen zu werden.                                    nen umziehen und im Schiri-Dress durchs halbe

14 ZEITLUPE 7-8/2018                                                                                                                                                                                                                                                    ZEITLUPE 7-8/2018   15
Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, feiert der Schweizer Fussball abseits der Fussball-WM in Russland 2018 ein Jubiläum: 50 Jahre ...
THEMA

Dorf spazieren mussten. Drei Saisons lang pfif-           Fussballerin                                                                                               eine tragende Rolle ein und schickte auch mal ei-        Weitere Archivbilder    die grössere Respektsperson als eine Frau – völlig
fen die beiden.                                       ­Fiorenza Kretz                                                                                                nen Trainer in die Wüste, der sich mehr für die          aus der Pionierzeit:    doof.» Sie verfolgt den Frauenfussball nicht mehr
     Mit dem FC Goitschel folgte 1967 ein Meilen-        im Schweizer                                                                                                Spielerinnen als für den Fussball interessierte. Die     www.zeitlupe.ch/        genau, hat sich aber dennoch gefreut, als das
                                                      Nationaldress,                                                                                                                                                          bilder-galerie/
stein: das schweizweit erste dokumentierte Spiel          7. Mai 1972.                                                                                               heute 65-Jährige ist die erste Spielerin der Ver-                                Schweizer Fernsehen vor ein paar Jahren zum ers-
                                                                                                                                                                                                                              frauenfussball
mit je 11 statt wie bisher 6 Spielerinnen. 11 gegen                                                                                                                  einsgeschichte, die mit einer Roten Karte vom                                    ten Mal ein Spiel der Frauen-Nati live übertrug.
11 – wie bei den Männern. «Es fühlte sich irgend-                                                                                                                    Platz flog. Sie mähte aus Frust über eine Gelbe          Buch: «Zarte Füsschen       Wo steht der Frauenfussball heute? Er ist auch
wie wichtig an», sagt Silvia Lerch. 6:0 siegte der                                                                                                                   Karte kurz darauf eine Gegnerin um. Im Spiel sei         am harten Leder …» –    nach 50 Jahren eine Randsportart geblieben, die
FCG in Wohlen gegen ein Team aus Zürcher Spie-                                                                                                                       sie wie ein anderer Mensch gewesen. Lachen muss          Frauenfussball in der   von den einen akzeptiert, von den anderen belä-
lerinnen. Die beiden Schwestern beteiligten sich                                                                                                                     sie auch, wenn sie erzählt, dass ihr Vater in einem      Schweiz 1970–1999,      chelt, von den meisten aber ignoriert wird. Zu ei-
zwar noch am Aufbau des erfolgreichen Damen-                                                                                                                         Trainingsprotokoll notierte, dass seine Tochter          Marianne Meier,         nem Spiel kommen selten mehr als 100 Fans, sagt
fussballclubs Aarau und spielten anfänglich mit,                                                                                                                     wegen Regens nicht trainieren wollte.                    Verlag Huber, 2004.     FCZ-Präsidentin Tatjana Haenni (siehe Interview
das innere Feuer jedoch erlosch zusehends. «Als                                                                                                                                                                               Blog über               auf S. 19) und träumt von Verhältnissen wie in den
wir sahen, dass unsere Idee weiterlebt und sich                                                                                                                      Nach wie vor eine Randsportart                           die Anfangszeit:        Vereinigten Staaten von Amerika, wo im Schnitt
verbreitete, reichte uns das», sagt Monika Stahel.                                                                                                                   Den bittersten Moment ihrer Karriere erlebt Fiore        www.seit1968.ch         5000 Leute ins Stadion strömen und die Schwei-
     1970 machte der Schweizer Frauenfussball                                                                                                                        Kretz im Nationalteam. An der ersten inoffiziellen                               zer Nationalspielerin Ana Maria Crnogorčević bei
den nächsten Schritt: Er wurde international. In                                                                                                                     Weltmeisterschaft 1970 traf die Schweiz auf Gast-                                den Portland Thorns FC im Schnitt vor über
Schaffhausen stieg das erste – wenn auch inoffi-                                       Vertrag. Die italienische Liga war                                            geber Italien. «Wie da geschummelt wurde, un-                                    17 000 Fans spielt. Immerhin: Ein Stirnrunzeln
zielle – Länderspiel gegen Österreich, das die                                         das Mass aller Dinge. Boll machte                                             glaublich!» Als der Schweizer Trainer die Zürche-                                bleibt heute bei den meisten Eltern aus, wenn die
Schweizerinnen mit 9:0 gewannen. Trudy Moser                                            sich als «Montagna Bionda» einen                                             rin einwechseln wollte, ist ihr Spielerpass bei den                              Tochter sagt, dass sie zum «FC» wolle, und das
und Ursula Kaiserauer standen auf dem Feld,                                             Namen. Es ist eine Zeit, in der auch                                         italienischen Verantwortlichen unauffindbar. Fi-                                 Spielniveau hat sich in den vergangenen Jahren
ebenso Madeleine Boll, der wohl erste «Star» des                                         Ursula Moser zum Test in Napoli                                             ore musste draussen bleiben, die Schweiz verlor                                  stark verbessert. 1971 verzeichnete die Schweiz

                                                                                                                               © Keystone/Eugen Suter, Sara Keller
Schweizer Frauenfussballs. Die 17-Jährige war                                            weilte. Sie erschien in Hot Pants                                           und schied aus, auch wegen kurioser Schieds-                                     270 lizenzierte Spielerinnen, heute sind es knapp
­bereits mit 12 ein erstes Mal in die Schlagzeilen                                       zum Teambus, die Spielerinnen in                                            richterentscheide. Fussball war für sie nie politisch,                           24 000 – oder jede elfte ausgestellte Lizenz. Bild-
 geraten, als ihr der Fussballverband als erstem                                         zugeknöpfter Vereinsuniform.                                                sie interessierte sich mehr für Franz Beckenbauer                                lich gesprochen: Einer von elf Spielern auf dem
 Mädchen eine Lizenz ausstellte – und diese so-                          Nach einer Woche flog sie wieder nach Hause.                                                und Bayern München. «Die meisten wollten wie                                     Platz ist weiblich. Eine Zahl, die für alle jene
 gleich annullierte, als er den «Fehler» durch Me-                           In Schaffhausen reihte sich auch Fiorenza                                               ich einfach tschutten.» Schade findet sie hingegen,                              spricht, die sich vor 50 Jahren dafür eingesetzt
 dienberichte über die wirblige Juniorin bemerkte.                       Kretz unter die Torschützinnen. Fiore, wie sie von                                          dass das Klischee, ein Mann könne alles besser als                               haben. ❋
 Die Walliserin ging trotzdem ihren Weg und stand                        allen genannt wird, war damals Teamkollegin der                                             eine Frau, immer noch bestehe. «Sogar Frauen
 bei der Länderspiel-Premiere in Mailand unter                           Moser-Schwestern, ihr Vater nahm beim DFCZ                                                  denken so. Auch bei uns im Fussball war ein Mann                                 Interview mit Tatjana Haenni auf Seite 19.

                                                                                                                                                                                                                                                                                         ZEITLUPE 7-8/2018   17
Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, feiert der Schweizer Fussball abseits der Fussball-WM in Russland 2018 ein Jubiläum: 50 Jahre ...
INTERVIEW

„Wir werden
nicht mehr belächelt„
Es ist viel geschehen im Frauenfussball                                                verstehe nicht, weshalb die dritt-
in 50 Jahren – und doch scheint es,                                                    höchste Liga der Männer mehr Geld
als stehe man immer noch am Anfang.                                                    umsetzt als die höchste Frauenliga.
­Teilen Sie diesen Eindruck?                                                           Viele Zuschauer haben es satt, dass sie
 Da ist etwas dran. Natürlich war                                                      wegen der gewalttätigen Fans nicht
 es 1968 schwieriger als heute. Diese                                                  mehr gerne ins Stadion gehen. Der
 Frauen mussten sich gegen viele                                                       Frauenfussball könnte ein erfrischen-
 Vorurteile durchsetzen. Ich habe                                                      der Gegenpol sein.
 grossen Respekt vor diesen Pionierin-          ● Tatjana Haenni
 nen. Als ich den Film «Die göttliche           Die ehrenamtliche Präsidentin der      Was beschäftigt Sie derzeit als Klub-
 Ordnung» sah, dachte ich oft: Das ist          FC Zürich Frauen war langjährige       präsidentin des Schweizer Meisters
 wie im Frauenfussball! Die Argu-               Direktorin für Frauenfussball beim     am meisten?
 mente der Männer sind aber teilweise           Weltfussballverband FIFA und           Wir kämpfen ums Geld. Diesbezüglich
 heute noch dieselben. Und doch ist es          Schweizer Nationalspielerin, be-       bewegen wir uns auf der Ebene des
 fantastisch, was in den vergangenen            sitzt die UEFA-A-Trainerlizenz, ist    Breitenfussballs, sollten damit aber
 Jahren alles passiert ist. Es gibt heute       Vorstandsmitglied beim Fussball-       Spitzenfussball anbieten. Wir werden
 wenig Eltern, die ihren Mädchen das            verband Region Zürich und arbei-       kaum unterstützt. Talentierte
 Fussballspielen verbieten. Die Quali-          tet als Beraterin bei der Sport­       ­Mädchen betreiben heute denselben
 tät der Spiele ist toll. Wir werden nicht      management-Firma «Y Sport».             Aufwand wie die Buben – ohne aber
 mehr belächelt. Die meisten jungen,                                                    die Vision auf ein Leben als Profi in
 männlichen FCZ-Fans akzeptieren                                                        der Schweiz zu haben. Die einzige
 uns. Das ist für mich das grösste                                                      Vision ist derzeit ein Aufgebot fürs
 Kompliment. Aber: Es gibt immer                                                        Nationalteam.
 noch viele Hindernisse. Unihockey           der Schweizerische Fussballverband
 etwa hat eine viel höhere TV-Präsenz,       hierzulande auch. Die Frage ist: Wol-     Sie haben in einem Interview gesagt,
 obwohl es mehr Frauen gibt, die             len sie auch?                             dass es im Moment im Frauenfussball
 Fussball spielen, als männliche Uni­                                                  darum geht, bessere Bedingungen
 hockeyaner.                                 Und was hat der Frauenfussball trotz      zu schaffen, indem die Frauen etwa die
                                             allem überwunden?                         Infrastruktur der Profiklubs nutzen
Sie waren lange weltweit für den             Ich behaupte: Die Gesellschaft ist        können. Können Sie ein weiteres Bei-
Weltfussballverband FIFA tätig. Was          schon lange bereit für den Frauenfuss-    spiel nennen?
sagt das Verhältnis zum Frauenfuss-          ball. Jetzt braucht es bloss noch Ver-    Es geht leider oft alleine schon darum,
ball über ein Land aus?                      eine, die sich nicht in Ausreden flüch-   dass wir nicht vergessen werden. Vor
Etwas vereinfacht gesagt: Die Stellung       ten und sagen: «Sorry, für Mädchen        ein paar Jahren lancierte der Verband
des Frauenfussballs widerspiegelt die        haben wir keinen Platz.» Oder einen       ein neues Talentförderprogramm für
Stellung der Frau in der Gesellschaft.       Fussballverband, der überzeugt ist        Kinder ab zehn Jahren, bei dem ohne
In Südamerika gibt es besonders              vom Potenzial des Frauenfussballs.        unsere Intervention bloss Buben
krasse Beispiele. Der Frauenfussball                                                   eingeladen worden wären. Dasselbe
leidet in diesem männerdominierten           Welches sind denn realistische            ist bei den Nachwuchsleistungs­
Kontinent. Dass ich in diesem Punkt          Ziele?                                    zentren passiert, die neu jeder Herren-
in meiner Zeit bei der FIFA nicht            Ich würde den Frauenfussball ganz         profiklub betreiben muss. An die
mehr ausrichten konnte, kreide ich           oben auf meiner Prioritätenliste ein-     Mädchen wurde nicht gedacht. Ich
mir am meisten an. Es schockiert             stufen, wenn ich beim Verband dafür       würde mir wünschen, dass die Verant-
mich, dass man es bisher versäumt            zuständig wäre. Es gibt keinen Grund,     wortlichen von Beginn an auch an den
hat, die Situation etwa mit auferzwun-       weshalb der Frauenfussball bei uns        Frauenfussball denken und diesen
genen Reglementen zu verbessern. Die         nicht zur zweitgrössten, zweitstärks-     miteinbeziehen. Das geschieht leider
FIFA hätte die Mittel dazu. Genau wie        ten Sportart werden könnte. Ich           immer noch zu selten. ❋

                                                                                                              ZEITLUPE 7-8/2018   19
Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, feiert der Schweizer Fussball abseits der Fussball-WM in Russland 2018 ein Jubiläum: 50 Jahre ... Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, feiert der Schweizer Fussball abseits der Fussball-WM in Russland 2018 ein Jubiläum: 50 Jahre ...
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