SITUATION DES NATURSCHUTZES IN HAMBURG - Denkschrift des Naturschutzrates Hamburg April 2017 - Hamburg.de
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Impressum Herausgeber: Naturschutzrat Hamburg Vorsitzender: Dipl.-Biologe Wolfram Hammer E-mail: naturschutzrathamburg@gmx.de www.hamburg.de/naturschutzrat Redaktion: Reinmar Grimm, Barbara Engelschall Bildnachweis: Titelbild, Baustelle Neue Mitte Altona, Stefan Sommer Bild Impressum, Bredenbek, Wolfram Hammer Druck: Behörde für Umwelt und Energie (BUE) Hamburg April 2017 Der Naturschutzrat ist ein im Hamburger Naturschutz- gesetz verankertes unabhängiges Gremium von Exper- ten, das die Belange des Naturschutzes und der Land- schaftspflege in der Öffentlichkeit fördern und die zu- ständigen Behörden der Hansestadt in diesen Fragen beraten soll.
4 Situation des Naturschutzes in Hamburg – Denkschrift des Naturschutzrates Hamburg 2017 Inhalt Situation des Naturschutzes in Hamburg Denkschrift des Naturschutzrats Hamburg 2017 1 Einleitung ................................................................... 5 2 Natur in der Großstadt ............................................... 7 3 Landschaftsplanung ................................................. 13 4 Wald und Jagd .......................................................... 16 5 Landwirtschaft ......................................................... 19 6 Stadtklima ................................................................ 22 7 Luftbelastung ........................................................... 25 8 Wohnungsbau .......................................................... 27 9 Verkehr..................................................................... 31 10 Tide-Elbe ................................................................ 35 11 EG-Wasserrahmenrichtlinie ................................... 40 12 Bodenschutz ........................................................... 43 13 Anhang ................................................................... 49
Situation des Naturschutzes in Hamburg – Denkschrift des Naturschutzrates Hamburg 2017 5 1 Einleitung sich im Hinblick auf den Naturschutz jeweils veränderte – ob zum Guten oder zum Schlechten. Bearbeiter: Reinmar Grimm Die Entwicklung von Natur und Landschaft in unserer Stadt, der der Naturschutzrat 1995 „mit Sorge entge- Die erste Denkschrift zum Naturschutz in Hamburg gensah“, stellt sich heute noch komplexer dar, als da- legte der Naturschutzrat im Januar 1995 vor, also vor mals exemplarisch für die folgenden vier Problemfelder 22 Jahren. Damals zeichnete er als allgemeine Ein- vorausgesagt: schätzung der Lage ein eher düsteres Bild, das aber Freiflächen: die Freiflächen sind zwar nicht „vollständig durchaus auf die heutige Situation übertragbar ist: oder doch überwiegend aufgebraucht, d.h. bebaut oder „Die Stadtlandschaft Hamburgs befindet sich im versiegelt“, nichtsdestoweniger gehen sie der Stadtna- Umbruch. Die Stadt wächst. Sie braucht Wohnungen, tur nach wie vor Stück für Stück immer weiter verloren, Arbeitsplätze, neue Bauten für Industrie und Handel, und es ist noch ein langer Weg, bis sich (wenn über- den Aus- und Neubau von Verkehrswegen. Und sie haupt) Versiegelung, Bebauung und Entsiegelung die scheint entschlossen, diesen Bedarf auf Kosten von Waage halten werden. Feldmarken, Grünzügen und Kleingärten zu decken. Der Grünachsen: Die Grünachsen sind zwar noch nicht „bis Naturschutz in Hamburg befindet sich in einer äußerst zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft oder ganz ver- kritischen Lage.“ schwunden“, aber an manchen Stellen steht ihnen Die Stadtlandschaft Hamburgs wird sich – wie alle dieses Schicksal kurz bevor. Sie verlieren immer mehr Stadtlandschaften – immer im Umbruch befinden. Der ihre Funktionen für den Naturhaushalt. Naturschutz befand sich immer schon in einer kriti- Elbe: Die Entwicklung der Elbe von der Lebensader schen Lage, das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Hamburgs, auch im ökologischen Sinne, zu einem rei- Was hat sich aber tatsächlich gegenüber der Situation nen Gütertransportweg schien durch die dauernden vor 22 Jahren für den Naturschutz in Hamburg zum Vertiefungen und die damit zusammenhängenden Guten wie zum Schlechten geändert? Darauf soll diese Strombaumaßnahmen vorprogrammiert. Inzwischen Denkschrift Antworten geben. Der Naturschutzrat sieht sind die Folgeschäden – auch für den Hamburger Hafen es als seine Aufgabe an, nicht nur Feststellungen zu - nicht mehr wegzudiskutieren. treffen, er will als Expertengremium auch raten, Gutes Landwirtschaft: Noch gibt es wirtschaftende Landwirte zu erhalten und Verbesserungswürdiges zu verbessern. auf Hamburger Gebiet. Aber sie haben mit gewaltigen Damit richtet er sich in erster Linie an die für die Zu- Schwierigkeiten zu kämpfen, wenn sie – neben der kunftsplanung dieser Stadt verantwortlichen Politiker Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte – ihrer zwei- und Mitglieder der verschiedenen Verwaltungen, aber ten Aufgabe gerecht werden wollen: der Bewahrung auch an jene Bürgerinnen und Bürger, die über die der biologischen Vielfalt in den noch vorhandenen Lebensqualität in unserer Stadt nachdenken und für die historischen Kulturlandschaften. „Stadtnatur“ einen zu schützenden Wert darstellt. Die Liste der Problemfelder, mit denen der Naturschutz Grundsätzliches über die Arbeit des seit 1982 tätigen sich heute in Hamburg beschäftigen muss, umfasst Naturschutzrats sowie aktuelle Stellungnahmen siehe mehr, als in dieser Denkschrift behandelt werden kann. www.hamburg.de/naturschutzrat Auf die brisantesten wird in den folgenden Kapiteln Die hauptsächlichen Naturschutzprobleme, mit denen näher eingegangen. sich schon die Denkschrift 1995 auseinandersetzte, Durchaus auch vermerkt werden soll, dass sich seit sind im Wesentlichen bis heute erhalten geblieben. 1995 in Hamburg in Bezug auf Natur- und Umwelt- Dazu zählten Naturschutz in der Großstadt, Land- schutz Positives ereignet hat, das der Erwähnung wert schaftsplanung, Landwirtschaft und Kulturlandschaf- ist. War in seiner ersten Denkschrift eine der Forderun- ten, Wald, Stadtklima und Luftreinhaltung, Verkehr und gen des Naturschutzrates: „Zügige Verabschiedung des Wohnungsbau und die Elbe. Hinzu kommen die Stadt- Landschaftsprogramms“, so sind Landschaftsprogramm gewässer, in Folge der im Jahr 2000 verabschiedeten sowie die Karte Arten- und Biotopschutz des Land- EG-Wasserrahmenrichtlinie, sowie der Bodenschutz. In schaftsprogramms (ehemals als Artenschutzprogramm den folgenden Kapiteln wird auf diese Problemfelder bezeichnet) heute planerische Grundlagen, mit denen im Einzelnen eingegangen, und es wird dargelegt, was Stadt- und Landschaftsplaner ganz selbstverständlich
6 Situation des Naturschutzes in Hamburg – Denkschrift des Naturschutzrates Hamburg 2017 arbeiten. Vergessen sind die Kämpfe, die seinerzeit 10, 20 oder 50 Jahren aussehen? Da es immer geführt wurden, bis diese Planwerke schließlich be- schwieriger wird, den nötigen Raum für die schlossen werden konnten. Das Landschaftsprogramm verschiedenen Bedürfnisse der Menschen in sowie die Karte Arten- und Biotopschutz haben zwar dieser Stadt zu finden, ist langfristige Planung keine Gesetzeskraft, sind aber verbindliche Leitlinien, mit einer frühen und intensiven Beteiligung an denen sich die jeweils zuständigen Behörden mit der Bürger an den Entscheidungen unver- ihren Planungen zu orientieren haben. Mit ihnen zichtbar. wurde dem Natur- und Umweltschutz der Rücken ge- ! Und zum Schluss eine direkte Empfehlung an stärkt, denn das „Drauflosplanen“ in Hamburg wurde diejenigen, deren Beruf es ist, Eingriffe in Na- erheblich erschwert. Das Landschaftsprogramm setzte tur und Landschaft zu planen und durchzufüh- Maßstäbe, an denen die Planungen von Eingriffen in ren: Nehmen Sie den gesetzlich geforderten Natur und Landschaft zukünftig gemessen wurden. Ausgleich für den Eingriff genau so ernst wie Weiterhin positiv zu bewerten sind Neuausweisungen den Eingriff selbst! von Naturschutzgebieten und Flächenvergrößerungen In den meisten Kapiteln dieser Denkschrift wird – aus bestehender Hamburger Naturschutzgebiete, sodass Gründen einer besseren Übersichtlichkeit und Lesbar- ihre Gesamtfläche inzwischen über 9% der Landesflä- keit – auf Literaturzitate verzichtet. Auskunft über die che ausmacht. verwendete Literatur aus ihrem speziellen Fachgebiet erteilen die Mitglieder des Naturschutzrates gerne. Unter dem Umweltsenator Alexander Porschke gab die Umweltbehörde 2001 das „Kursbuch Umwelt – Ziele für ein zukunftsfähiges Hamburg“ heraus, ein zukunfts- weisendes Werk. Leider – aber auch bezeichnender- weise – griffen die nachfolgenden Regierungen mit ihren Planungen so gut wie nie auf dieses Programm zurück. 2006 veröffentlichte die HPA ein „Konzept für eine nachhaltige Entwicklung der Tide-Elbe“ mit dem Kernsatz: „Die nachhaltige Entwicklung der Tide-Elbe ist eine anspruchsvolle und langfristig angelegte Aufgabe. Dieses Jahrhundertprojekt kann nur erfolgreich sein, wenn alle Interessen berücksichtigt werden. Das hier vorgelegte Konzept ist ein erster Vorschlag und Grund- lage für eine offene Diskussion“. Diese Diskussion fand tatsächlich statt und hatte sechs Jahre später als Er- gebnis den „Integrierten Bewirtschaftungsplan Elbe- Ästuar“, von dem im Kapitel „Elbe“ die Rede sein wird. Auf seiner Internetseite hat der Naturschutzrat zehn Grundsätze für den Naturschutz in Hamburg formuliert und ausführlich erläutert. Daraus lassen sich kurz ge- fasst folgende Empfehlungen ableiten: ! Hamburgs immer mehr schrumpfende Freiflä- chen werden für Natur und Menschen ge- braucht. Unversiegelte und unbebaute Flä- chen sind in einem Ballungsraum wie Ham- burg zu wertvoll, als dass man ihre Nutzung kurzfristigen Sachzwängen unterordnen darf. ! Im Dialog mit den Bürgern muss überlegt und diskutiert werden, wie mit den Flächen der Stadt in Zukunft umgegangen werden soll. Die Stadt braucht beispielsweise ein langfristiges Wohnungsbaukonzept. Wie soll Hamburg in
Situation des Naturschutzes in Hamburg – Denkschrift des Naturschutzrates Hamburg 2017 7 2 Natur in der Großstadt landschaft aus und ist zugleich Grundlage für die – im Vergleich zum landwirtschaftlich geprägten Umland – Bearbeiter: Hans-Helmut Poppendieck deutlich höhere Artenvielfalt in Städten. Die gegenwärtig noch hohe Biodiversität in städtischen Die Naturvielfalt in Hamburg ist groß. Sie basiert auf Ballungsräumen ist jedoch kein Grund zum Optimis- der historischen Kontinuität von Lebensräumen und mus, beruht sie doch vor allem auf der historischen deren kleinräumigen Mischung. Stadtnatur ist nicht nur Kontinuität der Lebensräume, und diese Kontinuität ist für Flora und Fauna von Bedeutung, sondern bietet den in einer wachsenden Stadt wie Hamburg vielen Gefähr- Menschen notwendige Räume für Erholung und Natur- dungen ausgesetzt. Bei Pflanzen wie bei Tieren beruht erlebnisse. Während die Stadt den Flächenanteil der die Artenvielfalt vor allem auf dem Vorhandensein Naturschutzgebiete in den letzten 20 Jahren ausgewei- vieler sehr seltener Arten, die durch Zufall oder gezielte tet hat, bedrohen Bebauung und Versiegelung mehr Pflege an solchen Stellen überleben konnten, die der denn je die Landschaftsschutzgebiete und innerstädti- Umgestaltung der Stadt bisher entgangen sind. An sche Spontanvegetation. Parks und Kleingärten müssen diesen Orten wurden sie oft schon vor 50 oder 100 zukünftig eine größere Rolle für den Naturschutz über- Jahren gefunden. Hohe Artenvielfalt ist keine intrinsi- nehmen. sche Eigenschaft des Ökosystems Stadt, sie ist eine historische Erscheinungsform heutiger Städte. Ohne 2.1 Problembeschreibung gezielte Maßnahmen zu ihrer Erhaltung wird sie über kurz oder lang verschwinden. „Stadtnaturschutz hat besondere Aufgaben. Er schützt Natur für den Menschen in der Stadt. Dazu gehört, diese Natur in erster Linie den Menschen zugänglich zu 2.2 Bilanz nach 20 Jahren machen und als Erholungs-, Lern und Naturerfahrungs- Was hat sich seit der Denkschrift des Naturschutzrates orte zu begreifen und zu erhalten“ (Breuste et al. 2016). von 1995 getan? Welche seiner Forderungen wurden „Natur in der Stadt“ und „Grün in der Stadt“ sind vage erfüllt und welche nicht? Begriffe und keineswegs gleichbedeutend. „Stadtgrün“ zielt auf die gärtnerische Freiraumgestaltung ab, 2.2.1 Positive Entwicklungen seit 1995 „Stadtnatur“ dagegen auf Spontanvegetation, also wildlebende Pflanzen und Tiere. Es hat sich als sinnvoll Flächenanteil der Naturschutzgebiete erhöht: Die erwiesen, die Natur in der Stadt nach Kowarik (1991) in Gesamtfläche der Naturschutzgebiete Hamburgs ist vier Kategorien zu unterteilen, nämlich: (1) die ur- seit 1995 angestiegen auf heute über 9 % der Landes- sprüngliche Natur, (2) die landwirtschaftliche Natur, (3) fläche. Damit ist eine zentrale Forderung der Denk- die gärtnerische Natur und (4) die spontane sich ein- schrift von 1995 in einem Maße erfüllt worden, wie der stellende typisch städtische Natur. Alle vier Arten der Naturschutzrat es damals nicht zu hoffen gewagt hatte. Natur tragen auf ihre jeweils eigene Art und Weise zur Ein großer Erfolg für den Naturschutz in Hamburg – Artenvielfalt und zur Lebensraumqualität der Stadt bei aber natürlich kein Grund zum Ausruhen. und sind nicht gegeneinander aufrechenbar. Biotopverbund zur Vernetzung der Schutzgebiete Die Naturen der 1. und 2. Art haben ihren Schwerpunkt geplant: Im Jahre 2009 wurden die Arbeiten zur am Stadtrand, wo sie weitaus stärker stadttypischen Schaffung eines Biotopverbundes für Hamburg aufge- Belastungen unterworfen sind (Eutrophierung, Ver- nommen mit dem Ziel, eine naturschutzfachliche Stra- müllung, Vertritt, usw.) als im Umland. Die Naturen der tegie zur Sicherung seltener Arten und Lebensräume 3. und 4. Art konzentrieren sich in Hamburg auf den und zur Verbesserung ökologischer Wechselbeziehun- Bereich innerhalb des sogenannten „2. Grünen Ringes“. gen zu schaffen. Dies war eine wesentliche Forderung Typisch für Städte sind auch lineare Strukturen, die des Naturschutzrates im Jahre 1995. Jetzt muss es meistens Lebensräume trennen, aber auch durchaus – darum gehen, den Biotopverbund zügig umzusetzen. wie Gewässer – zur Verbindung von Lebensräumen Im innerstädtischen Bereich könnten Gewässer einen beitragen können. Typisch ist weiter die klein- und wichtigen Beitrag leisten (siehe Kapitel 11). kleinsträumige Mischung von Flächen, die jeweils un- Gefährdete Biotope gesetzlich geschützt: Biotoptypen terschiedlichen Kategorien angehören können. Diese wie Moore, Dünen, Uferbereiche, in Hamburg auch „Flickenteppich-Struktur“ macht den Reiz der Stadt-
8 Situation des Naturschutzes in Hamburg – Denkschrift des Naturschutzrates Hamburg 2017 Bracks und Knicks, sind inzwischen durch bundesweite zentren in den Schutzgebieten. Dieser wichtige Bereich und hamburgische Regelungen geschützt. Hier besteht ist aber noch weiter ausbaufähig. jedoch durchaus Handlungsbedarf, da ein Schutz auf Parks: Neue Parkanlagen bzw. Erholungsorte wurden dem Papier nicht bedeutet, dass diese Biotope in der u.a. auf Entenwerder, Kaltehofe und Wilhelmsburg Realität erhalten bleiben. Das gilt vor allem für Biotope, geschaffen. Für wichtige öffentliche Parkanlagen (u.a. die der Pflege bedürfen, um erhalten zu bleiben. Baurspark, Jenischpark, Stadtpark) sind Pflege- und Landschaftsprogramm beschlossen: 1997 hat die Bür- Entwicklungspläne erarbeitet worden, die neben der gerschaft parallel zur Neubekanntmachung des Fläche- Gartendenkmalpflege und der Erholung auch Belange nnutzungsplans das Landschaftsprogramm Hamburg des Naturschutzes berücksichtigen. Bei der ökologisch verabschiedet. Dieses Programm stellt als Instrument ausgerichteten Pflege des öffentlichen Grüns besteht der vorsorgenden Umweltplanung die Ziele von Natur- aber durchaus noch Verbesserungsbedarf. schutz und Landschaftspflege für Hamburg dar und Kleingärten: Sie sind stadtökologisch und als Erho- formuliert entsprechende Erfordernisse und Maßnah- lungsflächen wertvoll und bieten Naturerlebnisse ge- men. Vereinfacht ausgedrückt: Es soll dafür sorgen, rade für junge Familien. Auch wenn die Zahl der Par- dass Hamburg trotz des tiefgreifenden Stadtumbaus zellen durch Verlagerung und Verdichtung in etwa weiterhin das Prädikat „Grüne Stadt“ für sich in erhalten blieb, ist der Flächenanteil gesunken. Kleingär- Anspruch nehmen kann. ten sind neben den Feldmarken die Bereiche, die durch Sondervermögen für Naturschutz und Landschafts- Bauprogramme immer am stärksten gefährdet sind. pflege eingerichtet: Es dient der raschen, bezirksüber- Viele werden im Flächennutzungsplan als Bauflächen greifenden und langfristig gesicherten Realisierung von dargestellt. Kleingärtner können ihren Beitrag für den Ausgleichsmaßnahmen. Viele Eingriffe der Stadt Ham- Naturhaushalt leisten indem sie naturnah gärtnern und burg in den Naturhaushalt werden durch Maßnahmen möglichst wenig Fläche der Gärten mit Bauten und ausgeglichen, die aus dem Sondervermögen finanziert Pflasterung versiegeln. werden. Wenn Verursacher eines Schadens an der Natur die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen selbst nicht durchführen können, müssen sie stattdessen 2.2.3 Negative Entwicklungen seit 1995 Ersatzzahlungen an das Sondervermögen leisten. Seit Zersplitterung der Ressourcen für den Naturschutz: 2001 konnten umfangreiche Naturschutzmaßnahmen Hier liegt vieles im Argen. Der Naturschutzrat hatte umgesetzt werden, beispielsweise im Harburger Moor- 1995 gefordert, die Ressourcen für die Naturschutzge- gürtel oder in Neuland/Gut Moor. In ähnlicher Weise biete in der Umweltbehörde zu bündeln. Mit der Auf- fördern auch die zum Teil ebenfalls aus Kompensati- teilung der Zuständigkeiten auf die Bezirke ist das Ge- onsmitteln gespeisten Stiftungen Ausgleich Altenwer- genteil geschehen: Die Leistungsfähigkeit der Bezirke der und Lebensraum Elbe die Umsetzung von Natur- im Naturschutz hat durch die Zerschlagung der Natur- schutzmaßnahmen. schutzreferate im Rahmen der Bezirksverwaltungsre- form deutlich abgenommen. Ziel dieser Verwaltungs- reform war in erster Linie die Verschlankung von Ver- 2.2.2 Differenziert zu bewerten waltungsabläufen, um die neu geschaffenen Zentren Tide-Elbe: Positiv zu bewerten sind die Rückdeichun- für Wirtschaft, Bauen und Umwelt in die Lage zu ver- gen etwa in Wilhelmsburg, der Spadenländer Spitze setzen, wirtschaftsfreundliche Entscheidungen effizient und im Holzhafen sowie die Ausdehnung des Tideein- durchzusetzen. So kann der Naturschutz in Hamburg flusses in den Borghorster Elbwiesen. Hier ist es zu auf ökologisch wichtige Bereiche wie die Unterhaltung einem Bewusstseinswandel gekommen, der 1995 nicht und Pflege von Straßen-, Wege- und Grabenrändern, zu erwarten war. Die Gesamtsituation des Lebens- auf Neubepflanzungen oder Ansaaten nur minimalen raums Tide-Elbe ist aber nach wie vor kritisch zu be- Einfluss nehmen. Ausgleichsmaßnahmen können oft werten (siehe Kapitel 10). nicht vollständig und synchron mit den Eingriffen voll- zogen werden. Außerdem gibt es viel zu wenige Kon- Naturschutzgebiete als Naturbegegnungsstätten: trollen, ob der festgesetzte Ausgleich auch umgesetzt Positiv zu bewerten ist das gute Informationsangebot wurde. auf der Internetseite des Naturschutzamtes auf dem Hamburg-Portal und die Öffentlichkeitsarbeit der Info-
Situation des Naturschutzes in Hamburg – Denkschrift des Naturschutzrates Hamburg 2017 9 An dieser Stelle muss nachdrücklich daran erinnert (ehemalige Kasernen, Bahn-, Hafen-, Krankenhausflä- werden, dass nach §2 Abs. 2 des Bundesnaturschutzge- chen) inzwischen nahezu vollständig bebaut sind. setzes alle Behörden des Bundes und der Länder ver- pflichtet sind, die Ziele des Naturschutzes zu unterstüt- zen. Darüber hinaus (§2 Abs. 4) sollen bei der Bewirt- 2.3 Aktuelle Situation schaftung von Grundflächen im Eigentum der öffentli- chen Hand die Ziele des Naturschutzes in besonderer 2.3.1 Natur der ersten Art – Weise berücksichtigt werden. Naturschutzgebiete und Wälder Die den Bezirken zugeordneten Revierförster haben Hier geht es um die noch vorhandenen Reste der ur- mit der Betreuung der Hamburger Wälder großenteils sprünglichen Naturlandschaft: Moore, Feuchtgebiete Naturschutzaufgaben zu erfüllen, sind aber keiner und Wälder. Naturschutzgebiete wie die Fischbeker Ebene der Naturschutzverwaltung zugeordnet. Die Heide, die Boberger Niederung oder das Flottbektal Ausgliederung der Landesforstverwaltung aus der Um- haben zusätzlich zum Schutz der Natur der ersten Art weltbehörde erschwert die Umsetzung der Natur- die Aufgabe, besonders wertvolle und artenreiche schutzziele und -aufgaben im Wald, und dies, obwohl Relikte der landwirtschaftlich geprägten vorindustriel- Hamburgs Wälder zum größten Teil als Naturschutz- len Kulturlandschaft zu erhalten. oder/und FFH- bzw. Vogelschutzgebiete ausgewiesen sind. Hier sind die Aussagen der Denkschrift von 1995 zu den Pflege- und Entwicklungsplänen der Naturschutzge- Ungünstige Personalsituation in der Umweltbehörde: biete unverändert gültig. „Ziel muss es sein, durch Im Naturschutzamt ist die Zahl der Mitarbeiter zwar sorgfältige Besucherlenkung einerseits die wertvolle mehr oder weniger konstant geblieben. Da sich jedoch Substanz der Gebiete zu schützen und andererseits den zugleich die Aufgaben erheblich vermehrt haben, Bürgern die Möglichkeit zur Begegnung mit der Natur kommt dies faktisch einer Personalreduzierung gleich. einzuräumen. Andererseits darf die spontane Entwick- Auch in der Abteilung für Landschaftsplanung und lung der Tier- und Pflanzenwelt nicht durch allzu rigo- Stadtgrün ist die Personalsituation kritisch und reicht rose Eingriffe („Vergärtnern der Natur“) eingeschränkt nicht aus, um die rasante Bauflächenentwicklung hin- werden. Keine leichte Aufgabe, und vor allem keine, die sichtlich ökologischer und freiraumplanerischer Be- zum Nulltarif zu lösen sein wird.“ lange zu beurteilen und konzeptionell zu begleiten. Die Zunahme von Anzahl und Fläche der Naturschutz- Zunehmende Gefährdung der Feldmarken: Sie sind gebiete in Hamburg darf nicht darüber hinwegtäu- heute weitaus stärker gefährdet als dies vor 20 Jahren schen, dass die Situation in vielen Gebieten nach wie der Fall war (siehe 2.3.2.). vor kritisch ist. Wegen der häufig geringen Größe der Zunehmende Gefährdung der städtischen Spontanve- Gebiete und der Schwierigkeit, sie wirksam gegen wid- getation: Spontan entstandenes städtisches Grün ist rige Einflüsse von außen abzuschirmen, können ihre heute seltener und gefährdeter als vor 20 Jahren. wertvollen Kernbereiche nur durch gezielte Pflege- Neue, wirksame Konzepte zu ihrer Erhaltung wurden maßnahmen erhalten werden. nicht entwickelt. Der Naturschutzrat fordert: Die Pflege in Naturschutz- Extrem zunehmende Gefährdung von Freiflächen gebieten muss in weit stärkerem Maße als bisher ge- durch Bebauung: Seit 1995 ist der Umfang der Flä- bietsbezogen, fachkundig, flexibel, kontinuierlich und chenversiegelung in Hamburg erheblich angestiegen. nachhaltig sein und vor allem in einer Hand liegen. Die Die früher schon starke Gefährdung von Freiflächen in jüngster Zeit erkennbaren Verbesserungen müssen durch bauliche Begehrlichkeiten hält nicht nur an, son- konsequent fortgeführt werden. Durch schematische dern hat sich in jüngster Zeit noch gesteigert. Ein an- Pflege kann es zu nachteiligen Veränderungen in den spruchsvolles Wohnungsbauprogramm (10.000 neue Gebieten kommen. Die traditionellen Formen der Wohnungen pro Jahr) und die anstehende Unterbrin- Waldbewirtschaftung und der Wiesenpflege waren gung einer großen Zahl von Flüchtlingen und der nach vielfältig und kleinteilig – sie können durch den heute wie vor hohe Flächenbedarf für Gewerbeentwicklung üblichen großflächigen und gleichförmigen Maschinen- bedeuten eine akute Gefährdung für Hamburgs „Grüne einsatz nicht ersetzt werden. Der Einsatz von Reserven“. Zumal die sogenannten Konversionsflächen Harvestern in Wald-Naturschutzgebieten wird abge-
10 Situation des Naturschutzes in Hamburg – Denkschrift des Naturschutzrates Hamburg 2017 lehnt. Die Pflegeproblematik in den naturnahen Schutz- Kleingärten, Spiel und Sportplätze, Straßengrün und gebieten Hamburgs wird nur dann in den Griff zu be- Straßenbäume, Abstandgrün und Fassaden- und Dach- kommen sein, wenn über die Einrichtung von Land- begrünungen. All diese Bestände werden bewusst an- schaftspflegehöfen eine kleinteilige Pflege ermöglicht gelegt und durch gärtnerische Pflege erhalten. Die wird. Vielfalt ihrer Aufgaben lässt sich an Slogans ablesen wie: „Mit ParkSport Grün erleben!“ - „Kleinere Woh- nungen sind kein Problem, wenn es im Quartier schöne 2.3.2 Natur der zweiten Art – Parks und Plätze gibt“ und „Die hundefreundlichste Kulturlandschaften in Feldmarken Stadt Deutschlands“. Solche aktuellen Slogans zeigen, und Elbmarschen welch disparate Ansprüche öffentliche Grünanlagen Die Natur der zweiten Art, sofern sie nicht in Natur- heute in Hamburg erfüllen müssen. Die Grünplaner schutzgebieten geschützt ist, ist heute in Hamburg haben hierfür das Zauberwort „Multifunktionalität“ einem weitaus stärkeren Druck ausgesetzt als vor erfunden. 20 Jahren. Wenn es hier nicht zu einem Umdenken Im Kernbereich der Stadt nimmt die Natur der dritten kommt, werden künftige Generationen große Teile der Art den weitaus größten Anteil der verfügbaren unbe- Natur am Stadtrand mit ihren Wiesen, Äckern, Weiden bauten Flächen ein. Nicht zuletzt deswegen hat sie und Knicks nicht mehr erleben können. Noch vor weni- über ihre sozialen Wohlfahrtsfunktionen hinaus auch gen Jahren gab es eine Übereinkunft zwischen Stadt- für den Naturschutz eine große Bedeutung: planern und Naturschützen, die Feldmarken von Be- bauung frei zu halten und die Neubauten der „Wach- ! Straßengehölze prägen das Bild der Stadt, sie senden Stadt“ auf die bereits bebauten Bereiche zu erfreuen die Bürger, bieten Lärmschutz, ver- beschränken. Dies ist heute weitgehend aufgegeben bessern das Stadtklima und bieten Lebens- worden, aufgrund von neuen und anspruchsvollen räume für Tiere. Wohnungsbauprogrammen. Die Landschaftsschutzge- ! Historische Parks sind Lebensräume für zahl- biete – bereits vor 20 Jahren von Naturschützern als reiche, teils gefährdete Tier- und Pflanzenar- Schutzkategorie von eher zweifelhaftem Wert bezeich- ten und zugleich Teil der spezifisch städtischen net – sind zu Suchräumen für Flüchtlingsunterkünfte Kulturlandschaft. Beim Jenischpark oder beim geworden. Ohlsdorfer Friedhof zeigt sich, wie eng kultur- geschichtlicher und ökologischer Wert mitei- Der Zugriff auf die Feldmarken ist besonders zu kritisie- nander verknüpft sind, und dass die histori- ren, weil ihr Wert als unversiegelte Landschaften, als sche Kontinuität eine entscheidende Rolle Trinkwassergewinnungsgebiete, als stadtklimatische spielt. Ausgleichsflächen, als Erholungsgebiete und als Natur- ! Parks können wichtige Orte der Naturbegeg- begegnungsstätten nach wie vor unumstritten ist. Und nung sein. weil sie nach § 1 BNatSchG ausdrücklich geschützt sind, ! Kleingärten dienen außer als Freizeitflächen als „Freiräume im besiedelten Bereich einschließlich auch als Naherholungsgebiete, als stadtklima- gartenbaulich und landwirtschaftlich genutzter Flächen tische Ausgleichsflächen und als Rückzugs- (§1 Abs. 6), und als historisch gewachsene Kulturland- räume für selten gewordene stadttypische schaften, die vor Verunstaltung, Zersiedelung und Tierarten. sonstigen Beeinträchtigungen zu bewahren sind“ (§1 ! Gründächer halten das Regenwasser zurück Abs. 4). Der Schutz der historischen Kulturlandschaften und können bei entsprechender Gestaltung Hamburgs in ihrer Gesamtheit ist also nicht nur aus zur Verbesserung des Stadtklimas beitragen. Sicht des Naturschutzes dringend erforderlich (siehe Sie könnten möglicherweise auch Lebens- Kapitel 5). räume für stadttypische Tiere und Pflanzen bieten; das sollte in Hamburg näher unter- sucht werden. 2.3.3 Natur der dritten Art – Gärtnerisch gestaltete Natur In ihrem Wert als Lebensraum für wildlebende Pflanzen und Tiere steht die Natur der dritten Art zwar hinter Diese symbolische Natur der Parks und Gärten wird in den anderen Stadtnaturen zurück. Hamburgs Grünflä- der Regel unter dem Begriff „Stadtgrün“ zusammen- chen lassen sich aber noch erheblich ökologisch auf- gefasst und umfasst Parkanlagen, Friedhöfe, Haus- und
Situation des Naturschutzes in Hamburg – Denkschrift des Naturschutzrates Hamburg 2017 11 werten. Daher begrüßt der Naturschutzrat die laufen- dem von CDU und Schill-Partei gebildeten Senat der den Planungen zu einer naturnäheren Pflege des öf- Kampf angesagt. fentlichen Grüns ausdrücklich. Naturverständnis der Einwohner: Die spezifisch städti- Bei einer naturnahen Pflege des öffentlichen Grüns sche, erst durch die Stadtentwicklung entstandene wird es auch darauf ankommen, die Verschiedenartig- Natur wird weder von den meisten Stadtbewohnern keit von Böden als Grundlage der Pflanzenartenvielfalt noch von Freiraumplanern oder selbst Naturschützern zu berücksichtigen. Viele der seltenen und gefährdeten erkannt und daher auch nicht wertgeschätzt. In Städ- Pflanzenarten sind auf humosen Parkböden nicht kon- ten wie Berlin oder Wien machen sich zumindest die kurrenzfähig. Für sie müssten gezielt Bereiche mit Umweltverwaltungen darüber Gedanken. In Hamburg nährstoffarmen Substraten geschaffen werden. war die spontane Stadtnatur bislang für die Umweltbe- hörde kein Thema. Hier muss es zu einem Umdenken Zur Bedeutung der Natur der dritten Art für den Klima- kommen. schutz siehe Kapitel 6. In Gebieten wie der heutigen Hafencity (ganz aktuell: die Reste des Oberhafen-Geländes) oder auf dem Gü- 2.3.4 Natur der vierten Art – terbahnhof Harkortstraße finden wir Ensembles aus Stadtspezifische Natur baulich baulichen Strukturen und städtischer Spontanvegeta- geprägter Standorte tion, die in die Schutzkonzepte für die stadtgeschicht- „Sie besiedelt z.B. Bahnanlagen, Gewerbeflächen oder lich wichtigen Gebäude mit einbezogen werden müs- Trümmergrundstücke selbstständig. Wie die Natur der sen. Die Chancen, die solche historisch entstandenen ersten Art ist sie weder angepflanzt, noch wird sie be- Situationen ökologisch, ästhetisch und aus Denkmal- wusst bewirtschaftet oder gepflegt. Ihre Erscheinungs- sicht bieten, werden bisher kaum wahrgenommen. formen reichen von kurzlebigen Pflanzengemeinschaf- ten bis hin zu bunten Wiesen und richtigen Stadtwäl- 2.4 Forderungen dern. Von der ursprünglichen Natur unterscheidet sie sich vor allem durch die extrem veränderten Standort- ! Zusammenfassung der Ressourcen für den Na- bedingungen. Aufschüttungen und Abgrabungen, turschutz und die Zuständigkeit für alle städti- Grundwasserabsenkungen, Nährstoffanreicherungen schen Grünflächen sowie Forsten und Land- und das trocken-warme Stadtklima sind Ausgangsfak- wirtschaft in einer Hand in der Umweltbe- toren für die Entwicklung dieser Natur.“ Mit diesen hörde; keine Zersplitterung auf die Bezirke Worten charakterisiert die Senatsverwaltung für Stadt- und die BWVI; Stärkung der für Naturschutz entwicklung und Umwelt von Berlin die Natur der vier- und Landschaftsplanung in den Bezirken und ten Art, und fährt fort:„Sie ist optimal an ihren jeweili- der Umweltbehörde zuständigen Bereiche gen Standort angepasst und besonders vielfältig. Sie ist ! Pflege- und Entwicklungspläne für alle Natur- die typischste Erscheinungsform natürlicher Lebens- schutzgebiete aktualisieren und zügig umset- räume in der Stadt. In ihrer Bedeutung für die Stadt- zen landschaft ist die Natur der vierten Art den Menschen ! Biotopverbund zügig umsetzen und Instru- noch stärker bewusst zu machen.“ mentarien zu seiner Pflege und Entwicklung schaffen In Hamburg hat sich die Situation dieser spontanen ! Landschaftsprogramm als umfassende Kon- Stadtnatur seit 1995 deutlich verschlechtert. Sie ist in zeption zu den Themen Biodiversität, Biotop- Hamburg sehr viel seltener geworden und sehr viel verbund, Stadtklima, Naturhaushalt und Er- stärker gefährdet als vor 20 Jahren. Dafür gibt es zwei holung aktualisieren und durch Bürgerschafts- Gründe: beschluss gesetzlich verankern Strukturwandel der Stadt: Fast alle größeren Flächen ! Landschaftspflegehöfe einrichten mit Spontanvegetation sind inzwischen durch Bebau- ! Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen ung verloren gegangen. So wurden Hafenbrachen zu optimieren und den Vollzug kontrollieren vollständig versiegelten Containerstellflächen, regio- ! Feldmarken erhalten und nicht bebauen nale Güterbahnhöfe zu Wohngebieten. Baulücken im ! Historische Kulturlandschaften erhalten und Kernbereich wurden nahezu vollständig geschlossen, dazu personelle Voraussetzungen schaffen und dem spontanen Straßenbegleitgrün wurde unter
12 Situation des Naturschutzes in Hamburg – Denkschrift des Naturschutzrates Hamburg 2017 ! Naturnahe Pflege im öffentlichen Grün umset- zen ! Kleingärten erhalten ! Durchgrünung der eng bebauten Stadt durch Straßenbäume, Gebäudebegrünung usw. för- dern ! bereits vorhandene Qualitäten der spontanen Stadtnatur in ihrer Besonderheit, als Natur der vierten Art erkennen und sowohl seitens des Naturschutzes als auch der Landschaftspla- nung in planerische Konzeptionen einbezie- hen. Städtische Spontanvegetation erhalten und vor Überbauung und „Vergärtnern“ be- wahren ! Flächenverbrauch durch Neubebauung ver- meiden; Entsiegelung fördern 2.5 Literatur Breuste, J., Pauleit, S., Haase, D., Sauerwein, M. (2016): Stadtökosysteme – Funktion, Management und Ent- wicklung. Springer Berlin
Situation des Naturschutzes in Hamburg – Denkschrift des Naturschutzrates Hamburg 2017 13 3 Landschaftsplanung 3.2 Landschaftsplanerische Entwicklungsplanung nicht als Bearbeiter: Lothar Steffen Folgeplanung von Eingriffen Die Möglichkeit nach §4 Abs.2 des HmbBNatSchAG für Die Landschaftsplanung befindet sich im Spannungsfeld die örtliche Ebene eine Ergänzung durch weitere kon- zwischen ökologischen und ökonomischen Interessen- kretisierende Darstellungen vorzunehmen, wird über- lagen. Dabei verfolgt sie einen ganzheitlichen Ansatz wiegend dort genutzt, wo Schwerpunktbereiche für zum Schutz, zur Pflege und Entwicklung und, soweit städtebauliche Entwicklungen gesehen werden. Es erforderlich, zur Wiederherstellung von Naturraum und handelt sich deshalb um reaktive Folgeplanungen, die Kulturlandschaft. In einem Stadtstaat wie Hamburg an geplante Eingriffe gebunden sind und nicht um eine bedeutet dies, Wohngebiete, Verkehrswege und In- zielgerichtete Entwicklungsplanung für die landschafts- dustriegebiete in die Planungsarbeit mit einzubezie- planerischen Aufgaben und Ziele nach dem BNatSchG. hen. Der Naturschutzrat fordert demgegenüber voraus- schauende Entwicklungsplanungen mit landschaftspla- nerischen Schwerpunktsetzungen, abgeleitet aus der 3.1 Teilräumliche und örtliche Land- Naturschutzgesetzgebung, zu bearbeiten bzw. zu schaftsplanung stärken beauftragen. In Hamburg als Stadtstaat erfolgt die bundesweit ge- Der Visualisierung und breiten Vermittlung land- setzlich vorgeschriebene zweistufige Landschaftspla- schaftsplanerischer/städtebaulicher Ziele wird auch nung für die landesweite und die örtliche Ebene im vom Naturschutzrat ein hoher Stellenwert beigemes- Landschaftsprogramm (LaPro nach §4 Abs.1 HmbBNat- sen. Allerdings entsteht bei manchen der aktuell vorge- SchAG). Zurzeit ist eine Aktualisierung des LaPro in stellten Entwicklungsplanungen der Eindruck, dass schöne Visualisierungen mehr in den Mittelpunkt ge- Arbeit (vgl. 3.4). Hierfür sind neue zusätzliche Themen- rückt werden und teilweise wichtiger scheinen als eine karten zu Erholung/Landschaftsbild und- Stadt- umfassende Bearbeitung der landschaftsplanerischen klima/Naturhaushalt erarbeitet worden. Inhalte. Der Natur-, Biotop- und Artenschutz wird da- Deren Inhalte sollen, zusammengefasst hinsichtlich mit zum Randthema und als eigentliches Facharbeits- gesamtstädtischer Belange, in das LaPro-Planwerk thema vernachlässigt. Im veröffentlichten Gutachten aufgenommen werden, ebenso wie der Biotopverbund zur Teilräumlichen Entwicklungsplanung „Stromauf- als Teil der aktuell geltenden LaPro-Karte Arten- und wärts an Elbe und Bille – Wohnen und urbane Produk- Biotopschutz. Diese Detaillierungen bringen hinsicht- tion in Hamburg-Ost“ tauchen beispielsweise diese lich der Darstellung und Lesbarkeit dieser wichtigen Fachbegriffe überhaupt nicht auf! Inhalte eine deutliche Verbesserung. Die Themenkar- ten sind im Maßstab 1:20.000, dem üblichen Maßstab 3.3 Verbindlicher Biotopverbund des Landschaftsprogramms Hamburg, erstellt worden. Aufgrund dieses relativ kleinen Maßstabs sind die In- Der länderübergreifende Biotopverbund (nach halte auf gesamtstädtische Gewichtungen fokussiert BNatSchG § 21) ist für das Hamburger Gebiet in Arbeit. worden. Für örtliche Teilbereiche bleiben Ergänzungen Die von der Umweltbehörde (Abt. Naturschutz) er- für Bestandsaufnahme, Bewertung und Darstellung stellte Fachgrundlage Biotopverbund liegt fast fertigge- der landschaftsplanerischen Ziele und funktionalen stellt vor und wird bereits für die Erarbeitung von Be- Zusammenhänge bestehen. Handlungskonzepte für bauungsplänen und anderen Planungen herangezogen, Natur, Landschaft und Erholung bedürfen aber einer d.h. in die Abwägung eingestellt, allerdings mit unter- weitergehenden Konkretisierung mit größeren Maß- schiedlichen Resultaten. Vorgesehen ist die Veranke- rung des Biotopverbunds im Landschaftsprogramm stäben. Zu fordern ist eine solche Konkretisierung auf (vgl. 3.4). Aber auch wenn dies geschehen ist, können der mittleren und unteren Planungsebene, insbeson- die Belange des Biotopschutzes in der Bauleit- und dere zur Beurteilung und ggf. Steuerung der zuneh- Fachplanung immer noch „weggewogen“ werden. menden Bebauung, sowohl in den städtischen Quartie- Durch aktuelle Planungen und Vorhaben wird in die für ren (Verdichtung) als auch im Außenbereich. den Biotopverbund benötigten Flächen eingegriffen, so dass sie ihre Funktion für den Biotopverbund verlieren. Zu begrüßen ist, dass in naturnahen Bereichen und
14 Situation des Naturschutzes in Hamburg – Denkschrift des Naturschutzrates Hamburg 2017 Naturschutzgebieten auch Maßnahmen zur Verbesse- gen zur Grünordnung einschließlich der Begründungen, rung des Biotopverbunds von der Umweltbehörde Richtlinien zu Planzeichen sowie Kostenansätze für umgesetzt werden. Der Naturschutzrat fordert einen Ausgleichsmaßnahmen. Der letzte Stand von 2006 ist verbindlichen Biotopverbund, wie für das künftige veraltet und wird vermutlich aus Personalmangel nicht LaPro vorgesehen. mehr fortgeführt. Damit fehlen aktuelle landesweite Standards für die verbindliche Landschaftsplanung. Das führt dazu, dass jeder Bezirk eigene Standards entwi- 3.4 Priorität für Aktualisierung des ckelt und z.B. Festsetzungstexte in jedem Verfahren Landschaftsprogramms (LaPro) wieder neu diskutiert und überarbeitet werden müs- sen. Der Naturschutzrat sieht hier dringenden Hand- Das LaPro ist das wichtigste übergeordnete Planwerk lungsbedarf und fordert, das Handbuch für Land- der Landschaftsplanung in Hamburg. An einer Aktuali- schaftsplanung so schnell wie möglich zu aktualisieren. sierung wird nach wie vor gearbeitet, sie kommt aber offenbar nicht zügig voran und wird daher wahrschein- lich von den aktuellen Entwicklungen überholt worden 3.7 Umsetzungsdefizite in der sein, wenn sie schließlich von der Bürgerschaft be- Anwendung der Eingriffsregelung schlossen wird. Unstrittig ist offenbar nur die Integra- tion des länderübergreifenden Biotopverbunds in die Für die aus Eingriffen resultierenden Verluste für den Karte Arten- und Biotopschutz des Landschaftspro- Naturhaushalt und das Landschaftsbild wird nach dem gramms. Deshalb fordert der Naturschutzrat, der Aktu- Naturschutzrecht ein Ausgleich oder ein Ersatz gefor- alisierung des gesamten Landschaftsprogramms, also dert (Eingriffsregelung nach §§ 13ff BNatSchG). Die auch der Inhalte zu Erholung/Grünes Netz und Stadt- planungsrechtlichen Anforderungen werden in Ham- klima/Naturhaushalt mit neuem Gesamt-Erläuterungs- burg in Form der Landschaftspflegerischen Begleitpla- bericht, politische Priorität einzuräumen und mehr nung oder Grünfestsetzungen in B-Plänen überwiegend finanzielle und personelle Mittel dafür einzusetzen. konsequent beachtet. Ob und in welcher Qualität der dort festgesetzte Ausgleich umgesetzt wurde, wird allerdings aufgrund von Personalmangel oder anders 3.5 Systematische Erfassung von gesetzten politischen Prioritäten nur selten überprüft. Kulturlandschaften erforderlich Bislang hat es oft keine Konsequenzen für den Ein- griffsverursacher, wenn er den notwendigen Ausgleich, Wertvolle Kulturlandschaften und Kulturlandschafts- zu dem er rechtlich verpflichtet ist, nicht oder nur in Elemente werden in Hamburg bisher nicht systema- Teilen umsetzt. Dies gilt für Ausgleichsverpflichtungen tisch erfasst und bewertet. Gerade ältere Kulturland- der öffentlichen Hand genauso wie für Vorhaben priva- schaften weisen oft Strukturen auf, die für gefährdete ter Verursacher. Neben Beispielen von gut umgesetz- Tier- oder Pflanzenarten wichtig sind. Es fehlen ent- ten Ausgleichsmaßnahmen gibt es eine nicht zu tolerie- sprechende systematische Erhebungen und ein fort- rende hohe Zahl von nicht oder nur in Teilen umgesetz- laufend betreutes und aktualisiertes Kataster in der ten Ausgleichsmaßnahmen. Auch ein zeitlicher Verzug Umweltbehörde. Die BUE sollte für die Erfassung und von über 10 Jahren zwischen Eingriff und Beginn der Inwertsetzung der Kulturlandschaft die aus dem Ausgleichsmaßnahmen ist keine Seltenheit und für den BNatSchG abgeleitete Kompetenz für sich beanspru- Naturschutzrat nicht akzeptabel. chen. Der Naturschutzrat fordert die systematische Erfassung von wertvollen Kulturlandschaften bzw. Eine Zusammenstellung und Übersicht über Aus- Elementen der Kulturlandschaft in entsprechenden gleichsmaßnahmen und ihre Wirkungen soll nach §17 Katastern. BNatSchG in einem Kompensationsverzeichnis erfol- gen. In Hamburg ist ein solches Verzeichnis vorhanden, es ist jedoch bisher lückenhaft und bietet nur wenig 3.6 "Handbuch für Landschafts- Informationen. Hier besteht nach Ansicht des Natur- planung" aktualisieren schutzrates Verbesserungsbedarf. Das "Handbuch für Landschaftsplanung", der Leitfaden Der Naturschutzrat fordert eine klare Kaskade von für die verbindliche Landschaftsplanung in Hamburg, Forderungen an die Ausgleichspflichtigen, dazu eine enthält u.a. Beispiele für rechtskonforme Festsetzun- konsequente und systematische Überprüfung der Um-
Situation des Naturschutzes in Hamburg – Denkschrift des Naturschutzrates Hamburg 2017 15 setzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und – falls erforderlich – eine Ersatzvornahme durch die Fachbehörde, finanziert durch den Eingriffsverursa- cher. Die notwendigen Mittel für die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen sind bereits in die Kostenbe- rechnung für den Eingriff einzustellen. Der Naturschutzrat fordert ein Monitoring, das Aus- gleichsmaßnahmen überprüft. Einerseits im Hinblick auf die formale Erfüllung der Planungsziele und ande- rerseits auf die Wirkung der Maßnahmen im Sinne des Naturschutzes - auch als Grundlage für zukünftige Fest- schreibungen in Landschaftspflegerischen Begleitplä- nen. 3.8 Forderungen ! Stärkung der teilräumlichen und örtlichen Landschaftsplanung ! Landschaftsplanerische Entwicklungsplanung nicht als Folgeplanung von Eingriffen, sondern gemäß der Aufgabenschwerpunkte und In- halte der Naturschutzgesetzgebung ! Integration eines verbindlichen Biotopver- bunds in das Landschaftsprogramm (LaPro) ! Aktualisierung des Landschaftsprogramms (LaPro) als vorrangige Aufgabe der Fachbe- hörde definieren ! Systematische Erfassung von Kulturlandschaf- ten bzw. Elementen der Kulturlandschaft ! "Handbuch für Landschaftsplanung" aktu- alisieren ! Umsetzungsdefizite in der Anwendung der Eingriffsregelung bezirksübergreifend erfas- sen, ggf. nachbessern und Monitoringverfah- ren zur Erfolgskontrolle zur Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen einsetzen
16 Situation des Naturschutzes in Hamburg – Denkschrift des Naturschutzrates Hamburg 2017 4 Wald und Jagd In Hamburg gibt es außerhalb der Förstereien auf rund 35.000 Hektar gemeinschaftliche Jagdbezirke, die Bearbeiter: Klaus Hamann durch private Jagdpächter bewirtschaftet werden. Diese sind nach den Grundlagen des Hamburgischen Jagdgesetzes zu bejagen, dazu gehört auch die Ver- Die Freie und Hansestadt Hamburg ist mit rund 4.700 pflichtung zur Hege des Wildes und eine sachliche und Hektar Wald ausgestattet. Weiterhin verfügt sie über örtliche Zuständigkeit des verantwortlichen Pächters Waldflächen in Schleswig-Holstein direkt an der Lan- für Wild im Sinne des Jagdgesetzes. desgrenze: Wulksfelde, Klein Hansdorf und Wedel so- wie eine Fläche von rund 345 ha in Alt Erfrade. Die Hamburger Wälder stellen ein erhebliches Potential für 4.2 Wald die Naherholung der Bevölkerung sowie für den Arten- Durch die Reform der Bezirkszuständigkeit wurde vor und Biotopschutz dar. Die Ausübung der Jagd hat 15 Jahren das stadtübergreifende Hamburgische Forst- starke Auswirkungen auf die jagdbaren Tierarten, aber amt aufgelöst und die Förstereien den Bezirken zuge- auch auf andere, nicht jagdbare Arten und auf deren ordnet. Lediglich die Bereiche Planung und Forstauf- Lebensräume. Deswegen sind die Belange des Natur- sicht werden noch von einer zentralen Stelle in der schutzes bereits bei der Ausbildung der Jäger beson- BWVI (Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation) ders zu beachten. wahrgenommen, sowie die Verwaltung der hamburgi- schen Försterei Alt Erfrade, die im Kreis Segeberg liegt. 4.1 Einleitung Im Gegensatz zu den umliegenden Flächenländern, wo 4.2.1 Bewertung Wald die Forstverwaltungen den Wald hauptsächlich zum Weil die Hamburger Wälder nicht nach den Prinzipien Zweck einer Gewinnmaximierung bewirtschaften, einer kostendeckenden Forstwirtschaft, sondern im deckt in Hamburg die Nutzung aus Holzverkauf, Wild- Wesentlichen nach Naturschutzgesichtspunkten ver- verkauf und Veredelung nicht annähernd den perso- waltet werden, hat sich der Naturschutzrat immer nellen und materiellen Aufwand für die Betreuung der wieder dafür eingesetzt, die zentrale Verwaltung der Wälder. Diese Art Nutzung ist auch nicht das Ziel der Hamburger Wälder auf die Naturschutzbehörde zu Hamburgischen Waldpolitik. Die naturgemäße Bewirt- übertragen. Nur mit ihrer Kompetenz können die für schaftung und der Erholungsverkehr mit all seinen die Planung und Bewirtschaftung der Waldflächen Folgen, wie erhöhte Anforderungen an die Verkehrssi- sinnvollen Zielvorstellungen, Organisationen und Kos- cherung, Wegepflege und Unterhaltung haben die teneinsparungen realisiert werden. Bezüglich der Förs- Waldpolitik in Hamburg schon früh in eine andere, aus terei Alt Erfrade hat sich der Naturschutzrat bereits Sicht des Naturschutzes durchaus sinnvolle Richtung mehrfach geäußert. Der Wald ist bezüglich der Baum- gelenkt. Unterschiedliche Typen von Laubwäldern im artenwahl fehlbestockt und wird nicht nach den Prinzi- Norden (Wohldorfer Wald, Volksdorf, Niendorfer Ge- pien einer ökologisch-nachhaltigen Waldwirtschaft hege), auf den trockenen Flächen in Rissen und in Ber- geführt. Nach Auffassung des Naturschutzrates ist es gedorf, im Süden (Hausbruch) und in Eißendorf, und ein kostspieliges Abenteuer, eine solche Waldfläche Feuchtwälder wie Reste ehemaliger Tide-Auenwälder weit außerhalb Hamburgs zu behalten. Hierbei geht es stehen für eine gewisse biologische Vielfalt. Charakter- nur um die 345 Hektar im Bereich Alt Erfrade. Die istisch für die Hamburger Wälder ist – im Gegensatz zu ehemals zur Hamburgischen Försterei Wulksfelde ge- denen in den Flächenländern – ein hoher (da nicht hörenden Flächen direkt an der Landesgrenze sollten ständig ausgeräumter) Holzvorrat und damit auch das im hamburgischen Besitz verbleiben. Die BWVI hat Vorhandensein von Beständen an „stehendem Tot- inzwischen einen Bewirtschaftungsvertrag für alle holz“. Diese biologisch bedeutsamen waldtypischen Flächen der Försterei Alt Erfrade mit den Schleswig- Kleinbiotope eröffnen Lebensmöglichkeiten für an alte Holsteinischen Landesforsten abgeschlossen. Somit hat Waldbestände angepasste Tier- (z.B. Fledermäuse, Hamburg auch kaum mehr Einfluss auf Form und Art Höhlenbrütende Vogelarten und Käfer) und Pflanzenar- der Bewirtschaftung dieser Flächen. ten.
Situation des Naturschutzes in Hamburg – Denkschrift des Naturschutzrates Hamburg 2017 17 4.2.2 Forderungen Wald Auch das Ansprechen von Arten im Präparat ist seit 1996 reduziert worden. Für die Fächer Naturschutz und Alte, ungestörte Wälder haben eine besonders hohe Wildkunde gab es von 1992-1996 ein klares Unter- Bedeutung für die Tier- und Pflanzenwelt, den Boden, richts- und Prüfungskonzept, welches sich an den Not- den Wasserhaushalt und das Landschaftsbild. wendigkeiten einer modernen Jagdwirtschaft und de- ! Es ist deshalb sehr wichtig, dass Hamburg, wie nen des Naturschutzes orientierte. Dieses Konzept in der Nationalen Biodiversitätsstrategie ge- wurde inzwischen vom Landesjagdverband fallen ge- fordert und im Koalitionsvertrag festgelegt, lassen. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern gibt es 10 % seiner Waldfläche dauerhaft der natürli- in Hamburg keine staatlichen Prüfungsausschüsse für chen Entwicklung überlässt. Diese Flächen mit die Jägerprüfung, sondern nur solche des Landesjagd- natürlicher Entwicklung sollen vor allem alte verbandes. Folgerichtig gab es in den letzten Jahren Laubwaldbestände, Au- und Bruchwälder einen regelrechten „Prüfungstourismus“ aus anderen umfassen. Der Naturschutzrat fordert, diese Bundesländern nach Hamburg. Das Internet bietet die Flächen rechtlich zu sichern und öffentlich be- unterschiedlichsten Aussagen zum Niveau der Ham- kannt zu machen. burger Jägerprüfung. ! Auch außerhalb der stillgelegten Waldflächen Der Naturschutzrat sieht folgende Notwendigkeiten: sind ein hoher Anteil heimischer Baumarten sowie ein hoher Alt- und Totholzanteil anzu- ! Die Prüfungsausschüsse für die Jägerprüfung streben. müssen aus der privaten Trägerschaft heraus- ! Die Verwaltung der Hamburger Wälder ist der genommen und der Umweltbehörde zugeord- Naturschutzbehörde zu übertragen. net werden. ! Die Präsenz von „Offiziellen“ (Revierförstern) ! Die Prüfungen müssen Mindeststandards ent- im Gelände ist in der Großstadt überaus wich- halten, wie es sie z.B. in Schleswig-Holstein tig. Eine kontinuierlich wahrzunehmende Auf- gibt. gabe ist die Unterhaltung der Wanderwege ! Die Widerspruchsinstanz ist vom Landesjagd- und eine laufende Präsenz bei den örtlichen verband auf die Aufsichtsbehörde zu übertra- politischen Gremien. Insofern empfiehlt der gen. Naturschutzrat die Präsenz von Revierleitern ! Die beiden „biologischen“ Fächer sind wieder im bisherigen Umfang beizubehalten. mit ausgewiesenen Fachleuten zu besetzen. ! Gleiches gilt für die Fächer Waffen und Recht. Sie sollten mit Polizeibeamten, Waffenmeis- 4.3 Jagd tern, Juristen und Verwaltungsbeamten be- 4.3.1 Fallbeispiel 1: Jägerprüfung setzt werden. In den Fächern Jagdbetrieb und Hunde könnten weiterhin Praktiker prüfen. Um gerade in einem Ballungsraum wie Hamburg si- ! Prüfungen müssen an einem „neutralen“ Ort cherzustellen, dass die Jägerprüfung von den Proban- stattfinden. den nicht nur wegen der damit verbundenen Berechti- gung abgelegt wird, Waffen zu erwerben, wurde mit einer Änderung der „VO über die Jägerprüfung“ 1992 4.3.2 Fallbeispiel 2: Jagdbeirat in der FHH das Prüfungsfach Naturschutz eingeführt. Um den An- forderungen an zeitgemäße ökologische Gesichts- Das Bundesjagdgesetz gibt in § 37 den Rahmen für eine punkte gerecht zu werden, wurden insbesondere die Bildung von Jagdbeiräten vor. Eine Begrenzung der Zahl Fächer Naturschutz und Wildkunde mit ausgewiesenen der Mitglieder nach oben gibt es nicht, es sind nur Fachleuten als Prüfer besetzt. Dieses Prinzip wird in- „Mindestbesetzungen“ vorgegeben. Im Hamburger zwischen nicht mehr strikt durchgehalten. Zum Teil Jagdgesetz wird in § 28 diese mit 13 angegeben (3 De- erfahren die Prüfer am Morgen vor der Prüfung, wel- putierte, 6 Jäger, 1 Vertreter Landwirtschaft, 1 Vertre- ches Fach sie am jeweiligen Tage prüfen. Auch ist als ter Forstwirtschaft, 1 Vertreter Jagdgenossenschaften, Voraussetzung, um Prüfer zu werden, ein qualifiziertes 1. Vertreter Naturschutz). Die überwiegenden Anzahl Fachwissen nicht mehr erforderlich. Es reicht die be- der Mitglieder des Hamburger Jagdrates (6 Jäger, 3 standene Prüfung für einen Dreijahresjagdschein. Deputierte) hat sich in der Regel nur durch die Absol- vierung eines Vorbereitungskurses auf die Jägerprü- fung und die anschließende Jägerprüfung qualifiziert.
Sie können auch lesen