Sommer 2022 - Jesuiten weltweit
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, vielleicht kennen Sie jemanden, der in den letzten Wochen Geflüchtete aus der Ukraine bei sich aufgenommen hat, oder Sie haben selbst ein Zimmer oder eine Wohnung zur Verfügung gestellt. Nach Angaben der deutschen Innenministerien sind etwa zwei Drittel der Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind, privat untergekom- men, die Hälfte davon bei Freundinnen, Freunden und Verwandten, viele andere aber bei hilfsbereiten Fremden. Und auch die Jesuiten in Deutschland und Österreich schaffen Platz in ihren Häusern und Ein- richtungen, zum Beispiel in Innsbruck, Wien und Bonn. Wir in Deutschland und Österreich „schaffen das“, wie auch die Be- wältigung der Flüchtlingswelle 2015 – eine viel größere Last aber tra- gen gerade die Anrainerstaaten der Ukraine. Hier stranden die meisten Geflüchteten, in der vielleicht trügerischen Hoffnung, so schnell wie möglich in ihre Städte und Dörfer zurückzukehren, berichten die Jesu- iten in Polen und Rumänien und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer osteuropäischen Partnerorganisationen. „Wir spüren den Opti- mismus“, sagt Bianca Albu vom JRS in Bukarest, und berichtet von „ei- nem unglaublichen Durchhaltevermögen“ der Menschen trotz täglicher schlechter Nachrichten aus der Heimat, von Tod und Zerstörung. Wir können nur erahnen, was die Geflüchteten durchleben, ihre Zu- versicht bewundern und ihnen dabei helfen, ein Stück Frieden und Sicherheit zu finden. Wir wünschen Ihnen einen guten, friedlichen Sommer, herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! Ihre Klaus Väthröder SJ Mag. Katrin Morales Missionsprokurator Geschäftsführerin in Wien
INHALT 04 Flucht in eine ungewisse Zukunft Die Jesuiten in Osteuropa stehen Menschen aus der Ukraine zur Seite, wohin diese der Weg auch führen mag 12 „Alte Lösungen funktionieren nicht mehr“ Pedro Walpole SJ über diese Notwendigkeit der sozial-ökologischen Transformation Flucht aus der Ukraine 16 „Es ist gefährlich, Christ zu sein“ Unsere osteuropäischen Partnerorganisationen helfen 44 Jahre nach seiner Ermordung wurde Rutilio Grande SJ beim Ankommen in Polen, seliggesprochen. Martin Maier SJ berichtet aus El Salvador Rumänien und der Republik Moldau 18 Ein Signal an die Jugend Nach dem Putsch steckt Myanmar in einer tiefen Krise. Die Jesuiten setzen ihre Bildungsprogramme fort 20 Insel am Abgrund Sri Lanka droht im Chaos zu versinken. Die Jesuiten starten Nothilfemaßnahmen. 22 Rechenschaftsbericht 2021 Katrin Morales über Solidarität und radikale Zeichen der Hoffnung 24 Rückblick: Projekte 2021 CONCORDIA Prizren – Lok Manch Indien – Kampf gegen Corona – Flüchtlingshilfe Marokko – St. Rupert‘s High School Simbabwe – Comparte-Netzwerk Lateinamerika 30 Stiftung und Erbschaften Nachhaltige Unterstützung für unsere Projekte 33 Im Dialog Sozial-Ökologische Sprachrohr aus Papier: Darum bleibt weltweit Transformation unser wichtigstes Medium Bildung und indigene Identität helfen philippinischen Jugend- 34 Nachrichten und Termine lichen, ihre Lebensräume zu Trauer um Klaus Riesenhuber SJ – #weltweitonline Ukraine – schützen. Tanz-Tournee mit Saju George SJ
EDITORIAL Flucht in eine ungewisse Zukunft In den Anrainerstaaten der Ukraine bangen Geflüchtete um ihre Heimat und um jene, die blieben. Die Jesuiten und unsere Partnerorganisationen stehen ihnen zur Seite, wohin sie der Weg auch führen mag. 4 jesuitenweltweit
INHALT G estern noch Religionslehrer an einem Gym- nasium, heute Sozialarbeiter, Psychologe, Lo- gistiker und rund um die Uhr am Telefon: Der 24. Februar 2022 hat das Leben von Damian Czerniak SJ gehörig auf den Kopf gestellt, auch wenn der junge Jesuit irgendwie damit gerechnet hatte, „dass es nach den Olympischen Spielen soweit sein könnte“. Dass Russlands Präsident Wladimir Putin nach monate- langer Vorbereitung seinem Militär den Befehl geben würde, das Nachbarland anzugreifen. „Gleich nach den ersten Raketeneinschlägen klingelte mein Tele- fon“, erinnert sich Damian: „Ich war schockiert, aber nicht überrascht.“ jesuitenweltweit 5
UKRAINE In Alarmbereitschaft versuchen, gemeinsam mit dem polnischen In Polen hatte man das immer lautere Säbel- Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS), einer Orga- rasseln Putins – Aufrüstung an den Grenzen, nisation im Aufbau mit nur zwei Angestellten, Manöver russischer und belarussischer Trup- eine gewaltige Aufgabe zu bewältigen. pen, unverhohlene Destabilisierungsversu- che in ukrainischen Städten, Cyberattacken Rechnete man zunächst mit einigen Hundert- – ernster genommen als im Westen. Die pol- tausenden, hatten sich Ende April bereits fast nische Armee war seit Wochen in höchster drei Millionen der insgesamt über fünf Mil- Alarmbereitschaft und bereits Mitte Februar lionen Geflüchteten ins Nachbarland Polen hatte die Regierung die Kommunen aufgefor- gerettet. Tausenden Menschen, die auf der dert, sich auf die Ankunft von Geflüchteten Durchreise zu Freunden oder Verwandten vorzubereiten. waren, konnten die Jesuiten seit Februar in ih- ren Kommunitäten in Gliwice, Bytom, Nowy Sącz und Gdynia für eine oder zwei Nächte Obdach geben; dauerhaft haben sie knapp 120 Menschen in Kommunitäten und Gemeinde- häusern untergebracht. „Ein großer Teil unserer Arbeit besteht darin, über das Telefon Wohnraum zu organisieren“, berichtet Damian. Zwölf polnische Familien haben sich entschieden, längerfristig Ge- flüchtete aufzunehmen, die ihnen die Jesuiten vermittleln. „Die meisten, die kommen, sind Frauen und Kinder“, sagt Damian, „und fast alle wollen so schnell es nur geht zurückkehren.“ Nach der Generalmobilmachung in der Ukraine dür- „Ohne die Unterstützung Hunderter fen Männer im wehrfähigen Alter nicht das Freiwilliger und all die Spenden aus Land verlassen, es sei denn sie sind krank, aller Welt könnten wir die Arbeit behindert – oder haben mehr als drei oder nicht bewältigen“ schwerkranke Kinder, die rund um die Uhr Damian Czerniak SJ, Jesuits for Ukraine Betreuung benötigen: Damian berichtet von einer Familie mit einem sechsjährigen Kind, das an einer schweren Lungenkrankheit lei- So waren auch die polnischen Jesuiten vorbe- det und in Polen behandelt wird: „In solchen reitet: „Direkt nach den Angriffen haben die Fällen ist eine schnelle Rückkehr ausgeschlos- beiden polnischen Jesuitenprovinziale eine sen.“ Genauso wenn das Wohnhaus zerbombt Mail an alle Kommunitäten im Land geschickt: wurde oder der Arbeitsplatz, oder wenn eine „Öffnet alle Häuser für Geflüchtete!“ Vier Pa- Zukunft in Polen, wo vielleicht schon Freun- tres, einer von ihnen Damian, bilden seitdem de oder Verwandte leben, mehr verspricht als die polnische Taskforce der Jesuiten und der Weg zurück ... 6 jesuitenweltweit
UKRAINE Gekommen, um zu bleiben? Die Integration geflüchteter Kinder ist eine der wichtigsten Aufgaben. Optimismus und Verzweiflung Momente der vergangenen Monate, bis auf ein- mal das Telefon einer Frau klingelte: Ihr Ehe- Auch Bianca Albu vom JRS Rumänien ist über- mann ist bei Gefechten ums Leben gekommen.“ wältigt vom grenzenlosen Optimismus so vieler Geflüchteter, der aber jeden Moment in Trauer Sehnsucht nach Normalität und Verzweiflung kippen kann. Rumänien hat nach Polen die meisten Menschen aufgenom- Normalität brauchen vor allem die Kinder. men. In Bukarest und fünf anderen Städten Das ukrainische Bildungsministerium und unterstützen sie die Teams des JRS, stellen einzelne Schulen stellen Lehrpläne und Un- Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung, terrichtsmaterial online zur Verfügung, so geben Rechtsberatung, helfen beim Ausfüllen dass viele Kinder ihr ukrainisches Schuljahr von Formularen und bei der Einschulung von in Aufnahmeländern wie Polen, Rumänien Kindern, organisieren Sprachkurse, vermitteln oder in der Republik Moldau abschließen Wohnraum und Kita-Plätze, leisten psychoso- können. An einigen Schulen werden ukrai- ziale Unterstützung und versuchen, den Men- nische Lehrkräfte eingesetzt. Aber dann? schen ein Stück Normalität zu schenken. „Wenn abzusehen ist, dass die Familien blei- „Eine unserer ukrainischen Frauen in Buka- ben, ist es wichtig, schnell mit Rumänisch- rest, Viktoria, wurde im April 31“, erzählt Bi- Kursen anzufangen“, sagt Bianca Albu. anca. Viktoria ist von Beruf Artistin und lei- Damian Czerniak SJ berichtet von speziellen det sehr darunter, dass sie in absehbarer Zeit ukrainischen Klassen in Polen, aber weiß kein Engagement in Rumänien finden wird. ebenso, dass viele Schülerinnen und Schüler „Ihre Geburtstagsfeier mit den anderen Frau- bald in den normalen polnischen Unterricht en und unserem Team war einer der schönsten integriert werden müssen. jesuitenweltweit 7
UKRAINE Manchmal funktioniert die Integration spie- lend: Yana (5) floh mit ihrer Mutter aus Odessa in die Republik Moldau. Gemeinsam mit drei anderen geflüchteten Frauen und Kindern lebt sie derzeit im Multifunktionszentrum des ignatianischen Hilfswerks CONCORDIA in Tudora. Hier leben nicht nur Geflüchtete, sondern auch ältere Moldauer:innen. Einer dieser Menschen ist Fedor. Er hat ein Bein ver- loren und sitzt im Rollstuhl. „Er und Yana ha- ben sich gleich zu Beginn angefreundet, und mittlerweile sind die beiden ein Herz und eine Auf dem Weg zur Oma nach Israel: Weil Lev (11), Liza (9) und Seele“, berichtet CONCORDIA-Mitarbeiterin Platon (4) zu dritt sind, durften sie mit beiden Eltern nach Katharina Wagner: „Yana führt den Mann je- Rumänien ausreisen. den Tag über das Grundstück, malt ihm un- zählige Bilder und führt ihm ihre Tanzkünste vor. Und Fedor ist froh über die Abwechslung, er selbst vermisst seine Familie sehr, denn sei- ne Kinder und Enkel leben im Ausland.“ „Dank eurer Menschlichkeit, Aufmerksamkeit und Fürsorge haben wir die Kraft weiterzumachen“ Svetlana aus Odessa, jetzt in einem CONCORDIA-Zentrum in Rumänien Nach vier Wochen Flucht können Svetlana, Domir und Xenia Geschichten wie die von Yana und Fedor in Rumänien durchatmen. strahlen leuchtend hell über dem Dunkel von Krieg, Zerstörung und Gewalt. „Mein erster Gedanke war: Warum tun Menschen so et- was? Mein zweiter war: Was kann ich jetzt tun?“, erinnert sich Damian Czerniak an seine Reaktion nach dem Überfall auf die Ukraine. So wie er haben viele seiner Landsleute und viele Menschen in ganz Europa empfunden. Und diese Solidarität ist eine mächtige Waffe im Kampf gegen Putins Aggression. Steffen Windschall Im Multifunktionszentrum von CONCORDIA haben Yana und Fedor Freundschaft geschlossen. jesuitenweltweit 9
UKRAINE Hunger als Waffe Der Krieg in der Ukraine wütet global: Ernteausfälle verursachen massive Preisstei- gerungen für Grundnahrungsmittel. In einigen Weltregionen droht eine Hungersnot. A ngesichts massiver Ernteausfälle bei die schlechte Versorgungslage als Druckmittel Weizen in der Ukraine und der rus- einsetzt, wird der Hunger zur Waffe. sischen Exportstopps für Getreide und Dünger drohen „Hungersnöte, die große 14 Länder beziehen nahezu ihre gesamten Regionen der Erde betreffen“, warnt das Glo- Weizenvorräte aus der Ukraine, der Korn- bale Informations- und Frühwarnsystem für kammer Europas, viele von ihnen auch Teile Ernährung und Landwirtschaft (GIEWS) der ihrer Maisvorräte, darunter arme Länder wie Vereinten Nationen. der Sudan, Libanon oder der Jemen. Obwohl Weizen in ihrer Ernährung keine große Rolle Die Preise für Lebensmittel haben im Febru- spielt, kann sich der Konflikt auch auf Länder ar 2022 ein Allzeithoch erreicht. Im Jemen ist südlich der Sahelzone auswirken: Der Jesuit Speiseöl um 36 Prozent teurer geworden, in und Agrarwissenschaftler Claus Recktenwald Syrien um 39 Prozent. Der Preis für Weizen- SJ, Direktor des Landwirtschaftsausbildungs- mehl ist in Libyen um 15 Prozent und im Liba- zentrums KATC in Sambia, fürchtet, dass non um 47 Prozent gestiegen. Es sind Konse- auch die Mais-Preise steigen werden: „Viel quenzen des Krieges, denn fast ein Drittel des hängt dann davon ab, wie die Ernten in den international gehandelten Weizens stammt afrikanischen Regionen ausfallen. Sind sie aus der Ukraine und aus Russland. Durch den schlecht, dann kann sich die Krise verschär- anhaltenden Konflikt werden ukrainische fen.“ Er hofft, dass die afrikanischen Entschei- Landwirt:innen die neue Anbausaison verpas- dungsträger „frühzeitig die Weichen stellen“, sen und somit die erhofften Erträge verlieren. damit sich der Kontinent „möglichst autark“ Wenn der russische Präsident Wladimir Putin ernähren kann. 10 jesuitenweltweit
Unsere Bitte für Geflüchtete aus der Ukraine Obgleich überrollt von den Ereignissen, waren die Jesuiten in Polen, die Teams von JRS Rumänien und CONCORDIA gewappnet: Seit dem Tag des Angriffs auf die Ukraine sind sie an den Grenzen präsent, versorgen Geflüchtete mit dem Nötigsten, organisieren Transporte und öffnen ihre Häu- ser. Nicht nur in den Anrainerstaaten stehen Jesuiten den Vertriebenen zur Seite, auch in der Uk- raine selbst. In Lviv unterhält der JRS seit 2008 ein Haus für Geflüchtete. Allen, die dort Zuflucht suchen, wird Unterkunft, Verpflegung, Rechtshilfe und psychosozialer Beistand gewährt. Mit unserer Unterstützung organisieren unsere Partnerinnen und Partner weiter kurz- und langfristige Hilfsprogramme. Denn selbst wenn der Krieg enden sollte, können viele nicht in ihre zerbombten Heimatorte zurückkehren. Das Hauptaugenmerk liegt also auf der Bereitstel- lung von Unterkünften; die polnischen Jesuiten schaffen gerade neue Räumlichkeiten in ihren Häusern in Gdynia und Warschau. Ein großes Thema bleibt für sie der Transport humanitärer Hilfsgüter in die Ukraine, der über zwei Verteilerzentren in Polen koordiniert wird. Langfristige Maßnahmen betreffen in allen Aufnahmeländern die Integration Geflüchteter, vor allem von Kindern, durch Sprachkurse, Schul- und Kitaplätze. Verschiedene Beratungsangebote helfen den Familien, Fuß zu fassen. Viele Menschen haben Traumata erlitten und müssen psy- chologisch betreut werden. Für diese Arbeit bitten wir Sie herzlich um Spendenkonto Österreich Unterstützung und bedanken uns für Ihre Hilfe! IBAN: AT94 2011 1822 5344 0000 Spendenkonto Deutschland IBAN: DE61 7509 0300 0005 1155 82 Klaus Väthröder SJ Missionsprokurator Stichwort: X31222 Ukraine jesuitenweltweit 11
Alte Lösungen funktionieren nicht mehr Die Beschlüsse der UN-Klimakonferenz geraten zur Farce angesichts der Untätig- keit der Regierungen des Globalen Nordens. Der Jesuit und Umweltwissenschaftler Pedro Walpole von den Philippinen fordert: Hört auf die Stimme der Jugend! D ie Verletzlichkeit unserer Welt und die in Asien steigt der Meeresspiegel kontinu- gegenwärtigen Risiken sind nicht zu ierlich, es entstehen immer mehr Taifune. übersehen: vom Amazonas und Ame- In Afrika nehmen die Dürreperioden zu, rika über die Landmassen Afrikas, Europas als Folge drohen immer mehr Unbeständig- und Asiens bis hin zum Pazifischen Ozean, wo keit in der Nahrungsmittelproduktion und sich das andere Drittel der Erde befindet. Wir Perspektivlosigkeit für junge Menschen. In können nicht einfach weiter dabei zusehen, Lateinamerika steht der Verlust des Amazo- wie sich anderswo die Katastrophen häufen, nasgebiets im Mittelpunkt. Landwirtschafts- und unsere vermeintlichen Sicherheiten als konzerne sind für den großflächigen Verlust nachhaltig betrachten. der Wälder verantwortlich, und der Bergbau setzt sich in allen Regionen über die Rechte Welt aus den Fugen und Bedürfnisse der Urbevölkerung hinweg und missachtet den Schutz der Ökosysteme. Dreh- und Angelpunkt dieser Katastrophen In Europa, in den Vereinigten Staaten und in ist die Klimakrise: Im Pazifischen Ozean und Australien nimmt die Häufigkeit von Über- 12 jesuitenweltweit
SOZIAL-ÖKOLOGISCHE TRANSFORMATION schwemmungen und Waldbränden zu, als Warum sind wir nicht schockiert? Was muss Kette extremer Ereignisse. geschehen, um uns wachzurütteln? Wir müs- sen uns jetzt fragen: Was bedeutet es, in der Im Mittelpunkt der Maßnahmen gegen die Zukunft zu leben? Klimakrise stehen, die Zusammenkünfte und Berichte der Weltklimakonferenz der Verein- Kosten explodieren ten Nationen, der so genannte COP-Prozess. Nach COP26 in Glasgow 2021 tickt die Uhr Das Getöse des globalen Nordens mit den Kli- unerbittlich weiter in Richtung COP27. Die- mazusagen auf der COP26 ist nichts als eine se „Conference of the Parties“ wird vom 7. leere Hülle von Zusagen ohne national bewil- bis zum 18. November 2022 im ägyptischen ligte Budgets. Das einstige Juwel in der Krone Scharmasch-Schaich stattfinden. Für die glo- der Klimafinanzierung, die jährliche Bewil- bale Zivilgesellschaft indes, insbesondere für ligung von 100 Milliarden Dollar, ist jetzt ein die indigenen Gemeinschaften, sind die Ver- Symbol für das Versagen der reichen Nati- einten Nationen und alle ihre Organe, ein- onen, der dramatischen Entwicklung Rech- schließlich des Verhandlungsprozesses auf nung zu tragen und wichtige Mittel für den den COPs, weit davon entfernt, den Traum von Klimaschutz zu mobilisieren. Die Münchener Frieden und Gerechtigkeit in der Welt wahr zu Rückversicherungs-Gesellschaft schätzt die machen, sowohl politisch als auch wirtschaft- Schäden der Überschwemmungskatastrophe lich. Zur bitteren Wahrheit werden für sie vom Juli 2021 allein für Deutschland auf 40 stattdessen Armut, Zerstörung von Lebens- Milliarden Dollar und weltweit auf 280 Milli- räumen und Schwächung von Demokratien. arden Dollar bis zum Jahresende. Die zugesag- ten 100 Milliarden Dollar sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein, während die Kosten für Auch hinter dem Krieg in der Ukraine Schadensbegrenzung explodieren. verbirgt sich die Macht des Marktes, die über den Menschenrechten und In Glasgow haben die Vereinigten Staaten, das den Klimazielen steht. Vereinigte Königreich und die Europäische Union die Mittel zur Schadensbegrenzung sogar blockiert und sich lediglich dazu ver- Das Gerangel um Erdgaslieferungen in Europa pflichtet, technische Hilfe für gefährdete Län- und den Vereinigten Staaten, das Massengrab der zu finanzieren. in der ukrainischen Stadt Butscha und der virtuelle Auftritt des ukrainischen Präsiden- Im Bereich der erneuerbaren Energien wer- ten Wolodymyr Selenskyj bei der Grammy- den die Herausforderungen enorm sein: die Verleihung haben die Veröffentlichung des Energieerzeugung von kohlenstoffarmen dritten Teils des Sechsten Sachstandsberichts Methoden weiter auszubauen und die Ver- zum Klimawandel in den Schatten gestellt. fügbarkeit von Speicher-Infrastruktur und Der UN-Generalsekretär António Guterres Elektromobilität zu gewährleisten. In der EU hat seinen Aufruf erneuert: „Wenn wir jetzt stammten 2020 nur 22 Prozent der erzeugten nicht handeln, wird die Welt unbewohnbar Energie aus erneuerbaren Quellen. Der welt- sein.“ Ein Echo der leidenschaftlichen Ap- weite Verbrauch fossiler Energieträger, ins- pelle der kleinen Inselstaaten auf der COP26. besondere von Kohle, steigt trotz des rasanten jesuitenweltweit 13
SOZIAL-ÖKOLOGISCHE TRANSFORMATION Anstiegs der Nutzung erneuerbarer Energien zen, müssen wir uns alle freimachen von tief weiter an. Grund dafür ist die Sorge um die verwurzelten Einstellungen und Rechtfer- Energiesicherheit nach der russischen Invasi- tigungsversuchen, die wir uns im Laufe der on in der Ukraine und ein gestiegener Bedarf Zeit angeeignet haben. nach der Pandemie. Laut Weltklima-Bericht müssen wir aber die Wir beobachten massive Veränderungen globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 im Klima und schleichende politische Ver- um die Hälfte senken, um die globale Erwär- schiebungen auf der Weltbühne, die die Ge- mung zu begrenzen, spätestens 2025 müss- wissheiten der älteren Generation hinfällig ten sie ihren Höhepunkt erreicht haben. Wie machen. Veraltete Systeme und Lösungen aber wollen wir das in drei Jahren, in acht werden nicht mehr funktionieren, etwa Jahren erreichen? Kernenergie als „saubere Energie“ zu be- trachten. Vor allem die jüngeren Generatio- Ein neues Bewusstsein nen blicken nun über den Tellerrand hinaus. Sie wollen ein neues Zuhause erschaffen, Bukidnon, wo ich lebe, ist mit einem Vermö- das ihnen gehört, das sozial dynamisch ist, gen von 18,5 Milliarden Pesos (das entspricht mit einem integralen Wirtschaftssystem im etwa 333 Millionen Euro) die fünftreichste Dienste des Gemeinwohls und der ökologi- Provinz der Philippinen. Doch die Armuts- schen Integrität. quote liegt bei 32,8 Prozent und ist mit 26 Mil- lionen Armen eine der höchsten im Land. Glo- Jeden Tag stehe ich um 7 Uhr vor 50 indigenen bale Agrarkonzerne übernehmen die Macht Jugendlichen, die in unseren Arbeitsteams für im Hochland, wo die einheimischen Bauern Bambusanbau, Wiederaufforstung, Lebens- Mais für ihr Vieh anbauen. Der anhaltende mittel-Produktion und Bauarbeiten tätig sind. Krieg zwischen der Kommunistischen Partei Sie alle wollen sich weiterbilden und in ihren und der philippinischen Regierung wird auf Gemeinden Verantwortung übernehmen. dem Land der indigenen Bevölkerung ausge- Auch ich bin jeden Tag dankbar, dass wir 50 tragen: Frieden und Ernährungssicherheit auf hoffnungsvolle Träumer in unserer eigenen Mindanao, der zweitgrößten Insel der Philip- Gemeinschaft haben. pinen, sind in weiter Ferne. Träume wider den Status Quo Menschen und Gemeinschaften gera- Als gläubige Menschen sind wir herausgefor- ten unter die Räder technokratischer dert, mit Papst Franziskus zu träumen. Sein Prozesse und Systeme. apostolisches Schreiben „Querida Amazonia“ („Geliebtes Amazonien“) hat einen klaren Be- zug zu Lateinamerika, doch Franziskus teilt Es besteht die Gefahr, dass Lösungen stereoty- seine Träume mit uns allen. Er fordert uns pisiert werden, damit sie in vorgefasste, ver- auf, unsere Vorurteile und starren Denkwei- einfachte Ansichten zu komplexen Problemen sen aufzubrechen, um Träume zuzulassen. passen, wie dem Rückgang der biologischen Träume sind eine ernste Angelegenheit, bei Vielfalt, Armut, Frieden und Klimaflucht. Um der es um Visionen geht, darum, Freiheit zu uns mit diesen Realitäten auseinanderzuset- spüren und dem Status Quo zu trotzen. 14 jesuitenweltweit
SOZIAL-ÖKOLOGISCHE TRANSFORMATION Wie können wir mit diesen Träumen voran- kommen? Verschiedene Jugendgruppen und kirchliche Bewegungen in der Pazifikregion arbeiten zusammen und gestalten aktiv die Entwick- lungdes Wandels. Wie zersplittert die Welt auch sein mag es gibt viele Möglichkeiten zu- sammenzuarbeiten und neue Stimmen einzu- bringen. Die Organisationen „Ecojesuit“, „River Above Asia“ und „Oceania Ecclesial Network“ nutzen diese Möglichkeiten durch die Koope- ration mit Netzwerken für soziale Gerechtig- keit und andere Aktionsfelder. Gleichzeitig ermutigen wir die indigene Jugend, neue Wege aufzuzeigen und ihren Gemeinschaften dabei zu helfen, Lösungen zu definieren und zu ge- stalten, die in ihrer Kultur verwurzelt sind. Deshalb ist es wichtig, mit den Jugendlichen zu- Nicht nur auf den Philippinen: Agrarkonzerne bedrohen sammenzukommen und ihnen zuzuhören, um kleinbäuerliche Landwirtschaft. den Weg in die Zukunft zu erkunden. Dies ist auch eine Gelegenheit, sich in Bescheidenheit zu üben und sich selbst eine einfache Freude zu gönnen: sich zu engagieren und seine Fä- higkeiten weiterzugeben. Die Stimmen und Visionen junger Menschen finden weltweit Gehör, zusammen mit den Geschichten von Millionen marginalisier- ter Menschen. „Fridays for Future“, „School Strike 4 Climate“ und die „Pacific Climate Warriors“ fordern zusammen mit anderen jungen Klimaaktivist:innen einen tiefgrei- fenden sozial-ökologischen, wirtschaftli- chen und finanzpolitischen Wandel, der von uns allen eine starke Hoffnung erfordert. Sich voll und ganz auf die Vielfalt der Welt, die aktuellen Herausforderungen und die wichtigen Forderungen der Jugend einzulas- sen, ist wie an der Schönheit und Gnade eines neuen Sonnenaufgangs teilzuhaben. Ob in Amazonien oder anderen Weltregionen: Die Jugend fordert einen Paradigmenwechsel. Pedro Walpole SJ jesuitenweltweit 15
EDITORIAL „Es ist gefährlich, Christ zu sein“ 44 Jahre nach seiner Ermordung wurde der Jesuit Rutilio Grande in El Salvador selig gesprochen. Martin Maier SJ, früherer Mitarbeiter von jesuitenweltweit, heute Geschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, nahm an der Feier teil. A uf diesen Tag hatte Pater Salvador Aguilares lebte die überwiegende Mehrheit der Carranza jahrelang zugelebt: die Se- Menschen in bitterster Armut. Der Boden war ligsprechung seines Freundes Rutilio im Besitz von einigen wenigen Großgrundbe- Grande in San Salvador. Zusammen mit drei sitzern. Für Grande war klar, dass Gott dieser Mitbrüdern machte er sich am 22. Januar Situation nicht gleichgültig gegenüberstand. 2022 auf den Weg zum Platz „Salvador del Mundo – Erlöser der Welt“. „Gott liegt nicht im Himmel weit Kardinal Gregorio Rosa Chávez erinnerte in oben in einer Hängematte, sondern seiner Predigt an die 75.000 zivilen Opfer des er ist mitten unter uns. Für ihn ist es Bürgerkriegs in El Salvador. Für sie stünden wichtig, ob es den Armen hier unten stellvertretend die vier neuen Seligen: Rutilio schlecht geht oder nicht.“ Grande, seine Begleiter Manuel Solórzano und Nelson Rutilio Lemus sowie der Franziskaner Cosme Spessotto. Dann setzte sich eine Pro- Im Mittelpunkt ihres pastoralen Konzepts zession mit Reliquien in Glasschreinen in Be- stand die aktive Beteiligung der Gläubigen am wegung. Salvador Carranza folgte tief bewegt Leben der Gemeinde. Die Keimzelle des Neu- dem Schrein mit einem Taschentuch von Ru- aufbruchs lag in den Gruppen, die miteinander tilio Grande, das von seinem Blut getränkt war. die Bibel lasen. Dabei ging es darum, das Wort Gottes mit dem Leben der Menschen in Ver- Er dachte zurück an den September 1972, als er bindung zu bringen. Die Gruppen folgten dabei zusammen mit „Tilo“ in dem Bauerndorf Agui- dem aus der christlichen Arbeiterjugend kom- lares begonnen hatten, eine bewusstseinsbil- menden Dreischritt Sehen-Urteilen-Handeln. dende und befreiende Pastoral umzusetzen. In Rutilio Grande bildete mit seinem Pastoralteam 16 jesuitenweltweit
EL SALVADOR Männer und Frauen zu „Delegados de la palab- ra“, zu Boten des Wortes aus, die auszogen, um neue Gruppen ins Leben zu rufen. Auf diesem Weg entfaltete der Glaube eine soziale und politische Wirksamkeit. Grande ermutigte die Bauern, sich gewerkschaftlich zu organisieren und ihre Rechte auf ein men- schenwürdiges Leben einzufordern. Auch andere Priester folgten diesem Beispiel. Doch damit sahen die Großgrundbesitzer ihre Inte- ressen bedroht. So begann die Verfolgung der Kirche in El Salvador. Martin Maier SJ (links) mit Salvador Carranza SJ „Wehe euch, ihr Heuchler!“ vor der Seeligsprechung von Rutilio Grande. Am 13. Februar 1977 fand in Apopa eine Protest- demonstration mit über 6.000 Teilnehmern Die Bekehrung des Erzbischofs statt. Bei der abschließenden heiligen Messe hielt Rutilio Grande eine flammende Predigt. Auch wenn Rutilio Grande ein Freund Rome- Unerschrocken stellte er fest: „Es ist gefährlich, ros war, so stand dieser seinem Engagement in Christ zu sein in unserer Mitte!“ Er zitierte Aguilares distanziert gegenüber. Doch wie er Statistiken über das Elend in El Salvador. Dann jetzt vor dem Leichnam Rutilio Grandes stand, fuhr er fort: „All dies kleiden wir heuchlerisch wurde Oscar Romero im Innersten erschüttert. in prunkvolle Werke, wehe euch, ihr Heuchler, Er ließ sich das schlichte Zimmer Rutilios zei- die ihr euch lauthals Katholiken nennt.“ gen und murmelte vor sich hin: „Er hat wirk- Es dürfte diese Predigt gewesen sein, die Ru- lich arm gelebt.“ Romero entschied, mitten in tilio Grandes Todesurteil besiegelt hat. Am 12. der Nacht eine Messe zu feiern. März 1977 wurde er zusammen mit seinen zwei Begleitern auf dem Weg zu einem Gottesdienst Papst Franziskus war die Seligsprechung von aus einem Hinterhalt ermordet. Auftraggeber Rutilio Grande so wie schon die Heiligspre- waren die Großgrundbesitzer. chung von Oscar Romero 2018 ein besonderes Anliegen. Und Vieles, was heute auf der Agen- Salvador Carranza dachte zurück, wie ihn an da der Erneuerung der Kirche in Lateiname- jenem Abend im Pfarrhaus von Aguilares die rika und der Karibik steht, hat Rutilio Grande Nachricht von den Morden erreichte. Er war schon vorweggenommen: den missionarischen fassungslos. Eigentlich wollte er zusammen mit Neuaufbruch, die neue Beteiligung der Laien, Rutilio in die Filialgemeinde von El Paisnal fah- die Würdigung der indigenen Traditionen, ren. Doch Carranza hatte sich verspätet –des- den prophetischen Beitrag der Kirche zu poli- wegen war er noch am Leben. Als die drei blu- tischen und strukturellen Veränderungen. So tenden Leichname in Aguilares eintrafen, half sind die Seligsprechungen vom 22. Januar ein er mit, sie in Leintücher zu hüllen. Er erinnerte Signal der Ermutigung für die Kirche Latein- sich auch noch, wie in der Nacht der neuer- amerikas auf ihrem Weg der sozialen, kultu- nannte Erzbischof Oscar Romero eintraf. rellen, ökologischen und synodalen Umkehr. jesuitenweltweit 17
Ein Signal an die Jugend Nach dem Putsch vom Februar 2021 steckt Myanmar in einer tiefen Krise. Die Jesuiten stehen weiter an der Seite der Ärmsten und setzen ihre Bildungsprogramme fort. A m 1. Februar 2021, als Myanmar unter Die UNO schätzt, dass mindestens 1.600 Zi- immer mehr COVID-Erkrankungen vilistinnen und Zivilisten ums Leben kamen und den Auswirkungen der Aus- und viele weitere verwundet wurden, dass gangssperren auf Bildung und Wirtschaft litt, mindestens 5.600 Häuser zerstört wurden, stürzte das Militär die gewählte Regierung. und noch viele weitere Menschen verwun- Die Bevölkerung aber wollte nicht akzeptie- det wurden. Und dass der Konflikt 520.000 ren, dass die Demokratie bereits nach der neue Binnenvertriebene geschaffen hat, zu- zweiten Wahl abgeschafft werden sollte, und sätzlich zu den 370.000 aus dem Krieg gegen widersetzte sich der Machtübernahme mit zi- ethnische Minderheiten vor dem Putsch. All vilem Ungehorsam und Streiks. diese traurigen Zahlen steigen jeden Monat weiter an. Trotz des friedlichen Charakters der Proteste versuchte das Militär, die Zivilbevölkerung Um zwanzig Jahre zurückgeworfen mit außergewöhnlicher Brutalität zu unter- drücken. Die Gräueltaten reichten von der Die geschlossenen Fabriken und Büros, die ge- Erschießung von Demonstrierenden bis hin schlossenen Schulen und Universitäten, eine zu Luftangriffen auf Städte und Dörfer. In ei- Nahrungsmittelinflation von 30 Prozent bin- nem Fall wurden sogar Menschen verbrannt, nen zwölf Monaten und die durch das Militär die in einer Kirche Schutz gesucht hatten. geschaffene Unsicherheit wirken sich verhee- 18 jesuitenweltweit Kleidung Geflüchteter in Bar Elias, Libanon.
MYANMAR rend auf die Gesellschaft aus. Die Wirtschaft erfolgreiche Saison für MAGIS, ein spirituelles ist nahezu zusammengebrochen, und fast die Bildungsprogramm, das jungen Menschen je- Hälfte der Bevölkerung lebt jetzt in Armut. suitische Werte und Wahrnehmung vermittelt. Dies wirft die humanitäre Entwicklung und die Wirtschaft um 20 Jahre zurück. Mehr als In Nanhlaing im Bundesstaat Kachin wurde die Hälfte der 56 Millionen Einwohner ist un- ein Wohnheim für 50 Mädchen aus abgelege- ter 30 Jahre alt, und 16 Millionen Schulkinder nen Gebieten errichtet, die zur Ausbildung in haben praktisch zwei Schuljahre versäumt. Es die Gemeinde kommen, dazu ein neuer Kon- ist daher besonders besorgniserregend, dass vent für die Schwestern, die vor Ort arbeiten. ein Ende des Konflikts nicht in Sicht ist. Vie- le junge Menschen sind verzweifelt, weil sie In Taunggyi findet in verschiedenen Stadttei- keine Zukunft für sich sehen, und der Impuls len Unterricht für Binnenflüchtlingskinder vieler ist, gegen die Junta zu kämpfen, selbst statt, unter anderem auf dem Dach des Kan- wenn es sie das Leben kostet. didatenhauses der Jesuiten. Die Pläne für den Ausbau einer Schule in Taunggyi wurden trotz Nothilfe, Exerzitien, Bildung des Putsches vorangetrieben, und das neue Ge- bäude soll noch dieses Jahr eröffnet werden. Was war die Antwort der Jesuiten in dieser he- rausfordernden Zeit? Da sie an der Seite der Zusammen mit den anderen Werken der Jesu- Ärmsten stehen, liegt ihr Fokus immer darauf, iten ist dies ein deutliches Signal an die jun- sich mit den am stärksten Betroffenen zu soli- gen Menschen. Die Jesuiten sind zuversicht- darisieren. Zum Zeitpunkt des Putsches waren lich, dass es trotz aller Widrigkeiten eine gute die Jesuiten an Nothilfemaßnahmen beteiligt, Zukunft für das Land geben wird. um die Auswirkungen der Pandemie abzufe- Thomas Wolf dern. Hinzu kam eine neue Fokussierung auf die geistlichen Aspekte ihrer Arbeit, insbe- sondere zur Unterstützung der Menschen, die große Belastungen ertragen: Viele Exerzitien wurden online abgehalten. Der Apostolische Plan der Jesuiten räumt der Jugend Myanmars besondere Priorität ein und wird dem großen Bedarf an Bildung Rechnung tragen. Neue „Community Colleges“ wurden ins Le- ben gerufen, auch wenn Ausgangssperren die Eröffnung an einigen Standorten verzö- gert haben. Das „Myanmar Leadership Insti- tute“ und das „Campion College“ bieten wei- terhin Online-Kurse an, u.a. auf Grundlage des Fernunterrichtsmaterials, das von Jesuit Worldwide Learning entwickelt wurde. Online-Unterricht und Online-Treffen waren Der frühere Analyst Thomas Wolf ist durch viele persön- auch von zentraler Bedeutung für eine sehr liche Kontakte Myanmar und den Jesuiten verbunden. jesuitenweltweit 19
Insel am Abgrund Durch die Pandemie und fatale politische Fehlentscheidungen droht Sri Lanka im Chaos zu versinken. Eine Task Force der Jesuiten koordiniert landesweit Nothilfemaßnahmen. S ri Lanka befindet sich in einer aku- Hunger zu entgehen. Die Reise ist gefährlich, ten Wirtschaftskrise: Die Devisenre- immer wieder werden Flüchtende in Seenot serven sind erschöpft, die Vorräte an von der indischen Küstenwache gerettet. Treibstoff, Lebensmitteln, Medikamenten, Zement und anderen wichtigen Gütern wer- Auslöser des schlimmsten wirtschaftlichen den knapp. Die Regierung ist zuversichtlich, Zusammenbruchs seit der Unabhängigkeit dass sie die Krise bald überwinden wird. 1948 sind die Pandemie und ihre Folgen sowie Aber alles – einschließlich der Auswirkun- die unzureichende politische Reaktion der Re- gen des Krieges zwischen Russland und der gierung. Im Jahr 2020 wurde der Tourismus Ukraine – deutet darauf hin, dass wirtschaft- als einer der wichtigsten Devisenbringer Sri liche Erholung in weiter Ferne ist. Jetzt geht Lankas schwer beschädigt, was zu einer Dol- es ums Überleben. larkrise führte. Zehntausende stehen mittler- weile stundenlang vor Tankstellen Schlange. Stromausfälle, Treibstoffmangel, Außerdem sind die Menschen täglich mit Schlangestehen Stromausfällen konfrontiert. Die katastrophale wirtschaftliche Lage Sri Warten auf den „absoluten Absturz“ Lankas treibt die Bevölkerung in den Ab- grund. Tausende versuchen, mit Fischerboo- Nur Linsen, Reis und Tee ohne Milch: Die ten an die indische Küste zu fliehen, um dem Mahlzeiten von Helen Perinpanayagam, einer 20 jesuitenweltweit
SRI LANKA Friseurin, ihrem Ehemann, einem Taxifah- vor der COVID-19-Pandemie in Kraft traten. rer, und ihren vier kleinen Kindern werden Laut IWF ist die Staatsverschuldung auf ein immer karger: „Da es kaum Gas zum Kochen „unhaltbares Niveau“ angestiegen. gibt und der Strom abgestellt ist, bereiten wir unsere Mahlzeiten im Freien über Holz- Aktionsplan der Jesuiten feuer zu.“ Eine Treppe in ihrem Haus führt zu einem unfertigen zweiten Stock: Die Be- Die Jesuiten in Sri Lanka leisten kontinuier- tonpreise sind zu hoch, um weiterzubauen. lich Unterstützung für Familien, die von der Wie viele Landsleute fragen sie sich: „Wann Krise betroffen sind. Eine Task Force, beste- kommt der absolute Absturz?“ Schulprüfun- hend aus drei Jesuiten, wurde eingerichtet, gen werden wegen Papierknappheit verscho- um die Arbeit zu koordinieren. Diese Task ben. Das Land lebt praktisch von der Hand in Force stimmt sich mit den Katastrophenma- den Mund und ist zunehmend von ausländi- nagement-Teams der einzelnen Kommunitä- scher Hilfe abhängig. ten ab. Die Teams vor Ort besuchen Familien und evaluieren die Bedürfnisse. Im Fokus ste- Sri Lankas Selbstverständnis als aufstreben- hen insbesondere Selbstständige im informel- der Wirtschaftsstandort ist erschüttert. len Sektor, Familien mit Kindern unter 5 Jah- ren sowie ältere und behinderte Menschen. 500.000 unterhalb der Armutsgrenze Vorrangiges Ziel ist es, die grundlegende Ver- Auch die Kosten für den Anbau von Reis sind sorgung mit Lebensmitteln zu gewährleisten. astronomisch gestiegen. Die Regierung hat Mit ihr sinkt auch das Risiko für Erkrankun- kein Geld für Düngemittelsubventionen. Die gen und häusliche Gewalt. Und es geht dabei Weltbank schätzt, dass seit Beginn der Pan- auch darum, menschliche Arbeitskraft so gut demie 500.000 Menschen unter die Armuts- wie möglich zu schützen, damit Sri Lanka grenze gefallen sind, was einem Rückschritt weiterhin über eine qualifizierte Arbeitneh- von fünf Jahren bei der Armutsbekämpfung merschaft verfügt. entspricht. Die Situation ist so schlimm ge- worden, dass sich lange Schlangen vor den Die Wirtschaft Sri Lankas liegt nun am Boden. Passämtern gebildet haben, da jeder vierte Sri Die indische Nothilfe für den Handel wird es Lanker das Land verlassen möchte, vor allem ermöglichen, die Krise noch etwa einen Mo- junge und gebildete Menschen. nat lang zu überstehen. Aber wenn die Mittel erst einmal erschöpft sind, sieht die Zukunft Die Krise wurzelt in der Misswirtschaft der des Landes düster aus. Die gegenwärtige He- Vor-Corona-Zeit: „Sri Lanka ist eine klas- rausforderung besteht darin, eine Lösung zu sische Zwillingsdefizit-Wirtschaft“, heißt finden, um katastrophale soziale und politi- es in einem Arbeitspapier der Asiatischen sche Verwerfungen zu verhindern. Entwicklungsbank von 2019. Neben einem Haushaltsdefizit ist auch die Produktion von Roy Fernando SJ, Handelswaren und Dienstleistungen unzu- Direktor für Entwicklung der Jesuiten in Sri Lanka reichend. Beschleunigt wurde die Krise durch Steuersenkungen, die die Regierung im Wahl- Unterstützung für die Jesuiten in Sri Lanka: kampf 2019 versprochen hatte und die Monate jesuitenweltweit.de/SriLanka jesuitenweltweit 21
Rechenschaft 2021 der Jesuitenmissionen Deutschland und Österreich Solidarisch für Veränderungen Z um dritten Mal finden Sie im Sommer- geschrieben hat. Einladung zu Umkehr, Er- heft von jesuitenweltweit in Österreich neuerung und Transformation sollen sie und Deutschland einen Jahresrück- sein. Als Bezugspunkt und Horizont für un- blick, der – auch – von den Auswirkungen der seren Einsatz bleiben sie uns und unseren Corona-Pandemie geprägt ist. „Gemeinsam“ Projektpartner:innen Herausforderung auch und „solidarisch“ waren auch Schlagworte der für die kommenden Jahre. Überschriften der letzten beiden Rückblicke. Gerne möchte ich sie für 2021 mit dem Wort Konkret wurde daraus die Gründung des So- „Veränderungen“ vervollständigen. Denn die zial-Ökonomischen Zentrums der zentraleu- vergangenen drei Jahre haben uns sehr deut- ropäischen Provinz der Jesuiten in Nürnberg: lich gemacht, wie wichtig Gemeinschaft und ein Ort, der vernetzen soll und Antworten Solidarität, aber auch der entschiedene Ein- geben auf die notwendigen Fragen einer um- satz für Veränderung sind. fassenden gesellschaftlichen Transformation. Mehr als „etwas tun“ Hoffnungszeichen setzen Die universellen apostolischen Präferenzen „Wir müssen radikale Zeichen setzen. Nur des Jesuitenordens (UAPs) haben uns 2021 wenn Zeichen auch radikal sind, können als Jahresthema durch das Magazin und un- sie Menschen Hoffnung geben“, lautete ein sere Projektarbeit begleitet: einen Weg zu Wortbeitrag beim europäischen Treffen der Gott finden, an der Seite der Benachteilig- jesuitischen Sozialwerke im März dieses ten gehen, mit jungen Menschen unterwegs Jahres in Loyola im spanischen Baskenland: sein in eine hoffnungsvolle Zukunft und in radikal nicht im Sinne eines Extremismus, der Sorge um die Schöpfung, unser gemein- sondern im Bemühen, sich ganz grundle- sames Haus, zusammenarbeiten. Die UAPs gend, mit vollem Einsatz, für tiefgreifende sollen uns anregen, mehr als „etwas zu tun“, Veränderungen einzusetzen. Viele solcher wie Klaus Väthröder SJ im vergangenen Jahr Hoffnungszeichen konnten wir mit unseren 22 jesuitenweltweit
Projektpartner:innen dank Ihrer Unterstüt- Dringlichkeit der Veränderungen zung setzen. Der Neustart von CONCORDIA Tranzit im Kosovo und die Zusammenarbeit Der Jahrgang unserer Jesuit Volunteers, die zwischen der technischen Hochschule in ihre Freiwilligen-Einsätze im Frühjahr 2020 München und der St. Rupert’s Highschool wegen Corona abbrechen mussten, steht in in Simbabwe sind nur zwei von vielen Bei- besonderer Weise mit uns in Verbindung. spielen. In Haiti werden nach dem Erdbeben Sie haben an ihren Einsatzorten in Kambo- neue, erdbebensichere Häuser mit den und dscha, in Indien und Mexiko die Auswirkun- für die Familien gebaut, die ihr Zuhause ver- gen der Klimakrise vor allem auf die ärmere loren haben. Psychosoziale Begleitung und Bevölkerungsgruppen erlebt. Ihnen ist die Ausbildungsangebote ergänzen das Gesamt- Notwendigkeit von tiefgreifenden Verände- paket, das einen Neustart ermöglicht. rungen für eine gute Zukunft auch ihrer Ge- neration sehr bewusst. Im 2021 besonders von der zweiten Corona- welle betroffenen Indien haben unsere Part- Den Weg gemeinsam gehen nerinnen und Partner Impf-Aktionen orga- nisiert. Außerdem, so schreibt z. B. Joseph Diese Erfahrung der eigenen Betroffenheit Victor SJ aus Darjeeling, war es möglich, und der Dringlichkeit von Veränderungen Kindern, deren Eltern durch Corona arbeits- angesichts der weltweiten Auswirkungen los wurden, den Schulbesuch zu finanzieren. von Pandemie, Klimakrise und jetzt auch des Krieges in der Ukraine machen wir alle in der In Myanmar und Afghanistan sind die einen oder anderen Weise. Jetzt gilt es, Wege Präsenz und Unterstützung durch unsere der Veränderung zu suchen und gemeinsam Projektpartner:innen Hoffnungsanker für zu gehen. viele Menschen unter schwierigsten Lebens- bedingungen. In jüngster Zeit kamen noch Danke für alle Unterstützung und Verbun- die Nothilfe-Programme in Sri Lanka und denheit auf diesem Weg! der Ukraine hinzu. Auch hier bleiben wir vor Ort, so lange es möglich ist ist – und unter- Katrin Morales, stützt durch Ihre Hilfe. Geschäftsführerin von jesuitenweltweit Österreich jesuitenweltweit 23
Es ist ein langer Weg Bildung für alle zu einer Selbstverständlichkeit machen: Das ist das große Ziel von CONCORDIA Tranzit in Prizren/Kosovo. Das Betreuer-Team aus Psychologin- nen, Lehrkräften und Sozialarbeitern wächst. Eingefahrene Strukturen haben den All- tag der Bewohner:innen von Tranzit, einem „Mittlerweile besuchen die ersten Stadtteil im kosovarischen Prizren, lange ge- vier Kinder aus dem Sozialzentrum prägt. Die meisten gehören dem Volk der Ash- die höhere Schule. Das ist ein großer kali an. Buben und Männer arbeiten, während Erfolg, an den 2016 noch niemand junge Frauen früh schwanger werden und geglaubt hätte. Sie sind jetzt Vorbilder sich der Hausarbeit widmen. Bildung war in- und Motivation für die jüngeren mitten aller Probleme eher Nebensache. Aus Kindern aus der Nachbarschaft, diesen Strukturen auszubrechen ist schwer, diesem Weg zu folgen.“ vielleicht unmöglich, wenn man nichts an- Bardhyl Metkamberi, Leiter des Zentrums deres kennt. Im Sozialzentrum CONCORDIA Tranzit lernen die Kinder, dass es auch einen anderen Weg gibt: den der Bildung. Dort sind Der Schulabschluss ist für viele von ihnen Lehrkräfte auch in den Ferien präsent, die nicht das Ende. Einer der Freiwilligen aus Kinder haben stets Zugang zu Bildungsan- Tranzit – es sind meist Jugendliche, die die geboten wie Englischunterricht, Tanzkursen Schule abgebrochen haben und gegen eine oder Musikunterricht. kleine Vergütung mithelfen – ist mittlerweile an der Fakultät für Musik an der Universität Viele Gespräche mit den Familien, die Zusam- Pristina eingeschrieben. menarbeit mit Freiwilligen und das Wirken eines Teams aus Sozialarbeitern, Psycholo- ginnen und Lehrkräften tragen zu einem Um- Mit insgesamt 80.000 Euro haben jesuiten- denken bei. Bildung ist nicht mehr abstrakt weltweit Österreich und Deutschland das Pro- – sie wird zur Option. jekt im vergangenen Jahr unterstützt. 24 jesuitenweltweit
Die Stimme der Stimmlosen Graswurzelbewegung und Aktionsplattform: „Lok Manch“ gibt ausgegrenzten Menschen in ganz Indien eine Stimme. Ein Christ zu sein, eine Muslima, einer nied- den einst Stimmlosen landesweit eine kräfti- rigen „Kaste“ anzugehören oder als Adivasi, ge Stimme zu geben. Lok Manch ermutigt und Angehöriger eines indigenen Stammes, zu befähigt die Menschen, fundamentale Rechte leben, wird in Indien zunehmend härter. Das wie den Zugang zu Bildung und Trinkwasser politisch-gesellschaftliche Klima ist unter zu erstreiten und den Kampf gegen Unge- dem Primat eines aggressiven Hindu-Nati- rechtigkeit und Korruption aufzunehmen. onalismus rau geworden für Minderheiten. Gewalt, Diskriminierung und institutionelle Ausgrenzung sind trauriger Alltag. „Seitdem ich im Komitee von Lok Manch bin, fühle ich mich befähigt „Lok Manch“ (dt.: Forum des Volkes) ist eine und ermutigt, anderen in meinem Graswurzelbewegung, die dem Einhalt gebie- Dorf zu helfen und Verantwortung zu ten will und sich stark macht für Pluralismus übernehmen.“ und Demokratie: als „nationale Plattform zur Roopa Siddi (29, Lok Manch-Delegierte) Förderung der Würde und des Wohlergehens marginalisierter Menschen in Indien“. Lok Manch vereint 100 jesuitische und säkulare Direktes Ziel von Lok Manch ist, die Lebens- Organisationen in zwölf indischen Bundes- qualität von bis zu 300.000 Familien in ganz staaten und 15 Jesuitenprovinzen. Indien zu verbessern. Entscheidend ist hier die Arbeit von über 3.000 verantwortlichen Neben der Vernetzung von Einzelpersonen, Aktivist:innen vor Ort, von denen 50 Prozent Communities und NGOs und dem Empower- Frauen sind. ment durch Workshops und Rechtsberatung geht es bei Lok Manch um direkte politische 2021 haben wir die Arbeit von Lok Manch dank Intervention, darum, sich einzumischen und Ihrer Hilfe mit 78.00 Euro gefördert. jesuitenweltweit 25
Aufatmen! Die zweite Corona-Welle ließ 2021 Indiens Gesundheitssystem kollabieren. Mit Ihrer Unterstützung haben unsere Partnerorganisationen vielen Armen das Leben gerettet. Hohe Infektionszahlen und strenge Lockdowns blieben der Welt auch im zweiten Corona-Jahr „Nach meiner Diagnose hatte ich nicht erspart. In Indien, das sich im Mai 2021 Todesangst. So viele Menschen aus mit mindestens 300.000 Neuinfektionen pro unserer Gegend haben Covid nicht Tag einer schweren zweiten Infektions-Welle überlebt. Nach 21 Tagen Behandlung gegenübersah, brach die öffentliche Gesund- im Jesu Ashram Krankenhaus wurde heitsversorgung zusammen. Landesweit gab es mir ein zweites Leben geschenkt. Ich in den Kliniken nicht genug Betten und nicht bete täglich für alle, die mir halfen“ genug Sauerstoff. Viele Erkrankte lagen auf Luli, 68, Angehörige des Santal-Stamms den Gängen oder mussten gar vor den Kran- kenhäusern kampieren. Viele Familien haben Angehörige verloren, Nachdem die Regierung NGOs zur Mithilfe oft jene, die das einzige Einkommen nach aufgerufen hatte, haben Jesuiten kurzerhand Hause bringen. Die Essenspakete haben un- einige zusätzliche Zentren eingerichtet: Im ser Überleben gesichert“, sagt Sonal Singh St. Joseph College in Darjeeling zum Beispiel aus Samjha Colony, einer Gemeinde am Rand eines mit 50 Betten und ausreichend Sauer- der Hauptstadt. stoff, Medikamenten und Lebensmitteln und Mit dem Abklingen der Welle konnten die im nahen Matigara eine Einrichtung speziell Jesuiten erfolgreich Impfaktionen organisie- für Frauen und Kinder. Dort wurden bis Au- ren In Darjeeling etwa haben zunächst 1.125 gust letzten Jahres 18 Covid-kranke Frauen Menschen eine kostenlose Impfung erhalten, und Kinder betreut. Vier Patientinnen und in der zweiten Runde 1.500, darunter viele Patienten aus der Umgebung wurden Sau- Teepflücker:innen und Studierende. erstoffzylinder nach Hause geliefert, berich- tet Julius Kujur SJ, Verantwortlicher im Jesu Mit Ihrer Unterstützung flossen 1.370.375 Euro Ashram Krankenhaus. in den Kampf gegen die Pandemie. 26 jesuitenweltweit
JESUIT VOLUNTEERS Marokko: Gestrandet im Transitland Die Maghreb-Länder sind für viele afrikanische Geflüchtete auf dem Weg nach Euro- pa vorläufige Endstation. Zwei jesuitische Einrichtungen geben ihnen Perspektiven. Etwa hunderttausend Menschen, die aus Im Baraka-Zentrum absolvieren derzeit 120 Afrika und dem Nahen Osten nach Europa junge Menschen eine Berufsausbildung in fliehen wollten, sind in Marokko gestrandet, den Bereichen Gastronomie, Elektronik, Sani- einem Land, dessen Wirtschaftsleistung und tärwesen und Management. 300 Jugendliche Pro-Kopf-Einkommen viel höher sind als in und junge Erwachsene lernen in Nachmit- anderen afrikanischen Staaten, das aber vor tagskursen Französisch, Spanisch und Eng- allem in seinen ländlichen Regionen unter- lisch. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der entwickelt ist. Eine kleine Jesuitenkommu- Förderung junger Frauen. nität in Nador im Nordosten des Landes steht den Geflüchteten und den Einheimischen bei. Zwei Werke, die Diözesandelegation für „Es ist in Marokko für Geflüchtete Migration und das Baraka-Zentrum für Be- schwierig, medizinische Leistungen rufsbildung und Integration, sind im Einsatz in Anspruch zu nehmen. Frauen und für die Migrantinnen und Migranten sowie Kinder leiden unter den Umständen.“ für die marginalisierte lokale Bevölkerung Alvar Sánchez SJ, Projektverantwortlicher des Maghrebstaats. In Nador und Oujda, nahe der Grenze zu In beiden Einrichtungen arbeiten jeweils Algerien, vermitteln die Jesuiten und ihre Teams von etwa zwanzig Mitarbeiterinnen Mitarbeiter:innen Geflüchteten Behandlun- und Mitarbeitern. Da die Zahl der Geflüch- gen bei Ärzten und in Krankenhäusern, be- teten in Nordmarokko stetig wächst, sind die raten sie und übersetzen. Die Teams betreuen Jesuiten auf Partner angewiesen, um die Pro- die Menschen auch in ihrem Alltag. Besonders gramme zu finanzieren. Bedürftige finden Schutz und psychosoziale Unterstützung in der Herberge der Pfarrei St. 2021 konnten wir mit Ihrer Hilfe die Jesuiten in Louis in Oujda. Marokko mit 50.000 Euro unterstützen. jesuitenweltweit 27
St. Rupert’s: Nachhaltig in die Zukunft Eine Schule fürs Leben: Im ländlichen Simbabwe bringt St. Rupert’s den Wandel. Der „Science Block“ festigt die Bedeutung der einzigen High School weit und breit. Im ländlichen Simbabwe führen nur weni- der in diesem Jahr fertiggestellt wird. Mit ge Schulen zur Hochschulreife. Von den 6,3 der Einrichtung des Science Block kann St. Millionen Jungen und Mädchen im Land le- Rupert‘s weiter als High School betrieben ben 4,8 Millionen in Armut, davon 1,6 Mil- werden. Aktuell arbeiten wir gemeinsam am lionen in extremer Armut. Fast 15 Prozent umfassenden Ausbau der Wasserversorgung der Kinder und Jugendlichen besuchen keine und der Solarenergie. Schule. Die Gebühren sind hoch, staatliche Schulen in schlechtem Zustand, Kinderar- beit und -prostitution traurige Realität. Co- „Die neue Infrastruktur bringt nicht rona hat den Bildungsnotstand verschärft. nur Energie, sie dient auch der Ausbil- dung in dieser komplexen Technologie.“ Im abgelegenen Makonde können die Dipl.Ing. Mathias Stelmach (lftr e.V.) Schüler:innen von St. Rupert‘s ihren Traum wahrmachen und nach dem Abschluss der High School ein Hochschulstudium begin- Der Bau einer Mensa sowie ein Jungeninternat nen. In einer beispiellosen Kooperation mit sind die Pläne für die kommenden Jahre. In Wissenschaftlern und Studierenden der TU der Umsetzung der Projekte zur nachhaltigen München wurde die St. Rupert Mayer‘s High Energieversorgung wird St. Rupert’s von einer School zum echten Standortfaktor. Mit Ihrer weiteren Gruppe der TU München, dem Ver- Unterstützung haben wir uns der stetigen ein TU eMpower Africa, unterstützt. Im Mit- Weiterentwicklung des Schulcampus ver- telpunkt stehen Erneuerung und Ausbau der schrieben. Im Jahr 2021 ist es uns gelungen, Solarenergie sowie der Bau von Brunnen, die in Zusammenarbeit mit dem TU-Programm ebenfalls mit Solarpumpen betrieben werden. „learning from the roots“ (lftr e.V.) den Bau eines naturwissenschaftlichen Lernzen- Im Jahr 2021 konnten wir St. Rupert’s dank Ihrer trums, des „Science Block“, anzustoßen, Hilfe mit 84.000 Euro unterstützen. 28 jesuitenweltweit
Sie können auch lesen